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Atacama Wüste Foto: Fernando Rodrigues, Unsplash
23.07.2024

Reduktion der Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen des weltweiten Handels mit Second-Hand-Kleidung

Der Aufschwung von Fast-Fashion, der durch einen raschen Kollektionswechsel gekennzeichnet ist, hat in den letzten vier Jahrzehnten zu einer Versiebenfachung des weltweiten Handels mit gebrauchter Kleidung geführt. Mehr als 80 % aller gekauften Kleidungsstücke weltweit (62 % in der EU) werden als Hausmüll entsorgt, der verbrannt oder deponiert wird, was eine massive Verschwendung von Ressourcen darstellt und schwerwiegende Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit hat.

Ein kürzlich von der UNECE und der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) veröffentlichter Bericht präsentiert eine eingehende Analyse des Handels mit Altkleidern zwischen Europa und Chile und gibt der Industrie sowie den Export- und Importländern politische Empfehlungen, um die Lage zu verbessern.

Der Aufschwung von Fast-Fashion, der durch einen raschen Kollektionswechsel gekennzeichnet ist, hat in den letzten vier Jahrzehnten zu einer Versiebenfachung des weltweiten Handels mit gebrauchter Kleidung geführt. Mehr als 80 % aller gekauften Kleidungsstücke weltweit (62 % in der EU) werden als Hausmüll entsorgt, der verbrannt oder deponiert wird, was eine massive Verschwendung von Ressourcen darstellt und schwerwiegende Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit hat.

Ein kürzlich von der UNECE und der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) veröffentlichter Bericht präsentiert eine eingehende Analyse des Handels mit Altkleidern zwischen Europa und Chile und gibt der Industrie sowie den Export- und Importländern politische Empfehlungen, um die Lage zu verbessern.

Nach Angaben von UN Comtrade waren im Jahr 2021 die Europäische Union (30 %), China (16 %) und die Vereinigten Staaten (15 %) die führenden Exporteure von Altkleidern, während Asien (28 %, vor allem Pakistan), Afrika (19 %, insbesondere Ghana und Kenia) und Lateinamerika (16 %, vor allem Chile und Guatemala) die führenden Importeure waren.

Erleichtert wurde dies durch das Aufkommen kostengünstiger Kunstfasern und die Liberalisierung des Handels, die die Verlagerung der Produktion in Länder mit niedrigen Löhnen ermöglichte. Ein großer Teil der Kleidung wird aus schwer zu trennenden Mischfasern hergestellt, so dass es vor allem in den Industrieländern kaum Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Wiederverwendung und zum Recycling gibt.

„Wann ist es normal geworden, Kleidung wegzuwerfen?“, fragt Lily Cole, Klimaaktivistin und Beraterin der UNECE. „Während die Welt, vor allem der globale Norden, unaufhörlich Mode produziert und konsumiert, sind eine Handvoll Länder, vor allem im globalen Süden, zu Friedhöfen für die ungeliebte Kleidung der Welt geworden. Bei meinem Besuch in der Atacama-Wüste wurde ich auf die Textilberge und die sich verändernden kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Landschaften aufmerksam, die sie hervorgebracht haben. Das Bewusstsein der Verbraucher ist sehr hilfreich, doch letztlich brauchen wir politische Maßnahmen, um systemische Trends einzudämmen, weshalb dieser Bericht und seine Empfehlungen so wichtig sind.“

Europa: Sortier- und Recyclingkapazitäten hinken hinterher
In Europa werden nur 15-20 % der entsorgten Textilien gesammelt, in der Regel über Container, Haussammlungen und Spenden. Etwa die Hälfte der gesammelten Textilien wird downgecycelt und z. B. als Isoliermaterial, Füllmaterial und industrielle Einwegtücher verwendet. Nur 1 % wird zu höherwertigen Produkten wie neuer Kleidung recycelt, während der Rest in Entwicklungsländer exportiert wird.
 
Von den 55 Prozent der gesammelten Kleidungsstücke, die wiederverwendbar sind, haben nur 5 Prozent einen Wert auf den Secondhand-Märkten in der EU, während 50 Prozent einen Wert auf den Exportmärkten haben.

So hat die Europäische Union ihre Altkleiderexporte in den letzten zwei Jahrzehnten verdreifacht, von 550.000 auf 1,7 Millionen Tonnen. Auf Europa, einschließlich des Vereinigten Königreichs, entfällt inzwischen mehr als ein Drittel der weltweiten Altkleiderexporte, und dieser Anteil könnte weiter steigen, da die Sammelquoten voraussichtlich steigen werden.  

Ein designorientierter Ansatz der Kreislaufwirtschaft für Kleidung steckt noch in den Kinderschuhen. Der EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (CEAP) wurde 2020 verabschiedet, die EU-Strategie für nachhaltige und zirkuläre Textilien 2022 und die EU-Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte 2023. Diese Maßnahmen müssen jedoch noch Früchte in Form von groß angelegten vorgelagerten Lösungen für die Probleme mit Textilabfällen tragen.

„Der Weltmarkt für Altkleider wächst ständig, und mit ihm auch seine negativen Auswirkungen. Die Textilindustrie trägt eine große Verantwortung für die Einführung nachhaltigerer Praktiken, und Exporteure und Importeure müssen entsprechende politische Entscheidungen treffen, um Rückverfolgbarkeit, Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit zu fördern.

Die politischen Empfehlungen und Normen von UN/CEFACT werden diesen Übergang unterstützen. Und natürlich müssen wir alle als Verbraucher eine Rolle spielen, um nachhaltige Entscheidungen zu treffen“, betonte UNECE Executive Secretary Tatiana Molcean.
 
Der Fall Chile: Berge von Altkleidern, die man vom Mond aus erkennen kann  
Die meisten lateinamerikanischen Länder (darunter Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Mexiko und Peru) haben Einfuhrverbote für Kleidung erlassen, um ihre nationale Textil- und Modeindustrie zu schützen und die Bedrohung durch Bekleidungsdeponien zu vermeiden.

Im Gegensatz dazu erhebt Chile keine Zölle und wendet keine mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen an, sondern verlangt lediglich, dass die Sendungen desinfiziert werden (durch Begasung). Chile ist damit zu einem der zehn größten Importeure der Welt und zum Spitzenreiter in Lateinamerika aufgestiegen und hat im Jahr 2021 126.000 Tonnen Textilien eingeführt. 40 % davon gelangen über den nördlichen Hafen von Iquique in das Land, wo sie manuell, hauptsächlich von Frauen, sortiert und in erste, zweite und dritte Qualität unterteilt werden.

75 % aller importierten Altkleider wurden als nicht wiederverwendbar eingestuft. 30.000 Tonnen davon bedecken heute 30 Hektar der Atacama-Wüste, verursachen Umweltverschmutzung und gefährden die Gesundheit der dortigen Bevölkerung. Gleichzeitig bietet der Handel mit Altkleidern auch Arbeitsplätze und formelle und informelle Einkommen für die einheimische und die zugewanderte Bevölkerung in den etablierten Geschäften und auf den Freiluftmärkten im ganzen Land, was bei der Neufestlegung der öffentlichen Politik berücksichtigt werden muss.

„Um die ökologischen und sozialen Probleme des Handels mit gebrauchten Textilien anzugehen, müssen die EU und Chile zusammenarbeiten, um solide rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Eine Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Chile könnte wegweisend sein für innovative Ansätze zur Regulierung und Verringerung der Auswirkungen des Handels mit gebrauchten Textilien, u. a. durch die Festlegung globaler Standards für den Handel mit gebrauchten Textilien, wobei der Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung liegt“. betont der Generalsekretär der UNECLAC, José Manuel Salazar-Xirinachs.

Vielfältige Empfehlungen
Der Bericht enthält eine Reihe von Empfehlungen an die Textilindustrie, Exporteure und Importeure.   

An die Ausfuhrländer

  • Die Kreislaufwirtschaft in den Mittelpunkt des Bekleidungsdesigns stellen, mit verbindlichen Vorgaben für die Faserzusammensetzung, die Qualität, Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit verbessern  
  • Einführung eines Systems der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR), das die Hersteller für die von ihnen hergestellten Produkte verantwortlich macht  
  • Entwicklung weiterer Sortier- und Recyclinganlagen durch finanzielle Anreize  
  • Entwicklung von EU-Mindestkriterien für die Ausfuhr von Altkleidern durch die Verwendung von digitalen Produktpässen (DPP)  
  • Durchführung von Sensibilisierungskampagnen, um die Verbraucher zu ermutigen, ihre Kleidung bewusster auszuwählen

Für die Einfuhrländer – das Beispiel Chile

  • Verbesserung der Zollverfahren und Verwaltungsmaßnahmen im Hafen von Iquique, um die digitale Rückverfolgbarkeit der Altkleider- und Textilströme auf der Grundlage des UN/CEFACT-Rückverfolgbarkeitsstandards zu gewährleisten   
  • Einführung einer Strategie für die Kreislaufwirtschaft im Textilbereich   
  • Bildung öffentlich-privater Allianzen für Recyclingprojekte durch Steuererweiterungsprogramme und Fonds zur Förderung von Unternehmertum, Innovation und Schaffung von Arbeitsplätzen für benachteiligte Gruppen, insbesondere in der Region Tarapacá  
  • Verbesserung des Rechtsrahmens für die Abfallwirtschaft   
  • Umsetzung eines regionalen Plans zur Kontrolle fester Abfälle, der Inspektionen von Mülldeponien, Clean Points und Deponien vorsieht, um die Durchsetzungskapazität der regionalen Gesundheitsbehörden zu erhöhen  
  • Beschleunigung der Verabschiedung des chilenischen Gesetzentwurfs über die Umweltqualität von Böden.

Der Bericht empfiehlt außerdem, internationale Handelsabkommen wie das Interims-Handelsabkommen zwischen der EU und Chile aus dem Jahr 2023, das ein Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung enthält, zu ändern, um die bilaterale Zusammenarbeit zu intensivieren, und es als Vorlage für weitere bilaterale Handelsabkommen zwischen der EU und anderen Ländern zu nutzen.   

Zum Download der Executive Summary

Weitere Informationen:
Secondhand Textilabfällen Chile Atacama UN
Quelle:

United Nations Economic Commission for Europe
(Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa)
Übersetzung: Textination

Brotreste + Pilze = Garn (c) Fotos von Kanishka Wijayarathna (Brotabfälle), Erik Norving (Prototypen), Andreas Nordin ( Forschende) und Sofie Svensson (Mikroskop).
17.07.2024

Brotreste + Pilze = Garn

Die Gewinnung neuer Materialien aus Pilzen ist ein zunehmend interessanter Forschungsbereich. In einem Forschungsprojekt an der Swedish School of Textiles der Universität Borås hat das Nassspinnen von pilzlichem Zellwandmaterial vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Im Rahmen des Projekts wurden Pilze auf Brotresten gezüchtet, um Textilfasern mit Potenzial für den Bereich der Medizintechnik herzustellen.

Das Projekt von Sofie Svensson zielt unter anderem auf die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen 9 (nachhaltige Industrie, Innovation und Infrastruktur) und 12 (nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion) ab, indem es ressourcen- und kosteneffiziente Methoden mit geringeren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt einsetzt.

Sofie Svensson, die vor kurzem ihre Dissertation im Fachgebiet der Ressourcenrückgewinnung verteidigt hat, erklärte:

Die Gewinnung neuer Materialien aus Pilzen ist ein zunehmend interessanter Forschungsbereich. In einem Forschungsprojekt an der Swedish School of Textiles der Universität Borås hat das Nassspinnen von pilzlichem Zellwandmaterial vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Im Rahmen des Projekts wurden Pilze auf Brotresten gezüchtet, um Textilfasern mit Potenzial für den Bereich der Medizintechnik herzustellen.

Das Projekt von Sofie Svensson zielt unter anderem auf die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen 9 (nachhaltige Industrie, Innovation und Infrastruktur) und 12 (nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion) ab, indem es ressourcen- und kosteneffiziente Methoden mit geringeren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt einsetzt.

Sofie Svensson, die vor kurzem ihre Dissertation im Fachgebiet der Ressourcenrückgewinnung verteidigt hat, erklärte:

„In meinem Forschungsprojekt geht es um die Entwicklung von Fasern, die aus Fadenpilzen für textile Anwendungen gesponnen werden. Die Pilze wurden auf Brotabfällen aus Lebensmittelläden gezüchtet. Abfälle, die andernfalls erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt hätten, wenn sie weggeworfen würden.

Die Neuartigkeit des Projekts liegt in der eingesetzten Methode - dem Nassspinnen von Zellwandmaterial.

„Nassspinnen ist ein Verfahren, mit dem Fasern (Filamente) aus Materialien wie Zellulose gesponnen werden. In diesem Projekt wurde Zellwandmaterial aus fadenförmigen Pilzen verwendet, um Fasern durch Nassspinnen herzustellen. Das Zellwandmaterial der Pilze enthält verschiedene Polymere, hauptsächlich Polysaccharide wie Chitin, Chitosan und Glucan. Die Herausforderung bestand darin, das Material zu spinnen. Es dauerte zunächst einige Zeit, bis wir die richtigen Bedingungen gefunden hatten“, erläuterte Sofie Svensson.

