Research publications

03.04.2025

SYSTEMATISCHE ÜBERSICHT UND ANALYSE DES AKUELLEN FORSCHUNGSSTANDS VON INTELLIGENTEN TEXTILIEN ZUR UNTERSTÜTZUNG DES MENSCHEN IM ALLTAG

Sensor Technology Smart Textiles Medicine

Abstract

Intelligente Textilien stehen an der Schwelle zu einem breiten Einsatz in verschiedenen Lebensbereichen. Die in dieser Arbeit untersuchten Studien verdeutlichen ihr Potenzial, insbesondere im Gesundheitswesen und der Rehabilitation. Diese Technologien haben das Potenzial, die Art und Weise zu verändern, wie wir Vitalparameter überwachen und auf gesundheitliche Herausforderungen reagieren. Zukünftige Forschungen sollten sich darauf konzentrieren, technologische Hürden wie Energieversorgung und Haltbarkeit zu überwinden.

Ein vielversprechender Ansatz ist die Entwicklung multifunktionaler Textilien, die nicht nur isolierte Anwendungen abdecken, sondern umfassende Lösungen für verschiedene Bedürfnisse bieten. Verbesserungen in der Materialwissenschaft könnten dazu beitragen, die Waschbarkeit und Langlebigkeit dieser Textilien weiter zu erhöhen. Zudem eröffnet die Standardisierung von Systemen neue Möglichkeiten für eine verbesserte Interoperabilität und breitere Akzeptanz.

Die Integration intelligenter Textilien in den Alltag könnte erhebliche Vorteile bringen – von der Entlastung des Gesundheitssystems bis hin zur Verbesserung sportlicher Leistungen. Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen, sind gezielte Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen erforderlich. Der Weg dorthin wird durch kontinuierliche Innovationen geebnet, die dazu beitragen können, intelligente Textilien als festen Bestandteil unseres täglichen Lebens zu etablieren.

Report

Abstract

Intelligente Textilien bieten ein vielversprechendes Potential, mit Anwendungen in Gesundheitswesen, Sportüberwachung und der Rehabilitation [GEE17; Edu17]. Diese Arbeit analysiert systematisch den aktuellen Forschungsstand, identifiziert Fortschritte und beleuchtet bestehende Herausforderungen. Basierend auf einer strukturierten Literaturrecherche der letzten 15 Jahre werden Entwicklungen in Sensorintegration, Energieversorgung und Benutzerakzeptanz untersucht. Die Ergebnisse zeigen Potential in der Gesundheitsüberwachung und Rehabilitation, während Einschränkungen in Messgenauigkeit, Haltbarkeit und Energieeffizienz bestehen. Zukünftige Forschung sollte sich vor Allem darauf fokussieren die Funktionalität der Produkte zu verbessern, bestehende technologischen Lücken zu schließen, sowie die Benutzerfreundlichkeit, Haltbarkeit und Ästhetik zu verbessern.

 

Einleitung

In intelligenten Textilien werden textile Materialien mit elektronischen Komponenten und Sensorik kombiniert, um physiologische Parameter kontinuierlich zu erfassen und auszuwerten [MH17;Che17]. In der folgenden Abbildung 1 ist eine allgemeine Systemarchitektur für intelligente Textilien dargestellt.

s. Abbildung 1: Allgemeine Systemarchitektur für intelligente Textilien

Diese interdisziplinären Technologien bieten Potenziale zur Verbesserung der Lebensqualität und der Gesundheitsversorgung, indem sie beispielsweise körperliche Aktivitäten oder Vitalparameter erfassen und auswerten [GEE17; Edu17; TCB+19]. Trotz des Fortschritts gibt es Herausforderungen in Bezug auf Messgenauigkeit, Benutzerfreundlichkeit, Waschbarkeit und langfristige Haltbarkeit [NSW16; Rao19].

Es gibt ein wachsendes Interesse an der Forschung zur Unterstützung der täglichen Aktivitäten des Menschen durch smarte tragbare Geräte. Ziel dieser Forschung ist es, die Belastung durch Behinderungen zu minimieren, das Auftreten chronischer Krankheiten zu reduzieren oder zu verhindern und die täglichen Aktivitäten sowie die sportliche Leistung des Menschen zu verbessern oder zu korrigieren [NSW16; Rao19].

Obwohl es Berichte über eine steigende Nachfrage nach smarten Wearables gibt, ist die Annahme und Verbreitung dieser Technologien relativ gering [ANH+18; Sul15]. Fast die Hälfte der Nutzer hört innerhalb der ersten sechs Monate auf, ihre Geräte zu verwenden, da sie möglicherweise nicht die von tragbaren Geräten versprochenen Vorteile erhalten [CA17; MJ17]. Deshalb ist ein tieferes Verständnis der Probleme und Herausforderungen von intelligenten tragbaren Geräten von entscheidender Bedeutung.

Indem der aktuelle Stand der Technik intelligenter Textilien systematisch zu analysiert wird, um und Potenziale sowie Einschränkungen aufzuzeigen, wird die Basis für tiefergehende Forschungsansätze geschaffen. Hierzu wurden 182 Primärstudien untersucht, die sich mit verschiedenen Aspekten intelligenter Textilien befassen, darunter Materialentwicklung, Energieversorgung und Sensorintegration.

 

Material und Methoden

Der methodische Ansatz basiert auf einer systematischen Literaturrecherche (SLR), um eine umfassende Analyse des aktuellen Forschungsstands zu gewährleisten. Dazu werden wissenschaftliche Publikationen aus den Datenbanken Web of Science, Scopus und IEEE ausgewertet. Die SLR-Methode wird in Anlehnung an Hanafizadeh et al. [HKK14] angewendet, um eine transparente und nachvollziehbare Vorgehensweise sicherzustellen. Ein zentraler Bestandteil dieses Ansatzes ist die Erstellung eines Review-Protokolls, das die Formulierung der Forschungsfrage, die Definition relevanter Suchbegriffe sowie die Auswahl- und Ausschlusskriterien der Studien regelt. In der folgenden Abbildung 2 ist ein solches Review-Protokoll dargestellt.

s. Abbildung 2: Review-Protokoll zur Durchführung der systematischen Literaturrecherche

 

Um eine umfassende Abdeckung des Forschungsstandes zu gewährleisten, wurde ein zweistufiger Suchprozess angewendet. Hierfür wurde die Suchstrategie von Busalim und Hussin verwendet [BH16]. Hierzu erfolgt zunächst eine automatische Suche mit gezielten Schlüsselwörtern wie "smart textiles", "wearable technology" und "sensor integration". Anschließend wird eine manuelle Vorwärts- und Rückwärtssuche nach Webster und Watson [Web02] durchgeführt, um relevante Literatur zu identifizieren, die nicht direkt durch die Schlüsselwortsuche erfasst werden.

Die Auswahl der Studien erfolgt nach klar definierten Kriterien. Berücksichtigt werden Arbeiten aus den letzten 15 Jahren, die empirische oder experimentelle Untersuchungen zu intelligenten Textilien enthalten. Ausschlusskriterien sind unter anderem theoretische Abhandlungen ohne praktische Anwendung oder Studien mit weniger als vier Seiten.

Die Analyse erfolgt anhand zentraler Bewertungskategorien, darunter Messgenauigkeit, Umweltfreundlichkeit, Benutzerfreundlichkeit, Haltbarkeit und Sicherheit. Die Daten werden systematisch extrahiert und in einer Excel-Datenbank kategorisiert, um eine vergleichende Analyse der untersuchten Technologien zu ermöglichen.

 

Ergebnisse

Die Analyse der 182 ausgewählten Studien zeigt signifikante Fortschritte intelligenter Textilien in verschiedenen Anwendungsbereichen. Besonders hervorzuheben sind Entwicklungen zur Überwachung des ganzen Körpers mittels eines universellen Ganzkörper-Motion-Capture-Systems [AGC21], einem intelligenten Kleidungsstück zur Unterstützung bei physiotherapeutischen Übungen [EKO+20], sowie ein multifunktionales E-Textil für Bewegungsüberwachung und Temperaturkontrolle [TFL+22].

In der Gesundheitsüberwachung ermöglichen textile Sensoren eine kontinuierliche Erfassung von Vitalparametern wie Atmung während verschiedener Aktivitäten wie Radfahren und Laufen [MDB+20; MCO+10]. Intelligente Textilien mit integrierten Elektroden zeigen vielversprechende Ergebnisse bei der präzisen Messung von EKG-Signalen. Beispielsweise wurde ein intelligentes Kleidungsstück entwickelt, das textile EKG-Trockenelektroden integriert, um genaue Herzsignale zu erfassen [LHS+22].

Eine vollständig textile Ärmelhülle mit integrierten textilen Elektroden wurde entwickelt, um EMG-Signale aufzuzeichnen und die Steuerung von myoelektrischen Prothesen zu verbessern. Diese Technologie zielt darauf ab, die Funktionalität von Hilfsmitteln für Personen mit Mobilitätseinschränkungen zu erhöhen [ASJ+22].

Im Bereich der Rehabilitation unterstützen intelligente Textilien Patienten bei der Wiederherstellung motorischer Fähigkeiten durch biomechanische Rückmeldungen und sensorbasierte Bewegungsanalysen [TTB+22].

Im Sportbereich zeigen intelligente Textilien durch die Integration von Bewegungssensoren und Muskelaktivitätsmessungen Potenzial zur Leistungsüberwachung. Beispielsweise wurde ein kapazitiver Textilsensor in Schuhsohlen integriert, um Kniegelenkswinkel während verschiedener Gehgeschwindigkeiten zu schätzen [CKM21]. Außerdem ermöglichen gestrickte Dehnungssensoren an Strumpfhosen die Erkennung von Kniebewegungsmustern, was zur Analyse sportlicher Aktivitäten beitragen kann [LMR19].

Trotz dieser Fortschritte bestehen weiterhin Herausforderungen in Bezug auf Energieversorgung, Haltbarkeit und Waschbarkeit. Eine stärkere Standardisierung und Kompatibilität der Systeme ist erforderlich, um eine breitere Akzeptanz zu erreichen [WBT+17; JGC+20].

Diskussion

Die Untersuchung der 182 Studien verdeutlicht das Potenzial intelligenter Textilien in verschiedenen Anwendungsbereichen. Besonders im Gesundheitswesen und in der Rehabilitation zeigen diese Technologien vielversprechende Ansätze zur Überwachung von Vitalparametern wie Herzfrequenz, Atmung und Körpertemperatur. Diese kontinuierliche Erfassung bietet nicht nur die Möglichkeit zur Frühdiagnose von Krankheiten, sondern auch zum effektiven Monitoring chronischer Erkrankungen. Die Integration von Sensoren in Textilien ermöglicht eine präzise Messung biophysikalischer Signale, was für die medizinische Überwachung entscheidend ist.

Im Bereich der Rehabilitation bieten intelligente Textilien Unterstützung bei der Wiederherstellung motorischer Fähigkeiten durch biomechanische Rückmeldungen und sensorbasierte Bewegungsanalysen. Tragbare Exoskelette mit textilen Sensoren könnten zukünftig physiotherapeutische Maßnahmen erheblich verbessern.

Trotz dieser Fortschritte bestehen jedoch weiterhin Herausforderungen. Die Energieversorgung bleibt ein kritischer Punkt, da viele Systeme noch nicht autark genug sind und regelmäßig aufgeladen werden müssen. Dies schränkt ihre Einsatzmöglichkeiten im Alltag ein. Ebenso ist die Haltbarkeit ein wesentlicher Faktor, insbesondere hinsichtlich der Waschbarkeit der Textilien. Eine verbesserte Materialauswahl könnte hier Abhilfe schaffen.

Ein weiterer Aspekt ist die Standardisierung innerhalb der Branche. Die Vielzahl an verfügbaren Systemen führt zu Kompatibilitätsproblemen, die eine breitere Akzeptanz behindern könnten. Um dies zu adressieren, sollten zukünftige Forschungsanstrengungen darauf abzielen, gemeinsame Standards zu entwickeln, die Interoperabilität gewährleisten.

Insgesamt zeigt sich, dass trotz bestehender Herausforderungen intelligente Textilien bereits jetzt wertvolle Unterstützung im Sport- und Gesundheitsbereich bieten können. Zukünftige Entwicklungen sollten sich darauf konzentrieren, diese Technologien weiter zu optimieren und ihre Alltagstauglichkeit zu erhöhen.

Danksagung

Der Autor bedankt sich bei der RWTH Aachen University sowie den betreuenden Dozenten für die Unterstützung und Anleitung während dieser Arbeit. Ein besonderer Dank gilt den Forschungseinrichtungen und Autoren, deren Studien zur Erstellung dieser Arbeit beigetragen haben.

Litteratrices

 

 

[AGC+21]

Ancans, A.; Greitans, M.; Cacurs, R.; Banga, B.; Rozentals, A.:

Wearable Sensor Clothing for Body Movement Measurement during Physical Activities in Healthcare

Sensors (Basel, Switzerland) Band:21 (2021) H. 6

[ANH+18]

Adapa, A.; Nah, F. F.-H.; Hall, R. H.; Siau, K.; Smith, S. N.:

 Factors Influencing the Adoption of Smart Wearable Devices

International Journal of Human–Computer Interaction Band:34 (2018) H. 5, S. 399–409

[ASJ+22]

Alizadeh-Meghrazi, M.; Sidhu, G.; Jain, S.; Stone, M.; Eskandarian, L.; Toossi, A.; Popovic, M. R.:

A Mass-Producible Washable Smart Garment with Embedded Textile EMG Electrodes for Control of Myoelectric Prostheses: A Pilot Study Sensors (Basel, Switzerland) Band:22 (2022) H. 2

[BH16]

Busalim, A. H.; Hussin, A. R.: Understanding social commerce:

A systematic literature review and direc-tions for further research

International Journal of Information Management Band:36 (2016) H. 6, S. 1075–1088

[CA17]

Canhoto, A. I.; Arp, S.:

Exploring the factors that support adoption and sustained use of health and fitness wearables

Journal of Marketing Management Band:33 (2017) 1-2, S. 32–60

[Che17]

Chen Zou, Yajie Qin, Chenglu Sun, Wei Li, Wei Chen:

Motion artifact removal based on periodical property for ECG monitoring with wearable systems (2017)

[CKM21]

Chhoeum, V.; Kim, Y.; Min, S.-D.:

Estimation of Knee Joint Angle Using Textile Capacitive Sensor and Artifi-cial Neural Network Implementing with Three Shoe Types at Two Gait Speeds: A Preliminary Investigation

Sensors (Basel, Switzerland) Band:21 (2021) H. 16

[EKO+20]

Eizentals, P.; Katashev, A.; Oks, A.; Semjonova, G.:

Smart shirt system for compensatory movement retraining assistance: feasibility study

Health and Technology Band:10 (2020) H. 4, S. 861–874

[HKK14]

Hanafizadeh, P.; Keating, B. W.; Khedmatgozar, H. R.:

A systematic review of Internet banking adoption

Telematics and Informatics Band:31 (2014) H. 3, S. 492–510

[Rad16]

RadioSurfVet:

RadioSurfVet - www, 2016, URL: https://vetsuisse.com/vetiml/

lernmodule/htmls/slide.html?radiosurfvet|radgeneral|sonography|son

obasics|2, Zugriff am 21.02.2023

[TMW+18]

Tang, X., Mones, Z., Wang, X., Gu, F.; Ball, A.:

A Review on Energy Harvesting Supplying Wireless Sensor Nodes for

Machine Condition Monitoring.

