Textile Leadership

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(c) Photographer & visual artist Patrick Klein Meuleman
09.08.2022

Zweite Haut: e-Textiles neu definiert

Im Rahmen des Europäischen STARTS Projektes Re-FREAM forschten Designer, Technologen und Wissenschaftler gemeinsam an zukünftigen sowie nachhaltigen Technologien für die Textilindustrie. Im Forschungsschwerpunkt e-Textiles arbeitete die Fashion Tech Expertin Malou Beemer aus den Niederlanden mit einem internationalen Team bestehend aus Profactor, EMPA, Wear It Berlin und dem Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM an adaptiven Kleidungsstücken, die sich praktischen und sozialen Bedürfnissen der Nutzer anpassen können.

Im Rahmen des Europäischen STARTS Projektes Re-FREAM forschten Designer, Technologen und Wissenschaftler gemeinsam an zukünftigen sowie nachhaltigen Technologien für die Textilindustrie. Im Forschungsschwerpunkt e-Textiles arbeitete die Fashion Tech Expertin Malou Beemer aus den Niederlanden mit einem internationalen Team bestehend aus Profactor, EMPA, Wear It Berlin und dem Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM an adaptiven Kleidungsstücken, die sich praktischen und sozialen Bedürfnissen der Nutzer anpassen können.

Malou Beemer nähert sich der Nachhaltigkeit von Kleidungsstücken durch ihr Verständnis für die soziale Funktionalität von Kleidungsstücken. Ihre Forschungen gehen der Frage nach, wie Design die Art und Weise verändern kann, wie wir Mode wollen, tragen und entsorgen. Könnten intelligente Kleidungsstücke so ausgestattet werden, dass sie ihre Begehrlichkeit verbessern und erhalten? Ihr modulares Bekleidungssystem Second Skins kombiniert anpassungsfähige Teile, die eine persönliche Lichtsinfonie erzeugen. Seine Zusammensetzung entspricht dem ästhetischen Bedürfnis nach Neuheit, nach Interaktion und nach Auffallen.

Beemer begann damit, die Idee des Kleidungsstücks selbst zu dekonstruieren. Zunächst, so erklärt sie, „haben wir uns von der Vorstellung verabschiedet, dass ein Kleidungsstück immer zwei Beine oder zwei Ärmel hat“. Stattdessen beschloss das Team, es als Komponenten zu visualisieren. Der nächste Schritt war die Erforschung der Aktivierung von reaktionsfähigen und reaktiven Textilelementen, die moduliert werden können, um Neues zu schaffen.

Mit dem Hauptaugenmerk auf Abend- und Partykleidung, einer Kategorie mit hohem Einmalgebrauchsverhalten, fiel die Wahl auf Farbwechsel auf der Grundlage von LED-Mustern. Gemeinsam mit ihren Re-FREAM-Partnern entwickelte sie ein Kleidungsstück, das aus einer Basisschicht mit integrierten LED-Leuchten (IZM Fraunhofer), einer diffusen Schicht, die das Licht mit Profactor verändert, und einer oberen Schicht besteht, die dem Kleidungsstück eine endgültige Form verleiht und weitere Aktualisierungen ermöglicht. Der Träger kann LED-Farbmuster hochladen und diese dann mit einem Tap-Sensor modulieren. Durch die Konstruktion und die modulare Verbindungstechnik kann das Kleidungsstück bei Bedarf repariert oder am Ende seiner Lebensdauer sogar komplett zerlegt werden.

Beemer nutzt die individuelle Anpassung von Farben, Mustern und Strukturen, um die Lebensdauer von Kleidungsstücken zu verlängern. Sie definiert Nachhaltigkeit durch Langlebigkeit: Das Ziel sind Kleidungsstücke, die sich aktualisieren lassen, vielleicht sogar für Jahrzehnte. Ihre Wearable-Tech-Designs sollen auch die soziale Interaktion mit anderen verbessern. Ein besonders innovativer Aspekt ihres Konzepts ist das Streben nach einer neuen Ebene der Handlungsfähigkeit von Kleidungsstücken. Sie stellt sich Kleidung vor, die sich um uns kümmert, je nach unseren sozialen und ästhetischen Bedürfnissen. Statt passiver und verschmutzender Kleidungsstücke wird Mode zur zweiten Haut mit verschiedenen Schichten, die ihre Eigenschaften verändern können. Durch diese eingebaute Vielseitigkeit erhalten Kleidungsstücke eine aktive Rolle für ihr Überleben und das unsere.

Zusammen mit dem Fraunhofer-Team entwickelte Beemer zwei Unterkleider, in die PCBs (printed circuit boards = gedruckte Schaltungen) und LEDs integriert sind: eines, das sich mehr um den Hals und eines, das sich mehr um den Brustkorb, unterhalb der Büste, schmiegt. In dem Projekt Second Skins kommen die vom IZM entwickelten Hardware Module zum Einsatz. Das IZM entwickelte eine auf Arduino-basierende modulare Hardware Plattform, mit denen sich e-Textile Prototypen und Kleinserien einfacher, flexibler und zuverlässiger in Textilien integrieren lassen. Zu den bereits verfügbaren Modulen gehören diverse Sensoren (Temperatur, Nähe, Pulse, IMU) sowie Aktoren, RGB LEDs, ADC, µC, Bluetooth und mehr. Neben dem konventionellen Annähen der Module mittels elektrisch leitfähigen Garns bieten alle Module auch die Möglichkeit, diese durch die am IZM entwickelte, proprietäre e-Textile Bond Technologie mechanisch und elektrisch in einem Arbeitsschritt zu integrieren.

Hier erfassen z.B. Smart IMU Module die Körpersprache und Bewegungsdaten der Trägerin, darüber hinaus sind Näherungssensoren integriert. Mit den gewonnenen Sensordaten sind individuelle Lichteffekte des RGB-LED Displays steuerbar, durch die die Trägerin mit ihrer Umgebung nonverbal kommuniziert. Alle Module können dabei im Gestaltungsprozess frei auf dem Kleidungsstück platziert werden. Zur Energieversorgung und Kommunikation mit der Prozesseinheit wird ein textiler 4-adriger IIC Busleiter aus einem thermoplastisch isolierten Hybridleiter aus Litzenmaterial und verstärkenden Textilfasern auf das Unterkleid gestickt und so die Module miteinander verbunden. Die elektrische Verbindung zwischen Modul und textilem Bus erfolgt dann über die beschriebene e-Textile Bonding Technologie, die eine zuverlässige aber auch reparierfähige Kontaktierung ohne zusätzliche Additive wie Pasten, Flussmittel o.Ä. bietet. Aufgrund der Wiederaufschmelzbarkeit des thermoplastischen Klebstoffes kann das Modul auch wieder thermisch vom Träger entfernt werden. In der Innenlage zwischen Ober- und Unterkleid befinden sich dünne Textillagen, die mittels 3-D Druck oder Lamination eine Maskierung der Leuchteffekte ermöglichen und so der Nutzerin eine individuell anpassbare Lichtgestaltung gestattet.

Weiterführende Links:
https://www.maloubeemer.com/project/second-skins-re-fream/
https://re-fream.eu/pioneers/second-skins/
https://www.izm.fraunhofer.de/