Research publications

3 results
12.09.2025

PFAS-freie POF und Vibrationsverbreiterungsstrukturen für soziale Präsenz durch immersive, emotionale und lebendige Erfahrungen von Nähe auf Distanz

Raw materials Fibres Sustainability Smart Textiles

Abstract

Das durch das BMBF geförderte dreijährige Projekt „SPIELEND - Soziale Präsenz durch immersive, emotionale und lebendige Erfahrungen von Nähe auf Distanz“ beschäftigt sich mit der Frage, wie technikunterstützte Spiele gestaltet sein sollten, um Teilnehmenden auch über Entfernungen hinweg das Gefühl der sozialen Nähe zu vermitteln. Explizit zählt hierzu die Repräsentation des Gegenübers bzw. der Mitspielenden. Um die entstandene Nähe messen zu können werden die entsprechenden Evaluationsmöglichkeiten im Rahmen des Projektes aus der psychologischen und kognitionswissenschaftlichen Forschung abgeleitet. Im Rahmen des Projektes werden unterschiedliche, digitale Augmented Reality Spiele designt, umgesetzt und getestet. Um eine immersive und emotionale Erfahrung zu ermöglichen und ein verstärktes Gefühl der sozialen Präsenz zu erzeugen, werden die Augmented Reality Spiele unter Einbezug von smarten, funktionalen Textilien entwickelt.

Report

1.       Einleitung

Unsere Gesellschaft befindet sich im Wandel: Ausbildung, Studium und Beruf, aber auch die Knappheit von Wohnraum in Ballungszentren stellen zunehmend steigende Ansprüche an die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger [1]. Gleichzeitig erweist sich das Reisen hinsichtlich seiner ökologischen und ökonomischen Konsequenzen als nicht dauerhaft tragfähige Lösung [2]. Das Social Distancing in der COVID-19-Pandemie verschärfte die Separierung von Familien, Freunden, Vereinsmitgliedern und Kirchengemeinden. Nach [3] hatten 69 % der Befragten keine privaten Treffen während der Corona-Maßnahmen 2020. Gleichzeitig beschleunigte sich pandemiebedingt die Digitalisierung des sozialen Austauschs. Jede 2. Person im Alter 16-29 Jahre nutzte Videoanrufe, um sich mit Familie und Freunden auszutauschen [4]. Während diese Entwicklungen vor dem Hintergrund der Ressourceneffizienz begrüßenswert erscheinen, zeichnen sich gleichzeitig auch negative Auswirkungen der digitalen Kommunikation ab, die soziale Nähe fehlt: Videokonferenzen können reale Treffen nicht ersetzen; es fehlt an Spontanität, nonverbalem Austausch, Spiel und Emotionalität. Die sogenannte “Zoom-Fatigue” macht sich breit [5]; selten sind Personen gewillt, privat noch eine Videokonferenz mit Familie und Freunden abzuhalten.

Das Ziel des dreijährigen BMBF-Projektes SPIELEND ist die Entwicklung eines Systems, das körperlich-emotionale Immersion im Kontext einer spielerischen Interaktion auf Distanz zur Intensivierung eines Nähegefühls ermöglicht. Dabei werden bekannte Spielkonzepte genutzt, weiterentwickelt und um sensorische Qualitäten insbesondere durch polymeroptische Fasern (POF) und 4D-Textilien erweitert. So lässt sich erreichen nahestehende Menschen, die unter den sozialen Nebenwirkungen räumlicher Trennung leiden, zu unterstützen. Für die Erweiterung der sensorischen Qualitäten wird insbesondere auf smarte Textilien gesetzt. Im Fokus der Untersuchung stehen dabei die Einflussfaktoren der Repräsentation des Mitspielers, der multimodalen Stimulation, sowie der Spielelemente inklusive gemeinsamer Aktivitäten auf die soziale Präsenz.

2.         Material und Methoden

Zur physische Distanzinteraktion werden zwei Arten von smarten Textilien eingesetzt: Zum einen textile Emitter in Form von polymeroptischen Fasern (POF), zum anderen 4D-Textilien.

