Forschungspublikationen

30.09.2024

Hybride Strick-Wirk-Technologie zur Umsetzung von Strukturen mit definiert einstellbarem bimodularen Verformungs- und Beanspruchungsverhalten

Gestricke & Gewirke Textilmaschinenbau Technische Textilien

Zusammenfassung

Das abgeschlossene Forschungsprojekt „GeDeKe“ der Industriellen Gemeinschaftsforschung hat eine völlig neue und hochproduktive Technologie zur Integration von Kettmaschenfäden in Flachgestricke hervorgebracht. Die Forschungsergebnisse verdeutlichen, dass das Zugverhalten durch die zusätzliche Bindung der aus dem Kettwirkverfahren bekannten Kettfäden und durch die Wahl der Bindungselemente ab 10 % Dehnung bedarfsgerecht eingestellt werden kann. Die entwickelte Technologie nutzt die nadelgenaue Maschenbildung, um Kettfäden Nadel für Nadel präzise als Masche oder Henkel in ein Standardgestrick einzubinden. Dadurch wird nicht nur eine hohe Produktivität erreicht, sondern auch eine solide Methode zur Herstellung neuer Flachstrickprodukte geschaffen.

Bericht

Einleitung und Problemstellung

Die Flachstricktechnik eignet sich für die Herstellung von individuellen, atmungsaktiven und perfekt sitzenden Produkten. Ständig neue Trends in der Sport- und Freizeitbekleidung werden geschaffen. Die maschinen- und bindungsseitig zugrundeliegenden Technologien müssen jedoch kontinuierlich weiterentwickelt werden, um die Innovationskraft weiterhin zu steigern. Im wachstumsorientierten Markt der technischen Textilien haben sich Flachgestricke in sehr unterschiedlichen Anwendungen etabliert, unter vielen anderen als Kompressionstextilien mit einem sehr hohen Marktanteil. Kompressionsstrümpfe müssen bspw. ein angepasstes Kraft-Dehnungsverhalten in Umfangsrichtung des Beins und damit ein spezifiziertes Kompressionsverhalten dauerhaft gewährleisten. Beispielsweise muss die Kompression aus medizinischen Gründen, klassenabhängig vom Fuß aufwärts zum Oberschenkel hin abnehmen. Mit zunehmender Kompression nimmt jedoch auch die zum Anziehen erforderliche Zugkraft zu, so dass sich das Gestrick während des Anziehens in Längsrichtung lokal und global dehnt. Dies führt zunehmend zur Überdehnung der Garne in den nicht-reversiblen Bereich. Nach der Entlastung verbleibt ein nicht-reversibler Dehnungsanteil in der Gestrickstruktur, was u. a. die Passform, die Dauerhaltbarkeit und damit die therapeutische Wirksamkeit über der Nutzungsdauer beeinträchtigt. Die Überdehnung führt auch dazu, dass die Maschen reißen und folglich Löcher und Laufmaschen entstehen. Mit der bisherigen Flachstricktechnologie und den etablierten Bindungen kann allerdings nur eine minimale Einstellbarkeit der Dehnung in Maschenstäbchenrichtung erreicht werden.

Zielsetzung

Ziel war es, eine fortschrittliche Flachstricktechnologie zu entwickeln, die es ermöglicht, Kettmaschenfäden nach dem Prinzip des Kettwirkens gezielt in konventionelle Gestricke einzubinden. Damit sollen die Dehnungseigenschaften in Maschenstäbchenrichtung präzise steuerbar werden, um z. B. die Dauergebrauchseigenschaften von Kompressionstextilien u.v.m. zu verbessern. Der daraus abgeleitete Forschungsbedarf umfasst die Entwicklung eines stricktechnischen Verfahrens zur Einbindung der Kettfäden, die simulationsgestützte Beanspruchungsanalyse der Gestricke mit und ohne Kettfäden, die exemplarische Umsetzung der Maschinentechnik zur Herstellung der neuen Gestricke sowie deren umfassende textilphysikalische Charakterisierung, insbesondere des damit erzielbaren Kraft-Dehnungsverhaltens.

Projektdurchführung und Ergebnisse

Mit Unterstützung von Experten aus der Industrie wurden systematisch Anforderungen und Lösungsansätze für die Bindungstechnik von Flachgestricken mit zusätzlich eingearbeiteten Kettmaschenfäden und ein daraus abgeleitetes Lastenheft entwickelt. Dieses umfasst u. a. die Definition von drei Funktionsmustern und einem repräsentativen Demonstrator. Den Ausgangspunkt bildete eine Grundstruktur, ein Rechts/Links-Standardgestrick ohne Kettfäden. Die Grundstruktur dient als Referenz für die vergleichende Charakterisierung der Kraft-Dehnungsverhaltens. Das erste Funktionsmuster entsteht durch die Integration der Kettmaschenfäden in die Grundstruktur, wobei zunächst die Integration von fünf Kettmaschenfäden vorgesehen wurde. Die weiteren Funktionsmuster resultieren aus der Integration der Kettmaschenfäden in eine bzw. in beide Deckflächen eines Abstandsflachgestricks. Aus den Funktionsmustern wurde ein repräsentativer Demonstrator abgeleitet. Angestrebt wurde ein endkonturgerechtes, kniehohes Flachgestrick, das bspw. als komplex geformtes Kompressionstextil für medizinische oder sportliche Zwecke fungiert.

Für eine umfassende Bewertung der anvisierten Einstellbarkeit der Dehnungseigenschaften wurden u. a. die Bindungselemente „Fanghenkel“ und „Plattiermasche“ untersucht. Die Abbildung 1 zeigt die daraus konzipierten Bindungen und den Fadenlauf der Grundstruktur sowie der Kettmaschenfäden. Insbesondere kombiniert die Abbildung gleichzeitig die traditionellen Darstellungsweisen von Gestrick- und Kettengewirkebindungen. Die Abbildung 1a) illustriert den Fadenlauf einer Fanghenkel-Bindung, wobei sich die untersuchten Varianten darin unterscheiden, dass der Kettfaden entweder in jeder oder in jeder dritten Maschenreihe eingebunden ist. Die dargestellten Varianten 1b) folgen demselben Konzept, nutzen jedoch das Bindungselement Plattiermasche.

Die Strickvorgänge zur Fertigung solcher Bindungen können je nach eingesetzter Maschinentechnik unterschiedlich sein. Unter Verwendung kommerzieller Flachstrickmaschinen sind immer mehrere Strickoperationen über mehrere Maschenreihen (vgl. lateinische und römische Ziffern) notwendig. Die experimentellen Arbeiten ergaben mindestens den zeitlichen Faktor 2 gegenüber der Bildung der Grundstruktur. Damit verbunden sind erhebliche Produktivitätseinschränkungen je nach Anzahl der einzubindenden Kettfäden. Im Rahmen der Anwendung von VDI-Richtlinien wurden demgegenüber Anforderungen definiert, die sicherstellen, dass die zu entwickelten Konzepte sowohl technisch als auch wirtschaftlich tragfähig sind. Eine wesentliche Forderung ist daher die Bevorzugung von Konzepten, die keine Produktivitätseinbußen mit sich bringen.

Angesichts dieser Herausforderung mussten im Rahmen der geplanten Verfahrensentwicklung Konzepte entwickelt werden, die weit über den derzeitigen Stand der Technik hinausgehen. Nach einer eingehenden Bewertung und der Berücksichtigung zusätzlicher Anforderungsspezifikationen und technischer Kriterien wurde eine technologische Vorzugslösung für die hochproduktive Integration der Kettmaschenfäden erarbeitet. Die Vorzugslösung sieht vor, dass die Kettfäden entsprechend der stricküblichen Maschenbildung Nadel für Nadel parallel zur Bildung der Grundstruktur in die jeweilige Stricknadel eingelegt und abgebunden werden. Die dazu notwendigen Bewegungen müssen somit synchron zur Bewegung jeder einzelnen Stricknadel, definiert vor- und nacheilend entsprechend der Kulierkurve des Strickschlittens und der umzusetzenden Bindungselemente erfolgen.

Die technische Umsetzung der Vorzugslösung bedarf einer komplexen technischen Einrichtung bspw. in Form eines mechanischen oder elektromechanischen Getriebes zur Bewegungsrealisierung jedes Einlegeelementes sowie synchronisierte Bewegungsabläufe zum gewöhnlichen Maschenbildungsprozess und aller damit verbundenen Funktionen u.a. Strickschlittenbewegung, Musterung, Nadelauswahl, Bindung. Die weiteren Arbeiten fokussierten die konstruktive Entwicklung und Umsetzung der Vorzugslösung vgl. Abbildung 2a) sowie deren Komplettierung zu einer modularen Einrichtung bestehend aus einem Hauptfunktionsträger (1) und der funktionalen Einrichtung (2). Eine am ITM vorhandene Handflachstrickmaschine vgl. Abbildung 2b) wurde exemplarisch damit ausgerüstet. Alle Funktionen wurden im Forschungsumfeld durch mechanische Getriebe und bindungsabhängige Steuerkurven umgesetzt.

Auf der exemplarisch realisierten Maschinentechnik erfolgte die funktionelle Erprobung u.a. die Einstellung technologischer und bindungsabhängiger Parameter. Dies betrifft die Anordnung der Bindungselemente Plattiermasche, Fanghenkel, Flottung, Flottlänge und Bindungsrapport.

Die Abbildung 3a) zeigt eine Aufnahme während der Maschenbildung von Grundstruktur und der zu bindenden Kettfäden. Die Innovation besteht darin, dass die Maschenbildung der Grundstruktur und der Kettmaschenfäden mit nur einer Strickschlittenbewegung parallel zur Bildung der Grundstruktur erfolgt. Dadurch entstehen große Produktivitätsvorteile, da Strickoperationen über mehrere Maschenreihen vermieden werden. Final wurden die geplanten Funktionsmuster mit verschiedenen Bindungskombinationen gemäß der in Abbildung 1 dargestellten Bindungen und Flottierungen umgesetzt und für weitere Arbeiten, insbesondere die wichtige Kennwertermittlung bereitgestellt. Die Abbildungen 3b) zeigen gefertigte Gestricke mit eingebundenen, teilweise flottierenden Kettfäden, die als Plattiermaschen und Fangmaschen eingebunden sind.

Die praxistaugliche Übertragbarkeit der Vorzugslösung in vollautomatische Flachstrickmaschinen z. B. unter Verwendung leistungsfähiger mechatronischer Antriebe und deren bindungsabhängige Steuerung für die erforderlichen Bewegungsabläufe wurde während der Entwicklungsarbeiten sichergestellt. Zudem wurde eine hohe Prozesssicherheit nachgewiesen. Schlittengeschwindigkeiten bis zu 3 m/s sind auf Basis der durchgeführten Berechnungen möglich, sodass beste Voraussetzungen für die industrielle Realisierung der neuen Technologie bestehen.

Um die Beanspruchung der Funktionsmuster zu charakterisieren, wurden die realisierten Varianten in Anlehnung an die Norm DIN 53835-13 statischen und dynamischen Streifenzugversuchen unterzogen. Die Abbildung 4 zeigt das statistisch abgesicherte Kraft-Dehnungsverhalten der neuen Flachgestricke mit eingebundenen Kettfäden in jeder Maschenreihe mit den Bindungselementen Fanghenkel a) und Plattiermasche b) im Vergleich zur Grundstruktur. Die Variante Fanghenkel a) zeigt einen stark progressiven Steifigkeitsanstieg mit Beginn der aufgebrachten Kraft ab 5 % Dehnung. Die zunehmende Steifigkeit wirkt der Dehnung in Längsrichtung entgegen. Die notwendige Kraft nimmt bei 25 % Dehnung um etwa den Faktor 3 gegenüber der Grundstruktur zu und wirkt damit stark dehnungsbegrenzend. Die als Plattiermasche gebundenen Kettfäden, zeigen ein anderes signifikantes Verhalten, das bis ca. 25 % Dehnung mit der Grundstruktur übereinstimmt und ab 40 % Dehnung ansteigt. Die als Fanghenkel eingebundenen Fäden ermöglichen eine hohe Versteifung der Grundstruktur, da die Fäden gestreckter liegen als die als Plattiermasche eingebundenen Fäden. Insgesamt ist die gezielte Beeinflussbarkeit der Dehnung in Maschenstäbchenrichtung festzustellen. Die integrierten Kettfäden können die Kräfte z.B. bei lokaler oder globaler Überbeanspruchung so aufnehmen, dass die Grundstruktur intakt bleibt, was die Dauerhaltbarkeit von Flachgestricken gegenüber dem Stand der Technik deutlich verlängern kann.

Der Vergleich aller Ergebnisse zeigt unverkennbar, dass das Dehnungsverhalten mittels der als Fanghenkel oder Plattiermasche eingebundenen Kettfäden durch:

  • die Nutzung steiferer Garne für die Kettfäden z.B. Umwinde- oder Flechtgarne,
  • die Erhöhung der Garnmenge bzw. Feinheit pro Kettfaden und/oder
  • die Einbeziehung von Mehrfachanordnungen der Kettfäden

breit modifizierbar ist.

Insgesamt wird der Forschungsansatz durch die umfangreiche Bereitstellung der Versuchsergebnisse bestätigt.

Lastenheftbasierend wurde im letzten Schritt der Projektdurchführung eine konventionelle Konstruktion eines Kompressionstextils für den Demonstrator zugrunde gelegt u. a. eingearbeitete elastische Umwindegarne zur Kompressionserzeugung sowie die angestrebte Mehrfachanordnung der neuen Kettmaschenfäden. Die Dehnbarkeit wurde unter Anwendung aller im Rahmen der Projektdurchführung eruierten Ergebnisse auf 50 % begrenzt, sodass eine Überbelastung des Gestricks vermieden wird und die Dauerhaltbarkeit deutlich besser gewährleistet werden kann, als durch bisherige Flachgestricke. Die Abbildung 5a) zeigt diesen Demonstrator als maschinenfallendes Flachgestrick mit 14 integrierten Kettmaschenfäden. Die Abbildung 5b) verdeutlicht das Textil nach nähtechnischer Verarbeitung passgenau auf einem zugrunde gelegten Beinmodell.

 

Damit konnte nachgewiesen werden, dass ein neues Verfahren zum gleichzeitigen Stricken und Wirken erfolgreich entwickelt wurde. Neue textile Strukturen mit definieren Eigenschaften für diverse Anwendungen können anforderungsgerecht realisiert werden.

 

Zusammenfassung

Die neu entwickelten Flachgestricke mit integrierten Kettmaschenfäden erlauben eine präzise Anpassung der Dehnungs- und Zugeigenschaften in Maschenstäbchenrichtung. Eine Möglichkeit, die zuvor nicht gegeben war, ohne gleichzeitig die Dehnungseigenschaften in der senkrechten Richtung zu beeinträchtigen. Diese Innovation ist besonders bedeutsam für die Entwicklung und Herstellung von Gestricken, da sie es Herstellern ermöglicht, ihre Produktvielfalt zu erweitern. Die Gesamttechnologie bestehend aus Vorzugskonzept und Bindung hat nicht nur in Kompressionstextilien Anwendungspotenzial, sondern in allen Maschenwaren, bei denen ein einstellbares Dehnungsverhalten in Maschenstäbchenrichtung erwünscht wird. Dies ist besonders vorteilhaft für Flachgestricke, wie z.B. Kniestrümpfe, Strumpfhosen und Leggings, die normalerweise aufgrund ihrer i.d.R. großen Dehnbarkeit in Maschenstäbchenrichtung stufenweise angezogen werden müssen. Weiterhin eröffnet das Verfahren Möglichkeiten für neue, ästhetisch ansprechende Designs in der Modeindustrie. Die Ergebnisse demonstrieren, dass das Zugverhalten so präzise eingestellt werden kann, dass Eigenschaften wie bi-modulares Kraft-Dehnungsverhalten erzeugt werden können. Intelligente Materialien, die durch die Kombination von Bimodul-Flachgestricken bspw. mit elastomeren Matrizes entstehen, könnten ebenfalls zukünftige Märkte erschließen.

 

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21967 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e. V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Die Autoren danken den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel. Weiterhin danken wir den Firmen des projektbegleitenden Ausschusses für die fachliche Unterstützung sowie allen weiteren Partnern, die in der Forschungsarbeit zu diesem Themenkreis unterstützten. Der Schlussbericht ist über den Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V., Berlin beziehbar. Weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) erhältlich.

Autor: Sven Hellmann

Kontakt: sven.hellmann@tu-dresden.de

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

AutorInnen: Sven Hellmann

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21.05.2024

Aktiv verformbare Gelenke für Smart Composite Anwendungen

Gestricke & Gewirke Composites Sensorik Technische Textilien Smart Textiles

Zusammenfassung

Funktionsintegrierte aktiv verformbare Faserkunststoffverbunde, auch Smart Composites genannt, gewinnen stetig an Bedeutung und finden zunehmend Anwendung in allen volkswirtschaftlichen und technologischen Leitbranchen, wie dem Fahrzeug‑, Maschinen‑ und Anlagenbau sowie in der Medizin‑, Umwelt‑ und Luftfahrttechnik.

Im IGF-Projekt 21969 BR erfolgte am ITM die simulationsgestützte Entwicklung gestrickter 3D-Preformen zur Realisierung aktiv verformbarer 3D-Faserkunststoffverbunde mit mehrachsigem Festkörpergelenk. Dabei werden als Aktoren Drähte aus Formgedächtnislegierung eingesetzt und textiltechnisch direkt in die textilen Verstärkungsstrukturen integriert, die einmal in der Matrix eingebettet die spätere Beweglichkeit des Bauteils sicherstellen. Dadurch sind erstmalig das Leichtbaupotenzial von Hochleistungsfasern und das Leistungspotenzial textilbasierter Aktoren zur Erzielung komplexer 3D-Bewegungen in hohem Maße ausnutzbar, was langfristig zu einer deutlichen Steigerung der Energieeffizienz von Systemen und Komponenten beiträgt.

Bericht

Einleitung und Problemstellung

Im Zuge der notwendigen Etablierung nachhaltiger Lösungen besteht derzeit ein hoher Bedarf an hochbelastbaren und zugleich extrem leichten Bauteilen aus faserverstärkten Kunststoffverbunden (FKV) mit zusätzlichen Funktionalitäten. Insbesondere aktiv verformbare FKV mit strukturintegrierten Aktoren und Festkörpergelenken haben ein hohes Innovationspotenzial zur Realisierung komplexer 3D-Bewegungsaufgaben, für die herkömmliche Bewegungsmechanismen in Differentialbauweise meist eine lineare Kopplung mehrerer konventioneller Gelenke und dezentraler Antriebe erfordern, die eine hohe Massenträgheit und demzufolge einen hohen Energieverbrauch bedingen.

Zur Ausnutzung des Leichtbaupotenzials von FKV besteht daher ein hoher Bedarf an funktionsintegrierten textilen Verstärkungsstrukturen, die gleichzeitig als bedarfsgerechte Funktions- und Festigkeitsträger fungieren. Daraus herstellbare, aktiv verformbare FKV-Bauteile kommen zunehmend in industriellen Anwendungen zum Einsatz, u. a. im Maschinen‑ und Anlagenbau (z. B. Soft Robotik [1], Leichtbauroboterarme), der Medizintechnik (z. B. aktive Orthesen und Prothesen, Endoskopie-Endeffektoren), im Schiff‑ und Automobilbau (z. B. adaptive Spoiler, aktiv verformbare Hydrofoils) sowie in der Luftfahrt (z. B. morphing wings [2 – 4]). Sie weisen eine aktiv geometrisch-veränderbare äußere Form auf, die i. d. R. über eine steuerbare Modulation der inneren Morphologie des Werkstoffes oder durch strukturintegrierte Aktoren, z. B. nach thermischer Aktivierung kontrahierende Drähte aus Formgedächtnislegierung (FGL) [5], einstellbar ist. Derzeit verfügen diese Lösungen allerdings nur über Festkörpergelenke mit einem Freiheitsgrad und können damit lediglich einfache Verformungen ausführen [6 – 8]. Komplexere 3D-Bewegungen sind deshalb nur durch eine kinematische Kopplung erreichbar, d. h. durch die in Bauteillängsrichtung versetzte Anordnung mehrerer einachsiger Festkörpergelenke. Bisher sind keine geeigneten Auslegungsstrategien zur Umsetzung komplexer, mehrachsiger Bewegungen von duroplastischen 3D-FKV-Bauteilen durch textilintegrierte, mehrachsige Festkörpergelenke vorhanden.

Zielsetzung

Das Ziel des IGF-Forschungsprojektes 21969 BR war die simulationsgestützte Entwicklung, Umsetzung und Erprobung gestrickter schlauchförmiger Verstärkungshalbzeuge mit mehrachsigem Festkörpergelenk sowie strukturintegrierten Aktor- und Energieversorgungsnetzwerken zur Herstellung definiert und aktiv verformbarer 3D-FKV-Integralbauteile mit Duromermatrix, die mindestens zwei Freiheitsgraden aufweisen.

Derartige 3D-FKV-Bauteile mit biegeweichem Festkörpergelenk besitzen, analog zu biologischen Vorbildern, eine segmentierte Struktur mit zwei durch das Gelenk elastisch miteinander gekoppelten starren Segmenten (vgl. Abbildung 1). Die bei Aktivierung der FGL-Aktoren infolge der Kontraktion verrichtete Verformungsarbeit generiert ein Biegemoment um die jeweilige Gelenkachse und induziert somit entsprechende Relativbewegungen der starren FKV-Segmente.

Die wesentlichen Herausforderungen im Projekt sind die bedarfsgerechte Auslegung geeigneter Deformationsbereiche des Festkörpergelenks sowie die integrale Fertigung von funktionalisierten 3D-Verstärkungshalbzeugen als schlauchförmige Mehrlagengestricke. In diese sollen im Strickprozess sowohl FGL-Drähte als auch ein für deren elektrisch induzierte Aktivierung erforderliches Energieversorgungsnetzwerk aus leitfähigem Garnmaterial simultan integriert werden. Die FGL-Aktoren sind dabei so anzuordnen, dass das mehrachsige Festkörpergelenk mindestens zwei im Deformationsbereich konzentrierte Freiheitsgrade aufweist, die Biegeverformungen um zwei Hauptgelenkachsen zulassen. Zudem sind sie direkt während des Strickprozesses so zu verarbeiten, dass sie form‑ und kraftschlüssig in der Struktur eingebunden sind und somit eine maximale, reproduzierbare Auslenkung der aktiv verformbaren FKV-Bauteile ermöglichen.

Ergebnisse

Simulationsgestützte Strukturauslegung

Im Projekt erfolgte zunächst die Präzisierung der zu erfüllenden Anforderungen an relevante aktiv verformbare FKV-Integralbauteile ohne externe Motoren in den anvisierten Anwendungsbereichen. Nach Ableitung der Anforderungen an integral gefertigte, funktionalisierte 3D-Textilhalbzeuge mit strukturintegrierten FGL-Aktoren erfolgte eine simulationsgestützte Analyse der maximal erreichbaren Verformungen von aktiv verformbaren FKV-Bauteilen an festgelegten Funktionsmustern mittels Finiter Element Methode (FEM). Dazu wurde das Woodworth-Kaliske-FGL-Materialmodell verwendet [9], das in der Lage ist, den Formgedächtniseffekt der eingesetzten FGL-Aktoren durch direkte Vordehnung abzubilden. Aufbauend auf den Ergebnissen der FEM-Analyse wurden bindungstechnische Ansätze zur integralen Realisierung der Funktionsmuster und insbesondere zur Lösung folgender Aufgaben entwickelt:

  1. Gestaltung von biegeweichen Gelenk‑ bzw. Deformationsbereichen für eine höchstmögliche Verformung der FKV-Bauteile.
  2. Stricktechnische Einbindung der FGL-Aktoren für eine hinreichende form- und kraftschlüssige Fixierung und somit maximale Auslenkung der FKV-Bauteile.
  3. Stricktechnische Einbindung der elektrisch leitfähigen Garne für eine in-situ Kontaktierung, d. h. zuverlässige, stoffschlüssige elektrische Verbindung der FGL-Aktoren mit dem Energienetzwerk im FKV-Bauteil.

Die Ergebnisse zeigen (vgl. Abbildung 2), dass im Vergleich zu den starren Segmenten (Section#1 mit 8 Verstärkungslagen à jeweils 1.200 tex in Kett- und Schussrichtung) die entwickelten 2D-Gelenkbereiche mit nur 2 Verstärkungslagen à 1.200 tex in Kett- und Schussrichtung (Section#2) bzw. à 1.200 tex in Kettrichtung und 410 tex in Schussrichtung (Section#3) um ca. 50 % geringere Biegemodule aufweisen (Section#1: ca. 12 GPa; Section#2 und Section#3: ca. 6 GPa in Bauteillängsrichtung) und daher als Deformationsbereiche prinzipiell geeignet sind [10].

Nach Konsolidierung von 3D-FKV-Bauteilen mit Epoxidharz (EP) wurde jedoch festgestellt, dass die Biegesteifigkeit der Deformationsbereiche zu hoch ist, um eine Verformung des 3D-Bauteils zu erlauben. Das ist auf die hohe Drucksteifigkeit des EPs in Verbindung mit der gekrümmten Rohrwandung zurückzuführen, die einen hohen Verformungswiderstand bedingen, was auch die durchgeführte FEM-Analyse bestätigt. Daher wurde im Projekt ein Multi-Matrix-Ansatz verfolgt, um die Gelenk‑ bzw. Deformationsbereiche mit einem viel biegeweicheren Matrixmaterial als das EP zu versehen. Hierfür wurden während der Infiltration im VARI-Verfahren zugleich die starren Segmente mit EP konsolidiert, die Deformationsbereiche hingegen mit einem fließfähigen Polyurethan-Matrixsystem (PUR) Biresin®-407 der Firma Sika Deutschland GmbH. Dieses gießfähige Elastomer mit einer Viskosität von ca. 600 mPa·s und einer Shore-Härte A 85 weist insbesondere ein niedriges Biegemodul von ca. 2 GPa auf (vgl. PUR-Section in Abbildung 2), was eine Verformung auch von rohrförmigen 3D-FKV-Bauteilen begünstigt.