Antibakterielle Eigenschaften
Pilzfäden wurden in Bioreaktoren kultiviert, um Pilzbiomasse zu erzeugen. Anschließend wurde Zellwandmaterial aus der Pilzbiomasse isoliert und zum Spinnen eines Fadens verwendet, der auf seine Eignung für medizinische Anwendungen getestet wurde.

„Tests der Fasern zeigten eine Kompatibilität mit Hautzellen und wiesen auch auf eine antibakterielle Wirkung hin“, sagte Sofie Svensson und fügte hinzu: „Bei der Methode, mit der wir gearbeitet haben, haben wir uns auf die Verwendung milderer Verfahren und Chemikalien konzentriert. Die Verwendung gefährlicher und giftiger Chemikalien ist derzeit eine Herausforderung in der Textilindustrie, und die Entwicklung nachhaltiger Materialien ist wichtig, um die Umweltbelastung zu verringern.“

Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?
„Neue Materialien aus Pilzen sind ein aufstrebendes Forschungsgebiet. Hoffentlich kann diese Forschung zur Entwicklung neuer nachhaltiger Materialien aus Pilzen beitragen“, so Sofie Svensson.

Das Interesse der Community war während des Projekts sehr groß, und viele standen der Entwicklung dieser Art von Materialien positiv gegenüber.

Wann werden wir Produkte sehen, die aus diesen Fasern hergestellt werden?
„Diese spezielle Methode befindet sich im Labor-Maßstab und noch in der Forschungsphase“, erklärte sie.

Das Promotionsprojekt wurde im Rahmen des größeren Forschungsprojekts Sustainable Fungal Textiles durchgeführt: Ein neuartiger Ansatz für die Wiederverwendung von Lebensmittelabfällen.

Was ist der nächste Schritt in der Forschung über Pilzfasern?
„Künftige Studien könnten sich auf die Optimierung des Nassspinnverfahrens konzentrieren, um eine kontinuierliche Produktion von Pilzfasern zu erreichen. Außerdem könnte man die Kultivierung von Pilzen auf anderen Arten von Lebensmittelabfällen testen.“

Wie haben Sie Ihre Zeit als Doktorand im Bereich Ressourcenrückgewinnung erlebt?
„Es war eine intensive Zeit als Doktorandin, in der ich wirklich herausgefordert wurde und mich sehr weiterentwickelt habe.“

Was ist Ihr nächster Schritt?
„Ich werde eine Weile in Elternzeit gehen, bevor ich den nächsten Schritt mache, über den noch nicht entschieden wurde.“

Sofie Svensson verteidigte ihre Dissertation am 14. Juni 2024 im Swedish Centre for Resource Recovery der Universität Borås.

Development of Filaments Using Cell Wall Material of Filamentous Fungi Grown on Bread Waste for Application in Medical Textiles

Zweitgutachter: Han Hösten, Professor, Utrecht University
Betreuender Professor: Akram Zamani, Associate Professor, University of Borås
Mitbetreuer: Minna Hakkarainen, Professor, KTH; Lena Berglin, Associate Professor, University of Borås

Weitere Informationen:
University of Borås Sweden Garne Nassspinnen
Quelle:

University of Borås, Solveig Klug

Der Ekelfaktor verhindert nachhaltige Waschgewohnheiten Foto: Chalmers University of Technology | Mia Halleröd Palmgren
17.06.2024

Der Ekelfaktor verhindert nachhaltige Waschgewohnheiten

Die meisten Menschen neigen heute zu umweltfreundlichen Lebensentscheidungen, aber nicht auf Kosten der Sauberkeit. Wenn es um unsere Waschgewohnheiten geht, überwiegt oft die Angst, als schmutzig wahrgenommen zu werden, gegenüber dem Wunsch, umweltfreundlich zu handeln. Und je mehr wir dazu neigen, uns zu ekeln, desto mehr waschen wir unsere Kleidung. Dies zeigt eine neue Studie der Chalmers University of Technology in Schweden, in der die treibenden Kräfte hinter unserem Waschverhalten untersucht werden und die neue Möglichkeiten aufzeigt, wie die Umweltbelastung durch den Menschen verringert werden kann.

Die meisten Menschen neigen heute zu umweltfreundlichen Lebensentscheidungen, aber nicht auf Kosten der Sauberkeit. Wenn es um unsere Waschgewohnheiten geht, überwiegt oft die Angst, als schmutzig wahrgenommen zu werden, gegenüber dem Wunsch, umweltfreundlich zu handeln. Und je mehr wir dazu neigen, uns zu ekeln, desto mehr waschen wir unsere Kleidung. Dies zeigt eine neue Studie der Chalmers University of Technology in Schweden, in der die treibenden Kräfte hinter unserem Waschverhalten untersucht werden und die neue Möglichkeiten aufzeigt, wie die Umweltbelastung durch den Menschen verringert werden kann.

Wir waschen unsere Kleidung heute häufiger als je zuvor, und die beim Waschen entstehenden Emissionen waren noch nie so hoch. Einige der Gründe dafür sind, dass wir jedes Kleidungsstück weniger oft benutzen, bevor wir es in die Wäschetonne werfen, dass der technische Fortschritt das Waschen einfacher und billiger gemacht hat und der Zugang zu Waschmaschinen verbessert wurde. Von den weltweiten Emissionen von Mikroplastik stammen 16-35 Prozent aus dem Waschen von Kunstfasern. Darüber hinaus tragen Waschmittel zur Nährstoffanreicherung in Ökosystemen bei, und auch der Energie- und Wasserverbrauch beim Waschen wirkt sich auf die Umwelt aus.

„Auch wenn die Maschinen energieeffizienter geworden sind, hat die Häufigkeit des Waschens die größten Auswirkungen auf das Klima - und wir haben noch nie so viel gewaschen wie heute. Gleichzeitig scheinen die meisten von uns kein Interesse daran zu haben, ihr Waschverhalten zu ändern, um die Auswirkungen auf das Klima zu verringern“, sagt Erik Klint, Doktorand in der Abteilung für Umweltsystemanalyse bei Chalmers.

Er hat eine kürzlich veröffentlichte Forschungsstudie geleitet, die einen neuen, unerforschten Ansatz für unsere Waschgewohnheiten wählt: die Untersuchung der zugrundeliegenden Prozesse für übertriebenes Waschen aus einer psychologischen Perspektive. Die Studie konzentriert sich auf zwei treibende Kräfte, die das Waschverhalten beeinflussen: (1) Umweltidentität - wie stark wir uns mit der Gruppe der umweltbewussten Menschen identifizieren, und (2) wie stark wir zu Ekelgefühlen neigen. Zwei eindeutig gegensätzliche Triebkräfte, wie die Studie zeigt.

„Wir Menschen sind ständig mit verschiedenen Zielkonflikten konfrontiert. In diesem Fall gibt es einen Konflikt zwischen dem Wunsch, seine Wäsche zu reduzieren, um die Umwelt zu schonen, und der Angst, als ekliger Mensch mit unreiner Kleidung wahrgenommen zu werden. Ekel ist eine starke psychologische und soziale Triebkraft. Die Studie zeigt, dass wir umso mehr waschen, je höher unser Ekelgefühl ist, unabhängig davon, ob wir unsere Umweltidentität hoch einschätzen. Das Gefühl des Ekels siegt einfach über das Umweltbewusstsein“, sagt er.

Ekel ist eine evolutionär bedingte Emotion
Die Tatsache, dass Ekel unser Verhalten so stark steuert, hat mehrere Gründe. Erik Klint beschreibt Ekel als eine evolutionär bedingte Emotion, die im Wesentlichen als Schutz vor Infektionen oder gefährlichen Substanzen fungiert. Darüber hinaus ist das Ekelgefühl eng mit dem Schamgefühl verwandt und kann daher auch in sozialen Bereichen zum Tragen kommen.

„Wir Menschen wollen nichts tun, was unsere Position in der Gruppe in Frage stellen könnte - zum Beispiel mit einer Person in Verbindung gebracht werden, die sich nicht um ihre Hygiene kümmert“, sagt er.

Das hat Auswirkungen auf unser Waschverhalten.

„Hier wird eine evolutionär verwurzelte Triebkraft einem moralischen Standpunkt gegenübergestellt, und in den meisten Fällen reagiert man wahrscheinlich auf diese evolutionär bedingte Emotion“, so Klint.

„Waschkampagnen setzen an der falschen Stelle an“
Laut Erik Klint macht die Studie deutlich, dass die heutigen Kampagnen und Botschaften, die die Menschen zu umweltfreundlichem Verhalten bewegen sollen, den falschen Ansatzpunkt haben, da sie oft die psychologischen Aspekte hinter dem Verhalten der Menschen nicht berücksichtigen.

„Es spielt keine Rolle, wie vernünftig und forschungsbasiert die Argumente sind, wenn sie den unterschiedlichen Triebkräften der Menschen zuwiderlaufen, wie dem Wunsch, sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen, dann werden sie nicht funktionieren“, sagt er.

Die Fragen „Wie bringen wir die Menschen dazu, weniger zu waschen?“ und „Wie können wir dies auf umweltfreundlichere Weise tun?“ sind völlig unangebracht, meint Erik Klint, der darauf hinweist, dass der Schwerpunkt vielmehr auf dem indirekten Verhalten liegen sollte, das zum eigentlichen Waschen führt. Es mag zwar subtil sein, aber er schlägt vor, dass die bessere Frage lautet: „Wie können wir die Menschen dazu bringen, weniger Wäsche zu erzeugen, insbesondere Wäsche, die in einer Waschmaschine gereinigt werden muss?“

„Man wäscht, weil der Wäschekorb voll, der Lieblingspulli schmutzig oder in der Gemeinschaftswäscherei ein Zeitfenster frei ist. Daher muss der Schwerpunkt auf dem liegen, was passiert, bevor wir die Waschmaschine in Gang setzen, d. h. auf den zugrundeliegenden Verhaltensweisen, die einen Waschdrang auslösen. Zum Beispiel, wie viel Wäsche wir erzeugen, wie wir die Wäsche in der Maschine sortieren oder wann wir denken, dass die Waschmaschine voll ist“, sagt er.

Einer der wichtigsten Vorschläge der Studie besteht darin, Menschen zu ermutigen, Kleidung häufiger zu benutzen, bevor sie im Wäschekorb landet.

„Es kann darum gehen, übermäßiges Waschen zu bekämpfen, mit Botschaften wie 'die meisten Leute benutzen ihr T-Shirt mehr als einmal'. Aber auch die Nutzung der Waschmaschine durch andere Maßnahmen zu ersetzen, wie z. B. das Lüften der Kleidungsstücke, das Abbürsten von Schmutz oder das Entfernen einzelner Flecken per Hand. Eine Möglichkeit wäre es, die wirtschaftlichen Argumente hervorzuheben, denn die Kleidung nutzt sich ab, wenn sie durch die Maschine läuft“, sagt er.

In der Absicht, die Umweltauswirkungen des Waschens zu verringern
Gregory Peters, Professor für quantitative Nachhaltigkeitsbewertung an der Chalmers University und Mitverfasser der Studie, betont, dass diese eine einzigartige Kombination aus Verhaltens- und Naturwissenschaften darstellt.

„Diese Studie ist Teil einer umfassenderen Arbeit, die über den üblichen Forschungsrahmen für Ökobilanzen - Lebenszyklusanalysen - hinausgeht und es ermöglicht, ein ganzheitlicheres Verständnis dafür zu entwickeln, wie wir waschen und was unser Waschverhalten bestimmt. Das unmittelbare Ergebnis, das wir uns erhoffen, ist ein Beitrag zur Verringerung der Umweltbelastung durch das Waschen, aber es ist möglich, dass die Forschung auf andere Bereiche verallgemeinert werden kann, in denen Verhalten und Technologie zusammenspielen", sagt er.

Mehr über Waschgewohnheiten und Klimafolgen

  • Die Menge der von europäischen Verbrauchern gewaschenen Wäsche hat erheblich zugenommen. Im Jahr 2015 wusch der Durchschnittseuropäer vier Maschinenladungen pro Woche. Das sind zwar 0,7 Wäscheladungen weniger als im Jahr 2000, aber immer noch ein starker Anstieg, da die Waschkapazität der Maschinen im gleichen Zeitraum stark zugenommen hat. Im Jahr 2015 verfügten 64 Prozent aller Waschmaschinen über ein Fassungsvermögen von mehr als sechs Kilogramm, verglichen mit 2 Prozent im Jahr 2004. Gleichzeitig geben die meisten Verbraucher an, dass sie das Fassungsvermögen der Maschine voll ausnutzen.
  • Im Jahr 2010 hatten schätzungsweise 30 Prozent der Haushalte weltweit Zugang zu einer Waschmaschine. Im Jahr 2024, so eine Studie über die Hälfte der Weltbevölkerung, die in 18 Ländern in verschiedenen Teilen der Welt lebt, haben 80 Prozent der Haushalte Zugang zu einer Waschmaschine. Quellen: Statista (2024), Pakula und Stamminger (2010)
  • 16-35 Prozent der weltweiten Emissionen von Mikroplastik stammen aus dem Waschen von Kunstfasern. Das Waschen synthetischer Produkte führt dazu, dass sich jedes Jahr mehr als eine halbe Million Tonnen Mikroplastik auf dem Meeresboden ansammeln. Eine einzige Wäsche von Polyesterkleidung kann 700.000 Mikroplastikfasern freisetzen, die dann in die Nahrungskette gelangen können.
Quelle:

Chalmers | Mia Halleröd Palmgren

Foto: Damir Omerovic, Unsplash
12.06.2024

Nutzpflanzen zur Verringerung der Umweltbelastung durch Synthetik

Von Risotto bis zu Soßen sind Pilze seit langem ein Grundnahrungsmittel in der Küche. Jetzt zeigen Pilze das Potenzial, mehr als nur Geschmack zu bieten - als nachhaltiges, biegsames Material für die Modeindustrie.

