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25.08.2023

Wärmebehandlung von Magnesium-Stents zur Erhöhung der maximalen Radialkraft

Technical Textiles Medicine Tests

Abstract

Die Chronisch Venöse Insuffizienz (CVI) stellt ein anhaltendes venöses Stauungssyndrom dar, das aufgrund diverser pathologischer Abweichungen im Venensystem mit graduell fortschreitendem Verlauf entsteht. Das Ziel des BioV²alve-Projektes ist die biologische Rekonstruktion der Venenklappenfunktion durch ein biohybrides, textil-bewehrtes, minimal-invasiv implantierbares Device. Die Verwendung einer biodegradierbaren magnesiumbasierten Stentstruktur, welche sich nach erfolgter Einheilung der Venenklappe in das Umgebungsgewebe auflöst, ermöglicht eine schonende Therapie mit geringer dauerhafter Materialeinbringung in den Körper. Im Rahmen der Stententwicklung wurde der Einfluss der Wärmebehandlung nach dem Flechtprozess auf die maximale Radialkraft untersucht. Es wurde gezeigt, dass eine Ausscheidungshärtung des Magnesiums bei einer Temperatur von 225 °C und einer Dauer von 34 h eine Steigerung der Radialkraft ermöglicht.

Report

1.  Einleitung

Die Chronisch Venöse Insuffizienz (CVI) stellt ein anhaltendes venöses Stauungssyndrom dar, das aufgrund diverser pathologischer Abweichungen im Venensystem mit graduell fortschreitendem Verlauf entsteht. Im Rahmen der Definition von CVI manifestieren sich Beinödeme, die zunächst über Nacht spontan rückgängig gemacht werden können, jedoch unbehandelt persistieren können [2,4,5].

Die Pathogenese der Erkrankung resultiert aus einer Insuffizienz der Venenklappen. Diese Defizienz der Klappen kann auf angeborene Fehlbildungen, strukturelle Schwäche oder abnormale, expandierbare Venenwände infolge anderer Pathologien wie Adipositas, langanhaltendes Stehen oder Sitzen zurückzuführen sein. Hieraus resultiert venöser Rückfluss, Behinderung des Blutflusses, Stauung und erhöhter Druck in den distalen Venenabschnitten. [1,4,6]

Die Therapie der CVI gliedert sich in konservative und invasive Maßnahmen. Die Wahl der Behandlungsstrategie hängt von der Anatomie und dem Stadium der Krankheit ab, wobei oft eine Kombination beider Ansätze empfohlen wird. Konservative Behandlungsoptionen umfassen allgemeine Maßnahmen, Kompressionstherapie, physikalische Entstauungstechniken sowie medikamentöse Therapien. Jedoch existieren Einschränkungen bezüglich der Effektivität konservativer Ansätze in bestimmten Kontexten, wie bei älteren Patienten mit multiplen Komorbiditäten. Die invasiven Verfahren fokussieren sich auf die Entfernung oder Verödung defizienter Venen oder die Isolierung der Refluxquelle vom restlichen Venensystem, wodurch das Blut ausschließlich durch gesunde Venen zirkuliert. Diese Maßnahmen führen zu signifikanter Symptomreduktion, Steigerung der Lebensqualität und Prävention von Folgeschäden. [3,5]

Das Ziel des BioV²alve-Projektes ist die biologische Rekonstruktion der Venenklappenfunktion durch ein biohybrides, textilbewehrtes, minimal-invasiv implantierbares Device. Die Trägerstruktur für die künstliche Venenklappe bildet ein degradierbarer, geflochtener Magnesiumstent. Dieser dient zur initialen Verankerung der Klappenstruktur in der Vene. Das Design des Stents wird bezüglich der Radialkraft optimiert um eine ausreichende Verbindung zwischen der Klappenstruktur und der Venenwand zu gewährleisten. Darüber hinaus wird das Migrationsrisiko des Implantates vermindert. Weitere Aspekte des Stentdesigns konzentrieren sich auf die ausreichende Flexibilität zur Anpassung an die Anatomie der Venenwand sowie der Sicherstellung von Knickresistenz. Die Klappenstruktur des Implantates wird der Anatomie der nativen Venenklappe nachempfunden. Eine gewirkte Netzstruktur bildet die textile Verstärkung der Klappe. Durch gezielte Nahtpunkte wird die Klappenstruktur am Stent verankert. Das Textil wird im BioV²alve Projekt mit einer Hydrogelbeschichtung kombiniert.

Das Ziel der Studie ist die Untersuchung des Einflusses der Wärmebehandlung der Stents auf die Radialkraft. Hierzu werden zwei verschiedene Wärmebehandlungen aus der Literatur verwendet.

2.  Material und Methoden

Stentherstellung

Die Stents werden mittels Einfadenflechten hergestellt. Hierbei wird Magnesium Draht der Legierung WE43 der Firma Meotec GmbH, Aachen, Deutschland mit einer Drahtstärke von 300 µm verwendet. Die Maße der Stents sind l = 25 mm und d = 12 mm.

Wärmebehandlung der Stents

Drei Temperatur-Dauer-Kombinationen werden auf jeweils drei Stents verwendet. Nach den Wärmebehandlungen wird bei allen Stents die Radialkraft getestet.

s. Tabelle 1: Temperatur und Dauer der Wärmebehandlungen

Radialkrafttestung

Zur Bestimmung der Radialkraft der Stents wird der Radialkrafttester TTR2 der Firma Blockwise Engineering LLC, Tempe, USA verwendet. Die Messungen erfolgen in Anlehnung an Teil 2 der DIN EN ISO 25539 und die ASTM Richtlinie F3067 – 14. Pro Parameterkombination werden drei Proben geprüft.

