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05.02.2025

Reparatur komplex gekrümmter Faser-Kunststoff-Verbund-Bauteile in Duromerbauweise

Knittings Composites Textile machinery Technical Textiles

Abstract

Das Ziel war die Entwicklung von Technologien zur Herstellung zweiachsig-gestufter, end-konturgerechter 3D-Textilpatches mit freien Fadenenden, die für die Reparatur komplex gekrümmter faserverstärkter Kunststoffbauteile (FKV) in Duromerbauweise, wie sie in der Anlagen- und Fahrzeugindustrie eingesetzt werden, geeignet sind. Dafür wurde die Mehrlagenstricktechnik (MLG) weiterentwickelt, unterstützt durch eine simulationsbasierte Prozesskette. Diese ermöglichte es, die 3D-Textilpatches passgenau und lastpfadgerecht in Schadstellen einzubringen und anschließend im Vacuum Assisted Process (VAP) zu rein-filtrieren. Für die Realisierung der 3D-Textilpatches wurden modulare Zusatzeinrichtungen für Flachstrickmaschinen entwickelt. Diese ermöglichten die gezielte Garnzuführung, Unterbrechung, Ablängen und Wiedereinführung von Kett- und Schussfäden mit definierten Längen und freien Fadenenden. Durch Variation der Strickparameter wurden optimal gestufte 3D-Textilpatches erzeugt. Diese Patches entsprachen in Geometrie, Lastpfad und Faservolumengehalt den Eigenschaften des unbeschädigten Bauteils. Zur Verankerung der 3D-Textilpatches an den Bauteilen war eine präzise Entfernung der Matrix notwendig. Dafür wurde ein UV-aktiviertes Halbleiteroxid-Verfahren zur schichtweisen, selektiven Matrixdegradation weiterentwickelt. Ein robotergeführtes System kam zum Einsatz, um das Halbleiteroxid präzise aufzutragen und die UV-Aktivierung gezielt zu steuern, um die Matrix exakt abzutragen, ohne die Randbereiche zu beschädigen. Insgesamt ermöglicht die Kombination aus simulationsgestützter Entwicklung, innovativer Textiltechnologie, chemischen Verfahren und robotergestützter Applikationen die Realisierung einer Repa-raturtechnologie, die die Tragfähigkeit komplexer 3D-FKV-Bauteile nahezu vollständig wiederherstellen und ihre Lebensdauer signifikant verlängern kann.

Report

1 Einleitung

Faser-Kunststoff-Verbunde (FKV) können zur konsequenten Ausnutzung des Leichtbau-potenzials beitragen, da den aus der jeweiligen Bauteilanwendung resultierenden struk-turmechanischen Anforderungen durch textile Verstärkungsstrukturen mit maßgeschnei-derten, anisotropen Eigenschaften in hohem Maße entsprochen werden kann. Zudem können FKV im Vergleich zu Metallen deutlich höhere gewichtsbezogene Steifigkeiten und Festigkeiten aufweisen. Mit dem gegenwärtig steigenden Einsatz von FKV erhöht sich auch der Bedarf an leistungsfähigen und bedarfsgerechten Reparaturkonzepten für geschä-digte Komponenten [1]. Schäden an FKV-Bauteilen resultieren vor allem aus deren Ge-brauch, z. B. durch außergewöhnliche Betriebslasten sowie Impakt- bzw. Stoßbeanspru-chungen. Als häufigste Ursachen beispielsweise in der Luftfahrt traten u. a. Impaktereig-nisse durch Vogelschlag sowie Kollisionen mit Vorfeldfahrzeugen und aufgewirbelten Teilen auf den Start- und Landebahnen auf [2]. Ebenso können Produktionsfehler, die bei sicherheitskritischen Anwendungen zu einem Ausschussbauteil führen, eine Reparatur erforderlich machen, z. B. bei lokal unvollständiger Infiltration des Laminats. Für die verfügbaren Reparaturverfahren besteht gegenwärtig noch keine flächendeckende Verbreitung sowie keine uneingeschränkte Anwendbarkeit [3]. Es wurden verschiedene Reparaturmethoden für spezielle Bauteilgruppen und Einzelfälle entwickelt, z. B. das Heraustrennen der Schadstelle und das anschließende Fügen eines neuen FKV-Patches durch Kleben bzw. Nieten, wobei die verstärkenden Endlosfasern durchtrennt und so die mechanische Leistungsfähigkeit herabgesetzt werden. Bei Klebeverbindungen muss die Reparaturfläche deshalb großflächig geschäftet werden, um eine effiziente Kraftübertragung über Schubbelastung zu gewährleisten. Damit sind solche Reparaturkonzepte vor allem für großflächige und nur leicht gekrümmte Bauteile geeignet, z. B. Flugzeugkomponenten. Komplex gekrümmte Bauteile mit hoher Wandstärke, z. B. im Anlagen- und Fahrzeugbau, sind aufgrund der notwendigen großen Schäftverhältnisse bis zu 1:60 [4, 5] und der tech-nisch herausfordernden spanenden Schäftung, z. B. durch Fräsen, vor allem im eingebau-ten Zustand des Bestandsbauteils nicht unmittelbar bzw. nur zu Lasten erheblich redu-zierter mechanischer Eigenschaften reparierbar.

Ein hohes Innovationspotenzial zur Behebung der genannten Defizite von Reparaturen gekrümmter FKV-Bauteile besitzt ein von der TU Dresden patentiertes Verfahren bei dem der Matrixwerkstoff im geschädigten Bereich chemisch durch gezielte Aktivierung von Halbleiteroxiden (HLO) mit einer gesteuerten Ultraviolett (UV)-Strahlungsquelle abgebaut und die Faserstruktur freigelegt werden [6–8]. Dieses Verfahren wurde am ITM bisher an ebenen CFK-Proben (Carbonfaserverstärkter Kunststoff) validiert [8–10] und an lediglich leicht gekrümmten, dünnwandigen Basisbauteilen erfolgreich erprobt.

Mit dem hier verfolgten Lösungsansatz sollen neuartige, biaxial gestufte, endkontur- und lastpfadgerechte 3D-Textilpatches mit freien Fadenenden im Kantenbereich zur Reparatur komplex gekrümmter 3D-FKV-Bauteile entwickelt und getestet werden. Zur Fertigung derartiger 3D-Textilpatches auf Flachstrickmaschinen sind technologisch-konstruktive Weiterentwicklungen zur Realisierung konturgerechter Stufungen mit freien Fadenenden notwendig, um eine bestmögliche Kraftübertragung zwischen Patch und Verbundbauteil sicherstellen zu können. Zur kraftschlüssigen Anbindung des 3D-Textilpatches an die Grundstruktur wird zudem das Matrixabbauverfahren so weiterentwickelt, dass ein sequentieller (d. h. schichtweiser, gestufter) 3D-Matrixabbau erfolgt. Weiterhin wird ein Simulationsmodell entwickelt mit dem der Reparaturbereich und die Patches ausgelegt werden können. Die Umsetzung der Reparatur soll zudem automatisiert mittels Robotertechnik möglich sein.


2 Stand der Forschung und Technik


2.1 Reparaturansätze für FKV

Für die Reparatur von FKV-Bauteilen sind heute vor allem folgende Strategien anwendbar: der Austausch von Bauteil(-sektion)en, die Dopplerreparatur und das Einkleben eines Reparaturpatches nach vorheriger Schäftung. Die Reparatur dünnwandiger Bauteile erfolgt mittels Doppler ohne Wiederherstellung der Oberfläche, da ein oder beidseitig Metallbleche oder FKV-Patches auf die Schadstelle geklebt oder genietet werden [11]. Bei der kontinuierlichen oder gestuften Schäftung wird die Schadstelle mechanisch händisch bzw. mittels CNC-Fräse oder laserbasiert abgetragen [12, 13]. Robotergestützte Verfahren sind vor allem für großflächige und leicht gekrümmte Strukturen in der Luftfahrt bekannt [5, 14–16]. Die Reparatur der Schadstelle erfolgt jedoch weiterhin durch Handlaminieren bzw. das Einkleben eines neuen FKV-Patches. Bei komplex gekrümmten Strukturen ist dagegen das mechanische Fräsen aufgrund der schwierigen Zugänglichkeit und der großen Schäftungsbereiche nur schwer möglich. Der Laserabtrag erfordert eine komplexe Anlagentechnik und führt zu signifikanter Faserschädigung durch thermische Einwirkung. Insgesamt fehlt also ein effizientes Verfahren zur Freilegung der Schadstelle für komplex gekrümmte Geometrien. Bei einem an der RWTH Aachen eintwickeltem Reparaturkonzept für Automobile in CFK-Bauweise wurde die Schadstelle an einem Hutprofilbauteil durch konventionelles mechanisches Schäften abgetragen und ein FKV-Patch eingeklebt [12, 17]. Dessen Herstellung erfolgte als textile Preform im Doppler-Diaphragma-Umformverfahren mit anschließender Harzinfusion und Konsolidierung. Die konsolidierten FKV-Patches wurden in die geschäftete Reparaturstelle durch mechanische Bearbeitung eingepasst und manuell eingeklebt.

Der wesentliche Nachteil der genannten FKV-Reparaturverfahren ist der trotz bestehender Automatisierungsansätze generell hohe manuelle Arbeitsaufwand, der daher bei der Übertragung auf komplex gerümmte Bauteile in der Regel zu zeit- und kostenaufwändig ist und häufig eine mangelnde Reproduzierbarkeit der Verbundqualität im Reparaturbereich erwarten lassen. Die Übertragung der Schubkräfte durch den Reparaturpatch erfordert eine großflächige Entfernung der noch intakten Verbund- und damit der textilen Verstärkungsstruktur beim Schäften weit über die eigentliche Schadstelle hinaus. Damit sind die verfügbaren Reparaturansätze hauptsächlich für großflächige und nur leicht gekrümmte Bauteile geeignet, z. B. Flugzeugrümpfe, Rotorblätter oder Bootsrümpfe. Neben Reparaturverfahren mit spanendem Abtrag gibt es auch reine Matrixentfernungsverfahren. Bei halbleiterbasierten Verfahren wird durch aktivierte Metallhalbleiteroxide eine radikalische Depolymerisation der Matrix initiiert. Mit Hilfe thermischer Aktivierung wird dies zum Recycling von CFK-Strukturen durch TSUKADA et al. eingesetzt [18]. Die Nutzung dieses Verfahrens für einen lokalen Abtrag der Matrix wurde ansatzweise durchgeführt, wobei sich die Untersuchungen ausschließlich auf thermische Betrachtungen beschränkten. Am ITM der TU Dresden wurde ein UV-induziertes Matrixabbauverfahren umgesetzt [8, 10]. Wesentliche Vorteile sind die kurzen Prozesszeiten und der faserschonende Matrixabbauprozess zur Freilegung der Fasern.