Forscher nutzen die netzartige Struktur des Wurzelsystems des Pilzes - das Myzel - als Alternative zu synthetischen Fasern für Kleidung und andere Produkte wie Autositze.

„Es ist definitiv ein Umdenken im Herstellungsprozess“, sagt Annalisa Moro, EU-Projektleiterin beim italienischen Unternehmen Mogu, das aus dem Myzel Produkte für die Inneneinrichtung herstellt. „Man arbeitet wirklich mit der Natur zusammen, um etwas zu züchten, anstatt es zu erschaffen, und das ist irgendwie futuristisch.“

Mogu, 50 Kilometer nordwestlich von Mailand gelegen, leitet eine Forschungsinitiative zur Entwicklung von Vliesstoffen aus Mycelfasern für die Textilindustrie.

Von Risotto bis zu Soßen sind Pilze seit langem ein Grundnahrungsmittel in der Küche. Jetzt zeigen Pilze das Potenzial, mehr als nur Geschmack zu bieten - als nachhaltiges, biegsames Material für die Modeindustrie.

Forscher nutzen die netzartige Struktur des Wurzelsystems des Pilzes - das Myzel - als Alternative zu synthetischen Fasern für Kleidung und andere Produkte wie Autositze.

„Es ist definitiv ein Umdenken im Herstellungsprozess“, sagt Annalisa Moro, EU-Projektleiterin beim italienischen Unternehmen Mogu, das aus dem Myzel Produkte für die Inneneinrichtung herstellt. „Man arbeitet wirklich mit der Natur zusammen, um etwas zu züchten, anstatt es zu erschaffen, und das ist irgendwie futuristisch.“

Mogu, 50 Kilometer nordwestlich von Mailand gelegen, leitet eine Forschungsinitiative zur Entwicklung von Vliesstoffen aus Mycelfasern für die Textilindustrie.

Das Projekt mit dem Namen MY-FI hat eine Laufzeit von vier Jahren bis Oktober 2024 und bringt Unternehmen, Forschungsinstitute, Industrieorganisationen und akademische Einrichtungen aus ganz Europa zusammen..

MY-FI zeigt, wie die EU auf eine nachhaltigere Produktion und einen nachhaltigeren Verbrauch in der Textil- und Bekleidungsindustrie drängt, die in Europa rund 1,3 Millionen Menschen beschäftigt und einen Jahresumsatz von 167 Milliarden Euro erzielt.

Die EU bezieht den Großteil ihrer Textilien aus dem Ausland, produziert sie aber in Ländern wie Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien. Auf Italien entfallen mehr als 40 % der EU-Bekleidungsproduktion.

Filigran und langlebig
Das empfindliche Material wird durch die Zugabe von biobasierten Chemikalien, die die Fasern miteinander verbinden, stärker und haltbarer gemacht.

Seine ökologische Herkunft steht im Gegensatz zu den meisten synthetischen Fasern wie Nylon und Polyester, die aus fossilen Brennstoffen wie Kohle und Öl gewonnen werden.

Das bedeutet, dass die Produktion von Kunstfasern zu den Treibhausgasemissionen beiträgt, die den Klimawandel beschleunigen. Darüber hinaus setzen diese Materialien beim Waschen Mikroplastik frei, das häufig in die Umwelt gelangt und Flüsse, Meere und Ozeane verschmutzt.

Das MY-FI-Myzel benötigt nur sehr wenig Erde, Wasser oder Chemikalien und ist damit sogar umweltfreundlicher als Naturfasern wie Baumwolle.

Kleiderprobe
Für die Modeindustrie sind die weichen, wasserabweisenden Eigenschaften des Myzels ebenso attraktiv wie seine Umweltfreundlichkeit.

Fragen Sie einfach Mariagrazia Sanua, Nachhaltigkeits- und Zertifizierungsmanagerin bei Dyloan Bond Factory, einem italienischen Modedesigner und -hersteller, der zu MY-FI gehört.

Das Unternehmen hat das auf Myzel basierende Material in schwarzer und brauner Farbe und mit gewachstem Finish verwendet, um einen Prototyp eines Kleides, eine Kombination aus Oberteil und Midirock, Taschen und kleine Lederaccessoires herzustellen.

Laserschneiden und Siebdruck wurden eingesetzt, um das Materialverhalten zu bewerten. Die Herausforderung bestand darin, sich auf die Stoffbahnen - Quadrate aus dem Myzelmaterial anstelle von herkömmlichen Textilrollen wie Baumwolle, Leinen und Polyester - sowie auf Eigenschaften wie Zugfestigkeit und Nahtdichtigkeit einzustellen.

„Wir mussten das Paradigma komplett ändern und Prozesse und Kleidungsstücke auf der Grundlage des Materials entwerfen“, so Sanua.

Das Unternehmen hofft, den Verbrauchern mit dem Myzelmaterial eine Reihe von Produkten anbieten zu können, die eine Alternative zu Tierleder darstellen.

Leder-ungebunden
Volkswagen, der zweitgrößte Automobilhersteller der Welt, setzt auf Mycel-Technologien, um seinen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern und von Leder für die Innenausstattung von Fahrzeugen wegzukommen.

Die Kunden wünschen sich zunehmend tierfreie Materialien für den Innenraum, von Sitzbezügen und Türverkleidungen bis hin zu Armaturenbrettern und Lenkrädern. Ein nachhaltiger Ersatz für Leder ist daher eine spannende Perspektive, so Dr. Martina Gottschling, Wissenschaftlerin bei Volkswagen Group Innovation.

„Ein schnell wachsendes biologisches Material, das ohne Tierversuche und mit geringem Aufwand hergestellt werden kann und zudem keine erdölbasierten Ressourcen benötigt, ist ein Wendepunkt bei den Innenraummaterialien“, sagte sie.

Das Myzelmaterial ist außerdem leichter als Leder, ein weiterer Pluspunkt für die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks von VW.

Die Beteiligung des Unternehmens an MY-FI treibt die Projektforscher an der Universität Utrecht in den Niederlanden und am I-TECH Lyon in Frankreich dazu an, die Haltbarkeit des Myzelgewebes zu verbessern. Um vom Prototyp zur Produktionslinie zu gelangen, muss das Gewebe die von VW festgelegten Qualitätsanforderungen erfüllen, damit das Material ein Fahrzeugleben lang hält.

Gottschling ist überzeugt, dass diese Herausforderung im kommenden Jahrzehnt bewältigt werden kann. „Wir sehen das Material schon jetzt als eines der hochwertigen Materialien für Innenraumanwendungen, die in Zukunft möglich sein werden“, sagte sie.

Wenn das Leben einem Tomaten schenkt
Pilze sind nicht das einzige Lebensmittel, das das Potenzial hat, eine Revolution in Sachen nachhaltiges Garn auszulösen. Laut Dr. Ozgur Atalay und Dr. Alper Gurarslan von der Technischen Universität Istanbul in der Türkei haben auch Tomatenstängel ein verborgenes Talent.

Als sie sahen, dass Tomatenstängel nach der Ernte auf den Feldern verwelkten, begannen Atalay und Gurarslan zu untersuchen, ob sich die Stängel in nachhaltige Fasern verwandeln ließen.

Tests bewiesen, dass sich die landwirtschaftlichen Abfälle tatsächlich in Garn verwandeln lassen. Doch Atalay und Gurarslan waren entschlossen, noch einen Schritt weiter zu gehen. Sie wollten aus Tomatenstängeln eine Garnart für Kleidungsstücke herstellen, die Herzschlag, Atemfrequenz und Gelenkbewegungen überwachen.

Die beiden Forscher leiten ein Projekt zur Herstellung dieser Art von elektrisch leitfähiger Kleidung aus - erstmals - nachhaltigen Materialien.

Das Projekt mit dem Namen SMARTWASTE hat eine Laufzeit von vier Jahren bis Ende 2026 und umfasst auch Hochschul- und Forschungseinrichtungen aus Deutschland, Italien, den Niederlanden und Polen.

„Das Schöne an diesem Projekt ist, dass wir mit Abfällen beginnen“, so Atalay. „Wir nehmen landwirtschaftliche Abfälle und stellen nicht nur normale Textilien her, sondern etwas viel Wertvolleres“.

Kostenvoranschläge werden zwar erst im weiteren Verlauf des Projekts erstellt, wenn die Designpartner an der Entwicklung konkreter Produkte arbeiten, aber er wies darauf hin, dass intelligente Kleidung um einiges teurer sein wird als herkömmliche.

Ein intelligentes Textilhemd könnte laut Atalay bis zu 1.000 € kosten.

Das spezielle Material, die begrenzten Produktionsmengen und die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, die erforderlich sind, um tragbare Technologien zu entwickeln, die haltbar, waschbar und bequem sind, tragen alle zu diesem Preis bei.

Fortschritte in der Technologie sollten letztendlich zu niedrigeren Produktionskosten und Verbraucherpreisen führen.

Die Saat der Erfolgspappel
Die türkische Landschaft war auch die Inspiration für einen zweiten Teil des Projekts. Die in der Türkei reichlich vorhandenen Pappelbäume und insbesondere ihre weißen, flauschigen, baumwollähnlichen Samen veranlassten Gurarslan zu untersuchen, ob sie eine nachhaltige Textilquelle darstellen könnten.

Ihre Fasern wurden zwar als zu kurz für die Herstellung von Garnen abgetan, aber die Samen haben drei besondere Eigenschaften, die für die Textilindustrie interessant sind: eine hohle, röhrenartige Struktur, die Wärme speichern kann, um thermische Eigenschaften zu erzielen, eine antibakterielle Eigenschaft und Wasserbeständigkeit.

Das Netzwerk von SMARTWASTE-Experten hat die Samen mit recyceltem Polyester gemischt, um einen Vliesstoff herzustellen, den das Team zu Textilprodukten mit verbesserten thermischen Eigenschaften verarbeiten will.

Die Forscher hoffen, dass dies erst der Anfang einer weitreichenden Umgestaltung von Textilien ist.

„Unser Ziel ist es, die nächste Generation von Forschern und Innovatoren im Bereich nachhaltiger Textilien auszubilden“, so Atalay.

(c) MIT Self Assembly Lab
29.04.2024

Das 4D-Strickkleid - die Zukunft der Mode?

Das vom Self-Assembly Lab entwickelte 4D Strickkleid nutzt mehrere Technologien, um ein individuelles Design und eine maßgeschneiderte Passform zu schaffen und dabei gleichzeitig den Anforderungen an Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen.

Bis vor kurzem war eine Maßanfertigung - also Kleidung, die nach den individuellen Wünschen des Kunden angefertigt wurde - die einzige Möglichkeit, Kleidungsstücke zu tragen, die perfekt auf den eigenen Körperbau abgestimmt waren. Für die meisten Menschen sind die Kosten einer Maßanfertigung nicht zu bezahlen. Doch die Erfindung aktiver Fasern und innovativer Strickverfahren verändert die Textilindustrie.

Das vom Self-Assembly Lab entwickelte 4D Strickkleid nutzt mehrere Technologien, um ein individuelles Design und eine maßgeschneiderte Passform zu schaffen und dabei gleichzeitig den Anforderungen an Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen.

Bis vor kurzem war eine Maßanfertigung - also Kleidung, die nach den individuellen Wünschen des Kunden angefertigt wurde - die einzige Möglichkeit, Kleidungsstücke zu tragen, die perfekt auf den eigenen Körperbau abgestimmt waren. Für die meisten Menschen sind die Kosten einer Maßanfertigung nicht zu bezahlen. Doch die Erfindung aktiver Fasern und innovativer Strickverfahren verändert die Textilindustrie.

„Wir alle tragen Kleidung und Schuhe“, sagt Sasha MicKinlay, M.A., die kürzlich ihren Abschluss am MIT Department of Architecture gemacht hat. „Das ist ein menschliches Bedürfnis. Aber es gibt auch das menschliche Bedürfnis, sich auszudrücken. Mir gefällt die Idee, Kleidung auf nachhaltige Art und Weise zu personalisieren. Dieses Kleid verspricht sowohl für den Verbraucher als auch für den Hersteller nachhaltiger zu sein als herkömmliche Mode.“

McKinlay ist Textildesignerin und Forscherin am Self-Assembly Lab und hat zusammen mit Ministry of Supply, einem auf Hightech-Bekleidung spezialisierten Modeunternehmen, das 4D Strickkleid entworfen. Das Kleid kombiniert mehrere Technologien, um eine individuelle Passform und einen individuellen Stil zu schaffen. Wärmeaktivierte Garne, computergestütztes Stricken und robotergesteuerte Aktivierung um jedes Kleidungsstück herum sorgen für die modellierte Passform. Ein Team bei Ministry of Supply traf die Entscheidungen über die verwendeten stabilen Garne, die Farbe, die Originalgröße und das Gesamtdesign.

