Forschungspublikationen

19.04.2023

Forschung am ITM der TU Dresden für eine Webtechnologie zur Fertigung neuer Thermogewebe

Gewebe Textilmaschinenbau Nachhaltigkeit Smart Textiles Fashion

Zusammenfassung

Im Frühjahr des Jahres 2023 ist mit branchenübergreifender Beteiligung der Industrie das IGF-Projekt „Entwicklung einer Webtechnologie zur integralen Fertigung von Vlies-Thermogeweben mit Heizfunktion“ (IGF 22817 BR) am ITM angelaufen. Projektziel ist die Entwicklung eines einstufigen Webverfahrens zur Herstellung gekammerter Mehrlagengewebe mit integriertem Dämmmaterial.

Bericht

Sport- und Outdoorbekleidung sind heutzutage beliebter denn je, da immer mehr Menschen ihre Freizeitaktivitäten in der Natur verbringen möchten. Mit steigendem Interesse an Wandern, Skifahren und anderen Outdoor-Aktivitäten wächst auch die Nachfrage nach hochwertiger Ausrüstung, wie zum Beispiel Thermojacken und Schlafsäcken.

Solche isolierenden Thermostrukturen werden auch im Automobilbau zur Dachisolation verwendet. Diese mehrschichtigen Strukturen umfassen einen Ober- und Unterstoff sowie den dazwischenliegenden Dämmstoff. Zur Verbindung der Lagen werden Steppnähte eingesetzt, die die Lagen zueinander in Position halten. Durch das eingeschlossene Luftvolumen kann ein hoher Isolationsgrad erreicht werden, der jedoch im Bereich der Steppnähte durch die Komprimierung des Dämmstoffes und den in Wärmedurchgangsrichtung verlaufenden Steppfaden stark abnimmt. Die so entstehenden Kältebrücken reduzieren die Funktionalität der Produkte und begrenzen das Potenzial der Dämmstoffe stark. Darüber hinaus umfasst die Fertigung der Thermostrukturen mehrere teils komplexe zeit- und materialintensive Teilschritte. Zur Vermeidung beschriebener Kältebrücken und Vereinfachung des Herstellverfahrens wird in diesem Projekt die Entwicklung eines Webverfahrens angestrebt, dass die integrale Fertigung von Thermostrukturen erlaubt. Durch die Substitution des Ober- und Unterstoffs durch ein gekammertes Mehrlagengewebe mit Bindekette wird die Verbindung der Lagen ohne Steppnähte gewährleistet.

Eingebrachte Heizstrukturen sollen die Wärmewirkung zusätzlich erhöhen. Die Verwendung einer Jacquardmaschine bietet außerdem die Möglichkeit einer freien Musterung der Deckflächen, deren Designmöglichkeiten zurzeit durch den Steppnahtverlauf begrenzt werden.

Schwerpunkt des Projektes ist die Entwicklung einer industriell verwendbaren und KMU-gerechten Auslegungsmethodik für beschriebene Thermogewebe, wodurch bei individuellen Kundenanfragen schnell strukturelle, geometrische und materialseitige Vorgaben bereitgestellt werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die konstruktiv-technologische Entwicklung eines Webverfahrens inklusive Trenn-, Vorlage- und Verarbeitungsprozess des Dämmmaterials, die Entwicklung geeigneter Gewebebindungen und einem Konzept für einen produktspezifischen Warenabzug. Die integrale Fertigung der Thermostruktur an Funktionsmustern wird darauf aufbauend beispielhaft erprobt und bewertet.

Die Anwendungsfelder für integral gewebte Thermostrukturen reichen vom Funktionsbekleidungsbereich über den Tierbedarf in Form von z. B. Pferdedecken bis hin zu Isolationsanwendungen im Fahrzeugbau. Die Beteiligung der Industrie mit Vertretern verschiedener Branchen wie Smart Textiles, Vliesstoff-, Gewebe- und Garnherstellung, Softwareentwicklung, Fahrzeugbau und Textilhersteller zeigt den deutlichen Bedarf an solchen Innovationen.

