Forschungspublikationen

6 Ergebnisse
26.03.2024

Entwicklung endkonturgerechter Multiaxialgelege mit lokal einstellbarer, bauteilgerechter Verstärkungskettfadendichte

Gestricke & Gewirke Textilmaschinenbau Technische Textilien

Zusammenfassung

Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wurde ein neuartiges Nachrüstmodul für Multiaxial-Kettenwirkmaschinen entwickelt, das die Herstellung von Multiaxialgelegen mit lokal angepassten Verstärkungskettfadendichten ermöglicht. Diese Innovation erlaubt eine materialsparende und kosteneffiziente Produktion von Bauteilen aus Faserkunststoffverbunden (FKV) mit Hochleistungsfasern wie Carbon. Hierbei können Kettfäden gezielt in den Bereichen, bspw. in denen sie nicht benötigt werden, aus dem Wirkprozess entfernt und bei Bedarf wieder eingefügt werden. Zudem wird es ermöglicht, eine definiert gradierte Kettfadendichte durch den gezielten Versatz von Kettfäden zu erreichen.

Das entwickelte modulare System wurde an einer Multiaxial-Kettenwirkmaschine vom Typ Malimo 14024 der Karl Mayer Textilmaschinenfabrik GmbH (Chemnitz, Deutschland) experimentell erprobt. Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Verschnittreduktion auf bis zu 0 % in Kettrichtung sowie eine hohe Anpassungsfähigkeit an bauteilspezifische Anforderungen. Durch die Implementierung von Steuerungsalgorithmen für eine achsvariable Legung der Kettfäden konnte zudem eine simulationsgestützte Prozesskette zur Herstellung textiler Halbzeuge für FKV-Bauteile mit lokal variierenden Spannungsverteilungen erreicht werden.

Die erzielten Forschungsergebnisse unterstreichen das hohe Potential der Technologie zur wirtschaftlichen und gleichzeitig umweltfreundlichen Herstellung von FKV-Bauteilen. Besonderer Wert wurde auf die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die in den KMU vorhandenen Maschinen gelegt, um eine breite Anwendbarkeit der Forschungsergebnisse zu gewährleisten

Bericht

Ausgangssituation und Problemstellung

Der zunehmende Trend zum Leichtbau ist ein globales Phänomen in technischen Sektoren, verstärkt durch das Bewusstsein für einen materialeffizienten Umgang mit begrenzt verfügbaren natürlichen Ressourcen. Diese Entwicklung wird durch die Notwendigkeit ökologischer Nachhaltigkeit und die Reduktion von CO2-Emissionen vorangetrieben, wobei Faserkunststoffverbunde (FKV) aufgrund ihrer anisotropen strukturmechanischen Eigenschaften und ihres geringen spezifischen Gewichts eine Schlüsselrolle spielen. Sie bieten optimale Voraussetzungen für die ressourceneffiziente Auslegung von Leichtbaulösungen und treiben Innovationen in Branchen wie dem Maschinen-, Anlagen- und Automobilbau, insbesondere in der Elektromobilität, sowie in der Windkraftenergie und Luftfahrt voran. [1–11]

Die Herstellung von FKV-Bauteilen erfolgt derzeit hauptsächlich mit zweidimensionalen textilen Strukturen, die als Rollenware mit konstanter Breite und Fadendichte geliefert werden [12, 13]. Insbesondere mehraxiale Gelegestrukturen, gefertigt mittels der hochproduktiven Multiaxial-Kettenwirktechnik, sind für Großserienanwendungen und großflächige Bauteile relevant [14]. Eine wesentliche Herausforderung dieser Fertigungsprozesse ist der hohe Materialverschnitt in der bauteilspezifischen Halbzeugkonfektion, der wirtschaftlich und ökologisch nachteilig ist. Der Verschnitt kann je nach Bauteilgeometrie und -herstellungsverfahren bis zu 50 % betragen [15, 16].

In der Entwicklung endkonturgerechter textiler Halbzeuge mit lokal einstellbarer, d. h. achsvariabler, Verstärkungsfadendichte, um Verschnitt zu vermeiden und die textilen Halbzeuge an komplexe FKV-Geometrien anzupassen, liegt die entscheidende Aufgabe zur Steigerung der ökologischen und wirtschaftlichen Effizienz. Dies erfordert neue Lösungsansätze, da konventionelle Multiaxialgelege nicht die Anforderungen an eine bauteilgerechte gradierte Verstärkungsfadendichte erfüllen können. Sie sind in ihrer Verstärkungsfadendichte, sowie der Lagenanordnung im Preforming bisher für den maximalen lokalen Belastungsfall ausgelegt, was zu Überdimensionierung in weniger belasteten Bereichen oder zu hohem Verschnitt führt.

Die Entwicklung endkonturgerechter Multiaxialgelege mit lokal einstellbaren Verstärkungskettfadendichten adressiert diese Problematik. Vor Projektbeginn gab es keine Lösungen, die eine konturgerechte Fertigung von Multiaxialgelegen und eine Verringerung der Kettfadenanzahl in den nicht benötigten Bereichen oder eine Erhöhung in besonders beanspruchten Zonen ermöglichten. Die Motivation des Projekts leitet sich aus der Notwendigkeit ab, die Materialeffizienz in der textilen Fertigungskette zu steigern, indem Verschnitt und Überdimensionierung vermieden werden.

Technische Entwicklung und Umsetzung

Im Fokus der Forschungsarbeiten stand die Entwicklung einer innovativen Technologie zur effizienten Nutzung von kostenintensiven Hochleistungsfasern, speziell Carbonfasern, im Fokus. Ziel war es, die ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit von Faserkunststoffverbunden (FKV) durch eine signifikante Reduktion des Materialverschnitts und die Vermeidung von Überdimensionierung zu steigern. Die technische Herausforderung bestand darin, eine Methode zu entwickeln, die eine gezielte Anpassung der Verstärkungskettfadendichte an die bauteilspezifischen Anforderungen ermöglicht, sodass die Verstärkungskettfäden nur dort angeordnet werden, wo sie mechanisch erforderlich sind. Zur Realisierung dieser Zielsetzung war die Entwicklung eines Verfahrens essenziell, das es erlaubt, Kettfäden gezielt aus dem Wirkprozess zu entfernen und bei Bedarf wieder hinzuzufügen, um so eine konstante Kettfadendichte im endkonturgerechten Gelege zu gewährleisten. Zudem sollte eine Möglichkeit, die Kettfadendichte seitlich achsvariabel zu versetzen und somit lokal zu verstärken, was in einer gradierten Kettfadendichte resultiert, geschaffen werden. Die praktische Umsetzung dieser Technologie erforderte die Integration einer Zusatzvorrichtung in den Multiaxial-Kettenwirkprozess. Das entwickelte kombinierte Kettfadenmanipulationsmodul ermöglicht es, die Kettfäden mit lokal unterschiedlichen Dichten und Ausrichtungen prozesssicher zuzuführen.

Im Rahmen der technischen Entwicklung und Umsetzung zur Herstellung endkonturgerechter Gelege mit angepasster Kettfadendichte wurden drei wesentliche Teilfunktionen identifiziert und entwickelt: das selektive Trennen, das gezielte Führen sowie das individuelle oder gruppenweise Anfügen der Kettfäden an das Gelege. Diese Funktionen sind essenziell für die Realisierung einer global konstanten Kettfadendichte, die präzise an die Bauteilkontur und die mechanischen Anforderungen angepasst ist.