POF werden entweder als Endlichtfasern oder als Seitenlichtfasern konzipiert. Endlichtfasern leiten das eingekoppelte Licht von der lichtquellennahen Stirnseite der Faser zur lichtquellenabgewandten Stirnseite. Seitenlichtfaser hingegen emittieren zusätzlich Licht über die gesamte Mantelfläche der POF. Endlicht-POF können somit für den Einsatz einer Punktbeleuchtung und integriert in eine textile Struktur für den Einsatz einer Linienbeleuchtung eingesetzt werden. Seitenlicht-POF können als Linienbeleuchtung und integriert in eine textile Struktur als Flächenbeleuchtung eingesetzt werden (s. Abb. 1). Alle kommerziellen lichtleitenden Fasern aus Kunststoff bestehen aus zwei Polymerwerkstoffen. Zum einen Polymethylmethacrylat (PMMA) im Faserkern. Zum anderen einem Fluorpolymer im Fasermantel. Die kommerzielle POF ist daher durch PFAS belastet. Im Rahmens des Projektes werden mögliche alternative Mantelmaterialen eruiert und PFAS-freie POF mittels des Bikomponentenschmelzspinnverfahren hergestellt.

s. Abb. 1 Darstellung verschiedener Verwendungsoptionen von Endlicht-POF und Seitenlicht-POF, jeweils nicht in eine textile Struktur eingebettet (oben) und in eine textile Struktur (unten) eingebettet mit den folgenden Komponenten – 1: Lichtquelle, 2: Bündelung mittels Ferrule, 3: POF, 4: Bereich der Lichtemission

Gängige Materialien für textiler Aktuatoren sind PLA (Polylactid) und TPU (Thermoplastisches Polyurethan). Kritsch sind bzgl. textiler Aktuatoren die Adhäsionseigenschaften und Gewährleistung der Flexibilität des Textils. Für die Vibrationsverbreitungsstruktur wurden die Polymere TPU und PLA, sowie die zwei Textilien, Eurojersey und Buttinette betrachtet.

3.         Ergebnisse

Durch ein theoretisches Material-Screening anhand von optischen, thermischen und wirtschaftlichen Bewertungskriterien konnten die folgenden Polymere als mögliche Alternativen zum derzeitig verwendeten Fluormaterial gefunden werden: Polymethylpenten (PMP) und Polymilchsäure (PLA) – wobei ersteres in praktischen Vorversuchen vielversprechender scheint. Durch ein Material-Screening anhand von optischen, rheologischen und thermischen Bewertungskriterien konnten drei Arten von Polymethylpenten (PMP-Grades) zur Erprobung ausgewählt werden: TPX MX002, TPX DX820 und TPX RT18 – alle von Mitsui Chemicals, Inc., Tokio (Japan) (s. Abb. 2). Durch mehrfach iterative, experimentelle Analysen mittels des Bikomponentenschmelzspinnversuchen sowie anschließenden geometrischen, mechanischen und optischen Bewertungsmethoden konnten Erkenntnisse und Verbesserungen in der Herstellung PFAS-freier erzielt werden. So konnten PFAS-freie POF mit einer Rundheit von über 99 % mit den drei PMP-Grades und jeweils PMMA 7N von der Röhm GmbH, Darmstadt (Deutschland) produziert werden. Die erzielten feinheitsbezogenen Festigkeiten sind vergleichbar mit kommerziellen POF. Mit DX820 als Mantelmaterial, einer maximalen Temperatur des Mantelextruders von 255 °C und einem Durchmesser der Düsenlochkapillare von 3,5 mm wurden PFAS-freie POF (Durchmesser 500 µm) mit der niedrigsten Dämpfung produziert.

s. Abb. 2 Darstellung der verwendeten Granulate a) PMMA 7N als Kernpolymer, b) PMP TPX MX002 als Mantelpolymer und c) PMP TPX DX820 als Mantelpolymer