Die Ergebnisse zeigen weiterhin, dass durch Maschenbildung über Plattieren direkt während des Strickprozesses FGL-Aktoren und elektrisch leitfähige Garne gezielt lokal vermaschbar sind (vgl. Abbildung 3). Somit sind zugleich eine form‑ und kraftschlüssige Fixierung der FGL-Aktoren in den Textilhalbzeugen mit ca. 100 N Auszugskraft im Verbund als auch eine zuverlässige elektrische in-situ Kontaktierung (stoffschlüssige Verbindung) mit niedrigen Übergangswiderständen von ca. 5 Ω realisierbar. Grund dafür ist die im Vergleich zu gestreckten Fäden ohne Verschlingungen (z. B. Kettfaden oder Teilschuss) über die Maschenbildung deutlich größere Kontaktfläche zwischen den Funktionsgarnen. Die elektrische Leitfähigkeit wird zudem durch lokales Applizieren eines Leitklebers (Silberlack Leitsilber der Firma Kemo-Electronic GmbH) im Kontaktierungsbereich verbessert.

Damit lassen sich anhand des Multi-Matrix-Ansatzes aktiv verformbare 2D-FKV-Integralbauteile mit mehreren Deformationsbereichen sowie strukturintegrierten Aktor- und Energienetzwerken realisieren (vgl. Abbildung 4). Thermographische Untersuchungen zeigen, dass die verschiedenen Deformationsbereiche über einen einzigen FGL-Aktor durch das Energienetzwerk separat ansteuerbar sind. Die Aktivierung des FGL-Aktors über die gesamte Bauteillänge, d. h. über die zwei PUR-Deformationsbereiche, führt zu erreichbaren Verformungen von ca. 50 mm, was mittels Lasertriangulation nachgewiesen wurde.

Aktiv verformbare 3D-FKV-Integralbauteile

Das entwickelte FEM-Modell wurde anhand der Ergebnisse mechanischer Charakterisierung von 2D- und 3D-Verbundproben validiert, insb. Zug-, 4-Punkt- und 3-Punkt-Biegeversuche sowie Aktivierungsversuche, und darauf aufbauend für die Auslegung und Optimierung von aktiv verformbaren 3D-FKV-Bauteilen mit mehrachsigen Festkörpergelenken, die jeweils zwei Freiheitsgrade aufweisen, herangezogen. Dabei wurden verschiedene 3D-Gelenktopologien entworfen und mit der Realisierung aktiv verformbarer 3D-FKV-Bauteile schrittweise optimiert. Somit konnte eine Vorzugslösung für die Umsetzung eines generischen Technologiedemonstrators abgeleitet werden (vgl. Abbildung 5). Diese weist einen faltenbalgartigen PUR-Gelenkbereich auf und ermöglicht Verformungen von max. 44,8 mm, was einer Auslenkung von ca. 11° entspricht. Zur Sicherstellung einer maximalen Auslenkung des Bauteils sind dabei die FGL-Aktoren im Gelenkbereich innerhalb des FKV-Rohres freiliegend zugeführt und erst an den Extremitäten der starren FKV-Segmenten lokal fixiert. Zudem sind sie im Gelenkbereich gezielt umgelenkt, um eine exzentrische Krafteinleitung bei Kontraktion der FGL-Aktoren hervorzurufen und somit hohe Biegeverformungen zu bewirken.

Die Umsetzung und Prüfung des Technologiedemonstrators (vgl. Abbildung 6) in Form eines mehrgliedrigen, aktiv verformbaren 3D-Gelenkarms, z. B. für den Anwendungsbereich Robotik, bestätigt, dass die neuartigen, gestrickten 3D-Verstärkungshalbzeuge mit mehrachsigen Festkörpergelenken sowie strukturintegrierten FGL-Aktor- und Energienetzwerken für die flexible Herstellung aktiv verformbarer 3D-FKV-Integralbauteile sehr gut geeignet sind. Die entwickelten Gelenktopologien ermöglichen erstmalig die Realisierung mehrachsiger Festkörpergelenke mit zwei Freiheitsgraden, die komplexe 3D-Bewegungsaufgaben mit erreichbaren Bauteilverformungen von ca. 50 mm ausführen können. Dabei sind im Vergleich zu herkömmlichen Bewegungsmechanismen, die eine lineare Kopplung mehrerer Gelenke und dezentraler Antriebe mit hoher Massenträgheit und demzufolge hohem Energiebedarf erfordern, wesentliche Vorteile erreichbar, insbesondere hinsichtlich des geringeren Montageaufwandes, der Reibungs- bzw. Verschleißfreiheit und der damit weitestgehend dauerhaften Wartungsfreiheit sowie des niedrigen Energieverbrauchs der FGL-Aktoren.

Damit sind die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche und flexible Fertigung neuartiger, funktionalisierter 3D-Textilhalbzeuge für die Realisierung aktiv verformbarer 3D-FKV-Integralbauteile in reproduzierbarer Qualität geschaffen.

Zusammenfassung

Im abgeschlossenen IGF-Forschungsprojekt 21969 BR wurde erfolgreich eine auf der Flachstricktechnik basierende, flexible und industrietaugliche Fertigungstechnologie zur integralen Herstellung funktionalisierter 3D-Textilverstärkungshalbzeuge mit mehrachsigen Festkörpergelenken, strukturintegrierten Aktoren sowie für deren Aktivierung erforderlichen elektrisch leitfähigen Zuleitungen entwickelt, umgesetzt und erprobt.

Damit sind aktiv verformbare FKV-Bauteile realisierbar, die durch definiert angesteuerte Aktoren aus Formgedächtnislegierung (FGL) komplexe 3D-Bewegungen ausführen können. Dabei ermöglichen speziell gestaltete, topologisch optimierte Gelenkbereiche mit mehreren Freiheitsgraden innerhalb der textilen Verstärkungsstruktur die spätere 3D-Bewegungsaufgaben. Der geringere Montageaufwand, die Reibungs- bzw. Verschleißfreiheit und die damit weitestgehend dauerhafte Wartungsfreiheit sind erhebliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Bewegungsmechanismen, die dazu mehrere konventionelle Drehgelenke erfordern. Dadurch sind zugleich das Leichtbaupotenzial von Hochleistungsfasern und das Leistungspotenzial textilbasierter FGL-Aktoren zur Erzielung komplexer 3D-Bewegungen in hohem Maße ausnutzbar.

Potenzielle industrielle Anwendungen sind aktiv verformbare 3D-FKV-Integralbauteile, die erstmals mit intrinsischen 3D-Gelenkmechanismen ausgestattet werden können, u. a. im Maschinen- und Anlagenbau (z. B. mehrgliedrige Roboterarme), im Schiff- und Fahrzeugbau (z. B. aktiv verformbare Tragfläche oder adaptive Verstellmechanismen für Spoiler) sowie in der Medizintechnik (z. B. aktive Orthesen und Prothesen, Endoskopie-Endeffektoren). Insbesondere die KMU der Textil- und FKV-Industrie beziehen aus den Projektergebnissen den konkreten Nutzen, dass ihnen technologisches Wissen zur simulationsgestützten Konzeptionierung, Auslegung und Fertigung maßgeschneiderter Textilverstärkungshalbzeuge für aktiv verformbare 3D-FKV-Bauteile mit strukturintegrierten Festkörpergelenken bereitgestellt wird, die in den genannten Marktbereichen eine steigende Nachfrage erfahren.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21969 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e. V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Die Autoren danken den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel sowie den involvierten Unternehmen im projektbegleitenden Ausschuss für die fachliche Unterstützung und die Bereitstellung von Versuchsmaterial. Der Forschungsbericht und weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden erhältlich.

 

Literaturverzeichnis

[1]           Lee, J.-H.; Chung, Y.S.; Rodrigue, H.: Long Shape Memory Alloy Tendon-based Soft Robotic Actuators and Implementation as a Soft Gripper. In: Scientific Reports 9 (2019) 1, S. 11251.

[2]           Wan A Hamid, W.L.H.: Design of a Composite Morphing Wing. London: Imperial College of Science, Technology and Medicine, Department of Aeronautics. PhD Thesis, 2019.

[3]           Hajarian, A.; Zakerzadeh, M.R.; Baghani, M.: Design, analysis and testing of a smart morphing airfoil actuated by SMA wires. In: Smart Materials and Structures 28 (2019) 115043, S. 1–12.

[4]           Ashir, M.; Hindahl, J.; Nocke, A.; Cherif, C.: Development of an adaptive morphing wing based on fiber-reinforced plastics and shape memory alloys. In: Journal of Industrial Textiles 50 (2020) 1, S. 114–

129.

[5]           Suman, A.; Fabbri, E.; Fortini, A.; Merlin, M.; Pinelli, M.: On the design strategies for SMA-based morphing actuators: state of the art and common practices applied to a fascinating case study. In: Proceedings of the Institution of Mechanical Engineers, Part G: Journal of Aerospace Engineering (2020), S. 1–17.

[6]           Ashir, M.; Nocke, A.; Cherif, C.: Maximum deformation of shape memory alloy based adaptive fiber-reinforced plastics. In: Composites Science and Technology 184 (2019) 107860, S. 1–15.

[7]           Ashir, M.; Nocke, A.; Cherif, C.: Adaptive fiber-reinforced plastics based on open reed weaving and tailored fiber placement technology. In: Textile Research Journal 90 (2020) 9-10, S. 981–990.

[8]           Lohse, F.; Wende, C.; Klass, K.-D.; Hickmann, R.; Häntzsche, E.; Bollengier, Q.; Ashir, M.; Pöschel, R.; Bolk, N.; Trümper, W.; Cherif, C.: Bio-inspired semi-flexible joint based on fibre-reinforced composites with shape memory alloys. In: Journal of Intelligent Material Systems and Structures (2020), S. 1–11.

[9]           Woodworth, L.A.; Lohse, F.; Kopelmann, K.; Cherif, C.; Kaliske, M.: Development of a constitutive model considering functional fatigue and pre-stretch in shape memory alloy wires. In: International Journal of Solids and Structures 234-235 (2022), S. 111242.

[10]        Bollengier, Q.; Rabe, D.; Mersch, J.; Häntzsche, E.; Nocke, A.; Cherif, C.: Development of integrated in-situ actuator networks for the realization of flexure hinges for highly deformable fiber-reinforced plastic composites. In: Passion for Innovation. 21st World Textile Conference AUTEX 2022, Online (Lodz, Poland) (2022) - ISBN 978-83-66741-75-1, S. 440–444.

AutorInnen: Bollengier, Quentin Rabe, David Mersch, Johannes Annadata, Achyuth Ram Gereke, Thomas Häntzsche, Eric Cherif, Chokri

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Fakultät Maschinenwesen
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01062 Dresden

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29.04.2024

Thermoplastische Schale/Rippen-Bauteile mit durchgängiger Faserverstärkung

Fasern Garne Gestricke & Gewirke Composites Technische Textilien

Zusammenfassung

Im Bereich des Automobil- und Maschinenbaus wird kontinuierlich nach Innovationen gesucht, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Ein Bereich, der zunehmend an Bedeutung gewinnt, sind Schale/Rippen-Bauteile aus endlosfaserverstärktem Thermoplast. Bisherige Herstellungsverfahren sind jedoch komplex und führen zu unzureichender Faserverstärkung in den Rippen, was deren potenzielle Einsatz in hochbelastbaren Bauteil verhindert. Der Übergangsbereich zwischen der Schale und den Rippen ist besonders anfällig für strukturelle Defizite, die eine Überdimensionierung der Bauteile erfordern, um das Versagensrisiko, einschließlich Delamination, zu minimieren. Im abgeschlossenen Forschungsprojekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung wurden daher Verstärkungstextilien entwickelt, die diese Problematik lösen, indem Fasern während der Verbundbildung in anspruchsvolle 3D-Bauteilgeometrie bedarfsgerecht fließen können. Das Ergebnis ist eine gleichmäßige Endlosfaserverstärkung der Schale sowie eine durchgängige stapelfaserbasierte Verstärkung von der Schale in die Rippe sowie der Rippe selbst. Diese Technologie ermöglicht anordnungsabhängig eine Steigerung der Steifigkeit und Festigkeit thermoplastischer Bauteile um mindestens 50 % und kann unerwünschte Delaminationen verhindern.

Bericht

Einleitung und Problemstellung

Leichtbaugerechte schalenförmige Bauteile werden aus mechanischen Gründen mit Funktionsstrukturen in Form von Rippen versehen. Die Natur zeigt Vorbildlösungen z.B. die Erdnuss, die durch Schale/Rippen-Anordnungen eine anforderungsgerechte Versteifung bei gleichzeitig extrem geringer Masse ermöglicht. In allen Bereichen des Automobil- und Maschinenbaus besteht ein hoher Bedarf an lasttragenden Bauteilen aus Faser-Kunststoff-Verbunden (FKV). Die Halbschalenbauweise des Flugzeug- und Schiffbaus zeigen rippenverstärkte Strukturen nach bionischem Vorbild mit überaus lasttragenden Eigenschaften, deren Herstellung unter Verwendung arbeitsintensiver Preforming-, Komplettierungs- und Verbundbildungsprozesse unter Verwendung duroplastischer Matrix allerding kostenintensiv ist. Besonders der Einsatz von kurzfaserverstärkten Thermoplasten für mittlere und große Serien ist sehr wirtschaftlich [1 – 3], die mechanische Eigenschaften insbesondere Steifigkeit und Festigkeit sind aber stark begrenzt. Derzeit verbraucht der Bereich Fahrzeuge 7 % der gesamten Kunststoffmenge in Deutschland [4]. Zur Überwindung der werkstoffbedingten Schwachstellen werden im Schalenbereich endlosfaserbasierte Faser-Matrix-Halbzeuge wie Organobleche und UD-Tapes verarbeitet. Die damit erreichbare gerichtete Faserverstärkung in der Schale führt zu deutlich besseren mechanischen Eigenschaften, erfordert allerdings weiterhin das Anspritzen von verstärkenden Rippen [1, 2]. Weiterhin werden langfaserverstärkte Thermoplaste (LFT) industriell eingesetzt, bei denen unidirektional Faserbündel in die thermoplastische Schmelze eingebracht werden, um Schalenbereich und Rippen in Rippenrichtung zu verstärken [5]. Die Bauteilumsetzung erfordert i.d.R. kostenintensive, mehrstufige Anlagen- und Werkzeugtechnik [6]. Um die Prozesskette zu verkürzen bzw. die Komplexität der Technik zu reduzieren, werden auch glasmattenverstärkte Thermoplaste (GMT) in Direktverfahren wie das einstufige Thermoformpressen zu Schale/Rippen-Bauteile verarbeitet, was insbesondere für klein- und mittelständische Unternehmen wichtig ist.

Eine gerichtete Faserverstärkung zwischen Schale und Rippe sowie im Übergangsbereich ist verfahrensbedingt mit keinem der bisherigen Ansätze realisierbar, sodass die resultierenden Bauteile für lasttragende Anwendungen nur eingeschränkt geeignet sind. Bei Biegebeanspruchung können u.a. die Rippen von der Schale delaminieren oder die Rippen weisen einen geringen Faseranteil und eine ungerichtetete Faserorientierung auf und sind damit weniger steif.

Zielsetzung

Ziel war es, anforderungsgerecht ausgelegte Hybridgarne, die sowohl aus Endlosfilamenten für den Schalenbereich als auch aus Stapelfasern für den Rippenbereich bestehen, mit definierten Fließeigenschaften zu entwickeln und zu textilen Flächengebilden mit neuen Eigenschaften zu verarbeiten. Während einem einstufigen Thermopressprozess sollen die Fasern nach dem Aufschmelzen der matrixbildenden Hybridgarnkomponente gezielt in die Kavität der Rippe fließen. Die gewünschte Faserverstärkung soll somit während der Verbundbildung von selbst entstehen.

Ergebnisse

Zu Beginn des Projektes wurden zunächst die industriellen Anwendungsfelder für rippenverstärkte thermoplastische Schalenbauteile recherchiert. Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich u.a. bei der Realisierung von lasttragenden Bauteilen und Modulsystemen in der Automobilindustrie, z.B. Batteriegehäuse bzw. -wannen, Abdeckungen, Interieur- und Exterieurbauteile (z.B. Querträger), Front- und Heckbauteile (z.B. Stoßfänger). Hauptanwendungsgebiete sind alle Bauteile, die im Spritzgieß- oder Pressverfahren hergestellt werden und gegenüber dem Stand der Technik erhöhte Anforderungen an Steifigkeit, Festigkeit oder Zähigkeit bei gleichzeitiger Minimierung der Bauteilmasse erfüllen sollen. Darauf basierend wurden repräsentative Funktionsmuster und ein Demonstrator mit komplexer werdender Rippenstruktur definiert vgl. Abbildung 1.

Die Auswahl der zu verwendenden Ausgangsmaterialien, deren Anteile, Feinheit und Geometrie erfolgte nach physikalischen und verfahrenstechnischen Eigenschaften wie Schmelzverhalten und Viskosität, Transluzenz, Festigkeit und Steifigkeit. Die in Frage kommenden Kohlenstofffasern (CF) finden aufgrund ihrer hervorragenden mechanischen und chemischen Eigenschaften zunehmend Anwendung als Verstärkungsmaterialien im Bereich der FVK. Aufgrund der z.B. nicht realisierbaren energetischen Verwertung und des hohen Energiebedarfs bei der Herstellung von CF besteht derzeit ein großes Engagement für das Recycling dieser Fasern [7]. Letztendlich wurden mehrere Materialsysteme auf Basis von Glasfasern (GF) und recycelten Kohlefasern (rCF) ausgewählt, um die Fließbewegung bzw. die Fließwege anhand der optischen Eigenschaften (rCF-schwarz, GF-weiß transparent) im konsolidierten Bauteil überdurchschnittlich gut charakterisieren zu können. Als Verstärkungsfaserwerkstoff wurde für den Schalenbereich GF 50 Vol.% und für den Rippenbereich rCF 30 bis 50 Vol.% Typ I (Trockenfasern aus Spulenresten, Produktionsresten bzw. Verschnitt) eingesetzt. Als matrixbildende Hybridgarnkomponente wurde beispielhaft und aufgrund der etablierten Verwendung Polypropylen (PP) eingesetzt.

Unter Nutzung vorhandener Friktionsspinn- und Umwindespinntechnologien wurden im Folgenden fließfähige stapelfaserbasierte Hybridgarne aus rCF mit dem Ziel einer weitgehend parallelen Kernfaserstruktur entwickelt, umgesetzt und charakterisiert sowie Vorzugslösungen für weiterführende Arbeiten bereitgestellt. Die Hybridgarne wurden anschließend in UD-Wickelstrukturen vgl. Abbildung 2 (li.) überführt und unter zielführenden Prozessbedingungen experimentell zu ersten Schale/Rippen-Funktionsmustern mit unterschiedlichen Rippenhöhen H verarbeitet bzw. konsolidiert. Hierzu und zur Untersuchung der Fließeigenschaften der Hybridgarne war es im Vorfeld notwendig, ein modular aufgebautes Werkzeug für die Verbundbildung im Thermopressverfahren zu realisieren und alle dafür notwendigen Prozesseinstellungen zu ermitteln.

Die Hybridgarne füllen während des Pressvorgangs bei vergleichsweise geringem Druck von ca. 2 MPa die gesamte Werkzeugkavität der Rippe vollständig bis zu einem Faservolumengehalt rCF/PP von derzeit 70/30 Vol.%. Die Abbildung 2 (re.) zeigt ein Ergebnis anhand Funktionsmuster FM1, bei dem die Rippe durch die anvisierten Fließeigenschaften während des Pressvorgangs mit Fasern gefüllt wurden. Die Fasern liegen überwiegend entlang der Rippe. Bestandteil der Arbeiten war auch die Untersuchung des Fließverhaltens der rCF u.a. mittels bildanalytischer Charakterisierung von Schnitt- und Schliffproben [8].

Generell ist die Belastbarkeit von UD-Faserlagen richtungsabhängig begrenzt, so dass biaxiale Faseranordnungen unter Verwendung der Mehrlagen-Flachstricktechnologie in den Fokus gerückt sind. Gestricke, bei denen Verstärkungsfäden in die Maschen integriert sind, werden als Mehrlagengestricke (MLG) bezeichnet. MLG können monoaxial, biaxial oder multiaxial angeordnete Verstärkungsfäden aufweisen. Zur Steuerung der Fließbewegung wurden partielle Variationen von – in der Matrix nicht thermisch auflösbaren (GF/PP) sowie thermisch auflösbaren (PP) Maschenfadenmaterialien untersucht. Systematisch wurden dazu Bindungen von endlosfilament- und stapelfaserbasierten Hybridgarnen in der 2D-Textilstruktur zur Einstellung einer orientierten, verzugsfreien Verstärkungsfaseranordnung entwickelt. Basierend auf dem Funktionsmuster FM1 und den Voruntersuchungen wurden Varianten abgeleitet, die sich u.a. hinsichtlich der Hybridgarnanordnung, deren lokaler Menge und hinsichtlich des lokal eingesetzten Maschenfadenmaterials unterscheiden. Die Varianten wurden mittels modularer Werkzeugeinsätze zu Schale/Rippe-Funktionsmustern mit unterschiedlichen Rippenhöhen H verarbeitet. Eine Stapelung von bis zu 10 gleichzeitig zu verarbeitenden biaxialen MLG vgl. Abbildung 3 (li.) wurde detailliert untersucht. Abbildung 3 (re.) zeigt ein Ergebnis der Entwicklungen.

Während des Verarbeitungsprozesses im Thermopressverfahren wird die ursprünglich leere Rippengeometrie mit einem hohen rCF-Faseranteil von bis zu 70 % gefüllt und damit die beabsichtigte Faserverstärkung von der Schale in die Rippe sowie in der Rippe realisiert. Die Länge der Stapelfasern im Hybridgarn beträgt derzeit bis zu 80 mm.

Nach der Verbundbildung erfolgten umfassende Versuchsreihen zur Ermittlung der Festigkeits- und Steifigkeitskennwerte mittels 3-Punkt-Biegeversuch. Insgesamt lässt sich aus den Ergebnissen ableiten, dass die Endlosfaserverstärkung in der Schale die ermittelten Werte und Verläufe deutlich dominiert und somit das Verhältnis von Schalendicke zu Rippenhöhe minimiert werden kann, so dass die versteifende Wirkung der Rippe deutlicher hervortritt. Dadurch erhöht sich der Leichtbaugrad, da die i.d.R. großflächigen Schalenbereiche dünner dimensioniert werden können und somit eine annähernd gleiche mechanische Leistungsfähigkeit bei geringerer Bauteilmasse erreicht werden kann.

Die ermittelten Materialkennwerte wurden kontinuierlich zur Verbesserung und Validierung eines im Rahmen der Projektdurchführung entwickelten Simulationsmodells herangezogen, um zukünftig das Verbundmaterialverhalten durch die Kombination von Endlosfilamenten und Stapelfasern im Übergangsbereich zwischen Schale und Rippe realitätsnah vorhersagen zu können. Zur Verifizierung wurden Referenzbauteile hergestellt und mit den entwickelten Varianten verglichen. Die Ergebnisse zeigen eine 4-fach höhere Festigkeit und eine 2-fach höhere Steifigkeit gegenüber der Referenz. Damit konnte der Nachweis der Tragfähigkeitssteigerung von min. 50% erbracht werden. Delamination trat nicht auf.

Das hohe Potenzial der partiell fließfähiger 2D-Textilhalbzeugen wurde abschließend durch die praxisnahe Herstellung eines generischen Demonstrators (vgl. Abbildung 4) unter Anwendung der Vorzugslösungen für Hybridgarne und 2D-Textilstrukturen aufgezeigt.

Die Prozesskette, beginnend mit der Definition der Bauteilanforderungen, simulationsgestützten Dimensionierung, anforderungsgerechten Hybridgarnherstellung, Entwicklung der partiell fließfähigen 2D-Textilstrukturen mit biaxialer Verstärkungsfaseranordnung, Umsetzung der textilen Strukturen und abschließenden Verbundbildung durch das Thermo-Fließpressverfahren wurde mit Projektabschluss validiert. Der damit realisierte Demonstrator wurde anhand von Biegeversuchen geprüft und weist im Ergebnis die vordimensionierte, hohe Biegesteifigkeit auf. Aktuell erfolgen Gespräche zum industriellen Einsatz des neuen Verfahrens.