„Jeder Körper ist anders“, sagt Skylar Tibbits, außerordentliche Professorin an der Fakultät für Architektur und Gründerin des Self-Assembly Lab. „Selbst wenn man die gleiche Größe wie eine andere Person trägt, ist man nicht wirklich gleich“.

Aktive Textilien
Die Studenten des Self-Assembly Lab arbeiten seit mehreren Jahren mit dynamischen Textilien. Die von ihnen hergestellten Garne können ihre Form, ihre Eigenschaften, ihre Isolierung oder ihre Atmungsaktivität verändern. Zu den bisherigen Anwendungen für maßgeschneiderte Kleidungsstücke gehören die Herstellung von Pullovern und Gesichtsmasken. Laut Tibbits ist das 4D-Strickkleid ein Höhepunkt all dessen, was die Studenten bei der Arbeit mit aktiven Textilien gelernt haben.

McKinlay half bei der Herstellung der aktiven Garne, entwarf das Konzeptdesign, entwickelte die Stricktechnik und programmierte die industrielle Strickmaschine des Labors. Sobald das Design des Kleidungsstücks in der Maschine programmiert ist, kann sie schnell mehrere Kleider herstellen. Durch die Platzierung der aktiven Garne im Design kann das Kleid eine Vielzahl von Stilen annehmen, wie z. B. Biesen, Falten, eine Empire-Taille oder eine eng anliegende Taille.

„Das Styling ist wichtig“, sagt McKinlay. „Die meisten Leute konzentrieren sich auf die Größe, aber ich denke, das Styling ist das, was die Kleidung auszeichnet. Wir alle entwickeln uns als Menschen weiter, und ich glaube, dass sich auch unser Stil weiterentwickelt. Nach der Passform konzentrieren sich die Menschen auf den persönlichen Stil.

Danny Griffin, Magisterabschluss und derzeit Doktorand in Architekturdesign, hat keinen Hintergrund in der Bekleidungs- oder Modeindustrie. Tibbits bat Griffin, dem Team beizutreten, da er Erfahrung mit Robotikprojekten im Bauwesen hat. Griffin übersetzte den Wärmeaktivierungsprozess in ein programmierbares Roboterverfahren, das die Anwendung präzise steuern konnte.

„Wenn wir Hitze anwenden, verkürzen sich die Fasern, so dass sich das Textil in einem bestimmten Bereich zusammenzieht, wodurch die Form gestrafft wird, als würden wir das Kleidungsstück zuschneiden“, sagt Griffin. „Wir haben viel ausprobiert, um herauszufinden, wie wir den Roboter und die Heißluftpistole ausrichten müssen. Die Hitze muss genau an den richtigen Stellen angesetzt werden, um die Fasern auf jedem Kleidungsstück zu aktivieren. Eine weitere Herausforderung war die Einstellung der Temperatur und des Zeitplans für die Wärmezufuhr.“

„Wir konnten keine handelsübliche Heißluftpistole verwenden, die wie ein tragbarer Haartrockner aussieht, sie ist zu groß“, sagt Griffin. „Wir brauchten ein kompakteres Design. Als wir das herausgefunden hatten, hat es viel Spaß gemacht, das Drehbuch zu schreiben, dem der Roboter folgen sollte.“

Ein Kleid kann zunächst ein bestimmtes Design haben - zum Beispiel Biesen über der Brust - und monatelang getragen werden, bevor es durch erneute Wärmeanwendung verändert wird. Durch anschließende Wärmeanwendungen kann das Kleid weiter angepasst werden.

Mehr als Passform und Fashion
Die effiziente Herstellung von Kleidungsstücken ist laut Gihan Amarasiriwardena, dem Mitbegründer und Präsidenten von Ministry of Supply, eine „große Herausforderung“ in der Modeindustrie.

„Oft muss man raten, was in einer Saison angesagt ist“, sagt er. „Manchmal läuft der Stil nicht gut, oder manche Größen werden nicht verkauft. Sie werden dann stark heruntergesetzt oder landen schließlich auf einer Mülldeponie.“

„Fast Fashion“ ist ein Begriff, der Kleidung beschreibt, die preiswert, trendy und für den Verbraucher leicht zu entsorgen ist. Sie wird schnell entworfen und produziert, um mit den aktuellen Trends Schritt zu halten. Das 4D-Strickkleid, so Tibbits, ist das Gegenteil von Fast Fashion. Im Gegensatz zum traditionellen „Cut-and-Sew“-Verfahren in der Modeindustrie wird das 4D Strickkleid komplett in einem Stück hergestellt, wodurch praktisch kein Abfall anfällt.

„Vom globalen Standpunkt aus betrachtet, gibt es keine tonnenweise überschüssigen Lagerbestände, da das Kleid auf Ihre Größe zugeschnitten ist“, sagt Tibbits.

McKinlay hofft, dass durch den Einsatz dieser neuen Technologie die Lagerbestände, die Einzelhändler normalerweise am Ende jeder Saison haben, reduziert werden können.

„Das Kleid könnte maßgeschneidert werden, um sich an diese Veränderungen von Stil und Geschmack anzupassen“, sagt sie. „Es könnte auch einige der Größenvariationen auffangen, die Einzelhändler auf Lager haben müssen. Anstelle von extrakleinen, kleinen, mittleren, großen und extragroßen Größen könnten die Einzelhändler ein Kleid für die kleineren Größen und eines für die größeren Größen anbieten. Das sind natürlich genau die gleichen Nachhaltigkeitspunkte, die auch dem Verbraucher zugute kommen würden.

Das Self-Assembly Lab arbeitet bereits seit mehreren Jahren mit Ministry of Supply an Projekten zu aktiven Textilien zusammen. Ende letzten Jahres stellte das Team das 4D-Strickkleid im Flagship-Store des Unternehmens in Boston vor, wobei ein Roboterarm vor den Augen der Kundinnen ein Kleid umarbeitete. Für Amarasiriwardena war dies eine Gelegenheit, das Interesse an dem Kleid zu testen und Feedback von Kunden zu erhalten, die es anprobieren wollten.

„Wenn die Nachfrage da ist, können wir so etwas schnell herstellen“, sagt Amarasiriwardena, im Gegensatz zum üblichen Design- und Herstellungsprozess, der Jahre dauern kann.

Griffin und McKinlay waren bei der Vorführung anwesend und mit den Ergebnissen zufrieden. Für Griffin gibt es nach der Überwindung „technischer Hindernisse“ viele verschiedene Möglichkeiten für das Projekt.

„Diese Erfahrung macht mir Lust auf mehr“, sagt er.

Auch McKinlay würde gerne an weiteren Modellen arbeiten.

„Ich hoffe, dass dieses Forschungsprojekt den Menschen hilft, ihre Beziehung zu Kleidung zu überdenken oder neu zu bewerten“, sagt McKinlay. „Wenn man heute ein Kleidungsstück kauft, hat es nur einen ‚Look‘. Aber wie aufregend wäre es, ein einziges Kleidungsstück zu kaufen und es neu zu erfinden, um es zu verändern und weiterzuentwickeln, wenn man sich verändert oder wenn sich die Jahreszeiten oder Stile ändern? Ich hoffe, dass die Leute genau das mitnehmen werden.

Quelle:

Maria Iacobo | Olivia Mintz | School of Architecture and Planning, MIT Department of Architecture
Übersetzung: Textination

Berufsbekleidung: Nordische Zusammenarbeit bei Kreislaufinnovationen Foto: Sven, pixabay
16.04.2024

Berufsbekleidung: Nordische Zusammenarbeit bei Kreislaufwirtschaft

Die University of Borås, die Aalborg University Business School und das Circular Innovation Lab haben jüngst das Projekt „North-South Circular Value Chains Within Textiles“ gestartet - ein Forschungsprojekt mit einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit, das darauf abzielt, Textilmarken in den nordischen Ländern mit innovativen Produzenten im Süden zusammenzubringen.
 
Schwerpunktbereiche sind Kreislauf-Wertschöpfungsketten (CVCs), Kreislaufwirtschaft und ressourceneffiziente Textilwirtschaft, Berufsbekleidung und technische Kleidung, Sektoren wie Bau, Energie, Elektronik und IT, Kunststoffe, Textilien, Einzelhandel und Metalle.

Die University of Borås, die Aalborg University Business School und das Circular Innovation Lab haben jüngst das Projekt „North-South Circular Value Chains Within Textiles“ gestartet - ein Forschungsprojekt mit einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit, das darauf abzielt, Textilmarken in den nordischen Ländern mit innovativen Produzenten im Süden zusammenzubringen.
 
Schwerpunktbereiche sind Kreislauf-Wertschöpfungsketten (CVCs), Kreislaufwirtschaft und ressourceneffiziente Textilwirtschaft, Berufsbekleidung und technische Kleidung, Sektoren wie Bau, Energie, Elektronik und IT, Kunststoffe, Textilien, Einzelhandel und Metalle.

Ermöglicht durch einen Zuschuss aus dem Interreg-ÖKS-Programm besteht der erste Schritt darin, einen spezifischen wirtschaftlichen, rechtlichen und technologischen Rahmen zu schaffen, der es skandinavischen Berufsbekleidungsunternehmen ermöglicht, eine enge Zusammenarbeit bei Kreislauflösungen in der gesamten textilen Wertschöpfungskette einzugehen und ihre globalen Wertschöpfungsketten auf die bevorstehenden EU-Verordnungen zur Kreislaufwirtschaft vorzubereiten und anzupassen.

Kürzlich trafen sich die Partner des Konsortiums zu einem ersten Treffen an der Swedish School of Textiles, um den Projektrahmen zu erörtern. Dabei handelt es sich um eine Machbarkeitsstudie, die in ein mehrjähriges Projekt münden soll, an dem Berufsbekleidungsunternehmen in der Region Öresund-Kattegat-Skagerrak (ÖKS) einschließlich ihrer Lieferketten in Asien beteiligt sind.
Kim Hjerrild, Leiterin für strategische Partnerschaften bei der dänischen Denkfabrik Circular Innovation Lab in Kopenhagen, erklärte: „Ziel ist es, Berufsbekleidungshersteller in Dänemark, Schweden und Norwegen dabei zu unterstützen, durch kreislauforientierte Produktdesign-, Produktions- und Dienstleistungskonzepte nachhaltiger zu werden. Wir freuen uns, dass die Swedish School of Textiles das Projekt leitet, da sie eine lange Tradition in der Zusammenarbeit mit Textilunternehmen hat.“
 
Komplexe Branche
Die Entscheidung, sich speziell auf Berufsbekleidung zu konzentrieren, rührt daher, dass es sich um einen komplexen Bereich der Textilindustrie handelt, der strenge Normen, Zertifizierungen, Sicherheitsaspekte und spezifische Funktionen je nach Anwendungsbereich erfordert, z. B. in speziellen Hochleistungsumgebungen, im Gesundheitswesen und im Gastgewerbe. „Um ihre Betriebe zukunftssicher zu machen, müssen Unternehmen ressourceneffizienter und zirkulärer werden, indem sie haltbare und langlebige Arbeitskleidung herstellen, die repariert und wiederverwendet werden kann. Außerdem müssen sie ihren CO2-Fußabdruck pro Produkt reduzieren, den Einsatz problematischer Chemikalien minimieren und zunehmend recycelte Materialien verwenden“, erklärt Kim Hjerrild.

Unternehmen mit Hilfsmitteln und Wissen versorgen
Apoorva Arya, Gründerin und CEO von Circular Innovation Lab, führt aus: „Unser erstes und wichtigstes Ziel ist es, skandinavische Berufsbekleidungsunternehmen mit Hilfsmitteln und Wissen auszustatten, damit sie die kommenden EU-Richtlinien und -Politik einhalten können. Dazu gehören Vorschriften über produktspezifische Designanforderungen, Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer und Menschenrechte, von der Produktion bis hin zu Drittlieferanten. Wir stellen sicher, dass diese Unternehmen, insbesondere ihre Zulieferer, zu einer kreislauforientierten Lieferkette übergehen und sich in der gesetzlichen Landschaft zurechtfinden können, während sie gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt gewährleisten.“

Neue Strukturen im Fokus
Rudrajeet Pal, Professor für Textilmanagement an der Swedish School of Textiles, freut sich, dass die Universität das Projekt koordinieren kann. „Aus der Sicht meiner Forschungsgruppe ist dies unglaublich interessant, da der Schwerpunkt auf der Untersuchung und Entwicklung 'neuer' Lieferketten- und Geschäftsmodellstrukturen liegt, die eine nachhaltige Wertschöpfung in Textilunternehmen, in der Industrie sowie für die Umwelt und die Gesellschaft insgesamt ermöglichen würden. Wir haben bereits mehrere Projekte durchgeführt, bei denen ein solcher globaler Nord-Süd-Fokus der Wertschöpfungskette im Vordergrund stand, und dieses Mal insbesondere die Wertschöpfungskette von Berufsbekleidungsunternehmen zwischen Skandinavien und Asien. Wir freuen uns, unser Fachwissen und unsere Erfahrung in der internationalen Arbeit einbringen zu können."
 