Für die Anwendung textiler Aktuatoren auf Textilien zeigte sich, dass die gängigen Materialien PLA und TPU mittels Fused Deposition Modeling (FDM) gedruckt werden können. TPU zeigte eine überlegene Haftung im Vergleich zu PLA und wurde aufgrund seiner besseren Adhäsionseigenschaften sowie seiner Flexibilität als geeignetes Material für smarte Textilien ausgewählt. Zur Identifikation geeigneter Materialkombinationen der Vibrationsverbreitungsstruktur wurden die Adhäsion an der Grenzfläche zwischen den Polymeren und den Textilien systematisch analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass PLA die besten Haftungseigenschaften auf Buttinette-Textilien aufweist, während TPU eine verbesserte Adhäsion auf Eurojersey-Textilien zeigt. Diese Materialkombinationen wurden als optimal für die weitere Entwicklung der Vibrationsverbreitungsstruktur bestimmt. Im Rahmen der Untersuchung textiler Aktuatoren wurden TPU und Eurojersey als geeignete Materialkombination identifiziert. Die Auswahl erfolgte basierend auf der weichen Beschaffenheit von TPU sowie dessen verbesserter Adhäsion auf Eurojersey. Diese Eigenschaften ermöglichen eine optimale Interaktion mit der textilen Struktur und sind besonders vorteilhaft für die Umsetzung eines taktilen Feedbacks (s. Abb. 3).

Abb. 3 Darstellung Vibrationsverbreitungsstruktur a) 3D-Modell der Struktur, b) 3D gedruckte Struktur auf vorgespanntes Textil, c) Struktur nach Lösen der Vorspannung im entspannten, gekrümmten Zustand

4.         Zusammenfassung

Das Projekt SPIELEND stellt auf zwei Ebenen einen innovativen Ansatz dar das Erlebnis von digitalen Spielen zur Distanzinteraktion zu erweitern und somit nahbarer zu machen (s. Abb. 4). So werden Vibrationsverbreitungsstrukturen auf Textilen exploriert, welche das Spielerlebnis physisch erlebbar zu machen. Somit kann ein Feedback direkt an den Spieler weitergegeben werden. Als beste Materialkombination wurde thermoplastisches Polyurethan auf einem Eurojersey-Textil eruiert. Zum anderen ermöglicht der Einsatz von lichtleitenden Fasern aus Kunststoff (polymeroptische Faser, POF) das Spielerlebnis durch realerlebbare visuelle Reize zu erweitern. Hierfür wurden PFAS-frei POF theoretisch konzipiert und praktisch mittels des Bikomponentenschmelzspinnverfahrens hergestellt, welche somit nicht durch fluorhaltige Stoffe kontaminiert sind.

s. Abb. 4 Smarte Weste mit POF Leuchtband, der Vibrationsverbreiterungsstruktur und der Ansteuerung durch das RoboHeart vom Projektpartner Augmented Robotics

5.         Danksagung

Wir danken dem Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) für die Förderung des Forschungsprojekts SPIELEND (FKZ: 16SV9098). Zudem möchten wir allen Beteiligten in diesem Projekt für ihre Beiträge und ihr Engagement danken.

 

6.         Literaturverzeichnis

[1]        Deutschland Bundeszentrale für Politische Bildung, Datenreport 2021 ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland. 2021.

[2]        Europäische Kommission und Generaldirektion Mobilität und Verkehr, „EU transport in figures : statistical pocketbook 2021“. Publications Office, 2021. Zugegriffen: 11. Februar 2022. [Online]. Verfügbar unter: https://data.europa.eu/doi/10.2832/733836

[3]        „Statista: Häufigkeit von privaten Treffen pro Woche vor und während der Corona-Maßnahmen 2020“, 2020. https://bit.ly/3BlCgOj (zugegriffen 11. Februar 2022).

[4]        „Statista: Umfrage zu erhöhter Nutzung von Videoanrufen während der Corona-Krise nach Alter 2020“.

https://bit.ly/3HOOG3n (zugegriffen 11. Februar 2022).