Zusammenfassung

Im Ergebnis konnten unter Verwendung der entwickelten partiell fließfähigen 2D-Textilstrukturen exemplarisch thermoplastische Schale/Rippen-Bauteile mit hohem Faservolumenanteil im Übergangsbereich zwischen Schale und Rippe und mit einer Festigkeits- und Steifigkeitssteigerung von mindestens 50 % gegenüber dem Stand der Technik hergestellt werden. Während der Verarbeitung fließen die Stapelfasern gezielt aus einer textilen Flächenstruktur in nahezu beliebige dreidimensionale Rippengeometrien. Die endlosfaserbasierte Verstärkung im Rippenbereich bleibt weitgehend unverzerrt und wie gewünscht in gestreckter Anordnung. Die resultierenden Bauteile können kostengünstig in einem einzigen Verbundbildungsschritt hergestellt werden, was zu einer erheblichen Effizienzsteigerung und potenziell zur Erhöhung der einsetzbaren Kunststoff- und Fasermenge u.a. im Bereich Fahrzeuge führen kann.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21372 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e. V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Die Autoren danken den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel. Weiterhin danken wir den Firmen des projektbegleitenden Ausschusses für die fachliche Unterstützung sowie allen weiteren Partnern, die in der Forschungsarbeit zu diesem Themenkreis unterstützten. Der Schlussbericht ist über den Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V., Berlin beziehbar. Weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) erhältlich.

AutorInnen: Sven Hellman

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

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26.03.2024

Entwicklung endkonturgerechter Multiaxialgelege mit lokal einstellbarer, bauteilgerechter Verstärkungskettfadendichte

Gestricke & Gewirke Textilmaschinenbau Technische Textilien

Zusammenfassung

Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wurde ein neuartiges Nachrüstmodul für Multiaxial-Kettenwirkmaschinen entwickelt, das die Herstellung von Multiaxialgelegen mit lokal angepassten Verstärkungskettfadendichten ermöglicht. Diese Innovation erlaubt eine materialsparende und kosteneffiziente Produktion von Bauteilen aus Faserkunststoffverbunden (FKV) mit Hochleistungsfasern wie Carbon. Hierbei können Kettfäden gezielt in den Bereichen, bspw. in denen sie nicht benötigt werden, aus dem Wirkprozess entfernt und bei Bedarf wieder eingefügt werden. Zudem wird es ermöglicht, eine definiert gradierte Kettfadendichte durch den gezielten Versatz von Kettfäden zu erreichen.

Das entwickelte modulare System wurde an einer Multiaxial-Kettenwirkmaschine vom Typ Malimo 14024 der Karl Mayer Textilmaschinenfabrik GmbH (Chemnitz, Deutschland) experimentell erprobt. Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Verschnittreduktion auf bis zu 0 % in Kettrichtung sowie eine hohe Anpassungsfähigkeit an bauteilspezifische Anforderungen. Durch die Implementierung von Steuerungsalgorithmen für eine achsvariable Legung der Kettfäden konnte zudem eine simulationsgestützte Prozesskette zur Herstellung textiler Halbzeuge für FKV-Bauteile mit lokal variierenden Spannungsverteilungen erreicht werden.

Die erzielten Forschungsergebnisse unterstreichen das hohe Potential der Technologie zur wirtschaftlichen und gleichzeitig umweltfreundlichen Herstellung von FKV-Bauteilen. Besonderer Wert wurde auf die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die in den KMU vorhandenen Maschinen gelegt, um eine breite Anwendbarkeit der Forschungsergebnisse zu gewährleisten

Bericht

Ausgangssituation und Problemstellung

Der zunehmende Trend zum Leichtbau ist ein globales Phänomen in technischen Sektoren, verstärkt durch das Bewusstsein für einen materialeffizienten Umgang mit begrenzt verfügbaren natürlichen Ressourcen. Diese Entwicklung wird durch die Notwendigkeit ökologischer Nachhaltigkeit und die Reduktion von CO2-Emissionen vorangetrieben, wobei Faserkunststoffverbunde (FKV) aufgrund ihrer anisotropen strukturmechanischen Eigenschaften und ihres geringen spezifischen Gewichts eine Schlüsselrolle spielen. Sie bieten optimale Voraussetzungen für die ressourceneffiziente Auslegung von Leichtbaulösungen und treiben Innovationen in Branchen wie dem Maschinen-, Anlagen- und Automobilbau, insbesondere in der Elektromobilität, sowie in der Windkraftenergie und Luftfahrt voran. [1–11]

Die Herstellung von FKV-Bauteilen erfolgt derzeit hauptsächlich mit zweidimensionalen textilen Strukturen, die als Rollenware mit konstanter Breite und Fadendichte geliefert werden [12, 13]. Insbesondere mehraxiale Gelegestrukturen, gefertigt mittels der hochproduktiven Multiaxial-Kettenwirktechnik, sind für Großserienanwendungen und großflächige Bauteile relevant [14]. Eine wesentliche Herausforderung dieser Fertigungsprozesse ist der hohe Materialverschnitt in der bauteilspezifischen Halbzeugkonfektion, der wirtschaftlich und ökologisch nachteilig ist. Der Verschnitt kann je nach Bauteilgeometrie und -herstellungsverfahren bis zu 50 % betragen [15, 16].

In der Entwicklung endkonturgerechter textiler Halbzeuge mit lokal einstellbarer, d. h. achsvariabler, Verstärkungsfadendichte, um Verschnitt zu vermeiden und die textilen Halbzeuge an komplexe FKV-Geometrien anzupassen, liegt die entscheidende Aufgabe zur Steigerung der ökologischen und wirtschaftlichen Effizienz. Dies erfordert neue Lösungsansätze, da konventionelle Multiaxialgelege nicht die Anforderungen an eine bauteilgerechte gradierte Verstärkungsfadendichte erfüllen können. Sie sind in ihrer Verstärkungsfadendichte, sowie der Lagenanordnung im Preforming bisher für den maximalen lokalen Belastungsfall ausgelegt, was zu Überdimensionierung in weniger belasteten Bereichen oder zu hohem Verschnitt führt.

Die Entwicklung endkonturgerechter Multiaxialgelege mit lokal einstellbaren Verstärkungskettfadendichten adressiert diese Problematik. Vor Projektbeginn gab es keine Lösungen, die eine konturgerechte Fertigung von Multiaxialgelegen und eine Verringerung der Kettfadenanzahl in den nicht benötigten Bereichen oder eine Erhöhung in besonders beanspruchten Zonen ermöglichten. Die Motivation des Projekts leitet sich aus der Notwendigkeit ab, die Materialeffizienz in der textilen Fertigungskette zu steigern, indem Verschnitt und Überdimensionierung vermieden werden.

Technische Entwicklung und Umsetzung

Im Fokus der Forschungsarbeiten stand die Entwicklung einer innovativen Technologie zur effizienten Nutzung von kostenintensiven Hochleistungsfasern, speziell Carbonfasern, im Fokus. Ziel war es, die ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit von Faserkunststoffverbunden (FKV) durch eine signifikante Reduktion des Materialverschnitts und die Vermeidung von Überdimensionierung zu steigern. Die technische Herausforderung bestand darin, eine Methode zu entwickeln, die eine gezielte Anpassung der Verstärkungskettfadendichte an die bauteilspezifischen Anforderungen ermöglicht, sodass die Verstärkungskettfäden nur dort angeordnet werden, wo sie mechanisch erforderlich sind. Zur Realisierung dieser Zielsetzung war die Entwicklung eines Verfahrens essenziell, das es erlaubt, Kettfäden gezielt aus dem Wirkprozess zu entfernen und bei Bedarf wieder hinzuzufügen, um so eine konstante Kettfadendichte im endkonturgerechten Gelege zu gewährleisten. Zudem sollte eine Möglichkeit, die Kettfadendichte seitlich achsvariabel zu versetzen und somit lokal zu verstärken, was in einer gradierten Kettfadendichte resultiert, geschaffen werden. Die praktische Umsetzung dieser Technologie erforderte die Integration einer Zusatzvorrichtung in den Multiaxial-Kettenwirkprozess. Das entwickelte kombinierte Kettfadenmanipulationsmodul ermöglicht es, die Kettfäden mit lokal unterschiedlichen Dichten und Ausrichtungen prozesssicher zuzuführen.

Im Rahmen der technischen Entwicklung und Umsetzung zur Herstellung endkonturgerechter Gelege mit angepasster Kettfadendichte wurden drei wesentliche Teilfunktionen identifiziert und entwickelt: das selektive Trennen, das gezielte Führen sowie das individuelle oder gruppenweise Anfügen der Kettfäden an das Gelege. Diese Funktionen sind essenziell für die Realisierung einer global konstanten Kettfadendichte, die präzise an die Bauteilkontur und die mechanischen Anforderungen angepasst ist.

Selektives Trennen

Für das Trennen der Kettfäden wurde ein mechanisches Verfahren auf Basis eines Schermesserpaars mit einer festen und einer beweglichen Klinge, die pneumatisch angetrieben und gesteuert wird, entwickelt. Der Messerblock (siehe Abbildung 1 links) wurde an einer Lineareinheit (quer zur Arbeitsrichtung) befestigt und kann über einen Schlitten bedarfsgerecht pneumatisch auf die Höhe der zu schneidenden Kettfäden abgesenkt werden (siehe Abbildung 1 rechts). Dies ermöglicht es, die Kettfäden entsprechend der Bauteilkontur temporär aus dem Fertigungsprozess zu entfernen.

Vorbringen der Kettfäden

Zur präzisen Führung werden die Kettfäden pneumatisch vorgebracht. Dafür werden die Führungsröhrchen (siehe Abbildung 2 links) der Versatzeinheit mit Druckluft angeblasen, wodurch der Kettfaden in die Wirkstelle transportiert wird. Dabei muss die Schnittstelle, die sonst offen und zugänglich für das Schermesser gehalten wird, temporär durch eine Verschlusskappe überbrückt werden, um einen Druckluftverlust während des Vorbringens zu vermeiden (siehe Abbildung 2 rechts). Dieses System sorgt dafür, dass die abgetrennten Kettfäden exakt an die vorgesehene Stelle im Gelege, synchronisiert mit dem Wirkprozess, geführt werden. Ein Druck von 4 bar wurde für ein reproduzierbares, schnelles und präzises Vorbringen der vorher abgetrennten Kettfäden in die Nadelgasse der Wirkstelle erörtert, als Grundlage für das anschließende Anfügen des Kettfadenendes an das endkonturgerechte Gelege.

Anfügen der Kettfadenenden

Für das Anfügen der Kettfäden an das Gelege wurden verschiedene Lösungsansätze untersucht, darunter stoffschlüssige Verbindungen mittels Klebstoffen und form- bzw. kraftschlüssige Verbindungen durch nähwirktechnische Integration. Als geeignete Lösung hinsichtlich des Erhalts des textilen Charakters des endkonturgerechten Geleges sowie der Dauer des Anfügevorgangs erwies sich die nähwirktechnische Fixierung, die eine zuverlässige und schädigungsarme, kraftschlussbasierte Integration der Kettfäden in die Gelegestruktur ermöglicht.

Auf Basis der abgeleiteten Vorzugslösungen für die Teilfunktionen erfolgte anschließend die Entwicklung des kombinierten Kettfadenmanipulationsmoduls, mit dem eine Kettfadenschar sowohl seitlich versetzt, als auch einzelne Kettfäden aus der Kettfadenschar selektiv abgetrennt und nach Bedarf wieder angefügt werden können. Das kombinierte Kettfadenmanipulationsmodul besteht aus zwei synchronisierten Lineareinheiten. Eine Lineareinheit setzt die Messerblockbewegung um, eine zweite Lineareinheit den seitlichen Versatz der Kettfäden (siehe Abbildung 3 und Abbildung 4). Das vollständige, entwickelten Nachrüstmodul, inklusive der pneumatischen und elektrotechnischen Steuerungstechnik wurden in eine Malimo 14024 (Karl Mayer Textilmaschinenfabrik GmbH, Deutschland) integriert und auf Basis iterativer Funktionsmusterfertigungen erprobt. Dieses Modul ermöglicht die Herstellung endkonturgerechter Gelege mit variabel einstellbaren Verstärkungskettfadendichten und achsvariablen Fadenanordnungen und erhöht somit signifikant die Materialeffizienz in der FKV-Produktion.

Materialcharakterisierung und Ergebnisse

Auf die erfolgreiche Umsetzung der Funktionsmuster folgte die textil- und verbundphysikalische Charakterisierung der Funktionsmuster. Die Charakterisierung der Funktionsmuster erfolgte in mehreren Stufen. Zunächst wurde eine computergestützte photogrammetrische Messung zur Überprüfung der Konturradien und der Konturtreue durchgeführt. Anschließend fokussierte sich die Untersuchung auf die Ermittlung der strukturmechanischen Eigenschaften der FKV-Prüfkörper auf Basis der textilen Funktionsmuster. Hierbei kamen modifizierte Stempeldurchdrückversuche zum Einsatz, die einen multiaxialen Belastungszustand in die Textil- bzw. FKV-Prüfkörper einleiteten (siehe Abbildung 5). Die Kraftübertragung während der Versuche wurde aufgezeichnet und ausgewertet.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Einsatzmöglichkeiten des Kettfadenmanipulationsmoduls zur Herstellung endkonturgerechter Gelege mit bauteilgerechten Verstärkungskettfadendichten eine gleichbleibende mechanische Belastbarkeit wie vollverstärkte Bauteile ermöglichen, während gleichzeitig der Materialeinsatz signifikant reduziert wird. Anhand der Umsetzung eines PKW-Kotflügeldemonstrators (siehe Abbildung 6) konnte experimentell belegt werden, dass eine Materialreduktion von bis zu 50 % möglich ist, ohne die strukturelle Integrität und mechanische Belastbarkeit der FKV-Bauteile zu reduzieren. Die umfassenden Untersuchungen und die daraus resultierenden Erkenntnisse legen die Basis für die Fertigung und Handhabung praxisnaher endkonturgerechter Gelege. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Förderung nachhaltiger Produktionsverfahren in der Industrie geleistet.

Zusammenfassung

Im Rahmen der Forschungsarbeiten wurde ein innovatives Nachrüstmodul für die hochproduktive Multiaxial-Kettenwirktechnologie entwickelt, dass es ermöglicht, die Dichte der Verstärkungskettfäden in Multiaxialgelegen lokal und gezielt an die Anforderungen spezifischer Bauteile anzupassen. Diese technologische Neuerung repräsentiert einen signifikanten Fortschritt in der Fertigung von Faserkunststoffverbunden (FKV), indem nunmehr eine effiziente und materialsparende Produktion, insbesondere unter Verwendung hochpreisiger Hochleistungsfasern wie Carbon, ermöglicht wird. Die entwickelte Lösung gestattet es, die Integration der Kettfäden ausschließlich in jenen Bereichen vorzunehmen, die für die mechanische und geometrische Verstärkung des späteren Bauteils erforderlich sind. Dies führt zur Reduzierung des Verschnitts auf nahezu 0 % (in Kettfadenrichtung) sowie zur weitestgehenden Vermeidung der Überdimensionierung.

Für die Umsetzung des entwickelten Verfahrens wurde eine passende Fertigungstechnologie erarbeitet und als Zusatzvorrichtung in eine Multiaxial-Kettenwirkmaschine (Malimo 14024) integriert. Diese Vorrichtung ermöglichte die prozesssichere Ablage der Kettfäden mit individuell unterschiedlichen Dichten und Ausrichtungen, wodurch erstmals endkonturgerechte Gelege mit variabel einstellbaren, bauteilgerechten Kettfadendichten hergestellt werden konnten.

Der Ausblick auf zukünftige Entwicklungen fokussiert sich auf die Weiterführung der Technologieübertragung in die industrielle Praxis, insbesondere in KMU. Die durchgeführten Forschungsarbeiten bieten eine solide Basis für die Implementierung der neuen Technologie in bestehende Produktionsprozesse. Dabei stehen die Steigerung der Materialeffizienz und die Reduktion des ökologischen Fußabdrucks von FKV-Bauteilen im Vordergrund, um den steigenden industriellen und gesetzlichen Anforderungen an Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit gerecht zu werden.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21968 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e. V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Schlussbericht und weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden erhältlich.

AutorInnen: Konrad Zierold André Seidel Lars Hahn Chokri Cherif

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

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03.01.2024

Innovative Verfahren für das Recycling von textilen Bodenbelägen

Vliesstoffe Recycling Kreislaufwirtschaft Technische Textilien Haus- und Heimtextilien

Zusammenfassung

Im Rahmen des Projekts ist das Ziel, Chemiefasern thermochemisch zu recyceln und eine stoffliche Nutzung zu erzielen, anhand von Bodenbelägen als Beispiel. Zu diesem Zweck wird ein materialspezifischer pyrolytischer Prozess entwickelt, um die Bestandteile der Bodenbeläge zu depolymerisieren. Die gewonnenen Öle aus der Pyrolyse werden gereinigt, um Monomere zu gewinnen, die anschließend polymerisiert werden. Zum Schluss werden Filamente ausgesponnen und zu einem Nadelvliesbodenbelag verarbeitet.

Bericht

Einleitung:

Es wird geschätzt, dass weltweit weniger als 3 % des Materials, das zur Herstellung von Kleidung verwendet wird, zu neuen Kleidungsstücken recycelt wird. Derzeit werden in der EU-Sammelquoten für Textilabfälle auf 25 % geschätzt; aber zwischen den Mitgliedstaaten bestehen große Unterschiede. Die überarbeitete Abfallrahmenrichtlinie ((EU) 2018/851) verpflichtet die Mitgliedstaaten, bis zum 1. Januar 2025 separate Sammelsysteme für Textilabfälle einzurichten. Die Richtlinie (Artikel 11 Absatz 6) fordert auch die Kommission auf, bis Dezember 2024 die Definition von Zielen für die Wiederverwendung und das Recycling von Textilabfällen zu prüfen. Um ambitionierte Ziele für die Wiederverwendung und das Recycling von Textilien zu erreichen und ein effektives Recycling in industriellen Maßstäben zu ermöglichen, müssen sich Unternehmen in der gesamten Wertschöpfungskette, von der Faserproduktion bis zum Recycling von Textilien vorbereiten und insbesondere bei der Lösung bestehender Engpässe unterstützt werden.[1]

Textile Bodenbeläge sind ein solches Textilprodukt und werden üblicherweise aus synthetischen Fasern und Garnen, z.B. Polyamiden (PA), Polyethylenterephthalat (PET) und Polypropylen (PP) durch Weben, Tuften oder Nadeln gefertigt. Dazu werden verschiedene Komponenten kombiniert und zu Verbundstoffen verarbeitet. Thermomechanische Recyclingverfahren wie das “Regranulieren” sind für diese textilen Bodenbeläge aufgrund der Verbundstruktur nicht anwendbar. Textile Bodenbeläge werden bisher verbrannt (energetische Verwertung). Die trägt zu weiteren CO2-Emissionen und vernichtet den Werkstoff. Zusätzlich ist die deutsche Wirtschaft von einer schärfer werdenden Knappheit fossiler Rohstoffträger und Materialien wie Erdöl und Kunststoffe betroffen. Der Wechsel zu erneuerbaren und kreislauffähigen Kohlenstoffquellen auf Basis von CO2 oder Biomasse sowie Recycling bietet die Möglichkeit, die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten und gleichzeitig die Umwelt zu schonen.

Problemlösung:

Ziel des Projektes ist es, polymerhaltige textile Bodenbeläge pyrolytisch zu depolymerisieren, Produktöle der Pyrolyse zu reinigen und wieder die gewonnenen Monomere zu Kunststofffasern und textilen Bodenbelägen zu verarbeiten, wie in Abbildung 1 dargestellt.

Es wird erstmalig ein Prozess für das thermo-chemische Recycling textiler Bodenbeläge mit derzeitigem Design und den Qualitäten aus Abfällen bei der beim TEER entwickelt. Dazu werden abfallstämmige textile Bodenbeläge aus Produktion sowie aus zurückgebauten Gebäuden beprobt und laboranalytisch charakterisiert. Im Anschluss werden die Materialien im halb-technischen Maßstab mittels Pyrolyse thermochemisch zersetzt. Bei der thermischen Fragmentierung des Materials entstehen Kohlenwasserstoffe, welche bei Raumtemperatur zu einem ölartigen Produkt kondensiert werden können. Aus diesen Produktölen können u. a. Caprolactam, das Monomer für PA6 sowie weitere Grundchemikalien gewonnen werden.

Durch eine Anlage im Entwicklungsmaßstab, die von der NAUE GmbH konstruiert und gefertigt wird, werden die Pyrolyseöle aufgereinigt und hochwertige, fraktionierte Vorprodukte für die Polymersynthese gewonnen. Anschließend, werden am ITA aus den identifizierten chemischen Verbindungen und Vorprodukten thermoplastische Polymere synthetisiert und daraus Filamente für die Stapelfaserherstellung ausgesponnen.

Die Stapelfasern werden schließlich zu einem Nadelvliesbodenbelag bei der FINDEISEN GmbH weiterverarbeitet und ein Demonstrator aus anteilig recycelten textilen Bodenbelägen hergestellt, um den Stoffkreislauf zu schließen.

Literatur:

[1]         Europäische Kommission, Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmer-tum und KMU, Duhoux, T., Maes, E., Hirschnitz-Garbers, M., et al., Study on the technical, regulatory, economic and environmental effectiveness of textile fibres re-cycling : final report, Publications Office, 2021, URL: https://data.eu-ropa.eu/doi/10.2873/828412

AutorInnen: Laura Barbet, Stefan Schonauer, Ingo F. C. Naue, Ralf Winter, Fabian Römer

Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen (ITA), Otto-Blumenthal-Str. 1, 52074 Aachen

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28.11.2023

Entwicklung einer neuartigen Spinntechnologie zur Realisierung skalierbarer nano-, submikro- und mikrostrukturierter Faseroberflächen für technische und medizinische Anwendungen

Fasern Garne Technische Textilien Medizin

Zusammenfassung

Das Hauptziel des IGF Projektes 21411 BR war die gezielte und reproduzierbare Oberflächenstrukturierung von Fasern während der Herstellung von Multifilamentgarnen. Dazu erfolgte die Entwicklung eines Verfahrens zur Herstellung von Bikomponentengarnen aus einem Grundpolymer und einer wasserlöslichen, strukturbildenden PVOH-Mantelkomponente. Durch das Herauslösen der Mantelkomponente in einem weiteren Prozessschritt werden dann nano-, submikro- und mikrostrukturierte Oberflächen erzeugt. Durch diese Verfahrensentwicklung sind nun erstmalig oberflächenstrukturierte Fasern herstellbar, die mit konventionellen Verfahren zur Oberflächenfunktionalisierung bisher nicht möglich waren. Der dazu notwendige Spinnprozess inkl. grundlegende Prozessparameter wurden im Projekt im Technikumsmaßstab erarbeitet. Die Nutzbarkeit der Ergebnisse wurde durch die erfolgreiche Erspinnung von Multifilamentgarnen mit strukturierten Faseroberflächen auf einer Pilot-Biko-Schmelzspinnanlage gezeigt. Die textiltechnische Verarbeitbarkeit der erzeugten Biko-Multifilamentgarnen erfolgte mit der erfolgreichen Umsetzung textiltechnischer Demonstratoren in Webversuchen.

Bericht

Einleitung, Problemstellung und Zielsetzung
Die kontinuierliche Entwicklung innovativer Technologien im Bereich der chemischen Faserproduktion ist entscheidend für die Fortentwicklung der gesamten Textilwirtschaft. Die gegenwärtige Fokussierung auf technische Textilien und medizintechnische Textilprodukte eröffnet vielversprechende Perspektiven für die deutsche Textil- und Faserindustrie. Diese aufstrebenden Märkte umfassen innovative Anwendungen, wie textiles Bauen, einschließlich komplex strukturierter architektonischer Membranen oder die Biomedizin mit Produkten, wie textile Implantate und Gewebsregenerationslösungen.

Ein neuartiger und vielversprechender Lösungsansatz ist die zielgerichtete Oberflächenstrukturierung der Fasern bereits während der Faserherstellung, um zum einen die Faseroberfläche zu erhöhen und zum anderen eine formschlüssige Anbindung der Matrix an die Faser zu erreichen. Diese Strukturierung auf der Einzelfilamentebene zeichnet sich durch regelmäßig oder stochastisch verteilte Nano- und Mikrostrukturen aus, darunter fibrillenartige Formationen. Dies führt zu einer definierten Oberflächenmorphologie und -topografie mit Kavitäten (Vertiefungen) und einer Oberflächenrauheit.

Für eine umfassende Nutzbarkeit dieser bisher unbekannten oberflächenstrukturierte Filamente, wurden im IGF Projektes 21411 BR „Nano, submikro- und mikrostrukturierte Fasern“ verschiedene Materialsysteme untersucht: das am Markt in großen Mengen verfügbare technische Polyester (PET - aromatischer Polyester), das im medizinischen Bereich häufig verwendete Polylactid Acid (PLA - aliphatischer Polyester) und ein High Density-Polyethylen (HDPE – Polyolefin). Basis für die Herstellung der strukturierten Fasern war eine Verfahrensentwicklung des Bikomponenten (Biko)-Schmelzspinnens. Kernpunkt dieser Entwicklung ist der temporäre Einsatz von wasserlöslichem Polyvinylalkohol (PVOH) als strukturformende Mantelkomponente im Fadenbildungsprozess. Eine anschließende Entfernung der strukturformenden Mantelkomponente entweder auf Garnebene oder auf Textilebene erzeugt dann die strukturierten Faseroberflächen im nano- (bis 0,1 μm), submikro- (0,1 ̶ 1 μm) und mikroskaligen (1 ̶ 2 μm) Bereich. Jeder dazu notwendige Entwicklungsschritt wurde von methodischen Material- und Prozesscharakterisierungen sowie gängigen physikalischen und chemischen Analysen begleitet, z.B. Untersuchungen der thermischen Eigenschaften des PVOH, der rheologischen Eigenschaften der Blend/PVOH-Mischungen sowie des Löslichkeitsverhaltens des PVOH aus dem Mantel der Biko-Fasern.