In Ma, Xiandong. Improving productivity through automation and computing.

Aufl. Piscataway, NJ: IEEE, 2018, S. 1–6

[Edu17]

Eduardo Lupiani, Jose M. Juarez, Jose Palma, Roque Marin:

Monitoring Elderly People at Home with Temporal Case-Based Reasoning (2017)

[Gee17]

Gayathri, K. S.; Easwarakumar, K. S.; Elias, S.:

Probabilistic ontology based activity recognition in smart homes using Markov Logic Network Knowledge-Based Systems

Band:121 (2017), S. 173–184

[JGC+20]

Jin, Y.; Glover, C. M.; Cho, H.; Araromi, O. A.; Graule, M. A.; Li, N.; Wood, R. J.; Walsh, C. J.: Soft Sensing Shirt for Shoulder Kinematics Estimation:

2020 IEEE International Conference on Robotics and Automation (ICRA), Paris, France, 2020/5/31 - 2020/8/31: IEEE, 2020

[LHS+22]

Lee, S.-Y.; Hung, Y.-W.; Su, P.-H.; Lee, I.-P.; Chen, J.-Y.:

Biosignal Monitoring Clothing System for the Acquisition of ECG and Respiratory Signals

IEEE Access Band:10 (2022), S. 66083–66097

[LMR19]

Li, Y.; Miao, X.; Raji, R. K.:

Flexible knitted sensing device for identifying knee joint motion patterns

Smart Materials and Structures Band:28 (2019) H. 11, S. 115042

[MCO+10]

Mitchell, E.; Coyle, S.; O'Connor, N. E.; Diamond, D.; Ward, T.:

Breathing Feedback System with Wearable Textile Sensors:

2010 International Conference on Body Sensor Networks, Singapore, Singapore, 2010/6/7 - 2010/6/9: IEEE, 2010

[MDB+20]

Massaroni, C.; Di Tocco, J.; Bravi, M.; Carnevale, A.; Lo Presti, D.; Sab badini, R.; Miccinilli, S.; Sterzi, S.; Formica, D.; Schena, E.:

Respiratory Monitoring During Physical Activities With a Multi-Sensor Smart Garment and Related Algorithms

IEEE Sensors Journal Band:20 (2020) H. 4, S. 2173–2180

[MH17]

Michael, B.; Howard, M.:

Activity recognition with wearable sensors on loose clothing

PloS one Band:12 (2017) H. 10, e0184642

[MJ17]

Marakhimov, A.; Joo, J.:

Consumer adaptation and infusion of wearable devices for healthcare

Computers in Human Behavior Band:76 (2017), S. 135–148

[NSW16]

Noor, M. H.; Salcic, Z.; Wang, K. I.-K.:

 Enhancing ontological reasoning with uncertainty handling for activity recognition

Knowledge-Based Systems Band:114 (2016), S. 47–60

[Rao19]

Rao, A. K.:

Wearable Sensor Technology to Measure Physical Activity (PA) in the Elderly Current Geriatrics Reports Band:8 (2019) H. 1, S. 55–66

[Sul15]

Sultan, N.:

Reflective thoughts on the potential and challenges of wearable 75 technology for healthcare provision and medical education

International Journal of Information Management Band:35 (2015) H. 5, S. 521–526

[TCB+19]

Talukder, M. S.; Chiong, R.; Bao, Y.; Hayat Malik, B.:

Acceptance and use predictors of fitness wearable technology and inten-tion to recommend Industrial Management & Data Systems

 Band:119 (2019) H. 1, S. 170–188

[TFL+22]

Tian, B.; Fang, Y.; Liang, J.; Zheng, K.; Guo, P.; Zhang, X.; Wu, Y.; Liu, Q.; Huang, Z.; Cao, C.; Wu, W.:

Fully Printed Stretchable and Multifunctional E-Textiles for Aesthetic Wearable Electronic Systems

Small (Weinheim an der Bergstrasse, Germany) Band:18 (2022) H. 13, e2107298

[TTB+22]

Tedesco, S.; Torre, O. M.; Belcastro, M.; Torchia, P.; Alfieri, D.; Khokhlova, L.; Komaris, S. D.; O'flynn, B.:

Design of a Multi-Sensors Wearable Platform for Remote Monitoring of Knee Rehabilitation

IEEE Access Band:10 (2022), S. 98309–98328

[WBT+17]

Wang, Q.; Baets, L. de; Timmermans, A.; Chen, W.; Giacolini, L.; Matheve, T.; Markopoulos, P.:

Motor Control Training for the Shoulder with Smart Garments

Sensors (Basel, Switzerland) Band:17 (2017) H. 7

[Web02]

Webster, W.:

Analyzing the Past to Prepare for the Future: Writing a Literature Review (2002)

 

 

Authors: Tobias Lauwigi, ITA Robin Oberlé, ITA Kai Suchorski Boyang Liu

RWTH Aachen – Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University (Germany), Otto-Blumenthal-Str. 1, 52074 Aachen

Intelligente Bekleidung

More entries from ITA Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University

07.02.2025

STRUKTURIERTE ANALYSE UND KONZEPTBEWERTUNG DER STROMERZEUGUNGN IN TEXTILIEN DURCH PHYSIKALISCHE INTERAKTION MIT DEM MENSCHLICHEN KÖR-PER

Sensor Technology Smart Textiles Medicine

Abstract

Die Arbeit zeigt, dass Smart Textiles mit integrierten Technologien zur Stromerzeugung ein hohes Potenzial für tragbare Elektronik bieten. Triboelektrische Nanogeneratoren haben sich als besonders vielversprechend erwiesen und sollten als Ansatz für die weitere Forschung und die Entwicklung neuer Prototypen weiterverfolgt werden.

Report

Abstract

Diese Studie analysiert die Möglichkeiten der Energiegewinnung in textilen Materialien durch physikalische Prozesse, die während der Interaktion mit dem menschlichen Körper auftreten. Im Fokus stehen triboelektrische, piezoelektrische und thermoelektrische Nanogeneratoren. Ziel ist es, den Stand der Technik systematisch zu analysieren, die Leistungsfähigkeit und Alltagstauglichkeit der Technologien zu bewerten und ihre textile Integration zu beurteilen. Die Ergebnisse zeigen, dass triboelektrische Nanogeneratoren (TENGs) durch ihre hohe Leistungsdichte von bis zu 2 W/m², Flexibilität und unsichtbare textile Integration besonders geeignet sind. Piezoelektrische und thermoelektrische Ansätze bieten spezifische Vorteile, stoßen jedoch auf Einschränkungen hinsichtlich Materialauswahl und Herstellbarkeit. Hybride Systeme zeigen Innovationspotenzial, sind jedoch zum aktuellen Stand kostenintensiv und komplex. Die Studie unterstreicht das Potenzial energieautarker Smart Textiles in Bereichen wie Wearables für die medizinische Überwachung und Sportanwendungen. Sie betont den Forschungsbedarf an kosteneffizienten, langlebigen und biokompatiblen Materialien sowie optimierten Designs für die textile Integration.

Einleitung

Die voranschreitende Digitalisierung und die zunehmende Verbreitung von tragbarer Elektronik haben die Anforderungen an energieautarke Systeme erheblich gesteigert. Tragbare Elektronik, wie Smart Textiles, bietet die Möglichkeit, vielfältige Daten über den menschlichen Körper zu erfassen und gleichzeitig höchsten Tragekomfort zu gewährleisten. Mit dem Internet der Dinge und der Verknüpfung von Milliarden von Geräten wird eine nachhaltige und dezentrale Energieversorgung unverzichtbar. [All22]

Die vorliegende Studie widmet sich der Frage, inwiefern physikalische Prozesse des menschlichen Körpers, wie Bewegung, Körperwärme oder statische Elektrizität, für die Energiegewinnung genutzt werden können. Ziel ist es, bestehende Technologien zur Stromerzeugung zu analysieren, ihre Eignung für textile Anwendungen zu bewerten und die Potenziale für den Einsatz in Wearables aufzuzeigen. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf der Untersuchung von triboelektrischen, piezoelektrischen und thermoelektrischen Nanogeneratoren sowie der Bewertung ihrer Alltagstauglichkeit und Integration in textile Strukturen. Die Studie zielt darauf ab, sowohl den aktuellen Stand der Technik als auch bestehende Defizite zu identifizieren, um künftige Forschungsarbeiten zu unterstützen.

Material und Methoden

Der methodische Ansatz dieser Arbeit stützt sich auf eine systematische Literaturrecherche basierend auf der Methodik „Guidance on Conducting a Systematic Literature Review“ von Yu et al. [Yu17], die eine umfassende Analyse des aktuellen Forschungsstands sicherstellt.

s. Abbildung 1: Prozess der systematischen Literaturrecherche nach [Yu 17]

Zunächst wurde eine Problemstellung formuliert, die sich mit der Nutzung körpernaher physikalischer Prozesse zur Energiegewinnung in Textilien auseinandersetzt. Diese diente als Grundlage für die Entwicklung eines Rechercheprotokolls, das die Auswahl relevanter Quellen sicherstellte. Einschlusskriterien wie unter anderem die textile Integration oder auch Energieautarkie wurden festgelegt. Datenbanken wurden systematisch durchsucht, und gefundene Quellen wurden nach definierten Kriterien überprüft, um qualitativ hochwertige Literatur zu sichern.

Die untersuchten Technologien umfassen triboelektrische Nanogeneratoren (TENGs), piezoelektrische Nanogeneratoren (PENGs) und thermoelektrische Generatoren (ThENGs). Die Bewertung erfolgte anhand der erzeugten Leistungsdichte, der Alltagstauglichkeit und des Integrationsgrads in Textilien. Die Ergebnisse dieser Analyse bilden die Grundlage für die Bewertung der Eignung dieser Technologien in tragbaren Anwendungen.

 

Ergebnisse

Die Analyse zeigt, dass triboelektrische Nanogeneratoren (TENGs) aufgrund ihrer hohen Leistungsdichte und Flexibilität am besten für die textile Integration geeignet sind. Mit bis zu 2 W/m² stellen sie die effizienteste Technologie für die Energiegewinnung in textilen Strukturen dar. [TMW+18] Piezoelektrische Nanogeneratoren (PENGs) bieten ebenfalls vielversprechende Ansätze, insbesondere in Anwendungen, bei denen Druckkräfte eine Rolle spielen. [Rad16] Thermoelektrische Generatoren (ThENGs) nutzen Temperaturdifferenzen, zeigen jedoch durch die notwendige Materialauswahl und die steifen Strukturen technische Einschränkungen. [Pas22]

Für thermische Stromerzeugung am menschlichen Körper wird ein Temperaturgradient benötigt, um einen möglichst hohen Wirkungsgrad zu erzielen. Abbildung 2 verdeutlicht den Aufbau schematisch. Der Thermogenerator wandelt thermische in elektrische Energie um. Kombiniert mit einer Einheit für Strom- und Batteriemanagement sichert der Thermogenerator die Stromversorgung der Applikation. Sensoren, verknüpft mit einem Kommunikationsmodul, ermöglichen die Nutzung der bereitgestellten Energie. 

s. Abbildung 2: Systemüberblick der stromerzeugenden Applikation

 

Diskussion

Die Untersuchung hebt hervor, dass TENGs durch ihre vielseitige Einsetzbarkeit und ihre einfache Integration in Textilien die vielversprechendste Technologie darstellen. Sie eignen sich besonders für Anwendungen, die auf Bewegungsenergie basieren. Dennoch bestehen Herausforderungen in der Effizienzsteigerung und der mechanischen Stabilität textilintegrierter Systeme. PENGs und ThENGs könnten durch die Entwicklung neuer Materialien und innovativer Fertigungsmethoden an Bedeutung gewinnen. Hybride Systeme wie Brennstoffzellen bieten zukunftsweisende Ansätze, deren praktische Umsetzung jedoch noch weitere Forschung erfordert.

 

Danksagung

Wir danken dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und der AIF-Forschungsgemeinschaft für die Förderung des IGF-Projektes Nr. 351EN/1.

Authors: Tobias Lauwigi, ITA Sina Shari von Hagen Robin Oberlé, ITA

ITA – Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University, Otto-Blumenthal-Str. 1, 52074 Aachen

More entries from ITA Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University

05.02.2025

Integral flachgestrickte Drucksensoren für smart Textiles

Knittings Sensor Technology Smart Textiles Tests

Abstract

Im IGF-Projekt 21990 BR1 wurde das „Textiles Smart-Skin-3D-System (S3D)“ entwickelt – ein innovatives, flachgestricktes Sensorsystem, das Druck- und Näherungsmessungen nahtlos in textile Produkte integriert. Ziel war es, flexible und robuste Sensorik bereits im Herstellungsprozess einzubetten und so die Komplexität sowie potenzielle Schwachstellen herkömmlicher Mehrkomponentensysteme zu vermeiden. Hierzu wurden komplexe 3D-gestrickte Strukturen realisiert, die leitfähige Sensorgarne und gezielt eingearbeitete dielektrische Materialien wie silikonbasierte Inserts nutzen, um kapazitive Messprinzipien anzuwenden.

Die Optimierung von Garnauswahl und Strickparametern ermöglichte eine präzise Erfassung von Druckkräften und Annäherungen. Als Demonstrator wurde ein vollständig integrierter Sensorhandschuh mit 13 Sensorflächen entwickelt, der Greif- und Haltekräfte misst. Zyklische elektromechanische Prüfungen bestätigten ein stabiles Sensorverhalten. Insbesondere zeigte die Variante mit einem 1 mm starken Dielektrikum optimale Übertragungscharakteristika, geringe Hysterese und eine Sensordrift im akzeptablen Rahmen. Zusätzlich erbrachte ein textilbasierter Näherungssensor zuverlässige Messwerte für Abstände bis zu 120 mm.

Die Ergebnisse belegen das Potenzial flachgestrickter Sensoren als integraler Bestandteil smarter, tragbarer Textilien – mit Anwendungsmöglichkeiten in Telerehabilitation, Medizintechnik, Arbeitsschutz und weiteren Digitalisierungsbereichen.