[5]        J. N. Bailenson, „Nonverbal Overload: A Theoretical Argument for the Causes of Zoom Fatigue“, Technol. Mind Behav., Bd. 2, Nr. 1, Feb. 2021, doi: 10.1037/tmb0000030.

 

Authors: Mark Pätzel Z. Danchen S. Rekik T. Gries

ITA - Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University, Otto-Blumenthal-Straße 1, 52074 Aachen

Clothtech POF PFAS-frei TPU 3D-Druck

More entries from ITA Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University

11.06.2025

PE-based, spun-dyed and sustainable clothing made from organic raw materials

Fibres Yarns Knittings Recycling Sustainability Fashion

Abstract

The bioPEtex project in the BIOTEXFUTURE Innovation Space aims to develop sustainable clothing made from bio-based raw materials in the form of spun-dyed T-shirts. In an industry heavily dominated by fossil-based polymers such as polyester, bio-based polyethylene (bioPE), a bio-based polymer made from fermented starches or sugars, offers an environmentally friendly alternative. BioPE has the same properties as fossil-based PE and is fully recyclable. The use of spun-dyed bioPE also reduces energy and water consumption by 50 % and CO2 emissions by 60 %. The project involves the development of sustainably dyed compounds from bioPE for the spun-dyeing process and the development of multifilament yarns through melt spinning and false-twist texturing. The yarns are knitted on seamless machines and a T-shirt demonstrator is manufactured, which is finished with a sustainable elastic finish. The results will not only reduce the ecological footprint of the textile industry, but also promote innovative approaches to the circular economy.

Report

Introduction

The global annual man-made fibre production is growing steadily and is expected to exceed 100 million tonnes by 2030. Polyethylene terephthalate (PET) from the polyester (PES) family is the most widely used polymer, with an 80 % market share. Global clothing production alone almost doubled between 2000 and 2015. More than 80 % of all fibres produced are now used for clothing. Between 30 and 60 % of PET produced worldwide is used in clothing, i.e. approx. 18 to 36 million tonnes. This makes PET the most widely used material for clothing (as of 2021). The textile industry therefore faces enormous ecological challenges, particularly due to the high proportion of fossil raw materials used in textile production. Fossil-based polyesters account for around 52 % of the market and have a significant negative impact on the environment and resource consumption. Synthetic fibres in clothing are largely made from these fossil-based polyesters, the main component of which is PET, which is not yet 100 % bio-based. Clothing made from 100 % biopolymers has so far only been shown in studies and flagship projects, as it is too expensive for the mass market and not available in sufficient quantities. The bioPEtex project aims to establish 100 % bio-based polyethylene (bioPE) in the clothing market. The large-volume thermoplastic drop-in polymer is used to produce mono material, thermomechanically recyclable clothing. To achieve this, the challenge that PE is not produced for continuous fibre production and that there are no designated types for this purpose and no textile plant technology designed for the polymer must be solved. Based on preliminary work at the Institute für Textiltechnik (ITA), the current project status and Alberghini et al., it is foreseeable that the project will be successful. The consortium's expertise is ideally suited for rapid implementation. [Tex22; AHL+21; SB20Materials and Methods

In the scope of this project, commercially available bio-based polyethylenes are selected, procured and modified (see Figure 1).

Spinnable compounds made from BioPE are then developed. For subsequent spin dyeing in the melt spinning process, colour masterbatches with bio-based colour pigments are developed by our industry partner TECNARO GmbH, Ilsfeld, Germany, in order to realise a sustainable alternative to conventional dyeing with dyes. In addition, conventional dyeing of PE is challenging [BBO+13]. Various textured multifilament yarns with up to 100 filaments are developed from these bioPE compounds using melt spinning and texturing processes on a semi-industrial scale, so that a bio-based T-shirt can be manufactured. Until now, PE has only been used in the industry for staple fibres, highly drawn fibres for technical applications or for carbon fibres – but not yet as yarn in clothing [Fou99; Pei18; Wor17]. In addition to the elasticity provided by the meshes in the knitted fabric, innovative, pre-competitive, sustainable textile finishes are being tested and further developed.