Selektives Trennen

Für das Trennen der Kettfäden wurde ein mechanisches Verfahren auf Basis eines Schermesserpaars mit einer festen und einer beweglichen Klinge, die pneumatisch angetrieben und gesteuert wird, entwickelt. Der Messerblock (siehe Abbildung 1 links) wurde an einer Lineareinheit (quer zur Arbeitsrichtung) befestigt und kann über einen Schlitten bedarfsgerecht pneumatisch auf die Höhe der zu schneidenden Kettfäden abgesenkt werden (siehe Abbildung 1 rechts). Dies ermöglicht es, die Kettfäden entsprechend der Bauteilkontur temporär aus dem Fertigungsprozess zu entfernen.

Vorbringen der Kettfäden

Zur präzisen Führung werden die Kettfäden pneumatisch vorgebracht. Dafür werden die Führungsröhrchen (siehe Abbildung 2 links) der Versatzeinheit mit Druckluft angeblasen, wodurch der Kettfaden in die Wirkstelle transportiert wird. Dabei muss die Schnittstelle, die sonst offen und zugänglich für das Schermesser gehalten wird, temporär durch eine Verschlusskappe überbrückt werden, um einen Druckluftverlust während des Vorbringens zu vermeiden (siehe Abbildung 2 rechts). Dieses System sorgt dafür, dass die abgetrennten Kettfäden exakt an die vorgesehene Stelle im Gelege, synchronisiert mit dem Wirkprozess, geführt werden. Ein Druck von 4 bar wurde für ein reproduzierbares, schnelles und präzises Vorbringen der vorher abgetrennten Kettfäden in die Nadelgasse der Wirkstelle erörtert, als Grundlage für das anschließende Anfügen des Kettfadenendes an das endkonturgerechte Gelege.

Anfügen der Kettfadenenden

Für das Anfügen der Kettfäden an das Gelege wurden verschiedene Lösungsansätze untersucht, darunter stoffschlüssige Verbindungen mittels Klebstoffen und form- bzw. kraftschlüssige Verbindungen durch nähwirktechnische Integration. Als geeignete Lösung hinsichtlich des Erhalts des textilen Charakters des endkonturgerechten Geleges sowie der Dauer des Anfügevorgangs erwies sich die nähwirktechnische Fixierung, die eine zuverlässige und schädigungsarme, kraftschlussbasierte Integration der Kettfäden in die Gelegestruktur ermöglicht.

Auf Basis der abgeleiteten Vorzugslösungen für die Teilfunktionen erfolgte anschließend die Entwicklung des kombinierten Kettfadenmanipulationsmoduls, mit dem eine Kettfadenschar sowohl seitlich versetzt, als auch einzelne Kettfäden aus der Kettfadenschar selektiv abgetrennt und nach Bedarf wieder angefügt werden können. Das kombinierte Kettfadenmanipulationsmodul besteht aus zwei synchronisierten Lineareinheiten. Eine Lineareinheit setzt die Messerblockbewegung um, eine zweite Lineareinheit den seitlichen Versatz der Kettfäden (siehe Abbildung 3 und Abbildung 4). Das vollständige, entwickelten Nachrüstmodul, inklusive der pneumatischen und elektrotechnischen Steuerungstechnik wurden in eine Malimo 14024 (Karl Mayer Textilmaschinenfabrik GmbH, Deutschland) integriert und auf Basis iterativer Funktionsmusterfertigungen erprobt. Dieses Modul ermöglicht die Herstellung endkonturgerechter Gelege mit variabel einstellbaren Verstärkungskettfadendichten und achsvariablen Fadenanordnungen und erhöht somit signifikant die Materialeffizienz in der FKV-Produktion.

Materialcharakterisierung und Ergebnisse

Auf die erfolgreiche Umsetzung der Funktionsmuster folgte die textil- und verbundphysikalische Charakterisierung der Funktionsmuster. Die Charakterisierung der Funktionsmuster erfolgte in mehreren Stufen. Zunächst wurde eine computergestützte photogrammetrische Messung zur Überprüfung der Konturradien und der Konturtreue durchgeführt. Anschließend fokussierte sich die Untersuchung auf die Ermittlung der strukturmechanischen Eigenschaften der FKV-Prüfkörper auf Basis der textilen Funktionsmuster. Hierbei kamen modifizierte Stempeldurchdrückversuche zum Einsatz, die einen multiaxialen Belastungszustand in die Textil- bzw. FKV-Prüfkörper einleiteten (siehe Abbildung 5). Die Kraftübertragung während der Versuche wurde aufgezeichnet und ausgewertet.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Einsatzmöglichkeiten des Kettfadenmanipulationsmoduls zur Herstellung endkonturgerechter Gelege mit bauteilgerechten Verstärkungskettfadendichten eine gleichbleibende mechanische Belastbarkeit wie vollverstärkte Bauteile ermöglichen, während gleichzeitig der Materialeinsatz signifikant reduziert wird. Anhand der Umsetzung eines PKW-Kotflügeldemonstrators (siehe Abbildung 6) konnte experimentell belegt werden, dass eine Materialreduktion von bis zu 50 % möglich ist, ohne die strukturelle Integrität und mechanische Belastbarkeit der FKV-Bauteile zu reduzieren. Die umfassenden Untersuchungen und die daraus resultierenden Erkenntnisse legen die Basis für die Fertigung und Handhabung praxisnaher endkonturgerechter Gelege. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Förderung nachhaltiger Produktionsverfahren in der Industrie geleistet.

Zusammenfassung

Im Rahmen der Forschungsarbeiten wurde ein innovatives Nachrüstmodul für die hochproduktive Multiaxial-Kettenwirktechnologie entwickelt, dass es ermöglicht, die Dichte der Verstärkungskettfäden in Multiaxialgelegen lokal und gezielt an die Anforderungen spezifischer Bauteile anzupassen. Diese technologische Neuerung repräsentiert einen signifikanten Fortschritt in der Fertigung von Faserkunststoffverbunden (FKV), indem nunmehr eine effiziente und materialsparende Produktion, insbesondere unter Verwendung hochpreisiger Hochleistungsfasern wie Carbon, ermöglicht wird. Die entwickelte Lösung gestattet es, die Integration der Kettfäden ausschließlich in jenen Bereichen vorzunehmen, die für die mechanische und geometrische Verstärkung des späteren Bauteils erforderlich sind. Dies führt zur Reduzierung des Verschnitts auf nahezu 0 % (in Kettfadenrichtung) sowie zur weitestgehenden Vermeidung der Überdimensionierung.

Für die Umsetzung des entwickelten Verfahrens wurde eine passende Fertigungstechnologie erarbeitet und als Zusatzvorrichtung in eine Multiaxial-Kettenwirkmaschine (Malimo 14024) integriert. Diese Vorrichtung ermöglichte die prozesssichere Ablage der Kettfäden mit individuell unterschiedlichen Dichten und Ausrichtungen, wodurch erstmals endkonturgerechte Gelege mit variabel einstellbaren, bauteilgerechten Kettfadendichten hergestellt werden konnten.