Summary

In the IGF project 21990 BR1, the “Textiles Smart-Skin-3D-System (S3D)” was developed – an innovative, flat-knit sensor system that seamlessly integrates pressure and proximity measurements into textile products. The aim was to embed flexible and robust sensor technology into the manufacturing process, thereby avoiding the complexity and potential weaknesses of conventional multi-component systems. To achieve this, complex 3D-knit structures were created using conductive sensor yarns and strategically incorporated dielectric materials, such as silicone-based inserts, to implement a capacitive sensing approach.

Optimizing yarn selection and knitting parameters enabled the precise detection of pressure forces and proximity. A demonstrator in the form of a fully integrated sensor glove with 13 sensing areas was developed, capable of measuring gripping and holding forces. Cyclic electromechanical tests confirmed stable sensor performance. In particular, the variant with a 1 mm thick dielectric exhibited optimal transfer characteristics, low hysteresis, and acceptable sensor drift. Additionally, the textile-based proximity sensor reliably measured distances of up to 120 mm.

The results demonstrate the potential of flat-knit sensors as an integral component of smart, wearable textiles with applications in telerehabilitation, medical technology, occupational safety, and other digitalization sectors.

Report

Einleitung

Vor dem Hintergrund globaler Megatrends wie der Digitalisierung in der Medizin bestehen für die Textilindustrie große Chancen, vom erwarteten weiteren Wachstum von am Körper tragbaren, flexibel einsetzbaren und computergestützten Systemen zu profitieren. Zu dieser neuen Geräteklasse, den sogenannten Wearables, gehören Textilien, die über die klassischen Funktionen von Bekleidung oder beispielsweise Bandagen hinaus mit elektronischen Zusatzfunktionen ausgestattet sind. Da Textilien häufig die Schnittstelle zwischen dem Menschen und seiner Umwelt darstellen, sind sie prädestiniert, auch bei der Digitalisierung menschlicher Wahrnehmungen und Fähigkeiten (z. B. Bewegungen, Haptik etc.) und umgekehrt der Rückkopplung von der virtuellen in die analoge Welt eine entscheidende Brückenfunktion zu übernehmen und so als künstliche Haut (bzw. Smart Skin) bestehende optische und akustische Schnittstellen zu ergänzen.

Ein Bereich in dem smarte Textilien einen großen Zugewinn nützlicher Informationen bereitstellen, ist die Medizin und Rehabilitationstechnik. Vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung und damit einhergehend einer hohen Belastung medizinischer Versorger, die unter gleichzeitigem Personalmangel leiden, ist nicht immer ein ausreichendes Angebot in erreichbarer Nähe realisierbar. Vor allem im Bereich der medizinischen Folgebehandlungen für Physiotherapie einhergehend mit langen Transportwegen oder fehlender Transportfähigkeit des Patienten kann dies zu Heilungsverlangsam oder sogar -verhinderung führen. Eine Unterstützung von Patienten durch einen medizinischen Laien (Familienangehörige, Bekannte etc.) mit einem geringfügigen Lernaufwand soll durch den in diesem Projekt entwickelten Handschuh ermöglicht werden. Dieser ermöglicht die Überwachung von Greif- und Haltebewegungen sowie Feedback zur Korrektur. In der Telerehabilitation gibt es keine vergleichbaren Systeme, die autonom ohne Experteneinsatz arbeiten [1, 2]. Das Projekt fokussierte auf die Entwicklung multifunktionaler Druck-/ Näherungssensorik durch flachstricktechnische Verfahren. Diese ermöglichen die kostengünstige Integration in Funktionsbekleidung, aber auch in Roboterkomponenten.

Zielsetzung und Lösungsweg

Das Ziel des IGF-Forschungsprojekts war die Entwicklung, Charakterisierung und Erprobung textilbasierter Drucksensoren, die mittels Flachstricktechnik in einen Handschuh integriert werden sollten um die aufgebrachte Kraft auf den Fingergliedern und dem Handballen zu überwachen. Es wurden flächenbasierte, gestrickte Sensorkonzepte mit einem kapazitiven Messprinzip verfolgt. Die entwickelten Sensoren wurden mittels zyklischer elektromechanischer Druckprüfungen untersucht und eine Vorzugsvariante der Sensoren zur Integration in einem Funktionsdemonstrator ermittelt. Weiterhin wurden kapazitive Näherungssensoren entwickelt und evaluiert.

Ergebnisse

Entwicklung der gestrickten Drucksensoren

Für die Entwicklung der Sensoren wurde die Umsetzung eines kapazitiven Drucksensors mithilfe von Flachstricktechnik verfolgt. Die Vorteile kapazitiver Sensoren gegenüber resistiver Sensoren liegen in ihrer Unempfindlichkeit gegenüber Temperatur [3], was in einer körpernahen Anwendung von Vorteil ist. Der einfachste Aufbau eines Kondensators ist der Plattenkondensator. In diesem Aufbau sind zwei parallele Platten durch ein Dielektrikum getrennt. Durch das Aufbringen einer Druckkraft F auf diese Platten und damit ein Zusammendrücken des Dielektrikums mit der Dielektrizitätskonstante  ε ändert sich der Plattenabstand d und somit die Kapazität C wie in Abbildung 1 gezeigt. Hier wird deutlich, dass die Kapazitätsänderung ∆C indirekt proportional zur Änderung des Plattenabstands ∆d, die wiederum abhängig ist von der induzierten Kraft, dem E-Modul E und den geometrischen Maßen des Plattenkondensators mit b = Breite und l = Länge.

Für den Aufbau der gestrickten kapazitiven Sensoren wurden verschiedene Konzepte erstellt, die in Abbildung 2 dargestellt sind. Anhand einer systematischen Variantenbewertung nach ergonomischen, stricktechnischen, sensortechnischen Anforderungen und praktischer Versuchstests wurde eine Sensorvariante mit einem Insert als Dielektrikum und einer vollflächigen Elektrode aus leitfähigem Garn als Vorzugsvariante gewählt und zu einer Handschuhfinger gleichenden Doppelschlauchstruktur erweitert.

Zur Auswahl des Elektrodengarns wurden Vorversuche durchgeführt um die stricktechnische Eignung der teilweise anspruchsvoll zu verarbeitenden Garne auf Stahl- und Silberbasis zu bewerten. Hierbei wurden Garne von Statex (Shieldex® 235 f 36dtex Z130), Amann (Steel-tech® 100 tex 93, Silver-tech+® 150 tex 22) und Bekaert (Bekinox® VN 14.1.9.100Z) genutzt. In diesen Vorversuchen erwies sich Silver-tech+® 150 als Vorzugsvariante, da es sehr gut mit dem umgebenden Basismaterial aus Umwindegarn (Tencel CV Nm40 mit PA6.6 78/78f23/1) fertigungstechnisch kompatibel war.

Herstellung der Sensoren

Ziel des Projekts war die Herstellung eines Sensorhandschuhs mittels Flachstricktechnik, eine Strickmethode, die die Möglichkeit bietet Fully Fashioned Artikel in einem Arbeitsschritt herzustellen, wodurch komplizierte gestrickte Flächen endkonturnah hergestellt werden können. Um ein höchstmöglich automatisiert herstellbares Produkt zu entwickeln wurde der Drucksensor mit einem Fokus auf Vermeidung nachfolgender Konfektionierungsschritte entwickelt. Daher wurde der Drucksensor als eine Doppelschlauchstruktur konzeptioniert. Diese wird durch zwei Elemente geformt: Zum einen durch die Tasche des Sensors, zum anderen durch einen Fingerling, der eine Tragbarkeit des Sensors ermöglicht. In Abbildung 3 ist der Aufbau schematisch dargestellt. Im Sensorbereich ergibt sich daher ein dreilagiges Doppelschlauch-gestrick. Das umfasst die äußere sowie innere Elektrode und die Rückseite des Fingers. Das Dielektrikum wird durch ein Insert, welches während des Strickprozesses eingelegt wird, gebildet. Diese Variante des Konzeptes ermöglicht eine weitestgehend automatisierte Fertigung des Handschuhs an der Flachstrickmaschine ohne nachgelagerte Konfektionsschritte. Für die Einbringung des Dielektrikums ist eine Unterbrechung des Strickprozesses erforderlich.

Validierung der Sensoren

Die gestrickten kapazitiven Sensoren wurden auf ihre Eignung als Drucksensor in zyklischen elektromechanischen Messungen überprüft. Der Versuchsaufbau mit Mess- und Versuchsgeräten sowie der Prüfablauf sind in Abbildung 4 dokumentiert. Um den Einfluss des Dielektrikums zu untersuchen, wurden Sensoren mit einem 2 mm und einem 1 mm starken silikonbasierten Dielektrikum hergestellt. Aus den ermittelten Daten wurden das Übertragungsverhalten (als Zusammenhang zwischen Kompressionskraft und Sensorsignal), die Sensordrift (als Signalwerte bei Entlastung der Sensoren) und die Hysterese (als maximale Differenz zwischen Be- und Entlastungskurve über den Messbereich) berechnet (siehe Abbildung 5).

Es zeigte sich, dass beide Varianten ein stabiles Sensorverhalten aufweisen, wobei die Sensorvariante mit einem 1 mm starken Dielektrikum bessere Ergebnisse im Übertragungsverhalten und in Hysterese zeigte. Die Sensordrift lag hier etwas höher, lag aber bei beiden Varianten unter 5 % und damit in einem, für praktische Anwendungen dieser Technologie, akzeptablen Bereich. Dieser Versuch zeigte, dass das Dielektrikum einen entscheidenden Einfluss auf das Sensorverhalten hat und dieses durch die relativ kleine Anpassung des Insertmaterials für verschiedene Messbereiche und -sensitivitäten angepasst werden kann. Weitere Ausführungen, Ergebnisse und Diskussionen können aus der Publikation in [4] entnommen werden.

Näherungssensor

Das Konzept für die textile Näherungssensorik wurde mit einer einzelnen textilen gestrickten Elektrode und einem Arduino Uno umgesetzt. Für die Versuchsdurchführung wurde eine menschliche Hand als zu erfassendes Objekt an den Sensor geführt und der Abstand zwischen Hand und Sensor gemessen. In Abbildung 6 sind das Sensorsignal und korrelierte Abstände der Hand dazu gezeigt, sowie das Schaltbild dargestellt. Hierbei konnten Abstände von bis zu 120 mm zur Hand noch erfasst werden mit einer guten Signalstabilität, sodass hier eine Quantifizierung des Abstands denkbar ist.

Demonstrator

Die Vorzugsvariante für den Druck- und Näherungssensor wurde übertragen auf einen vollständig gestrickten und integral gefertigten Handschuh mit 13 Sensoren, wobei 2 Sensorflächen für Daumen, 3 Sensorflächen für Zeige- und Mittelfinger und 5 Sensorflächen auf der Handfläche für die Erfassung von Kräften realisiert wurden. Der finale Funktionsdemonstrator ist in Abbildung 7 gezeigt. Die elektrischen Zuleitungen wurden für diesen FD manuell realisiert. Eine sensorische Funktionalisierung des Ringfingers und des kleinen Fingers war durch die begrenzte Anzahl an Fadenführern innerhalb der Strickmaschine nicht möglich (max. 13 Sensorflächen). Die Signale der einzelnen Sensoren wurden mittels eines RaspberryPi 5 und einer dafür entwickelten Software ausgewertet. In verschiedenen Greiftests wurden die Sensoren validiert. Bei allen funktionsfähigen Sensoren konnte ein verlässlicher Anstieg des Signals bei Kompression erfasst werden.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Verwendung textiltechnischer Lösungen zur Überwachung des menschlichen Körpers und der auf ihn wirkenden Lasten ist ein vielversprechendes Forschungsfeld, das Anwendungen in der Physiotherapie, im Arbeitsschutz und in der Digitalisierung von Arbeitsprozessen ermöglicht. Im Rahmen dieses Projekts lag der Fokus auf der Entwicklung und Integration von Druck- und Näherungssensoren in textile Strukturen. Dabei wurden innovative textilbasierte Ansätze verfolgt, insbesondere die Herstellung vollständig textilintegrierter Sensoren im Fully-Fashioned-Verfahren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen, die oft aus vielen Einzelkomponenten bestehen und dadurch Schwachstellen aufweisen, bieten textilbasierte Sensorsysteme eine höhere Kompatibilität mit textilen Basissystemen und eine höhere Flexibilität. Die in dieser Arbeit entwickelten Sensoren sind vielseitig einsetzbar und können in zahlreiche textile Strukturen, und vor allem gestrickter Strukturen, diverser Form und Größe übertragen werden.

Unter Beachtung industrienaher Anforderungen, die zusammen mit den am Projekt beteiligten Industriepartnern festgelegt wurden, wurden verschiedene Konzepte für Druck- und Näherungssensoren für einen Sensorhandschuh unter Nutzung von Flachstricktechnik entwickelt. Die bevorzugte Lösung für gestrickte Druck- und Näherungssensoren basiert auf einem Doppelschlauchgestrick, das einen flexiblen Plattenkondensator darstellt. Diese Sensoren bestehen aus Elektroden aus leitfähigem Garn und einem weichen Material, beispielsweise Silikon, das als Dielektrikum dient. Dadurch, dass das Material für das Dielektrikum flexibel gewählt werden kann, sind Messbereich und -verhalten auch für andere Anwendungen mit diesem Konzept einfach zu variieren. Für die Druckmessung wurde das Ansprechverhalten der entwickelten Sensoren eingehend getestet, und ihre Stabilität analysiert und ein funktionsgerechtes Messverhalten der Sensoren im Messbereich 0 bis 10 N festgestellt.

Die Vorzugsvariante der Sensoren wurde in einem Funktionsdemonstrator mit 13 Sensorflächen umgesetzt. Dies sollte in weiteren Arbeiten um 6 weitere Sensorflächen für die einzelnen Fingergelenke von Ring- und kleinem Finger ergänzt werden. Die Anzahl der Sensorflächen war in diesem Projekt durch die Anzahl der verfügbaren Fadenführer begrenzt. Weiterhin sollte das Einlegen des dielektrischen Inserts stärker automatisiert werden um die Zeit, die benötigt wird um die Drucksensorhandschuhe zu stricken, reduziert wird.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21990 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V., Reinhardtstr. 12-14, 10117 Berlin wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Die Autoren danken den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel. Der Forschungsbericht und weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden erhältlich.

 

Literatur

 

[1]   K. Ettle et al., "Telepräsenzroboter für die Pflege und Unterstützung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten (TePUS) im Regierungsbezirk Oberpfalz: DeinHaus 4.0," Regensburg, Jun. 2020. Accessed: Nov. 30 2020.

[2]   K. Berkenkamp, "Telerehabilitation in der Schlaganfallversorgung – Einflussfaktoren auf Adoption und Akzeptanz von klinisch tätigen Ärzten und Therapeuten," 2020.

[3]   J. Mersch, C. A. G. Cuaran, A. Vasilev, A. Nocke, C. Cherif, and G. Gerlach, "Stretchable and Compliant Textile Strain Sensors," IEEE Sensors J., vol. 21, no. 22, pp. 25632–25640, 2021, doi: 10.1109/JSEN.2021.3115973.