Results

Initial results show promising progress in the processing of bioPE into spun-dyed yarns with suitable properties for textile applications. BioPE can be processed into multifilament yarns in stable melt spinning processes. Process development with dyed bioPE compounds is currently underway (see Figure 2).

The resulting partially oriented yarns (POY) with currently 96 filaments and a single filament titre of approx. 1 dtex have suitable properties for subsequent false-twist texturing (see Figure 3). Production speeds for melt spinning are currently in the industrial range (2,500 m/min). In a next step, yarns with 30 filaments and a higher single filament titre will be spun in order to give the resulting textile more stability in combination with the fine yarns.

Tensile strengths of approx. 20 cN/tex have been achieved to date, thus already meeting the target values derived from PET-POY. False-twist texturing on a laboratory scale (ITA) and on a semi-industrial scale (BB Engineering GmbH, Remscheid, Germany) has also been successful. The mechanical properties of the textured yarns (draw-textured yarn, DTY) are thus improved and the yarn volume and heat retention capacity are increased (see Figure 4). The close-up image of the DTY below shows that no tangling was introduced on a laboratory scale and that the yarn cohesion is therefore not yet ideal. However, the DTY can already be processed into a knitted fabric without any problems. These shortcomings are also remedied on a semi-industrial scale.

The resulting natural fibre-like, cool feel now makes it possible to use the yarn in textiles. Initial knitting trials with the lab-scale DTY have been successful at our industrial partner FALKE KGaA in Schmallenberg, Germany, once again confirming the cooling sensation when the textile is touched. Further yarns are being developed so that the next step can be to produce a T-shirt for sports applications using semi-industrial yarns and validate it as a demonstrator. The development of the bio-based elastic finish is also currently underway.

Summary

The bioPEtex project represents an innovative approach to producing sustainable clothing from bio-based materials. Targeted research and development aims to achieve both ecological and economic benefits. The results achieved could contribute to significantly reducing the ecological footprint of the textile industry and setting new standards for recyclability in the fashion industry. So far, developments with bio-based PE compounds have been successful, and smooth, partially oriented as well as textured yarns can be produced on a semi-industrial scale and processed into a cooling knit fabric. Validation as a demonstrator in the form of a seamless, bio-based T-shirt with elastic bio-based finishing is still pending in the further course of the project.

Acknowledgement

We thank the Federal Ministry of Research, Technology and Space for funding the Innovation Space BIOTEXFUTURE and the research project bioPEtex (031B1496). Furthermore, we would also like to thank everyone involved in this project for their contributions and commitment.

Bibliography

[AHL+21] Alberghini, M.; Hong, S.; Lozano, L. M.; Korolovych, V.; Huang, Y.; Signorato, F.; Zandavi, S. H.; Fucetola, C.; Uluturk, I.; Tolstorukov, M. Y.; Chen, G.; Asinari, P.; Osgood, R. M.; Fasano, M.; Boriskina, S. V.:
Sustainable polyethylene fabrics with engineered moisture transport for passive cooling
Nature Sustainability 4 (2021), H. 8, S. 715–724

[BBO+13] Baur, E.; Brinkmann, S.; Osswald, T. A.; Rudolph, N.; Schmachtenberg, E.; Saechtling, H.:
Saechtling Kunststoff Taschenbuch. 31. Ausgabe, [komplett überarb., aktualisiert und zum ersten Mal in Farbe]Aufl..- München: Hanser, 2013

[Fou99] Fourné, F.:
Synthetic Fibers. Hanser, München, 1999

[Pei18] Peijs, T.:
1.5 High Performance Polyethylene Fibers:
Comprehensive Composite Materials II: Elsevier, 2018, S. 86–126

[SB20] Siracusa, V.; Blanco, I.:
Bio-Polyethylene (Bio-PE), Bio-Polypropylene (Bio-PP) and Bio-Poly(ethylene terephthalate) (Bio-PET): Recent Developments in Bio-Based Polymers Analogous to Petroleum-Derived Ones for Packaging and Engineering Applications
Polymers 12 (2020), H. 8