s. Tabelle 2:   Prüfparameter der Radialkraftprüfung

3. Ergebnisse

Die maximale Radialkraft wird genutzt, um die unterschiedlichen Wärmebehandlungen miteinander zu vergleichen. Pro Kombination der Prozessparameter wird die maximale Radialkraft von drei Proben ermittelt. Die Mittelwerte mit Standardabweichung aus den jeweils drei Proben wurden in Abbildung 1 aufgetragen. Der Referenzstent hat eine Radialkraft von 16,5 N ± 0,7 N und weist somit die niedrigste maximale Radialkraft auf. Die Wärmebehandlung mit 210 °C für 8 h führt zu einer Steigerung der maximalen Radialkraft auf 19,8 N ± 0,7 N.  Die Parameterkombination 225 °C mit 34 h weist mit 23,2 ± 0,8 N den höchsten Wert der maximalen Radialkraft. Dies entspricht einer Steigerung von 40 % gegenüber der Referenz ohne Wärmebehandlung.

s. Abbildung 1:   Maximale Radialkraft der Stents (Mittelwert und Standardabweichung)

s. Abbildung 2: Exemplarische Hysteresschleifen der Radialkraftmessung mit drei Zyklen eines Stents mit der Wärmebehandlung 225 °C und 34 h

4.  Zusammenfassung

Die Chronisch Venöse Insuffizienz (CVI) stellt ein anhaltendes venöses Stauungssyndrom dar, das aufgrund diverser pathologischer Abweichungen im Venensystem mit graduell fortschreitendem Verlauf entsteht. Das Ziel des BioV²alve-Projektes ist die biologische Rekonstruktion der Venenklappenfunktion durch ein biohybrides, textil-bewehrtes, minimal-invasiv implantierbares Device. Die Verwendung einer biodegradierbaren magnesiumbasierten Stentstruktur, welche sich nach erfolgter Einheilung der Venenklappe in das Umgebungsgewebe auflöst, ermöglicht eine schonende Therapie mit geringer dauerhafter Materialeinbringung in den Körper. Im Rahmen der Stententwicklung wurde der Einfluss der Wärmebehandlung nach dem Flechtprozess auf die maximale Radialkraft untersucht. Es wurde gezeigt, dass eine Ausscheidungshärtung des Magnesiums bei einer Temperatur von 225 °C und einer Dauer von 34 h eine Steigerung der Radialkraft ermöglicht.

5.  Danksagung

Das Projekt „BioV²alve“ (EFRE-0801315) wurde durch den Europäischen Fond für Regionale Entwicklung Nordrhein-Westfalen (EFRE.NRW) gefördert.

6.  Quellen

1.              Douketis, J.:  Chronisch Venöse Insuffizienz und Postthrombotisches Syndrom. Kenilworth 2016, URL: https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/herz-kreislauf-krankheiten/periphere-venenerkrankungen/chronisch-venöse-insuffizienz-und-postthrombotisches-syndrom, Zugriff am 04.11.2019

2.              Ludwig, M.: Repetitorium für die Facharztprüfung Innere Medizin.
2. Aufl. Elsevier, München, Deutschland 2017

3.              Pannier F., Noppeney, T., Breu, F., et al.: S2k - Leitlinie Diagnostik und Therapie der Varikose, 03/2019

4.              Rabe, E., Gerlach, H.-E.: Praktische Phlebologie.
2. vollst. überarb. Aufl. THIEME, Stuttgart 2006

5.              Santler, B., Goerge, T.: Die chronische venöse Insuffizienz - Eine Zusammenfassung der Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft 2017; 15 (5): 538–557

6.              Weber, B., Robert, J., Ksiazek, A., et al.:  Living-Engineered Valves for Transcatheter Venous Valve Repair. Tissue engineering Part C Methods 2014; 20 (6): 451–463

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8.              Mengucci, P.; Barucca, G.; Riontino, G.; Lussana, D.; Massazza, M.; Ferragut, R.; Hassan Aly, E.: Structure evolution of a WE43 Mg alloy submitted to different thermal treatments, Materials Science and Engineering A 479 (2008), S. 37-44

Authors: Caroline Emonts Ren Pan Thomas Gries

Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen, Otto-Blumenthal-Str. 1, 52074 Aachen

Stents Implantat Geflecht

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19.07.2023

Magnesium als Textil: Potenziale textiler Mg-Implantate

Fabrics Knittings Medicine Tests

Abstract

Implantate werden eingesetzt, um Körperfunktionen wiederherzustellen oder zu unterstützen. Stentimplantate werden beispielsweise implantiert, um Blutgefäße oder Organe zu öffnen oder zu stabilisieren. Insbesondere bei direktem Blutkontakt, aber auch in nicht-vaskulären Anwendungsbereichen verursachen dauerhaft im Patienten verbleibende Fremdkörper Langzeitkomplikationen und sorgen für eine erhöhte Patientenbelastung. Die zentralen Defizite sind Entzündungsreaktionen, notwendige Revisions- oder Entnahmeoperationen, Stress-Shielding (Gewebeveränderung aufgrund mechanischer Einflüsse), Lockerung und Migration aufgrund des Wachstums des Patienten und erhebliche Einschränkungen diagnostischer Verfahren wie Röntgen und CT-Scans durch die Verursachung von Bildartefakten. Aus den genannten Gründen wird seit einigen Jahren bereits an degradierbaren Implantatmaterialien geforscht. Magnesium hat sich dabei aufgrund seiner mechanischen Eigenschaften als vielversprechend erwiesen. Während Fertigungsverfahren wie Gießen oder Schneiden von Magnesium bereits gut erforscht sind, besteht wenig veröffentlichtes Wissen über die Entwicklung Mg-Draht basierter, textiler Strukturen. In dieser Studie wird die Möglichkeit der Verarbeitbarkeit von Magnesiumdraht in textilen Fertigungsverfahren aufgezeigt und am Beispiel von Stentimplantaten relevante Stell- und Zielgrößen validiert. Es kann gezeigt werden, das Magnesium textil verarbeitbar ist und sich anhand von Mg-Draht für die medizinische Anwendung geeignete textile Strukturen erzeugen lassen.