2.2 Mehrlagenstrick-Technik zur Fertigung dreidimensionaler textiler Verstärkungsstrukturen


Zur Herstellung endkonturgerechter 3D-Textilpatches ist die Mehrlagenstrick-(MLG)-Technik aufgrund der damit realisierbaren hohen Strukturdiversität in der Flächenbildung anforderungsgerechter Verstärkungsstrukturen prädestiniert, mit einem hohen Potenzial zur direkten Ausbildung endkonturnaher und anforderungsgerechter Geometrien textiler Verstärkungsstrukturen, die als verstärkte MLG-Halbzeuge mit in der Maschenstruktur in-tegrierten, belastungsgerecht angeordneten Verstärkungsfadensystemen gefertigt werden können [19–21]. Um endkonturgerechte und zur Verstärkungsrichtung in der Reparaturstelle des Bestandsbauteils passende, in Negativform gestufte 3D-Textilpatches mit freien Fadenenden zur bestmöglichen Kraftübertragung zwischen Patch und Verbundbauteil herstellen zu können, sind allerdings technologisch-konstruktive Entwicklungen der MLG-Technik erforderlich, wofür im Forschungsprojekt zwei Zusatzeinrichtungen entwickelt werden sollten.


2.3 Modellierung von textilen Verstärkungsstrukturen


Modelle für textile Strukturen auf Basis der Finite-Elemente-Methode (FEM) lassen sich in makroskopische Kontinuumsansätze und diskrete Ansätze unterscheiden, die die Mikro- bzw. Mesostruktur des Textils abbilden. In Makroskalenansätzen wird das Textil als homogenes Material mit verschmierten Eigenschaften modelliert [22–24]. Diskrete Textilmodelle auf der Mikro- oder Mesoskala bilden dagegen das textile Werkstoffverhalten über die Abbildung der Faser- oder Garnarchitektur ab [25–27]. Modellentwicklungen konzentrierten sich dabei primär auf Gewebe, Geflechte und Gelege. Gestricke und damit verstärkte FKV wurden in der Literatur bisher vergleichsweise wenig betrachtet. Modelle für unverstärkte Gestricke [28, 29] und mit starken Vereinfachungen für biaxial verstärkte Gestricke [30–32] wurden u. a. am ITM der TU Dresden vorgestellt. Die Anwendungen bezogen sich auf 2D-Gestricke, die simulativ in textilphysikalischen Charakterisierungen und Drapieruntersuchungen analysiert wurden. Die Auslegung 3D-gestrickter Verstärkungsstrukturen war bisher nicht Gegenstand der Forschung und erfordert die Entwicklung numerischer Modelle für die angestrebte Simulationskette.

3 Material und Methoden


3.1 Material


Beispielhaft soll das Reparaturverfahren für ein Faserverbund-Bauteil in CFK-Duromerbauweise und einem darauf basierenden textilen Patch dargestellt werden. Das FKV-Bauteil entspricht einer Halbkugel mit einem Durchmesser von 200 mm und einer Wandstärke von ca. 2,0 mm. Das Bauteil wurde aus einer mehrlagengestrickten Preform mit dem Lagenaufbau: 0/90/0/90/0/90 hergestellt. Materialseitig wurden die Reparaturpatches aus Kohlenstofffasern (CF) mit einer Feinheit von 800 tex in Kett- und Schussrichtung und aus einem PA6-Garn (25 tex) als Maschenfaden hergestellt.

3.2 Entwicklung eines FEM-Simulationsmodells zur Auslegung gestrickter 3D-Textilpatches


Das zu reparierende Bauteil sowie die Reparaturpatches wurden in einem Mesoskalen-FEM-Modell in der Software LS-DYNA modelliert und simuliert. Kett- und Schussfäden wurden mittels Schalenelementen und die Maschenfäden mittels Balkenelementen ins Modell implementiert. Die Matrix wurde mittels Solid-Elementen abgebildet und anschließend mit der modellierten textilen Struktur zu einem Verbundmodell kinematisch gekoppelt. Das Basistextil des Verbundbauteils bestand aus jeweils drei Kett- und Schusslagen in 0°/90°-Richtung. Zur Simulation eines Defektes wurde ein Loch mit 5 mm Durchmesser integriert. Im Defektbereich des Bauteils, in den später das 3D-Textilpatch eingebracht wird, wurden die Matrix zunächst entfernt und die Textilschichten entsprechend der Topologie des 3D-Textilpatches gestuft entfernt. Für die Untersuchung der notwendigen Überlappungslänge des Textilpatches wurden drei Stufen festgelegt. Die Überlappungslänge des Textilpatches sollte nicht zu klein sein, da dies die manuelle Handhabung erschwert. Andererseits sollte sie auch nicht zu groß sein, da dies einen erhöhten Materialbedarf mit sich bringt. Die gewählten Varianten waren 10 mm, 15 mm und 20 mm. Für die Schichten des Patches wurde eine Verstärkungsfaserorientierung 0°/90° gemäß der Faserorientierung im Ausgangsbauteil modelliert.

 

3.3 Verfahrensentwicklung zum sequentiellen 3D-Matrixabbau an gekrümmten Strukturen


Das Ziel war die Entwicklung einer selbstklebenden Halbleiteroxid-(HLO)-Formulierung für vertikale und über Kopf zu reparierenden Bauteilen. Dazu wurden drei Polymere (Polyurethan, Polyvinylalkohol und Acrylat) hinsichtlich ihrer Haftungseigenschaften untersucht. Die Polymerlösungen wurden in drei Konzentrationen in Wasser hergestellt und mit den HLO (TiO₂, CeO₂) versetzt. Die rheologische Charakterisierung zeigte für die 40 %ige PU-Formulierung stabile Viskositätswerte (160-443 mPa·s), die sich durch die HLO-Zugabe kaum veränderten und im angegebenen Bereich (20-500 mPa·s) lagen. Nur die 40 %ige Polyurethan (PU)-Lösung und die 15 ̶ 17 %ige Polyvinylalkohol(PVA)-Lösung wurden als versprühbar bewertet (max. 1000 mPa·s). Das Trocknungsverhalten der Polymerlösungen wies einen gleichmäßigen Wasserverlust und eine vollständige Trocknung nach etwa 35 Minuten auf, wobei eine Ausnahme bei der 40 %igen PU-Lösung zu verzeichnen war. Die Auswahl eines geeigneten selbsthaftenden HLO-Lösungssprühfilms für einen photokatalytischen Matrixabbau erfolgte mittels des UV-Strahlers HB2 HANDELD LED 385 nm (UVITERNO AG, Berneck/ Schweiz). Für die Verfahrensvalidierung wurde der HLO-Lösungssprühfilm mit dem HLO Ceriumdioxid (CeO2, LIFE TECHNOLOGIES GMBH, Darmstadt/ Deutschland) mit einer Menge von 0,4 mg/cm2 und einer 40% PU-Dispersion (KREMER PIGMENTE GMBH & CO. KG, Aichstetten/ Deutschland) gewählt.

3.4 Technologisch-konstruktive Entwicklung der Mehrlagenstricktechnologie zur Fertigung gestufter 3D-Textilpatches


Für die textiltechnische Herstellung der 3D-Reparaturpatches war die technologische Entwicklung der Mehrlagenstricktechnologie notwendig. Die biaxiale Abstufung, die der Faserorientierung des Bauteils entspricht, wurde durch folgende Schritte umgesetzt: (i) eine schichtweise Integration von Fasern und (ii) Zuschneiden und anschließendes Wiedereinbringen einer variierenden Anzahl von Kett- und Schussfäden mit offenen Enden. Um in den Überlappungsbereichen zwischen den freiliegenden Fadenenden im Reparaturbereich und den Verstärkungsfäden des neu einzusetzenden 3D-Textilpatches eine tragfähige Verbindung herzustellen, sind in diesen Bereichen keine Maschen vorhanden. Die Herausforderung bestand in der Entwicklung und stricktechnischen Umsetzung anforderungsgerechter Gestrickkonstruktionen durch die maschenreihenweise Interaktion mehrerer Schuss- und Maschenfadenführer. Dabei musste jeweils ein Maschenfadenführer aktiv vor der letzten einzubindenden Kettfadenlage versetzt werden, um den einzubindenden Teil des Mehrlagenaufbaus zu fixieren. Um alle vier Lagen zu fixieren, wurde der Maschenfadenführer 2 verwendet. Sollte nur die Kettfadenlage 1 mit Schussfadenlage 1 fixiert werden, wurde Maschenfadenführer 1 verwendet. In den Stufenbereichen musste die Kuliertiefe lokal angepasst werden, abhängig von der Anzahl der Kett- und Schussfäden, die in einer Masche eingebunden waren. Diese Anpassung wurde durch die Steuerung des Schlittenhubs in Kombination mit den Maschinenparametern (wie Abzug und Schlosseinstellung) analysiert. Für das gezielte und schrittweise Einbringen der Schussfäden sowie die Erzeugung der freien Fadenenden der gestuften Patches wurde eine Zusatzeinrichtung für Flachstickmaschinen entwickelt und umgesetzt. Die wesentlichen Funktionen der Zusatzeinrichtung umfassen: (i) Überfahrbarkeit über die Gestrickkante hinaus und (ii) Fixierung, Speicherung und Schneiden des Fadens. Im Rahmen eines konstruktiven Entwicklungsprozesses wurde zunächst die Funktionsstruktur sowohl der bestehenden Flachstrickmaschine als auch der Zusatzeinrichtung gestaltet. Die obere Reihe (Blautöne) zeigt den abstrahierten Funktionsablauf der Flachstrickmaschine, inklusive der Modifikationen vom Strickprozess bis zur Speicherung der Ware. Dunkelblaue Markierungen heben die gegenüber dem Standardstrickprozess abweichenden Funktionen hervor. Die untere Reihe (Lilatöne) überträgt diese abstrahierten Funktionen auf die spezifischen Prozesskomponenten und konkretisiert sie. Gemäß dem regulären Strickprozess wird der Schussfaden zunächst voreilend eingelegt und durch den Maschenfaden während der Maschenbildung fixiert. Am Ende jeder Maschenreihe wird der Schussfaden mithilfe des Schussfadenführers über die Gestrickkante hinausgeführt. Beim Richtungswechsel des Schussfadenführers wird die entstehende Umkehrschlaufe durch die Zusatzeinrichtung fixiert. Nach der Fertigung der folgenden Maschenreihe und dem Abschluss der Abzugsbewegung wird die zuvor fixierte Umkehrschlaufe von der Zusatzeinrichtung geschnitten, wodurch die gewünschten freien Fadenenden entstehen. Um eine endkonturnahe biaxiale Abstufung der 3D-Textilpatches mit freien Fadenenden in Kettrichtung zu ermöglichen, wurde eine zweite Zusatzeinrichtung entwickelt. Diese übernimmt die Funktionen Fixieren, Trennen und Wiedervorlegen der Kettfäden. Mit ihrer Hilfe konnten lagenweise definierte Kettfadenabschnitte bedarfsgerecht in die Reparaturpatches exemplarisch integriert werden. Zur technologisch-konstruktiven Erweiterung der Fadenführsysteme für die Verarbeitung von Multifilamentgarnen (z. B. Carbonrovings) wurden geeignete Konzepte erstellt. Die daraus abgeleiteten Vorzugslösungen für die Zusatzeinrichtungen wurden auf die geforderte Dynamik und erforderlichen Funktion hin entwickelt. Vor den stricktechnischen Untersuchungen wurden beide Zusatzeinrichtungen umgesetzt, mechanisch in die Flachstrickmaschine Stoll ADF-530 integriert und getestet. Weiterhin erfolgte die endkonturgerechte, stricktechnische Umsetzung der entwickelten Gestrickkonstruktionen für die Patches. Für die Herstellung der gestuften Reparatur-patches mit differierender Dicke wurden systematische Versuchsreihen geplant und durchgeführt, um die miteinander in Wechselwirkung stehenden Maschinenparameter (u.a. Kuliertiefe, Fadenspannung, Warenabzug und Strickgeschwindigkeit) und deren Einfluss auf die Struktureigenschaften (Flächenmasse, Verstärkungsfadendichte, freie Überlappungslänge, Geometrie) der 3D-Textilpatches sowie geeignete Parameterkombinationen zu ermitteln.