[Tex22] Textile Exchange:
Preferred Fiber and Materials Market Report 2022
Burbank, California: 10/2022

[Wor17] Wortberg, G.:
Entwicklung polyethylenbasierter Precursoren für die thermochemische Stabilisierung zur Carbonfaserherstellung. Shaker Verlag, Dissertation
,

 

Authors: M. Ortega J. Langer R. Morgenroth M. van Haren G. Mourgas A. Langer T. Gries

ITA Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University, Otto-Blumenthal-Straße 1, 52074 Aachen, Germany

Clothtech SportTec Oekotech

More entries from ITA Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University

10.06.2025

PE-basierte, spinngefärbte und nachhaltige Kleidung aus Biorohstoffen

Fibres Yarns Knittings Recycling Sustainability Fashion

Abstract

Das Projekt BioPEtex im Innovationsraum BIOTEXFUTURE zielt darauf ab, nachhaltige Bekleidung aus biobasierten Rohstoffen in Form von spinngefärbten T-Shirts zu entwickeln. In einer Branche, die stark von fossilen Polymeren wie Polyester dominiert wird, bietet biobasiertes Polyethylen (BioPE), ein biobasierter Kunststoff aus fermentierten Stärken oder Zucker, eine umweltfreundliche Alternative. BioPE weist die gleichen Eigenschaften auf wie fossiles PE und ist vollständig recycelbar. Durch die Verwendung von spinngefärbtem BioPE können zudem der Energie- und Wasserverbrauch um 50 % gesenkt werden, während CO2-Emissionen um 60 % reduziert werden. Das Projekt umfasst die Entwicklung von nachhaltig eingefärbten Compounds aus BioPE für das Spinnfärbe-Verfahren sowie die Entwicklung von Multifilamentgarnen durch Schmelzspinnen und Falschdrahttexturierung. Die Garne werden auf Seamless-Maschinen verstrickt und ein T-Shirt-Demonstrator konfektioniert, welcher mit einer nachhaltigen elastischen Ausrüstung versehen wird. Die Ergebnisse werden nicht nur den ökologischen Fußabdruck der Textilindustrie verringern, sondern auch innovative Ansätze zur Kreislaufwirtschaft fördern.

Report

Einleitung

Die weltweite jährliche Chemiefaserproduktion wächst stetig und wird 2030 voraussichtlich 100 Mio. t überschreiten. Der Polyester (PES) Polyethylenterephthalat (PET) ist mit 80 % Marktanteil das meistgenutzte Polymer. Alleine die weltweite Kleidungsproduktion wurde zwischen 2000 und 2015 fast verdoppelt. Mittlerweile werden mehr als 80 % aller produzierten Fasern für Kleidung eingesetzt. Von weltweit produziertem PET werden 30 bis 60 % in Kleidung eingesetzt, also ca. 18 bis 36 Mio. t. So ist PET das meistgenutzte Material für Kleidung (Stand 2021). Die Textilindustrie steht somit vor enormen ökologischen Herausforderungen, insbesondere aufgrund des hohen Anteils an fossilen Rohstoffen in der Textilproduktion. Fossile Polyester machen etwa 52 % des Marktes aus und haben erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt und den Ressourcenverbrauch. Kunstfasern in Bekleidung werden zum Großteil aus diesen fossilen Polyestern mit Hauptbestandteil Polyethylenterephthalat (PET) hergestellt, welches jedoch noch nicht zu 100 % biobasiert hergestellt wird. Kleidung aus 100 % Biopolymeren wird bisher nur in Studien und Leuchtturmprojekten gezeigt, da diese zu teuer für den Massenmarkt und nicht in ausreichender Menge vorhanden sind. Das Projekt bioPEtex verfolgt das Ziel, 100 % biobasiertes Polyethylen (BioPE) im Bekleidungsmarkt zu etablieren. Aus dem großvolumig vorhandenen thermoplastischen Drop-In-Polymer wird sortenreine und thermomechanisch recycelbare Kleidung hergestellt. Dazu muss das Defizit gelöst werden, dass PE nicht für die Endlosfaserherstellung produziert wird und es keine dafür ausgewiesenen Typen sowie keine auf das Polymer ausgelegte, textiltechnische Anlagetechnik gibt. Aufgrund von Vorarbeiten am Institut für Textiltechnik, dem aktuellen Projektstand und Alberghini et al. ist abzusehen, dass das Projekt erfolgreich sein wird. Die Expertise des Konsortiums ist für die schnelle Umsetzung bestens geeignet. [Tex22; AHL+21; SB20]