Ziel des Projektes ist es, den Wärmedurchgangskoeffizienten von Thermostrukturen um ca. 20 % im Vergleich zu gesteppten Konstruktionen zu reduzieren. Damit soll ein deutlicher Wettbewerbsvorteil durch die stark verbesserte Performance von Outdoorbekleidung und Thermotextilien in verschiedene Branchen geschaffen werden. Die einstufige Fertigung ermöglicht zusätzlich die Einsparung von Herstellkosten. Mit den Projektergebnissen soll ein Beitrag zur Nachhaltigkeit und kosteneffizienten Fertigung von Thermostrukturen geleistet werden. Darüber hinaus wird eine Verbesserung in den Technologiesektoren Textilmaschinenbau und Weberei erreicht.

Das IGF-Vorhaben 2817 BR (Entwicklung einer Webtechnologie zur integralen Fertigung von Vlies-Thermogeweben mit Heizfunktion) der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V. wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

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20.02.2023

Entwicklung bekleidungstechnischer Assistenzsysteme zur Unterstützung der Mobilität älterer Menschen

Nachhaltigkeit Technische Textilien Smart Textiles Medizin Tests

Zusammenfassung

Am ITM erfolgte im IGF-Projekt 21603 BR/1 die Entwicklung bekleidungstechnischer Assistenzsysteme zur Unterstützung der Mobilität älterer Menschen. Im Rahmen des Projektes wurde ein passives Exosuit zur Unterstützung der Aufstehbewegung (Sit-To-Stand – STS-Bewegung) prototypisch umgesetzt.

 

Bericht

1. Einleitung

Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis und eine wesentliche Voraussetzung, um sich sozial in die Gesellschaft zu integrieren. Mit steigender Lebenserwartung und dem damit verbundenen demographischen Wandel wird das Thema Mobilität künftig zunehmend wichtiger. Ältere Menschen vermeiden es aufgrund körperlicher Einschränkungen, ohne fremde Hilfe ihren Wohnraum zu verlassen. Der Verlust der Mobilität ist eines der maßgeblichen Risiken des Alterns [1].

In den letzten Jahren wurden unter Einsatz von Robotik und Mechatronik tragbare Roboter, Anzüge oder Geräte entwickelt, die mittels externer Kräfte zur Unterstützung der menschlichen Mobilität beitragen (aktive Exoskelette) [2]. In aktuellen Forschungen geht es um die Gestaltung von Soft-Exosuits, die keinen äußeren starren Rahmen haben, aber auch auf der Wirkung externer Kräfte basieren [3]. Aus medizinischer Sicht ist die Anwendung derartige Lösungen für ältere Menschen, die nur altersbedingte körperliche Einschränkungen haben, umstritten. Fehlende aktive Bewegung führt in der Regel zu einer Rückbildung der Muskulatur, was nicht im Sinne der potentiellen Nutzer wäre. Während im Bereich des Hochleistungs- und Freizeitsports seit Jahrzehnten an der Material- und Schnittentwicklung für Funktionskleidung gearbeitet wird, ist der Kundenkreis der älteren Menschen bisher vernachlässigt worden [4-8].

2. Zielsetzung und Lösungsweg

Ziel dieser Forschung war es deshalb, durch bekleidungstechnische Assistenzsysteme die Mobilität älterer Menschen zu unterstützen ohne die körpereigenen Kräfte abzubauen und einem Muskelabbau weitgehend entgegenzuwirken. Im Rahmen des Projektes wurde ein passives Exosuit zur Unterstützung der Aufstehbewegung (Sit-To-Stand – STS-Bewegung) prototypisch umgesetzt.

Die bekleidungstechnischen Assistenzsysteme für die STS-Bewegung wurden in Form von Funktionswäsche entwickelt, die unter der normalen Tageskleidung getragen werden kann. Diese besteht aus textilen Materialien unterschiedlicher Dehnsteifigkeiten, die die Bewegung des Menschen durch eine gezielte Energiespeicherung/-abgabe, die auf die erforderlichen Muskelkräfte abgestimmt ist, fördern. Die textiltechnische Unterstützung soll unter Berücksichtigung des zu gewährleistenden Tragekomforts nicht das ganze Gewicht des Menschen tragen. Somit muss ein Kompromiss zwischen Tragkraft und Unterstützungslevel gefunden werden. Die belastungsangepasste Materialauswahl erfolgt auf Grundlage biomechanischer Modellierung/Simulation sowie der textilphysikalischen Materialcharakterisierung. Abbildung 1 zeigt die zur Erreichung des Forschungszieles nötigen Prozessschritte.