4 Ergebnisse und Diskusison

Simulation

Zur Patchauslegung mit verschiedenen Überlappungslängen wurde mit dem entwickelten Siumlationsmodell ein Druckversuch am FKV-Bauteil (Halbkugel) mit realitätsnahen Lagerungs- und Belastungsrandbedingungen simuliert. Die Simulation des Druckversuchs zeigt, dass bei einer Patchüberlappungslänge von 20 mm eine Wiederherstellung von 92 % der Tragfähigkeit erreicht werden kann.

Untersuchungen zum 3D-Matrixabbau

Im Rahmen der Untersuchung zum sequentiellen 3D-Matrixabau wurden die Strahlerleistung, die Abbautiefe, die Bestrahlungsdauer sowie der Abstand zwischen Bauteil und Strahler an Reinharz- (RH) und CFK-Platten analysiert. Dazu wurden HLO als Pulver oder als Sprühfilm aufgebracht und anschließend mit dem UV-Strahler bestrahlt. Die Parameter variierten zwischen Strahlerabständen von 10–45 mm, Leistungen von 20–100 % und Bestrahlungszeiten von 30–160 s in mehreren Etappen. Die Resultate der Analyse demonstrierten, dass bei einem Strahlerabstand von 25 mm kein signifikanter Matrixabbau mehr zu beobachten war. Daher wurde für die Validierungsversuche ein Abstand von 10 mm gewählt, um eine hinreichende Bestrahlungsstärke zu gewährleisten.  Eine inhomogene HLO-Verteilung führte zu einer Begrenzung des Abbaus auf einzelne Bereiche und einer Verringerung der Effizienz. Lichtmikroskopische Untersuchungen belegen, dass die Pulverauftragsmethode eine signifikant höhere Effektivität aufweist als die Sprühfilmauftragsmethode. Letztere bedingt längere Bestrahlungszeiten, um eine vergleichbare Freilegung der Einzelfilamente zu erzielen. Die Anwendung beider Methoden führte zu einer erfolgreichen Freilegung der Filamente. Thermogravimetrische Analysen (TGA) sowie lichtmikroskopischen Aufnahmen belegen, dass die Rückstände anorganischer Materialien mit steigender Bestrahlungsstärke zunehmen. Es lässt sich eine signifikante Zunahme der Rückstände nach der Bestrahlung beobachten. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer zusätzlichen Reinigung, um unerwünschte Rückstände, die sich durch die Matrixbehandlung anreichern, zu entfernen und die Effizienz der Verfahren zu sichern. Die validierten Prozessparameter wurden erfolgreich auf den photokatalytischen Matrixabbau des FKV-Bauteils angewandt. Dabei wurde der Bauteil-Strahler-Abstand von 10 mm sowie die zweistufige Behandlungsstrategie in Form von einer Bestrahlung in zwei Zeitetappen beibehalten. Die durchgeführten Untersuchungen legen nahe, dass ein mehrstufiger Abbau erforderlich sein kann, um die gewünschten freigelegten Faserbereiche zu erzielen. Die Ergebnisse der Untersuchungen belegen, dass die behandelten FKV-Proben erfolgreich freigelegte Einzelfilamente aufweisen. Mikroskopische Analysen von Rovings verdeutlichten besonders klare Freilegungen, jedoch wurden im Vergleich zur CF-Referenz leichte Abbaurückstände beobachtet. Diese könnten durch inhomogene HLO-Aufträge oder lokale Schwankungen im Matrixabbau bedingt sein.

Untersuchungen der gestrickten 3D-Textilpatches


Bei der Herstellung wurde der maßgebliche Parameter Kuliertiefe variiert und in Abhängigkeit davon die Kennwerte der textilen Strukturen ermittelt. Die Flächenmasse, die massenmäßige Zusammensetzung (entspricht Anteile Kett-, Schuss- und Maschenfäden) der zwei- und vierlagigen biaxialen Reparaturpatches und die Fadendichten zeigten keine klare Abhängigkeit vom variierten Maschinenparameter Kuliertiefe. Die Dicke der Reparaturpatches wurde gemäß DIN EN ISO 5084 und die Maschenlänge nach DIN EN 14970 bestimmt. Sowohl bei 2- als auch 4-lagigen Strukturen war über die gesteigerte Kuliertiefe ein leichter Anstieg in der Dicke und der Maschenlänge ersichtlich. Durch die gesteigerte Maschenlänge, ergab sich eine höhere Dicke des Reparaturpatches, wodurch aber aufgrund der geringen Feinheit und Dichte des Maschenfadens weder die Flächenmasse noch die weiteren zuvor bestimmten Parameter gesteigert werden konnten. Final wurden die anvisierten Reparaturpatches in verschiedenen Größen gemäß den Anforderungen und iterativen Entwicklungen umgesetzt und für die Reparatur des Bauteils eingesetzt.

5 Entwicklung und Umsetzung einer robotergestützten, automatisierten Reparaturprozesskette


Die Reparaturprozesskette wurde als roboterunterstütztes Verfahren an einem KUKA KR6 R900 6-Achs-Industrieroboter umgesetzt und erprobt. Für das FKV-Bauteil wurde dazu eine TCP (Tool-Center-Point)-Kalibrierung durchgeführt. Die exakte Position der Werkzeugspitze wurde hier erfasst und kann als Referenzpunkt für das Bewegungssteuerungssystem des Roboters verwendet werden. Die Bewegungsbahnen umfassen mehrere realisierte Segmente unter Verwendung unterschiedlicher Werkzeuge mit den folgenden Schritten:

  1. Dimensions- und ortsunabhängige robotergestützte Applikation der HLO-Formulierung auf die Schadstelle des FKV-Bauteils Für Schritt (1) wurde ein Applikationssystem für den präzisen robotergestützten Auftrag der HLO-Formulierung konzipiert und konstruktiv umgesetzt.
  2. Robotergestützte Führung des UV-Strahlers mit definiertem Abstand und orthogonaler Ausrichtung zur Bauteiloberfläche Der schichtweise Matrixabbau erfolgte in Schritt (2) an dem simulativ ermittelten Reparaturbereich mit der Strahlungsquelle und den abgeleiteten Parametern zum Matrixabbau. Die definierte 3D-Bahnführung des UV-Strahlers erfolgte robotergestützt und wurde softwarebasiert mit im Programm MATLAB erzeugten Algorithmen bauteilgerecht geplant.
  3. Nach der lagenweisen Entfernung der Matrix wurden die Fasern im simulationsgestützt ermittelten Reparaturbereich entfernt, sodass an den Rändern freigelegte freie Fadenenden für die Anbindung der Reparaturpatches erhalten blieben. Der Schneidprozess kann im Ult-raschall-Schneidverfahren präzise durchgeführt werden.
  4. Robotergestützte Neubeschlichtung des Reparaturbereichs durch initiale Oberflächenaktivierung mit einer Plasmafackel (plasmabrush PB3) und mit einem Präkursor (z. B. Hydrosize EP 871.
  5. Applikation Reparaturpatch
    Für die Applizierung des Patches wurde ein anforderungsgerechter Effektor für den Roboter entwickelt. Dieser bestand aus einer fünf Millimeter dicken Silikonmembran mit vorgesehenen Kanälen und Anschlüssen. Während der robotergestützen Patchapplikation wird der Patch über die zentrale Ansaugung mittels Unterdruck gehalten. Ist die exakte Position angefahren, wird der Unterdruck abgeschaltet und der Patch verbleibt an der entsprechenden Stelle am Reparaturbauteil. Die freiliegenden Fadenenden des Reparaturpatches lagen jeweils überlappt mit den freigelegten Fadenenden in der Reparaturstelle vor.
  6. Reinfiltration der Reparaturstelle
    Durch die anschließende Reinfiltration der Reparaturstelle mit dem Reparaturharzsystem im VAP-Verfahren wurde die Reparatur finalisiert, womit die gefertigten Reparaturpatches in die Reparaturstellen integriert wurden. In sind die entsprechenden Zustände von der Patcheinlage bis zum reinfiltrierten Zustand dargestellt. Für die Reinfiltration
    wurde der notwendige Vakuumaufbau (Fließhilfe, Lochfolie) hergestellt und durch den Effektor über den umlaufenden Ringkanal, durch das Anlegen eines Vakuums, auf der Bauteiloberfläche der Patchseite angesaugt. Der Effektor aus Schritt (5) dient somit zur einseitigen Abdichtung des Reparaturbereichs sowie zur Fixierung und exakten Ausformung der ursprünglichen 3D-Geometrie während der Konsolidierung des Reparaturbereichs auf der Patchseite. Die gegenseitige Abdichtung des Reparaturbereichs erforderte eine VAP-Membran und eine Vakuumfolie. Die Vakuumfolie kann bei ausreichend glatter Oberfläche auch durch einen weiteren wiederverwendbaren Patchapplikator ersetzt werden.

 

6 Tragfähigkeitsnachweis der Reparaturlösung


Zum Nachweis der Tragfähigkeit der reparierten im Vergleich zu ungeschädigten FKV-Proben erfolgte zunächst die Herstellung und die definierte Schädigung mittels Impact-Fall-turm. Eventuelle Fehlstellen im Reparaturbereich, z. B. Lunker, sowie die Übergangsbereiche zwischen Patch und ursprünglichem Verbund wurden durch die Anfertigung und Auswertung von Schliffbildern analysiert. Die reparierten Verbundproben wurden u. a. im Zugversuch nach DIN EN ISO 527-4 charakterisiert und jeweils gegenüber der Referenz (durchgängige Carbonfasern ohne Unterbrechung) verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die reparierten Proben über 80 % der ursprünglichen Bruchkraft aufweisen.

7 Schlussfolgerungen


Im Ergebnis des Projektes steht eine flexible, industrietaugliche Technologie zur Umsetzung einer automatisierten Reparatur an mehrfach gekrümmten 3D-FKV-Bauteilen. Erreicht wurde dies durch den Einsatz von Oxidhalbleitern, die durch die thermisch weniger beanspruchende Anregung mit UV-Licht, einen faserschonenden Matrixabtrag als Repa-raturvorbereitung zulassen. Mit der Entwicklung einer selbstklebenden Halbleiteroxid-(HLO)-Formulierung können zukünftig auch dreidimensional, vertikale und über Kopf zu reparierende Bauteile bearbeitet werden. Durch die simulationsgestützte Auslegung und textiltechnologische Fertigung lastpfadgerechter textiler Patches zur Reparatur der Schadstelle im FKV-Bauteil mit Hilfe von insbesondere in den KMU der Textilindustrie bereits verfügbaren Textilmaschinen sind die erarbeiteten Projektergebnisse zeitnah in die industrielle Praxis übertragbar. Die Praxistauglichkeit des entwickelten Reparaturverfahrens wurde erfolgreich demonstriert.