[4]   S. Fischer, C. Böhmer, S. Nasrin, C. Sachse, C. Cherif. Flat-Knitted Double-Tube Structure Capacitive Pressure Sensors Integrated into Fingertips of Fully Fashioned Glove Intended for Therapeutic Use. Sensors 2024, 24, 7500. https://doi.org/10.3390/s24237500

 

 

Authors: Carola Bömer

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

More entries from TU Dresden, Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik ITM

21.05.2024

Aktiv verformbare Gelenke für Smart Composite Anwendungen

Knittings Composites Sensor Technology Technical Textiles Smart Textiles

Abstract

Funktionsintegrierte aktiv verformbare Faserkunststoffverbunde, auch Smart Composites genannt, gewinnen stetig an Bedeutung und finden zunehmend Anwendung in allen volkswirtschaftlichen und technologischen Leitbranchen, wie dem Fahrzeug‑, Maschinen‑ und Anlagenbau sowie in der Medizin‑, Umwelt‑ und Luftfahrttechnik.

Im IGF-Projekt 21969 BR erfolgte am ITM die simulationsgestützte Entwicklung gestrickter 3D-Preformen zur Realisierung aktiv verformbarer 3D-Faserkunststoffverbunde mit mehrachsigem Festkörpergelenk. Dabei werden als Aktoren Drähte aus Formgedächtnislegierung eingesetzt und textiltechnisch direkt in die textilen Verstärkungsstrukturen integriert, die einmal in der Matrix eingebettet die spätere Beweglichkeit des Bauteils sicherstellen. Dadurch sind erstmalig das Leichtbaupotenzial von Hochleistungsfasern und das Leistungspotenzial textilbasierter Aktoren zur Erzielung komplexer 3D-Bewegungen in hohem Maße ausnutzbar, was langfristig zu einer deutlichen Steigerung der Energieeffizienz von Systemen und Komponenten beiträgt.

Report

Einleitung und Problemstellung

Im Zuge der notwendigen Etablierung nachhaltiger Lösungen besteht derzeit ein hoher Bedarf an hochbelastbaren und zugleich extrem leichten Bauteilen aus faserverstärkten Kunststoffverbunden (FKV) mit zusätzlichen Funktionalitäten. Insbesondere aktiv verformbare FKV mit strukturintegrierten Aktoren und Festkörpergelenken haben ein hohes Innovationspotenzial zur Realisierung komplexer 3D-Bewegungsaufgaben, für die herkömmliche Bewegungsmechanismen in Differentialbauweise meist eine lineare Kopplung mehrerer konventioneller Gelenke und dezentraler Antriebe erfordern, die eine hohe Massenträgheit und demzufolge einen hohen Energieverbrauch bedingen.

Zur Ausnutzung des Leichtbaupotenzials von FKV besteht daher ein hoher Bedarf an funktionsintegrierten textilen Verstärkungsstrukturen, die gleichzeitig als bedarfsgerechte Funktions- und Festigkeitsträger fungieren. Daraus herstellbare, aktiv verformbare FKV-Bauteile kommen zunehmend in industriellen Anwendungen zum Einsatz, u. a. im Maschinen‑ und Anlagenbau (z. B. Soft Robotik [1], Leichtbauroboterarme), der Medizintechnik (z. B. aktive Orthesen und Prothesen, Endoskopie-Endeffektoren), im Schiff‑ und Automobilbau (z. B. adaptive Spoiler, aktiv verformbare Hydrofoils) sowie in der Luftfahrt (z. B. morphing wings [2 – 4]). Sie weisen eine aktiv geometrisch-veränderbare äußere Form auf, die i. d. R. über eine steuerbare Modulation der inneren Morphologie des Werkstoffes oder durch strukturintegrierte Aktoren, z. B. nach thermischer Aktivierung kontrahierende Drähte aus Formgedächtnislegierung (FGL) [5], einstellbar ist. Derzeit verfügen diese Lösungen allerdings nur über Festkörpergelenke mit einem Freiheitsgrad und können damit lediglich einfache Verformungen ausführen [6 – 8]. Komplexere 3D-Bewegungen sind deshalb nur durch eine kinematische Kopplung erreichbar, d. h. durch die in Bauteillängsrichtung versetzte Anordnung mehrerer einachsiger Festkörpergelenke. Bisher sind keine geeigneten Auslegungsstrategien zur Umsetzung komplexer, mehrachsiger Bewegungen von duroplastischen 3D-FKV-Bauteilen durch textilintegrierte, mehrachsige Festkörpergelenke vorhanden.

Zielsetzung

Das Ziel des IGF-Forschungsprojektes 21969 BR war die simulationsgestützte Entwicklung, Umsetzung und Erprobung gestrickter schlauchförmiger Verstärkungshalbzeuge mit mehrachsigem Festkörpergelenk sowie strukturintegrierten Aktor- und Energieversorgungsnetzwerken zur Herstellung definiert und aktiv verformbarer 3D-FKV-Integralbauteile mit Duromermatrix, die mindestens zwei Freiheitsgraden aufweisen.

Derartige 3D-FKV-Bauteile mit biegeweichem Festkörpergelenk besitzen, analog zu biologischen Vorbildern, eine segmentierte Struktur mit zwei durch das Gelenk elastisch miteinander gekoppelten starren Segmenten (vgl. Abbildung 1). Die bei Aktivierung der FGL-Aktoren infolge der Kontraktion verrichtete Verformungsarbeit generiert ein Biegemoment um die jeweilige Gelenkachse und induziert somit entsprechende Relativbewegungen der starren FKV-Segmente.

Die wesentlichen Herausforderungen im Projekt sind die bedarfsgerechte Auslegung geeigneter Deformationsbereiche des Festkörpergelenks sowie die integrale Fertigung von funktionalisierten 3D-Verstärkungshalbzeugen als schlauchförmige Mehrlagengestricke. In diese sollen im Strickprozess sowohl FGL-Drähte als auch ein für deren elektrisch induzierte Aktivierung erforderliches Energieversorgungsnetzwerk aus leitfähigem Garnmaterial simultan integriert werden. Die FGL-Aktoren sind dabei so anzuordnen, dass das mehrachsige Festkörpergelenk mindestens zwei im Deformationsbereich konzentrierte Freiheitsgrade aufweist, die Biegeverformungen um zwei Hauptgelenkachsen zulassen. Zudem sind sie direkt während des Strickprozesses so zu verarbeiten, dass sie form‑ und kraftschlüssig in der Struktur eingebunden sind und somit eine maximale, reproduzierbare Auslenkung der aktiv verformbaren FKV-Bauteile ermöglichen.

Ergebnisse

Simulationsgestützte Strukturauslegung

Im Projekt erfolgte zunächst die Präzisierung der zu erfüllenden Anforderungen an relevante aktiv verformbare FKV-Integralbauteile ohne externe Motoren in den anvisierten Anwendungsbereichen. Nach Ableitung der Anforderungen an integral gefertigte, funktionalisierte 3D-Textilhalbzeuge mit strukturintegrierten FGL-Aktoren erfolgte eine simulationsgestützte Analyse der maximal erreichbaren Verformungen von aktiv verformbaren FKV-Bauteilen an festgelegten Funktionsmustern mittels Finiter Element Methode (FEM). Dazu wurde das Woodworth-Kaliske-FGL-Materialmodell verwendet [9], das in der Lage ist, den Formgedächtniseffekt der eingesetzten FGL-Aktoren durch direkte Vordehnung abzubilden. Aufbauend auf den Ergebnissen der FEM-Analyse wurden bindungstechnische Ansätze zur integralen Realisierung der Funktionsmuster und insbesondere zur Lösung folgender Aufgaben entwickelt:

  1. Gestaltung von biegeweichen Gelenk‑ bzw. Deformationsbereichen für eine höchstmögliche Verformung der FKV-Bauteile.
  2. Stricktechnische Einbindung der FGL-Aktoren für eine hinreichende form- und kraftschlüssige Fixierung und somit maximale Auslenkung der FKV-Bauteile.
  3. Stricktechnische Einbindung der elektrisch leitfähigen Garne für eine in-situ Kontaktierung, d. h. zuverlässige, stoffschlüssige elektrische Verbindung der FGL-Aktoren mit dem Energienetzwerk im FKV-Bauteil.

Die Ergebnisse zeigen (vgl. Abbildung 2), dass im Vergleich zu den starren Segmenten (Section#1 mit 8 Verstärkungslagen à jeweils 1.200 tex in Kett- und Schussrichtung) die entwickelten 2D-Gelenkbereiche mit nur 2 Verstärkungslagen à 1.200 tex in Kett- und Schussrichtung (Section#2) bzw. à 1.200 tex in Kettrichtung und 410 tex in Schussrichtung (Section#3) um ca. 50 % geringere Biegemodule aufweisen (Section#1: ca. 12 GPa; Section#2 und Section#3: ca. 6 GPa in Bauteillängsrichtung) und daher als Deformationsbereiche prinzipiell geeignet sind [10].

Nach Konsolidierung von 3D-FKV-Bauteilen mit Epoxidharz (EP) wurde jedoch festgestellt, dass die Biegesteifigkeit der Deformationsbereiche zu hoch ist, um eine Verformung des 3D-Bauteils zu erlauben. Das ist auf die hohe Drucksteifigkeit des EPs in Verbindung mit der gekrümmten Rohrwandung zurückzuführen, die einen hohen Verformungswiderstand bedingen, was auch die durchgeführte FEM-Analyse bestätigt. Daher wurde im Projekt ein Multi-Matrix-Ansatz verfolgt, um die Gelenk‑ bzw. Deformationsbereiche mit einem viel biegeweicheren Matrixmaterial als das EP zu versehen. Hierfür wurden während der Infiltration im VARI-Verfahren zugleich die starren Segmente mit EP konsolidiert, die Deformationsbereiche hingegen mit einem fließfähigen Polyurethan-Matrixsystem (PUR) Biresin®-407 der Firma Sika Deutschland GmbH. Dieses gießfähige Elastomer mit einer Viskosität von ca. 600 mPa·s und einer Shore-Härte A 85 weist insbesondere ein niedriges Biegemodul von ca. 2 GPa auf (vgl. PUR-Section in Abbildung 2), was eine Verformung auch von rohrförmigen 3D-FKV-Bauteilen begünstigt.

Die Ergebnisse zeigen weiterhin, dass durch Maschenbildung über Plattieren direkt während des Strickprozesses FGL-Aktoren und elektrisch leitfähige Garne gezielt lokal vermaschbar sind (vgl. Abbildung 3). Somit sind zugleich eine form‑ und kraftschlüssige Fixierung der FGL-Aktoren in den Textilhalbzeugen mit ca. 100 N Auszugskraft im Verbund als auch eine zuverlässige elektrische in-situ Kontaktierung (stoffschlüssige Verbindung) mit niedrigen Übergangswiderständen von ca. 5 Ω realisierbar. Grund dafür ist die im Vergleich zu gestreckten Fäden ohne Verschlingungen (z. B. Kettfaden oder Teilschuss) über die Maschenbildung deutlich größere Kontaktfläche zwischen den Funktionsgarnen. Die elektrische Leitfähigkeit wird zudem durch lokales Applizieren eines Leitklebers (Silberlack Leitsilber der Firma Kemo-Electronic GmbH) im Kontaktierungsbereich verbessert.

Damit lassen sich anhand des Multi-Matrix-Ansatzes aktiv verformbare 2D-FKV-Integralbauteile mit mehreren Deformationsbereichen sowie strukturintegrierten Aktor- und Energienetzwerken realisieren (vgl. Abbildung 4). Thermographische Untersuchungen zeigen, dass die verschiedenen Deformationsbereiche über einen einzigen FGL-Aktor durch das Energienetzwerk separat ansteuerbar sind. Die Aktivierung des FGL-Aktors über die gesamte Bauteillänge, d. h. über die zwei PUR-Deformationsbereiche, führt zu erreichbaren Verformungen von ca. 50 mm, was mittels Lasertriangulation nachgewiesen wurde.

Aktiv verformbare 3D-FKV-Integralbauteile

Das entwickelte FEM-Modell wurde anhand der Ergebnisse mechanischer Charakterisierung von 2D- und 3D-Verbundproben validiert, insb. Zug-, 4-Punkt- und 3-Punkt-Biegeversuche sowie Aktivierungsversuche, und darauf aufbauend für die Auslegung und Optimierung von aktiv verformbaren 3D-FKV-Bauteilen mit mehrachsigen Festkörpergelenken, die jeweils zwei Freiheitsgrade aufweisen, herangezogen. Dabei wurden verschiedene 3D-Gelenktopologien entworfen und mit der Realisierung aktiv verformbarer 3D-FKV-Bauteile schrittweise optimiert. Somit konnte eine Vorzugslösung für die Umsetzung eines generischen Technologiedemonstrators abgeleitet werden (vgl. Abbildung 5). Diese weist einen faltenbalgartigen PUR-Gelenkbereich auf und ermöglicht Verformungen von max. 44,8 mm, was einer Auslenkung von ca. 11° entspricht. Zur Sicherstellung einer maximalen Auslenkung des Bauteils sind dabei die FGL-Aktoren im Gelenkbereich innerhalb des FKV-Rohres freiliegend zugeführt und erst an den Extremitäten der starren FKV-Segmenten lokal fixiert. Zudem sind sie im Gelenkbereich gezielt umgelenkt, um eine exzentrische Krafteinleitung bei Kontraktion der FGL-Aktoren hervorzurufen und somit hohe Biegeverformungen zu bewirken.

Die Umsetzung und Prüfung des Technologiedemonstrators (vgl. Abbildung 6) in Form eines mehrgliedrigen, aktiv verformbaren 3D-Gelenkarms, z. B. für den Anwendungsbereich Robotik, bestätigt, dass die neuartigen, gestrickten 3D-Verstärkungshalbzeuge mit mehrachsigen Festkörpergelenken sowie strukturintegrierten FGL-Aktor- und Energienetzwerken für die flexible Herstellung aktiv verformbarer 3D-FKV-Integralbauteile sehr gut geeignet sind. Die entwickelten Gelenktopologien ermöglichen erstmalig die Realisierung mehrachsiger Festkörpergelenke mit zwei Freiheitsgraden, die komplexe 3D-Bewegungsaufgaben mit erreichbaren Bauteilverformungen von ca. 50 mm ausführen können. Dabei sind im Vergleich zu herkömmlichen Bewegungsmechanismen, die eine lineare Kopplung mehrerer Gelenke und dezentraler Antriebe mit hoher Massenträgheit und demzufolge hohem Energiebedarf erfordern, wesentliche Vorteile erreichbar, insbesondere hinsichtlich des geringeren Montageaufwandes, der Reibungs- bzw. Verschleißfreiheit und der damit weitestgehend dauerhaften Wartungsfreiheit sowie des niedrigen Energieverbrauchs der FGL-Aktoren.