Report

Abstract: Implantate werden eingesetzt, um Körperfunktionen wiederherzustellen oder zu unterstützen. Stentimplantate werden beispielsweise implantiert, um Blutgefäße oder Organe zu öffnen oder zu stabilisieren. Insbesondere bei direktem Blutkontakt, aber auch in nicht-vaskulären Anwendungsbereichen verursachen dauerhaft im Patienten verbleibende Fremdkörper Langzeitkomplikationen und sorgen für eine erhöhte Patientenbelastung. Die zentralen Defizite sind Entzündungsreaktionen, notwendige Revisions- oder Entnahmeoperationen, Stress-Shielding (Gewebeveränderung aufgrund mechanischer Einflüsse), Lockerung und Migration aufgrund des Wachstums des Patienten und erhebliche Einschränkungen diagnostischer Verfahren wie Röntgen und CT-Scans durch die Verursachung von Bildartefakten. Aus den genannten Gründen wird seit einigen Jahren bereits an degradierbaren Implantatmaterialien geforscht. Magnesium hat sich dabei aufgrund seiner mechanischen Eigenschaften als vielversprechend erwiesen. Während Fertigungsverfahren wie Gießen oder Schneiden von Magnesium bereits gut erforscht sind, besteht wenig veröffentlichtes Wissen über die Entwicklung Mg-Draht basierter, textiler Strukturen. In dieser Studie wird die Möglichkeit der Verarbeitbarkeit von Magnesiumdraht in textilen Fertigungsverfahren aufgezeigt und am Beispiel von Stentimplantaten relevante Stell- und Zielgrößen validiert. Es kann gezeigt werden, das Magnesium textil verarbeitbar ist und sich anhand von Mg-Draht für die medizinische Anwendung geeignete textile Strukturen erzeugen lassen.

  1. Einleitung

Die Food and Drug Administration (FDA), die Aufsichtsbehörde für Lebensmittel und Arzneimittel in den USA, einem der größten Medizintechnikmärkte der Welt, definiert Implantate als Produkte, die an oder unter der Körperoberfläche implantiert werden, um Medikamente abzugeben, Körperfunktionen zu überwachen oder Organe und Gewebe zu unterstützen. Beispiele sind Stentimplantate, Knochenschrauben/-platten sowie Herzschrittmacher und Defibrillatoren. [FDA19] Die Fallzahlen der Implantationen in Deutschland verdeutlichen, dass es zwei große Anwendungsbereiche für Implantate gibt. Sieht man von Zahnimplantaten ab, werden die meisten Implantate im Bereich des Skelettsystems eingesetzt. Im Jahr 2017 wurden 238.000 Hüftgelenke, 191.000 Kniegelenke und 26.000 Endoprothesen in Extremitäten implantiert. An zweiter Stelle stehen Stentimplantate mit 138.000 Implantaten in Gefäßen und Organen. [Bra18]

Die aktuell überwiegend verwendeten Implantatmaterialien können in Metalle, Polymere und Keramiken unterteilt werden. Metalle wie rostfreier Stahl werden verwendet, wenn eine hohe Festigkeit erforderlich ist, während Nickel-Titan-Legierungen eingesetzt werden, wenn ein elastisches Strukturverhalten erforderlich ist. Im Bereich der Polymere werden verschiedene Kunststoffe verwendet, von Polyethylen für hohe Abriebfestigkeit bis zu Polytetrafluorethylen (PTFE) für besonders geringe Reibung. Keramische Werkstoffe werden vor allem als Hüftgelenkkugeln, Knochenersatzmaterial und in der Zahnmedizin verwendet, darunter Aluminium und Zirkonoxid. [SSA+15; Psc20]

Diese beständigen Implantatmaterialien bringen allerdings entscheidende Nachteile mit sich. Die fünf am häufigsten genannten Defizite sind im Folgenden zusammengefasst:

  1. Ein zentrales Defizit ist das Risiko von Entzündungsreaktionen, wie z. B. beim Einsatz von Stentimplantaten. Stents werden eingesetzt, um verengte Gefäße wieder zu öffnen oder offen zu halten. Wenn ein Stent über einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren im Körper verbleibt, kann es aufgrund mechanischer und biochemischer Reizungen zu Entzündungsreaktionen (Inflammation) kommen. Diese führt zur Bildung von Narbengewebe, welches den Stent überwuchern kann, wodurch das betroffene Gefäß wieder verschlossen wird (Restenose). [OTO+21]
  2. Ein weiterer Nachteil sind die notwendigen Revisions- oder Entnahmeoperationen für vorübergehend benötigte Implantate. In diesem Zusammenhang sind die häufig erforderlichen Medikamente zur Verringerung von Fremdkörperreaktionen und ihre Nebenwirkungen eine zusätzliche Belastung der Patienten. Dies und der zusätzliche Eingriff führt zu erhöhter Belastungen des Patienten, höheren Kosten und operationsbedingten Risiken wie bspw. Infektionen. [WXH+20]
  3. Stress Shielding ist ein Defizit permanenter Implantate, welches insbesondere in der Orthopädie auftritt. Dieser Effekt hängt mit den mechanischen Eigenschaften der verwendeten Implantatmaterialien zusammen, insbesondere mit der Festigkeit und dem elastischen Verhalten. Die heute verwendeten Materialien haben in der Regel eine höhere Zugfestigkeit und ein höheres Elastizitätsmodul als der umgebende Knochen. Dadurch werden die Kräfte, die nativ gleichmäßig durch den Knochen geleitet werden, je nach Belastung lokal, punktuell in das weichere Füllmaterial (Spongiosa) des Knochens eingebracht. Bereiche des Knochens, die nun weniger belastet werden, werden zurückgebildet und dies kann zu einer Lockerung des Implantats führen. [WXH+20]
  4. Ein Nachteil bei der Behandlung junger, noch wachsender Patienten ist, dass sich Implantate, die lange Zeit im Körper verbleiben, nur bedingt dem Wachstum anpassen können. Dies kann zur Lockerung von Endoprothesen und so zu einem erhöhten Risiko der Migration von Stentimplantaten führen. Darüber hinaus können Implantate das natürliche Wachstum des Patienten negativ beeinflussen. [OTO+21]
  5. Implantate erschweren die Diagnostik anhand bildgebender Verfahren. Insbesondere metallische Implantate verursachen Bildartefakte in Röntgenaufnahmen oder bei CT-Scans, was die Auswertung des Bildmaterials erschwert oder unmöglich macht. [OTO+21]

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass es sinnvoll wäre Implantate zu verwenden, die während der Heilungsphase abgebaut werden, damit der Körper nach und nach seine natürliche Funktion wiederherstellen kann und langfristig keine Fremdkörper im Patienten zurückbleiben.