 

Danksagung


Das IGF-Vorhaben 21985 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e. V., Reinhardtstr. 12-14, 10117 Ber-lin wurde über das DLR im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

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[31] PHAM, M. Q.; DÖBRICH, O.; TRÜMPER, W.; GEREKE, T.; CHERIF, C.: Numerical modelling of the me-chanical behaviour of biaxial weft-knitted fabrics on different length scales. Materials, 12: 3693, 2019

[32] HESSAMI, R.; ALAMDAR YAZDI, A.; MAZIDI, A.: The effect of loop density on the tensile behavior of biaxial weft knitted composites using both experimental tests and numerical method. Jour-nal of Industrial Textiles, 51(1): 48–67, 2021

 

Authors: Sabrina Scheele Ti Anh My Huynh Sven Hellmann Thomas Gereke Philippa Ruth Chris-tine Kopelmann Irina Kuznik, Iris Kruppke Chokri Cherif

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

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29.04.2024

Thermoplastische Schale/Rippen-Bauteile mit durchgängiger Faserverstärkung

Fibres Yarns Knittings Composites Technical Textiles

Abstract

Im Bereich des Automobil- und Maschinenbaus wird kontinuierlich nach Innovationen gesucht, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Ein Bereich, der zunehmend an Bedeutung gewinnt, sind Schale/Rippen-Bauteile aus endlosfaserverstärktem Thermoplast. Bisherige Herstellungsverfahren sind jedoch komplex und führen zu unzureichender Faserverstärkung in den Rippen, was deren potenzielle Einsatz in hochbelastbaren Bauteil verhindert. Der Übergangsbereich zwischen der Schale und den Rippen ist besonders anfällig für strukturelle Defizite, die eine Überdimensionierung der Bauteile erfordern, um das Versagensrisiko, einschließlich Delamination, zu minimieren. Im abgeschlossenen Forschungsprojekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung wurden daher Verstärkungstextilien entwickelt, die diese Problematik lösen, indem Fasern während der Verbundbildung in anspruchsvolle 3D-Bauteilgeometrie bedarfsgerecht fließen können. Das Ergebnis ist eine gleichmäßige Endlosfaserverstärkung der Schale sowie eine durchgängige stapelfaserbasierte Verstärkung von der Schale in die Rippe sowie der Rippe selbst. Diese Technologie ermöglicht anordnungsabhängig eine Steigerung der Steifigkeit und Festigkeit thermoplastischer Bauteile um mindestens 50 % und kann unerwünschte Delaminationen verhindern.

Report

Einleitung und Problemstellung

Leichtbaugerechte schalenförmige Bauteile werden aus mechanischen Gründen mit Funktionsstrukturen in Form von Rippen versehen. Die Natur zeigt Vorbildlösungen z.B. die Erdnuss, die durch Schale/Rippen-Anordnungen eine anforderungsgerechte Versteifung bei gleichzeitig extrem geringer Masse ermöglicht. In allen Bereichen des Automobil- und Maschinenbaus besteht ein hoher Bedarf an lasttragenden Bauteilen aus Faser-Kunststoff-Verbunden (FKV). Die Halbschalenbauweise des Flugzeug- und Schiffbaus zeigen rippenverstärkte Strukturen nach bionischem Vorbild mit überaus lasttragenden Eigenschaften, deren Herstellung unter Verwendung arbeitsintensiver Preforming-, Komplettierungs- und Verbundbildungsprozesse unter Verwendung duroplastischer Matrix allerding kostenintensiv ist. Besonders der Einsatz von kurzfaserverstärkten Thermoplasten für mittlere und große Serien ist sehr wirtschaftlich [1 – 3], die mechanische Eigenschaften insbesondere Steifigkeit und Festigkeit sind aber stark begrenzt. Derzeit verbraucht der Bereich Fahrzeuge 7 % der gesamten Kunststoffmenge in Deutschland [4]. Zur Überwindung der werkstoffbedingten Schwachstellen werden im Schalenbereich endlosfaserbasierte Faser-Matrix-Halbzeuge wie Organobleche und UD-Tapes verarbeitet. Die damit erreichbare gerichtete Faserverstärkung in der Schale führt zu deutlich besseren mechanischen Eigenschaften, erfordert allerdings weiterhin das Anspritzen von verstärkenden Rippen [1, 2]. Weiterhin werden langfaserverstärkte Thermoplaste (LFT) industriell eingesetzt, bei denen unidirektional Faserbündel in die thermoplastische Schmelze eingebracht werden, um Schalenbereich und Rippen in Rippenrichtung zu verstärken [5]. Die Bauteilumsetzung erfordert i.d.R. kostenintensive, mehrstufige Anlagen- und Werkzeugtechnik [6]. Um die Prozesskette zu verkürzen bzw. die Komplexität der Technik zu reduzieren, werden auch glasmattenverstärkte Thermoplaste (GMT) in Direktverfahren wie das einstufige Thermoformpressen zu Schale/Rippen-Bauteile verarbeitet, was insbesondere für klein- und mittelständische Unternehmen wichtig ist.

Eine gerichtete Faserverstärkung zwischen Schale und Rippe sowie im Übergangsbereich ist verfahrensbedingt mit keinem der bisherigen Ansätze realisierbar, sodass die resultierenden Bauteile für lasttragende Anwendungen nur eingeschränkt geeignet sind. Bei Biegebeanspruchung können u.a. die Rippen von der Schale delaminieren oder die Rippen weisen einen geringen Faseranteil und eine ungerichtetete Faserorientierung auf und sind damit weniger steif.

Zielsetzung

Ziel war es, anforderungsgerecht ausgelegte Hybridgarne, die sowohl aus Endlosfilamenten für den Schalenbereich als auch aus Stapelfasern für den Rippenbereich bestehen, mit definierten Fließeigenschaften zu entwickeln und zu textilen Flächengebilden mit neuen Eigenschaften zu verarbeiten. Während einem einstufigen Thermopressprozess sollen die Fasern nach dem Aufschmelzen der matrixbildenden Hybridgarnkomponente gezielt in die Kavität der Rippe fließen. Die gewünschte Faserverstärkung soll somit während der Verbundbildung von selbst entstehen.

Ergebnisse

Zu Beginn des Projektes wurden zunächst die industriellen Anwendungsfelder für rippenverstärkte thermoplastische Schalenbauteile recherchiert. Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich u.a. bei der Realisierung von lasttragenden Bauteilen und Modulsystemen in der Automobilindustrie, z.B. Batteriegehäuse bzw. -wannen, Abdeckungen, Interieur- und Exterieurbauteile (z.B. Querträger), Front- und Heckbauteile (z.B. Stoßfänger). Hauptanwendungsgebiete sind alle Bauteile, die im Spritzgieß- oder Pressverfahren hergestellt werden und gegenüber dem Stand der Technik erhöhte Anforderungen an Steifigkeit, Festigkeit oder Zähigkeit bei gleichzeitiger Minimierung der Bauteilmasse erfüllen sollen. Darauf basierend wurden repräsentative Funktionsmuster und ein Demonstrator mit komplexer werdender Rippenstruktur definiert vgl. Abbildung 1.

Die Auswahl der zu verwendenden Ausgangsmaterialien, deren Anteile, Feinheit und Geometrie erfolgte nach physikalischen und verfahrenstechnischen Eigenschaften wie Schmelzverhalten und Viskosität, Transluzenz, Festigkeit und Steifigkeit. Die in Frage kommenden Kohlenstofffasern (CF) finden aufgrund ihrer hervorragenden mechanischen und chemischen Eigenschaften zunehmend Anwendung als Verstärkungsmaterialien im Bereich der FVK. Aufgrund der z.B. nicht realisierbaren energetischen Verwertung und des hohen Energiebedarfs bei der Herstellung von CF besteht derzeit ein großes Engagement für das Recycling dieser Fasern [7]. Letztendlich wurden mehrere Materialsysteme auf Basis von Glasfasern (GF) und recycelten Kohlefasern (rCF) ausgewählt, um die Fließbewegung bzw. die Fließwege anhand der optischen Eigenschaften (rCF-schwarz, GF-weiß transparent) im konsolidierten Bauteil überdurchschnittlich gut charakterisieren zu können. Als Verstärkungsfaserwerkstoff wurde für den Schalenbereich GF 50 Vol.% und für den Rippenbereich rCF 30 bis 50 Vol.% Typ I (Trockenfasern aus Spulenresten, Produktionsresten bzw. Verschnitt) eingesetzt. Als matrixbildende Hybridgarnkomponente wurde beispielhaft und aufgrund der etablierten Verwendung Polypropylen (PP) eingesetzt.

Unter Nutzung vorhandener Friktionsspinn- und Umwindespinntechnologien wurden im Folgenden fließfähige stapelfaserbasierte Hybridgarne aus rCF mit dem Ziel einer weitgehend parallelen Kernfaserstruktur entwickelt, umgesetzt und charakterisiert sowie Vorzugslösungen für weiterführende Arbeiten bereitgestellt. Die Hybridgarne wurden anschließend in UD-Wickelstrukturen vgl. Abbildung 2 (li.) überführt und unter zielführenden Prozessbedingungen experimentell zu ersten Schale/Rippen-Funktionsmustern mit unterschiedlichen Rippenhöhen H verarbeitet bzw. konsolidiert. Hierzu und zur Untersuchung der Fließeigenschaften der Hybridgarne war es im Vorfeld notwendig, ein modular aufgebautes Werkzeug für die Verbundbildung im Thermopressverfahren zu realisieren und alle dafür notwendigen Prozesseinstellungen zu ermitteln.

Die Hybridgarne füllen während des Pressvorgangs bei vergleichsweise geringem Druck von ca. 2 MPa die gesamte Werkzeugkavität der Rippe vollständig bis zu einem Faservolumengehalt rCF/PP von derzeit 70/30 Vol.%. Die Abbildung 2 (re.) zeigt ein Ergebnis anhand Funktionsmuster FM1, bei dem die Rippe durch die anvisierten Fließeigenschaften während des Pressvorgangs mit Fasern gefüllt wurden. Die Fasern liegen überwiegend entlang der Rippe. Bestandteil der Arbeiten war auch die Untersuchung des Fließverhaltens der rCF u.a. mittels bildanalytischer Charakterisierung von Schnitt- und Schliffproben [8].

