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29.09.2022

Patientenindividuelle Textilimplantate: Gewirkte Maschenwaren in Losgröße 1-Fertigung

Knittings Technical Textiles

Abstract

Die patientenorientierte Gesundheitsversorgung macht die Individualisierung der Medizin unabdingbar. Dies erfordert Fortschritte in der Patientenindividualisierung, insbesondere durch die Medizintechnik, um den gewünschten Therapieerfolg zu erzielen. Dem steht aus technischer und wirtschaftlicher Sicht die Forderung nach einer wirtschaftlichen und reproduzierbaren Herstellung von Produkten mit der Losgröße 1 gegenüber, die mit innovativen textilen Herstellungsverfahren erfüllt werden kann. Es fehlt jedoch an einem grundlegenden Verständnis von Produktdesign, Endprodukteigenschaften und zwischengeschalteten Herstellungsprozessen sowie an geeigneten Werkzeugen für die Umsetzung dieser patientenindividuellen Ansätze.

Ziel des Projekts ist es, einen Herstellungsprozess für patientenindividuelle Textilimplantate zu implementieren, um Patienten eine optimal auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Therapie zu ermöglichen. Als Anwendungsbeispiel dienen Implantate zur Behandlung von Aortenaneurysmen, da dies ein sowohl klinisch als auch wirtschaftlich äußerst relevantes Einsatzgebiet für patientenindividuelle Implantatstrukturen ist.

Um das Projektziel zu erreichen, wurden Ansätze zur geometrischen und strukturellen Patientenindividualisierung von textilen Implantatstrukturen untersucht. Über eine durchgängige digitale Prozesskette wurde ein datenbankgestütztes virtuelles Modell zur Produktgestaltung entwickelt. Die Wechselwirkungen zwischen dem virtuellen Produktdesign, den Prozessparametern des Fertigungsprozesses und den resultierenden Implantateigenschaften wurden sowohl inline als auch offline ermittelt. Für die Inline-Erfassung der Prozessparameter wurden geeignete Werkzeuge entwickelt und implementiert. Diese erfassten Daten werden in die virtuelle Modelldatenbank zurückgespielt und verbessern so kontinuierlich die Genauigkeit und Robustheit der patientenindividuellen Konstruktion und Fertigung von Implantatstrukturen. Auf diese Weise kann eine wirtschaftliche und reproduzierbare Produktion von textilen Implantaten mit einer Losgröße von 1 realisiert werden, die eine optimal auf den Patienten zugeschnittene Therapie ermöglicht.

Report

Einleitung
Der demografische Wandel und ein zunehmend ungesunder Lebensstil in der westlichen Welt führen zu einer stetig steigenden Zahl von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und stellen die moderne Medizin vor große Herausforderungen. Mit der zunehmenden Zahl von Behandlungen steigt auch die Zahl der Patienten, die aufgrund ihrer individuellen Anatomie oder Physiologie für eine Behandlung mit Standardprodukten nicht geeignet sind. Dies betrifft etwa 40% aller Patienten der jährlich in Deutschland durchgeführten rund 21.000 endovaskulären Behandlungen von Aortenaneurysmen. Eine patientenorientierte Gesundheitsversorgung macht daher eine Individualisierung der Medizin notwendig [2]. Dies erfordert auch ein Fortschreiten der Patientenindividualisierung durch die Medizintechnik, um den gewünschten Therapieerfolg zu erzielen. Diese individualisierten Implantate sollten exakt auf die spezifische Anatomie des Patienten zugeschnitten sein und auf Basis eines medizinischen Bilddatensatzes in Losgröße 1 hergestellt werden. Auf diese Weise wird eine Versorgung der lebenswichtigen Abgänge der Aorta gewährleistet. Aus technischer und wirtschaftlicher Sicht steht der Individualisierung die Bedingung einer wirtschaftlichen und reproduzierbaren Herstellung von Produkten mit Losgröße 1 gegenüber. Diese Anforderungen können mit innovativen textilen Fertigungsverfahren erfüllt werden. Die Kettenwirktechnik im Allgemeinen und die Jacquard-Wirktechnik im Besonderen erfüllen die notwendigen Anforderungen, sind aber in hohem Maße bedienerabhängig. Das enorme Potenzial der Jacquard-Wirktechnologie für die Herstellung von textilen Implantaten wird derzeit nicht genutzt, da keine Erfahrungen über die Zusammenhänge des Wirkprozesses vorliegen und keine Konstruktionswerkzeuge existieren, die diese Zusammenhänge adäquat beschreiben. Die am Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen (ITA) im Projekt "IndiTexPlant" erzielten Ergebnisse bieten erstmals die Möglichkeit, das virtuelle Produktdesign in Kombination mit der Jacquard-Stricktechnologie in eine digitale Produktentwicklung vom medizinischen Bilddatensatz über das Topologiemodell der rekonstruierten Produktgeometrie bis hin zur Ableitung der Musterung für das textile Produkt zu übertragen (siehe Abbildung 1).

Authors: Tobias Lauwigi Author, Kai-Chieh Kuo Co-Author

ITA Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen University, Otto-Blumenthal-Strasse 1, 52074 Aachen, Deutschland

Medtech Textilimplantat Medizin

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