  1. Stand der Technik & Defizit

Bei der Auswahl geeigneter Implantatmaterialien müssen drei zentrale Materialeigenschaften berücksichtigt werden. Die Biokompatibilität, die mechanischen Eigenschaften sowie die Degradationszeit. Biokompatible Materialien verursachen keine nachteiligen Gewebereaktionen, sind metabolisierbar und erzeugen pH-neutrale Abbauprodukte. Was die mechanischen Eigenschaften betrifft, so müssen Zugfestigkeit und Elastizitätsmodul genauso wie die Degradationszeit in vivo der Heilungszeit der jeweiligen Anwendung entsprechen. [PRW+22]

Die Auswahl an in der aktuellen Forschung relevanten, abbaubaren Implantatmaterialien umfasst Polymere wie PLLA (Polymilchsäure) und PDS (Polydioxanon) sowie Metalle wie Eisen und Magnesium (Tabelle 1). Ein optimales Implantatmaterial sollte chemisch neutral abbaubar sein, eine biokompatibel sein und innerhalb des optimalen Korridors der Abbaudauer liegen. Insbesondere bei Anwendungen in Hohlorganen und Gefäßen sollten die mechanischen Eigenschaften des Implantatmaterials besonders hoch sein, um ein optimales Verhältnis zwischen Wandstärke und Stützkraft zu ermöglichen. Da PLLA und Eisen zu langsam degradieren, setzt sich Magnesium aufgrund seiner besseren Zugfestigkeit und Steifigkeit im Vergleich zu PDS als besser geeignetes Material für tragende und stützende Anwendungen durch. [PRW+22]

s. Anlage Tabelle 1: Eigenschaften degradierbarer Materialien [EBK+22; MLM+20; LFW14]

Es ist anzumerken, dass die Eigenschaften von purem Magnesium hinsichtlich der Anwendung für medizinische Implantate nicht ausreichend sind. Wie bei anderen Metallen können diese Eigenschaften anhand der Stellgrößen Legierungskomponenten, Kornstruktur sowie Geomtrie- und Oberflächengestaltung eingestellt werden. Dabei spielen das metallische Gefüge (Legierungszusammensetzung und Kornstruktur), die geometrische Gestaltung des Implantats, die Oberflächenbehandlung und die Beschichtung eine Rolle. Eine in der Medizintechnik häufig verwendete Legierung ist WE43, die Yttrium, verschiedene seltene Erden und Zirkonium enthält und eine hohe Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit aufweist. [LFW14] Es befinden sich bereits lasergeschnittene Implantate aus diesem Material wie der Magmaris-Stent von Biotronik SE, Berlin in klinischen Studien, Knochenschrauben wie die Magnezix-Schraube der Firma Syntellix AG, Hannover sind bereits auf dem Markt und auch an großvolumigen, 3D-gedruckten (Lasersintern) Lösungen wird geforscht. [HIK+18; Syn19] Die textile Verarbeitung von Mg-Draht zu textilen Implantaten ist nach aktuellem Stand der Technik noch wenig erforscht. Dabei besteht gerade im Bereich großlumiger Gefäßprothesen ein hoher, stark wachsender Bedarf. [GJG22; Mer23b]

  1. Methodik

Bei der Validierung von Magnesium als Implantatmaterial für die Herstellung abbaubarer, textiler Stützstrukturen sind initial zwei zentrale Fragen zu klären.

  1. Zum einen stellt sich die Frage nach der Verarbeitbarkeit des Ausgangsmaterials. Textile Prozesse erfordern spezifische, mechanische und tribologische Eigenschaften des Halbzeugs. Hierzu gehören eine hohe Zugfestigkeit, ein geeignetes Elastizitätsmodul und passende Biegesteifigkeit sowie ein verarbeitbarer Durchmesser des Ausgangsmaterials.
  2. Zum anderen muss die Eignung der Produkteigenschaften der textilen Strukturen für relevante klinische Indikationen gewährleistet sein. Hierzu gehören die mechanischen Eigenschaften (FRRF, FCOF) (1) sowie die mechanische Integrität bei zyklischer Belastung der Implantate (2).

3.1 Validierung der Verarbeitbarkeit

Am Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen wurde die Verarbeitbarkeit von Magnesium und vergleichbaren Werkstoffen zur Herstellung von textilen Schlauchstrukturen durch Stricken, Weben und Flechten bereits untersucht (IGF-Forschungsprojekt 18880 N "MagCage - Textiles Magnesium-Implantat mit spezifischem mechanischem und geometrischem Eigenschaftsprofil für die Behandlung großer Knochendefekte in Röhrenknochen"). Es konnte gezeigt werden, dass aus Magnesiumdraht schlauchförmige Strukturen durch Strickverfahren hergestellt werden können. Im Webprozess führte die Herstellung von Geweben mit geschlossenen Webkanten aufgrund der Biegesteifigkeit des Ausgangsmaterials zu unbrauchbaren, inhomogenen Ergebnissen. Die Verarbeitbarkeit im Flechtprozess wurde sowohl maschinell als auch manuell untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass der Magnesiumdraht mit geringen Modifikationen der Flechtklöppel verarbeitet werden kann. Auch die manuelle Verarbeitbarkeit des Magnesiumdrahtes konnte nachgewiesen werden (Siehe Abbildung 1). [Bol18]

s. Anlage Abbildung 1: Textile Verarbeitung von Magnesium-Draht [Bol18; Mer23a]