Erzielte Ergebnisse
Untersuchung der Schmelzspinnbarkeit von Polymer-PVOH-blends

Besondere Kernaufgaben der gesamten Verfahrensentwicklung war die Identifizierung prozesstechnisch geeigneter Materialpaarungen zur Herstellung von Blend-Formulierungen für die Vorlage im Schmelzspinnprozess. Die Ableitung von Vorzugsformulierungen für das Schmelzspinnen erfolgte im Projekt anhand der physikalischen und rheologischen Eigenschaften der jeweiligen Polymer-PVOH-Blend-Formulierungen. Zur Darstellung der Schmelzspinnbarkeit wurden weiterhin die thermische Stabilität und das Degradationsverhalten verschiedener wasserlöslicher PVOH sowie der Compoundpolymere (PET, PLA bzw. PE) mittels thermogravimetrischer Analyse (TGA) bestimmt. Die ausgewählten Compoundpolymere zeigen eine Zersetzung unter Schutzgasatmosphäre erst bei Temperaturen von weit über 300 °C, wobei es eine zentrale Abbaustufe gibt (VGL: Abbildung 1, links). Die untersuchten PVOH-Typen weisen dagegen verschiedene Abbaustufen und Zersetzungsbereiche mit ersten auftretenden Abbaureaktionen ab 100 °C auf (vgl. Abbildung 1, links). Die Kristallisations- und Schmelztemperaturen sowie das Fenster der Verarbeitungstemperaturen wurden mittels dynamischer Differenzkalorimetrie (DSC) bestimmt. Besonderes Augenmerk bei der rheologischen Charakterisierung der PVOH-Materialien war die Identifikation zum jeweiligen Compoundpolymer sowie zu prozesstypischen Anforderungen (z.B. Extrusionsverhalten, Spinndüsendynamik) passender Viskositäten.

Abbildung 1

Abbildung 1: Ergebnisse der TGA Untersuchungen - Massenänderung in Abhängigkeit von Temperatur und Zeit unter Schutzgasatmosphäre (N2)

 

Erspinnung der nano-, submikro- und mikrostrukturierter Fasern
Die Erspinnung der grundlegend untersuchten Polymer (PET, PLA und PE-PVOH)-Blends zu Biko-Multifilamentgarnen erfolgte mittels der am ITM vorhandenen Biko-Schmelzspinnanlage. Die dafür notwendigen experimentellen Arbeiten zur Herstellung von Biko-Fasern durch Evaluierung verschiedener Spinnprozessparameter wurde systematisch umgesetzt, um ein tiefgründiges Verständnis für die Wechselwirkungen zwischen Garneigenschaften und Prozessparametern aufzubauen. Bei der Erspinnung wurden die Anordnungen Kern-Mantel- bzw. orange pie-Geometrie untersucht (Abbildung 2). Die prozessbegleitenden systematischen Untersuchungen umfassten die Charakterisierung der mechanischen und textil-physikalischen Eigenschaften. Aus den analytischen Untersuchungen und der Spinnprozessentwicklung wurde ein Spinnkonzept für die Erspinnung der Biko-Präkursorfasern für neuartige nano-, submikro- und mikroskalige strukturierte Fasermaterialien erstellt.

 

Abbildung 2

Abbildung 2: Ausgewählte Düsengeometrien a) core-shell aus PET und PET/PVOH, b) orange-pie aus PET und PET/PVOH, c) core-shell aus PLA und PLA/PVOH, b) orange-pie aus PLA und PLA/PVOH

 

Verfahrensentwicklung zum Herauslösen der strukturbildenden Stützkomponente (PVOH)
Zur Erzeugung der Oberflächenstrukturierung erfolgte die Entwicklung eines industrienahen Verfahrens zum Herauslösen der strukturbildenden Stützkomponente (PVOH) aus dem Fasermantel. Erforscht wurde das Herauslösen der Stützkomponenten aus den Biko-Fasern nach dem Verstrecken bzw. nach der textilen Flächenbildung. Ein kontinuierliches Lösen des PVOH im Spinnprozess war aufgrund des Unterschieds zwischen Fadenlaufgeschwindigkeit (≥ 100 m/min) notwendiger Lösezeit von PVOH (≥ 180 s, vgl. Abbildung 1) nicht umsetzbar.

Abbildung 3

Abbildung 3: Löseeigenschaften der PVOH-Typen in Wasser unter Raumtemperatur und leichter Strömung

 

Besondere Aufmerksamkeit galt der Ermittlung relevanter Prozessparameter, wie Lösezeit und -temperatur, sowie der Auswahl des Lösungsmittels auf das Löseverhalten von PVOH, was in in zwei Entwicklungsstufen erfolgte: 1. Stufe - diskontinuierliches Herauslösen im Labormaßstab und 2. Stufe diskontinuierliche Löseversuche in einem Rolle-zu-Rolle-Prozess. Die Bewertung der Oberflächenstrukturierung erfolgte anhand von Lichtmikroskopie- und Rasterelektronenmikroskopie-(REM)Aufnahmen (Abbildung 4). Das entwickelte Verfahren zum gezielten Herauslösen von PVOH aus einem Multifilamentgarn ermöglichte die Erzeugung einer strukturierten Oberfläche. Die Optimierung der Prozessparameter sowie die praktische Umsetzbarkeit in einem kontinuierlichen Produktionsprozess sind die entscheidenden nächsten Schritte für die industrielle Anwendbarkeit dieser vielversprechenden Technologie.

Abbildung 4

Abbildung 4: REM-Aufnahmen  Einzelfilamenten der Biko-Filamentgarne: (links) vor dem Herauslösen des PVOH aus der Mantelkomponente, (rechts) nach dem Herauslösen des PVOH aus der Mantelkomponente

 

Textiltechnische Verarbeitung der nano-, submikro- und mikrostrukturierten Fasern
Die Beurteilung des Webverhaltens der ersponnenen Biko-Fasern erfolgte mittels Webversuchen auf einer Spulenschützen-Bandwebmaschine SL 150 (MAGEBA TEXTILMASCHINEN GMBH & CO. KG). Dabei wurde ein Standard-Polyestergarn als Kettfaden (16 Fäden/cm/Lage) eingesetzt. Das Biko-Garn wurde mittels eines Spulenschützen in Schussrichtung (7 Fäden/cm/Lage) eingebracht (vgl. Abbildung 5, links). Erfolgreich umgesetzt wurde in einem störungsfreien Webprozess ein zweilagiges, schlauchförmiges Gewebe mit Köperbindung in der oberen und Atlasbindung in der unteren Lage. Die Flächengebilde wurden mikroskopisch auf Filamentbrüche oder Fadenschädigung untersucht.

Abbildung 5

Abbildung 5: Textiltechnische Verarbeitung der Biko-Garne im Webprozess auf einer Spulenschützen-Bandwebmaschine (links); Zweilagiges, schlauchförmiges Gewebe aus Biko-Garn im Schussfaden und einem Polyestergarn in Kettfadenrichtung (rechts)

 

Zusammenfassung
Das Hauptziel des IGF Projektes 21411 BR war die gezielte und reproduzierbare Oberflächenstrukturierung von Fasern während der Herstellung von Multifilamentgarnen. Dazu erfolgte die Entwicklung eines Verfahrens zur Herstellung von Bikomponentengarnen aus einem Grundpolymer und einer wasserlöslichen, strukturbildenden PVOH-Mantelkomponente. Durch das Herauslösen der Mantelkomponente in einem weiteren Prozessschritt werden dann nano-, submikro- und mikrostrukturierte Oberflächen erzeugt. Durch diese Verfahrensentwicklung sind nun erstmalig oberflächenstrukturierte Fasern herstellbar, die mit konventionellen Verfahren zur Oberflächenfunktionalisierung bisher nicht möglich waren. Der dazu notwendige Spinnprozess inkl. grundlegende Prozessparameter wurden im Projekt im Technikumsmaßstab erarbeitet. Die Nutzbarkeit der Ergebnisse wurde durch die erfolgreiche Erspinnung von Multifilamentgarnen mit strukturierten Faseroberflächen auf einer Pilot-Biko-Schmelzspinnanlage gezeigt. Die textiltechnische Verarbeitbarkeit der erzeugten Biko-Multifilamentgarnen erfolgte mit der erfolgreichen Umsetzung textiltechnischer Demonstratoren in Webversuchen.

 

Danksagung
Das IGF-Vorhaben 21411 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Wir danken den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel. Darüber hinaus möchten wir den Mitgliedern des Projektbegleitenden Ausschusses für ihre Unterstützung während der Projektbearbeitung danken.

 

AutorInnen: Frankenbach, Leopold Alexander Lukoschek, Stephanie Kruppke, Iris Cherif, Chokri

Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik, TU Dresden

multifilament yarns Oberflächenstruktur

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27.10.2023

Leichtigkeit durch Hohlkörper-Platten: Entwicklung leichter Carbonbetonfertigteile auf Basis textiler 3D-Netzgitterträger

Gestricke & Gewirke Composites Textilmaschinenbau Nachhaltigkeit Technische Textilien

Zusammenfassung

In branchenübergreifender Kooperation wurde am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) und dem Institut für Massivbau (IMB) der TU Dresden leichte Carbonbetonfertigteile für materialeffiziente Decken- und Wandelemente auf Basis einer neuartigen 3D-Netzgitterträgerstruktur entwickelt.

Im Bauwesen sind Fertigteile eine etablierte Lösung für die Unterstützung eines schnellen Bauforschritts von Decken- und Wandelementen. Jedoch stoßen konventionelle Elemente aus Stahlbeton aufgrund ihres massiven Aufbaus und der Korrosionsanfälligkeit des Bewehrungsstahls immer öfter an ihre Einsatzgrenzen. Daher sollen perspektivisch auch im Filigranfertigteilbau textile Bewehrungen für Gitterträger eingesetzt werden, die zusätzliche Hohlräume, bspw. zur Führung von Medien, etc. ermöglichen.

Bericht

Carbon statt Stahl

Tragendes Element der neuen Fertigteilgeneration sind textile Gitterträger, deren Netzstruktur auf überlagernden, diagonal versetzenden Carbonrovings basiert. Der lastgerechte und korrosionsresistente textile Netzgitterträger ermöglicht eine deutliche Reduzierung der Betondeckung und der damit verbundenen CO2-Emmission und eröffnet innovative Design- und Funktionalisierungsmöglichkeiten durch die Integration von großvolumigen Hohlräumen. (Abbildung 1)

Carbonfaserbasierter 3D-Netzgitterträger

Das ITM der TU Dresden hat die textile Fertigungstechnologie auf Grundlage mehrerer Kettfadenversatzsysteme in Kombination mit einem nachgelagerten Umformprozess für die Herstellung der 3D-Netzgittertäger entwickelt. Hierbei erfolgt die Fertigung der netzartigen 2D-Textilstruktur auf Basis der weiterentwickelten Kettfadenversatztechnologie der Multiaxial-Kettenwirktechnik. Die Umformung und Strukturfixierung erfolgt auf Basis zweier entwickelter technologischer Ansätze als Nass- und Warmumformung durch die modulare Erweiterung konventioneller Beschichtungsanlagen. (Abbildung 2)

Leichtbau-Hohlkörperdecke aus Carbonbeton

Das im Bereich Carbonbeton renommierte IMB der TU Dresden führte eine numerisch gestützte baustatische Auslegung sowie die bautechnische Erprobung der Verstärkungsstruktur mit einer anschließenden simulationsgestützen Topologieoptimierung der 3D-Netzgitterträger aus. Hierzu wurden modifizierte Biegezugversuche nach RILEM RC5 sowie Auszugversuche an umgelenkt einbetonierten Garnen zur Ermittlung der Zug- und Verbundeigenschaften durchgeführt. Die Ergebnisse hierzu sind in Abbildung 3 auszugsweise dargestellt.

Weiterführend wurden neue Designmöglichkeiten, bspw. die Integration von Hohlräumen, Dämmungen und Leitungsschächten in Deckenelementen entwickelt und erprobt. Ergebnis ist eine innovative Produktfamilie für die Anwendung in Sandwichstrukturen, Doppelwänden und im allgemeinen „Filigran“-Fertigteilbau. Hierbei können komplexe geometrische Formen durch neuartige Schalungsmethoden umgesetzt werden.

Um das Potenzial eines leichten, mit 3D-Netzgitterträger bewehrten Hohlkörperplattensystems aufzuzeigen wurde eine umfassende vergleichende Analyse von Plattensystemen mit identischem Querschnitt durchgeführt (siehe Abbildung 5, pdf-Version). Die drei untersuchten Plattensysteme für Decken waren die stahlbewehrte Vollplatte (SVP), die stahlbewehrte Hohlplatte (SHP) und die mit Netzgitterträgern bewehrte Hohlplatte (NHP).

Die vergleichende analytische Untersuchung zeigt, dass aufgrund der höheren Leistungsfähigkeit der mit Netzgitterträgern bewehrten Hohlplatte signifikante Material- und Masseeinsparungen hinsichtlich Beton und Bewehrung in Form von großvolumigen Hohlräumen (36 %) möglich ist. Ein Vergleich der drei unterschiedlichen Plattenarten verdeutlicht eindrucksvoll am Beispiel einer 7,2 m x 1,0 m x 0,155 m großen Deckenplatte (L x B x H), dass bei gleichbleibender Belastung mit einer Nutzlast von 1,5 kN/m² die mit Netzgitterträgern bewehrte Hohlplatte (NHP) 36 % leichter als die stahlbewehrte Vollplatte (SVP) und 27,6 % leichter als die stahlbewehrte Hohlplatte (SHP) ausgeführt werden kann. Dies liegt darin begründet, dass aufgrund der korrosionsresistenten Netzgitterträger-Bewehrung die Betondeckung deutlich reduziert und somit der Hohlraumanteil im Vergleich zur stahlbewehrten Hohlplatte von 11 % auf 36 % gesteigert werden kann. Daraus resultiert eine signifikante Betoneinsparung der mit Netzgitterträgern bewehrten Hohlplatte von 28 % im Vergleich zu Hohlplatten mit korrosionsanfälliger Stahlbewehrung.

Die enorme Material- und Masseeinsparung von Beton und Bewehrung durch Integration von Hohlräumen (ca. 36 %) und Verwendung leichter Carbonbewehrungen der mit Netzgitterträgern bewehrten Hohlplatte im Vergleich zu konventionellen Plattensystemen für Deckenanwendungen bei gleichbleibender Leistungsfähigkeit zeigt das hohe wirtschaftliche und ökologische Potential der textilbewehrten Filigran-Fertigteile für die Bauindustrie auf.

Als Ergebnis des Forschungsprojektes wurde die Carbonbetontechnologie auf das enorm große Marktsegment der Filigranfertigteile übertragen und neue Lösungen für das ressourcenschonende Bauen der Zukunft bereitgestellt.

Das IGF-Vorhaben 21556 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e. V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

AutorInnen: Penzel, P.; Ur Rehman, N.; Hahn, L.; Michler, H.; Cherif, C.; Curbach, M.

Technische Universität Dresden, Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) und Institut für Massivbau (IMB)

Dipl.-Ing. Paul Penzel, M. Sc. Nazaib Ur Rehman, Wiss. Mitarbeiter

+49 351 463-422 45 // +49 351 463-404 73

http://tu-dresden.de/mw/itm // https://tu-dresden.de/bu/bauingenieurwesen/imb

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08.09.2023

Mit einem Sustainability-Assessment zur nachhaltigen Unternehmensstrategie

Nachhaltigkeit Technische Textilien

Zusammenfassung

Die Textilindustrie gilt im Sinne der Nachhaltigkeit auf europäischer Ebene als Risikobranche. Warum das eine besondere Herausforderung ist und wie ein systematischer Ansatz zur nachhaltigen Transformation von Unternehmen aussehen kann, erfahren Sie in diesem Artikel.

Die Textilindustrie ist bekannt für ihre Innovationen und Ideen, die weit über die traditionellen Anwendungen von Bekleidung und einfachen Stoffen hinausgehen. Einige Beispiele sind der Einsatz von Glas- oder Carbonfasern zum Ersatz von Stahlbewehrungen in Betonbauteilen, künstliche Herzklappen aus Textilien oder Wasserstofftanks aus Carbonfasern. Allerdings steht die Textilindustrie vor großen Herausforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit. Sie ist weltweit eine der Branchen mit den höchsten Umweltbelastungen und hat auch erhebliche soziale Auswirkungen auf die Arbeitskräfte in der Lieferkette, die häufig auf Baumwollfeldern in Ländern wie China, Indien oder Pakistan beginnt. Hier ist ein systematischer Ansatz zur Nachhaltigkeitsbewertung erforderlich. Das Ergebnis der Nachhaltigkeitsbewertung bildet den Status Quo ab, kann als Benchmark im Vergleich mit anderen Unternehmen der Branche verwendet werden und bietet einen optimalen Ausgangspunkt für die Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie.

Bericht

Einleitung

Aachen/München: Die Textilindustrie ist bekannt für ihre Innovationen und Ideen, die weit über die traditionellen Anwendungen von Bekleidung und einfachen Stoffen hinausgehen. Einige Beispiele sind der Einsatz von Glas- oder Carbonfasern zum Ersatz von Stahlbewehrungen in Betonbauteilen, künstliche Herzklappen aus Textilien oder Wasserstofftanks aus Carbonfasern.

Allerdings steht die Textilindustrie vor großen Herausforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit. Sie ist weltweit eine der Branchen mit den höchsten Umweltbelastungen und hat auch erhebliche soziale Auswirkungen auf die Arbeitskräfte in der Lieferkette, die häufig auf Baumwollfeldern in Ländern wie China, Indien oder Pakistan beginnt. Auch die weiterverarbeitenden Prozesse innerhalb der Wertschöpfungskette bergen die Gefahr unzureichender Umweltschutzmaßnahmen und der Missachtung international geltender Menschenrechte. Eine nachhaltige Textilindustrie hingegen setzt sich gezielt und insbesondere für den Einsatz von umweltfreundlichen Materialien, faire Arbeitsbedingungen und die Reduzierung des Energie- und Wasserverbrauchs ein. „Die EU verweist in ihrer neuen Sustainable Product Initiative nicht umsonst verstärkt auf ein hohes Maß an Umweltschutz und notwendige Verbesserungen der Umweltqualität. Wir müssen an den wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen forschen und neue Technologien schnell in die Umsetzung bringen“, so Prof. Thomas Gries vom Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University.
 

Systematischer Ansatz zur Nachhaltigkeitsbewertung

Auf Unternehmensebene fängt die Transformation mit der Erfassung der notwenigen Daten (Indikatoren) und der der daraus resultierenden Messbarkeit der eigenen Nachhaltigkeitsleistung an. Die TÜV SÜD Industrie Service GmbH hat dazu eine Methodik entwickelt, die in Zusammenarbeit mit dem ITA für die Textilindustrie adaptiert und optimiert wurde: die Nachhaltigkeitsbewertung orientiert sich an den 17 Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen. Auf der Grundlage verschiedener Indikatoren, die durch Branchen- und Ländervergleiche gewichtet werden, wird die Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens objektiv, unabhängig und transparent beurteilt. „Mit unserer Nachhaltigkeitsbewertung ermöglichen wir allen relevanten Akteuren der Wertschöpfungskette Klarheit über den Ist-Zustand der unternehmensspezifischen Nachhaltigkeit zu erlangen, die wesentlichen Nachhaltigkeitsrisiken zu identifizieren und mit den daraus abgeleiteten Verbesserungsmaßnahmen einen wesentlichen Schritt in Richtung eines Nachhaltigkeitsmanagementsystems zu gehen“, so Lucas Wagner von der TÜV SÜD Industrie Service GmbH. Dieser Ansatz umfasst die gesamte Unternehmensstrategie und ist auch für andere Branchen einsetzbar.
 

Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie

Das Ergebnis der Nachhaltigkeitsbewertung bildet den Status Quo ab, kann als Benchmark im Vergleich mit anderen Unternehmen der Branche verwendet werden und bietet einen optimalen Ausgangspunkt für die Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie. Die objektive Bewertung bietet zunächst die Möglichkeit, notwendige Schwerpunkte für die Transformation hin zu einem nachhaltigen Unternehmen zu identifizieren. Zusammen mit externen Experten, z. B. aus der Forschung, werden Potentiale identifiziert und konkrete Umsetzungsmaßnahmen abgeleitet. „Das Vorgehen bietet einen holistischen Ansatz, um die nachhaltige Transformation zu einem Kern der Unternehmensstrategie zu machen. Die Wirtschaftlichkeit bildet dabei eine wichtige Säule“, so Prof. Gries. Darüber hinaus bietet die Nachhaltigkeitsbewertung durch die TÜV SÜD Industrie Service GmbH eine ausgezeichnete Ausgangslage, um die Anforderungen der CSRD, also der „Corporate Sustainability Reporting Directive“ zu erfüllen. So wird Nachhaltigkeit zu einem planbaren Erfolgsfaktor für Unternehmen.

Bildunterschriften:

Abbildung 1: 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) der Vereinten Nationen (Quelle: Vereinte Nationen)

Abbildung 2: Methodischer Ansatz für die Nachhaltigkeitsbewertung eines Unternehmens (Quelle: TÜV SÜD Industrie Service GmbH)

Abbildung 3: Wesentlichkeitsanalyse und Strategieentwicklung (Quelle: TÜV SÜD Industrie Service GmbH)

AutorInnen: Pohlmeyer, Florian1 Wagner, Lucas2 Möbitz, Christian1 Gries, Thomas1

1: Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University, Otto-Blumenthal-Str. 1, 52074 Aachen

2: TÜV SÜD Industrie Service GmbH, Westendstraße 199, 80686 München

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25.08.2023

Wärmebehandlung von Magnesium-Stents zur Erhöhung der maximalen Radialkraft

Technische Textilien Medizin Tests

Zusammenfassung

Die Chronisch Venöse Insuffizienz (CVI) stellt ein anhaltendes venöses Stauungssyndrom dar, das aufgrund diverser pathologischer Abweichungen im Venensystem mit graduell fortschreitendem Verlauf entsteht. Das Ziel des BioV²alve-Projektes ist die biologische Rekonstruktion der Venenklappenfunktion durch ein biohybrides, textil-bewehrtes, minimal-invasiv implantierbares Device. Die Verwendung einer biodegradierbaren magnesiumbasierten Stentstruktur, welche sich nach erfolgter Einheilung der Venenklappe in das Umgebungsgewebe auflöst, ermöglicht eine schonende Therapie mit geringer dauerhafter Materialeinbringung in den Körper. Im Rahmen der Stententwicklung wurde der Einfluss der Wärmebehandlung nach dem Flechtprozess auf die maximale Radialkraft untersucht. Es wurde gezeigt, dass eine Ausscheidungshärtung des Magnesiums bei einer Temperatur von 225 °C und einer Dauer von 34 h eine Steigerung der Radialkraft ermöglicht.

Bericht

1.  Einleitung

Die Chronisch Venöse Insuffizienz (CVI) stellt ein anhaltendes venöses Stauungssyndrom dar, das aufgrund diverser pathologischer Abweichungen im Venensystem mit graduell fortschreitendem Verlauf entsteht. Im Rahmen der Definition von CVI manifestieren sich Beinödeme, die zunächst über Nacht spontan rückgängig gemacht werden können, jedoch unbehandelt persistieren können [2,4,5].

Die Pathogenese der Erkrankung resultiert aus einer Insuffizienz der Venenklappen. Diese Defizienz der Klappen kann auf angeborene Fehlbildungen, strukturelle Schwäche oder abnormale, expandierbare Venenwände infolge anderer Pathologien wie Adipositas, langanhaltendes Stehen oder Sitzen zurückzuführen sein. Hieraus resultiert venöser Rückfluss, Behinderung des Blutflusses, Stauung und erhöhter Druck in den distalen Venenabschnitten. [1,4,6]

Die Therapie der CVI gliedert sich in konservative und invasive Maßnahmen. Die Wahl der Behandlungsstrategie hängt von der Anatomie und dem Stadium der Krankheit ab, wobei oft eine Kombination beider Ansätze empfohlen wird. Konservative Behandlungsoptionen umfassen allgemeine Maßnahmen, Kompressionstherapie, physikalische Entstauungstechniken sowie medikamentöse Therapien. Jedoch existieren Einschränkungen bezüglich der Effektivität konservativer Ansätze in bestimmten Kontexten, wie bei älteren Patienten mit multiplen Komorbiditäten. Die invasiven Verfahren fokussieren sich auf die Entfernung oder Verödung defizienter Venen oder die Isolierung der Refluxquelle vom restlichen Venensystem, wodurch das Blut ausschließlich durch gesunde Venen zirkuliert. Diese Maßnahmen führen zu signifikanter Symptomreduktion, Steigerung der Lebensqualität und Prävention von Folgeschäden. [3,5]

Das Ziel des BioV²alve-Projektes ist die biologische Rekonstruktion der Venenklappenfunktion durch ein biohybrides, textilbewehrtes, minimal-invasiv implantierbares Device. Die Trägerstruktur für die künstliche Venenklappe bildet ein degradierbarer, geflochtener Magnesiumstent. Dieser dient zur initialen Verankerung der Klappenstruktur in der Vene. Das Design des Stents wird bezüglich der Radialkraft optimiert um eine ausreichende Verbindung zwischen der Klappenstruktur und der Venenwand zu gewährleisten. Darüber hinaus wird das Migrationsrisiko des Implantates vermindert. Weitere Aspekte des Stentdesigns konzentrieren sich auf die ausreichende Flexibilität zur Anpassung an die Anatomie der Venenwand sowie der Sicherstellung von Knickresistenz. Die Klappenstruktur des Implantates wird der Anatomie der nativen Venenklappe nachempfunden. Eine gewirkte Netzstruktur bildet die textile Verstärkung der Klappe. Durch gezielte Nahtpunkte wird die Klappenstruktur am Stent verankert. Das Textil wird im BioV²alve Projekt mit einer Hydrogelbeschichtung kombiniert.