Generell ist die Belastbarkeit von UD-Faserlagen richtungsabhängig begrenzt, so dass biaxiale Faseranordnungen unter Verwendung der Mehrlagen-Flachstricktechnologie in den Fokus gerückt sind. Gestricke, bei denen Verstärkungsfäden in die Maschen integriert sind, werden als Mehrlagengestricke (MLG) bezeichnet. MLG können monoaxial, biaxial oder multiaxial angeordnete Verstärkungsfäden aufweisen. Zur Steuerung der Fließbewegung wurden partielle Variationen von – in der Matrix nicht thermisch auflösbaren (GF/PP) sowie thermisch auflösbaren (PP) Maschenfadenmaterialien untersucht. Systematisch wurden dazu Bindungen von endlosfilament- und stapelfaserbasierten Hybridgarnen in der 2D-Textilstruktur zur Einstellung einer orientierten, verzugsfreien Verstärkungsfaseranordnung entwickelt. Basierend auf dem Funktionsmuster FM1 und den Voruntersuchungen wurden Varianten abgeleitet, die sich u.a. hinsichtlich der Hybridgarnanordnung, deren lokaler Menge und hinsichtlich des lokal eingesetzten Maschenfadenmaterials unterscheiden. Die Varianten wurden mittels modularer Werkzeugeinsätze zu Schale/Rippe-Funktionsmustern mit unterschiedlichen Rippenhöhen H verarbeitet. Eine Stapelung von bis zu 10 gleichzeitig zu verarbeitenden biaxialen MLG vgl. Abbildung 3 (li.) wurde detailliert untersucht. Abbildung 3 (re.) zeigt ein Ergebnis der Entwicklungen.

Während des Verarbeitungsprozesses im Thermopressverfahren wird die ursprünglich leere Rippengeometrie mit einem hohen rCF-Faseranteil von bis zu 70 % gefüllt und damit die beabsichtigte Faserverstärkung von der Schale in die Rippe sowie in der Rippe realisiert. Die Länge der Stapelfasern im Hybridgarn beträgt derzeit bis zu 80 mm.

Nach der Verbundbildung erfolgten umfassende Versuchsreihen zur Ermittlung der Festigkeits- und Steifigkeitskennwerte mittels 3-Punkt-Biegeversuch. Insgesamt lässt sich aus den Ergebnissen ableiten, dass die Endlosfaserverstärkung in der Schale die ermittelten Werte und Verläufe deutlich dominiert und somit das Verhältnis von Schalendicke zu Rippenhöhe minimiert werden kann, so dass die versteifende Wirkung der Rippe deutlicher hervortritt. Dadurch erhöht sich der Leichtbaugrad, da die i.d.R. großflächigen Schalenbereiche dünner dimensioniert werden können und somit eine annähernd gleiche mechanische Leistungsfähigkeit bei geringerer Bauteilmasse erreicht werden kann.

Die ermittelten Materialkennwerte wurden kontinuierlich zur Verbesserung und Validierung eines im Rahmen der Projektdurchführung entwickelten Simulationsmodells herangezogen, um zukünftig das Verbundmaterialverhalten durch die Kombination von Endlosfilamenten und Stapelfasern im Übergangsbereich zwischen Schale und Rippe realitätsnah vorhersagen zu können. Zur Verifizierung wurden Referenzbauteile hergestellt und mit den entwickelten Varianten verglichen. Die Ergebnisse zeigen eine 4-fach höhere Festigkeit und eine 2-fach höhere Steifigkeit gegenüber der Referenz. Damit konnte der Nachweis der Tragfähigkeitssteigerung von min. 50% erbracht werden. Delamination trat nicht auf.

Das hohe Potenzial der partiell fließfähiger 2D-Textilhalbzeugen wurde abschließend durch die praxisnahe Herstellung eines generischen Demonstrators (vgl. Abbildung 4) unter Anwendung der Vorzugslösungen für Hybridgarne und 2D-Textilstrukturen aufgezeigt.

Die Prozesskette, beginnend mit der Definition der Bauteilanforderungen, simulationsgestützten Dimensionierung, anforderungsgerechten Hybridgarnherstellung, Entwicklung der partiell fließfähigen 2D-Textilstrukturen mit biaxialer Verstärkungsfaseranordnung, Umsetzung der textilen Strukturen und abschließenden Verbundbildung durch das Thermo-Fließpressverfahren wurde mit Projektabschluss validiert. Der damit realisierte Demonstrator wurde anhand von Biegeversuchen geprüft und weist im Ergebnis die vordimensionierte, hohe Biegesteifigkeit auf. Aktuell erfolgen Gespräche zum industriellen Einsatz des neuen Verfahrens.

Zusammenfassung

Im Ergebnis konnten unter Verwendung der entwickelten partiell fließfähigen 2D-Textilstrukturen exemplarisch thermoplastische Schale/Rippen-Bauteile mit hohem Faservolumenanteil im Übergangsbereich zwischen Schale und Rippe und mit einer Festigkeits- und Steifigkeitssteigerung von mindestens 50 % gegenüber dem Stand der Technik hergestellt werden. Während der Verarbeitung fließen die Stapelfasern gezielt aus einer textilen Flächenstruktur in nahezu beliebige dreidimensionale Rippengeometrien. Die endlosfaserbasierte Verstärkung im Rippenbereich bleibt weitgehend unverzerrt und wie gewünscht in gestreckter Anordnung. Die resultierenden Bauteile können kostengünstig in einem einzigen Verbundbildungsschritt hergestellt werden, was zu einer erheblichen Effizienzsteigerung und potenziell zur Erhöhung der einsetzbaren Kunststoff- und Fasermenge u.a. im Bereich Fahrzeuge führen kann.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21372 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e. V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Die Autoren danken den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel. Weiterhin danken wir den Firmen des projektbegleitenden Ausschusses für die fachliche Unterstützung sowie allen weiteren Partnern, die in der Forschungsarbeit zu diesem Themenkreis unterstützten. Der Schlussbericht ist über den Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V., Berlin beziehbar. Weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) erhältlich.

Authors: Sven Hellman

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

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29.03.2023

Thermogeneratorpaneele basierend auf multifunktionalen Abstandsgewirken

Knittings Composites Textile machinery Sensor Technology Sustainability Technical Textiles

Abstract

Thermoelektrische Generatoren (TEG) bieten das Potenzial Abwärme verschleiß- und wartungsfrei in elektrischen Strom umzuwandeln und damit zur Einsparung von CO2-Emissionen beizutragen. Die Funktionsweise der TEG beruht auf dem materialinhärenten Seebeck-Effekt. Im Rahmen des IGF- Projektes 21144 BR wurden Thermogeneratorpaneele basierend auf abstandsgewirkten glasfaserverstärkten Paneelen entwickelt. Im Wirkprozess wurde die Integration von Glasfasern und thermoelektrischen Drähte umgesetzt. Dadurch wurden Leichtbaupaneele mit guten strukturmechanischen Eigenschaften (Druck-, Biegefestigkeit) und zusätzlicher Thermogenerator- und Wärmeisolationsfunktion realisiert. Diese sogenannten Multithermogeneratorpaneele (MTP) können mit ihrer autarken elektrischen Leistung für den Betrieb von Sensoren oder Kleingeräten genutzt werden.

Report

Einleitung

Der globale Energiebedarf steigt mit den laufenden industriellen Fortschritten und dem Bevölkerungswachstum stetig an. Die Energieversorgung nachhaltig zu gestalten, ist mit der aktuellen Dringlichkeit des Klimaschutzes, zwingend notwendig, um die Wirtschaft und auch die Zukunft nachfolgender Generationen zu sichern. Im Zuge der rasanten Entwicklung des Internet of Things (IoT) und der Digitalisierung besteht außerdem große Nachfrage nach autarken mobilen Stromquellen, mit denen selbstständig und zuverlässig elektronische Sensoren und Kommunikationsgeräte betrieben werden können. Die meisten technischen Prozesse nutzen nur 25 % bis 40 % der eingesetzten Energie zur Umwandlung in mechanische Energie. Der Rest wird in thermische Energie umgewandelt, die in der Regel verloren geht. Ein vielversprechender Ansatz zur Nutzung dieser thermischen Energie ist der Einsatz von thermoelektrischen Generatoren (TEG).

Die Stromerzeugung mittels TEG wird durch den Seebeck-Effekt beschrieben. Dabei entsteht zwischen der warmen (Th) und der kalten Kontaktstelle (Tk) der thermoelektrischen Funktionsmaterialpaare A und B, auch Thermoelemente (TE) genannt, eine elektrische Spannung (U). Die erreichbare Leistungsausbeute eines TEG ist neben der Umgebungstemperaturdifferenz (ΔT) von den materialspezifischen Parametern der eingesetzten TE abhängig. Diese Parameter werden durch die Gütezahl (ZT) beschrieben und umfassen die Seebeck-Koeffizienten (α in µV/K), die elektrische (σ, möglichst hoch) und die thermische Leitfähigkeit (λ, möglichst gering). Für eine hohe Leistungsausbeute sind Materialien mit einer hohen Differenz im Seebeck-Koeffizienten notwendig. Außerdem ist die Leistungsausbeute eines TEG-Moduls maßgeblich von der Anzahl in Reihe geschalteter TE in einem Modul abhängig. Werkstoffe für einen hohen thermoelektrischen Nutzeffekt basieren auf seltenen Rohstoffen, wie Bismut, Antimon und Tellur, die eine gute elektrische Leitfähigkeit, kombiniert mit einer geringen Wärmeleitfähigkeit aufweisen. Das Vorkommen und die Lebensdauer der Halbleiterelemente ist jedoch begrenzt und das Recycling aufwändig. Sie sind außerdem kostenintensiv und teilweise toxisch.

Daher werden von der Wirtschaft und der Forschung Entwicklungen neuer Materialien oder die Steigerung der Leistung der TEG sowie kostengünstigere Herstellverfahren vorangetrieben. Allerdings bestehen diese entwickelten Verfahren zumeist aus aufwändigen kombinierten Gieß- und Sinterprozessen sowie einer kostenintensiven notwendigen Nachbearbeitung. Zur Schaffung eines effizienten Herstellverfahrens für TEG mit einer produktiven Integrationsmöglichkeit einer hohen Anzahl an TE bietet die Abstandswirktechnik großes Potenzial. Mit dem Einsatz von Funktionsmaterialien und Hochleistungsgarnen in den Abstandsgewirken, wie Glasfasergarne, und einer späteren Infiltrierung und Konsolidierung mit Harzsystemen lassen sich großflächige Faserverbundstrukturen (z. B. Leichtbaupaneele) mit geschlossenen Deckschichten generieren, die neben der TEG-Funktion sehr gute strukturmechanische Eigenschaften aufweisen und auch als tragende Strukturen im Fahrzeug- oder Anlagenbau mit Wärmeisolation einsetzbar sind [1] .

Im Rahmen des Forschungsprojektes IGF 21144 BR wurden Leichtbaupaneele als tragende Bauteile mit multifunktionalen Eigenschaften, Multifunktionsthermogeneratorpaneele (MTP), realisiert, die durch die Umwandlung industrieller Abwärme in elektrischen Strom mit gleichzeitigem Kühleffekt zur Effizienzsteigerung von Batterien oder Elektromotoren in der Elektromobilität und von Hybridsystemen beitragen.