Der Ausblick auf zukünftige Entwicklungen fokussiert sich auf die Weiterführung der Technologieübertragung in die industrielle Praxis, insbesondere in KMU. Die durchgeführten Forschungsarbeiten bieten eine solide Basis für die Implementierung der neuen Technologie in bestehende Produktionsprozesse. Dabei stehen die Steigerung der Materialeffizienz und die Reduktion des ökologischen Fußabdrucks von FKV-Bauteilen im Vordergrund, um den steigenden industriellen und gesetzlichen Anforderungen an Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit gerecht zu werden.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21968 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e. V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Schlussbericht und weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden erhältlich.

AutorInnen: Konrad Zierold André Seidel Lars Hahn Chokri Cherif

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

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08.09.2023

Mit einem Sustainability-Assessment zur nachhaltigen Unternehmensstrategie

Nachhaltigkeit Technische Textilien

Zusammenfassung

Die Textilindustrie gilt im Sinne der Nachhaltigkeit auf europäischer Ebene als Risikobranche. Warum das eine besondere Herausforderung ist und wie ein systematischer Ansatz zur nachhaltigen Transformation von Unternehmen aussehen kann, erfahren Sie in diesem Artikel.

Die Textilindustrie ist bekannt für ihre Innovationen und Ideen, die weit über die traditionellen Anwendungen von Bekleidung und einfachen Stoffen hinausgehen. Einige Beispiele sind der Einsatz von Glas- oder Carbonfasern zum Ersatz von Stahlbewehrungen in Betonbauteilen, künstliche Herzklappen aus Textilien oder Wasserstofftanks aus Carbonfasern. Allerdings steht die Textilindustrie vor großen Herausforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit. Sie ist weltweit eine der Branchen mit den höchsten Umweltbelastungen und hat auch erhebliche soziale Auswirkungen auf die Arbeitskräfte in der Lieferkette, die häufig auf Baumwollfeldern in Ländern wie China, Indien oder Pakistan beginnt. Hier ist ein systematischer Ansatz zur Nachhaltigkeitsbewertung erforderlich. Das Ergebnis der Nachhaltigkeitsbewertung bildet den Status Quo ab, kann als Benchmark im Vergleich mit anderen Unternehmen der Branche verwendet werden und bietet einen optimalen Ausgangspunkt für die Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie.

Bericht

Einleitung

Aachen/München: Die Textilindustrie ist bekannt für ihre Innovationen und Ideen, die weit über die traditionellen Anwendungen von Bekleidung und einfachen Stoffen hinausgehen. Einige Beispiele sind der Einsatz von Glas- oder Carbonfasern zum Ersatz von Stahlbewehrungen in Betonbauteilen, künstliche Herzklappen aus Textilien oder Wasserstofftanks aus Carbonfasern.

Allerdings steht die Textilindustrie vor großen Herausforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit. Sie ist weltweit eine der Branchen mit den höchsten Umweltbelastungen und hat auch erhebliche soziale Auswirkungen auf die Arbeitskräfte in der Lieferkette, die häufig auf Baumwollfeldern in Ländern wie China, Indien oder Pakistan beginnt. Auch die weiterverarbeitenden Prozesse innerhalb der Wertschöpfungskette bergen die Gefahr unzureichender Umweltschutzmaßnahmen und der Missachtung international geltender Menschenrechte. Eine nachhaltige Textilindustrie hingegen setzt sich gezielt und insbesondere für den Einsatz von umweltfreundlichen Materialien, faire Arbeitsbedingungen und die Reduzierung des Energie- und Wasserverbrauchs ein. „Die EU verweist in ihrer neuen Sustainable Product Initiative nicht umsonst verstärkt auf ein hohes Maß an Umweltschutz und notwendige Verbesserungen der Umweltqualität. Wir müssen an den wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen forschen und neue Technologien schnell in die Umsetzung bringen“, so Prof. Thomas Gries vom Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University.
 

Systematischer Ansatz zur Nachhaltigkeitsbewertung

Auf Unternehmensebene fängt die Transformation mit der Erfassung der notwenigen Daten (Indikatoren) und der der daraus resultierenden Messbarkeit der eigenen Nachhaltigkeitsleistung an. Die TÜV SÜD Industrie Service GmbH hat dazu eine Methodik entwickelt, die in Zusammenarbeit mit dem ITA für die Textilindustrie adaptiert und optimiert wurde: die Nachhaltigkeitsbewertung orientiert sich an den 17 Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen. Auf der Grundlage verschiedener Indikatoren, die durch Branchen- und Ländervergleiche gewichtet werden, wird die Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens objektiv, unabhängig und transparent beurteilt. „Mit unserer Nachhaltigkeitsbewertung ermöglichen wir allen relevanten Akteuren der Wertschöpfungskette Klarheit über den Ist-Zustand der unternehmensspezifischen Nachhaltigkeit zu erlangen, die wesentlichen Nachhaltigkeitsrisiken zu identifizieren und mit den daraus abgeleiteten Verbesserungsmaßnahmen einen wesentlichen Schritt in Richtung eines Nachhaltigkeitsmanagementsystems zu gehen“, so Lucas Wagner von der TÜV SÜD Industrie Service GmbH. Dieser Ansatz umfasst die gesamte Unternehmensstrategie und ist auch für andere Branchen einsetzbar.
 

Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie

Das Ergebnis der Nachhaltigkeitsbewertung bildet den Status Quo ab, kann als Benchmark im Vergleich mit anderen Unternehmen der Branche verwendet werden und bietet einen optimalen Ausgangspunkt für die Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie. Die objektive Bewertung bietet zunächst die Möglichkeit, notwendige Schwerpunkte für die Transformation hin zu einem nachhaltigen Unternehmen zu identifizieren. Zusammen mit externen Experten, z. B. aus der Forschung, werden Potentiale identifiziert und konkrete Umsetzungsmaßnahmen abgeleitet. „Das Vorgehen bietet einen holistischen Ansatz, um die nachhaltige Transformation zu einem Kern der Unternehmensstrategie zu machen. Die Wirtschaftlichkeit bildet dabei eine wichtige Säule“, so Prof. Gries. Darüber hinaus bietet die Nachhaltigkeitsbewertung durch die TÜV SÜD Industrie Service GmbH eine ausgezeichnete Ausgangslage, um die Anforderungen der CSRD, also der „Corporate Sustainability Reporting Directive“ zu erfüllen. So wird Nachhaltigkeit zu einem planbaren Erfolgsfaktor für Unternehmen.

Bildunterschriften:

Abbildung 1: 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) der Vereinten Nationen (Quelle: Vereinte Nationen)

Abbildung 2: Methodischer Ansatz für die Nachhaltigkeitsbewertung eines Unternehmens (Quelle: TÜV SÜD Industrie Service GmbH)

Abbildung 3: Wesentlichkeitsanalyse und Strategieentwicklung (Quelle: TÜV SÜD Industrie Service GmbH)

AutorInnen: Pohlmeyer, Florian1 Wagner, Lucas2 Möbitz, Christian1 Gries, Thomas1

1: Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University, Otto-Blumenthal-Str. 1, 52074 Aachen

2: TÜV SÜD Industrie Service GmbH, Westendstraße 199, 80686 München

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07.07.2023

Innovation durch Zusammenarbeit: wie die Digitalisierung die Vliesstoffindustrie verändern wird