Das Ziel der Studie ist die Untersuchung des Einflusses der Wärmebehandlung der Stents auf die Radialkraft. Hierzu werden zwei verschiedene Wärmebehandlungen aus der Literatur verwendet.

2.  Material und Methoden

Stentherstellung

Die Stents werden mittels Einfadenflechten hergestellt. Hierbei wird Magnesium Draht der Legierung WE43 der Firma Meotec GmbH, Aachen, Deutschland mit einer Drahtstärke von 300 µm verwendet. Die Maße der Stents sind l = 25 mm und d = 12 mm.

Wärmebehandlung der Stents

Drei Temperatur-Dauer-Kombinationen werden auf jeweils drei Stents verwendet. Nach den Wärmebehandlungen wird bei allen Stents die Radialkraft getestet.

s. Tabelle 1: Temperatur und Dauer der Wärmebehandlungen

Radialkrafttestung

Zur Bestimmung der Radialkraft der Stents wird der Radialkrafttester TTR2 der Firma Blockwise Engineering LLC, Tempe, USA verwendet. Die Messungen erfolgen in Anlehnung an Teil 2 der DIN EN ISO 25539 und die ASTM Richtlinie F3067 – 14. Pro Parameterkombination werden drei Proben geprüft.

s. Tabelle 2:   Prüfparameter der Radialkraftprüfung

3. Ergebnisse

Die maximale Radialkraft wird genutzt, um die unterschiedlichen Wärmebehandlungen miteinander zu vergleichen. Pro Kombination der Prozessparameter wird die maximale Radialkraft von drei Proben ermittelt. Die Mittelwerte mit Standardabweichung aus den jeweils drei Proben wurden in Abbildung 1 aufgetragen. Der Referenzstent hat eine Radialkraft von 16,5 N ± 0,7 N und weist somit die niedrigste maximale Radialkraft auf. Die Wärmebehandlung mit 210 °C für 8 h führt zu einer Steigerung der maximalen Radialkraft auf 19,8 N ± 0,7 N.  Die Parameterkombination 225 °C mit 34 h weist mit 23,2 ± 0,8 N den höchsten Wert der maximalen Radialkraft. Dies entspricht einer Steigerung von 40 % gegenüber der Referenz ohne Wärmebehandlung.

s. Abbildung 1:   Maximale Radialkraft der Stents (Mittelwert und Standardabweichung)

s. Abbildung 2: Exemplarische Hysteresschleifen der Radialkraftmessung mit drei Zyklen eines Stents mit der Wärmebehandlung 225 °C und 34 h

4.  Zusammenfassung

Die Chronisch Venöse Insuffizienz (CVI) stellt ein anhaltendes venöses Stauungssyndrom dar, das aufgrund diverser pathologischer Abweichungen im Venensystem mit graduell fortschreitendem Verlauf entsteht. Das Ziel des BioV²alve-Projektes ist die biologische Rekonstruktion der Venenklappenfunktion durch ein biohybrides, textil-bewehrtes, minimal-invasiv implantierbares Device. Die Verwendung einer biodegradierbaren magnesiumbasierten Stentstruktur, welche sich nach erfolgter Einheilung der Venenklappe in das Umgebungsgewebe auflöst, ermöglicht eine schonende Therapie mit geringer dauerhafter Materialeinbringung in den Körper. Im Rahmen der Stententwicklung wurde der Einfluss der Wärmebehandlung nach dem Flechtprozess auf die maximale Radialkraft untersucht. Es wurde gezeigt, dass eine Ausscheidungshärtung des Magnesiums bei einer Temperatur von 225 °C und einer Dauer von 34 h eine Steigerung der Radialkraft ermöglicht.

5.  Danksagung

Das Projekt „BioV²alve“ (EFRE-0801315) wurde durch den Europäischen Fond für Regionale Entwicklung Nordrhein-Westfalen (EFRE.NRW) gefördert.

6.  Quellen

1.              Douketis, J.:  Chronisch Venöse Insuffizienz und Postthrombotisches Syndrom. Kenilworth 2016, URL: https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/herz-kreislauf-krankheiten/periphere-venenerkrankungen/chronisch-venöse-insuffizienz-und-postthrombotisches-syndrom, Zugriff am 04.11.2019

2.              Ludwig, M.: Repetitorium für die Facharztprüfung Innere Medizin.
2. Aufl. Elsevier, München, Deutschland 2017

3.              Pannier F., Noppeney, T., Breu, F., et al.: S2k - Leitlinie Diagnostik und Therapie der Varikose, 03/2019

4.              Rabe, E., Gerlach, H.-E.: Praktische Phlebologie.
2. vollst. überarb. Aufl. THIEME, Stuttgart 2006

5.              Santler, B., Goerge, T.: Die chronische venöse Insuffizienz - Eine Zusammenfassung der Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft 2017; 15 (5): 538–557

6.              Weber, B., Robert, J., Ksiazek, A., et al.:  Living-Engineered Valves for Transcatheter Venous Valve Repair. Tissue engineering Part C Methods 2014; 20 (6): 451–463

7.              Li, H.; Lv, F.; Liang, X.; Qi, Y.; Zhu, Z.; Zhang, K.:Effect of heat treatment on microstructures and mechanical properties of a cast Mg-Y-Nd-Zr alloy, Materials Science & Engineering A 667 (2016), S. 409-416

8.              Mengucci, P.; Barucca, G.; Riontino, G.; Lussana, D.; Massazza, M.; Ferragut, R.; Hassan Aly, E.: Structure evolution of a WE43 Mg alloy submitted to different thermal treatments, Materials Science and Engineering A 479 (2008), S. 37-44

AutorInnen: Caroline Emonts Ren Pan Thomas Gries

Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen, Otto-Blumenthal-Str. 1, 52074 Aachen

Stents Implantat Geflecht

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20.06.2023

Development of heavy tows from recycled carbon fibers for low-cost and high performance thermoset composites (rCF heavy tows)

Rohstoffe Fasern Garne Composites Textilmaschinenbau Recycling Nachhaltigkeit Kreislaufwirtschaft Technische Textilien

Zusammenfassung

Within the framework of the IGF research project (21612 BR), the entire process chain for the industrial production of novel twist-free rCF heavy tows was developed at ITM. In particular, a novel technology for the production of rCF heavy tows based on recycled carbon (rCF ≥ 90 vol.%) and hot melt adhesive fibers (< 10 vol.%) was designed, constructed and successfully implemented. This includes fiber preparation, the carding process for card sliver formation, the stretching process for drawn sliver formation, and the final fabrication of the rCF heavy tows from rCF and hot melt adhesive fibers in a newly developed test set-up. The suitability of the developed technology is demonstrated by the implementation of rCF heavy tows with different rCF types, fiber lengths and fiber volume contents and a demonstrator. The developed rCF heavy tows with finenesses between 3000-7000 tex and their further processability into textile semi-finished products were successfully demonstrated. The developed rCF Heavy Tows and composites based on them exhibit a maximum composite tensile strength and a maximum Young’s modulus of 1158±72 MPa and 80±5.7 GPa, respectively. The rCF Heavy Tows are thus applicable for low-cost thermoset composites with high performance and complex geometry. Thus, the developed rCF Heavy Tows offer a very high innovation and market potential in the fields of materials and materials, lightweight construction, environmental and sustainability research, and resource efficiency. This opens up the opportunity for SMEs in the textile industry to develop new products and technologies for the fiber composite market and to establish themselves as suppliers for the automotive, mechanical engineering and aerospace, medical and sports equipment industries.

Bericht

Introduction, problem definition and aim of the project

Carbon fiber-reinforced plastics (CFRP) are increasingly used in lightweight applications due to their high stiffness and strength as well as low density, especially in aerospace, transportation, wind energy, sports equipment or construction. Global demand of CFRP is predicted to increase to 197,000 t/a by 2024, almost tripling compared to 2011. This shows an urgent need for solutions to recycle the high quality carbon fiber (rCF) in terms of the circular economy. This is necessary not only due to strict legal regulations, but also for ecological and economic reasons. In recent years, numerous research institutes and companies developed solutions for the reuse of rCF in the fields of nonwovens, injection molding or as hybrid yarns. However, the majority of these works involve the use of rCF in combination with thermoplastic fibers for thermoplastic composites. In the field of rCF-based thermoset CFRP, mainly rCF nonwovens made of 100% rCF have been so far developed. Since the fibers in the nonwovens mostly have a limited length and a low orientation and process-related additional high fiber damage occurs, with these materials only maximum 30% of the composite characteristic values of CFRP components made of carbon filament yarns can be so far achieved.

Currently, the matrix systems used in the field of high mechanical loaded CFRPs are predominantly thermoset. Such components exhibit high dimensional stability, high stiffness and strength as well as are suitable for the implementation of complex component geometries due to low-viscosity matrix systems. However, primary carbon filament yarns are particularly used for these components due to the insufficient properties of rCF. In addition to low sustainability, the utilization of these filament yarns result in at least 200 % higher cost. The production of primary carbon filament yarn requires a high-energy demand of about 230 MJ/kg with a CO2 emission equivalent to 20 kg CO2/kg CF. Here, a significant improvement of the CO2 balance is required to make a substantial contribution to the envisaged climate protection goals of the Federal Republic of Germany and the EU. For this reason, the focus of the project work is the development of novel, sustainable rCF heavy tows made of recycled carbon fibers (rCF) and associated manufacturing technologies for the implementation of cost-effective thermoset composites with high mechanical performance.

Acknowledgments

The IGF project 21612 BR of the Research Association Forschungskuratorium Textil e.V. was funded by the Federal Ministry of Economics and Climate Protection (BMWK) via the AiF within the framework of the program for the promotion of joint industrial research and development (IGF) on the basis of a resolution of the German Bundestag. We would like to thank the above-mentioned institutions for providing the financial resources.

AutorInnen: Mahmud Hossain, Anwar Abdkader und Chokri Cherif

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

rCF fiber yarn Composite textile machine

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20.06.2023

Entwicklung von Heavy Tows aus recycelten Carbonfasern für kostengünstige duroplastische Composites mit hohem Leistungsvermögen (rCF-Heavy Tows)

Rohstoffe Fasern Garne Composites Textilmaschinenbau Recycling Nachhaltigkeit Kreislaufwirtschaft Technische Textilien

Zusammenfassung

Im Rahmen des IGF-Forschungsvorhabens (21612 BR) wurde am ITM die gesamte Prozesskette zur industriellen Herstellung neuartiger drehungsfreier rCF-Heavy Tows entwickelt. Insbesondere wurde eine neuartige Technologie zur Herstellung von rCF-Heavy Tows auf Basis recycelter Carbon- (rCF, ≥ 90 Vol.-%) und Schmelzklebefasern (< 10 Vol.-%) konzipiert, konstruiert und erfolgreich umgesetzt. Diese umfasst die Faseraufbereitung, den Krempelprozess zur Krempelbandbildung, den Streckprozess zur Streckenbandbildung sowie die abschließende Fertigung der rCF-Heavy Tows aus rCF und Schmelzklebefasern in einem neuen entwickelten Versuchsstand. Der Nachweis der Eignung der entwickelten Technologie erfolgt mit der Umsetzung von rCF-Heavy Tows mit unterschiedlichen rCF Typen, Faserlängen und Faservolumengehalten und eines Demonstrators. Die entwickelten rCF-Heavy Tows mit Feinheiten zwischen 3000-7000 tex und deren Weiterverarbeitbarkeit zu textilen Halbzeugen wurden erfolgreich nachgewiesen. Die entwickelten rCF-Heavy Tows und darauf basierende Verbunde weisen eine maximale Verbundzugfestigkeit bzw ein maximales Zug-Modul von 1158±72 MPa bzw. 80±5,7 GPa auf. Die rCF Heavy Tows sind somit für kostengünstige duroplastische Composites mit hohem Leistungsvermögen und komplexer Geometrie einsetzbar. Damit bieten die entwickelten rCF-Heavy Tows ein sehr hohes Innovations- und Marktpotential in den Bereichen Werkstoffe und Materialien, Leichtbau, Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung sowie Ressourceneffizienz. Damit eröffnet sich die Gelegenheit für KMU der Textilindustrie neue Produkte und Technologien für den Faserverbundwerkstoffmarkt und sich als Lieferant für die Automobil-, Maschinenbau- sowie Luftfahrt-, Medizin- und Sportgeräteindustrie zu etablieren.

Bericht

Einleitung, Problemstellung und Zielsetzung

Carbonfaserverstärkte Verbundwerkstoffe (CFK) werden aufgrund ihrer hohen Steifigkeit und Festigkeit sowie der geringen Dichte zunehmend in Leichtbauanwendungen eingesetzt, insbesondere in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Transport, Windenergie, Sport oder Bau. Der globale CFK Bedarf wird sich Prognosen zufolge bis 2024 auf 197.000 t/a erhöhen und damit im Vergleich zu 2011 fast verdreifachen. Das zeigt den dringenden Bedarf an Lösungen zur Wiederverwertung der hochwertigen CF (rCF) im Sinne der Circular Economy. Das ist nicht nur aufgrund strenger rechtlicher Bestimmungen, sondern auch aus ökologischen sowie ökonomischen Gründen eine Notwendigkeit. Zahlreiche Forschungsinstitute und Unternehmen entwickelten in den letzten Jahren Lösungen zur Wiederverwendung von rCF in den Bereichen Vliesstoffe, Spritzgießen oder als Hybridgarne. Diese Arbeiten umfassen allerdings mehrheitlich den Einsatz von rCF in Kombination mit thermoplastischen Fasern für thermoplastische Composites. Für den Bereich rCF basierter duroplastischer CFK wurden bisher vorwiegend rCF-Vliesstoffe aus 100% rCF entwickelt. Da die Fasern in den Vliesstoffen prinzipbedingt nur eine begrenzte Länge und eine geringe Orientierung aufweisen und zusätzlich prozessbedingt hohen Faserschädigung auftreten, sind damit bisher nur max. 30% der Verbundkennwerte von CFK-Bauteilen aus Carbonfilamentgarnen erreichbar.

Aktuell sind die im Bereich hochbelastbarer CFK verwendeten Matrixsysteme überwiegend duroplastisch. Derartige Bauteile weisen eine hohe Formstabilität und hohe Steifigkeiten sowie Festigkeiten auf und eignen sich aufgrund niedrigviskoser Matrixsysteme zur Umsetzung komplexer Bauteilgeometrien. Jedoch werden aufgrund der bisher für diese Bauteile nur ungenügend in rCF abbildbaren, notwendigen Eigenschaften vorrangig Primärcarbonfilamentgarne eingesetzt. Neben einer geringen Nachhaltigkeit verursacht das auch um mind. 200 % höhere Kosten. Die Herstellung primäres Carbonfilamentgarnes erfordert einen hohen Energiebedarf von ca. 230 MJ/kg mit einem CO2-Emissionsäquivalent von 20 kg CO2/kg CF. Hier ist eine deutliche Verbesserung der CO2-Bilanz notwendig, um einen wesentlichen Beitrag zu den anvisierten Klimaschutzzielen der BRD bzw. der EU leisten zu können. Aus diesem Grund ist der Fokus der Projektarbeit die Entwicklung neuartiger, nachhaltiger rCF-Heavy Tows aus recycelten Carbonfasern (rCF) und dazugehöriger Fertigungstechnologien zur Umsetzung kostengünstiger duroplastischer Composites mit hohem Leistungsvermögen.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21612 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Wir danken den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel.

AutorInnen: Mahmud Hossain, Anwar Abdkader und Chokri Cherif

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

rCF Faser Garn Composite Textilmaschinenbau

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25.05.2023

Schutz von Wäldern gegen den Borkenkäfer mittels funktionalisierter Textilien

Fasern Nachhaltigkeit Technische Textilien

Zusammenfassung

Im dem vom BMWK geförderten Projekt „HolzSchutzTex“ haben die Partner „FBW GmbH“ mit Sitz in Niederzier, „Reimann Spinnerei und Weberei GmbH“ mit Sitz in Emsdetten sowie das Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University gemeinsam an der Entwicklung eines funktionalisierten Gewebes zum Schutz von Wäldern und Holz vor Borkenkäfern gearbeitet. Derzeit werden dazu Insektizide eingesetzt, welche auch andere Nutzinsekten töten und schädigend auf Wasserorganismen wirken können. Da Nutzinsekten wichtig für das Ökosystem sind, wird zunehmend an einer kontrollierten Schädlingsbekämpfung gearbeitet. Auch der Holzschutz soll auf aversive als auf tödliche Methoden zurückgehen, um eine umweltfreundlichere Lagerung des Holzes ohne Qualitätsverlust zu gewährleisten.

Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Polymercompounds basierend auf einem für Schadinsekten abstoßenden Geruchsstoff. Als Geruchsstoff wird unter anderem Neemöl verwendet. Anschließend werden aus dem Compound Monofilamente hergestellt und zu einem textilen Netz verarbeitet, dessen Wirksamkeit in Praxisversuchen untersucht wird.

Bericht

Einleitung


Der Wald spielt in vielen Funktionen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Klimakrise. Ein gesunder und resilienter Wald ist somit von höchster Wichtigkeit für die Zukunft. Starke Dürren zwischen 2018 und 2020 haben den Wald unter enormen Stress gestellt. Wassermangel und Hitzehaben die Bäume geschwächt und anfällig für Schädlinge wie den Borkenkäfer gemacht. Vor allem der Kronenzustand von Fichtenwäldern ist dabei stark betroffen. Der Borkenkäfer ist aktuell der größte Schädling in deutschen Wäldern. Er befällt hauptsächlich Fichten, welche mit 25 % die weitverbreitetste Baumart in Deutschland ist [Joh19a]. Borkenkäfer sind in der Lage großflächig geschwächte, aber auch gesunde Bäume absterben zu lassen und stellen somit ein großes Problem für den Wald dar [Nor15].


Bisherige Methoden zum Schutz der Bäume zielen darauf ab, die Borkenkäferdichte in einer Region allgemein zu senken. Übliche passive Vorgehensweisen sind, dem Käfer das Brutmaterial zu entziehen oder befallenes Holz schnellstmöglich zu entfernen. Mit Fallen können Käfer auch gezielt zu eliminiert werden, wobei Insektizide zum Einsatz kommen. Der Einsatz von chemischen Mitteln im Wald ist immer mit Vorsicht zu behandeln und sollte nur als Ultima Ratio eingesetzt werden, da er ungeplant auf andere, nützliche Tierarten Einfluss haben kann [HS12].


Im Rahmen  des  Projekts „HolzSchutzTex“  wird  ein  Gewebe  aus funktionalisierten Monofilamenten untersucht. In der Praxis soll es auf geschlagenes Holz gelegt werden und dieses vor Borkenkäfern schützen. Dies verhindert einerseits einen wirtschaftlichen Schaden. Dieser entsteht, wenn Borkenkäfer Holzpolter angreifen und somit wirtschaftlich nutzbares Holz unbrauchbar machen. Andererseits kann dem Borkenkäfer so Brutmaterial entzogen werden, wodurch es die Käfer insgesamt schwerer haben, sich auszubreiten. Die mechanische Barriere durch das Gewebe und für Käfer abstoßende Geruchsstoffe sollen die gewünschte Wirkung erbringen, ohne andere Käferarten zu gefährden.

Materialien

Die Monofilamente für das Projekt „HolzSchutzTex“ werden aus einem Polymer-Geruchsstoff-Compound hergestellt. Das verwendete Polymer, Lumicene Supertough 40ST05, ist ein metallocen-katalysiertes Ethylencopolymer. Lumicene Supertough ist der Handelsname eines speziellen Kunststoffes aus der Kunststoff Gruppe der Polyethylene der Firma TOTAL RESEARCH & TECHNOLOGY FELUY, in Belgien [TOT19]. Neemöl und „Termite Repellent Film“ (TRF) wurden als Geruchsstoffe verwendet.

TRF erhält seinen termitenabweisenden Effekt durch seine Inhaltsstoffe Lavendelöl, Pfefferminzöl und Citronellal.  Diese sind Biozid-Stoffe und jeweils mit einer Konzentration von weniger als 0,5 m% im Masterbatch gelöst. TRF ist farblos und riecht durch den Zusatzstoff Citronellal leicht nach Zitrone [FBW21].Bei Neemöl handelt es sich um ein Extrakt aus Samen und Rinde des Neem-Baumes. Es ist ein durchsichtiges, bei Raumtemperatur zähflüssiges Öl [COP+16]. In Neemöl sind mindestens 100 biologisch aktive Stoffe vorhanden, von denen Azadirachtin der Wichtigste ist. Seine repellente Wirkung gegen Kupferstecher wurde bereits 1990 erforscht [WS90]. Die Schmelztemperaturen liegen bei 120°C und 160°C, wodurch sich beide Stoffe in herkömmlichen Extrudern mit dem Polymer gemischt und zu einem Film oder Filament ausgearbeitet werden können. Die Geruchsstoffe und das Polymer werden durch die Firma FBW GmbH zu einem Compounds mit jeweils 2 m% und 5 M% verarbeitet.

Herstellungsmethodik

Es werden jeweils Gewebe mit 25 und 30 Schuss/10 cm für die Compounds TRF-5 M%-2022, Neemöl-5 M%-2022 und aus reinem Lumicene Supertough 40ST05 hergestellt. Die mit dem Geruchsstoff versetzten Monofilamente werden in den Geweben nur als Schussfaden eingetragen. Die Kettfäden werden wegen des hohen Umrüstaufwands und den damit verbundenen Kosten als Standardfilament ausgeführt. Die Kettfäden sind im Gewebe schwarz und grün eingefärbt.

Käferversuche

Die Wirksamkeit der Gewebe gegen Borkenkäfer wurde an Versuchen im Wald erprobt. Dafür wurden Fallen mit den verschiedenen Geweben bestückt und die gefangenen Käfer ermittelt. Bei den Fallen handelt es sich um Schlitzfallen der Firma WITASEK aus Feldkirchen in Kärnten und der Firma THEYSON aus Salzgitter. Diese sind circa 50 cm x 60 cm große schwarze Boxen mit Schlitzen an Vorder- und Rückseite und Auffangbehälter im Inneren (Abbildung 1).

Bei Schlitzfallen handelt es sich um Prallfallen: Die Käfer werden durch das Pheromon TYPOSAN P306 angelockt, fliegen gegen die Falle, prallen davon ab und fallen durch die nach oben geöffneten Schlitze durch einen Trichter in den Auffangbehälter. Es wurden 14 Fallen auf einer ca. 45.000 m² abgeholzten Fläche aufgestellt. Um den Einfluss der Geruchsadditive zwischen Fallen zu minimieren haben sie einen Abstand von mindestens 40 m. Der Mindestabstand zu umgebenden Bäumen beträgt 20 m.

Abbildung 1: Bild einer Schlitzfalle (s. PDF)

Die Anordnung der Fallen ist in Abbildung 2 zu sehen. Die Fallen werden so aufgestellt, dass sie die gleiche Orientierung aufweisen und in Hauptwindrichtung ausgerichtet sind.

Abbildung 2: Anordnung der Schlitzfallen auf der Fläche (s. PDF)

Dadurch kann eine möglichst ähnliche Geruchsausbreitung sichergestellt werden. Gewebe mit und ohne die verschiedenen Additive wurden von außen und innen an Fallen angebracht. Zusätzlich wurde eine Referenzfalle ohne Gewebe getestet. So gab es 8 verschiedene Ausstattungen. Alle 3 Tage wurden die Fallen geleert und die Standorte rotiert, um den Einfluss des Standortes zu minimieren. Bei jeder Leerung wird die Anzahl der gefangenen Käfer erfasst. Die Versuche werden über drei Wochen vom 02.08.2022 bis zum 23.08.2022 durchgeführt.

Ergebnisse und Diskussion


Vor Auswertung der Ergebnisse ist es sinnvoll mögliche Ergebnisse zu betrachten. Bei einer nachweisbaren Wirkung des Geruchstoffes ist zu erwarten, dass in der Referenzfalle (Falle 14) am meisten Käfer gefangen werden. Diese besitzt weder eine geruchliche noch eine mechanische Schutzwirkung, sodass Käfer ungehindert in die Falle fliegen können. Die Fallen 1 bis 4 sind mit einem geruchsstofffreien Gewebe ausgestattet. Es ist zu erwarten, dass durch die mechanische Barrierewirkung weniger Käfer als in Falle 14 gefangen werden. Am wenigsten Käfer sollten in den Fallen gefangen werden, die mit den geruchsstoffversetzten Geweben ausgerüstet sind (Fallen 5 bis 12). Hier lässt sich keine Vorhersage treffen, ob der Geruchsstoff TRF oder Neemöl eine stärkere repellente Wirkung aufweist. Die aufsummierten Anzahlen der gefangenen Käfer pro Falle sind in Abbildung 3 dargestellt.

Abbildung 3: Kumulierte Käferanzahl pro Falle über den gesamten Zeitraum (s. PDF)

Insgesamt werden 2014 Käfer gefangen. In den Daten ist kein Zusammenhang zwischen gefangenen Käfern und Art des Gewebes zu erkennen. In Falle 5 werden am meisten Käfer gefangen. Diese Falle ist mit dem Gewebe TRF- 5 M%-2022 bestückt. Die Falle 12 hat 204 Käfer gefangen. Das Gewebe dieser Falle ist mit Neemöl-5 M%-2022 versetzt. Bei den Fallen mit Geruchsstoff ist allerdings ein umgekehrter Zusammenhang zu erwarten. Beiden Geruchsstoffen ist damit keine direkte repellente Wirkung zuzuordnen.