Material und Methoden

Im Rahmen des Projekts werden kommerziell verfügbare biobasierte Polyethylene ausgewählt, beschafft und modifiziert (vgl. Abbildung 1).

Anschließend werden spinnbare Compounds aus BioPE entwickelt. Für die nachfolgende Spinnfärbung im Schmelzspinnprozess werden durch den Industriepartner TECNARO GmbH, Ilsfeld, Farbmasterbatches mit biobasierten Farbpigmenten entwickelt, um eine nachhaltige Alternative zur konventionellen Färbung mit Farbstoffen zu realisieren. Zudem ist die konventionelle Anfärbung von PE herausfordernd [BBO+13]. Aus diesen BioPE-Compounds werden über Schmelzspinn- und Texturierprozesse im semi-industriellen Maßstab verschiedene texturierte Multifilamentgarne mit bis zu 100 Filamenten entwickelt, sodass ein biobasiertes T-Shirt konfektioniert werden kann. Bisher wird PE in der Industrie lediglich für Stapelfasern, hochverstreckte Fasern für technische Anwendungen oder für Carbonfasern eingesetzt – jedoch noch nicht als Garn in der Bekleidung [Fou99; Pei18; Wor17]. Zusätzlich zur Elastizität durch die Maschen im Gestrick werden innovative, vorwettbewerbliche, nachhaltige Textilausrüstungen getestet und weiterentwickelt.

Ergebnisse

Die ersten Ergebnisse zeigen vielversprechende Fortschritte bei der Verarbeitung von BioPE in spinngefärbten Garnen mit geeigneten Eigenschaften für textile Anwendungen. BioPE kann in stabilen Schmelzspinnprozessen zu Multifilamentgarnen verarbeitet werden. Die Prozessentwicklung mit gefärbten BioPE-Compounds wird zurzeit durchgeführt (vgl. Abbildung 2).

Die resultierenden teilverstreckten Garne (engl. Partially-Oriented Yarn, POY) mit aktuell 96 Filamenten und einem Einzelfilamenttiter von ca. 1 dtex weisen geeignete Eigenschaften für die anschließende Falschdrahttexturierung auf (vgl. Abbildung 3). Produktionsgeschwindigkeiten beim Schmelzspinnen befinden sich zurzeit im industriellen Bereich (2.500 m/min). In einem nächsten Schritt werden Garne mit 30 Filamenten mit höher Einzelfilamenttiter ausgesponnen, um dem resultierenden Textil in Kombination mit den feinen Garnen mehr Stabilität zu verleihen.

Zugfestigkeiten von ca. 20 cN/tex werden bisher erreicht und die angestrebten, von PET-POY abgeleiteten Zielwerte somit bereits erfüllt. Die Falschdrahttexturierung im Labor- (ITA) sowie im semi-industriellen Maßstab (BB Engineering GmbH, Remscheid) ist ebenfalls erfolgreich. Die mechanischen Garnkennwerte der texturierten Garne (engl. Draw-Textured Yarn, DTY) werden somit verbessert und das Garnvolumen sowie das Wärmerückhaltevermögen erhöht (vgl. Abbildung 4). In der Abbildung ist bei der Nahaufnahme des DTY zu sehen, dass im Labormaßstab keine Tangelung eingebracht wurde und der Garnzusammenhalt somit noch nicht ideal ist. Das DTY aus dem Labormaßstab lässt sich jedoch bereits ohne Probleme zu einem Gestrick verarbeiten. Im semi-industriellen Maßstab werden diese Defizite zudem behoben.