Vliesstoffe Textilmaschinenbau Sensorik

Zusammenfassung

Die Vliesstoffindustrie steht vor zahlreichen Herausforderungen, darunter komplexe Produktionsprozesse, hohe Qualitätsanforderungen, regulatorischer Druck und Fachkräftemangel. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, ist eine zunehmende Automatisierung auf der Grundlage der Digitalisierung der Industrie erforderlich. Obwohl die vierte industrielle Revolution große Versprechen mit sich bringt, hinken viele Unternehmen, einschließlich der Textilindustrie, bei der Umsetzung von Industrie 4.0 noch hinterher. Dies liegt teilweise am hohen Implementierungsaufwand, fehlenden Standards, hohen Kosten, mangelndem Know-how und fehlender Datengrundlage. Um die Vorteile der Digitalisierung nutzen zu können, sollten Unternehmen eine kosteneffiziente Datengrundlage aufbauen und digitale Kooperationen in Ökosystemen eingehen. Die Digitalisierung und die nachhaltige Transformation sollten Hand in Hand gehen, um ökonomische, soziale und ökologische Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Eine Plattformlösung kann eine skalierbare und interoperable Lösung bieten. Eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren, die gemeinsame Fragen beantworten, ist erforderlich, um ein einheitliches digitales System für die Vliesstoffindustrie aufzubauen. Wenn diese Herausforderungen erfolgreich bewältigt werden, können Unternehmen von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Dies gilt nicht nur für einzelne Unternehmen, sondern für die gesamte Branche. Eine gemeinsame Zusammenarbeit und das Auftreten gegenüber Förderträgern und der Politik sind erforderlich, um diese Ziele zu erreichen. Eine Zusammenarbeit mit anderen Branchen wie der Papierindustrie kann ebenfalls vorteilhaft sein, um Lösungen effizienter und kostengünstiger umzusetzen.

Bericht

Abstract: Die deutsche Industrie befindet sich an einem kritischen Punkt. Während die Nachhaltigkeitsanforderungen durch die zunehmende Regulierung steigen, bietet die Digitalisierung die Chance, Produktionsprozesse zur optimieren und Ressourcen zu sparen. Damit einher gehen zusätzliche bürokratische Hürden, wie auch zuletzt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zum Jahreswechsel gezeigt hat. Um im Wettbewerb bestehen zu können und langfristig erfolgreich zu sein, ist es wichtig, digitale Ökosysteme zur effizienten Verarbeitung der entsprechenden Daten zu entwickeln, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch tragfähig sind. Dies erfordert jedoch ein Umdenken innerhalb der Branche und die Verknüpfung von technologischen Fortschritten mit nachhaltigem Handeln. Dieser Artikel zeigt die bereits erzielten Fortschritte und ein mögliches weiteres Vorgehen auf.

Die Vliesstoffindustrie im Wandel

Der Blick auf den Status Quo zeigt zunächst zahlreiche Problemherde: Der hohe Komplexitätsgrad der Produktionsprozesse, die hohen Qualitätsanforderungen in vielen technischen, systemrelevanten Anwendungen, der zunehmende regulatorische Druck und der allgegenwärtige Fachkräftemangel treffen auf die ohnehin preis- bzw. kostensensible Vliesstoffbranche. Zur Komplexität tragen die große Vielfalt an Rohstoffen, Einflussparametern, Produktionsanlagen und Anwendungen bei. Die zunehmende Regulierung erhöht zusätzlich den Druck, wie z. B. das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz durch die zunehmende Verantwortung für die gesamte Lieferkette zeigt. Die Textilindustrie wird in der europäischen Variante als Risikobranche eingestuft und daher besonders beachtet. In den kommenden Jahren wird durch die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung für viele Unternehmen ebenfalls ein erheblicher zusätzlicher Aufwand entstehen. Diese zusätzlichen Regularien müssen durch immer weniger Fachkräfte erfüllt werden: bis 2060 werden in Deutschland 10-16 Millionen Arbeitskräfte fehlen [FSW21], die europäische Textilindustrie wird schon in der nächsten Dekade 500.000 Arbeitskräfte aufgrund des demografischen Wandels verlieren [Wal22]. Die zunehmenden Herausforderungen sind nur durch eine steigende Automatisierung zu beherrschen, die Grundlage dafür bildet die Digitalisierung der Industrie.

Die vierte industrielle Revolution geht mit großen Versprechen einher, z. B.: Einsparung von Kosten, Steigerung von Umsätzen und Steigerung des Automatisierungsgrades [LBO18]. Jedoch verharren viele Unternehmen noch in den ersten Stufen der Industrie 4.0 und sind weit von den Versprechen entfernt. Das gilt auch für die Textilindustrie, die allerding als ein Vorreiter für Innovationen in diesem Bereich gilt. Die Hauptprobleme liegen im hohen Implementierungsaufwand, der zu Teilen durch fehlende Standards, hohe Kosten, fehlendes Know-how (insbesondere in KMU), einer mangelnden Infrastruktur und einer fehlenden Datengrundlage begründet ist [BDG+22]. Da die hohen Kosten häufig mit einem nur schwer zu quantifizierendem Nutzen einhergehen, werden Projekte im Bereich Industrie 4.0 häufig ausgebremst [VSH+22]. Bei einer fehlenden oder mangelhaften Datengrundlage können selbst die besten Algorithmen im Bereich der Künstlichen Intelligenz keine guten Ergebnisse liefern [RMB+21]. Der Hauptfokus sollte also im Aufbau dieser Datengrundlage mit kosteneffizienten Mitteln liegen. Wichtig zu beachten ist: Digitalisierung, KI oder Machine Learning sollten nicht dem Selbstzweck dienen, sondern stets nur Werkzeuge zum Erreichen von konkreten Zielen sein. Häufig sind einfache und pragmatische Lösungen ausreichend.

Neben den rein ökonomischen Zielen haben Digitalisierungslösungen und darauf aufbauende Anwendungen ein großes Potenzial, auch soziale und ökologische Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, z. B. durch Effizienzgewinne [BDF+22]. Eine Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens oder der Produktion ist ohne Daten schlicht nicht möglich, sodass die digitale und die nachhaltige Transformation Hand in Hand gehen müssen [Bun20]. Neben dem digitalen Zwilling der Produktion kann zukünftig auch der nachhaltige Zwilling der Produktion aufgebaut werden. Die automatisierte Verfügbarkeit der Daten wird bei einer Anpassung an bestehende Regularien erheblich zum Bürokratieabbau beitragen können, z. B. bei der Nachhaltigkeitsberichtserstattung.

Plattformmodelle als skalierbare Lösung

Eine skalierbare und interoperable Lösungsmöglichkeit bieten Kooperationen in digitalen Ökosystemen [KW22]. Der nahtlose Austausch von Informationen (sowohl unternehmensintern als auch -extern) ist die Voraussetzung für die informationsbasierte Entscheidungsfindung in einem Unternehmen [VSW+18]. Wenn Daten in einheitlicher Form vorliegen, muss die Kompatibilität nicht erst aufwändig im Anschluss herbeigeführt werden. Diese Vereinheitlichung kann durch digitale Plattformen sichergestellt werden werden, denen z. B. standardisierte Datenmodelle zugrunde liegen. In Community-basierten Ökosystemen können zunächst gemeinsame Grundlagen der Zusammenarbeit in Form von Standards erarbeitet werden. Als simples Beispiel ist hier die einheitliche Namensgebung von Variablen in Vliesstoffanlagen zu nennen. In plattformbasierten Ökosystemen werden unternehmensübergreifende technische Entwicklungen und digitale Services entwickelt. Wie das Zusammenspiel in der Vliesstoffindustrie aussehen könnte, ist in Abbildung 1 dargestellt. [Bun21]