Entwicklung der Multithermogeneratorpaneele (MTP)

Der Grundaufbau der MTP besteht aus einem glasfaserverstärkten Abstandsgewirke, welches schlussendlich verharzt das Substrat des TEG darstellt. Die Thermoelemente (TE) werden in Form von Funktionsdrähten aus Eisen und Konstantan als Polfadensystem in der RR-Raschelwirkmaschine in den Abstand integriert, wie in Abbildung 2 veranschaulicht. Weiterhin gewährleisten Polfäden aus Monofilamenten, sowie Glasfasern (EC9-68x2) die Stabilität gegenüber mechanischer Beanspruchung. In den Deckflächen stellen je zwei Maschenfadensysteme aus PES (100/40 dtex) die Fixierung der Schuss- und Stehfäden sowie der TE sicher. Die Kontaktierung und Verschaltung der TE erfolgt durch die übereinanderliegende Anordnung und Verbindung der Funktionsdrähte in den Maschen der Gewirkebindung.

Zur Entwicklung und Auslegung der thermoelektrischen Struktur der MTP wurde ein elektrisches Modell entwickelt, in welchem die Anzahl und Geometrie der TE, ihre elektrische Kontaktierung, sowie die Art der Verschaltung der TE (Reihen-, Parallel- oder Mischschaltung) variabel ist. Für das Modell wurden gekoppelte multiphysikalische Ersatzschaltungsmodelle unter Ausnutzung der mathematischen Analogien der elektrischen/thermischen/mechanischen Domäne angewendet, in LT-Spice implementiert und im Hinblick auf die zuvor beschriebenen Parameter untersucht (Abbildung 1). Mittels des Modells kann die Schaltung der TE an den Lastwiderstand des Anwendungsfalls angepasst werden, sodass die maximale Leistung des TEG erreicht wird. Das vorhandene Modell wurde weiterhin durch das thermische Verhalten hinsichtlich Wärmeleitung und Wärmekapazität der Struktur erweitert.

Um die angestrebte thermoelektrische Struktur in eine Gewirkebindung für die RR-Rascheltechnologie zu überführen, wurden mehrere Bindungsvarianten für die Funktionsdrähte im Abstand des Paneels erarbeitet, umgesetzt und analysiert [2]. Weiterhin wurden unterschiedliche elektrische Verschaltungen der Funktionsdrähte entwickelt. Dabei ermöglicht eine kombinierte Reihen- und Parallelschaltung die maximale Einbindung von TE pro Fläche von bis zu 150.000 TE/m² und eine bessere Ausfallsicherheit im Vergleich zur Reihenschaltung. Der Innenwiderstand und die elektrische Leistung kann direkt über die Abmaße des Paneels angepasst werden. Die Struktur des Abstandsgewirkes mit dieser Verschaltung ist im Modell in Abbildung 2 dargestellt.

Zur Herstellung des thermoelektrischen Abstandsgewirkes als Halbzeug für die MTP wurde eine RR-Raschelwirkmaschine MiniTronic 808 von RIUS Comatex S.A. eingesetzt. Mit dem Ziel die Funktions- und Hochleistungsmaterialien schädigungsarm zu verarbeiten, wurde eine Nadelbestückung mit der Feinheit E12 verwendet. Für die Maschineneinstellung und die technologisch-konstruktive Weiterentwicklung der Abstandswirktechnik wurde zunächst der Bauraum der RR-Raschelmaschine und der Einzug der Drähte in den vorhandenen Garnlauf analysiert. Der Fadenlängenausgleich für die Maschenbildung, die Fadenwippe, ist kommerziell als Fadenwippe mit Stahlfedern umgesetzt. Dadurch wird die für die Fadensysteme benötigte Fadenzugkraft erreicht. Bei ebendieser Fadenzugkraft entstehen für die Funktionsdrähte aus Eisen- und Konstantan jedoch irreversible Knicke an den Umkehrpunkten der Lochnadeln. Diese Knicke verhindern das Gleiten der Drähte durch die Lochnadeln, sodass ein Drahtbruch entsteht. Die Drähte benötigen eine sehr niedrige Fadenzugkraft sowie einen Längenausgleich mit niedriger Federkonstante, da materialbedingt nur eine geringe elastische Dehnung (0,1 %) vorhanden ist.

Weiterhin waren technologische Modifikationen zur Verarbeitung von Glasfasergarnen als Schuss-, Steh- und Polfaden auf der RR-Raschelwirkmaschine erforderlich. Die Glasfaserrovings (350 tex) wurden bei der Verarbeitung als Polfadensystem aufgrund der Querkräftanfälligkeit bereits vor der Maschenbildung durch die kleinen Umlenkradien in der Lochnadel abgeschert. Daher wurden verzwirnte Glasfaserrovings als Verstärkungsfaser eingesetzt. Zur Verarbeitung dieser Glasfaserzwirne wurde ein Fadenliefersystem mit einer passiven Fadenzufuhr und einer konstanten Fadenzugkraft von 20 cN entwickelt und umgesetzt. Mittels angetriebener Spulenaufnahme für Glasfasern und Tänzerwalze zur Zugkraftregelung lässt sich dieses Prinzip automatisieren und auf ein System für hohe Produktionsgeschwindigkeiten übertragen.

In einem mehrstufigen Handlaminierverfahren wurden die hergestellten MTP-Halbzeuge mit hochtemperaturbeständigem Harz infiltriert und als MTP Demonstrator verarbeitet (Abbildung 3).


Elektrische Leistung der MTP

Zur Auswertung der thermoelektrischen Leistung der MTP wurde ein gekoppelter elektrisch-thermischer Versuchsstand entwickelt, der durch jeweils ein Peltier-Element an der Ober- und Unterseite eine aktive Erwärmung bzw. Kühlung realisiert. Damit sind Temperaturdifferenzen von bis zu 80 K erreichbar. Zwischen den Peltierelementen und der Probe sind Platten aus Aluminium eingeschraubt. Diese erfüllen zwei Funktionen. Erstens homogenisieren sie die Wärmeverteilung. Zweitens sind in den Platten jeweils Pt100-Temperaturfühler (Präzisionsklasse A) eingebracht. Die Temperaturfühler wurden dabei in Bohrungen platziert und mit Wärmeleitpaste verklebt, sodass eine gute Wärmeleitung zwischen Peltierelement, Probe und Temperatursensoren gewährleistet ist und die Temperaturabweichung zwischen Sensor und TEG-Oberfläche minimal ist. Die Widerstände der Pt100-Fühler wurden mit einem Keithley DAQ 6500 Präzisionsmultimeter aufgenommen. Die Ansteuerung des Multimeters erfolgte durch Matlab-Simulink. Anhand der gemessenen Temperaturen wurde die Spannungsquelle über SCPI-Befehle und einen PID-Regler geregelt, um eine präzise und stabile Kontrolle der Temperaturdifferenz zu erreichen. Gleichzeitig ermöglichte das Präzisionsmultimeter die Messung der vom TEG erzeugten Spannung, des durch den Lastwiderstand fließenden Stroms sowie des Innenwiderstands des TEGs. In Abbildung 4 sind der Prüfstand mit dem das Temperaturprofil während eines Versuchs mit 60 K Temperaturdifferenz und die aufgenommene Strom-Spannungs-Kennlinie abgebildet.

Mittels Präzisionsmultimeter wurden außerdem die Kontaktpunkte der Funktionsgarne in der gewirkten TEG-Struktur auf ihre Übergangswiderstände hin überprüft sowie der Gesamtwiderstand der TEG-Module ermittelt. Die Kontaktwiderstände zwischen den Funktionsdrähten lagen konstant unter 0,1 Ω. Entgegen der Erwartungen war dies auch nach der Faserverbundbildung der Fall, sodass der Innenwiderstand des finalen Demonstrators 0,9 Ω beträgt. Auch der thermoelektrische Effekt des MTP wurde durch das Harz nicht nachteilig beeinträchtigt. Dies wurde durch Vergleichsmessungen der MTP am Leibniz Institut für photonische Technologien (ipht) und bei der itp GmbH ebenfalls bestätigt.

Die Projektergebnisse zur Herstellung und zu den Eigenschaften von abstandsgewirkten MTP aus Eisen und Konstantan bilden eine Basis für die zielgerichtete Weiterentwicklung einer effizienten Fertigung von vertriebsreifen TEG. Die Ausnutzung der Produktivität der RR-Raschelwirkmaschine trägt dazu bei, die sonst kostenintensiven alternativen Energiekonzepte für Bevölkerung und Wirtschaft zugänglich und profitabel zu gestalten, sodass zum Erhalt der Umwelt beigetragen wird.


Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21144 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Das Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden (ITM) dankt den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel.

Der Abschlussbericht und weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden vorhanden [3].

Die vollständige Veröffentlichung steht zum Download zur Verfügung.

Authors: Anke Golla, Johannes Mersch, Gerald Hoffmann, Chokri Cherif

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
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17.03.2023

Bionische 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit komplex angeordneten Versteifungselementen

Knittings Composites Textile machinery Technical Textiles

Abstract

Im abgeschlossenen IGF-Projekt 20793 BR erfolgte am ITM die simulationsgestützte Entwicklung, Umsetzung und Erprobung eines innovativen Verfahrens zur integralen Herstellung endlosfaserverstärkter 3D-Schale-Rippen-Textilstrukturen mit komplex angeordneten Versteifungselementen. Inspiriert von der Amazonas-Riesenseerose, deren gigantische Blätter extrem tragfähig sind, weisen diese bionischen Preformen komplex angeordnete, sich kreuzende Versteifungselemente in 0°-, 90°- sowie in ± 45°-Ausrichtung und insbesondere eine durch alle Preformteile durchgehende Faserverstärkung auf. Das ermöglicht perspektivisch einen Durchbruch topologie‑ und strukturoptimierter, endlosfaserverstärkter 3D-Schale-Rippen-Verbundbauteile in Serienanwendungen.

Report

Einleitung und Problemstellung

Faserverstärkte Kunststoffverbunde (FKV) weisen ein sehr hohes Potenzial zur maßgeblichen Reduktion bewegter Bauteilmassen und somit zur Steigerung der Energieeffizienz auf. Für einen Durchbruch von FKV in Serienanwendungen fehlen allerdings flexible Verfahren, die eine schnelle Umsetzung kostengünstiger, endkontur- und kraftflussgerechter 3D-Preformen bei hoher Materialeffizienz und Vermeidung von Nachbearbeitungsschritten erlauben.

Zur Erhöhung der Biege-, Beul- und Torsionssteifigkeit hochbelasteter schalenförmiger FKV-Bauteile kommen heute in vielfältigen Anwendungsfeldern Versteifungselemente wie Rippen, Spanten oder Stringer zum Einsatz. Die Bauteile werden jedoch bisher meist in Differenzialbauweise auf Preform- bzw. Bauteilebene durch nachträgliches Fügen von Schalen- und Versteifungsstruktur hergestellt. Dadurch ist die Fertigung derartiger FKV-Bauteile aktuell sehr kostenintensiv. Zusätzlich fehlt dabei prozessbedingt eine durchgehende Faserverstärkung zwischen Schale und Rippe. Das Leichtbaupotenzial von Hochleistungsfasern wird so nur teilweise ausgenutzt. Additive Verfahren, wie das 3D-Drucken [1] oder das Spritzgießen [2], erlauben zwar die integrale Fertigung von 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit komplexer Versteifungsstruktur, verfahrensbedingt ist jedoch die Möglichkeit der Einbringung einer Endlosfaserverstärkung in der Rippenstruktur stark begrenzt.