In Abbildung 4 ist die kumulierte Käferanzahl der Gewebearten ohne Additiv, TRF-Geruchsstoff und Neemöl dargestellt. Für diesen Vergleichswert werden die gesamten Fallenfangzahlen der Gewebearten aufsummiert. Es ist zu erkennen, dass alle Gewebearten nahezu gleich viele Käfer gefangen haben. Wird die Anzahl der gefangenen Käfer der jeweiligen Gewebearten auf die Gesamtkäferanzahl bezogen, so ergibt sich für jede Gewebeart ein Anteil von 29 %. Eigentlich zu erwarten ist, dass die Gewebe ohne Additiv deutlich mehr Käfer fangen.

Abbildung 4: Kumulierte Käferanzahl nach Gewebeart (s. PDF)

Dass bei den Versuchen keine Wirksamkeit der Geruchsstoffe festgestellt wird, bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Geruchsstoffe keine repellente Wirkung gegen Borkenkäfer aufweisen. Ebenso ist es möglich, dass die Geruchsadditive im Gewebe zu schwach sind. Genauso ist es möglich, dass das verwendete Pheromon in der Falle zu stark war und die Geruchsstoffe aus den Geweben überlagert hat. In diesem Fall wären alle Fallen gleich attraktiv für die Borkenkäfer. Bei Betrachtung der unterschiedlichen Anbringungsarten des Gewebes lässt sich feststellen, dass Fallen mit außen installiertem Gewebe weniger Käfer fangen als Fallen, bei denen das Gewebe innen angebracht wurde. Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 5 zu sehen.


Zusammenfassung und Ausblick

Im Rahmen des Projekts „HolzSchutzTex“ wurden Monofilamente mit Geruchsadditiv zur Vergrämung von Borkenkäfern zu Geweben hergestellt. Diese sollen bereits geschlagenes Holz vor einem Borkenkäferbefall schützen. Zur Wirksamkeitsanalyse der fertigen Gewebe werden diese im Rahmen einer Versuchsreihe mit Borkenkäferschlitzfallen untersucht. Diese Versuchsreihe wird auf einer Lichtung neben einem Fichtenwald durchgeführt. Dabei werden die Fallen mit unterschiedlichen Geweben verschiedener Additive und Eigenschaften bestückt.

Um sicherzustellen, dass die Messwerte nicht durch die verschiedenen Standorte der Fallen beeinflusst werden, werden diese in gleichen Intervallen rotiert. In den Versuchen werden insgesamt 2014 Borken-käfern gefangen, wobei sich jeweils 29 % in Fallen mit 5 % TRF, 5 % Neemöl und ohne Additiv befinden. Die Wirksamkeit der Duftstoffe hinsichtlich der vergrämenden Wirkung konnte nicht abschließend bewertet werden, allerdings kann eine Barrierewirkung des Funktionsgewebes nachgewiesen werden.

Abbildung 5: Mittelwerte der Käferfangzahlen nach Anbringungsart des Gewebes (s. PDF)

 

Quellen
[Bun22] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2021: März 2022
[FBW21] FBW GmbH: Material Safety Data Sheet – Regulation 1907/2006/EC: 2021, Ausgestellt im Juli 2022
[HS12] Hurling, R.; Stetter, J.: Untersuchungen zur Fangleistung von Schlitzfallen und Fangholzhaufen bei der lokalen Dichteabsenkung von Buchdrucker (Ips typographus)-Populationen, Gesunde Pflanzen Band:64 (2012), H. 2, S. 89–99
[Joh19a] Johann Heinrich von Thünen-Institut: Wald in Deutschland - Wald in Zahlen: 2019
[Nor15] Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt: Integrierte Bekämpfung rindenbrütender Borkenkäfer (2015), https://www.nw-fva.de/fileadmin/nwfva/common/veroeffentlichen/waldschutzpraxis/Waldschutz_PraxisInfo_01_Borkenkaefer_2015-04.pdf, Zugriff am 04.05.2023
[TOT19] TOTAL RESEARCH & TECHNOLOGY FELUY: Lumicene® Supertough 40ST05, https://polymers.totalenergies.com/supertough-40st05, Zugriff am 05.05.2023
185190195200205210215220225230InnenAußenKäferanzahlAnbringungMittelwert

AutorInnen: Schüll, Elena Pursche, Franz Gries, Thomas

Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University, Otto-Blumenthal-Straße 1, 52074 Aachen, Germany

Agrotech Oekotech Geotech

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05.04.2023

High-efficiency electrodes with ultralight fabric-based current collectors for lithium-ion batteries

Gewebe Nachhaltigkeit Technische Textilien

Zusammenfassung

Lithium-ion batteries (LIB) are indispensable key components for electro mobility and the success of the energy transition. They offer high energy density and high cycle stability. Eight partners from industry and science are developing technologies and components in the funded project "revoLect" (funding code: 03ETE041) in order to be able to produce resource-saving and more efficient LIBs. The project is pursuing two key innovations: the replacement of the usual metal foils with a metallized fabric structure and the use of silicon as anode material.

Bericht

Batteries are one of the key components for the success of the global energy transition. They are indispensable as stationary energy storage devices in combination with electricity from renewable energies and are a basic prerequisite for electro mobility. The demand for batteries is currently increasing enormously. Already, about 16% of newly registered passenger cars in Germany have an electric drive [1]. In addition to this increasing demand for electro mobility, there is also an increasing demand for batteries for smartphones, laptops, electric bicycles and stationary energy storage

The most important current battery type is lithium-ion batteries (LIB). Their high energy density and high cycle stability offer a long range for electric vehicles at marketable costs. The task now is to exploit the potential of the batteries by further developing all their components and their production technologies. This is the goal pursued by the eight project partners of the revoLect project funded by the German Federal Ministry of Economics and Climate Protection BMWK. The project partners are pooling their expertise along the entire process chain of battery production. In the project, novel electrodes with lightweight fabric-based current collectors are being developed for lithium-ion batteries using a resource-saving technology. This technology requires less use of primary raw materials such as copper and aluminum compared to previous lithium-ion batteries. At the same time, this technology enables higher energy densities and thus further material savings from the cell to the system level. Another development focus is the use of pure silicon as anode material in combination with the lightweight fabric structure of the electrodes.

Project partner PORCHER INDUSTRIES GERMANY GmbH is a specialist in the production of glass fabrics from glass filament yarns. In the revoLect project, PORCHER INDUSTRIES is developing ultralight glass fabrics as the basis for electricity collectors. The aim here is to produce ultralight fabrics from the finest glass filament yarns. In parallel, the Dresden University of Technology, Institute of Textile Machinery and High Performance Material Technology (ITM), is developing ultralight carbon fabrics based on a carbon spreading technology for the highly efficient electrodes.

The developed carbon and glass fabrics are metallized by elfolion GmbH by vacuum processes for use as current collectors. The current collector strip material is provided for the production of composite electrodes. elfolion itself is aiming at the realization of a cell cathode, consisting of fractal porous solid structures, which are the active component of the electrode. Compared to the state of the art, the open-mesh and lightweight structure of the fabrics and the porous coating lead to significantly reduced material usage and larger active surfaces. This increases the energy density of battery cells significantly in terms of both mass and volume.

The RWTH Aachen University, Chair of Production Engineering of E-Mobility Components (PEM), is developing processes for coating the fabric-based current collectors with slurry-based electrode materials. Among other things, the pilot plant for cell production is being adapted to process the novel materials. In addition, it is investigating the design and production of the battery cells based on the components provided by the project partners.

Fraunhofer FEP's goal in the revoLect project is to develop a process for depositing silicon on the fabric structures. Claus Luber explains: "We have to match the silicon layer and the fabric structures in such a way that an optimum is achieved with regard to the gravimetric energy density of the anode. Fraunhofer FEP has decades of experience in the development of roll-to-roll technologies. Based on this, we will develop a suitable and economically attractive roll-to-roll vapor deposition process."

The partner CUSTOMCELLS ® coats the novel substrates with electrode paste under industry-standard conditions. Subsequently, the performance of the batteries is tested by electrochemical measurements.

The Institute for Experimental Physics at the Technical University of Freiberg is involved in the characterization of the processed individual components and button and pouch cells. From this, microstructure-property correlations as well as design proposals and processing parameters will be derived for the cooperation partners.

ROMONTA GmbH interconnects the manufactured cells to battery systems and carries out final practice-related application tests. In the evaluation, cell parameters such as aging and current/voltage resistance are to be analyzed and transferred to the mobile application. This will ensure the powerful performance of the LIB.

Lithium-ion batteries with significantly increased energy density and lower material consumption compared to the state of the art: this is the ambition of the project consortium. All partners in the revoLect project will be working at full speed over the next 3 years on application-oriented development along the entire process chain for the production of highly efficient lithium-ion batteries.

[1] source: ADAC- new car registrations in November 2022, www.adac.de/news/neuzulassungen-kba/

About the project

revoLect - High-efficiency electrodes with ultralight fabric-based current collectors for lithium-ion batteries. Subproject: Development of vacuum technologies for the productive deposition of columnar silicon layers on fabric.

Funding reference: 03ETE041                   

Duration: 01.09.2022 – 31.08.2025

Project partner:

  • Fraunhofer Institute for Organic Electronics, Electron Beam and Plasma Technology FEP
  • Technische University of Technology – Faculty of Chemistry and Physics - Institute for Experimental Physics
  • Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen - Faculty 4 – Mechanical Engineering – Chair of Production Engineering of E-Mobility Components (PEM)
  • Dresden University of Technology – Faculty of Mechanical Engineering – Institute for Textile Machinery and Textile High Performance Materials
  • Porcher Industries Germany GmbH
  • elfolion GmbH
  • ROMONTA GmbH
  • CUSTOMCELLS®

 

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

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05.04.2023

Hocheffiziente Elektroden mit ultraleichten Stromsammlern auf Gewebebasis für Lithium-Ionen-Batterien

Gewebe Nachhaltigkeit Technische Textilien

Zusammenfassung

Lithium-Ionen-Batterien (LIB) sind unverzichtbare Schlüsselkomponenten für die Elektromobilität und das Gelingen der Energiewende. Sie bieten eine hohe Energiedichte und hohe Zyklenfestigkeit. Acht Partner aus Industrie und Wissenschaft entwickeln im Förderprojekt „revoLect“ (Förderkennzeichen: 03ETE041) Technologien und Komponenten, um ressourcenschonende und effizientere LIBs produzieren zu können. Das Projekt verfolgt zwei wesentliche Innovationen: der Ersatz der üblichen Metallfolien durch eine metallisierte Gewebestruktur als Stromsammler und der Einsatz von Silizium als Anodenmaterial.

Bericht

Batterien sind eine der Schlüsselkomponenten für den Erfolg der globalen Energiewende. Sie sind unverzichtbar als stationäre Energiespeicher im Zusammenspiel mit Strom aus erneuerbaren Energien und stellen eine Grundvoraussetzung der Elektromobilität dar. Der Bedarf an Batterien steigt gegenwärtig enorm. Bereits jetzt haben etwa 16% der neuzugelassenen PKW in Deutschland einen Elektroantrieb [1]. Zu diesem steigenden Bedarf bei der Elektromobilität kommt der steigende Bedarf an Batterien für Smartphones, Laptops, Elektrofahrrädern und die stationäre Energiespeicherung.

Der wichtigste gegenwärtige Batterietyp sind Lithium-Ionen-Batterien (LIB). Ihre hohe Energiedichte und hohe Zyklenfestigkeit bieten eine hohe Reichweite für Elektrofahrzeuge zu marktfähigen Kosten. Nun gilt es, das Potenzial der Batterien durch eine Weiterentwicklung all ihrer Komponenten und deren Produktionstechnologien auszuschöpfen. Dieses Ziel verfolgen die acht Projektpartner des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK geförderten Projektes revoLect. Die Projektpartner bündeln ihre Kompetenzen entlang der gesamten Prozesskette der Batterieproduktion. Im Projekt werden neuartige Elektroden mit leichtgewichtigen Stromsammlern auf Gewebebasis für LIB mit einer ressourcenschonenden Technologie entwickelt. Diese Technologie erfordert einen geringeren Einsatz von Primärrohstoffen wie zum Beispiel Kupfer und Aluminium, verglichen mit etablierten Verfahren. Gleichzeitig ermöglicht diese Technologie höhere Energiedichten und dadurch weitere Materialeinsparungen von der Zell- bis zur Systemebene. Ein weiterer Entwicklungsschwerpunkt ist der Einsatz von reinem Silizium als Anodenmaterial in Kombination mit der leichten Gewebestruktur der Elektroden.

Der Projektpartner PORCHER INDUSTRIES GERMANY GmbH ist ein Spezialist für die Fertigung von Glasgeweben aus Glasfilamentgarnen. Im Projekt revoLect entwickelt PORCHER INDUSTRIES ultraleichte Glas-Gewebe als Basis für die Stromkollektoren. Ziel ist hier ultraleichte Gewebe aus feinsten Glasfilamentgarnen herzustellen. Parallel dazu erarbeitet die Technische Universität Dresden, Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM), ultraleichte Carbongewebe auf Basis einer Carbonspreiztechnologie für die hocheffizienten Elektroden.

Die entwickelten Carbon- und Glasgewebe werden von der elfolion GmbH durch vakuumtechnische Verfahren für den Einsatz als Stromkollektoren metallisiert. Das Stromkollektor-Bandmaterial wird zur Herstellung von Elektroden im Verbund bereitgestellt. Die elfolion selbst strebt die Realisierung einer Zell-Kathode, bestehend aus fraktalen porösen Festkörperstrukturen, die die Aktivkomponente der Elektrode darstellen, an. Die offenmaschige und leichte Struktur der Gewebe und die poröse Beschichtung führt gegenüber dem Stand der Technik zu deutlich reduziertem Materialeinsatz und größeren aktiven Oberflächen. Damit wird sowohl masse- als auch volumenbezogen die Energiedichte von Batteriezellen deutlich gesteigert.

Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Lehrstuhl Production Engineering of E-Mobility Components (PEM), erarbeitet Prozesse zur Beschichtung der gewebebasierten Stromkollektoren mit Elektrodenmaterialien auf Slurrybasis. Dazu wird u.a. die Pilotanlage zur Zellproduktion auf die Verarbeitung der neuartigen Materialien adaptiert. Darüber hinaus untersucht sie die Auslegung und Produktion der Batteriezellen beruhend auf den, durch die Projektpartner, zur Verfügung gestellten Komponenten.

Das Ziel des Fraunhofer FEP im Projekt revoLect besteht in der Entwicklung eines Verfahrens zur Abscheidung von Silizium auf den Gewebestrukturen. Claus Luber erläutert: „Die Siliziumschicht und die Gewebestrukturen müssen wir so aufeinander abstimmen, dass hinsichtlich der gravimetrischen Energiedichte der Anode ein Optimum erzielt wird. Das Fraunhofer FEP hat jahrzehntelange Erfahrung in der Entwicklung von Rolle-zu-Rolle-Technologien. Darauf aufbauend werden wir einen passenden und ökonomisch attraktiven Rolle-zu-Rolle Bedampfungsprozess entwickeln.“

Der Partner CUSTOMCELLS® beschichtet die neuartigen Substrate mit Elektrodenpaste unter industrieüblichen Bedingungen. Anschließend wird durch elektrochemische Messungen die Leistungsfähigkeit der Batterien geprüft.

Das Institut für Experimentelle Physik der Technischen Universität Bergakademie Freiberg beschäftigt sich projektbegleitend mit der Charakterisierung der prozessierten Einzelkomponenten sowie Knopf- und Pouch-Zellen. Daraus werden Mikrostruktur-Eigenschaft-Korrelationen sowie Designvorschläge und Prozessierungsparameter für die Kooperationspartner abgeleitet.

Die ROMONTA GmbH schaltet die hergestellten Zellen zu Batteriesystemen zusammen und führt abschließende praxisbezogene Anwendungstests durch. In der Auswertung sollen Zellparameter wie z.B. Alterung und Strom-/Spannungsfestigkeit analysiert und auf die Anwendung im mobilen Bereich übertragen werden. Dadurch wird die leistungsstarke Performance der LIB sichergestellt.

LIB mit einer deutlich erhöhten Energiedichte und einem geringeren Materialverbrauch gegenüber dem Stand der Technik: das ist die Ambition des Projektkonsortiums. Alle Partner des Projektes revoLect arbeiten in den nächsten 3 Jahren mit Hochdruck an der anwendungsnahen Entwicklung entlang der gesamten Prozesskette zur Herstellung hocheffizienter LIB.

[1] Quelle: ADAC- Neuzulassungen im November 2022, www.adac.de/news/neuzulassungen-kba/

Über das Projekt

revoLect - Hocheffiziente Elektroden mit ultraleichten Stromsammlern auf Gewebebasis für Lithium-Ionen-Batterien

Förderkennzeichen: 03ETE041                  

Förderzeitraum: 01.09.2022 – 31.08.2025

Projektpartner:

  • Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP
  • Technische Universität Freiberg – Fakultät für Chemie und Physik – Institut für Experimentelle Physik
  • Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen - Fakultät 4 - Maschinenwesen - Lehrstuhl für Production Engineering of E-Mobility Components (PEM)
  • Technische Universität Dresden - Fakultät Maschinenwesen - Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik
  • Porcher Industries Germany GmbH
  • elfolion GmbH
  • ROMONTA GmbH
  • CUSTOMCELLS®

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

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29.03.2023

Thermogeneratorpaneele basierend auf multifunktionalen Abstandsgewirken

Gestricke & Gewirke Composites Textilmaschinenbau Sensorik Nachhaltigkeit Technische Textilien

Zusammenfassung

Thermoelektrische Generatoren (TEG) bieten das Potenzial Abwärme verschleiß- und wartungsfrei in elektrischen Strom umzuwandeln und damit zur Einsparung von CO2-Emissionen beizutragen. Die Funktionsweise der TEG beruht auf dem materialinhärenten Seebeck-Effekt. Im Rahmen des IGF- Projektes 21144 BR wurden Thermogeneratorpaneele basierend auf abstandsgewirkten glasfaserverstärkten Paneelen entwickelt. Im Wirkprozess wurde die Integration von Glasfasern und thermoelektrischen Drähte umgesetzt. Dadurch wurden Leichtbaupaneele mit guten strukturmechanischen Eigenschaften (Druck-, Biegefestigkeit) und zusätzlicher Thermogenerator- und Wärmeisolationsfunktion realisiert. Diese sogenannten Multithermogeneratorpaneele (MTP) können mit ihrer autarken elektrischen Leistung für den Betrieb von Sensoren oder Kleingeräten genutzt werden.

Bericht

Einleitung

Der globale Energiebedarf steigt mit den laufenden industriellen Fortschritten und dem Bevölkerungswachstum stetig an. Die Energieversorgung nachhaltig zu gestalten, ist mit der aktuellen Dringlichkeit des Klimaschutzes, zwingend notwendig, um die Wirtschaft und auch die Zukunft nachfolgender Generationen zu sichern. Im Zuge der rasanten Entwicklung des Internet of Things (IoT) und der Digitalisierung besteht außerdem große Nachfrage nach autarken mobilen Stromquellen, mit denen selbstständig und zuverlässig elektronische Sensoren und Kommunikationsgeräte betrieben werden können. Die meisten technischen Prozesse nutzen nur 25 % bis 40 % der eingesetzten Energie zur Umwandlung in mechanische Energie. Der Rest wird in thermische Energie umgewandelt, die in der Regel verloren geht. Ein vielversprechender Ansatz zur Nutzung dieser thermischen Energie ist der Einsatz von thermoelektrischen Generatoren (TEG).

Die Stromerzeugung mittels TEG wird durch den Seebeck-Effekt beschrieben. Dabei entsteht zwischen der warmen (Th) und der kalten Kontaktstelle (Tk) der thermoelektrischen Funktionsmaterialpaare A und B, auch Thermoelemente (TE) genannt, eine elektrische Spannung (U). Die erreichbare Leistungsausbeute eines TEG ist neben der Umgebungstemperaturdifferenz (ΔT) von den materialspezifischen Parametern der eingesetzten TE abhängig. Diese Parameter werden durch die Gütezahl (ZT) beschrieben und umfassen die Seebeck-Koeffizienten (α in µV/K), die elektrische (σ, möglichst hoch) und die thermische Leitfähigkeit (λ, möglichst gering). Für eine hohe Leistungsausbeute sind Materialien mit einer hohen Differenz im Seebeck-Koeffizienten notwendig. Außerdem ist die Leistungsausbeute eines TEG-Moduls maßgeblich von der Anzahl in Reihe geschalteter TE in einem Modul abhängig. Werkstoffe für einen hohen thermoelektrischen Nutzeffekt basieren auf seltenen Rohstoffen, wie Bismut, Antimon und Tellur, die eine gute elektrische Leitfähigkeit, kombiniert mit einer geringen Wärmeleitfähigkeit aufweisen. Das Vorkommen und die Lebensdauer der Halbleiterelemente ist jedoch begrenzt und das Recycling aufwändig. Sie sind außerdem kostenintensiv und teilweise toxisch.

Daher werden von der Wirtschaft und der Forschung Entwicklungen neuer Materialien oder die Steigerung der Leistung der TEG sowie kostengünstigere Herstellverfahren vorangetrieben. Allerdings bestehen diese entwickelten Verfahren zumeist aus aufwändigen kombinierten Gieß- und Sinterprozessen sowie einer kostenintensiven notwendigen Nachbearbeitung. Zur Schaffung eines effizienten Herstellverfahrens für TEG mit einer produktiven Integrationsmöglichkeit einer hohen Anzahl an TE bietet die Abstandswirktechnik großes Potenzial. Mit dem Einsatz von Funktionsmaterialien und Hochleistungsgarnen in den Abstandsgewirken, wie Glasfasergarne, und einer späteren Infiltrierung und Konsolidierung mit Harzsystemen lassen sich großflächige Faserverbundstrukturen (z. B. Leichtbaupaneele) mit geschlossenen Deckschichten generieren, die neben der TEG-Funktion sehr gute strukturmechanische Eigenschaften aufweisen und auch als tragende Strukturen im Fahrzeug- oder Anlagenbau mit Wärmeisolation einsetzbar sind [1] .

Im Rahmen des Forschungsprojektes IGF 21144 BR wurden Leichtbaupaneele als tragende Bauteile mit multifunktionalen Eigenschaften, Multifunktionsthermogeneratorpaneele (MTP), realisiert, die durch die Umwandlung industrieller Abwärme in elektrischen Strom mit gleichzeitigem Kühleffekt zur Effizienzsteigerung von Batterien oder Elektromotoren in der Elektromobilität und von Hybridsystemen beitragen.


Entwicklung der Multithermogeneratorpaneele (MTP)

Der Grundaufbau der MTP besteht aus einem glasfaserverstärkten Abstandsgewirke, welches schlussendlich verharzt das Substrat des TEG darstellt. Die Thermoelemente (TE) werden in Form von Funktionsdrähten aus Eisen und Konstantan als Polfadensystem in der RR-Raschelwirkmaschine in den Abstand integriert, wie in Abbildung 2 veranschaulicht. Weiterhin gewährleisten Polfäden aus Monofilamenten, sowie Glasfasern (EC9-68x2) die Stabilität gegenüber mechanischer Beanspruchung. In den Deckflächen stellen je zwei Maschenfadensysteme aus PES (100/40 dtex) die Fixierung der Schuss- und Stehfäden sowie der TE sicher. Die Kontaktierung und Verschaltung der TE erfolgt durch die übereinanderliegende Anordnung und Verbindung der Funktionsdrähte in den Maschen der Gewirkebindung.

Zur Entwicklung und Auslegung der thermoelektrischen Struktur der MTP wurde ein elektrisches Modell entwickelt, in welchem die Anzahl und Geometrie der TE, ihre elektrische Kontaktierung, sowie die Art der Verschaltung der TE (Reihen-, Parallel- oder Mischschaltung) variabel ist. Für das Modell wurden gekoppelte multiphysikalische Ersatzschaltungsmodelle unter Ausnutzung der mathematischen Analogien der elektrischen/thermischen/mechanischen Domäne angewendet, in LT-Spice implementiert und im Hinblick auf die zuvor beschriebenen Parameter untersucht (Abbildung 1). Mittels des Modells kann die Schaltung der TE an den Lastwiderstand des Anwendungsfalls angepasst werden, sodass die maximale Leistung des TEG erreicht wird. Das vorhandene Modell wurde weiterhin durch das thermische Verhalten hinsichtlich Wärmeleitung und Wärmekapazität der Struktur erweitert.

Um die angestrebte thermoelektrische Struktur in eine Gewirkebindung für die RR-Rascheltechnologie zu überführen, wurden mehrere Bindungsvarianten für die Funktionsdrähte im Abstand des Paneels erarbeitet, umgesetzt und analysiert [2]. Weiterhin wurden unterschiedliche elektrische Verschaltungen der Funktionsdrähte entwickelt. Dabei ermöglicht eine kombinierte Reihen- und Parallelschaltung die maximale Einbindung von TE pro Fläche von bis zu 150.000 TE/m² und eine bessere Ausfallsicherheit im Vergleich zur Reihenschaltung. Der Innenwiderstand und die elektrische Leistung kann direkt über die Abmaße des Paneels angepasst werden. Die Struktur des Abstandsgewirkes mit dieser Verschaltung ist im Modell in Abbildung 2 dargestellt.