Die Plattform bündelt die jeweils notwendigen Aktivitäten für die Lösungsmöglichkeiten in digitalen Ökosystemen. Wichtig zu erwähnen ist, dass die Teilnehmer des Ökosystems auch jeweils mehrere Rollen einnehmen können. Beispielhaft können die Vliesstoffmaschinenbauer gleichzeitig zum Betreiber der Plattform werden. Außerdem ist es nicht erforderlich, dass die Daten der Vliesstoffproduzenten in eine externe Softwarelösung geladen werden müssen: eine interne Datenspeicherung on-premise ist jederzeit möglich. Ein beispielhafter Aufbau einer Plattform für die Vliesstoffindustrie ist in Abbildung 1 dargestellt. Die Vliesstoffhersteller profitieren als Geräte-Nutzer von digitalen Services, wie z. B. Predictive Maintenance, die vom Maschinenbau als Geräte-Hersteller zur Verfügung gestellt werden. Service-Anbieter, wie z. B. Entwicklung von Applikationen mit Künstlicher Intelligenz, können ebenfalls externe Services auf der Plattform anbieten. Die drei Ebenen werden zentral durch einen Orchestrator zusammengeführt. Ein Akteur kann jeweils mehrere Rollen einnehmen. So kann ein Vliesstoffmaschinenbauer oder ein Zusammenschluss von Maschinenbauern ebenfalls zum Orchestrator der Plattform werden. Dem Maschinenbau wird es möglich zusätzliche Services anzubieten und damit insgesamt die Qualität seiner Produkte zu erhöhen. Der Einsatz und Service seiner Maschinen wird optimiert, Kunden gebunden und das Angebotsportfolio erweitert. Dem Vliesstoffproduzenten wird es möglich, Daten effizient und herstellerübergreifend auszuwerten und auf zahlreiche Service-Dienstleistungen gleichzeitig zuzugreifen. [Bun21]

Abbildung 1: Beispielhafter Aufbau einer Plattformlösung für die Vliesstoffindustrie [nach Bun21] (s. Anlage)

Die Anwendungsfälle in der Vliesstoffindustrie reichen von der einfachen Visualisierung von Daten bis zur automatisierten Auswertung und Steuerung von Produktionsanlagen. Die Plattformlösung vereinheitlicht die Anwendungsfälle und verhindert die Schaffung von teuren Insellösungen. Der hohe Aufwand der Integration von Daten wird deutlich reduziert und die Skalierbarkeit von Lösungen wird möglich.

Fundamente für die Zusammenarbeit

Die Ausführungen zeigen auch: für den Aufbau eines einheitlichen digitalen Systems für die Vliesstoffindustrie ist eine Zusammenarbeit verschiedener Akteure erforderlich. Fragen die gemeinschaftlich beantwortet werden müssen sind z. B. folgende:

  • Welche Daten müssen für eine datenbasierte Modellierung von Vliesstoffverfahren erhoben werden?
  • Welche Datenquellen sind erforderlich?
  • Wie muss eine einheitliche Datenerhebung (z. B. einheitliche Bezeichnung von Variablen oder Qualitätsgrößen) aussehen?

Nur durch die gemeinschaftliche Beantwortung solcher Fragen sind die technischen Herausforderungen einer solchen Plattform zu beherrschen, die durch das breite Spektrum unterschiedlicher Maschinen und Strukturen bestehen. Auch rechtliche Fragen und Fragen des Datenschutzes sind in der Anfangsphase zu klären. Beim Aufbau der Strukturen können neutrale Forschungsinstitutionen wie das Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen oder das in Düren geplante Digital Nonwoven Innovation Center (D-NIC) in öffentlich geförderten Forschungsprojekten unterstützen.

Vorteile für die gesamte Branche

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Vliesstoffbranche vor zahlreichen Herausforderungen steht. Der hohe Komplexitätsgrad der Produktionsprozesse, die hohen Qualitätsanforderungen, der regulatorische Druck und der Fachkräftemangel erfordern eine steigende Automatisierung von Entscheidungen, die auf der Digitalisierung der Industrie basiert. Viele Unternehmen sind jedoch noch weit von den Versprechen der vierten industriellen Revolution entfernt. Um diese Herausforderungen zu bewältigen und Potenziale zu heben, sollten Unternehmen eine kosteneffiziente Datengrundlage aufbauen, die die Basis für die Implementierung von Industrie 4.0 darstellt. Digitale Kooperationen in Ökosystemen können eine skalierbare und interoperable Lösungsmöglichkeit bieten. Die Digitalisierung und die nachhaltige Transformation müssen Hand in Hand gehen, um ökonomische, soziale und ökologische Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Wenn Unternehmen diese Herausforderungen erfolgreich meistern, können sie von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Diese Vorteile beziehen sich nicht nur auf einzelne Akteure, sondern gelten für die gesamte Branche. Dafür ist ein gemeinsames Handeln und Auftreten (z. B. gegenüber Förderträgern oder der Politik) erforderlich. Auch die Zusammenarbeit mit weiteren Branchen wie der Papierindustrie ist denkbar, um entwickelte Lösungen besser skalieren zu können und damit kosteneffizienter zu gestalten.

Literatur:

[BDF+22]                      Boll, Susanne; Dowling, Michael; Faisst, Wolfgang; Mordvinova, Olga; Pflaum, Alexander; Rabe, Martin; Veith, Eric; Nieße, Astrid; Gülpen, Christian; Schnell, Markus; Terzidis, Orestis; Riss, Uwe; Eckerle, Christin; Manthey, Sarah; Pehlken, Alexandra; Zielinski, Oliver:
Mit Künstlicher Intelligenz zu nachhaltigen Geschäftsmodellen: 2022

[BDG+22]                      Bauer, W.; Dirzus, D.; Gülpen, C.; Kiupel, N.; Kubach, U.; Mantwill, F.; Matysczok, C.; Otten, W.; Pickel, P.; Teschner, W.; Wenzel, S.; Westerkamp, D.; Weyrich, M.:
Künstliche Intelligenz im Ingenieuralltag
Berlin: Juli 2022

[Bun20]                         Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi):
Nachhaltige Produktion: Mit Industrie 4.0 die Ökologische Transformation aktiv gestalten
Berlin: November 2020,
https://www.plattform-i40.de/IP/Redaktion/DE/Downloads/Publikation/Nachhaltige-Produktion.pdf?__blob=publicationFile&v=5

[Bun21]                         Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi):
Digitale Ökosysteme in der Industrie - Typologie, Beispiele und zukünftige Entwicklung: April 2021

[FSW21]                        Fuchs, Johann; Söhnlein, Doris; Weber, Brigitte:
IAB-Kurzbericht - Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Nürnberg: 23.11.2021

[KW22]                          Kagermann, H.; Wahlster, W.:
Ten Years of Industrie 4.0
Sci Band:4 (2022)    H. 3, S. 26

[LBO18]                         Leyh, C.; Bley, K.; Ott, M.:
Chancen und Risiken der Digitalisierung
In Hofmann, Josephine:
Arbeit 4.0 - Digitalisierung, IT und Arbeit. - Wiesbaden: Springer Vieweg, 2018, S. 29–51