3. Ergebnisse

Die Ergebnisse sind in folgende Kapitel unterteilt:

3.1 Erfassung von Scandaten mobilitätseingeschränkter Probanden

3.2 Generierung personenindividueller kinematischer/biomechanischer Menschmodelle zur Simulation der Bewegung

3.3 Berechnung/Simulation der Muskelkräfte

3.4 Schnitttechnische Entwicklung des Assistenzsystems und Funktionalisierung

3.5 Validierung der Assistenzwirkung

Die umfassende Ergebnispräsentatiom finden Sie in der Veröffentlichung, die zum Download (pdf-Datei) zur Verfügung steht.

4. Zusammenfassung

In diesem Forschungsvorhaben wurde ein passives bekleidungstechnisches Assistenzsystem in Form von Funktionswäsche für Menschen mit leichten Mobilitätseinschränkungen entwickelt. Dabei geht es darum, den Bewegungsapparat zu entlasten, d. h. die für eine STS-Bewegung benötigten Kräfte zu reduzieren und die Stabilität der Bewegungen zu erhöhen. Dazu wurden personenindividuelle Daten scantechnisch erfasst, textile Materialien unterschiedlicher Dehnsteifigkeiten ausgewählt und charakterisiert, die zu unterstützenden Muskelkräfte in Abhängigkeit der definierten Bewegung simuliert sowie die Schnittgestaltung und Positionierung von Funktionselementen dementsprechend anforderungsgerecht ausgeführt. EMG-Messungen zeigen die unterstützende Wirkung des passiven Assistenzsystems. Die Reduzierung der detektierten Muskelaktivität liegt für die relevanten Muskelgruppen zwischen 6% und 40 %. Damit stellen sie künftig eine erfolgversprechende, nutzerorientierte und alltagstaugliche Lösung dar, um die Mobilität zu unterstützen, ohne die körpereigenen Kräfte abzubauen und einem Muskelabbau entgegenzuwirken.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21603 BR/1 der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Die vollständige Veröffentlichung steht zum Download zur Verfügung.

AutorInnen: Ellen Wendt, Doudou Zhang, Sybille Krzywinski, Yordan Kyosev

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

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19.10.2022

ENTWICKLUNG UND VALIDERUNG EINES AUF TEXTIL GEDRUCKTEN DRUCK-SENSORS, FÜR DIE ANWENDUNG BEI EXOSKELETTEN

Veredlung Sensorik Smart Textiles

Zusammenfassung

Der aktuelle Stand in der Steuerung von Exoskeletten unterstützt nicht die Anwendung der Exoskelette im Alltag. Die Steuerung erfolgt dabei entweder umständlich über Bedienknöpfe, sodass kein natürlicher Bewegungsablauf entsteht, oder über Sensoren, die direkten Hautkontakt erfordern. Letztere benötigen eine hohe Präzision bei der Platzierung der Elektroden, zusätzlich kann die direkte Platzierung auf der Haut als unangenehm empfunden werden.

Um dieses Problem zu lösen, wird ein Messsystem entwickelt, welches in der Lage ist, die Muskelaktivität des Oberschenkels zu messen und dabei über der Alltagskleidung getragen werden kann. Anhand der gemessenen Daten soll das Exoskelett gesteuert werden. Um einen hohen Tragekomfort zu gewährleisten werden textilbasierte Sensoren verwendet. Das Ziel des Forschungsansatz ist die Entwicklung eines gedruckten textilen Prototyps, welcher in der Lage ist, sowohl unterschiedliche Belastungen zu unterscheiden als auch die Belastung räumlich einzugrenzen. Dazu werden zunächst einzelne Drucksensoren hergestellt. Anschließend wird das Prinzip des einzelnen Drucksensors auf eine Drucksensormatrix übertragen.