3.2 Validierung der Produkteigenschaften

Die Eignung von drahtbasierten Geflechten zur Anwendung als Implantat wurde am Institut für Textiltechnik am Beispiel von Stentimplantaten untersucht und bestätigt [Mer23b]. Eine Validierung der relevanten Produktparameter sowie der Dauerfestigkeit der Produkte steht noch aus und soll hier vorgestellt werden. Zur Prüfung der mechanischen Eigenschaften der Stentstrukturen bestehen genormte Verfahren wie die radiale Druckprüfung (DIN EN ISO 25539-2) (Siehe Abbildung 2). Dabei wird der Widerstand des Implantats gegen Kompression auf einen kleineren Durchmesser gemessen. Eine Bewertung kann z. B. anhand der radialen Stützkraft des Implantats bei einem Mindestdurchmesser von 50 % des Ausgangsdurchmessers vorgenommen werden.

s. Anlage Abbildungs 2:           Prüfvorrichtung zur Validierung der Radialkraft der Stentimplantate [Mer23a]

Im Rahmen der hier veröffentlichten Studien wurden zunächst zentrale Produktparameter (1) und ihr Einfluss auf die Zielgrößen Radialkraft (FRRF), Öffnungskraft (FCOF) sowie die bleibende Verformung (Längung, ΔDS und Stauchung, ΔLS) untersucht. Die berücksichtigen Produktparameter sind die Kronenzahl nK, der Flechtwinkel (Anzahl der Windungen nW) sowie die Länge der Implantate LS (Tabelle 2). Der Stent Durchmesser beträgt DS = 16 mm. Die Stentimplantate wurden manuell aus PEO-beschichtetem Mg-Draht der Firma Meotec GmbH, Aachen (DD = 0,2 mm) geflochten (Abbildung 3), in Anlehnung an die Prüfnorm DIN EN ISO 25539-2 geprüft und anhand eines faktoriellen Versuchsplanes ausgewertet.

s. Anlage Tabelle 2 und Abbildung 3: Tabelle 2:   Strukturmerkmale und Variationen und Abbildung 3:   Exemplarische Darstellung der Mg-Stentimplantate

Zur Validierung der Dauerfestigkeit (2) wurden in Anlehnung an die Prüfnorm DIN EN ISO 25539-2 zyklische Versuche durchgeführt. Das hierzu herangezogene Stentdesign ist ein Rundgeflecht mit einer Länge LS = 30 mm und einem Durchmesser von DS = 6 mm. Zur Validierung der Dauerfestigkeit wurde in Vorversuchen zunächst der Bereich der „elastischen Verformung“ des Implantates ermittelt. Es wurde ein Crimp-Durchmesser von DS = 85% D0 als überwiegend elastischer Prüfbereich definiert. Vollständige elastische Rückstellung ist mit dem vorliegenden Mg-Draht nicht möglich. Mit diesem Prüfdurchmesser wurden Versuchsreihen mit nP = 50 und 200 Zyklen durchgeführt und ausgewertet.

4. Ergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Parameteruntersuchung (1) sowie der Validierung der Dauerfestigkeit (2) vorgestellt.

Im Rahmen der Parameterstudie (1) konnte gezeigt werden, dass die Anzahl der Kronen nK einen deutlichen Einfluss auf die Radialkraft FRRF und die Öffnungskraft FCOF der Stents hat. Durch eine Erhöhung der Kronenanzahl nK von 6 auf 12 ergibt sich eine durchschnittliche Steigerung der Radialkraft FRRF um ca. 381 % und eine Zunahme der Öffnungskraft FCOF um durchschnittlich ca. 32 %. Des Weiteren führt die Erhöhung der Kronenanzahl nK zu einer signifikanten Veränderung der bleibenden Verformung. Dabei wurde eine Reduzierung der bleibenden Stauchung ΔDS von durchschnittlich ca. 65 % und eine Erhöhung der bleibenden Längung ΔLS von durchschnittlich ca. 33 % festgestellt.

Die Erhöhung der Anzahl der Windungen nW zeigt einen positiven Effekt in Bezug auf die Radialkraft FRRF und die Öffnungskraft FCOF der Stents. Durch eine Erhöhung der Anzahl der Windungen nW von 1 auf 2 wurde eine durchschnittliche Steigerung der Radialkraft FRRF um ca. 253 % und eine Zunahme der Öffnungskraft FCOF um ca. 212 % beobachtet. In Bezug auf die bleibende Verformung ist ein Anstieg um ca.  33 % bei der bleibenden Längung ΔLS erkennbar, während der Effekt auf die bleibende Stauchung ΔDS nicht eindeutig festzustellen ist.

Der Produktparameter Länge LS wirkt sich negativ auf die Radialkraft FRRF und die Öffnungskraft FCOF aus. Eine Erhöhung LS der Länge von 37 mm auf 45 mm führt zu einer durchschnittlichen Reduzierung der Radialkraft FRRF um ca. 11 % und zu einer durchschnittlichen Verringerung der Öffnungskraft FCOF um ca. 16 %. In Bezug auf die bleibenden Längung ΔLS und bleibende Stauchung ΔDS sind keine eindeutigen Effekte festzustellen. Die zahlenmäßigen Ergebnisse sind in Abbildung 4, die durchschnittlichen Effekte der einzelne Parameter auf die Zielgrößen in Tabelle 3 dargestellt. 

s. Anlage Abbildung 4 und Tabelle 3, Abbildung 3:   Exemplarische Darstellung der Mg-Stentimplantate und Tabelle 3:        Mittlerer Effekt auf Zielgrößen (Faktorieller Versuchsplan)

Die Validierung der Dauerfestigkeit (2) wurde bei einem Prüfdurchmesser von DS = 85% D0 validiert (nP = 10) und durchgeführt (Abbildung 5, links). Die zyklischen Versuche wurden zunächst mit nP = 50 Zyklen durchgeführt (Abbildung 5, rechts).

s. Anlage Abbildung 5:           Zentrale Ergebnisse der zyklischen Versuche (1/2)