[RMB+21]                      Rueden, L. von; Mayer, S.; Beckh, K.; Georgiev, B.; Giesselbach, S.; Heese, R.; Kirsch, B.; Walczak, M.; Pfrommer, J.; Pick, A.; Ramamurthy, R.; Garcke, J.; Bauckhage, C.; Schuecker, J.:
Informed Machine Learning - A Taxonomy and Survey of Integrating Prior Knowledge into Learning Systems
IEEE Transactions on Knowledge and Data Engineering (2021), S. 1

[VSH+22]                      Volkwein, Malte; Schmitt, Jan; Heidelbach, Joachim; Schöllhammer, Oliver; Evcenko, Dimitri; Kett, Holger:
Blinde Flecken in der Umsetzung von Industrie 4.0 – identifizieren und verstehen
München: 14.03.2022

[VSW+18]                     Vialkowitsch, Jens; Schell, Otto; Willner, Alexander; Vollmar, Friedrich; Schulz, Thomas; Pethig, Florian; Neidig, Jörg; Usländer, Thomas; Reich, Johannes; Nehls, Daniel; Lieske, Matthias; Diedrich, Christian; Belyaev, Alexander; Bock, Jürgen; Deppe, Torben:
I4.0-Sprache - Vokabular, Nachrichtenstruktur und semantische Interaktionsprotokolle der I4.0-Sprache
Berlin: April 2018

[Wal22]                          Walter, Lutz:
Ready to Transform - A Strategic Research and Innovation Agenda to underpin the EU Strategy for Sustainable and Circular Textiles
Brüssel: April 202
2

 

*Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University, Otto-Blumenthal-Str. 1, 52074 Aachen

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20.06.2023

Entwicklung von Heavy Tows aus recycelten Carbonfasern für kostengünstige duroplastische Composites mit hohem Leistungsvermögen (rCF-Heavy Tows)

Rohstoffe Fasern Garne Composites Textilmaschinenbau Recycling Nachhaltigkeit Kreislaufwirtschaft Technische Textilien

Zusammenfassung

Im Rahmen des IGF-Forschungsvorhabens (21612 BR) wurde am ITM die gesamte Prozesskette zur industriellen Herstellung neuartiger drehungsfreier rCF-Heavy Tows entwickelt. Insbesondere wurde eine neuartige Technologie zur Herstellung von rCF-Heavy Tows auf Basis recycelter Carbon- (rCF, ≥ 90 Vol.-%) und Schmelzklebefasern (< 10 Vol.-%) konzipiert, konstruiert und erfolgreich umgesetzt. Diese umfasst die Faseraufbereitung, den Krempelprozess zur Krempelbandbildung, den Streckprozess zur Streckenbandbildung sowie die abschließende Fertigung der rCF-Heavy Tows aus rCF und Schmelzklebefasern in einem neuen entwickelten Versuchsstand. Der Nachweis der Eignung der entwickelten Technologie erfolgt mit der Umsetzung von rCF-Heavy Tows mit unterschiedlichen rCF Typen, Faserlängen und Faservolumengehalten und eines Demonstrators. Die entwickelten rCF-Heavy Tows mit Feinheiten zwischen 3000-7000 tex und deren Weiterverarbeitbarkeit zu textilen Halbzeugen wurden erfolgreich nachgewiesen. Die entwickelten rCF-Heavy Tows und darauf basierende Verbunde weisen eine maximale Verbundzugfestigkeit bzw ein maximales Zug-Modul von 1158±72 MPa bzw. 80±5,7 GPa auf. Die rCF Heavy Tows sind somit für kostengünstige duroplastische Composites mit hohem Leistungsvermögen und komplexer Geometrie einsetzbar. Damit bieten die entwickelten rCF-Heavy Tows ein sehr hohes Innovations- und Marktpotential in den Bereichen Werkstoffe und Materialien, Leichtbau, Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung sowie Ressourceneffizienz. Damit eröffnet sich die Gelegenheit für KMU der Textilindustrie neue Produkte und Technologien für den Faserverbundwerkstoffmarkt und sich als Lieferant für die Automobil-, Maschinenbau- sowie Luftfahrt-, Medizin- und Sportgeräteindustrie zu etablieren.

Bericht

Einleitung, Problemstellung und Zielsetzung

Carbonfaserverstärkte Verbundwerkstoffe (CFK) werden aufgrund ihrer hohen Steifigkeit und Festigkeit sowie der geringen Dichte zunehmend in Leichtbauanwendungen eingesetzt, insbesondere in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Transport, Windenergie, Sport oder Bau. Der globale CFK Bedarf wird sich Prognosen zufolge bis 2024 auf 197.000 t/a erhöhen und damit im Vergleich zu 2011 fast verdreifachen. Das zeigt den dringenden Bedarf an Lösungen zur Wiederverwertung der hochwertigen CF (rCF) im Sinne der Circular Economy. Das ist nicht nur aufgrund strenger rechtlicher Bestimmungen, sondern auch aus ökologischen sowie ökonomischen Gründen eine Notwendigkeit. Zahlreiche Forschungsinstitute und Unternehmen entwickelten in den letzten Jahren Lösungen zur Wiederverwendung von rCF in den Bereichen Vliesstoffe, Spritzgießen oder als Hybridgarne. Diese Arbeiten umfassen allerdings mehrheitlich den Einsatz von rCF in Kombination mit thermoplastischen Fasern für thermoplastische Composites. Für den Bereich rCF basierter duroplastischer CFK wurden bisher vorwiegend rCF-Vliesstoffe aus 100% rCF entwickelt. Da die Fasern in den Vliesstoffen prinzipbedingt nur eine begrenzte Länge und eine geringe Orientierung aufweisen und zusätzlich prozessbedingt hohen Faserschädigung auftreten, sind damit bisher nur max. 30% der Verbundkennwerte von CFK-Bauteilen aus Carbonfilamentgarnen erreichbar.

Aktuell sind die im Bereich hochbelastbarer CFK verwendeten Matrixsysteme überwiegend duroplastisch. Derartige Bauteile weisen eine hohe Formstabilität und hohe Steifigkeiten sowie Festigkeiten auf und eignen sich aufgrund niedrigviskoser Matrixsysteme zur Umsetzung komplexer Bauteilgeometrien. Jedoch werden aufgrund der bisher für diese Bauteile nur ungenügend in rCF abbildbaren, notwendigen Eigenschaften vorrangig Primärcarbonfilamentgarne eingesetzt. Neben einer geringen Nachhaltigkeit verursacht das auch um mind. 200 % höhere Kosten. Die Herstellung primäres Carbonfilamentgarnes erfordert einen hohen Energiebedarf von ca. 230 MJ/kg mit einem CO2-Emissionsäquivalent von 20 kg CO2/kg CF. Hier ist eine deutliche Verbesserung der CO2-Bilanz notwendig, um einen wesentlichen Beitrag zu den anvisierten Klimaschutzzielen der BRD bzw. der EU leisten zu können. Aus diesem Grund ist der Fokus der Projektarbeit die Entwicklung neuartiger, nachhaltiger rCF-Heavy Tows aus recycelten Carbonfasern (rCF) und dazugehöriger Fertigungstechnologien zur Umsetzung kostengünstiger duroplastischer Composites mit hohem Leistungsvermögen.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21612 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Wir danken den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel.