Damit sind die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche und flexible Fertigung neuartiger, funktionalisierter 3D-Textilhalbzeuge für die Realisierung aktiv verformbarer 3D-FKV-Integralbauteile in reproduzierbarer Qualität geschaffen.

Zusammenfassung

Im abgeschlossenen IGF-Forschungsprojekt 21969 BR wurde erfolgreich eine auf der Flachstricktechnik basierende, flexible und industrietaugliche Fertigungstechnologie zur integralen Herstellung funktionalisierter 3D-Textilverstärkungshalbzeuge mit mehrachsigen Festkörpergelenken, strukturintegrierten Aktoren sowie für deren Aktivierung erforderlichen elektrisch leitfähigen Zuleitungen entwickelt, umgesetzt und erprobt.

Damit sind aktiv verformbare FKV-Bauteile realisierbar, die durch definiert angesteuerte Aktoren aus Formgedächtnislegierung (FGL) komplexe 3D-Bewegungen ausführen können. Dabei ermöglichen speziell gestaltete, topologisch optimierte Gelenkbereiche mit mehreren Freiheitsgraden innerhalb der textilen Verstärkungsstruktur die spätere 3D-Bewegungsaufgaben. Der geringere Montageaufwand, die Reibungs- bzw. Verschleißfreiheit und die damit weitestgehend dauerhafte Wartungsfreiheit sind erhebliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Bewegungsmechanismen, die dazu mehrere konventionelle Drehgelenke erfordern. Dadurch sind zugleich das Leichtbaupotenzial von Hochleistungsfasern und das Leistungspotenzial textilbasierter FGL-Aktoren zur Erzielung komplexer 3D-Bewegungen in hohem Maße ausnutzbar.

Potenzielle industrielle Anwendungen sind aktiv verformbare 3D-FKV-Integralbauteile, die erstmals mit intrinsischen 3D-Gelenkmechanismen ausgestattet werden können, u. a. im Maschinen- und Anlagenbau (z. B. mehrgliedrige Roboterarme), im Schiff- und Fahrzeugbau (z. B. aktiv verformbare Tragfläche oder adaptive Verstellmechanismen für Spoiler) sowie in der Medizintechnik (z. B. aktive Orthesen und Prothesen, Endoskopie-Endeffektoren). Insbesondere die KMU der Textil- und FKV-Industrie beziehen aus den Projektergebnissen den konkreten Nutzen, dass ihnen technologisches Wissen zur simulationsgestützten Konzeptionierung, Auslegung und Fertigung maßgeschneiderter Textilverstärkungshalbzeuge für aktiv verformbare 3D-FKV-Bauteile mit strukturintegrierten Festkörpergelenken bereitgestellt wird, die in den genannten Marktbereichen eine steigende Nachfrage erfahren.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21969 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e. V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Die Autoren danken den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel sowie den involvierten Unternehmen im projektbegleitenden Ausschuss für die fachliche Unterstützung und die Bereitstellung von Versuchsmaterial. Der Forschungsbericht und weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden erhältlich.

 

Literaturverzeichnis

[1]           Lee, J.-H.; Chung, Y.S.; Rodrigue, H.: Long Shape Memory Alloy Tendon-based Soft Robotic Actuators and Implementation as a Soft Gripper. In: Scientific Reports 9 (2019) 1, S. 11251.

[2]           Wan A Hamid, W.L.H.: Design of a Composite Morphing Wing. London: Imperial College of Science, Technology and Medicine, Department of Aeronautics. PhD Thesis, 2019.

[3]           Hajarian, A.; Zakerzadeh, M.R.; Baghani, M.: Design, analysis and testing of a smart morphing airfoil actuated by SMA wires. In: Smart Materials and Structures 28 (2019) 115043, S. 1–12.

[4]           Ashir, M.; Hindahl, J.; Nocke, A.; Cherif, C.: Development of an adaptive morphing wing based on fiber-reinforced plastics and shape memory alloys. In: Journal of Industrial Textiles 50 (2020) 1, S. 114–

129.

[5]           Suman, A.; Fabbri, E.; Fortini, A.; Merlin, M.; Pinelli, M.: On the design strategies for SMA-based morphing actuators: state of the art and common practices applied to a fascinating case study. In: Proceedings of the Institution of Mechanical Engineers, Part G: Journal of Aerospace Engineering (2020), S. 1–17.

[6]           Ashir, M.; Nocke, A.; Cherif, C.: Maximum deformation of shape memory alloy based adaptive fiber-reinforced plastics. In: Composites Science and Technology 184 (2019) 107860, S. 1–15.

[7]           Ashir, M.; Nocke, A.; Cherif, C.: Adaptive fiber-reinforced plastics based on open reed weaving and tailored fiber placement technology. In: Textile Research Journal 90 (2020) 9-10, S. 981–990.

[8]           Lohse, F.; Wende, C.; Klass, K.-D.; Hickmann, R.; Häntzsche, E.; Bollengier, Q.; Ashir, M.; Pöschel, R.; Bolk, N.; Trümper, W.; Cherif, C.: Bio-inspired semi-flexible joint based on fibre-reinforced composites with shape memory alloys. In: Journal of Intelligent Material Systems and Structures (2020), S. 1–11.

[9]           Woodworth, L.A.; Lohse, F.; Kopelmann, K.; Cherif, C.; Kaliske, M.: Development of a constitutive model considering functional fatigue and pre-stretch in shape memory alloy wires. In: International Journal of Solids and Structures 234-235 (2022), S. 111242.

[10]        Bollengier, Q.; Rabe, D.; Mersch, J.; Häntzsche, E.; Nocke, A.; Cherif, C.: Development of integrated in-situ actuator networks for the realization of flexure hinges for highly deformable fiber-reinforced plastic composites. In: Passion for Innovation. 21st World Textile Conference AUTEX 2022, Online (Lodz, Poland) (2022) - ISBN 978-83-66741-75-1, S. 440–444.

Authors: Bollengier, Quentin Rabe, David Mersch, Johannes Annadata, Achyuth Ram Gereke, Thomas Häntzsche, Eric Cherif, Chokri

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

More entries from TU Dresden, Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik ITM

10.10.2023

BEWERTUNG VON PRODUKTIONSTECHNOLOGIEN FÜR SMART TEXTILES MIT DEM POTENZIAL EINER MATERIALTRENNUNGN FÜR RECYCLING

Recycling Smart Textiles

Abstract

In dieser Untersuchung wird der aktuelle Stand der Technik und Forschung der Produktionstechnologien von Smart Textiles unter Berücksichtigung des Recycling-Aspekts dargestellt. Es wird ein Überblick zu den Produktionstechnologien von Smart Textiles gegeben, und anhand der gefundenen Ergebnisse wird ein geeigneter Herstellungsprozess vorgeschlagen.

Die Ergebnisse zeigen, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, Smart Textile herzustellen. Das 3D-Druckverfahren stellt eine vielversprechende Möglichkeit für eine effiziente und ressourcenschonende Produktion mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten dar. Bisher wird das 3D-Druckverfahren größtenteils zur Erzeugung von Verbindungen zwischen elektronischen Komponenten und dem Aufdrucken von Halterungen untersucht. Damit das Potenzial dieser Technologie vollständig ausgeschöpft werden kann, ist weitere Forschung zur Herstellung von Sensoren und anderen elektronischen Geräten, sowie die Untersuchung der Waschbarkeit der Textilien notwendig. Abschließend wird ein Prozessablauf vorgeschlagen, um Smart Textiles nachhaltig herzustellen unter Berücksichtigung des Aspektes von Recycling.

In zukünftigen Untersuchungen sollten spezifische leitfähige oder abbaubare Materialien sowie ihre elektrischen Eigenschaften in Kombination mit dem 3D-Druckverfahren weiter untersucht werden. Zudem ist es wichtig, umfassende Analysen zum gesamten Herstellungsprozess von der Faser bis zum Smart Textiles durchzuführen. Hinsichtlich des 3D-Druckverfahrens fehlt es aktuell an Forschung bezüglich des großflächigen Bedruckens von Smart Textiles.

Report

Abstract

In den vergangenen Jahren haben Weiterentwicklungen in Bereichen der leitfähigen Materialien und Fasern sowie immer kleiner werdender Elektronik deutliche Fortschritte gemacht und die Entwicklung von Smart Textiles vorangetrieben. Dem Durchbruch auf dem Massenmarkt stehen allerdings noch einige Herausforderungen bevor. Die derzeit eingesetzten Produktionstechnologien für Smart Textilien erzielen keine skalierbaren und marktfähigen Produkte. Daher werden sie bisher nur in begrenzten Stückzahlen gefertigt und sind als Prototypen oder Demonstrationsprodukte erhältlich. Diese sind in der Regel mit vielen manuellen Fertigungsschritten behaftet und führen zu hohen Herstellungskosten. Auch die Entsorgung und Recyclingfähigkeit von Smart Textiles stellen eine große Herausforderung dar. Das Ziel dieses Forschungsansatzes ist es, ein Produktionsverfahren zu ermitteln, welches sowohl die Recyclingfähigkeit von Smart Textiles und seinen Komponenten berücksichtigt als auch den erwünschten Anforderungen und Belastungen eines Smart Textiles gerecht wird. [Ing19]

Einleitung

Smart Textiles, auch bekannt als intelligente Textilien, vereinen Textilien und Elektronik und schaffen multifunktionale Textilien. Ihre Fähigkeit, mit ihrer Umgebung und ihren Benutzern interagieren zu können, hat das Potenzial, unseren Alltag sowie verschiedene Industriezweige zu revolutionieren. Smart Textiles werden in Bereichen wie der Automobilindustrie, dem Bauwesen, dem Sportsektor oder der Medizin eingesetzt und können beispielsweise die Überwachung von Vitalparametern übernehmen. Durch die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung der Welt spielen Smart Textiles eine immer größere Rolle.

Allerdings ist die Herstellung vom Smart Textiles ein komplexer Prozess, der verschiedene Technologien und Materialien erfordert. Häufig eingesetzte Verfahren, wie beispielsweise das Löten, sind nicht sehr nachhaltig und können aufgrund der hohen Temperaturen während der Bearbeitung zur Beschädigung der Textilsubstrate führen. [AS17]

Methode

Anhand einer strukturierten Literaturrecherche (Abbildung 1) werden Datenbanken durchsucht, Ergebnisse gesichtet und anschließen bewertet. Anschließend werden vergangene Forschungsarbeiten zusammengefasst und ein Überblick geschaffen. Die Suche wird in drei Phasen eingeteilt: Planung der Suche, Durchführung der Suche und Dokumentation. Damit wird eine umfassende und erfolgreiche Suche sichergestellt. Um möglichst viele und relevante Quellen zu erfassen, werden mehrere Datenbanken abgedeckt und eine Vorwärts- und Rückwärtsrecherche durchgeführt. Abschließend werden die Ergebnisse hinsichtlich Zukunftspotential, Wirtschaftlichkeit und Automatisierbarkeit bewertet.

 

s. Abbildung 1: Ablauf systematischer Literaturrecherche. Quelle: [BSN+19; XW19]

Ergebnisse

Auswertung bestehender Produktionsverfahren

Folgende Produktionsprozesse für Smart Textiles wurden in die Analyse mit einbezogen.

  • Direktes Löten
  • Roboterunterstütztes Ultraschalllöten
  • Nd: YAG-Laserlöten
  • Ultraschallplastikschweißen
  • 3D-Druckverfahren
  • Flüssiger Metalldruck
  • Dampfbeschichten
  • Nanobeschichten
  • Siebdruckverfahren
  • Transfersiebdruckverfahren
  • Integration faserbasierter Elektronik
  • Nahtlose Integration

Einige Produktionsverfahren für Smart Textiles haben sich bereits in anderen Industriezweigen bewährt und zeigen sich als effiziente Option für die Herstellung Smart Textiles.

Das „direkte Lötverfahren“, „roboterunterstützte Ultraschallöten“, „Transfersiebdruck- bzw. Siebdruckverfahren“, „Nanobeschichtungsverfahren“ und das „Ultraschallplastikschweißen“ sind bereits etablierte Verfahren. Sie sind in der Lage große Produktionsmengen effizient zu verarbeiten oder in Rolle-zu-Rolle Produktionen integriert zu werden. Zudem bieten die Verfahren „direktes Löten“ und „Siebdruckverfahren“ kurze Prozesszeiten und geringe Kosten.

Verfahren wie das „Nd: YAG-Laserlöten“, die „Integration faserbasierter Elektronik“, „Dampfbeschichtungsverfahren“ und „flüssig Metall-Druckverfahren“ sind wiederum weniger gut geeignet, um große Mengen herzustellen. Obwohl sie vielversprechende Ansätze darstellen, erfordern sie aktuell noch weitere Forschung und technologische Fortschritte. Bei den Verfahren „roboterunterstütztes Ultraschalllöten“ und der „faserbasierte Integration“ ist außerdem mit hohen Anschaffungs- und Materialkosten zu rechnen.

Nachhaltigkeit

In Bezug auf Nachhaltigkeit stellt der Einsatz von Silber in Verfahren wie dem „direkten Löten“ und dem „roboterunterstützten Ultraschallöten“ Bedenken dar. Silber ist eine begrenzte Ressource und braucht für seine Gewinnung einen hohen Energie- und Wasserverbrauch. Zudem kann die Wiederverwendung von Silber sehr anspruchsvoll werden und spezielle Verfahren erfordern, die ebenfalls mit sehr hohem Energieverbrauch und Kosten verbunden werden. Auch besteht die Gefahr, dass während des Lötens die Textilsubstrate beschädigt werden, wodurch zusätzlicher Abfall entsteht. Ebenfalls stellt das Trennen von Lot und Textil eine Herausforderung dar, wodurch Reparaturen oder der Austausch kaputter Komponenten, ohne Beschädigung des Textils, sehr schwer durchführbar sind.

Analoges Verhalten gilt für die Verfahren „roboterunterstütztes Ultraschallöten“, „Nd: YAG-Laserlöten“ und dem „Siebdruckverfahren“, die ebenfalls silberhaltige Lote und Lösungen verwenden. Auch nahtlose „Integrationsverfahren für faserbasierte Elektronik“ erweisen sich nicht als sehr nachhaltige Verfahren, obwohl sie stark im Fokus der Forschung stehen. Es sind aufwendige Verfahren, die aus mehreren Prozessschritten bestehen, beginnend mit der Herstellung der faserbasierten Elektronikgarne, über die Einarbeitung ins Gewebe bis hin zur Erstellung leitfähigen Verbindung. [MHG20; HHY19]

Im Gegensatz dazu zeigen das „Dampfbeschichtungsverfahren“ und das „Nanobeschichtungsverfahren“ nachhaltigere Merkmale, da sie umweltfreundliche und organische Gemische verwenden. Ebenfalls zeichnet sich das „3D-Druckverfahren“ durch seinen genauen Materialverbrauch als ressourcenschonendes Verfahren aus, mit der Abfall vermieden und Ressourceneffizienz gesteigert wird. [AZC+18; FHB+16] Im Vergleich zu den anderen Fertigungsverfahren verwendet das „3D-Druckverfahren“ weniger Rohmaterial, Wasser, Energie und Chemikalien. Defekte Komponenten können leicht ausgetauscht und repariert werden. Darüber hinaus können recyclebare Materialien sowie verschiedenen Materialkombinationen eingesetzt werden, um verschieden Eigenschaften zu erreichten.