Über das Vorprojekt North-South Circular Value Chains Within Textiles, NSCirTex
Das Projekt zielt darauf ab, den zirkulären Übergang in den nordischen Ländern zu unterstützen, indem ein gemeinsames Governance-Modell eingerichtet wird, das eine vorwettbewerbliche Zusammenarbeit und die Gestaltung zirkulärer Wertschöpfungsketten zwischen skandinavischen Berufsbekleidungsunternehmen in der ÖKS-Region und Produzenten in Indien, Bangladesch, Vietnam und der Türkei ermöglicht.

Der nächste Schritt ist ein mehrjähriges Hauptprojekt, in dem Berufsbekleidungsunternehmen mit ihren Zulieferern in asiatischen Ländern maßgeschneiderte Modelle für eine gemeinsame Unternehmensführung testen können, um praktische zirkuläre Lösungen zu entwickeln, wie z. B. Post-Consumer-Recycling, zirkuläre Materialbeschaffung, Entwicklung sicherer und ressourceneffizienter zirkulärer Produkte, Verbesserung der sozialen Nachhaltigkeit und der Sorgfaltspflicht usw. Das Hauptprojekt wird somit Lösungen zur Verringerung des materiellen Fußabdrucks und der Ressourcennutzung entwickeln und dabei sowohl wirtschaftliche Rentabilität schaffen als auch neue Vorschriften, Berichterstattung und Rechenschaftspflicht vorbereiten.

Partner in dieser Machbarkeitsstudie: Universität Borås, Aalborg University Business School und Circular Innovation Lab. Die Durchführbarkeitsstudie wird von der EU über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung Interreg Öresund-Kattegat-Skagerrak finanziert.

Quelle:

University of Borås, Solveig Klug

Textilabfall Ki generiertes Bild: Pete Linforth, Pixabay
02.04.2024

Die Zukunft zirkulärer Textilien: „New Cotton“-Projekt abgeschlossen

Als Weltpremiere für die Modeindustrie hatten sich im Oktober 2020 zwölf Pionierunternehmen zusammengefunden, um neue Wege zu beschreiten und ein Kreislaufmodell für die kommerzielle Bekleidungsproduktion zu entwickeln. Mehr als drei Jahre lang wurden Textilabfälle gesammelt und sortiert und mithilfe der Technologie zur Wiederherstellung von Textilfasern der Infinited Fiber Company zu einer neuen, künstlichen Zellulosefaser recycelt, die aussieht und sich anfühlt wie Baumwolle - eine „neue Baumwolle“.

Als Weltpremiere für die Modeindustrie hatten sich im Oktober 2020 zwölf Pionierunternehmen zusammengefunden, um neue Wege zu beschreiten und ein Kreislaufmodell für die kommerzielle Bekleidungsproduktion zu entwickeln. Mehr als drei Jahre lang wurden Textilabfälle gesammelt und sortiert und mithilfe der Technologie zur Wiederherstellung von Textilfasern der Infinited Fiber Company zu einer neuen, künstlichen Zellulosefaser recycelt, die aussieht und sich anfühlt wie Baumwolle - eine „neue Baumwolle“.

Das zukunftsweisende New Cotton Project startete im Oktober 2020 mit dem Ziel, eine zirkuläre Wertschöpfungskette für die kommerzielle Bekleidungsproduktion aufzuzeigen. Während des gesamten Projekts arbeitete das Konsortium daran, Alttextilien zu sammeln und zu sortieren, die mithilfe der innovativen Infinited Fiber-Technologie zu einer neuen zellulosehaltigen Chemiefaser namens Infinna™ recycelt werden konnten, die genauso aussieht und sich anfühlt wie neue Baumwolle. Die Fasern wurden zu Garnen gesponnen und zu verschiedenen Geweben verarbeitet, die von adidas und H&M entworfen, produziert und verkauft wurden. Der adidas by Stella McCartney-Trainingsanzug sowie eine bedruckte Jacke und Jeans von H&M sind damit die ersten Produkte, die von einem kreislauforientierten Konsortium dieser Größenordnung hergestellt wurden und damit einen innovativen und kreislauforientierten Ansatz für die Modeindustrie aufzeigt.
 
Da das Projekt im März 2024 abgeschlossen wurde, stellt das Konsortium acht Schlüsselfaktoren in den Fokus, die es als grundlegend für die erfolgreiche Skalierung des Faser-zu-Faser-Recyclings erachtet.

Die breite Einführung zirkulärer Wertschöpfungsketten ist entscheidend für den Erfolg
Die Kreislaufwirtschaft im Textilbereich erfordert neue Formen der Zusammenarbeit und des offenen Wissensaustauschs zwischen verschiedenen Akteuren in Kreislaufökosystemen. Diese Ökosysteme müssen Akteure einbeziehen, die über die traditionellen Lieferketten hinausgehen und bisher voneinander getrennte Industrien und Sektoren wie die Textil- und Modebranche, die Abfallsammlung und -sortierung und die Recyclingindustrie sowie digitale Technologien, Forschungsorganisationen und politische Entscheidungsträger einbeziehen. Damit das Ökosystem effektiv funktionieren kann, müssen die verschiedenen Akteure an der Abstimmung von Prioritäten, Zielen und Arbeitsmethoden beteiligt sein und die Bedürfnisse, Anforderungen und technisch-wirtschaftlichen Möglichkeiten der anderen kennenlernen. Aus einer breiteren Perspektive betrachtet, ist auch ein grundlegenderer Wandel in den Denkweisen und Geschäftsmodellen im Hinblick auf einen systemischen Übergang zur Kreislaufwirtschaft erforderlich, z. B. die Abkehr von den linearen Geschäftsmodellen der Fast Fashion. Neben dem offenen Wissensaustausch innerhalb solcher Ökosysteme ist es ebenfalls wichtig, gelernte Lektionen und Erkenntnisse öffentlich zu machen, um andere Marktteilnehmer bei der Umstellung auf die Kreislaufwirtschaft zu unterstützen und zu inspirieren.
     
Kreislaufwirtschaft beginnt mit dem Designprozess
Bei der Entwicklung neuer Styles ist es wichtig, von Anfang an ein End-of-Life-Szenario im Auge zu behalten. Denn davon hängt ab, welche Verzierungen, Drucke und Accessoires verwendet werden können. Wenn Designer es dem Recyclingprozess so einfach wie möglich machen, ist die Chance größer, dass die Kleidung tatsächlich wieder als Rohstoff verwendet wird. Darüber hinaus ist es wichtig, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die es ermöglichen, Produkte so lange wie möglich zu nutzen, einschließlich Reparatur-, Miet-, Wiederverkaufs- und Sharing-Dienste.

Aufbau und Ausbau von Sortier- und Recyclinginfrastrukturen sind entscheidend
Um die kreislauforientierte Bekleidungsproduktion auszubauen, bedarf es technologischer Innovationen und der Entwicklung von Infrastrukturen für die Sammlung und Sortierung von Alttextilien sowie für die mechanische Vorverarbeitung des Ausgangsmaterials. Derzeit erfolgt ein Großteil der Textilsortierung manuell, und die verfügbaren optischen Sortier- und Identifizierungstechnologien sind nicht in der Lage, Kleidungsschichten und komplexe Fasermischungen zu erkennen oder Abweichungen in der Qualität des Ausgangsmaterials für das Faser-zu-Faser-Recycling festzustellen. Die Vorbehandlung des Ausgangsmaterials ist ein entscheidender Schritt im Textil-zu-Textil-Recycling, der jedoch außerhalb derjenigen, die ihn tatsächlich ausführen, nicht gut verstanden wird. Dies erfordert eine Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, und es bedarf eingehender Kenntnisse und Fähigkeiten, um dies richtig zu tun. Dies ist ein Bereich, der mehr Aufmerksamkeit und stärkere wirtschaftliche Anreize braucht, wenn das Textil-zu-Textil-Recycling ausgebaut wird.

Die Verbesserung von Qualität und Datenlage ist entscheidend
Es besteht immer noch ein erheblicher Mangel an verfügbaren Daten, die den Übergang zu einer Kreislauftextilindustrie unterstützen. Dies bremst die Entwicklung von Systemlösungen und wirtschaftlichen Anreizen für den Textilkreislauf. So werden beispielsweise die Mengen der auf den Markt gebrachten Textilien oft als Ersatz für die Mengen an Post-Consumer-Textilien herangezogen, aber die verfügbaren Daten sind mindestens zwei Jahre alt und oft unvollständig. Auch auf nationaler Ebene kann es unterschiedliche Zahlen zu Textilabfällen geben, die aufgrund unterschiedlicher Methoden oder Datenjahre nicht übereinstimmen. Dies zeigt sich in den Berichten der niederländischen Massenbilanzstudie 2018 und des Überwachungsberichts zur Kreislaufwirtschaftspolitik für Textilien 2020, wo es einen Unterschied von 20 % zwischen den auf den Markt gebrachten Zahlen und den gemessenen Mengen an separat gesammelten und im gemischten Restmüll enthaltenen Post-Consumer-Textilien gibt. Abgesehen von einigen guten Studien wie Sorting for Circularity Europe und der jüngsten Charakterisierungsstudie von ReFashion gibt es auch fast keine zuverlässigen Informationen über die Faserzusammensetzung im Post-Consumer-Textilstrom. Textil-zu-Textil-Recycler würden von einer besseren Verfügbarkeit zuverlässigerer Daten profitieren. Die politische Überwachung von Systemen der erweiterten Herstellerverantwortung sollte sich darauf konzentrieren, die Anforderungen an die Berichterstattung in ganz Europa von der Sammlung von Post-Consumer-Textilien bis zu ihrem endgültigen Endpunkt zu standardisieren und Anreize für die Digitalisierung zu schaffen, damit die Berichterstattung automatisiert werden kann und hochwertige Textildaten nahezu in Echtzeit zur Verfügung stehen.

Die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Forschung und Entwicklung über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg
Insgesamt deuten die Ergebnisse des New Cotton Project darauf hin, dass Stoffe, die Infinna™-Fasern enthalten, eine nachhaltigere Alternative zu herkömmlichen Baumwoll- und Viskosegeweben darstellen, wobei sie ähnliche Leistungsmerkmale und ästhetische Qualitäten aufweisen. Dies könnte erhebliche Auswirkungen auf die Textilindustrie im Hinblick auf Nachhaltigkeit und umweltfreundlichere Produktionsverfahren haben. Das Projekt hat jedoch auch gezeigt, dass die Skalierung des Faser-zu-Faser-Recyclings weiterhin kontinuierliche Forschung und Entwicklung in der gesamten Wertschöpfungskette erfordert. So ist beispielsweise der Bedarf an Forschung und Entwicklung im Bereich der Sortiersysteme von entscheidender Bedeutung. Im Rahmen des chemischen Recyclings ist es ebenfalls erforderlich, eine hohe Rückgewinnungsrate und den Kreislauf der verwendeten Chemikalien sicherzustellen, um die Umweltauswirkungen des Prozesses zu begrenzen. Bei den Herstellungsprozessen wurde überdies hervorgehoben, dass eine kontinuierliche Innovation bei der Verarbeitungsmethode von Vorteil ist und dass Technologien und Marken eng mit den Herstellern zusammenarbeiten müssen, um die weitere Entwicklung in diesem Bereich zu unterstützen.

Über weniger umweltbelastende Fasern hinaus denken
Die von Dritten geprüfte Ökobilanz der Wertschöpfungskette des New Cotton Project zeigt, dass die Cellulosecarbamatfaser, insbesondere wenn sie mit einer erneuerbaren Stromquelle hergestellt wird, im Vergleich zu herkömmlicher Baumwolle und Viskose potenziell geringere Umweltauswirkungen aufweist. Es ist jedoch zu beachten, dass dieser Vergleich auf der Grundlage von durchschnittlichen globalen Datensätzen von Ecoinvent für Baumwoll- und Viskosefasern durchgeführt wurde und dass die Umweltleistung der auf dem Markt erhältlichen Primärfasern unterschiedlich ist. Die Analyse verdeutlicht jedoch auch, wie wichtig der Rest der Zuliefererkette für die Verringerung der Umweltauswirkungen ist. Die Ergebnisse zeigen, dass selbst bei einer Verringerung der Umweltauswirkungen durch die Verwendung von Recyclingfasern in anderen Phasen des Lebenszyklus noch einiges zu tun ist. So sind zum Beispiel die Qualität der Kleidungsstücke und ihre Nutzung während ihrer gesamten Lebensdauer entscheidend für die Verringerung der Umweltauswirkungen pro Kleidungsstück.
          