Mit dem resultierenden naturfaserähnlichen, kühlen Griff ist der Einsatz im Textil nun möglich. Erste Strickversuche mit dem Labor-DTY sind beim Industriepartner FALKE KGaA, Schmallenberg, erfolgreich und bestätigen erneut das kühlende Gefühl bei Berührung des Textils. Weitere Garne werden entwickelt, damit als nächster Schritt das T-Shirt für Sportanwendungen mit aus semi-industriellen Garnen produziert und als Demonstrator validiert werden kann. Die Entwicklung der biobasierten elastischen Ausrüstung erfolgt zurzeit ebenfalls.

Zusammenfassung

Das Projekt bioPEtex stellt einen innovativen Ansatz dar, um nachhaltige Bekleidung aus biobasierten Materialien herzustellen. Durch gezielte Forschung und Entwicklung sollen sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile realisiert werden. Die erzielten Ergebnisse könnten dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck der Textilindustrie erheblich zu verringern und neue Standards für Recyclingfähigkeit in der Modebranche zu setzen. Bisher sind die Entwicklungen mit biobasierten PE-Compounds erfolgreich und glatte teilverstreckte sowie texturierte Garne können im semi-industriellen Maßstab produziert und zu einem kühlenden Gestrick verarbeitet werden. Die Validierung als Demonstrator in Form eines seamless gestrickten, biobasierten T-Shirts mit elastischer biobasierter Ausrüstung steht im weiteren Projektverlauf noch aus.

Danksagung

Wir danken dem Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) für die Förderung des Innovationsraums BIOTEXFUTURE und des Forschungsprojekts bioPEtex (FKZ: 031B1496). Zudem möchten wir allen Beteiligten in diesem Projekt für ihre Beiträge und ihr Engagement danken.

Literaturverzeichnis

  1. [AHL+21] Alberghini, M.; Hong, S.; Lozano, L. M.; Korolovych, V.; Huang, Y.; Signorato, F.; Zandavi, S. H.; Fucetola, C.; Uluturk, I.; Tolstorukov, M. Y.; Chen, G.; Asinari, P.; Osgood, R. M.; Fasano, M.; Boriskina, S. V.:
    Sustainable polyethylene fabrics with engineered moisture transport for passive cooling
    Nature Sustainability 4 (2021), H. 8, S. 715–724

    [BBO+13] Baur, E.; Brinkmann, S.; Osswald, T. A.; Rudolph, N.; Schmachtenberg, E.; Saechtling, H.:
    Saechtling Kunststoff Taschenbuch. 31. Ausgabe, [komplett überarb., aktualisiert und zum ersten Mal in Farbe]Aufl..- München: Hanser, 2013

    [Fou99] Fourné, F.:
    Synthetic Fibers. Hanser, München, 1999

    [Pei18] Peijs, T.:
    1.5 High Performance Polyethylene Fibers:
    Comprehensive Composite Materials II: Elsevier, 2018, S. 86–126

    [SB20] Siracusa, V.; Blanco, I.:
    Bio-Polyethylene (Bio-PE), Bio-Polypropylene (Bio-PP) and Bio-Poly(ethylene terephthalate) (Bio-PET): Recent Developments in Bio-Based Polymers Analogous to Petroleum-Derived Ones for Packaging and Engineering Applications
    Polymers 12 (2020), H. 8

    [Tex22] Textile Exchange:
    Preferred Fiber and Materials Market Report 2022
    Burbank, California: 10/2022

    [Wor17] Wortberg, G.:
    Entwicklung polyethylenbasierter Precursoren für die thermochemische Stabilisierung zur Carbonfaserherstellung. Shaker Verlag, Dissertation
    ,

Authors: Mathias Ortega J. Langer R. Morgenroth M. van Haren G. Mourgas A. Langer T. Gries

Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University, Otto-Blumenthal-Str. 1, 52074 Aachen

Clothtech Sporttech Oekotech

More entries from ITA Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University