Das „3D-Druckverfahren“ ermöglicht die Erstellung komplexer Formen und individueller Strukturen, die aufgeschmolzen und erneut für den Druck wiederverwendet werden können. Es kann sowohl zum Verbinden von Komponenten eingesetzt werden als auch zur Erstellung von Halterungen für SMD-Komponenten oder zur Einkapselung der Elektronik. Im Vergleich zu den anderen Verfahren kann auch mit deutlich weniger Anschaffungs- und Materialkosten gerechnet werden. Laufende Textilherstellungsprozesse müssen bei ihrer Integration nicht unterbrochen werden, sondern können als Add-On-Verfahren nach der Textilherstellung in die Prozesskette integriert werden. Zudem können durch die Auswahl der Filamente, Belastbarkeit und Flexibilität entsprechend kundenspezifische Anforderungen ausgesucht werden. Auch können einzelnen Komponenten problemlos entfernt und recycelt werden, was mit unlöslichen Verbindungen wie dem „direkten Lötverfahren“ oder der „faserbasierten Integration“ nicht möglich ist. Durch den Einsatz von Kunststoffmaterialien wird zudem auf begrenzte Ressourcen verzichtet und mit alternativen Materialien wie biobasierte Kunststoffe besteht die Möglichkeit den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. [Gon23; GGY+22; KGK22]

Recycling

Aktuell fehlen konkrete Recyclingverfahren, wie es sie für die Textil- oder Elektronikindustrie gibt. Allerdings gibt es zwei Ansätze zum Recyclen von Smart Textiles Komponenten.

Es besteht zum einen die Möglichkeit, recycelte SMD-Komponenten aus anderen Einsatzbereichen in Smart Textiles einzusetzen. Hierbei sollen die zu recycelten SMD-Komponenten mittels eines UV-härtenden, nicht leitenden Acrylklebstoff auf das elektrisch leitfähige Textilband angebracht und ausgehärtet werden. Folgende Schritte werden bei diesem Ansatz durchlaufen:

  • Sammeln der Produkte am Ende ihrer Lebensdauer.
  • Entfernen der Textilbänder.
  • Band auf Oberfläche mit Aceton für 20 Minuten mit Komponenten nach oben platzieren.
  • Band aus Aceton nehmen und Komponenten manuell mit Pinzette oder automatisch mit industriellem Roboterarm entnehmen.
  • Umweltfreundliche Entsorgung von gebrauchten Band- und Kleberückständen.
  • Visuelle und funktionelle Kontrolle der entfernten Komponenten und in drei Gruppen einsortieren: Perfekt Komponenten, Komponenten mit geringfügigen mechanischen Schäden ohne Beeinträchtigung ihrer Funktion und beschädigte Komponenten.
  • Reinigung der Komponenten und Rückstände mit Isopropylalkohol.
  • Herstellung neuer Proben mit den neuen Bändern und gebrauchten Komponenten.
  • Funktionstest der neuen Proben und einsortieren in zwei Qualitätskategorien: perfekt, und zweite Qualität. [HBN+23]

Zum anderen besteht die Möglichkeit, das Textilsubstart des Smart Textiles zu recyclen und wieder zu verwendeten. Dafür müssen die Webstühle angepasst werden, sodass eine vollständige Entwirrung des Garns am Ende seiner Lebenszeit möglich wird und diese gewaschen und wiederverwendet werden kann. Diese Methode kann erweitert werden, indem ein Smart Textile aus verschiedenen unabhängigen Modulen zusammengesetzt wird, die individuell aufgelöst und verändert werden können. Dies ermöglicht eine hohe Anpassbarkeit an individuelle Bedürfnisse sowie eine einfache Austauschbarkeit defekter Komponenten, ohne das gesamte Produkt wegwerfen zu müssen [WD20]

Bewertung der Produktionsprozesse

Auf Basis der Auswertung der Produktionsverfahren und der diskutierten Nachhaltigkeits- sowie Recycling-Aspekte werden die Verfahren anhand einer Skala von 1 bis 3 bewertet (Tabelle 1).

Tabelle 1: Bewertung der Produktionsverfahren
Verfahren Skalierbarkeit Nachhaltigkeit Wirtschaftslichkeit
Direktes Löten 3 1 2
Roboterunterstütztes Ultraschalllöten 3 1 2
ND: Yag-Laserlöten 1 1 2
Ultraschallplastikschweißen 2 2 2
3D-Druckverfahren 2 3 2
Flüssiger Metalldruck 1 1 1
Dampfbeschichten 2 2 2
Nanobeschichten 2 2 2
Siebdruckverfahren 3 1 2
Transfersiebdruckverfahren 1 1 2
Integration faserbasierter Elektronik 3 1 1
Nahtlose Integration 1 1 1


s. Abbildung 2: Prozessablauf mit 3D-Drucker


Das Textilsubstrat wird entwirrt und zu weiteren Produkte verarbeitet.

Dieser Prozessablauf kann einen ersten Ansatz einer Kreislaufwirtschaft darstellen, um Smart Textiles nachhaltig zu produziert.

 

Diskussion

Im Rahmen dieser Untersuchung wird deutlich, dass es Produktionsverfahren gibt, die das Potenzial der Skalierbarkeit besitzen. Obwohl die faserbasierte Integration von Elektronikkomponenten stark im Fokus der Forschung steht, ist es kein nachhaltiges und ressourcenschonendes Verfahren. Das 3D-Druckverfahren stellt dagegen eine attraktive Alternative dar, da es den Recycling-Aspekt mitberücksichtigt. Zudem ist erkennbar, dass es aktuell an Recyclingverfahren für Smart Textiles fehlt, wie es sie in der Textil- oder Elektronikindustrie gibt und Recyclingansätze nur begrenzt vorhanden sind.

Literaturverzeichnis

[AS17] Amft, O.; Schneegass, S. (Hrsg.):
Smart Textiles.
1st ed. 2017. - Cham: Springer International Publishing; Imprint: Springer, 2017

[AZC+18]        Andrew, T. L.; Zhang, L.; Cheng, N.; Baima, M.; Kim, J. J.; Allison, L.; Hoxie, S.:
Melding Vapor-Phase Organic Chemistry and Textile Manufacturing To Produce Wearable Electronics
ACCOUNTS OF CHEMICAL RESEARCH. 51 (2018) 4, S. 850–859

[BSN+19]        Blümle, A.; Sow, Dorothea; Nothacker, Monika; Schaefer, Corinna; Motschall, E.; Boeker, Martin; Lang, Britta; Kopp, Ina; Meerpohl, Jörg J.:
Manual systematische Recherche für Evidenzsynthesen und Leitlinien, 2019

[FHB+16]        Feng, J.; Hontanon, E.; Blanes, M.; Meyer, J.; Guo, X.; Santos, L.; Paltrinieri, L.; Ramlawi, N.; Smet, L. C. P. M. de; Nirschl, H.; Kruis, F. E.; Schmidt-Ott, A.; Biskos, G.:
Scalable and Environmentally Benign Process for Smart Textile Nanofinishing
ACS APPLIED MATERIALS & INTERFACES. 8 (2016) 23, S. 14756–14765

[GGY+22]       Gong, W.; Guo, Y.; Yang, W.; Wu, Z.; Xing, R.; Liu, J.; Wei, W.; Zhou, J.; Guo, Y.; Li, K.; Hou, C.; Li, Y.; Zhang, Q.; Dickey, M. D.; Wang, H.:
Scalable and Reconfigurable Green Electronic Textiles with Personalized Comfort Management
ACS Nano. 16 (2022) 8, S. 12635–12644

[Gon23]           Goncu-Berk, G.:
3D Printing of Conductive Flexible Filaments for E-Textile Applications
IOP Conference Series: Materials Science and Engineering. 1266 (2023) 1, S. 12001

[HBN+23]        Hirman, M.; Benešová, A.; Navrátil, J.; Steiner, F.; Tupa, J.:
New Recycling Procedure of SMD Components for Reuse in E-Textiles in Accordance to the Green Deal Policy, 2023

[HHY19]          Hong, H.; Hu, J.; Yan, X.:
UV Curable Conductive Ink for the Fabrication of Textile-Based Conductive Circuits and Wearable UHF RFID Tags
ACS APPLIED MATERIALS & INTERFACES. 11 (2019) 30, S. 27318–27326

[Ing19] Inga Gehrke, Volker Lutz, David Schmelzeisen, Vadim Tenner and Thomas Gries:
Smart Textiles Production: MDPI, 2019

[KGK22]          Kang, D. J.; Gonzaléz-García, L.; Kraus, T.:
Soft electronics by inkjet printing metal inks on porous substrates
Flexible and Printed Electronics. 7 (2022) 3, S. 33001

[MHG20]         Micus, S.; Haupt, M.; Gresser, G. T.:
Soldering Electronics to Smart Textiles by Pulsed Nd:YAG Laser
Materials (Basel, Switzerland). 13 (2020) 11

[WD20]            Wu, S.; Devendorf, L.:
Unfabricate: Designing Smart Textiles for Disassembly
Bernhaupt, R.:
Proceedings of the 2020 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems, Honolulu HI USA, 25 04 2020 30 04 2020
New York,NY,United States: Association for Computing Machinery, 2020, S. 1–14

[XW19]            Xiao, Y.; Watson, M.:
Guidance on Conducting a Systematic Literature Review
Journal of Planning Education and Research. 39 (2019

Authors: Robin Oberlé1 Autor, Büsra Unay1 Co-Autor

1 RWTH Aachen – Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University (Germany)

Arbeitsgruppenleiter: Robert Boich – Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen Univer-sity (Germany)

Produktion

More entries from ITA Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University

28.09.2023

ENTWICKLUNG UND VALIDIERUNG EINES SYSTEMS ZUR KABELLOSEN DATEN- UND ENERGIEÜBERTRAGUNG ZWISCHEN SMART TEXTILES UND HAUTSENSOREN

Sensor Technology Smart Textiles Medicine

Abstract

Die Wahl der NFC-Technologie für die kabellose Energie- und Datenübertragung im Rahmen dieser Arbeit ist vielversprechend. Die geringe Reichweite der Technologie stellt für die körper-nahe Benutzung keine Einschränkung dar. Die Integration von NFC-Antennen in Textilien ist viel-versprechend und verbessert die Anwendbarkeit sowie den Tragekomfort. Dieser Ansatz dient als Grundlage für innovative Anwendungen in den Bereichen Sport und Medizin. Im Sport können Hautsensoren dazu beitragen, die Leistung und den Trainingsfortschritt zu überwachen, während in der Medizin nicht-invasive oder minimalinvasive Langzeitmessungen ermöglicht werden kön-nen. Dies weist auf die breite Anwendungsfähigkeit der entwickelten Technologie hin

Report

Abstract
Zum aktuellen Stand der Technik existiert keine Lösung für die Interaktion zwischen Hautsenso-ren zur Überwachung von Vitalparametern und Smart Textiles. Im Rahmen dieser Arbeit wird ein System entwickelt, welches die kabellose Daten- und Energieübertragung zwischen Sensoren und Textilien ermöglicht.
Hautsensoren ermöglichen in Bereichen wie Medizin und Sport eine nicht- oder minimalinvasive Überwachung von Vitalparametern wie Herzschlag, Atemfrequenz, Blutzucker oder Sauer-stoffsättigung des Bluts. Zur Maximierung des Tragekomfort wird eine Lösung mit passiven Haut-sensoren angestrebt, die mithilfe eines Smart Textiles mit Energie versorgt werden und welches die Daten der Sensoren ausliest.
Hiefür bietet sich NFC als Übertragungsstandard an, da NFC einen zeitgleichen Austausch von Energie und Daten ermöglicht. Mittels eines NFC-Tags mit integrierten Sensoren wird der Haut-sensor simuliert. Um die Grenzen der Lösung festlegen zu können wird der Einfluss verschiede-ner Parameter auf die Energieübertragung zwischen NFC-Antennen untersucht. Die untersuch-ten Parameter sind der Abstand zwischen NFC-Antenne und NFC-Tag, die relative Verschiebung zwischen NFC-Antenne und NFC-Tag, die Krümmung der NFC-Antenne, der Einfluss von Texti-lien zwischen NFC-Antenne und NFC-Tag sowie der Einfluss verschiedener Materialien und Ge-ometrien für gestickte NFC-Antennen.


Einleitung
Smart Textiles erlauben es auf verschiedene Arten zusätzliche Funktionen in Bekleidung oder andere Textilien zu integrieren. Soll ein elektrischer Schaltkreis auf oder in ein Textil integriert werden, bestehen verschiedene Möglichkeiten. Neben dem Drucken mit leitfähigen Tinten und dem Einbringen von leitfähigen Garnen mittels Weben und Stricken, bietet das Sticken ein hohes Maß an Designfreiheit und einer gegeben Waschbarkeit bei der Wahl von geeigneten leitfähigen Garnen. [1] Die textile Integration erlaubt außerdem einen nahezu uneingeschränkten Tragekomfort.
Bei der Wahl der Technologie für eine kabellose Datenübertragung ist besonders auf den Ener-gieverbrauch zu achten. NFC weist einen sehr niedrigen Energieverbrauch auf [2] und ermöglicht einen zeitgleichen Energie- und Datenaustausch. Die spiralförmige, flache Geometrie von NFC-Antennen, ermöglichen die Energieübertragung mittels Induktion [3]. Aufgrund der Antennenge-ometrie lassen sich NFC-Antennen mit leitfähigen Garnen auf Textilien aufsticken.


Experimenteller Teil
Um die Grenzen der Energieübertragung zwischen zwei NFC-Antennen zu untersuchen, wird der Einfluss verschiedener Faktoren auf die induzierte Spannung in einem NFC-Tag untersucht. Die untersuchten Faktoren sind der Abstand, die Verschiebung, die Krümmung und zwischen den Antennen befindliche Textilien. Dadurch werden verschiedene Situationen des Tragens von einem Bekleidungsstück mit einer textilen Antenne untersucht. Die verwendeten Versuchsvorrichtungen  werden mittels 3D-Druck hergestellt, siehe Abbildung 1. 