Zur Herstellung des thermoelektrischen Abstandsgewirkes als Halbzeug für die MTP wurde eine RR-Raschelwirkmaschine MiniTronic 808 von RIUS Comatex S.A. eingesetzt. Mit dem Ziel die Funktions- und Hochleistungsmaterialien schädigungsarm zu verarbeiten, wurde eine Nadelbestückung mit der Feinheit E12 verwendet. Für die Maschineneinstellung und die technologisch-konstruktive Weiterentwicklung der Abstandswirktechnik wurde zunächst der Bauraum der RR-Raschelmaschine und der Einzug der Drähte in den vorhandenen Garnlauf analysiert. Der Fadenlängenausgleich für die Maschenbildung, die Fadenwippe, ist kommerziell als Fadenwippe mit Stahlfedern umgesetzt. Dadurch wird die für die Fadensysteme benötigte Fadenzugkraft erreicht. Bei ebendieser Fadenzugkraft entstehen für die Funktionsdrähte aus Eisen- und Konstantan jedoch irreversible Knicke an den Umkehrpunkten der Lochnadeln. Diese Knicke verhindern das Gleiten der Drähte durch die Lochnadeln, sodass ein Drahtbruch entsteht. Die Drähte benötigen eine sehr niedrige Fadenzugkraft sowie einen Längenausgleich mit niedriger Federkonstante, da materialbedingt nur eine geringe elastische Dehnung (0,1 %) vorhanden ist.

Weiterhin waren technologische Modifikationen zur Verarbeitung von Glasfasergarnen als Schuss-, Steh- und Polfaden auf der RR-Raschelwirkmaschine erforderlich. Die Glasfaserrovings (350 tex) wurden bei der Verarbeitung als Polfadensystem aufgrund der Querkräftanfälligkeit bereits vor der Maschenbildung durch die kleinen Umlenkradien in der Lochnadel abgeschert. Daher wurden verzwirnte Glasfaserrovings als Verstärkungsfaser eingesetzt. Zur Verarbeitung dieser Glasfaserzwirne wurde ein Fadenliefersystem mit einer passiven Fadenzufuhr und einer konstanten Fadenzugkraft von 20 cN entwickelt und umgesetzt. Mittels angetriebener Spulenaufnahme für Glasfasern und Tänzerwalze zur Zugkraftregelung lässt sich dieses Prinzip automatisieren und auf ein System für hohe Produktionsgeschwindigkeiten übertragen.

In einem mehrstufigen Handlaminierverfahren wurden die hergestellten MTP-Halbzeuge mit hochtemperaturbeständigem Harz infiltriert und als MTP Demonstrator verarbeitet (Abbildung 3).


Elektrische Leistung der MTP

Zur Auswertung der thermoelektrischen Leistung der MTP wurde ein gekoppelter elektrisch-thermischer Versuchsstand entwickelt, der durch jeweils ein Peltier-Element an der Ober- und Unterseite eine aktive Erwärmung bzw. Kühlung realisiert. Damit sind Temperaturdifferenzen von bis zu 80 K erreichbar. Zwischen den Peltierelementen und der Probe sind Platten aus Aluminium eingeschraubt. Diese erfüllen zwei Funktionen. Erstens homogenisieren sie die Wärmeverteilung. Zweitens sind in den Platten jeweils Pt100-Temperaturfühler (Präzisionsklasse A) eingebracht. Die Temperaturfühler wurden dabei in Bohrungen platziert und mit Wärmeleitpaste verklebt, sodass eine gute Wärmeleitung zwischen Peltierelement, Probe und Temperatursensoren gewährleistet ist und die Temperaturabweichung zwischen Sensor und TEG-Oberfläche minimal ist. Die Widerstände der Pt100-Fühler wurden mit einem Keithley DAQ 6500 Präzisionsmultimeter aufgenommen. Die Ansteuerung des Multimeters erfolgte durch Matlab-Simulink. Anhand der gemessenen Temperaturen wurde die Spannungsquelle über SCPI-Befehle und einen PID-Regler geregelt, um eine präzise und stabile Kontrolle der Temperaturdifferenz zu erreichen. Gleichzeitig ermöglichte das Präzisionsmultimeter die Messung der vom TEG erzeugten Spannung, des durch den Lastwiderstand fließenden Stroms sowie des Innenwiderstands des TEGs. In Abbildung 4 sind der Prüfstand mit dem das Temperaturprofil während eines Versuchs mit 60 K Temperaturdifferenz und die aufgenommene Strom-Spannungs-Kennlinie abgebildet.

Mittels Präzisionsmultimeter wurden außerdem die Kontaktpunkte der Funktionsgarne in der gewirkten TEG-Struktur auf ihre Übergangswiderstände hin überprüft sowie der Gesamtwiderstand der TEG-Module ermittelt. Die Kontaktwiderstände zwischen den Funktionsdrähten lagen konstant unter 0,1 Ω. Entgegen der Erwartungen war dies auch nach der Faserverbundbildung der Fall, sodass der Innenwiderstand des finalen Demonstrators 0,9 Ω beträgt. Auch der thermoelektrische Effekt des MTP wurde durch das Harz nicht nachteilig beeinträchtigt. Dies wurde durch Vergleichsmessungen der MTP am Leibniz Institut für photonische Technologien (ipht) und bei der itp GmbH ebenfalls bestätigt.

Die Projektergebnisse zur Herstellung und zu den Eigenschaften von abstandsgewirkten MTP aus Eisen und Konstantan bilden eine Basis für die zielgerichtete Weiterentwicklung einer effizienten Fertigung von vertriebsreifen TEG. Die Ausnutzung der Produktivität der RR-Raschelwirkmaschine trägt dazu bei, die sonst kostenintensiven alternativen Energiekonzepte für Bevölkerung und Wirtschaft zugänglich und profitabel zu gestalten, sodass zum Erhalt der Umwelt beigetragen wird.


Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21144 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Das Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden (ITM) dankt den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel.

Der Abschlussbericht und weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden vorhanden [3].

Die vollständige Veröffentlichung steht zum Download zur Verfügung.

AutorInnen: Anke Golla, Johannes Mersch, Gerald Hoffmann, Chokri Cherif

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
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17.03.2023

Bionische 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit komplex angeordneten Versteifungselementen

Gestricke & Gewirke Composites Textilmaschinenbau Technische Textilien

Zusammenfassung

Im abgeschlossenen IGF-Projekt 20793 BR erfolgte am ITM die simulationsgestützte Entwicklung, Umsetzung und Erprobung eines innovativen Verfahrens zur integralen Herstellung endlosfaserverstärkter 3D-Schale-Rippen-Textilstrukturen mit komplex angeordneten Versteifungselementen. Inspiriert von der Amazonas-Riesenseerose, deren gigantische Blätter extrem tragfähig sind, weisen diese bionischen Preformen komplex angeordnete, sich kreuzende Versteifungselemente in 0°-, 90°- sowie in ± 45°-Ausrichtung und insbesondere eine durch alle Preformteile durchgehende Faserverstärkung auf. Das ermöglicht perspektivisch einen Durchbruch topologie‑ und strukturoptimierter, endlosfaserverstärkter 3D-Schale-Rippen-Verbundbauteile in Serienanwendungen.

Bericht

Einleitung und Problemstellung

Faserverstärkte Kunststoffverbunde (FKV) weisen ein sehr hohes Potenzial zur maßgeblichen Reduktion bewegter Bauteilmassen und somit zur Steigerung der Energieeffizienz auf. Für einen Durchbruch von FKV in Serienanwendungen fehlen allerdings flexible Verfahren, die eine schnelle Umsetzung kostengünstiger, endkontur- und kraftflussgerechter 3D-Preformen bei hoher Materialeffizienz und Vermeidung von Nachbearbeitungsschritten erlauben.

Zur Erhöhung der Biege-, Beul- und Torsionssteifigkeit hochbelasteter schalenförmiger FKV-Bauteile kommen heute in vielfältigen Anwendungsfeldern Versteifungselemente wie Rippen, Spanten oder Stringer zum Einsatz. Die Bauteile werden jedoch bisher meist in Differenzialbauweise auf Preform- bzw. Bauteilebene durch nachträgliches Fügen von Schalen- und Versteifungsstruktur hergestellt. Dadurch ist die Fertigung derartiger FKV-Bauteile aktuell sehr kostenintensiv. Zusätzlich fehlt dabei prozessbedingt eine durchgehende Faserverstärkung zwischen Schale und Rippe. Das Leichtbaupotenzial von Hochleistungsfasern wird so nur teilweise ausgenutzt. Additive Verfahren, wie das 3D-Drucken [1] oder das Spritzgießen [2], erlauben zwar die integrale Fertigung von 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit komplexer Versteifungsstruktur, verfahrensbedingt ist jedoch die Möglichkeit der Einbringung einer Endlosfaserverstärkung in der Rippenstruktur stark begrenzt.

Im Rahmen des IGF-Projektes 18806 BR wurden am ITM grundlegende Basislösungen zur integralen Fertigung von 3D-Schale-Rippen-Mehrlagengestricken mit durchgängiger Endlosfaserverstärkung zwischen Schale und Rippenstruktur erfolgreich entwickelt und umgesetzt [3]. Allerdings konzentrierten sich die Arbeiten auf die Schaffung der technologischen Grundlagen für eine flexible Herstellung endkonturgerechter 3D-Schale-Rippen-Preformen mit ausschließlich in 90° angeordneten Rippen.

Natürliche Vorbilder zeigen jedoch, dass für eine optimale Aufnahme der auf das Bauteil wirkenden Belastungen eine komplexere Orientierung der Rippen notwendig ist. Dieses Prinzip findet sich z. B. in der komplex verrippten Struktur der Erdnussschale sowie in den gigantischen und extrem tragfähigen Blättern der Amazonas-Riesenseerose (vgl. Abbildung 1) wieder, die längliche, diagonale bzw. sich kreuzende Rippen sowie ein sehr geringes Eigengewicht aufweisen.

Für eine wirtschaftliche Nutzung dieses bionischen Prinzips in FKV-Anwendungen fehlen jedoch aktuell flexible und serientaugliche Fertigungsverfahren, die eine kosteneffiziente Umsetzung topologieoptimierter Schale-Rippen-Preformen mit derartig komplex angeordneten Versteifungselementen in Integralbauweise ermöglichen [4]. Die besondere Herausforderung für derartige Verfahren ergibt sich aus der notwendigen hohen Flexibilität zur Einstellung der je nach Anwendungs- und Lastfall extrem variierenden geometrischen sowie strukturmechanischen Anforderungen und damit der Strukturparameter, wie Rippendicke, -höhe und -ausrichtung.

Zielsetzung

Das Ziel des IGF-Forschungsprojektes 20793 BR war die simulationsgestützte Entwicklung, Umsetzung und Erprobung eines innovativen Verfahrens auf Basis der hochflexiblen Mehrlagenflachstricktechnik zur vollautomatisierten, integralen Fertigung endlosfaserverstärkter 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit komplex angeordneten Versteifungselementen sowie kontinuierlicher, durchgängiger Faserverstärkung zwischen Schale und Rippenstruktur.

Ergebnisse

Simulationsgestützte Preform‑ und Technologieentwicklung

Die besondere Herausforderung im Projekt war die Entwicklung geeigneter Bindungstechniken und neuartiger Maschinenelemente zur integralen und verzugsfreien Fertigung lastgerecht ausgelegter 3D-Preformen mit komplex angeordneten Versteifungselementen in 0°-, 90°- und ± 45°-Ausrichtung sowie von Simulationstools für eine optimale, CAD-gestützte Auslegung daraus herstellbarer FKV-Bauteile. Nach Festlegung der Anforderungen an relevante Schale-Rippen-FKV-Bauteile und die Präzisierung typischer Lastfälle (hauptsächlich Biege-, Druck- und Torsionsbelastungen) erfolgte zunächst eine FEM-basierte Struktursimulation (Finite Elemente Methode) mit einem makroskopischen Modell. Dabei wurden die Parameter Rippendicke, -höhe sowie Wandstärke der Schale systematisch variiert, mit dem Ziel, die Zusammenhänge und die Wechselwirkungen zwischen den geometrischen Parametern und die resultierenden mechanischen Verbundeigenschaften zu ermitteln und somit die bestmöglichen Kennwerte für die Auslegung von 3D-Schale-Rippen-Textilhalbzeugen mit komplex angeordneten Versteifungselementen festlegen zu können.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Rippenhöhe eine nur geringe Auswirkung auf die resultierende Biegefestigkeit der daraus hergestellten Verbunde aufweist. Die Rippendicke und die Wandstärke der Schale weisen hingegen einen sehr hohen Einfluss auf. Als Hauptfaktor für ein frühzeitiges Bauteilversagen wurde sowohl bei dem entwickelten FEM-Modell als auch bei der durchgeführten mechanischen Charakterisierung von 3D-Verbundproben ein durch interlaminare Scherspannung ausgelöster Bruch, sog. Delamination, zwischen unterschiedlichen Verstärkungslagen identifiziert (vgl. Abbildung 2). Zur besseren Vorhersage der mechanischen Eigenschaften von FKV wurde daher ein mesoskopisches FEM-Modell entwickelt und eingesetzt [5], das in der Lage ist, 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit einem komplexen Lagenaufbau sehr detailliert abzubilden. Anhand dieses Modelles konnte festgestellt werden, dass die Orientierung der Verstärkungsfäden im Bereich der Rippe eine untergeordnete Rolle spielt. Ausschlaggebend für die Gewährleistung guter strukturmechanischen Verbundeigenschaften ist die Sicherstellung einer durchgängigen Faserverstärkung zwischen unmittelbar benachbarten Strukturbereichen, insbesondere an den Verbindungsstellen zwischen Rippen mit unterschiedlicher Orientierung (z. B. 0°/90°), sowie der Fixierung mehrerer Verstärkungslagen mit einem einzigen Maschenfaden. Somit weist eine 2D-Verbundprobe aus vier integral gefertigten, miteinander verbundenen Verstärkungslagen mit 17,8 GPa ein um 12 % höheres Biegemodul im Vergleich zu einer aus vier Einzellagen zusammengesetzten Verbundprobe auf, die 15,9 GPa erreicht.

Integral gefertigte 3D-Schale-Rippen-Strukturen

Basierend auf der durchgeführten Struktursimulation wurden der dabei ermittelte ideale Verlauf der Verstärkungsfäden iterativ mit den stricktechnisch realisierbaren Verstärkungsfadenanordnungen unter Berücksichtigung der technologischen Umsetzbarkeit verglichen und anschließend aussichtsreiche Bindungsvarianten mit lastgerecht angeordneten Verstärkungsfäden abgeleitet und festgelegt. Darauf aufbauend wurden insbesondere für die direkte Ausbildung diagonal angeordneter Rippen notwendige technologische Anpassungen an der vorhandenen Maschinentechnik abgeleitet, konstruktiv entwickelt und umgesetzt. Nach Implementierung einer neuartigen, modular in konventionelle Flachstrickmaschinen nachrüstbaren Vorrichtung für das Aufspreizen der Kettfadenschar wurden 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit in 0°, 90° und ± 45° angeordneten Rippen auf einer modifizierten Flachstrickmaschine ARIES.3D technology der Firma Steiger (Steiger Participations SA, Vionnaz/Schweiz) stricktechnisch umgesetzt (vgl. Abbildung 3).

Mit der Umsetzung der Strukturen wurde gezeigt, dass die entwickelten Bindungsvarianten als Programmiermodule bereitgestellt werden können und mit geringem Programmieraufwand in kommerzielle Softwarelösungen zur Erstellung der Maschinensteuerprogramme übertragbar sind. Diese Module können miteinander kombiniert werden und ermöglichen somit eine beträchtliche Struktur- bzw. Produktvielfalt. Im Ergebnis des abgeschlossenen Forschungsprojektes steht fortan ein robustes und erprobtes Verfahren zur integralen Fertigung endlosfaserverstärkter 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit komplex angeordneten Versteifungselementen auf Flachstrickmaschinen zur Verfügung.

Bauteilherstellung und Charakterisierung

Aus den integral gefertigten Preformen wurden FKV-Bauteile im SCRIMP-Verfahren (Seaman Composite Resin Infusion Molding Process) hergestellt. Dafür wurde ein Formwerkzeug mit modular einsetzbaren Metallkernen entwickelt, das die flexible Herstellung von 3D-Schale-Rippen-Bauteilen mit unterschiedlichen Rippenausrichtungen ermöglicht (vgl. Abbildung 4). Zu Vergleichszwecken erfolgte auch die Realisierung eines in Differenzialbauweise gefertigten FKV-Bauteils. Dabei wurden Schalen und Rippenstruktur separat hergestellt und anschließen miteinander gefügt. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass für die Bauteilherstellung in Integralbauweise im Vergleich zur Differenzialbauweise deutlich weniger Arbeitsschritte erforderlich sind.

Zur Validierung der entwickelten FEM-Modelle erfolgte schließlich eine umfangreiche Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften von 2D-Verbundproben mittels Zug-, Druck-, CAI- (Compression-After-Impact), 4‑Punkt-Biege-, ILSS‑ (Interlaminare Scherfestigkeit) sowie Charpy-Schlagversuchen. Ergänzend dazu wurden in Anlehnung an DIN EN ISO 14125 auch 3-Punkt-Biegeversuche an 3D-FKV-Bauteilen durchgeführt (vgl. Abbildung 5), um die Biegefestigkeit der neuartigen 3D-Schale-Rippen-Bauteile mit komplex angeordneten Rippen zu ermitteln.

Insgesamt ist festzuhalten, dass die neuartigen 3D-Schale-Rippen-Preformen mit komplex angeordneten Versteifungselementen für die flexible Herstellung hochbeanspruchbarer FKV-Bauteile mit komplexer Versteifungsstruktur und vor allem mit einer durchgängigen Faserverstärkung zwischen Schale und Rippen sehr gut geeignet sind. Die dabei erreichbare Endlosfaserverstärkung in den Rippen stellt eine deutliche Verbesserung im Vergleich zum Stand der Technik dar. Insbesondere ermöglicht der Einsatz der neuartigen 3D-Textilhalbzeuge eine deutliche Vereinfachung des Preforming-Prozesses. Im Vergleich dazu erfordert eine Premformherstellung in Differenzialbauweise eine hohe Anzahl an 2D-Textilstrukturen, welche in aufwendigen Prozessschritten zugeschnitten, vorgeformt, gestapelt, kompaktiert und fixiert werden müssen. Bei Anwendung der Projektergebnisse ist dazu nur noch eine Positionierung der integral gefertigten 3D-Preform im Werkzeug erforderlich. Außerdem weisen die realisierten 3D-Preformen aufgrund der Fixierung einer hohen Anzahl an Verstärkungsfadenlagen durch nur einen einzigen Maschenfaden eine hervorragende Stabilität auf, was perspektivisch eine vollautomatisierte Preformherstellung mittels Robotertechnik ermöglicht. Somit sind die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche, automatisierbare Fertigung endlosfaserverstärkter 3D-Schale-Rippen-FKV-Bauteile mit komplex angeordneten Versteifungselementen in reproduzierbare Qualität geschaffen.

Zusammenfassung und Ausblick

Im Rahmen des IGF-Projektes 20793 BR wurde ein innovatives Fertigungsverfahren auf Basis der Mehrlagenflachstricktechnik zur integralen Herstellung lastgerecht ausgelegter 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit komplex angeordneten Versteifungselementen entwickelt, umgesetzt und erfolgreich erprobt. Wesentliche Vorteile der Integralbauweise gegenüber der Differenzialbauweise sind ein deutlich schnellerer Preformaufbau sowie eine deutlich höhere mechanische Belastbarkeit daraus herstellbarer FKV-Bauteile durch die durchgehende Faserverstärkung zwischen benachbarten Strukturbereichen, z. B. zwischen Schale und Rippe. Derartige Bauteile sind dadurch wesentlich materialeffizienter auslegbar. Künftig ermöglicht das entwickelte Verfahren einen Durchbruch topologie‑ und strukturoptimierter endlosfaserverstärkter 3D-Schale-Rippen-FKV-Bauteile in Serienanwendungen.

Potenzielle industrielle Anwendungen sind u. a. für hochbelastbare rippenverstärkte Schalen im Schienenfahrzeug‑, Automobil- und Apparatebau (z. B. Türen oder Maschinenabdeckungen), Rumpfstrukturen im Schiffbau oder lasttragende Strukturen der Luft- und Raumfahrt (z. B. Flugzeugrumpf oder Isogrid-Strukturen).

Weiteres Forschungspotenzial besteht u. a. in der Weiterentwicklung der Technologie zur integralen Fertigung endlosfaserverstärkter 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit diagonal angeordneten Versteifungselementen abweichend von der ± 45°-Anordnung bzw. mit gekrümmten Rippen [6].

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 20793 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e. V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Die Autoren danken den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel sowie den involvierten Unternehmen im projektbegleitenden Ausschuss für die fachliche Unterstützung und die Bereitstellung von Versuchsmaterial. Der Forschungsbericht und weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden erhältlich.

AutorInnen: Quentin Bollengier, David Rabe, Minh Quang Pham, Eric Häntzsche, Chokri Cherif

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06.03.2023

Gewebte Papier-Textil-Strukturen für einen nachhaltigen Leichtbau

Gewebe Composites Textilmaschinenbau Nachhaltigkeit Technische Textilien

Zusammenfassung

Mit dem technologischen Nachweis des neuartigen HyPerWeave-Ansatzes steht somit in der Zukunft eine nachhaltige Material- und Leichtbaulösung für eine Vielzahl an Branchen bereit, deren Eigenschaften (Stabilität, Brandschutz) auf den jeweiligen Anwendungsfall maßgeschneidert angepasst werden kann. Darüber ermöglicht die Kopplung von Papier- und Textiltechnik geschlossene Stoffkreisläufe, in denen das betreffende Bauteil gegen Ende der Produktlebenszeit und abhängig von seiner Zusammensetzung getrennt und zu neuen Leichtbaustrukturen recycelt werden kann.

Bericht

Mit dem konsequenten Einsatz von Leichtbau-Technologien können in vielen industriellen Bereichen sowie in der Mobilitäts- und Baubranche erhebliche Mengen an CO2-Emissionen eingespart werden. Jedoch erfordert die Herstellung entsprechender faserverstärkter Leichtbaustrukturen einen hohen Energie- und Ressourcenaufwand, wodurch eine tatsächliche CO2-Ersparnis erst sehr spät und am Ende der Nutzungsdauer erreicht wird. Zum Beispiel basieren Carbon- oder Aramidfaser in der Regel auf petrochemischen Ausgangsmaterialien und erfordern bei der Herstellung einen immensen Energieeinsatz. Im Gegensatz dazu bieten naturbasierte Verstärkungsfasern ein großes Potenzial zur Senkung von CO2-Emissionen und zur stofflichen Bindung von CO2 bei der Herstellung von Leichtbaustrukturen. Dennoch sind diese Technologien noch nicht weit verbreitet, da die Eigenschaften der Ausgangsmaterialien großen Schwankungen unterliegen und die Kompatibilität mit gebräuchlichen Matrixsystemen nicht immer gegeben ist.

Das branchenübergreifende Projekt "HyPerWeave" erforscht Wege zur Umsetzung eines CO2-armen und damit nachhaltigen Leichtbaus. Wissenschaftler:innen der Papiertechnischen Stiftung Heidenau (PTS) und des Instituts für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) der TU Dresden entwickeln im Rahmen der Industriellen Gemeinschaftsforschung gewebte Verstärkungsstrukturen auf Basis von Papier (siehe Abbildung 1) für neuartige, hochstabile Leichtbaupaneele, wie sie in vielen Bereichen der Mobilität, der Gebäudeausrüstung oder dem Anlagenbau benötigt werden. Neben den Anforderungen an eine hohe spezifische Tragfähigkeit solcher Paneele, sind es daher insbesondere die Brandschutzeigenschaften bis DIN 4102 B1, die in der Materialentwicklung von HyPerWeave adressiert werden.

Die papier- und textiltechnologischen Arbeiten der Forschungseinrichtungen sind eng miteinander verzahnt. So konnten in der ersten Projektphase neue Papiere entwickelt werden, die ein vielversprechendes Eigenschaftsprofil hinsichtlich Mechanik, Brandschutz und textiltechnologischer Verarbeitbarkeit aufweisen und nun im Rahmen der zweiten Projektphase schrittweise auf praxisähnliche Versuchsanlagen der PTS hergestellt werden. Für die weitere Verarbeitung der Papiere zu integral verstärkten Leichtbaustrukturen wird am ITM eine neues Webverfahren entwickelt und konstruktiv-technologisch umgesetzt. Dies betrifft insbesondere die Materialführung, bei der das Papier in anforderungsgerechte Streifen geschnitten und in Form von Kettfäden bindungstechnisch in eine Abstandsgewebestruktur eingebracht werden. Die textilbasierte Kopplung zwischen der so aus dem Papier ausgeprägten Kernlage und den gleichzeitig gewebten Decklagen (siehe Abbildung) verspricht dabei gegenüber dem Stand der Technik eine deutlich verbessertes Delaminationsverhalten, gesteigerte Schubstabilität und Schadenstoleranz gegenüber geklebten Waben-Sandwichstrukturen. Die gewebten Papierhalbzeuge können anschließend mit Fixiermitteln und Matrixmaterialien auf Basis nachwachsender Rohstoffe zu hochwertigen Paneelen weiterverarbeitet werden.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21856 BR (Entwicklung von integral gewebten Papier-Textil-Sandwichstrukturen für Leichtbaupaneele (Hybrid High Performance Paper Weaves – HyPerWeave) wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

AutorInnen: Vorhof, Michael (1); Wüstner, Cornell (2); Sennewald, Cornelia (1); Cherif, Chokri (1) (1) Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) (2) Papiertechnische Stiftung Heidenau

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden
cornelia.sennewald@tu-dresden.de

Papiertechnische Stiftung Heidenau
Pirnaer Straße 37
01809 Heidenau
cornell.wüstner@ptspaper.de

https://tu-dresden.de/mw/itm | https://www.ptspaper.de

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20.02.2023

Entwicklung bekleidungstechnischer Assistenzsysteme zur Unterstützung der Mobilität älterer Menschen

Nachhaltigkeit Technische Textilien Smart Textiles Medizin Tests

Zusammenfassung

Am ITM erfolgte im IGF-Projekt 21603 BR/1 die Entwicklung bekleidungstechnischer Assistenzsysteme zur Unterstützung der Mobilität älterer Menschen. Im Rahmen des Projektes wurde ein passives Exosuit zur Unterstützung der Aufstehbewegung (Sit-To-Stand – STS-Bewegung) prototypisch umgesetzt.