Die maximale Radialkraft (DS,85) des Implantates schwankt über den Prüfverlauf, während die geometrische Integrität erhalten bleibt. Es kommt zu keiner nennenswerten plastischen Verformung. Eine Veränderung der Stützkraft über den Prüfverlauf ist nicht erkennbar (Abbildung 6, links). Die mittlere Radialkraft stagniert zwischen 11,5 N und 10,7 N, bei einer Standardabweichung von 0,3 – 0,5 N. Die Radialkräfte von Zyklus 1., 25. und 50. unterscheiden sich nicht signifikant. Die Versuchsreihe mit nP = 200 Zyklen (nS = 1) ergibt ein ähnliches Ergebnis (Abbildung 6, rechts). Die Streuung der Ergebnisse nimmt erheblich zu, aber es ist keine Tendenz erkennbar.

s. Anlage Abbildung 6:           Zentrale Ergebnisse der zyklischen Versuche (2/2)

4. Fazit und Ausblick

Die Anwendungsbereiche für drahtbasierte Implantate wie bspw. Stentimplantate sind groß und nehmen zu. Degradierbare Implantate gelten dabei als vielversprechender Lösungsansatz, um die Defizite permanenter Implantate auszuräumen. Drahtbasierte Fertigungsverfahren zur Herstellung von Mg-Implantaten sind allerdings kaum untersucht. Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden Ergebnisse zu relevanten mechanischen Eigenschaften von Mg-Implantaten und wie diese im Produktdesign eingestellt werden können präsentiert.

Die Ergebnisse der Studie zeigen signifikante Effekte der zentralen Produktparameter, insbesondere auf die Zielgrößen Radialkraft FRRF und Öffnungskraft FCOF. Im Hinblick auf die Öffnungskraft FCOF ergibt sich die Anzahl der Windungen nW aber auch die Anzahl der Kronen nK als entscheidende Faktoren mit größtem Optimierungspotential. Es stellte sich auch heraus, dass die Länge LS einen schwach negativen Einfluss auf die Öffnungskraft FCOF hat, was bei der Auslegung berücksichtigt werden sollte. Eine Bewertungsübersicht der zentralen Ergebnisse bezüglich der Effektstärken ist in Tabelle 4 dargestellt.

Die zyklischen Versuche zeigen, dass Mg-Draht basierte Stentimplantate eine geringe Ermüdungsneigung aufweisen und eine vollelastische Strukturstabilität der textilen Strukturen nach einmaliger Verformung im 1. Prüfzyklus gegeben ist. Bis zu nP = 200 Zyklen wurden kein Materialversagen oder anderweitige Unregelmäßigkeiten beobachtet. Auch wenn die Forschung noch am Anfang steht, zeigt diese, wie auch vorangegangene Veröffentlichungen [Mer23b; GJG22], das Magnesium als Implantatmaterial für drahtbasierte (Stent-)Implantate ein Werkstoff mit hohem Innovationspotenzial ist.

s. Anlage Abbildung 6:           Zentrale Ergebnisse der zyklischen Versuche (2/2)

 

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World journal of clinical cases Band:3 (2015)      H. 1, S. 52–57

[Syn19]       Syntellix AG: Bioresorbierbare Magnesiumschrauben (MgYREZr) in der orthopädischen Chirurgie, 2019, https://wehrmed.de/humanmedizin/bioresorbierbare-magnesiumschrauben-mgyrezr-in-der-orthopaedischen-chirurgie-3832.html, Zugriff am 18.07.2023

[WXH+20]        Wang, J.-L.; Xu, J.-K.; Hopkins, C.; Chow, D. H.-K.; Qin, L.:
Biodegradable Magnesium-Based Implants in Orthopedics-A General Review and Perspectives: Advanced science (Weinheim, Baden-Wurttemberg, Germany) Band:7 (2020) H. 8, S. 1902443

Authors: Merkord, Felix Newroly, Bendewar Gerber, Dennis Gries, Thomas

Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen, Otto-Blumenthal-Str. 1, 52074 Aachen

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20.02.2023

Entwicklung bekleidungstechnischer Assistenzsysteme zur Unterstützung der Mobilität älterer Menschen

Sustainability Technical Textiles Smart Textiles Medicine Tests

Abstract

Am ITM erfolgte im IGF-Projekt 21603 BR/1 die Entwicklung bekleidungstechnischer Assistenzsysteme zur Unterstützung der Mobilität älterer Menschen. Im Rahmen des Projektes wurde ein passives Exosuit zur Unterstützung der Aufstehbewegung (Sit-To-Stand – STS-Bewegung) prototypisch umgesetzt.

 

Report

1. Einleitung

Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis und eine wesentliche Voraussetzung, um sich sozial in die Gesellschaft zu integrieren. Mit steigender Lebenserwartung und dem damit verbundenen demographischen Wandel wird das Thema Mobilität künftig zunehmend wichtiger. Ältere Menschen vermeiden es aufgrund körperlicher Einschränkungen, ohne fremde Hilfe ihren Wohnraum zu verlassen. Der Verlust der Mobilität ist eines der maßgeblichen Risiken des Alterns [1].

In den letzten Jahren wurden unter Einsatz von Robotik und Mechatronik tragbare Roboter, Anzüge oder Geräte entwickelt, die mittels externer Kräfte zur Unterstützung der menschlichen Mobilität beitragen (aktive Exoskelette) [2]. In aktuellen Forschungen geht es um die Gestaltung von Soft-Exosuits, die keinen äußeren starren Rahmen haben, aber auch auf der Wirkung externer Kräfte basieren [3]. Aus medizinischer Sicht ist die Anwendung derartige Lösungen für ältere Menschen, die nur altersbedingte körperliche Einschränkungen haben, umstritten. Fehlende aktive Bewegung führt in der Regel zu einer Rückbildung der Muskulatur, was nicht im Sinne der potentiellen Nutzer wäre. Während im Bereich des Hochleistungs- und Freizeitsports seit Jahrzehnten an der Material- und Schnittentwicklung für Funktionskleidung gearbeitet wird, ist der Kundenkreis der älteren Menschen bisher vernachlässigt worden [4-8].