Abbildung 1: Versuchsaufbau für Messungen des Einflusses des Abstands, der Geometrie, der Verschiebung und der Krümmung zwischen NFC-Antenne und NFC-Tag. Quelle: ITA


Neben den Versuchen zu den bereits beschrieben Parametern des Systems werden verschiedene textile NFC-Antennen gefertigt und bewertet. Dabei kommen selektierte Geometrien aus verschiedenen Literaturquellen [4], [5], [6] und Materialkombinationen zum Einsatz. Die Geometrien unterscheiden sich in der Anzahl der Windungen, dem Windungsabstand und dem Durchmesser der Antenne. Die untersuchten Materialkombinationen sind (A) Shieldex und Madeira HC 40, (B) Polyester und Shieldex und (C) Polyester und Kupferlackdraht. Anhand der gestickten Antenne können Aussagen über die Materialien und Geometrien getroffen werden. Zudem werden die Widerstände sowohl von den textilen Antennen als auch gekauften NFC-Antennen gemessen.
Die verschiedenen Geometrien sind in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Antennengeometrien. Quelle: ITA


Mit den Erkenntnissen der praktischen Versuche wird ein Demonstrator in Form eines langärmligen Oberteils hergestellt. Zur vereinfachten Herstellung wird die Antenne und zwei Leiterbahnen auf ein Textil gestickt und nachträglich auf den Ärmel des Oberteils aufgeklebt. Zusätzlich wird der Ärmel mit einer Tasche versehen, in die ein NFC-Leser platziert werden kann. Der NFC-Leser erlaubt ein Auslesen der Sensoren des NFC-Tags und die zeitgleiche Energieversorgung. Der Demonstrator ist mit Detailaufnahmen in Abbildung 3 zu sehen.

Abbildung 3: Demonstrator mit Detailaufnahmen. Quelle: ITA


Ergebnisse
In den Versuchen zu den Antennen konnte gezeigt werden, dass der Einfluss der untersuchten Krümmung auf Energieübertragung lediglich gering ist (> 5 %). Steigende Abstände und relative Verschiebungen hingegen führen zu einer Abnahme der induzierten Spannung im NFC-Tag. Insbesondere die Verschiebung schränkt die Anwendung ein. Bereits bei einer Verschiebung von etwa 2,5 cm beträgt die induzierte Spannung nur noch die Hälfte des Werts ohne Verschiebung (siehe Abbildung 4). In einem Endprodukt muss demnach eine möglichst genaue Positionierung über dem Hautsensor gewährleistet werden. 

Abbildung 4: Messergebnis Verschiebung. Quelle: ITA


Bei der Wahl der Materialien hat sich die Materialkombination (A) mit Shieldex und Madeira HC 40 am zuverlässigsten gezeigt. Verglichen mit (B) ist (A) weniger fehleranfällig, da ein Riss eines Garns nicht zwangsläufig zu einem Trennen des Schaltkreises führt. Kupferlackdraht ist neben der Anfälligkeit bei Biegung zu brechen, aufgrund der erschwerten Kontaktierung nachteilig. Au-ßerdem ist bei der Entwicklung von Geometrien auf einen definierten Windungsabstand zu ach-ten, um Kurzschlüsse innerhalb der Antenne zu vermeiden. Es ist jedoch anzumerken, dass die gestickten Antennen im Vergleich zur verwendeten kommerziellen Antenne einen etwa um den Faktor 30 höherer Widerstand aufweisen.


Diskussion
Im Rahmen der durchgeführten Versuche hinsichtlich der untersuchten Parameter Abstand, Krümmung, Verschiebung sowie Geometrie konnte bei allen Parametern ein Einfluss erkannt werden. Dieser ist für die Parameter Abstand sowie Verschiebung besonders ausgeprägt. Dies zeigt sich unter anderem durch eine Halbierung der induzierten Spannung ab einer Verschie-bung von 2,5 cm. Im Rahmen von weiterführenden Versuchen soll in einem nächsten Schritt nun genauere Untersuchung und Weiterentwicklung von textilen NFC-Antennen durchgeführt werden, um eine energiesparende Umsetzung zu ermöglichen. Für die Übertragung der aktuel-len Ergebnisse in ein realistisches Szenario muss für die Entwicklung von Endprodukten eine genaue Positionierung der Antennen realisiert werden. Zusätzlich ist für ein Endprodukt eine textilbezogene Umsetzung des NFC-Lesers und seiner Energieversorgung anzustreben.

Danksagung
Wir danken dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und der AIF-Forschungsge-meinschaft für die Förderung des IGF-Projektes Nr. 351EN/1.


Literaturliste
[1] Tao, X.: Handbook of Smart Textiles, Springer Singapore, 2015
[2] Gupta, D.; Khanna, A.; Hassanien, A. E.; Anand, S.; Jaiswal, A. (Hrsg.): International Conference on Innovative Computing and Communications, Springer Nature Singapore, 2023
[3] Lathiya, P.; Wang, J.: Near-Field Communications (NFC) for Wireless Power Transfer (WPT): An Overview In Zellagui, M.: Wireless Power Transfer – Recent Development, Applications and New Perspectives: IntechOpen, 2021
[4] Jiang, Y. T.; Xu, L. L.; Pan, K. W.; Leng, T.; Li, Y.; Danoon, L.; Hu, Z. R.: e-Textile embroidered wearable near-field communication RFID antennas. IET MICROWAVES ANTENNAS & PROPAGATION. 13, S. 99–104, 2019
[5] Del-Rio-Ruiz, R.; Lopez-Garde, J. M.; Macon, J. L.; Rogier, H.; IEEE: Design and Performance Analysis of a Purely Textile Spiral Antenna for On-Body NFC Applications, 2017
[6] Lin, R.; Kim, H.-J.; Achavananthadith, S.; Kurt, S. A.; Tan, S. C. C.; Yao, H.; Tee, B. C. K.; Lee, J. K. W.; Ho, J. S.: Wireless battery-free body sensor networks using near-field-enabled clothing, NATURE COMMUNICATIONS. 11, S. 444, 2020

Authors: Robin Oberlé1 Autor, David Scheithe1 Autor, Aaron Leiting1 Autor, Tobias Lauwigi1 Co-Autor

1 RWTH Aachen – Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University (Germany)

Arbeitsgruppenleiter: Akram Idrissi– Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University (Germany)

E-Tattoo NFC MedTec SportTec

More entries from ITA Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University

02.08.2023

Strain sensing of textile structures with polymer-based bicomponent filaments

Fibres Sensor Technology Smart Textiles

Abstract

Strain monitoring can be critical for structures such as light weight composites or civil structures. Many of these application already use textiles or fibres, meaning that sensor fibres are predestined for incorporation and monitoring. Polymer-based sensor filaments allow for a wide range of tailorability for the individual applications. In this work, particle based nanocomposite filaments are melt spun. Afterward, they are characterised regarding the morphology and static resistivities. Lastly, selected filaments are tested regarding the dynamic resistivity to evaluate the suitability for use as a strain sensor using the example of carbon fibre composite structures. It is shown in this work that the sensor filament can be produced by the melt spinning process. Further challenges which are not yet solved included the identification of outlier filaments without destructive testing, as well as the data analysis for the generation of a calibration curve. In further work, other application cases will be tested as well as additional, elastic filaments.

Report

Introduction

Smart textiles and wearables are no new topics in the field of textile research. Nevertheless, they have yet to reach the market breakthrough expected. Instead, the drastic increase in the market share is pushed into the future with each new study. Despite this breakthrough delay, there is no shortage of work in the academic field.

Much of the work is currently focusing on employing metal coated yarns for applications in which electrical signals are detected and transmitted. Although the electrical conductivity of these materials is in the range of typical metals, they are often negatively influenced from external factors such as moisture and friction. One approach to combat the wear is to employ a material in which the conductive component is integrated during production rather than subsequently applied as a coating. This can be done through the melt compounding of conductive particles into thermoplastic polymers, which are then extruded to filaments. These materials are inherently conductive but, when spun alone, are still subject to the influence of external moisture.

In order to solve both problems of wear and influence of moisture, bicomponent thermoplastic filaments have been developed at ITA. Additionally, these filaments open up opportunities for new filament sensors to be integrated not only in clothing but also lightweight composites and civil structures. The production, characterisation and outlook of these novel filaments is described below.

Production

Melt spinning is a method for the continuous filament production. Specifically, monofilament melt spinning is used for the manufacturing of products such as fishing line, tennis strings and 3D-printer filament. With the addition of a second extruder bicomponent filaments can also be produced. A schematic visualisation of the employed bicomponent monofilament machine is shown in Figure 1.

In order to generate an inherently conductive compound, conductive nanoparticles are mixed with a carrier thermoplastic material. In this work, a commercially available compound consisting of 4 wt.% carbon nanotubes (CNTs) and 96 wt.% thermoplastic polyurethane (TPU) from the company NanoCyl SA, Sambreville, Belgium is used. This compound is the core component of the filament. Two different sheath components are used: Polypropylene (PP) Moplen HP561R, LyondellBasel Industries Holding B.V., Rotterdam, The Netherlands and TPU 1185 from BASF Polyurethane, Lemsförde, Germany. The resulting filaments will be further referred to as PP/TPU and TPU/TPU. The production parameters for the filaments are shown in Table 1.

Table 1:            Production parameters for the monofilaments (see attached pdf)

Results and discussion

The cross-sections of the filaments are analysed using light microscopy. The samples are first embedded in epoxy and polished. The images of the filaments are shown in Figure 2. The variance of the final areas and diameters stem from the difference in the material density in the molten and solid state. In both filaments a clear distinction between the core and sheath components is visible.

Electrical analysis to determine the static and dynamic electrical resistance is done by cutting the filament cleanly to expose the core and then dipping the filament in silver paint. An electrical path from the core to the surface of the filament is generated and the filament can be contacted with standard clamps. This method is schematically shown in Figure 3. Unfortunately, due to the softness of the TPU in the sheath, this method is not suitable for the electrical contacting of the TPU/TPU filament. Therefore, only the results of the PP/TPU filament are presented.

For the first quantitative tests, electrical resistance is measured simultaneously while applying a tensile strain. The starting length of the filament to be deformed is 5 cm and a constant speed of 1 mm/min is applied. This roughly corresponds to a strain rate of 2 %/min. This slow speed is derived from the strain rates for testing of geoplastics. The total length of the sensor filament, including the length clamped in the tensile machine and length needed to attach the multimeter, is 20 cm. Five filament samples are tested in this set-up. The test set-up is shown schematically in Figure 4.

In conventional strain gauge technology, the electrical response of the sensor is given as the normalised change of the resistance using the equation below. Here Rε is the resistance at strain ε and R0 is the resistance at strain 0 %.

 

ΔR/R [-] = Rε [Ω] - R0 [Ω]R0 [Ω]

(1)

This same convention is initially used for the analysis of the sensor filaments. The resulting curves for the filament PP/TPU is shown in Figure 5, left. It can be seen that, although the general trend of the curves is similar, an exact calibration of the sensors is not yet possible. One assumption for the varying trends results from the variance in the R0 of the filaments, causing a difference in the scaling of the curves as shown is Eq. 1. The initial values R0 can be seen in Figure 6.

The sensor response is then calculated in regards only to the change in resistance, as opposed to the normalised change. This alternate equation can be seen below and the resulting diagram can be seen in Figure 5, right.

 

ΔR [Ω] = R [Ω] -R0 [Ω]

(2)

 

It can be seen that the response of the five tested filaments is in much more agreement when only the change in the resistance is considered. This result demonstrates the fact that the analysis of the novel sensor filaments may not be taken completely from conventional, current solutions and may have to be rethought entirely. Additionally, there seems to be a correlation between the noise of the measurements and the high R0, for example for repetitions 4 and 5. When these filaments are removed from the visual representation, a calibration of the sensor filament can be done with high precision until 7 %, which is generally larger than expected strains in structural applications (Figure 7).

Conclusion and Outlook

The results presented here show the extreme potential of polymer-based sensor filaments. Through the production parameters, the filaments can be tailored to match specific requirements of a variety of applications. These sensor filaments can revolutionise structural health monitoring in civil structures, lightweight components and many, yet to be discovered, applications. In order to realise this technological breakthrough, work still needs to be done in various aspects:

  • Identification of more technical applications, for which the sensor filaments can be relevant
  • Mechanical and electrical contacting of the filaments in a more robust manner, as well as contacting of the softer TPU/TPU filaments
  • Variation of testing parameters in order to investigate the sensor response under different loading cases (cyclic, relaxation, creep, different strain rates, combination of loading)
  • Testing of the sensor response after integration in to the substrate material
  • Data analysis to understand the proper data visualisation for the novel material
  • Improvements of the electrical circuit while testing to include four-point electrical measurements as well as the incorporation of a Wheatstone bridge

 

Acknowledgment

We would like to thank the Federal Ministry for Economic Affairs and Climate Action (BMWK) for funding of the project ZIM Plug&Sense (KK5055907ZG0).

Authors: Jeanette Ortega Thomas Gries

ITA Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University
Otto-Blumenthal-Str. 1
52074 Aachen

More entries from ITA Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University

19.04.2023

Forschung am ITM der TU Dresden für eine Webtechnologie zur Fertigung neuer Thermogewebe

Fabrics Textile machinery Sustainability Smart Textiles Fashion

Abstract

Im Frühjahr des Jahres 2023 ist mit branchenübergreifender Beteiligung der Industrie das IGF-Projekt „Entwicklung einer Webtechnologie zur integralen Fertigung von Vlies-Thermogeweben mit Heizfunktion“ (IGF 22817 BR) am ITM angelaufen. Projektziel ist die Entwicklung eines einstufigen Webverfahrens zur Herstellung gekammerter Mehrlagengewebe mit integriertem Dämmmaterial.

Report

Sport- und Outdoorbekleidung sind heutzutage beliebter denn je, da immer mehr Menschen ihre Freizeitaktivitäten in der Natur verbringen möchten. Mit steigendem Interesse an Wandern, Skifahren und anderen Outdoor-Aktivitäten wächst auch die Nachfrage nach hochwertiger Ausrüstung, wie zum Beispiel Thermojacken und Schlafsäcken.

Solche isolierenden Thermostrukturen werden auch im Automobilbau zur Dachisolation verwendet. Diese mehrschichtigen Strukturen umfassen einen Ober- und Unterstoff sowie den dazwischenliegenden Dämmstoff. Zur Verbindung der Lagen werden Steppnähte eingesetzt, die die Lagen zueinander in Position halten. Durch das eingeschlossene Luftvolumen kann ein hoher Isolationsgrad erreicht werden, der jedoch im Bereich der Steppnähte durch die Komprimierung des Dämmstoffes und den in Wärmedurchgangsrichtung verlaufenden Steppfaden stark abnimmt. Die so entstehenden Kältebrücken reduzieren die Funktionalität der Produkte und begrenzen das Potenzial der Dämmstoffe stark. Darüber hinaus umfasst die Fertigung der Thermostrukturen mehrere teils komplexe zeit- und materialintensive Teilschritte. Zur Vermeidung beschriebener Kältebrücken und Vereinfachung des Herstellverfahrens wird in diesem Projekt die Entwicklung eines Webverfahrens angestrebt, dass die integrale Fertigung von Thermostrukturen erlaubt. Durch die Substitution des Ober- und Unterstoffs durch ein gekammertes Mehrlagengewebe mit Bindekette wird die Verbindung der Lagen ohne Steppnähte gewährleistet.