 

Bericht

Einleitung

Exoskelette werden heutzutage in vielen Bereichen eingesetzt. Zum Heben von schweren Lasten, die ohne Exoskelett nicht zu bewältigen wären, bis zum Einsatz in der Rehabilitation von Patienten, die durch einen Unfall eine Einschränkung in ihrer Bewegungsunfähigkeit besitzen. Im Alltag jedoch finden Exoskelette kaum Anwendung. Ein Grund dafür ist unter anderem die umständliche Steuerung. Viele Modelle nutzen eine Auswahl an Bewegungsmodi, die durch Knopfdruck eingestellt werden. Dadurch lässt sich kein dynamischer Bewegungsablauf erreichen. Werden Sensoren für die Steuerung verwendet, sind diese entweder zu langsam, sodass kein natürlicher Bewegungsablauf möglich ist, oder es ist nötig Elektroden direkt auf der Haut zu platzieren. Das erfordert einerseits eine hohe Präzision bei der Anbringung der Elektroden und andererseits kann der direkte Hautkontakt als unangenehm empfunden werden. [1]

Experimentieller Teil

Das Ziel dieses Forschungsansatzes ist die Entwicklung einer Drucksensormatrix, die in der Lage ist, sowohl unterschiedliche Druckbelastungen zu unterscheiden als auch die Druckbelastung räumlich abzugrenzen. Dazu wird das kapazitive Drucksensorprinzip verwendet, siehe Abbildung 1.

Der Aufbau des kapazitiven Drucksensors basiert auf dem Prinzip des Plattenkondensators. Dabei fungiert das Textil als Dielektrikum. Auf dem Textil werden Kondensatorplatten aus leitfähiger Tinte auf das Textil gedruckt, sodass der Aufbau eines Plattenkondensators entsteht. Bei Ausübung von Druck auf den Aufbau verringert sich der Plattenabstand d, wodurch sich die gemessene Kapazität erhöht. Diese Kapazitätsänderung wird gemessen, um Rückschlüsse auf die ausgeübte Kraft zu ziehen.

Für die Drucksensormatrix wird die Entwicklung dieser in drei (I bis III) aufeinander aufbauende Schritte unterteilt, siehe Abbildung 2.

Im ersten Schritt (I) wird das Textil für die Herstellung der Drucksensoren ermittelt. Dazu wird die relative Permittivität von einer Auswahl an Textilien bestimmt und das Textil mit der höchsten relativen Permittivität ausgewählt. Mit dem ausgewählten Textil erfolgt im zweiten Schritt (II) die Validierung des Drucksensorprinzips, indem einzelne Drucksensoren hergestellt und ausgemessen werden. Zusätzlich dazu wird der Einfluss der Kondensatorplattengröße und Textildicke auf die gemessene Kapazität untersucht, indem diese variiert werden. Basierend auf diesen Ergebnissen wird im dritten Schritt (III) der einzelne Drucksensor auf eine Drucksensormatrix erweitert.

Ergebnisse

Durch die Erweiterung des einzelnes Drucksensors auf eine Drucksensormatrix ist es möglich, sowohl unterschiedlich starke Belastungen zu unterscheiden als auch diese räumlich abzugrenzen, siehe Abbildung 3.

Dabei wird das Feld 3|3 (oben rechts) stärker belastet als das Feld 3|1 (unten links), wie durch die unterschiedliche Größe der Gewichte veranschaulicht (Abbildung 3, links). In der Matrix (Abbildung 3, rechts) ist die Differenz zwischen dem unbelasteten Zustand dargestellt und dem belasteten Zustand dargestellt.

Diskussion

Die Ergebnisse der Drucksensormatrix zeigen, dass es möglich ist sowohl unterschiedliche Druckbelastungen zu erkennen als auch diese räumlich abzugrenzen. Allerdings ist auch ein Ausschlag bei einigen nicht belasteten Feldern zu beobachten. Ein Grund ist das die Felder sich untereinander beeinflussen. Zusätzlich ist kapazitive Kopplung zwischen den einzelnen Messkabeln zu beobachten, sodass sich durch eine relative Verschiebung dieser zueinander, die gemessene Kapazität verändert. Aus diesem Grund sind auch Ausschläge für unbelastete Felder zu beobachten.

Zusammenfassung

Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine Drucksensormatrix entwickelt und die Funktionsweise validiert. Der Drucksensor ist in der Lage unterschiedliche Belastungen zu unterscheiden. Durch den Aufbau einer Drucksensormatrix ist es möglich die Belastung räumlich abzugrenzen.

Danksagung

Wir danken dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz für die Förderung des Forschungsprojektes im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM).

AutorInnen: Kevin Lengefeld, Autor, Tobias Lauwigi, Co-Autor, Robert Boich, Co-Autor, Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University Arbeitsgruppenleiter:Akram Idrissi – Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University

ITA Institut für Textiltechnik
Otto-Blumenthal-Str. 1
52074 Aachen

Mobiltech Smarttech Sensor

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