 

Bericht

1. Einleitung

Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis und eine wesentliche Voraussetzung, um sich sozial in die Gesellschaft zu integrieren. Mit steigender Lebenserwartung und dem damit verbundenen demographischen Wandel wird das Thema Mobilität künftig zunehmend wichtiger. Ältere Menschen vermeiden es aufgrund körperlicher Einschränkungen, ohne fremde Hilfe ihren Wohnraum zu verlassen. Der Verlust der Mobilität ist eines der maßgeblichen Risiken des Alterns [1].

In den letzten Jahren wurden unter Einsatz von Robotik und Mechatronik tragbare Roboter, Anzüge oder Geräte entwickelt, die mittels externer Kräfte zur Unterstützung der menschlichen Mobilität beitragen (aktive Exoskelette) [2]. In aktuellen Forschungen geht es um die Gestaltung von Soft-Exosuits, die keinen äußeren starren Rahmen haben, aber auch auf der Wirkung externer Kräfte basieren [3]. Aus medizinischer Sicht ist die Anwendung derartige Lösungen für ältere Menschen, die nur altersbedingte körperliche Einschränkungen haben, umstritten. Fehlende aktive Bewegung führt in der Regel zu einer Rückbildung der Muskulatur, was nicht im Sinne der potentiellen Nutzer wäre. Während im Bereich des Hochleistungs- und Freizeitsports seit Jahrzehnten an der Material- und Schnittentwicklung für Funktionskleidung gearbeitet wird, ist der Kundenkreis der älteren Menschen bisher vernachlässigt worden [4-8].

2. Zielsetzung und Lösungsweg

Ziel dieser Forschung war es deshalb, durch bekleidungstechnische Assistenzsysteme die Mobilität älterer Menschen zu unterstützen ohne die körpereigenen Kräfte abzubauen und einem Muskelabbau weitgehend entgegenzuwirken. Im Rahmen des Projektes wurde ein passives Exosuit zur Unterstützung der Aufstehbewegung (Sit-To-Stand – STS-Bewegung) prototypisch umgesetzt.

Die bekleidungstechnischen Assistenzsysteme für die STS-Bewegung wurden in Form von Funktionswäsche entwickelt, die unter der normalen Tageskleidung getragen werden kann. Diese besteht aus textilen Materialien unterschiedlicher Dehnsteifigkeiten, die die Bewegung des Menschen durch eine gezielte Energiespeicherung/-abgabe, die auf die erforderlichen Muskelkräfte abgestimmt ist, fördern. Die textiltechnische Unterstützung soll unter Berücksichtigung des zu gewährleistenden Tragekomforts nicht das ganze Gewicht des Menschen tragen. Somit muss ein Kompromiss zwischen Tragkraft und Unterstützungslevel gefunden werden. Die belastungsangepasste Materialauswahl erfolgt auf Grundlage biomechanischer Modellierung/Simulation sowie der textilphysikalischen Materialcharakterisierung. Abbildung 1 zeigt die zur Erreichung des Forschungszieles nötigen Prozessschritte.

3. Ergebnisse

Die Ergebnisse sind in folgende Kapitel unterteilt:

3.1 Erfassung von Scandaten mobilitätseingeschränkter Probanden

3.2 Generierung personenindividueller kinematischer/biomechanischer Menschmodelle zur Simulation der Bewegung

3.3 Berechnung/Simulation der Muskelkräfte

3.4 Schnitttechnische Entwicklung des Assistenzsystems und Funktionalisierung

3.5 Validierung der Assistenzwirkung

Die umfassende Ergebnispräsentatiom finden Sie in der Veröffentlichung, die zum Download (pdf-Datei) zur Verfügung steht.

4. Zusammenfassung

In diesem Forschungsvorhaben wurde ein passives bekleidungstechnisches Assistenzsystem in Form von Funktionswäsche für Menschen mit leichten Mobilitätseinschränkungen entwickelt. Dabei geht es darum, den Bewegungsapparat zu entlasten, d. h. die für eine STS-Bewegung benötigten Kräfte zu reduzieren und die Stabilität der Bewegungen zu erhöhen. Dazu wurden personenindividuelle Daten scantechnisch erfasst, textile Materialien unterschiedlicher Dehnsteifigkeiten ausgewählt und charakterisiert, die zu unterstützenden Muskelkräfte in Abhängigkeit der definierten Bewegung simuliert sowie die Schnittgestaltung und Positionierung von Funktionselementen dementsprechend anforderungsgerecht ausgeführt. EMG-Messungen zeigen die unterstützende Wirkung des passiven Assistenzsystems. Die Reduzierung der detektierten Muskelaktivität liegt für die relevanten Muskelgruppen zwischen 6% und 40 %. Damit stellen sie künftig eine erfolgversprechende, nutzerorientierte und alltagstaugliche Lösung dar, um die Mobilität zu unterstützen, ohne die körpereigenen Kräfte abzubauen und einem Muskelabbau entgegenzuwirken.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21603 BR/1 der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Die vollständige Veröffentlichung steht zum Download zur Verfügung.

AutorInnen: Ellen Wendt, Doudou Zhang, Sybille Krzywinski, Yordan Kyosev

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

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16.01.2023

Increased performance and sustainability through the use of profiled textile reinforcements for concrete applications

Fasern Garne Gestricke & Gewirke Textilmaschinenbau Nachhaltigkeit Technische Textilien

Zusammenfassung

At the ITM of the TU Dresden, new, bond optimized reinforcement yarns were developed on the basis of braiding and forming technology, which can transmit up to 500 % higher bond forces in concrete than yarns without profile. The profiled rovings and braided yarns show at a bond length of only 50 mm a full anchoring. With the forming technology developed at the ITM, profiled rovings could be manufactured which, due to the patented tetrahedral geometry, can almost completely exploit the tensile potential of the carbon fibers. In the course of developing the braiding yarns, a new vario braiding structure was developed, with nearly eliminated structural elongation under load. This made it possible to manufacture profiled reinforcement yarns with very high tensile properties, which is a basic requirement for use in concrete. In addition, the multiaxial warp knitting technology has been further developed in such a way that the new bond optimized reinforcement yarns (profiled rovings and braiding yarns) can be processed without damage into profiled, grid-like textile reinforcements. This results in a significantly higher material efficiency of the textile reinforcement, so that previous necessary disproportionate oversizing and large overlapping lengths can be significantly reduced. This is of enormous importance, especially in view of the energy-intensive production of carbon fibers and consequently for the sustainability goal of the future-oriented carbon concrete technology, in order to make concrete constructions of the future resource saving and sustainable.

The project results achieved also represent a significant contribution to the production of extremely resilient textile-reinforced concrete structures with significantly improves bond properties, arising new prospects in the construction industry for component production in the field of renovation and new construction.

Bericht

Abstract
Building in a resource-saving way and still exploiting a high performance potential, is that even possible? At the Institute for Textile Machinery and High Performance Material Technology (ITM) at the TU Dresden, such composite optimized profiled textile reinforcements for concrete applications and the related manufacturing technology were developed as part of the research project IGF 21375 BR. On the basis of braiding and forming technology, a new generation of profiled reinforcement yarns was developed with the help of simulation-based investigations. Like ribbed steel reinforcements, these profiled yarns have a very high bond with the concrete matrix, but despite the profiling they almost fully exploit the performance potential of the carbon fibers in terms of tensile properties. In this way, the bond length required for complete force transmission between the textile reinforcement and the concrete can be reduced to just a few centimeters, and up to 80 % of the component-dependent oversizing of the textile reinforcement can be saved. The further development of the multiaxial warp knitting technology for the requirement-based and fiber-friendly processing of the profiled yarns into grid-like reinforcement structures enables the production of profiled textile reinforcement structures with the highest bond properties for use in carbon-reinforced concrete components with maximum material and resource efficiency.

Initial situation and problem definition
As is generally known, climate change is the greatest challenge of the 21st century, which can only be successfully overcome by consistently saving resources and CO2 emissions. Since the construction industry, with a share of approx. 38 % of global CO2 emissions, has made a significant contribution to global warming to date, in particular due to the enormous cement consumption [1], a change to more energy and resource efficiency as well as a growing awareness of sustainability is absolutely necessary. In the course of this, a resource-efficient carbon concrete, consisting of a corrosion-resistant textile reinforcement in combination with a significantly reduced concrete cover, is established in the construction industry as a convincing alternative to conventional steel reinforced concrete [2,3].

Due to the high load-bearing capacity of the textile reinforcement with the smaller concrete cross-sections required, the bond between the textile and the concrete is extremely important. So far, R&D has focused on the development of impregnations and impregnation systems for improved material bond with the concrete matrix [4]. However, only small forces with a shear flow of about 5 - 40 N/mm can be transferred, an efficient utilization of the textile reinforcement is not possible. Solutions with profiling of the yarn surface promise significant improvements in the transmission of bond forces [5]. Therefore, new technologies for the continuous and reproducible production of profiled textile high-performance fiber yarns and their further processing into reinforcement structures were developed within a research project at the ITM of the TU Dresden. These innovative, profiled reinforcements are characterized by their ability to transmit significantly higher bond forces in concrete [6,7]. In particular, this was realized by a form-fitting effect between the textile and the concrete, that meets the specific requirements of a stiff and symmetrical surface profile of the reinforcement yarns in order to guarantee a constant and high force transmission. To generate the yarn profiling, solutions based on braiding technology and forming processes were developed and implemented with the help of simulation-supported studies. The premises were a permanently stable textile structure and a profile with a symmetrical structure. The realization of grid-like reinforcement structures, consisting of the profiled reinforcement yarns, was carried out using the multiaxial warp knitting technology. This was developed further on a modular basis with regard to the existing processes (yarn feeding, weft yarn insertion, knitting process, impregnation and winding) in accordance with the necessary adaptation measures for the fiber-friendly and requirement-based further processing of the profiled reinforcement yarns into grid-like structures.

Development of the innovative profiled reinforcement yarns
For the development of bond optimized profiled reinforcement yarns for concrete applications, a simulation-supported yarn development was carried out on the basis of braiding and forming technology. In particular, the main challenge was to realize profiled yarns with minimal structural elongation, so that, an initial force transmission of the textile reinforcement is possible and the concrete crack widths are minimized [3] if the concrete matrix fails at approx. 0.2 % elongation. For this purpose, a new type of varying braiding structure was developed. Moreover the braiding technology was further developed to enable a low-undulation and pre-stabilization of the braiding yarn structure during the braiding process, yet still ensuring further textile processing. As a result, it is now possible to implement novel vario braiding yarns as well as conventional packing braided yarns, consisting of carbon fibers with nearly eliminated structural elongation, minimal fiber damage and the required pre-stabilization of the yarn structure (see Table 1).

...

Performance potential of the new profiled reinforcement yarns
The newly developed profiled reinforcement yarns are characterized by nearly unchanged tensile properties, yet up to 500 % higher bond properties compared to carbon rovings without profile or rovings extracted from reference textiles (see Figure 1). In addition, they do not show any noticeable structural elongation, so that an initial force transmission is possible without additional crack opening after the failure of the concrete matrix. However, an increase in bond strength of more than 500 % from approx. 20 N/mm of the carbon rovings without a profile to over 100 N/mm of the profiled reinforcement yarns was achieved, which is accompanied by a significant increase in material efficiency (see Figure 1). The vario braiding yarns in particular are characterized by very high bond stiffness, which is of particular interest for an initial force transmission. The packing braiding yarns and the profiled rovings with tetrahedral geometry have almost the same bond properties. The bond stiffness is marginally lower compared to the vario braiding yarns, whereas their production is more productive than the vario braiding yarns.

Development of the multiaxial-warp knitting process
To process the newly profiled reinforcement yarns into a grid-like reinforcement structure, a biaxial warp knitting machine Malimo 14022 at the ITM and the corresponding sub-processes (yarn feeding, weft yarn insertion, knitting process, impregnation and winding) were adapted and further developed so that on the one hand the pre-stabilized braiding yarns and the consolidated tetrahedral-shaped profiled rovings can be processed further. For this purpose, the weft thread laying process in particular was modified by developing a new type of weft thread guide for the laying of the pre-stabilized braiding yarns. Since the rigid profiled rovings could not be processed with the conventional weft laying process, a new type stick placement system consisting of a stick magazine and a shaft with profile rollers was developed (see Figure 2). The pre-cut sticks were individually inserted via the stick placement system into a transport chain modified with new fixing elements.

In order to guarantee textile processing, the pre-stabilized braiding yarns were impregnated and consolidated after the warp knitting process, contrary to the rigid profiled rovings, which do not require any further impregnation.. On the basis of extensive production tests, a new type of impregnation system was developed based on the kiss coater process with an additional coating roller for applying an impregnation agent to both sides of the pre-stabilized braiding yarns. Various reinforcement structures were manufactured and characterized with the implemented system technology. Figure 3 shows a new type of profiled textile reinforcement consisting of prefabricated profiled rovings with tetrahedral shape.

Acknowledgments
The IGF research project 21375 BR of the Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e. V. is funded through the AiF within the program for supporting the „Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)“ from funds of the Federal Ministry for Economic Affairs and Climate Action on the basis of a decision by the German Bundestag.

The complete publication is available as download.

AutorInnen: Penzel, Paul; Hahn, Lars; Abdkader, Anwar; Cherif, Chokri

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

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16.01.2023

Leistungsfähigkeit und Nachhaltigkeit steigern durch den Einsatz von verbundgerecht profilierten Textilbetonbewehrungen

Fasern Garne Gestricke & Gewirke Textilmaschinenbau Nachhaltigkeit Technische Textilien

Zusammenfassung

Am ITM der TU Dresden wurden neuartige, verbundoptimierte Bewehrungsgarne auf Basis der Flecht- und Tränkumformtechnik simulationsgestützt entwickelt, die bis zu 500 % höhere Verbundkräfte im Beton als Garne ohne Profilierung übertragen können. Die Profil- und Flechtgarne weisen bereits bei einer Verbundlänge von nur 50 mm eine vollständige Verankerung auf. Mit der am ITM entwickelten Tränkumformtechnik konnten tetraederförmige Profilgarne gefertigt werden, die aufgrund der patentierten Tetraedergeometrie das zugmechanische Leistungpotential der Carbonfasern nahezu vollständig ausnutzen können. Weiterhin wurde im Zuge der Flechtgarnentwicklung eine neue Flechtstruktur entwickelt, welche die nahezu vollständige Eliminierung der Strukturdehnung unter Last ermöglichte. Somit war die Fertigung von profilierten Bewehrungsgarnen mit sehr hohen zugmechanischen Eigenschaften möglich. Darüber hinaus wurde die Multiaxial-Kettenwirktechnik derart weiterentwickelt, dass die neuartigen Bewehrungsgarne (Profil- und Flechtgarne) schädigungsfrei zu gitterförmigen Textilbetonbewehrungen mit verbundoptimierter Profilierung verarbeitet werden können. Daraus ergibt sich eine deutlich höhere Materialeffizienz der Textilbewehrung, sodass bisher notwendige unverhältnismäßige Überdimensionierungen und große Überlappungslängen deutlich reduziert werden können. Dies ist insbesondere in Anbetracht der energieintensiven Herstellung von Carbonfasern und damit für den Nachhaltigkeitsanspruch der zukunftsweisenden Carbonbetontechnologie von enormer Bedeutung, um das Bauen der Zukunft ressourcenschonend und nachhaltig zu gestalten.

Die erzielten Projektergebnisse stellen zudem einen wesentlichen Beitrag zur Herstellung von extrem belastbaren Textilbetonstrukturen mit deutlich besseren Verbundeigenschaften dar, sodass für die Bauindustrie perspektivisch neue Möglichkeiten zur Bauteilfertigung im Bereich der Sanierung und des Neubaus entstehen.

Bericht

Abstract
Ressourcenschonend Bauen und dennoch ein hohes Leistungspotential ausschöpfen, ist das überhaupt möglich? Am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) der TU Dresden wurden im Rahmen des Forschungsprojektes IGF 21375 BR verbundgerecht profilierte Textilbetonbewehrungen sowie die dazugehörigen Fertigungstechnologien entwickelt, die genau dies ermöglichen. Auf Basis der Flecht- und Tränkumformtechnik wurden neuartig profilierte Bewehrungsgarne simulationsgestützt entwickelt, die analog zu gerippten Stahlbewehrungen einen sehr hohen Verbund mit der Betonmatrix aufweisen und das hohe Leistungspotential der Carbonfasern hinsichtlich der zugmechanischen Eigenschaften ausnutzen. Damit kann die notwendige Verbundlänge für eine vollständige Kraftübertragung zwischen Textilbewehrung und Beton auf wenige Zentimeter reduziert, und somit bis zu 80 % der bauteilabhängigen Überdimensionierung der Textilbewehrung eingespart werden. Die Weiterentwicklung der Multiaxial-Kettenwirktechnik zur anforderungsgerechten und faserschonenden Verarbeitung der profilierten, konsolidierten Garne zu gitterförmigen Bewehrungsstrukturen ermöglicht die Fertigung von profilierten Textilbetonbewehrungen mit höchsten Verbundeigenschaften für den Einsatz in Carbonbeton-Bauteilen mit maximaler Material- und Ressourceneffizienz.

Ausgangssituation und Problemstellung
Bekannterweise ist der Klimawandel die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts, welcher nur durch eine konsequente Einsparung von Ressourcen und CO2-Emmision erfolgreich bewältigt werden kann. Da die Baubranche mit einem Anteil von ca. 38 % der weltweiten CO2-Emission, insbesondere aufgrund des enormen Zementverbrauchs, einen erheblichen Beitrag zur bisherigen Klimaerwärmung hat [1], ist ein Wandel zu mehr Energie- und Ressourceneffizienz sowie einem wachsenden Nachhaltigkeitsbewusstsein zwingend erforderlich. Im Zuge dessen etabliert sich insbesondere der ressourceneffiziente Carbonbeton, bestehend aus einer korrosionsbeständigen Textilbewehrung in Kombination mit einer deutlich reduzierten Betondeckung, im Bauwesen als überzeugende Alternative zum konventionellen Stahlbeton zunehmend [2,3].  

Aufgrund der hohen Tragfähigkeiten der textilen Bewehrung bei kleineren notwendigen Betonquerschnitten kommt jedoch dem Verbund zwischen Textil und Beton eine außerordentlich große Bedeutung zu. Bisher lag der Fokus der F&E auf der Entwicklung von Tränkungsmitteln und zugehöriger Tränkungssysteme zur Verbesserung des stoffschlüssigen Haftverbundes mit der Betonmatrix [4]. Damit lassen sich jedoch nur geringe Kräfte mit einem Schubfluss von etwa 5-40 N/mm übertragen, eine effiziente Ausnutzung der textilen Bewehrung ist nicht möglich. Signifikante Verbesserungen zur Übertragung der Verbundkräfte versprechen Lösungen mit einer Profilierung der Garnoberfläche [5]. Daher wurden im Rahmen des IGF-Forschungsprojektes 21375 am ITM der TU Dresden neuartige Technologie zur kontinuierlichen und reproduzierbaren Herstellung profilierter textiler Hochleistungsgarne und deren Weiterverarbeitung zu Bewehrungsstrukturen entwickelt. Diese neuartigen, profilierten Bewehrungen zeichnen sich dadurch aus, dass diese im Betonverbund deutlich höhere Kräfte übertragen können [6,7]. Zur Generierung einer Profilierung auf Garnebene wurden Lösungen auf Basis der Flechttechnik und mittels tränkumformtechnischer Verfahren simulationsgestützt entwickelt und umgesetzt. Die Prämissen waren eine unnachgiebige Profilgebung mit garnaxial symmetrischem Aufbau, damit eine gleichmäßige und hohe Lastübertragung gewährleistet ist. Die Herstellung gitterartiger Bewehrungsstrukturen, bestehend aus den profilierten Bewehrungsgarnen, erfolgte durch die Weiterentwicklung der Multiaxial-Kettenwirktechnik. Diese wurde entsprechend der notwendigen Anpassungsmaßnahmen zur schädigungsarmen und anforderungsgerechten Weiterverarbeitung der profilierten Bewehrungsgarne zu Gitterstrukturen hinsichtlich der bestehenden Teilprozesse (Garnzuführung, Schusslegung, Maschenbildung, Tränkung und Aufwicklung) modular weiterentwickelt.

Entwicklung der neuartig profilierten Bewehrungsgarne
Für die anforderungsgerechte Entwicklung von profilierten Bewehrungsgarnen für Betonanwendungen erfolgte eine simulationsgestützte Garnentwicklung auf Basis der Flecht- und Tränkumformtechnik. Die wesentliche Herausforderung bestand insbesondere darin, profilierte Garne mit minimaler Strukturdehnung zu realisieren, sodass beim Versagen der Betonmatrix bei ca. 0,2 % Dehnung eine initiale Kraftübertragung der Textilbewehrung ermöglicht wird und die Rissbreiten minimiert werden [3]. Hierzu wurde eine neuartige Flechtstruktur mit einem Varioflechter entwickelt. Darüber hinaus wurde der Flechtprozess derart weiterentwickelt, dass eine ondulationsarme Vorstabilisierung der Flechtgarnstruktur während des Flechtprozesses ermöglicht wird und dennoch eine textile Weiterverarbeitbarkeit gewährleistet ist. Im Ergebnis wurden neuartige Varioflechtgarne sowie konventionelle Packungsflechtgarne bestehend aus Carbonfasern mit nahezu eliminierter Strukturdehnung, minimaler Faserschädigung und anforderungsgerechter Vorstabilisierung der Garnstruktur realisiert (siehe Tabelle 1).

...

Leistungspotential der neuartigen profilierten Bewehrungsgarne
Die neuentwickelten profilierten Bewehrungsgarne zeichnen sich durch nahezu unveränderte zugmechanische Eigenschaften, jedoch bis zu 500 % höhere Verbundeigenschaften im Vergleich zu Carbonrovings ohne Profilierung bzw. aus Referenztextilien extrahierten Rovings aus (siehe Abbildung 1). Zudem weisen sie keine erkenntliche Strukturdehnung auf, sodass eine initiale Kraftübertragung ohne zusätzliche Rissöffnung nach dem Versagen der Betonmatrix möglich ist. Jedoch konnte eine Verbundsteigerung um über 500 % von ca. 20 N/mm der Carbonrovings ohne Profil auf über 100 N/mm der profilierten Bewehrungsgarne erzielt werden, womit eine signifikante Steigerung der Materialeffizienz einhergeht (siehe Abbildung 1). Hierbei zeichnen sich insbesondere die Varioflechtgarne durch sehr hohe Verbundsteifigkeiten aus, die für eine initiale Kraftübertragung von besonderem Interesse sind. Die Packungsflechtgarne sowie die Profilgarne mit Tetraeder-Geometrie haben annähernd gleiche Verbundeigenschaften. Die Verbundsteifigkeit ist im Vergleich zu den Varioflechtgarnen etwas geringer, jedoch ist deren Fertigung produktiver.

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Weiterentwicklung des Flächenbildungsprozesses
Zur Verarbeitung der neuartig profilierten Bewehrungsgarne zu einer gitterförmigen Bewehrungsstruktur wurde eine am ITM vorhandene Biaxial-Kettenwirkmaschine des Typs Malimo 14022 sowie die entsprechenden Teilprozesse (Garnzuführung, Schusslegung, Maschenbildung, Tränkung und Aufwicklung) angepasst und weiterentwickelt, sodass einerseits die vorstabilisierten Flechtgarne sowie die konsolidierten tetraederförmigen Profilgarne weiterverarbeitbar sind. Hierzu wurde insbesondere der Schusslegungsprozess dahingegen modifiziert, dass ein neuartiger Schussfadenführer für die Schusslegung der vorstabilisierten Flechtgarne entwickelt wurde. Die biegesteifen Profilgarne können nicht mit dem konventionellen Schusslegungsverfahren verarbeitet werden, sodass ein neuartiges Stabablagesystem bestehend aus eine Schussstab-Magazin-Speicher und einer Welle mit Profilwalzen entwickelt wurde (siehe Abbildung 2). Die vorkonfektionierten Schussstäbe wurden über das Stabablagesystem vereinzelt in eine mit neuen Halteelemente modifizierte Transportkette eingelegt.

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Danksagung
Das IGF-Vorhaben 21375 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e. V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Schlussbericht und weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden erhältlich.

Die vollständige Veröffentlichung steht zum Download zur Verfügung.

AutorInnen: Penzel, Paul; Hahn, Lars; Abdkader, Anwar; Cherif, Chokri

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01062 Dresden

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