Eingebrachte Heizstrukturen sollen die Wärmewirkung zusätzlich erhöhen. Die Verwendung einer Jacquardmaschine bietet außerdem die Möglichkeit einer freien Musterung der Deckflächen, deren Designmöglichkeiten zurzeit durch den Steppnahtverlauf begrenzt werden.

Schwerpunkt des Projektes ist die Entwicklung einer industriell verwendbaren und KMU-gerechten Auslegungsmethodik für beschriebene Thermogewebe, wodurch bei individuellen Kundenanfragen schnell strukturelle, geometrische und materialseitige Vorgaben bereitgestellt werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die konstruktiv-technologische Entwicklung eines Webverfahrens inklusive Trenn-, Vorlage- und Verarbeitungsprozess des Dämmmaterials, die Entwicklung geeigneter Gewebebindungen und einem Konzept für einen produktspezifischen Warenabzug. Die integrale Fertigung der Thermostruktur an Funktionsmustern wird darauf aufbauend beispielhaft erprobt und bewertet.

Die Anwendungsfelder für integral gewebte Thermostrukturen reichen vom Funktionsbekleidungsbereich über den Tierbedarf in Form von z. B. Pferdedecken bis hin zu Isolationsanwendungen im Fahrzeugbau. Die Beteiligung der Industrie mit Vertretern verschiedener Branchen wie Smart Textiles, Vliesstoff-, Gewebe- und Garnherstellung, Softwareentwicklung, Fahrzeugbau und Textilhersteller zeigt den deutlichen Bedarf an solchen Innovationen.

Ziel des Projektes ist es, den Wärmedurchgangskoeffizienten von Thermostrukturen um ca. 20 % im Vergleich zu gesteppten Konstruktionen zu reduzieren. Damit soll ein deutlicher Wettbewerbsvorteil durch die stark verbesserte Performance von Outdoorbekleidung und Thermotextilien in verschiedene Branchen geschaffen werden. Die einstufige Fertigung ermöglicht zusätzlich die Einsparung von Herstellkosten. Mit den Projektergebnissen soll ein Beitrag zur Nachhaltigkeit und kosteneffizienten Fertigung von Thermostrukturen geleistet werden. Darüber hinaus wird eine Verbesserung in den Technologiesektoren Textilmaschinenbau und Weberei erreicht.

Das IGF-Vorhaben 2817 BR (Entwicklung einer Webtechnologie zur integralen Fertigung von Vlies-Thermogeweben mit Heizfunktion) der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V. wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

More entries from TU Dresden, Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik ITM

20.02.2023

Entwicklung bekleidungstechnischer Assistenzsysteme zur Unterstützung der Mobilität älterer Menschen

Sustainability Technical Textiles Smart Textiles Medicine Tests

Abstract

Am ITM erfolgte im IGF-Projekt 21603 BR/1 die Entwicklung bekleidungstechnischer Assistenzsysteme zur Unterstützung der Mobilität älterer Menschen. Im Rahmen des Projektes wurde ein passives Exosuit zur Unterstützung der Aufstehbewegung (Sit-To-Stand – STS-Bewegung) prototypisch umgesetzt.

 

Report

1. Einleitung

Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis und eine wesentliche Voraussetzung, um sich sozial in die Gesellschaft zu integrieren. Mit steigender Lebenserwartung und dem damit verbundenen demographischen Wandel wird das Thema Mobilität künftig zunehmend wichtiger. Ältere Menschen vermeiden es aufgrund körperlicher Einschränkungen, ohne fremde Hilfe ihren Wohnraum zu verlassen. Der Verlust der Mobilität ist eines der maßgeblichen Risiken des Alterns [1].

In den letzten Jahren wurden unter Einsatz von Robotik und Mechatronik tragbare Roboter, Anzüge oder Geräte entwickelt, die mittels externer Kräfte zur Unterstützung der menschlichen Mobilität beitragen (aktive Exoskelette) [2]. In aktuellen Forschungen geht es um die Gestaltung von Soft-Exosuits, die keinen äußeren starren Rahmen haben, aber auch auf der Wirkung externer Kräfte basieren [3]. Aus medizinischer Sicht ist die Anwendung derartige Lösungen für ältere Menschen, die nur altersbedingte körperliche Einschränkungen haben, umstritten. Fehlende aktive Bewegung führt in der Regel zu einer Rückbildung der Muskulatur, was nicht im Sinne der potentiellen Nutzer wäre. Während im Bereich des Hochleistungs- und Freizeitsports seit Jahrzehnten an der Material- und Schnittentwicklung für Funktionskleidung gearbeitet wird, ist der Kundenkreis der älteren Menschen bisher vernachlässigt worden [4-8].

2. Zielsetzung und Lösungsweg

Ziel dieser Forschung war es deshalb, durch bekleidungstechnische Assistenzsysteme die Mobilität älterer Menschen zu unterstützen ohne die körpereigenen Kräfte abzubauen und einem Muskelabbau weitgehend entgegenzuwirken. Im Rahmen des Projektes wurde ein passives Exosuit zur Unterstützung der Aufstehbewegung (Sit-To-Stand – STS-Bewegung) prototypisch umgesetzt.

Die bekleidungstechnischen Assistenzsysteme für die STS-Bewegung wurden in Form von Funktionswäsche entwickelt, die unter der normalen Tageskleidung getragen werden kann. Diese besteht aus textilen Materialien unterschiedlicher Dehnsteifigkeiten, die die Bewegung des Menschen durch eine gezielte Energiespeicherung/-abgabe, die auf die erforderlichen Muskelkräfte abgestimmt ist, fördern. Die textiltechnische Unterstützung soll unter Berücksichtigung des zu gewährleistenden Tragekomforts nicht das ganze Gewicht des Menschen tragen. Somit muss ein Kompromiss zwischen Tragkraft und Unterstützungslevel gefunden werden. Die belastungsangepasste Materialauswahl erfolgt auf Grundlage biomechanischer Modellierung/Simulation sowie der textilphysikalischen Materialcharakterisierung. Abbildung 1 zeigt die zur Erreichung des Forschungszieles nötigen Prozessschritte.

3. Ergebnisse

Die Ergebnisse sind in folgende Kapitel unterteilt:

3.1 Erfassung von Scandaten mobilitätseingeschränkter Probanden

3.2 Generierung personenindividueller kinematischer/biomechanischer Menschmodelle zur Simulation der Bewegung

3.3 Berechnung/Simulation der Muskelkräfte

3.4 Schnitttechnische Entwicklung des Assistenzsystems und Funktionalisierung

3.5 Validierung der Assistenzwirkung

Die umfassende Ergebnispräsentatiom finden Sie in der Veröffentlichung, die zum Download (pdf-Datei) zur Verfügung steht.

4. Zusammenfassung

In diesem Forschungsvorhaben wurde ein passives bekleidungstechnisches Assistenzsystem in Form von Funktionswäsche für Menschen mit leichten Mobilitätseinschränkungen entwickelt. Dabei geht es darum, den Bewegungsapparat zu entlasten, d. h. die für eine STS-Bewegung benötigten Kräfte zu reduzieren und die Stabilität der Bewegungen zu erhöhen. Dazu wurden personenindividuelle Daten scantechnisch erfasst, textile Materialien unterschiedlicher Dehnsteifigkeiten ausgewählt und charakterisiert, die zu unterstützenden Muskelkräfte in Abhängigkeit der definierten Bewegung simuliert sowie die Schnittgestaltung und Positionierung von Funktionselementen dementsprechend anforderungsgerecht ausgeführt. EMG-Messungen zeigen die unterstützende Wirkung des passiven Assistenzsystems. Die Reduzierung der detektierten Muskelaktivität liegt für die relevanten Muskelgruppen zwischen 6% und 40 %. Damit stellen sie künftig eine erfolgversprechende, nutzerorientierte und alltagstaugliche Lösung dar, um die Mobilität zu unterstützen, ohne die körpereigenen Kräfte abzubauen und einem Muskelabbau entgegenzuwirken.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21603 BR/1 der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Die vollständige Veröffentlichung steht zum Download zur Verfügung.

Authors: Ellen Wendt, Doudou Zhang, Sybille Krzywinski, Yordan Kyosev

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

More entries from TU Dresden, Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik ITM

19.10.2022

ENTWICKLUNG UND VALIDERUNG EINES AUF TEXTIL GEDRUCKTEN DRUCK-SENSORS, FÜR DIE ANWENDUNG BEI EXOSKELETTEN

Finishing Sensor Technology Smart Textiles

Abstract

Der aktuelle Stand in der Steuerung von Exoskeletten unterstützt nicht die Anwendung der Exoskelette im Alltag. Die Steuerung erfolgt dabei entweder umständlich über Bedienknöpfe, sodass kein natürlicher Bewegungsablauf entsteht, oder über Sensoren, die direkten Hautkontakt erfordern. Letztere benötigen eine hohe Präzision bei der Platzierung der Elektroden, zusätzlich kann die direkte Platzierung auf der Haut als unangenehm empfunden werden.

Um dieses Problem zu lösen, wird ein Messsystem entwickelt, welches in der Lage ist, die Muskelaktivität des Oberschenkels zu messen und dabei über der Alltagskleidung getragen werden kann. Anhand der gemessenen Daten soll das Exoskelett gesteuert werden. Um einen hohen Tragekomfort zu gewährleisten werden textilbasierte Sensoren verwendet. Das Ziel des Forschungsansatz ist die Entwicklung eines gedruckten textilen Prototyps, welcher in der Lage ist, sowohl unterschiedliche Belastungen zu unterscheiden als auch die Belastung räumlich einzugrenzen. Dazu werden zunächst einzelne Drucksensoren hergestellt. Anschließend wird das Prinzip des einzelnen Drucksensors auf eine Drucksensormatrix übertragen.

 

Report

Einleitung

Exoskelette werden heutzutage in vielen Bereichen eingesetzt. Zum Heben von schweren Lasten, die ohne Exoskelett nicht zu bewältigen wären, bis zum Einsatz in der Rehabilitation von Patienten, die durch einen Unfall eine Einschränkung in ihrer Bewegungsunfähigkeit besitzen. Im Alltag jedoch finden Exoskelette kaum Anwendung. Ein Grund dafür ist unter anderem die umständliche Steuerung. Viele Modelle nutzen eine Auswahl an Bewegungsmodi, die durch Knopfdruck eingestellt werden. Dadurch lässt sich kein dynamischer Bewegungsablauf erreichen. Werden Sensoren für die Steuerung verwendet, sind diese entweder zu langsam, sodass kein natürlicher Bewegungsablauf möglich ist, oder es ist nötig Elektroden direkt auf der Haut zu platzieren. Das erfordert einerseits eine hohe Präzision bei der Anbringung der Elektroden und andererseits kann der direkte Hautkontakt als unangenehm empfunden werden. [1]

Experimentieller Teil

Das Ziel dieses Forschungsansatzes ist die Entwicklung einer Drucksensormatrix, die in der Lage ist, sowohl unterschiedliche Druckbelastungen zu unterscheiden als auch die Druckbelastung räumlich abzugrenzen. Dazu wird das kapazitive Drucksensorprinzip verwendet, siehe Abbildung 1.

Der Aufbau des kapazitiven Drucksensors basiert auf dem Prinzip des Plattenkondensators. Dabei fungiert das Textil als Dielektrikum. Auf dem Textil werden Kondensatorplatten aus leitfähiger Tinte auf das Textil gedruckt, sodass der Aufbau eines Plattenkondensators entsteht. Bei Ausübung von Druck auf den Aufbau verringert sich der Plattenabstand d, wodurch sich die gemessene Kapazität erhöht. Diese Kapazitätsänderung wird gemessen, um Rückschlüsse auf die ausgeübte Kraft zu ziehen.

Für die Drucksensormatrix wird die Entwicklung dieser in drei (I bis III) aufeinander aufbauende Schritte unterteilt, siehe Abbildung 2.

Im ersten Schritt (I) wird das Textil für die Herstellung der Drucksensoren ermittelt. Dazu wird die relative Permittivität von einer Auswahl an Textilien bestimmt und das Textil mit der höchsten relativen Permittivität ausgewählt. Mit dem ausgewählten Textil erfolgt im zweiten Schritt (II) die Validierung des Drucksensorprinzips, indem einzelne Drucksensoren hergestellt und ausgemessen werden. Zusätzlich dazu wird der Einfluss der Kondensatorplattengröße und Textildicke auf die gemessene Kapazität untersucht, indem diese variiert werden. Basierend auf diesen Ergebnissen wird im dritten Schritt (III) der einzelne Drucksensor auf eine Drucksensormatrix erweitert.

Ergebnisse

Durch die Erweiterung des einzelnes Drucksensors auf eine Drucksensormatrix ist es möglich, sowohl unterschiedlich starke Belastungen zu unterscheiden als auch diese räumlich abzugrenzen, siehe Abbildung 3.

Dabei wird das Feld 3|3 (oben rechts) stärker belastet als das Feld 3|1 (unten links), wie durch die unterschiedliche Größe der Gewichte veranschaulicht (Abbildung 3, links). In der Matrix (Abbildung 3, rechts) ist die Differenz zwischen dem unbelasteten Zustand dargestellt und dem belasteten Zustand dargestellt.

Diskussion

Die Ergebnisse der Drucksensormatrix zeigen, dass es möglich ist sowohl unterschiedliche Druckbelastungen zu erkennen als auch diese räumlich abzugrenzen. Allerdings ist auch ein Ausschlag bei einigen nicht belasteten Feldern zu beobachten. Ein Grund ist das die Felder sich untereinander beeinflussen. Zusätzlich ist kapazitive Kopplung zwischen den einzelnen Messkabeln zu beobachten, sodass sich durch eine relative Verschiebung dieser zueinander, die gemessene Kapazität verändert. Aus diesem Grund sind auch Ausschläge für unbelastete Felder zu beobachten.

Zusammenfassung

Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine Drucksensormatrix entwickelt und die Funktionsweise validiert. Der Drucksensor ist in der Lage unterschiedliche Belastungen zu unterscheiden. Durch den Aufbau einer Drucksensormatrix ist es möglich die Belastung räumlich abzugrenzen.

Danksagung

Wir danken dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz für die Förderung des Forschungsprojektes im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM).

Authors: Kevin Lengefeld, Autor, Tobias Lauwigi, Co-Autor, Robert Boich, Co-Autor, Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University Arbeitsgruppenleiter:Akram Idrissi – Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University

ITA Institut für Textiltechnik
Otto-Blumenthal-Str. 1
52074 Aachen

Mobiltech Smarttech Sensor

More entries from ITA Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University