2. Zielsetzung und Lösungsweg

Ziel dieser Forschung war es deshalb, durch bekleidungstechnische Assistenzsysteme die Mobilität älterer Menschen zu unterstützen ohne die körpereigenen Kräfte abzubauen und einem Muskelabbau weitgehend entgegenzuwirken. Im Rahmen des Projektes wurde ein passives Exosuit zur Unterstützung der Aufstehbewegung (Sit-To-Stand – STS-Bewegung) prototypisch umgesetzt.

Die bekleidungstechnischen Assistenzsysteme für die STS-Bewegung wurden in Form von Funktionswäsche entwickelt, die unter der normalen Tageskleidung getragen werden kann. Diese besteht aus textilen Materialien unterschiedlicher Dehnsteifigkeiten, die die Bewegung des Menschen durch eine gezielte Energiespeicherung/-abgabe, die auf die erforderlichen Muskelkräfte abgestimmt ist, fördern. Die textiltechnische Unterstützung soll unter Berücksichtigung des zu gewährleistenden Tragekomforts nicht das ganze Gewicht des Menschen tragen. Somit muss ein Kompromiss zwischen Tragkraft und Unterstützungslevel gefunden werden. Die belastungsangepasste Materialauswahl erfolgt auf Grundlage biomechanischer Modellierung/Simulation sowie der textilphysikalischen Materialcharakterisierung. Abbildung 1 zeigt die zur Erreichung des Forschungszieles nötigen Prozessschritte.

3. Ergebnisse

Die Ergebnisse sind in folgende Kapitel unterteilt:

3.1 Erfassung von Scandaten mobilitätseingeschränkter Probanden

3.2 Generierung personenindividueller kinematischer/biomechanischer Menschmodelle zur Simulation der Bewegung

3.3 Berechnung/Simulation der Muskelkräfte

3.4 Schnitttechnische Entwicklung des Assistenzsystems und Funktionalisierung

3.5 Validierung der Assistenzwirkung

Die umfassende Ergebnispräsentatiom finden Sie in der Veröffentlichung, die zum Download (pdf-Datei) zur Verfügung steht.

4. Zusammenfassung

In diesem Forschungsvorhaben wurde ein passives bekleidungstechnisches Assistenzsystem in Form von Funktionswäsche für Menschen mit leichten Mobilitätseinschränkungen entwickelt. Dabei geht es darum, den Bewegungsapparat zu entlasten, d. h. die für eine STS-Bewegung benötigten Kräfte zu reduzieren und die Stabilität der Bewegungen zu erhöhen. Dazu wurden personenindividuelle Daten scantechnisch erfasst, textile Materialien unterschiedlicher Dehnsteifigkeiten ausgewählt und charakterisiert, die zu unterstützenden Muskelkräfte in Abhängigkeit der definierten Bewegung simuliert sowie die Schnittgestaltung und Positionierung von Funktionselementen dementsprechend anforderungsgerecht ausgeführt. EMG-Messungen zeigen die unterstützende Wirkung des passiven Assistenzsystems. Die Reduzierung der detektierten Muskelaktivität liegt für die relevanten Muskelgruppen zwischen 6% und 40 %. Damit stellen sie künftig eine erfolgversprechende, nutzerorientierte und alltagstaugliche Lösung dar, um die Mobilität zu unterstützen, ohne die körpereigenen Kräfte abzubauen und einem Muskelabbau entgegenzuwirken.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21603 BR/1 der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Die vollständige Veröffentlichung steht zum Download zur Verfügung.

Authors: Ellen Wendt, Doudou Zhang, Sybille Krzywinski, Yordan Kyosev

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

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18.10.2022

In-situ structural monitoring of fibre-reinforced plastic composites under compressive loading

Yarns Composites Sensor Technology Sustainability Technical Textiles Tests

Abstract

Continuous structural monitoring of FRP components, especially in complex, changing load scenarios, represents an efficient solution approach to detect potentially occurring fatigue or damage at an early stage. Especially in FRP components, textile-based sensors are an economical solution for continuous in-situ structure monitoring, due to their high structural compatibility and direct textile integration during textile production.       

The textile-based sensor concept developed in this research project was electromechanically characterised at the yarn and composite scale and was further processed in multiaxial warp-knitting to manufacture functionalised fabrics. The sensor functionality in CFRP specimen was tested in tensile, pressure and bending tests. Finally, a CFRP profile demonstrator was used to test and prove the practical feasibility and functionality. These "smart composites" not only enable continuous in-situ structural monitoring of FRP components under tensile, bending and, especially, compressive stress, but can also be used to detect cracking and delamination processes. This allows both the understanding of the material behaviour to be improved and taken into account for future designs, as well as necessary measures to be initiated to ensure the functionality of the overall system.

Report

Introduction

Fibre-reinforced composite structures are currently used in the fields of mechanical engineering, aircraft construction and automotive engineering, among others, due to their excellent mechanical properties combined with a high lightweight construction potential [1]. In the construction sector, high-performance textiles are increasingly being used as a substitute for steel reinforcement in textile reinforced concrete [2], due to their mechanical and chemical properties and the resulting resource-saving, filigree, lightweight construction potential. The long-term stable functionality and safety of fibre-reinforced composite structures is urgently required due to their frequent use in safety-critical components and structures. A promising practice-oriented approach is the continuous structural monitoring in order to quantify the (residual) load-bearing capacity and to initiate any necessary measures to ensure functional capability. A particularly economical and structurally compatible solution are textile-based sensors that are integrated during the manufacture of the textile reinforcement and used to detect complex load scenarios as well as cracking and delamination processes at the composite scale. [3 – 6]

Due to their operating principle, textile-based strain sensors are mainly used for monitoring composite structures subjected to tensile stress. In order to be able to derive reliable statements about structural changes and critical overload conditions even in complex overlapping stress scenarios (e.g. tensile and compressive stresses), textile-based pressure sensitive sensor systems for continuous in-situ structural monitoring for FRP were developed in IGF project 21169 BR.