Im Rahmen des IGF-Projektes 18806 BR wurden am ITM grundlegende Basislösungen zur integralen Fertigung von 3D-Schale-Rippen-Mehrlagengestricken mit durchgängiger Endlosfaserverstärkung zwischen Schale und Rippenstruktur erfolgreich entwickelt und umgesetzt [3]. Allerdings konzentrierten sich die Arbeiten auf die Schaffung der technologischen Grundlagen für eine flexible Herstellung endkonturgerechter 3D-Schale-Rippen-Preformen mit ausschließlich in 90° angeordneten Rippen.

Natürliche Vorbilder zeigen jedoch, dass für eine optimale Aufnahme der auf das Bauteil wirkenden Belastungen eine komplexere Orientierung der Rippen notwendig ist. Dieses Prinzip findet sich z. B. in der komplex verrippten Struktur der Erdnussschale sowie in den gigantischen und extrem tragfähigen Blättern der Amazonas-Riesenseerose (vgl. Abbildung 1) wieder, die längliche, diagonale bzw. sich kreuzende Rippen sowie ein sehr geringes Eigengewicht aufweisen.

Für eine wirtschaftliche Nutzung dieses bionischen Prinzips in FKV-Anwendungen fehlen jedoch aktuell flexible und serientaugliche Fertigungsverfahren, die eine kosteneffiziente Umsetzung topologieoptimierter Schale-Rippen-Preformen mit derartig komplex angeordneten Versteifungselementen in Integralbauweise ermöglichen [4]. Die besondere Herausforderung für derartige Verfahren ergibt sich aus der notwendigen hohen Flexibilität zur Einstellung der je nach Anwendungs- und Lastfall extrem variierenden geometrischen sowie strukturmechanischen Anforderungen und damit der Strukturparameter, wie Rippendicke, -höhe und -ausrichtung.

Zielsetzung

Das Ziel des IGF-Forschungsprojektes 20793 BR war die simulationsgestützte Entwicklung, Umsetzung und Erprobung eines innovativen Verfahrens auf Basis der hochflexiblen Mehrlagenflachstricktechnik zur vollautomatisierten, integralen Fertigung endlosfaserverstärkter 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit komplex angeordneten Versteifungselementen sowie kontinuierlicher, durchgängiger Faserverstärkung zwischen Schale und Rippenstruktur.

Ergebnisse

Simulationsgestützte Preform‑ und Technologieentwicklung

Die besondere Herausforderung im Projekt war die Entwicklung geeigneter Bindungstechniken und neuartiger Maschinenelemente zur integralen und verzugsfreien Fertigung lastgerecht ausgelegter 3D-Preformen mit komplex angeordneten Versteifungselementen in 0°-, 90°- und ± 45°-Ausrichtung sowie von Simulationstools für eine optimale, CAD-gestützte Auslegung daraus herstellbarer FKV-Bauteile. Nach Festlegung der Anforderungen an relevante Schale-Rippen-FKV-Bauteile und die Präzisierung typischer Lastfälle (hauptsächlich Biege-, Druck- und Torsionsbelastungen) erfolgte zunächst eine FEM-basierte Struktursimulation (Finite Elemente Methode) mit einem makroskopischen Modell. Dabei wurden die Parameter Rippendicke, -höhe sowie Wandstärke der Schale systematisch variiert, mit dem Ziel, die Zusammenhänge und die Wechselwirkungen zwischen den geometrischen Parametern und die resultierenden mechanischen Verbundeigenschaften zu ermitteln und somit die bestmöglichen Kennwerte für die Auslegung von 3D-Schale-Rippen-Textilhalbzeugen mit komplex angeordneten Versteifungselementen festlegen zu können.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Rippenhöhe eine nur geringe Auswirkung auf die resultierende Biegefestigkeit der daraus hergestellten Verbunde aufweist. Die Rippendicke und die Wandstärke der Schale weisen hingegen einen sehr hohen Einfluss auf. Als Hauptfaktor für ein frühzeitiges Bauteilversagen wurde sowohl bei dem entwickelten FEM-Modell als auch bei der durchgeführten mechanischen Charakterisierung von 3D-Verbundproben ein durch interlaminare Scherspannung ausgelöster Bruch, sog. Delamination, zwischen unterschiedlichen Verstärkungslagen identifiziert (vgl. Abbildung 2). Zur besseren Vorhersage der mechanischen Eigenschaften von FKV wurde daher ein mesoskopisches FEM-Modell entwickelt und eingesetzt [5], das in der Lage ist, 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit einem komplexen Lagenaufbau sehr detailliert abzubilden. Anhand dieses Modelles konnte festgestellt werden, dass die Orientierung der Verstärkungsfäden im Bereich der Rippe eine untergeordnete Rolle spielt. Ausschlaggebend für die Gewährleistung guter strukturmechanischen Verbundeigenschaften ist die Sicherstellung einer durchgängigen Faserverstärkung zwischen unmittelbar benachbarten Strukturbereichen, insbesondere an den Verbindungsstellen zwischen Rippen mit unterschiedlicher Orientierung (z. B. 0°/90°), sowie der Fixierung mehrerer Verstärkungslagen mit einem einzigen Maschenfaden. Somit weist eine 2D-Verbundprobe aus vier integral gefertigten, miteinander verbundenen Verstärkungslagen mit 17,8 GPa ein um 12 % höheres Biegemodul im Vergleich zu einer aus vier Einzellagen zusammengesetzten Verbundprobe auf, die 15,9 GPa erreicht.

Integral gefertigte 3D-Schale-Rippen-Strukturen

Basierend auf der durchgeführten Struktursimulation wurden der dabei ermittelte ideale Verlauf der Verstärkungsfäden iterativ mit den stricktechnisch realisierbaren Verstärkungsfadenanordnungen unter Berücksichtigung der technologischen Umsetzbarkeit verglichen und anschließend aussichtsreiche Bindungsvarianten mit lastgerecht angeordneten Verstärkungsfäden abgeleitet und festgelegt. Darauf aufbauend wurden insbesondere für die direkte Ausbildung diagonal angeordneter Rippen notwendige technologische Anpassungen an der vorhandenen Maschinentechnik abgeleitet, konstruktiv entwickelt und umgesetzt. Nach Implementierung einer neuartigen, modular in konventionelle Flachstrickmaschinen nachrüstbaren Vorrichtung für das Aufspreizen der Kettfadenschar wurden 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit in 0°, 90° und ± 45° angeordneten Rippen auf einer modifizierten Flachstrickmaschine ARIES.3D technology der Firma Steiger (Steiger Participations SA, Vionnaz/Schweiz) stricktechnisch umgesetzt (vgl. Abbildung 3).

Mit der Umsetzung der Strukturen wurde gezeigt, dass die entwickelten Bindungsvarianten als Programmiermodule bereitgestellt werden können und mit geringem Programmieraufwand in kommerzielle Softwarelösungen zur Erstellung der Maschinensteuerprogramme übertragbar sind. Diese Module können miteinander kombiniert werden und ermöglichen somit eine beträchtliche Struktur- bzw. Produktvielfalt. Im Ergebnis des abgeschlossenen Forschungsprojektes steht fortan ein robustes und erprobtes Verfahren zur integralen Fertigung endlosfaserverstärkter 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit komplex angeordneten Versteifungselementen auf Flachstrickmaschinen zur Verfügung.

Bauteilherstellung und Charakterisierung

Aus den integral gefertigten Preformen wurden FKV-Bauteile im SCRIMP-Verfahren (Seaman Composite Resin Infusion Molding Process) hergestellt. Dafür wurde ein Formwerkzeug mit modular einsetzbaren Metallkernen entwickelt, das die flexible Herstellung von 3D-Schale-Rippen-Bauteilen mit unterschiedlichen Rippenausrichtungen ermöglicht (vgl. Abbildung 4). Zu Vergleichszwecken erfolgte auch die Realisierung eines in Differenzialbauweise gefertigten FKV-Bauteils. Dabei wurden Schalen und Rippenstruktur separat hergestellt und anschließen miteinander gefügt. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass für die Bauteilherstellung in Integralbauweise im Vergleich zur Differenzialbauweise deutlich weniger Arbeitsschritte erforderlich sind.

Zur Validierung der entwickelten FEM-Modelle erfolgte schließlich eine umfangreiche Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften von 2D-Verbundproben mittels Zug-, Druck-, CAI- (Compression-After-Impact), 4‑Punkt-Biege-, ILSS‑ (Interlaminare Scherfestigkeit) sowie Charpy-Schlagversuchen. Ergänzend dazu wurden in Anlehnung an DIN EN ISO 14125 auch 3-Punkt-Biegeversuche an 3D-FKV-Bauteilen durchgeführt (vgl. Abbildung 5), um die Biegefestigkeit der neuartigen 3D-Schale-Rippen-Bauteile mit komplex angeordneten Rippen zu ermitteln.

Insgesamt ist festzuhalten, dass die neuartigen 3D-Schale-Rippen-Preformen mit komplex angeordneten Versteifungselementen für die flexible Herstellung hochbeanspruchbarer FKV-Bauteile mit komplexer Versteifungsstruktur und vor allem mit einer durchgängigen Faserverstärkung zwischen Schale und Rippen sehr gut geeignet sind. Die dabei erreichbare Endlosfaserverstärkung in den Rippen stellt eine deutliche Verbesserung im Vergleich zum Stand der Technik dar. Insbesondere ermöglicht der Einsatz der neuartigen 3D-Textilhalbzeuge eine deutliche Vereinfachung des Preforming-Prozesses. Im Vergleich dazu erfordert eine Premformherstellung in Differenzialbauweise eine hohe Anzahl an 2D-Textilstrukturen, welche in aufwendigen Prozessschritten zugeschnitten, vorgeformt, gestapelt, kompaktiert und fixiert werden müssen. Bei Anwendung der Projektergebnisse ist dazu nur noch eine Positionierung der integral gefertigten 3D-Preform im Werkzeug erforderlich. Außerdem weisen die realisierten 3D-Preformen aufgrund der Fixierung einer hohen Anzahl an Verstärkungsfadenlagen durch nur einen einzigen Maschenfaden eine hervorragende Stabilität auf, was perspektivisch eine vollautomatisierte Preformherstellung mittels Robotertechnik ermöglicht. Somit sind die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche, automatisierbare Fertigung endlosfaserverstärkter 3D-Schale-Rippen-FKV-Bauteile mit komplex angeordneten Versteifungselementen in reproduzierbare Qualität geschaffen.

Zusammenfassung und Ausblick

Im Rahmen des IGF-Projektes 20793 BR wurde ein innovatives Fertigungsverfahren auf Basis der Mehrlagenflachstricktechnik zur integralen Herstellung lastgerecht ausgelegter 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit komplex angeordneten Versteifungselementen entwickelt, umgesetzt und erfolgreich erprobt. Wesentliche Vorteile der Integralbauweise gegenüber der Differenzialbauweise sind ein deutlich schnellerer Preformaufbau sowie eine deutlich höhere mechanische Belastbarkeit daraus herstellbarer FKV-Bauteile durch die durchgehende Faserverstärkung zwischen benachbarten Strukturbereichen, z. B. zwischen Schale und Rippe. Derartige Bauteile sind dadurch wesentlich materialeffizienter auslegbar. Künftig ermöglicht das entwickelte Verfahren einen Durchbruch topologie‑ und strukturoptimierter endlosfaserverstärkter 3D-Schale-Rippen-FKV-Bauteile in Serienanwendungen.