Einbeziehung der Verbraucher
Die EU hat die Kultur als eines der Haupthindernisse für die Einführung der Kreislaufwirtschaft in Europa identifiziert. Eine quantitative Verbraucherbefragung von adidas, die während des Projekts in drei wichtigen Märkten durchgeführt wurde, ergab, dass es immer noch Verwirrung über die Kreislaufwirtschaft bei Textilien gibt, was die Bedeutung einer effektiven Kommunikation mit den Verbrauchern und von Aktivitäten zur Einbindung der Öffentlichkeit verdeutlicht hat.
     
Einheitliche Rechtsvorschriften
Die Gesetzgebung ist ein wirksames Instrument, um die Einführung nachhaltigerer und kreislauforientierter Praktiken in der Textilindustrie voranzutreiben. Da allein in der EU mehrere neue Gesetzesvorhaben anstehen, ist ein kohärenter und harmonisierter Ansatz für die erfolgreiche Umsetzung der Politik in der Textilindustrie unerlässlich. Die Betrachtung des Zusammenhangs zwischen unterschiedlichen Rechtsvorschriften wie der erweiterten Herstellerverantwortung und der Verordnung über das Ökodesign für nachhaltige Produkte sowie der entsprechenden Umsetzungsfristen wird den Akteuren in der gesamten Wertschöpfungskette helfen, sich effektiv auf die Annahme dieser neuen Vorschriften vorzubereiten.

Die hohe und ständig wachsende Nachfrage nach recycelten Materialien setzt voraus, dass alle denkbaren End-of-Use-Textilien gesammelt und sortiert werden müssen. Um die Nachfrage zu befriedigen, werden sowohl mechanische als auch chemische Recyclinglösungen benötigt. Außerdem sollten wir beide Wege, den geschlossenen Kreislauf (Faser-zu-Faser) und den offenen Kreislauf (Faser zu anderen Sektoren), effektiv umsetzen. Der Export von minderwertigen wiederverwendbaren Textilien in Länder außerhalb der EU muss dringend überdacht werden. Es wäre vorteilhafter, sie in Europa wiederzuverwenden oder, wenn sie das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, diese Textilien im europäischen Binnenmarkt zu recyceln, anstatt sie in Länder zu exportieren, in denen die Nachfrage oft nicht gesichert und die Abfallwirtschaft unzureichend ist.

Insgesamt verdeutlichen die Erkenntnisse die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes und eines grundlegenden Umdenkens in den Arbeitsweisen der Textilindustrie. Eine vertiefte Zusammenarbeit und ein Wissensaustausch sind von zentraler Bedeutung für die Entwicklung effektiver Kreislauf-Wertschöpfungsketten, die dazu beitragen, die Skalierung innovativer Recyclingtechnologien zu unterstützen und die Verfügbarkeit von Recyclingfasern auf dem Markt zu erhöhen. Die Weiterentwicklung und Skalierung des Sammelns und Sortierens sowie die Behebung der erheblichen Lücken bei der Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Daten über die Textilströme sollten dringend Vorrang haben. Das New-Cotton-Projekt hat auch gezeigt, dass Recycling-Fasern wie Infinna™ eine nachhaltigere Alternative zu einigen anderen traditionellen Fasern darstellen, gleichzeitig aber auch verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Wertschöpfungskette als Ganzes zu betrachten, um die Umweltauswirkungen zu verringern. Kontinuierliche Forschung und Entwicklung über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass wir in Zukunft recycelte Textilien in großem Maßstab anbieten können.

Das New Cotton Project wurde mit Mitteln aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union unter der Finanzhilfevereinbarung Nr. 101000559 gefördert.

Quelle:

Fashion for Good

Foto: rottonara, Pixabay
29.01.2024

Naturalistische Seide aus künstlicher Spinndrüse gesponnen

Unter der Leitung von Keiji Numata ist es Wissenschaftlern des RIKEN Center for Sustainable Resource Science in Japan zusammen mit Kollegen des RIKEN Pioneering Research Cluster gelungen, ein Gerät zu entwickeln, das künstliche Spinnenseide spinnt, die der natürlichen Spinnenseide sehr ähnlich ist. Die künstliche Seidendrüse war in der Lage, die komplexe molekulare Struktur der Seide nachzubilden, indem sie die verschiedenen chemischen und physikalischen Veränderungen nachahmte, die in der Seidendrüse einer Spinne natürlich auftreten. Diese umweltfreundliche Innovation ist ein großer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und könnte für verschiedene Branchen relevant sein. Diese Studie wurde am 15. Januar in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Unter der Leitung von Keiji Numata ist es Wissenschaftlern des RIKEN Center for Sustainable Resource Science in Japan zusammen mit Kollegen des RIKEN Pioneering Research Cluster gelungen, ein Gerät zu entwickeln, das künstliche Spinnenseide spinnt, die der natürlichen Spinnenseide sehr ähnlich ist. Die künstliche Seidendrüse war in der Lage, die komplexe molekulare Struktur der Seide nachzubilden, indem sie die verschiedenen chemischen und physikalischen Veränderungen nachahmte, die in der Seidendrüse einer Spinne natürlich auftreten. Diese umweltfreundliche Innovation ist ein großer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und könnte für verschiedene Branchen relevant sein. Diese Studie wurde am 15. Januar in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Spinnenseide ist bekannt für ihre außergewöhnliche Stärke, Flexibilität und Leichtigkeit, vergleichbar mit Stahl desselben Durchmessers, aber mit einem unvergleichlichen Verhältnis von Stärke zu Gewicht. Darüber hinaus ist sie biokompatibel, d. h. sie kann in der Medizin eingesetzt werden, und biologisch abbaubar. Warum wird dann nicht alles aus Spinnenseide hergestellt? Die Gewinnung von Spinnenseide in großem Maßstab hat sich aus verschiedenen Gründen als unpraktisch erwiesen, so dass Wissenschaftler ein Verfahren entwickeln mussten, um sie im Labor herzustellen.

Spinnenseide ist eine Biopolymerfaser, die aus großen Proteinen mit sich stark wiederholenden Sequenzen, den sogenannten Spidroinen, besteht. In den Seidenfasern befinden sich molekulare Unterstrukturen, die so genannten β-Faltblätter, die richtig ausgerichtet sein müssen, damit die Seidenfasern ihre einzigartigen mechanischen Eigenschaften erhalten. Die Wiederherstellung dieser komplexen molekularen Struktur hat die Wissenschaftler jahrelang vor ein Rätsel gestellt. Anstatt zu versuchen, den Prozess von Grund auf neu zu entwickeln, wählten die RIKEN-Wissenschaftler den Ansatz der Biomimikry. Numata erklärt: „In dieser Studie haben wir versucht, die natürliche Spinnenseidenproduktion mit Hilfe der Mikrofluidik zu imitieren, bei der kleine Mengen von Flüssigkeiten durch enge Kanäle fließen und manipuliert werden. Man könnte sogar sagen, dass die Seidendrüse der Spinne als eine Art natürliches mikrofluidisches Gerät funktioniert.“

Das von den Wissenschaftlern entwickelte Gerät sieht aus wie ein kleiner rechteckiger Kasten, in den winzige Kanäle eingearbeitet sind. Die Spidroin-Vorläuferlösung wird an einem Ende platziert und dann mit Hilfe von Unterdruck zum anderen Ende gezogen. Während die Spidroine durch die mikrofluidischen Kanäle fließen, sind sie präzisen Veränderungen der chemischen und physikalischen Umgebung ausgesetzt, die durch das Design des mikrofluidischen Systems ermöglicht werden. Unter den richtigen Bedingungen bauten sich die Proteine selbst zu Seidenfasern mit ihrer charakteristischen komplexen Struktur auf.

Um die richtigen Bedingungen zu finden, experimentierten die Wissenschaftler und konnten schließlich die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Bereichen des mikrofluidischen Systems optimieren. Unter anderem entdeckten sie, dass es nicht funktionierte, die Proteine mit Kraft durchzudrücken. Nur wenn sie Unterdruck einsetzten, um das Spidroin so zu ziehen, dass es sich auflöst, konnten kontinuierliche Seidenfasern mit der korrekten Ausrichtung der β-Faltblätter entstehen.

„Es war überraschend, wie robust das mikrofluidische System war, sobald die verschiedenen Bedingungen festgelegt und optimiert waren“, sagt der leitende Wissenschaftler Ali Malay, einer der Koautoren der Studie. „Der Aufbau der Fasern erfolgte spontan, extrem schnell und in hohem Maße reproduzierbar. Wichtig ist, dass die Fasern die ausgeprägte hierarchische Struktur aufwiesen, die in natürlichen Seidenfasern zu finden ist.“

Die künstliche Herstellung von Seidenfasern mit dieser Methode könnte zahlreiche Vorteile mit sich bringen. Sie könnte nicht nur dazu beitragen, die negativen Auswirkungen der derzeitigen Textilherstellung auf die Umwelt zu verringern, sondern die biologisch abbaubare und biokompatible Beschaffenheit der Spinnenseide macht sie ideal für biomedizinische Anwendungen wie Nahtmaterial und künstliche Bänder.

„Im Idealfall wollen wir eine Wirkung in der realen Welt erzielen“, sagt Numata. „Um dies zu erreichen, müssen wir unsere Faserproduktionsmethode skalieren und zu einem kontinuierlichen Prozess machen. Außerdem werden wir die Qualität unserer künstlichen Spinnenseide anhand verschiedener Metriken bewerten und auf dieser Grundlage weitere Verbesserungen vornehmen.“

Quelle:

RIKEN Center for Sustainable Resource Science, Japan

JUMBO-Textil Produktion © JUMBO-Textil GmbH & Co. KG
28.11.2023

Interview JUMBO-Textil: „Führung heißt bei uns Teamentwicklung.“

JUMBO-Textil steht mit seinen hochwertigen technischen Schmaltextilien für Hightech – egal ob gewebt, geflochten oder gewirkt. Als Elastic-Spezialist und Lösungspartner entwickelt und produziert das Unternehmen individuelle Innovationen für Kunden weltweit. Das 70 Personen umfassende starke Team muss so vielfältig und flexibel sein wie die Produkte, die es konzipiert. Textination sprach mit dem  Wirtschaftsingenieur Carl Mrusek über die aktuellen Herausforderungen für Familienunternehmen. Carl Mrusek, seit einem knappen Jahr Chief Sales Officer (CSO) in der Textation Group GmbH & Co KG, zu der JUMBO-Textil gehört, verantwortet neben anderen Aufgabenbereichen auch die strategische Unternehmensentwicklung.

 

JUMBO-Textil steht mit seinen hochwertigen technischen Schmaltextilien für Hightech – egal ob gewebt, geflochten oder gewirkt. Als Elastic-Spezialist und Lösungspartner entwickelt und produziert das Unternehmen individuelle Innovationen für Kunden weltweit. Das 70 Personen umfassende starke Team muss so vielfältig und flexibel sein wie die Produkte, die es konzipiert. Textination sprach mit dem  Wirtschaftsingenieur Carl Mrusek über die aktuellen Herausforderungen für Familienunternehmen. Carl Mrusek, seit einem knappen Jahr Chief Sales Officer (CSO) in der Textation Group GmbH & Co KG, zu der JUMBO-Textil gehört, verantwortet neben anderen Aufgabenbereichen auch die strategische Unternehmensentwicklung.

 

„In einem Familienunternehmen sind Traditionen das Fundament, Innovationen der Weg nach vorne“, sagt man. Das Image familiengeführter Unternehmen hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt – altmodische Wertvorstellungen und überholte Wirtschaftskonzepte sind einer starken Firmenkultur, hohem regionalen Verantwortungsgefühl und nachhaltigem Planen gewichen. Wie verknüpft JUMBO-Textil seine Unternehmenswerte und Traditionen mit einem zeitgemäßen Führungsstil?

Carl Mrusek: Als Familienunternehmen besteht eine enge Bindung der Mitarbeiter*innen an das Unternehmen und umgekehrt, die Kontinuität der menschlichen Beziehungen ist wichtig und wertvoll. Bei JUMBO-Textil hat darüber hinaus vor allem eines Tradition: zeitgemäße Unternehmensführung, und zwar sowohl technisch und fachlich als auch mit Blick auf Führungsstil und Werte. Denn gerade in einem Familienunternehmen, das ja oft über Jahrzehnte von derselben Person geführt wird, ist es entscheidend, Unternehmenswerte und Führungsstil zu hinterfragen und Wandel zu fördern. Ein Unternehmen, das seit bald 115 Jahren international erfolgreich agiert, muss anpassungsfähig sein. Auf Veränderungen schnell zu reagieren, sie sogar vorauszusehen und entsprechend voranzugehen, das ist für uns Kern klugen wirtschaftlichen Handelns. Die Spezialisierung hin zu Elastics in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts ist ein Beispiel für die vorausschauende Veränderungskraft, aber auch die strategisch wichtige Hinwendung zu technischen Textilien in den 70er-Jahren. Aus der jüngsten Zeit ließe sich das Zusammengehen mit der vombaur GmbH & Co. KG unter das Dach der Textation Group nennen.