Objective and solution

The aim of the IGF research project was the development, characterisation and testing of textile-based pressure sensitive sensor systems and their textile-technical integration in multi-axial warp knitting for the production of sensor-functionalised textile reinforcements for use in FRP. The requirements for the textile sensors were derived simulation-based by analysing a functional demonstrator. The textile sensors were specifically designed to detect structural deformations induced by tensile, bending and especially compressive stresses. Therefore, the approach of increasing the pressure sensitivity of textile sensors by pre-tension was investigated. The sensor behaviour was extensively analysed in electromechanical investigations at fibre and composite scale and tested on the functional demonstrator.

Acknowledgement

The IGF project 21169 BR of the Research Association Forschungskuratorium Textil e.V., Reinhardtstr. 12-14, 10117 Berlin was funded by the Federal Ministry of Economics and Climate Protection via the AiF within the framework of the programme for the promotion of joint industrial research and development (IGF) on the basis of a resolution of the German Bundestag.

The authors would like to thank the above-mentioned institutions for providing the financial resources. The research report and further information are available from the Institute of Textile Machinery and High Performance Textile Materials Technology at TU Dresden.

Authors: Le Xuan, Hung; Seidel, André; Hahn, Lars; Nocke, Andreas; Cherif, Chokri

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

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18.10.2022

In-situ-Strukturüberwachung von Faserkunststoffverbunden unter Druckbeanspruchung

Yarns Composites Sensor Technology Sustainability Technical Textiles Tests

Abstract

Die kontinuierliche Strukturüberwachung von FKV-Bauteilen vor allem in komplexen, wechselnden Belastungsszenarien stellt einen effizienten Lösungsansatz dar, um frühzeitig potenziell auftretende Ermüdungserscheinungen oder Schäden zu detektieren. Gerade in FKV-Bauteilen sind textilbasierte Sensoren eine wirtschaftliche Lösung zur kontinuierlichen In-situ-Strukturüberwachung, aufgrund ihrer direkten textiltechnischen Integration während der Flächenbildung und hohen Strukturkompatibilität.    

Das in diesem Forschungsprojekt entwickelte textilbasierte Sensorkonzept wurde auf der Garn- und Verbundebene elektromechanisch charakterisiert und wurde im Multiaxialkettenwirken zu funktionalisierten Gelegen und fortführend in etablierten Verbundbildungstechnologien zu CFK-Proben weiterverarbeitet sowie umfangreich in Zug-, Druck- und Biegeversuchen charakterisiert. Anhand eines CFK-Profil Demonstrators wurde die praktische Umsetzbarkeit und Funktionsfähigkeit erprobt und bewiesen. Diese „Smart-Composites“ ermöglichen nicht nur eine kontinuierliche In-situ-Strukturüberwachung von FKV-Bauteilen unter Zug-, Biege- und vor allem Druckbeanspruchung, sondern können auch für die Detektion von Riss- und Delaminationsvorgängen eingesetzt werden. Dadurch können sowohl das Verständnis des Materialverhaltens verbessert und für zukünftige Auslegungen berücksichtigt als auch erforderliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems eingeleitet werden.

Report

Einleitung

Faserverstärkte Verbundstrukturen (Composites) werden gegenwärtig u. a. in den Bereichen des Maschinen-, Flugzeug- und Automobilbaus aufgrund der ausgezeichneten mechanischen Eigenschaften bei gleichzeitig höchstem Leichtbaupotenzial eingesetzt [1]. Auch im Bausektor finden Hochleistungstextilien, substituierend zur Stahlbewehrung, zunehmend Anwendung im Carbonbeton [2], aufgrund ihrer mechanischen sowie chemischen Eigenschaften und der daraus resultierenden ressourcenschonenden, filigranen Leichtbauweise. Die langzeitstabile Funktionsfähigkeit und Sicherheit von faserverstärkten Verbundstrukturen ist durch den häufigen Einsatz in sicherheitskritischen Komponenten und Strukturen dringend erforderlich. Ein vielversprechender praxisorientierter Lösungsansatz stellt hierbei die kontinuierliche Strukturüberwachung dar, um die (Rest-)Tragfähigkeit zu quantifizieren und um ggf. erforderliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit einzuleiten.  
Eine besonders wirtschaftliche und strukturkompatible Lösung sind textilbasierte Sensoren, die während der Herstellung der textilen Verstärkungshalbzeuge integriert und zur Erfassung komplexer Lastfälle sowie Riss- und Delaminationsvorgänge auf Verbundebene eingesetzt werden. [3 – 6]

Textilbasierte Dehnungssensoren werden prinzipbedingt vorwiegend zur Überwachung in zugbeanspruchten Verbundstrukturen eingesetzt. Um zuverlässige Aussagen über strukturelle Veränderungen und kritische Überlastzustände auch in komplex überlagerten Beanspruchungsszenarien (bspw. Zug- und Druckbeanspruchungen) ableiten zu können, wurden im IGF-Projekt 21169 BR textilbasierte druckmessfähige Sensorsysteme zur kontinuierlichen In-situ-Strukturüberwachung für FKV entwickelt.

Zielsetzung und Lösungsweg

Das Ziel des IGF-Forschungsprojekts war die Entwicklung, Charakterisierung und Erprobung textilbasierter druckmessfähiger Sensorsysteme und deren textiltechnische Integration im Multiaxialkettenwirken zur Herstellung sensorisch-funktionalisierter textiler Verstärkungshalbzeuge für den Einsatz in FKV. Das Anforderungsprofil an die textilen Sensoren wurde anhand eines Funktionsdemonstrators simulationsgestützt abgeleitet und gezielt darauf ausgelegt strukturelle Deformationen durch einwirkende Zug-, Biege- und vor allem Druckbeanspruchungen zu erfassen. Hierfür wurde der Ansatz verfolgt, die Drucksensitivität von textilen Sensoren durch die gezielte Einstellung und Aufrechterhaltung einer Vorspannung bzw. -dehnung zu erhöhen. Das Sensorverhalten wurde umfangreich in elektromechanischen Untersuchungen auf Faser- und Verbundebene analysiert und am Funktionsdemonstrator erprobt.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21169 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V., Reinhardtstr. 12-14, 10117 Berlin wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Authors: Le Xuan, Hung; Seidel, André; Hahn, Lars; Nocke, Andreas; Cherif, Chokri

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

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