Potenzielle industrielle Anwendungen sind u. a. für hochbelastbare rippenverstärkte Schalen im Schienenfahrzeug‑, Automobil- und Apparatebau (z. B. Türen oder Maschinenabdeckungen), Rumpfstrukturen im Schiffbau oder lasttragende Strukturen der Luft- und Raumfahrt (z. B. Flugzeugrumpf oder Isogrid-Strukturen).

Weiteres Forschungspotenzial besteht u. a. in der Weiterentwicklung der Technologie zur integralen Fertigung endlosfaserverstärkter 3D-Schale-Rippen-Strukturen mit diagonal angeordneten Versteifungselementen abweichend von der ± 45°-Anordnung bzw. mit gekrümmten Rippen [6].

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 20793 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e. V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Die Autoren danken den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel sowie den involvierten Unternehmen im projektbegleitenden Ausschuss für die fachliche Unterstützung und die Bereitstellung von Versuchsmaterial. Der Forschungsbericht und weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden erhältlich.

Authors: Quentin Bollengier, David Rabe, Minh Quang Pham, Eric Häntzsche, Chokri Cherif

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

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18.10.2022

In-situ-Strukturüberwachung von Faserkunststoffverbunden unter Druckbeanspruchung

Yarns Composites Sensor Technology Sustainability Technical Textiles Tests

Abstract

Die kontinuierliche Strukturüberwachung von FKV-Bauteilen vor allem in komplexen, wechselnden Belastungsszenarien stellt einen effizienten Lösungsansatz dar, um frühzeitig potenziell auftretende Ermüdungserscheinungen oder Schäden zu detektieren. Gerade in FKV-Bauteilen sind textilbasierte Sensoren eine wirtschaftliche Lösung zur kontinuierlichen In-situ-Strukturüberwachung, aufgrund ihrer direkten textiltechnischen Integration während der Flächenbildung und hohen Strukturkompatibilität.    

Das in diesem Forschungsprojekt entwickelte textilbasierte Sensorkonzept wurde auf der Garn- und Verbundebene elektromechanisch charakterisiert und wurde im Multiaxialkettenwirken zu funktionalisierten Gelegen und fortführend in etablierten Verbundbildungstechnologien zu CFK-Proben weiterverarbeitet sowie umfangreich in Zug-, Druck- und Biegeversuchen charakterisiert. Anhand eines CFK-Profil Demonstrators wurde die praktische Umsetzbarkeit und Funktionsfähigkeit erprobt und bewiesen. Diese „Smart-Composites“ ermöglichen nicht nur eine kontinuierliche In-situ-Strukturüberwachung von FKV-Bauteilen unter Zug-, Biege- und vor allem Druckbeanspruchung, sondern können auch für die Detektion von Riss- und Delaminationsvorgängen eingesetzt werden. Dadurch können sowohl das Verständnis des Materialverhaltens verbessert und für zukünftige Auslegungen berücksichtigt als auch erforderliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems eingeleitet werden.

Report

Einleitung

Faserverstärkte Verbundstrukturen (Composites) werden gegenwärtig u. a. in den Bereichen des Maschinen-, Flugzeug- und Automobilbaus aufgrund der ausgezeichneten mechanischen Eigenschaften bei gleichzeitig höchstem Leichtbaupotenzial eingesetzt [1]. Auch im Bausektor finden Hochleistungstextilien, substituierend zur Stahlbewehrung, zunehmend Anwendung im Carbonbeton [2], aufgrund ihrer mechanischen sowie chemischen Eigenschaften und der daraus resultierenden ressourcenschonenden, filigranen Leichtbauweise. Die langzeitstabile Funktionsfähigkeit und Sicherheit von faserverstärkten Verbundstrukturen ist durch den häufigen Einsatz in sicherheitskritischen Komponenten und Strukturen dringend erforderlich. Ein vielversprechender praxisorientierter Lösungsansatz stellt hierbei die kontinuierliche Strukturüberwachung dar, um die (Rest-)Tragfähigkeit zu quantifizieren und um ggf. erforderliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit einzuleiten.  
Eine besonders wirtschaftliche und strukturkompatible Lösung sind textilbasierte Sensoren, die während der Herstellung der textilen Verstärkungshalbzeuge integriert und zur Erfassung komplexer Lastfälle sowie Riss- und Delaminationsvorgänge auf Verbundebene eingesetzt werden. [3 – 6]

Textilbasierte Dehnungssensoren werden prinzipbedingt vorwiegend zur Überwachung in zugbeanspruchten Verbundstrukturen eingesetzt. Um zuverlässige Aussagen über strukturelle Veränderungen und kritische Überlastzustände auch in komplex überlagerten Beanspruchungsszenarien (bspw. Zug- und Druckbeanspruchungen) ableiten zu können, wurden im IGF-Projekt 21169 BR textilbasierte druckmessfähige Sensorsysteme zur kontinuierlichen In-situ-Strukturüberwachung für FKV entwickelt.

Zielsetzung und Lösungsweg

Das Ziel des IGF-Forschungsprojekts war die Entwicklung, Charakterisierung und Erprobung textilbasierter druckmessfähiger Sensorsysteme und deren textiltechnische Integration im Multiaxialkettenwirken zur Herstellung sensorisch-funktionalisierter textiler Verstärkungshalbzeuge für den Einsatz in FKV. Das Anforderungsprofil an die textilen Sensoren wurde anhand eines Funktionsdemonstrators simulationsgestützt abgeleitet und gezielt darauf ausgelegt strukturelle Deformationen durch einwirkende Zug-, Biege- und vor allem Druckbeanspruchungen zu erfassen. Hierfür wurde der Ansatz verfolgt, die Drucksensitivität von textilen Sensoren durch die gezielte Einstellung und Aufrechterhaltung einer Vorspannung bzw. -dehnung zu erhöhen. Das Sensorverhalten wurde umfangreich in elektromechanischen Untersuchungen auf Faser- und Verbundebene analysiert und am Funktionsdemonstrator erprobt.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21169 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V., Reinhardtstr. 12-14, 10117 Berlin wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Authors: Le Xuan, Hung; Seidel, André; Hahn, Lars; Nocke, Andreas; Cherif, Chokri

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

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29.09.2022

DigiPEP: Lastpfadgerecht-ausgelegte Bauteile

Composites Technical Textiles

Abstract

Bei Entwicklungen von Bauteilen aus faserverstärkten Kunststoffen steht häufig der Leichtbauaspekt im Vordergrund. Dazu werden die auftretenden Lastfälle anhand der Randbedingungen und Kräfte bestimmt und anschließend das Bauteil entsprechend ausgelegt. Wird dieser Ansatz noch weiter ausgereizt, so wird die Methode meist den Tailored Textiles zugeordnet. Tailored Textiles sind, wie es der Begriff bereits vermuten lässt, Textilien, die auf den Anwendungsfall abgestimmt hergestellt werden. Dazu gehört ebenfalls das Tailored Fibre Placement (TFP) Verfahren. Dabei können Rovings variabel-axial abgelegt und festgestickt werden. Durch diese Art der Ablage können Stickmuster gemäß den auftretenden Lastfällen im geformten Bauteil erstellt werden. Das Verfahren ist somit extrem verschnittarm und kann zur lokalen Verstärkung in Form von Inserts eingesetzt werden oder als gesamtes Bauteil mit einem enormen Leichtbauansatz verwendet werden. In Kombination mit geringen Anschaffungs- und Prozesskosten bietet das Verfahren besonders für KMU ein großes Potential.

Report

Während des Produktentstehungsprozesses (PEP) von Faserverbundbauteilen aus TFP-Preforms ist eine Vielzahl von Iterationen notwendig um die gewünschten Eigenschaften im fertigen Bauteil zu gewährleisten. Vor allem das Zusammenspiel der verschiedenen Prozessschritte von der Roving-Ablage, der Drapierung bis hin zur Infusion und die auftretenden Wechselwirkungen erschweren die Bauteilauslegung. Um die benötigten Auslegungsprozesse zu verknüpfen und so die Anzahl der Iterationen möglichst zu reduzieren wird im Rahmen des DigiPEP-Projektes der Model Based Systems Engineering (MBSE) Ansatz verwendet (siehe Abb. 1). Dieser Ansatz ermöglicht eine Integration der verschiedenen Modelle und eine Zuordnung der Aufgaben zu einzelnen Verantwortlichen. Insgesamt soll somit ein Modell mit einem User Interface entstehen, das nur die wichtigsten Randbedingungen und Entscheidungen von dem jeweiligen Verantwortlichen erfordert. In das Modell sollen Modelle zur Strukturanalyse, Stickpfadauslegung, Topologie-Optimierung, Drapierung und Versagensanalyse des fertigen Bauteils integriert werden. Darüber hinaus soll eine Kosteneinschätzung sowie eine Form der Lebenszyklusanalyse ermöglicht werden. Um die verschiedenen Modelle zu erzeugen und eine Datenbasis aufzubauen, wird u.a. das Ablageverhalten verschiedener Materialien untersucht sowie mechanische Prüfungen an Probenkörper durchgeführt. Dabei werden die Produktionsparameter variiert, um deren Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften zu untersuchen. Diese Variation wird ebenfalls zur Untersuchung des Drapierverhaltens verwendet. Zur Repräsentation des Drapierverhaltens im Modell soll eine Datenbasis aus qualitativen Versuchen erzeugt und mittels Künstlicher Intelligenz in das MBSE-Modell integriert werden.

Das erzeugte Modell wird anhand der Auslegung eines Demonstrator-Bauteils validiert. Dieses Demonstrator-Bauteil stammt aus dem Bereich des zukünftigen Transportes und der Produktion der Zukunft. Das erzeugte MBSE-Modell soll durch das erstellte Userinterface einfach bedienbar sein. Als Einsatzgebiet zielt das Projekt besonders auf KMU ab, um für diese den Einsatz der TFP-Technologie zu vereinfachen und die Auslegung neuer Bauteile zu beschleunigen. Darüber hinaus wird angestrebt durch die Software eine grobe Kosten- sowie Nachhaltigkeitsabschätzung zu ermöglichen. Damit kann der Anwender vor der genaueren Planung bereits erste Aussagen gegenüber dem Kunden treffen.

Das auf zwei Jahre ausgelegte Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Technologietransferprogramms Leichtbau unter der Fördernummer 03LB3063A gefördert. An der Bearbeitung sind die folgenden Partner beteiligt: EDAG Group, Digel Sticktech GmbH & Co. KG, ModuleWorks GmbH, Ph-MECHANIK GmbH & Co. KG, adesso SE.

Authors: Rebecca Emmerich, Till Quadflieg

ITA Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen University, Otto-Blumenthal-Strasse 1, 52074 Aachen, Deutschland

Sporttech Mobiltech

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