Das Wichtigste in jedem Unternehmen sind seine Mitarbeiter*innen. Mit überkommenen Traditionen und Arbeitsweisen würden wir sie nicht gewinnen und halten können. Bei uns steht nicht die Unternehmensleitung im Zentrum, sondern der gemeinsame Erfolg, und der ist in einer komplexen Welt in der Regel das Ergebnis einer gelungenen Zusammenarbeit und nicht einer Ansage des Chefs. Führung heißt – klar – strategische Ziele setzen und verfolgen, heißt heute aber auch: Teamentwicklung. Die besten Menschen zu finden, zusammenzubringen und für das Ziel zu motivieren.

 

Team-Gedanke und Leitbild-Entwicklung: Wie gelingt Ihnen das bei JUMBO-Textil? 

Carl Mrusek: Im Team! JUMBO-Textil hat seine Führungsebene gezielt verbreitert. Neben dem Geschäftsführer, unserem CEO Andreas Kielholz, arbeiten hier der Chief Operational Officer Patrick Kielholz, der Chief Financial Officer Ralph Cammerath, der Chief Technology Officer Dr. Sven Schöfer und ich selbst als Chief Sales Officer. Das zeigt, dass wir vom Kooperationsgedanken überzeugt sind: Auch an der Unternehmensentwicklung und in strategischen Fragen arbeiten wir gemeinsam. Genauso in den einzelnen Teams – in organisatorischen Fachteams oder in interdisziplinären Projektteams. Die Aufgaben, für die wir zuständig sind, mögen unterschiedlich sein, aber jede ist gleich wichtig.

 

Deshalb auch starten Sie die Vorstellung der Ansprechpartner*innen auf Ihrer Website mit dem Junior Sales Manager? Und die Vertreter der C-Ebene stehen am Ende?

Carl Mrusek: Ja. Alle JUMBO-Textil-Köpfe sind für uns der Kopf des Unternehmens. Alle JUMBO-Textil-Gesichter repräsentieren das Unternehmen. Das spiegelt sich auch an der Reihenfolge der Ansprechpartner*innen auf der Website wider. Die Besucher*innen sollen hier schnell die Person finden, die ihnen weiterhelfen kann, und nicht erfahren, wer das Unternehmen leitet. Dafür gibt es das Impressum. (lacht)

 

Wie sehen das Leitbild von JUMBO-Textil und seine Vision für die Zukunft aus, und was muss sich verändern, um die Vision zu erreichen?

Carl Mrusek: Wir arbeiten aktuell an der strategischen Ausrichtung der Textation Group, zu der die JUMBO-Textil GmbH & Co. KG sowie die vombaur GmbH & Co. KG gehören. In diesem Zusammenhang haben wir die Unternehmensvision und -mission der Gruppe erarbeitet und unser Leitbild aktualisiert. Dies dient als Fundament für die Strategieentwicklung und gelingt nur dann nachhaltig, wenn Mitarbeiter*innen über Umfragen und Workshops in diesem Prozess eingebunden sind. Ich möchte noch nicht zu viel verraten, aber so viel steht bereits: Starke Teams, die richtigen Personen am richtigen Platz, Verantwortungsübernahme auf allen Ebenen, Nachhaltigkeit als Grundlage für Innovation – das werden die vier Eckpfeiler sein. Daran lässt sich bereits ablesen: Um unsere Vision zu erreichen, können wir nicht einen Schalter umlegen. Wir müssen stets veränderungsfreudig bleiben, immer wieder neu – von der Produktentwicklung bis zur Personalgewinnung. Aber das hat bei uns ja wie gesagt Tradition.

 

JUMBO-Textil ist kein Branchenspezialist, sondern bündelt Kompetenzen für anspruchsvolle Hightech-Schmaltextilien. Wer hat bei herausfordernden Kundenprojekten das Sagen – entscheiden Sie im Team oder eher top-down, wo ist die Verantwortung für einen Auftrag angesiedelt?

Carl Mrusek: Wir entscheiden im Team darüber, welche Projekte wir realisieren bzw. mit welcher Priorisierung sie angegangen werden. Dabei gibt die Unternehmensstrategie die „Stoßrichtung“ vor. Neben der vertrieblichen spielt auch die entwicklungsseitige Betrachtung von neuen Projekten eine entscheidende Rolle. Ich stimme mich deshalb intensiv mit Dr. Sven Schöfer (CTO) und seinem Team ab, da hier die technische Entwicklung und Umsetzung unserer Produkte im Fokus steht. Die Projektbearbeitung ist final immer eine Teamleistung von Vertrieb und Entwicklung in enger Zusammenarbeit mit der Produktion.

 

Zwischen übertariflichen Vergütungen, einer 4-Tage-Woche und der vielbeschworenen Work-Life-Balance – in der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt sind eher die Unternehmen in der Bewerbersituation als umgekehrt. Was tun Sie, um als Arbeitgeber für neue Kollegen und Kolleginnen attraktiv zu bleiben? Und wie halten Sie die Einsatzfreude Ihrer Fachkräfte auf gleichbleibend hohem Niveau?

Carl Mrusek: Ein wichtiger Ansatz bei uns ist die Ausbildung. Junge Menschen auszubilden und ihnen während der Ausbildung zu beweisen: JUMBO-Textil ist dein Place-to-be. Wir beginnen also bereits durch unsere Schulbesuche und Schulpraktika mit der Fachkräftegewinnung. Als hochmodernes Unternehmen bieten wir ein attraktives Gehaltsniveau und ein angenehmes und gesundes Arbeitsumfeld.

Bewerber*innen möchten heute darüber hinaus oft auch ihre Arbeitsform und ihre Arbeitszeiten individuell und flexibel gestalten, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Mit modernen Arbeitsmodellen und dank unserer laufenden Digitalisierungsfortschritte unterstützen wir sie dabei, wo immer es möglich ist. Außerdem möchten die Menschen für ein Unternehmen arbeiten, mit dem sie sich identifizieren können. Umwelt- und Klimaschutz sind unseren Mitarbeiter*innen und Bewerber*innen ebenso wichtig wie Sozialstandards in unserer Lieferkette. Dass wir uns mit unserer Nachhaltigkeitsstrategie ehrgeizige Ziele gesetzt haben und sie mit fest terminierten Schritten konsequent verfolgen – unsere klimaneutrale Energiegewinnung ist ein konkretes bereits realisiertes Beispiel –, dass wir unsere Geschäftspartner mit Nachdruck dazu aktivieren, die Menschen- und Arbeitnehmerrechte zu beachten und uns zum Code of Conduct der deutschen Textil- und Modeindustrie bekennen, all das hilft uns deshalb auch bei der Personalgewinnung.

 

Was größere, kapitalintensivere Unternehmen teilweise durch Finanzmittel wettmachen können, muss der Mittelstand – insbesondere in Krisensituationen – durch Agilität und Anpassungsfähigkeit stemmen. Inwiefern spiegeln sich diese Anforderungen auch in Ihrer Organisationsstruktur und dem Anforderungsprofil für Beschäftigte wider?

Carl Mrusek: Genau, das ist der Vorteil, den Familienunternehmen gegenüber großen Konzernen mitbringen und ausspielen können: Wir können schnell entscheiden und wenn nötig tagesaktuell reagieren. Die Hierarchien sind flach, Abstimmungsprozesse kurz. Ein spannender Vorschlag muss nicht erst durch Agenturen schick aufbereitet und über etliche Ebenen abgestimmt werden, bis er durch die Geschäftsführung abgesegnet ist und umgesetzt werden kann. Das Okay kann auch sofort beim Mittagessen kommen: „Super Idee, das machen wir.“ In einem Konzern scheitert das schon daran, dass nur die wenigsten Mitarbeiter*innen die Chance haben, mit der Geschäftsleitung an einem Tisch zu Mittag zu essen. – Wobei wir dabei nur im Ausnahmefall über das Geschäft sprechen. Meistens dreht es sich in der Pause um Familie, Wetter, Sport- und Freizeitpläne, Mittagsthemen eben. – Wir brauchen dafür verantwortungsvolle und veränderungsbereite Teamplayer. Menschen, die auf Augenhöhe mit anderen zusammenarbeiten, sich mit Schwung und Kompetenz für das Unternehmen und seine Ziele einsetzen und Lust auf Neues haben.

 

Um aktuelle und potenzielle Mitarbeitende begeistern zu können, braucht es inzwischen deutlich mehr als Obstkorb und Fitnessstudio. Sinnstiftend zu arbeiten, sich an einer klimafreundlichen Transformation zu beteiligen, ist vielen Menschen besonders wichtig. Was macht JUMBO-Textil konkret, um SDGs nicht nur in einem Statement zu zitieren, sondern im Unternehmensalltag zu leben?

Carl Mrusek: Wir haben uns ein konkretes Klima-Ziel gesetzt: Bis 2035 arbeiten wir in unserer Zentrale in Verwaltung und Produktion klimaneutral. Realistische Schritte wurden hierfür definiert. Ein wichtiges Zwischenziel haben wir schon erreicht: In unserer Zentrale in Sprockhövel nutzen wir ausschließlich Öko-Strom aus Sonne, Wind und Wasser. Die noch unvermeidlichen Emissionen für unsere Wärmegewinnung gleichen wir mit CO2-Kompensationsleistungen aus. Außerdem entwickeln wir immer mehr Produkte aus recyclebaren und recycelten Materialien. Unsere Fahrzeugflotte wird aktuell auf rein elektrisch bzw. hybrid angetriebene Modelle umgestellt.

 

Diversifikation und Internationalisierung sind heutzutage Bestandteil jeder Unternehmensstrategie. Doch was bedeuten diese Begriffe für den Führungsstil eines Mittelständlers in Sprockhövel? Bauen Sie bewusst interdisziplinäre internationale Teams auf?

Carl Mrusek: Wir leben in einer hyperdiversen Gesellschaft. Das bildet sich auch in unserem Unternehmen ab. Unsere Teams setzen sich, ganz ohne dass wir das steuern müssten, aus Menschen mit unterschiedlichen internationalen Hintergründen zusammen. Auch die Altersstruktur ist inzwischen sehr durchmischt. Die unterschiedlichen Perspektiven sehen wir als Gewinn, als Chance und Erfolgsfaktor. Wir – und das bedeutet letztlich unsere Kunden und deren Projekte – profitieren von der Vielzahl der Blickwinkel, die in unsere Lösungen einfließen. Der Frauenanteil ist – wie bei vielen Unternehmen im Bereich technischer Textilien – in manchen Teams noch etwas unausgewogen. Doch er steigt erfreulicherweise kontinuierlich an.

 

Generationenwechsel und Nachfolgeplanung sind Kernthemen familiengeführter Unternehmen. Wie wichtig ist JUMBO-Textil die Professionalisierung seiner Führungsriege, und inwiefern ist das Unternehmen offen für externe Fachkräfte und Manager?

Carl Mrusek: Ein Unternehmen, das sich externen Fach- und Führungskräften gegenüber verschließt, verschließt sich damit auch eine Tür zum Erfolg. Das wäre töricht. Die enge Bindung, persönliche Kontinuität und Flexibilität eines familiengeführten Unternehmens, die Leidenschaft und Innovationslust eines Start-ups und die Solidität und Finanzkraft eines Konzerns – all das versuchen wir bei JUMBO-Textil zu verbinden und auszubalancieren. Mit Patrick Kielholz als COO ist die nächste Generation der Familie in der Führungsebene ebenso vertreten wie der externe Blick und die Vielfalt der Perspektiven durch die weiteren neuen Mitglieder im C-Level. Die Textation Group, zu der mit Kevin Kielholz auch der Bruder von Patrick Kielholz gehört, stützt das Unternehmen und ermöglicht es, größer zu denken und zu agieren, als mittelständische Familienunternehmen es sonst oft tun. JUMBO-Textil ist Elastic-Spezialist. Und was unser Produkt auszeichnet, das zeichnet uns auch als Organisation aus. Wir umspannen die Vorteile des Familienunternehmens ebenso wie die des Start-ups und des Konzerns. Wenn ich das Bild der Elastizität hier nutzen darf und es nicht überstrapaziere. (lacht)

offshore windpark Nicholas Doherty, unsplash
17.10.2023

Recyclinglösung für Faserverbundwerkstoffe durch Pyrolyse

Nach 20 bis 30 Jahre haben Windenergieanlagen ihre Lebensdauer erreicht. Anschließend werden sie abgebaut und dem Recyclingverfahren zugeführt. Allerdings ist das Recycling der Faserverbundwerkstoffe, insbesondere aus dickwandigen Rotorblattteilen, bislang unzureichend. Stand der Technik ist die thermische oder mechanische Verwertung. Für einen nachhaltigen und ganzheitlichen Recyclingprozess bündelt ein Forschungskonsortium unter der Leitung des Fraunhofer IFAM ihr Know-how, um die eingesetzten Fasern durch Pyrolyse zurückzugewinnen. Eine anschließende Oberflächenbehandlung und Qualitätsprüfung der Rezyklate ermöglichen die erneute industrielle Anwendung.