AutorInnen: Mahmud Hossain, Anwar Abdkader und Chokri Cherif

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

rCF Faser Garn Composite Textilmaschinenbau

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16.01.2023

Leistungsfähigkeit und Nachhaltigkeit steigern durch den Einsatz von verbundgerecht profilierten Textilbetonbewehrungen

Fasern Garne Gestricke & Gewirke Textilmaschinenbau Nachhaltigkeit Technische Textilien

Zusammenfassung

Am ITM der TU Dresden wurden neuartige, verbundoptimierte Bewehrungsgarne auf Basis der Flecht- und Tränkumformtechnik simulationsgestützt entwickelt, die bis zu 500 % höhere Verbundkräfte im Beton als Garne ohne Profilierung übertragen können. Die Profil- und Flechtgarne weisen bereits bei einer Verbundlänge von nur 50 mm eine vollständige Verankerung auf. Mit der am ITM entwickelten Tränkumformtechnik konnten tetraederförmige Profilgarne gefertigt werden, die aufgrund der patentierten Tetraedergeometrie das zugmechanische Leistungpotential der Carbonfasern nahezu vollständig ausnutzen können. Weiterhin wurde im Zuge der Flechtgarnentwicklung eine neue Flechtstruktur entwickelt, welche die nahezu vollständige Eliminierung der Strukturdehnung unter Last ermöglichte. Somit war die Fertigung von profilierten Bewehrungsgarnen mit sehr hohen zugmechanischen Eigenschaften möglich. Darüber hinaus wurde die Multiaxial-Kettenwirktechnik derart weiterentwickelt, dass die neuartigen Bewehrungsgarne (Profil- und Flechtgarne) schädigungsfrei zu gitterförmigen Textilbetonbewehrungen mit verbundoptimierter Profilierung verarbeitet werden können. Daraus ergibt sich eine deutlich höhere Materialeffizienz der Textilbewehrung, sodass bisher notwendige unverhältnismäßige Überdimensionierungen und große Überlappungslängen deutlich reduziert werden können. Dies ist insbesondere in Anbetracht der energieintensiven Herstellung von Carbonfasern und damit für den Nachhaltigkeitsanspruch der zukunftsweisenden Carbonbetontechnologie von enormer Bedeutung, um das Bauen der Zukunft ressourcenschonend und nachhaltig zu gestalten.

Die erzielten Projektergebnisse stellen zudem einen wesentlichen Beitrag zur Herstellung von extrem belastbaren Textilbetonstrukturen mit deutlich besseren Verbundeigenschaften dar, sodass für die Bauindustrie perspektivisch neue Möglichkeiten zur Bauteilfertigung im Bereich der Sanierung und des Neubaus entstehen.

Bericht

Abstract
Ressourcenschonend Bauen und dennoch ein hohes Leistungspotential ausschöpfen, ist das überhaupt möglich? Am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) der TU Dresden wurden im Rahmen des Forschungsprojektes IGF 21375 BR verbundgerecht profilierte Textilbetonbewehrungen sowie die dazugehörigen Fertigungstechnologien entwickelt, die genau dies ermöglichen. Auf Basis der Flecht- und Tränkumformtechnik wurden neuartig profilierte Bewehrungsgarne simulationsgestützt entwickelt, die analog zu gerippten Stahlbewehrungen einen sehr hohen Verbund mit der Betonmatrix aufweisen und das hohe Leistungspotential der Carbonfasern hinsichtlich der zugmechanischen Eigenschaften ausnutzen. Damit kann die notwendige Verbundlänge für eine vollständige Kraftübertragung zwischen Textilbewehrung und Beton auf wenige Zentimeter reduziert, und somit bis zu 80 % der bauteilabhängigen Überdimensionierung der Textilbewehrung eingespart werden. Die Weiterentwicklung der Multiaxial-Kettenwirktechnik zur anforderungsgerechten und faserschonenden Verarbeitung der profilierten, konsolidierten Garne zu gitterförmigen Bewehrungsstrukturen ermöglicht die Fertigung von profilierten Textilbetonbewehrungen mit höchsten Verbundeigenschaften für den Einsatz in Carbonbeton-Bauteilen mit maximaler Material- und Ressourceneffizienz.

Ausgangssituation und Problemstellung
Bekannterweise ist der Klimawandel die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts, welcher nur durch eine konsequente Einsparung von Ressourcen und CO2-Emmision erfolgreich bewältigt werden kann. Da die Baubranche mit einem Anteil von ca. 38 % der weltweiten CO2-Emission, insbesondere aufgrund des enormen Zementverbrauchs, einen erheblichen Beitrag zur bisherigen Klimaerwärmung hat [1], ist ein Wandel zu mehr Energie- und Ressourceneffizienz sowie einem wachsenden Nachhaltigkeitsbewusstsein zwingend erforderlich. Im Zuge dessen etabliert sich insbesondere der ressourceneffiziente Carbonbeton, bestehend aus einer korrosionsbeständigen Textilbewehrung in Kombination mit einer deutlich reduzierten Betondeckung, im Bauwesen als überzeugende Alternative zum konventionellen Stahlbeton zunehmend [2,3].  

Aufgrund der hohen Tragfähigkeiten der textilen Bewehrung bei kleineren notwendigen Betonquerschnitten kommt jedoch dem Verbund zwischen Textil und Beton eine außerordentlich große Bedeutung zu. Bisher lag der Fokus der F&E auf der Entwicklung von Tränkungsmitteln und zugehöriger Tränkungssysteme zur Verbesserung des stoffschlüssigen Haftverbundes mit der Betonmatrix [4]. Damit lassen sich jedoch nur geringe Kräfte mit einem Schubfluss von etwa 5-40 N/mm übertragen, eine effiziente Ausnutzung der textilen Bewehrung ist nicht möglich. Signifikante Verbesserungen zur Übertragung der Verbundkräfte versprechen Lösungen mit einer Profilierung der Garnoberfläche [5]. Daher wurden im Rahmen des IGF-Forschungsprojektes 21375 am ITM der TU Dresden neuartige Technologie zur kontinuierlichen und reproduzierbaren Herstellung profilierter textiler Hochleistungsgarne und deren Weiterverarbeitung zu Bewehrungsstrukturen entwickelt. Diese neuartigen, profilierten Bewehrungen zeichnen sich dadurch aus, dass diese im Betonverbund deutlich höhere Kräfte übertragen können [6,7]. Zur Generierung einer Profilierung auf Garnebene wurden Lösungen auf Basis der Flechttechnik und mittels tränkumformtechnischer Verfahren simulationsgestützt entwickelt und umgesetzt. Die Prämissen waren eine unnachgiebige Profilgebung mit garnaxial symmetrischem Aufbau, damit eine gleichmäßige und hohe Lastübertragung gewährleistet ist. Die Herstellung gitterartiger Bewehrungsstrukturen, bestehend aus den profilierten Bewehrungsgarnen, erfolgte durch die Weiterentwicklung der Multiaxial-Kettenwirktechnik. Diese wurde entsprechend der notwendigen Anpassungsmaßnahmen zur schädigungsarmen und anforderungsgerechten Weiterverarbeitung der profilierten Bewehrungsgarne zu Gitterstrukturen hinsichtlich der bestehenden Teilprozesse (Garnzuführung, Schusslegung, Maschenbildung, Tränkung und Aufwicklung) modular weiterentwickelt.

Entwicklung der neuartig profilierten Bewehrungsgarne
Für die anforderungsgerechte Entwicklung von profilierten Bewehrungsgarnen für Betonanwendungen erfolgte eine simulationsgestützte Garnentwicklung auf Basis der Flecht- und Tränkumformtechnik. Die wesentliche Herausforderung bestand insbesondere darin, profilierte Garne mit minimaler Strukturdehnung zu realisieren, sodass beim Versagen der Betonmatrix bei ca. 0,2 % Dehnung eine initiale Kraftübertragung der Textilbewehrung ermöglicht wird und die Rissbreiten minimiert werden [3]. Hierzu wurde eine neuartige Flechtstruktur mit einem Varioflechter entwickelt. Darüber hinaus wurde der Flechtprozess derart weiterentwickelt, dass eine ondulationsarme Vorstabilisierung der Flechtgarnstruktur während des Flechtprozesses ermöglicht wird und dennoch eine textile Weiterverarbeitbarkeit gewährleistet ist. Im Ergebnis wurden neuartige Varioflechtgarne sowie konventionelle Packungsflechtgarne bestehend aus Carbonfasern mit nahezu eliminierter Strukturdehnung, minimaler Faserschädigung und anforderungsgerechter Vorstabilisierung der Garnstruktur realisiert (siehe Tabelle 1).

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Leistungspotential der neuartigen profilierten Bewehrungsgarne
Die neuentwickelten profilierten Bewehrungsgarne zeichnen sich durch nahezu unveränderte zugmechanische Eigenschaften, jedoch bis zu 500 % höhere Verbundeigenschaften im Vergleich zu Carbonrovings ohne Profilierung bzw. aus Referenztextilien extrahierten Rovings aus (siehe Abbildung 1). Zudem weisen sie keine erkenntliche Strukturdehnung auf, sodass eine initiale Kraftübertragung ohne zusätzliche Rissöffnung nach dem Versagen der Betonmatrix möglich ist. Jedoch konnte eine Verbundsteigerung um über 500 % von ca. 20 N/mm der Carbonrovings ohne Profil auf über 100 N/mm der profilierten Bewehrungsgarne erzielt werden, womit eine signifikante Steigerung der Materialeffizienz einhergeht (siehe Abbildung 1). Hierbei zeichnen sich insbesondere die Varioflechtgarne durch sehr hohe Verbundsteifigkeiten aus, die für eine initiale Kraftübertragung von besonderem Interesse sind. Die Packungsflechtgarne sowie die Profilgarne mit Tetraeder-Geometrie haben annähernd gleiche Verbundeigenschaften. Die Verbundsteifigkeit ist im Vergleich zu den Varioflechtgarnen etwas geringer, jedoch ist deren Fertigung produktiver.

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Weiterentwicklung des Flächenbildungsprozesses
Zur Verarbeitung der neuartig profilierten Bewehrungsgarne zu einer gitterförmigen Bewehrungsstruktur wurde eine am ITM vorhandene Biaxial-Kettenwirkmaschine des Typs Malimo 14022 sowie die entsprechenden Teilprozesse (Garnzuführung, Schusslegung, Maschenbildung, Tränkung und Aufwicklung) angepasst und weiterentwickelt, sodass einerseits die vorstabilisierten Flechtgarne sowie die konsolidierten tetraederförmigen Profilgarne weiterverarbeitbar sind. Hierzu wurde insbesondere der Schusslegungsprozess dahingegen modifiziert, dass ein neuartiger Schussfadenführer für die Schusslegung der vorstabilisierten Flechtgarne entwickelt wurde. Die biegesteifen Profilgarne können nicht mit dem konventionellen Schusslegungsverfahren verarbeitet werden, sodass ein neuartiges Stabablagesystem bestehend aus eine Schussstab-Magazin-Speicher und einer Welle mit Profilwalzen entwickelt wurde (siehe Abbildung 2). Die vorkonfektionierten Schussstäbe wurden über das Stabablagesystem vereinzelt in eine mit neuen Halteelemente modifizierte Transportkette eingelegt.

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Danksagung
Das IGF-Vorhaben 21375 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e. V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Schlussbericht und weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden erhältlich.

Die vollständige Veröffentlichung steht zum Download zur Verfügung.

AutorInnen: Penzel, Paul; Hahn, Lars; Abdkader, Anwar; Cherif, Chokri

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

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29.09.2022

Nachhaltige Faserverbundlösungen: Projektvorhaben NFK Federbein

Fasern Composites Nachhaltigkeit

Zusammenfassung

Der Fokus des Forschungsvorhabens liegt auf der Simulation, dem Design, der Auslegung und Herstellung eines Federbeins für ein Ultraleichtflugzeug aus Naturfasern. Das Projekt soll die Machbarkeit eines Strukturell ausgelegten Bauteils mit ausgeprägten Lastfällen aus Naturfasern unter Beweis stellen und die Nachhaltigkeit des Konzepts überprüfen.

Bericht

Der Markt für nachhaltige Faserverbundlösungen ist besonders interessant für kleine und mittelständische Firmen, weil die Sensibilität für das ökologische Bewusstsein und der Wunsch nach nachhaltigen und zugleich hochwertigen Lösungen in Europa und insbesondere in Deutschland im internationalen Vergleich stark ausgeprägt ist. Gleichzeitig sind Naturfaserkunststoffe derzeit noch ein Nischenmarkt und der sich von Produkten abhebt, die ausschließlich über den günstigsten Preis verkauft werden. Folglich unterliegt dieser Markt weniger der Konkurrenz- und dem Preiswettbewerb aus Niedriglohnländern, beziehungsweise Großunternehmen, die über entsprechend große Stückzahlen, Skaleneffekte realisieren.

Ziel des Projekts ist die Nutzbarmachung von naturfaserverstärktem Kunst-stoff (NFK) mit gesteigerten Dämpfungseigenschaften für Strukturbauteile am Beispiel eines Federbeins für ein Ultraleichtflugzeug. Hierdurch soll eine ökologische Alternative zu konventionellem Leichtbaumaterial, wie Aluminium und Verbundwerkstoffen auf Basis von Glas- und Carbonfasern, bereitgestellt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, gliedert sich das Projekt in die Teilschritte: Computergestützte Auslegung des Strukturbauteils mittels FEA-Methoden, lastfalloptimierte Fertigung des Bauteils und Validierung im Feldtest. Dies erfolgt exemplarisch anhand eines Federbeins für ein Leichtbauflugzeug der Firma Viethen.

Der im Projekt gewählter Ansatz hat ein Ziel, eine kosten- und zeiteffiziente Methode für die Entwicklung von hochbeanspruchten Leichtbauteilen aus Faserverbundwerkstoffen mit Verstärkung aus nachwachsenden Rohstoffen zu zeigen. Der Ansatz soll die Anreize für weitere Wirtschaftszweige geben, nachwachsende Rohstoffe durch abschätzbare Eigenschaften und Kostenstruktur in deren Produkten öfters zu verwenden. Darüber hinaus kann diese Projektmethode für bereits vorhandene Werkstoffkombinationen mit Verstärkung aus Glas- sowie Kohlenstofffasern angewendet werden und zu Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung beitragen.

Projektpartner
CompDesE, Firma Viethen

Das Forschungsvorhaben NFK-Federbein (UW-01-054B) wurde am Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University (ITA), der Firma Viethen und der Firma CompDesE GmbH durchgeführt. Es wurde von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen im Sonderprogramm Umweltwirtschaft im Rahmen der Corona-Hilfe gefördert.

AutorInnen: Santino Wist

ITA Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen University, Otto-Blumenthal-Strasse 1, 52074 Aachen, Deutschland

Naturfasern Strukturbauteil LCA

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