Nach 20 bis 30 Jahre haben Windenergieanlagen ihre Lebensdauer erreicht. Anschließend werden sie abgebaut und dem Recyclingverfahren zugeführt. Allerdings ist das Recycling der Faserverbundwerkstoffe, insbesondere aus dickwandigen Rotorblattteilen, bislang unzureichend. Stand der Technik ist die thermische oder mechanische Verwertung. Für einen nachhaltigen und ganzheitlichen Recyclingprozess bündelt ein Forschungskonsortium unter der Leitung des Fraunhofer IFAM ihr Know-how, um die eingesetzten Fasern durch Pyrolyse zurückzugewinnen. Eine anschließende Oberflächenbehandlung und Qualitätsprüfung der Rezyklate ermöglichen die erneute industrielle Anwendung.

Windenergieanlagen lassen sich bereits heute zu sehr großen Teilen sauber recyceln. Bei den Rotorblättern steht das Recycling jedoch erst am Anfang. Aufgrund der Nutzungsdauer von ca. 20 Jahren sind in den kommenden Jahren und Jahrzehnten steigende Rotorblattmengen zu erwarten, die einer möglichst hochwertigen Verwertung zugeführt werden müssen. Im Jahr 2000 wurden beispielsweise ca. 6.000 Windenergieanlagen in Deutschland errichtet, die jetzt einem nachhaltigen Recyclingverfahren zugeführt werden müssen. Insgesamt waren im Jahr 2022 allein in Deutschland etwa 30.000 Windenergieanlagen an Land und auf See mit einer Leistung von 65 Gigawatt im Einsatz. [1]

Da die Windenergie die wichtigste Säule für eine klimaneutrale Stromversorgung ist, hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, den Ausbau bis 2030 mit größeren und moderneren Anlagen weiter zu steigern. Die Offshore-Rotorblätter werden länger, der Anteil an eingesetzten Kohlenstofffasern wird weiter steigen – und somit auch die Abfallmengen. Zudem ist für die Zukunft zu erwarten, dass der bestehende Materialmix in den Rotorblättern zunimmt und zum Recycling genaue Kenntnisse über den Aufbau der Komponenten noch wichtiger werden. Dies unterstreicht die Dringlichkeit, insbesondere für das Recycling der dickwandigen Faserverbundwerkstoffe in den Rotorblättern, nachhaltige Aufbereitungsverfahren zu entwickeln.

 
Ökonomische und ökologische Recyclinglösung für Faserverbundwerkstoffe in Sicht
Rotorblätter der jetzt zum Recycling anstehenden Windenergieanlagen setzen sich mit über 85 Gewichtsprozent aus glas- und kohlefaserverstärkten Duroplasten (GFK/CFK) zusammen. Ein großer Anteil dieser Materialien befindet sich im Flansch- und Wurzelbereich sowie innerhalb der faserverstärkten Gurte als dickwandige Laminate mit Wandstärken von bis zu 150 mm. Die Erforschung des hochwertigen stofflichen Faserrecyclings als Endlosfaser ist nicht zuletzt wegen des Energiebedarfs zur Kohlenstofffaserproduktion von besonderer Bedeutung. Hier setzt das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Projekt »Pyrolyse dickwandiger Faserverbundwerkstoffe als Schlüsselinnovation im Recyclingprozess für Rotorblätter von Windenergieanlagen« – kurz »RE SORT« – an. Ziel des Projektteams ist das vollständige Recycling mittels Pyrolyse.

Voraussetzung für eine hochwertige Verwertung der Faserverbundwerkstoffe ist die Trennung der Fasern von der zumeist duroplastischen Matrix. Die Pyrolyse ist für diesen Prozess zwar ein geeignetes Verfahren, konnte sich aber bislang nicht durchsetzen. Innerhalb des Projekts untersuchen und entwickeln die Projektpartner daher Pyrolysetechnologien, die das Recycling von dickwandigen Faserverbundstrukturen wirtschaftlich ermöglichen und sich von den heute üblichen Verwertungsverfahren für Faserverbundwerkstoffe technisch unterscheiden. Dabei werden sowohl eine quasikontinuierliche Batch- als auch die Mikrowellen-Pyrolyse betrachtet.

Bei der Batch-Pyrolyse, die innerhalb des Vorhabens entwickelt wird, handelt es sich um einen Pyrolyseprozess, in dem die duroplastische Matrix dicker Faserverbundbauteile durch externe Erhitzung in ölige und vor allem gasförmige Kohlenwasserstoffverbindungen langsam zersetzt wird. Bei der Mikrowellenpyrolyse erfolgt die Energiezufuhr durch die Absorption von Mikrowellenstrahlung, sodass es zu einer inneren schnellen Wärmeentwicklung kommt. Die quasikontinuierliche Batch-Pyrolyse als auch die Mikrowellenpyrolyse erlauben die Abscheidung von Pyrolysegasen bzw. – ölen. Die geplante Durchlauf-Mikrowellenpyrolyse ermöglicht zudem den Erhalt und die Wiederverwendung der Fasern in ihrer gesamten Länge.

 
Wie die Kreislaufwirtschaft gelingt – ganzheitliche Verwertung der gewonnenen Recyclingprodukte
In einem nächsten Schritt werden die Oberflächen der zurückgewonnenen Rezyklatfasern mittels atmosphärischer Plasmen und nasschemischer Beschichtungen aufbereitet, um einer erneuten industriellen Anwendung zugeführt werden zu können. Anhand von Festigkeitsuntersuchungen lässt sich schließlich entscheiden, ob die Rezyklatfasern erneut in der Windenergie oder beispielsweise im Automobilbau oder im Sportartikelbereich Einsatz finden.

Die in der Batch- und Mikrowellenpyrolyse gewonnenen Pyrolyseöle und Pyrolysegase werden bezüglich der Nutzbarkeit als Rohstoff für die Polymersynthese (Pyrolyseöle) oder als Energiequelle zur energetischen Nutzung in Blockheizkraftwerken (BHKW) (Pyrolysegase) bewertet.

Sowohl die quasikontinuierliche Batch-Pyrolyse als auch die Durchlauf-Mikrowellenpyrolyse versprechen einen wirtschaftlichen Betrieb und eine maßgebliche Verringerung des ökologischen Fußabdrucks bei der Entsorgung von Windenergieanlagen. Daher stehen die Chancen für eine technische Umsetzung und Verwertung der Projektergebnisse sehr gut, sodass mit diesem Projekt ein entscheidender Beitrag zum Erreichen der Nachhaltigkeits- und Klimaziele der Bundesregierung geleistet werden kann.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM

TiHive gewinnt RISE® Innovationspreis für seine SAPMonit Technologie Foto INDA
03.10.2023

TiHive gewinnt RISE® Innovationspreis für SAPMonit Technologie

Auf der RISE®-Konferenz (Research, Innovation & Science for Engineered Fabrics) am 26. und 27. September in Raleigh, NC, trafen sich Führungskräfte aus der Wirtschaft, Produktentwickler und Technologie-Scouts, um zwei Tage lang wertvolle Einblicke in Materialwissenschaft, Prozess- und Nachhaltigkeitsinnovationen zu erhalten. Die RISE wird gemeinsam von der INDA und dem Nonwovens Institute der North Carolina State University organisiert.

Experten aus Industrie, Hochschulen und Behörden tauschten ihr Fachwissen zu folgenden Schlüsselbereichen aus:

Auf der RISE®-Konferenz (Research, Innovation & Science for Engineered Fabrics) am 26. und 27. September in Raleigh, NC, trafen sich Führungskräfte aus der Wirtschaft, Produktentwickler und Technologie-Scouts, um zwei Tage lang wertvolle Einblicke in Materialwissenschaft, Prozess- und Nachhaltigkeitsinnovationen zu erhalten. Die RISE wird gemeinsam von der INDA und dem Nonwovens Institute der North Carolina State University organisiert.

Experten aus Industrie, Hochschulen und Behörden tauschten ihr Fachwissen zu folgenden Schlüsselbereichen aus:

  • Die Zukunft der Vliesstoffherstellung
  • Praktische Anwendungen und Fortschritte bei Filtermedien
  • rPolymere und Nachhaltigkeit
  • Innovative Strategien und Kreislauflösungen
  • Fortschritte bei nachhaltigen Vliesstoffanwendungen
  • Marktstatistiken und Datentrends

Ein Highlight war eine Posterpräsentation der grundlegenden Vliesstoff-Forschung durch die Studenten des Nonwovens Institute. Als zusätzliches Angebot offerierte das Nonwovens Institute den RISE-Teilnehmern eine Führung durch seine weltweit anerkannten Einrichtungen auf dem Centennial Campus der North Carolina State University, die über die umfangreichste Ausstattung im Labor- und Pilotmaßstab verfügen, einschließlich aller Vliesstoffplattformen und Testtechnologien.

Gewinner des RISE®-Innovationspreises
TiHive hat den RISE Innovation Award 2023 für seine SAPMonit-Technologie gewonnen. Die Innovation von TiHive, SAPMonit - ein technologischer Durchbruch - prüft wöchentlich Millionen von Windeln. SAPMonit ermöglicht eine blitzschnelle Inline-Inspektion von Gewicht und Verteilung der Superabsorber, optimiert die Ressourcen, erkennt Fehler und beschleunigt Forschung und Entwicklung. SAPMonit nutzt fortschrittliche, intelligente Kameras, Hochgeschwindigkeits-Vision-Algorithmen und eine sichere Cloud-Integration und revolutioniert damit die Industrienormen. SAPMonit hat ein großes Potenzial für Nachhaltigkeit, Kostensenkung und verbesserte Kundenzufriedenheit, da pro Maschine Hunderte von Tonnen Kunststoffabfall pro Jahr vermieden werden.

Zu den Finalisten des RISE Innovation Award gehörten Curt. G. Joa, Inc. für ihren ESC-8 - The JOA® Electronic Size Change, Fiberpartner Aps für ihre BicoBio Fiber und Reifenhäuser REICOFIL GmbH & Co. KG für ihr Reifenhäuser Reicofil RF5 XHL.  Zusammen haben die Innovationen dieser Finalisten das Potenzial, den Kunststoffabfall um Millionen von Kilogramm zu reduzieren.

DiaperRecycle erhielt den RISE® Innovation Award 2022 für seine innovative Technologie zur Wiederverwertung gebrauchter Windeln zu saugfähigem und spülbarem Katzenstreu. Durch die Rücknahme gebrauchter Windeln aus Haushalten und Einrichtungen und die Trennung von Plastik und Fasern ist DiaperRecycle in der Lage, die klimaschädlichen Emissionen von Windeln aus Mülldeponien zu verringern.

2023 INDA Lifetime Technical Achievement Award
Ed Thomas, Präsident von Nonwoven Technology Associates, LLC, erhielt den INDA Lifetime Technical Achievement Award 2023 für seine jahrzehntelangen Beiträge zum Wachstum und Erfolg der Vliesstoffindustrie.

RISE 2024 findet vom 1. bis 2. Oktober 2024 in der James B. Hunt Jr. Library der North Carolina State University in Raleigh, NC, statt.

Weitere Informationen:
INDA RISE® Vliesstoffe
Quelle:

INDA

Carbon U Profil (c) vombaur GmbH & Co. KG
19.09.2023

„Ein Raumschiff wird ja nicht von der Stange gefertigt.“

vombaur-Pioniere für Spezialtextilien im Interview
Technische Schmaltextilien, Speziallösungen, mittelständischer Textilproduzent und Entwicklungspartner für Filtration Textiles, Composite Textiles und Industrial Textiles: vombaur. Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Energiepreise, Pionierarbeit und ungebrochene Begeisterung – Textination sprach mit zwei leidenschaftlichen Textilern: Carl Mrusek, Chief Sales Officer (CSO), und Johannes Kauschinger, Sales Manager für Composites und Industrietextilien, in der vombaur GmbH, die wie JUMBO-Textil zur Textation Group gehört.
 

vombaur-Pioniere für Spezialtextilien im Interview
Technische Schmaltextilien, Speziallösungen, mittelständischer Textilproduzent und Entwicklungspartner für Filtration Textiles, Composite Textiles und Industrial Textiles: vombaur. Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Energiepreise, Pionierarbeit und ungebrochene Begeisterung – Textination sprach mit zwei leidenschaftlichen Textilern: Carl Mrusek, Chief Sales Officer (CSO), und Johannes Kauschinger, Sales Manager für Composites und Industrietextilien, in der vombaur GmbH, die wie JUMBO-Textil zur Textation Group gehört.
 
Wer auf Ihre Geschichte und damit bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurückschaut, sieht eine Bändermanufaktur und ab 1855 eine Fabrikation von Seiden- und Hutbändern. Heute produzieren Sie Filtra¬tionstextilien, Industrietextilien und Textilien für Verbundstoffe. Zwar fertigen Sie auch heute noch Schmaltextilien, aber das Motto „Transformation als Chance“ scheint bei vombaur gelebte Realität.
 
Carl Mrusek, Chief Sales Officer: Ja, vombaur hat sich in seiner fast 220-jährigen Unternehmensgeschichte einige Male verwandelt. Dabei ist sich das Unternehmen als Schmaltextiler immer treu geblieben. Das zeugt von der Veränderungsbereitschaft bei den Menschen im Unternehmen und von ihrer Neugier. Erfolgreiche Transformation ist eine gemeinsame Entwicklung, es liegt eine Chance in der Veränderung. Das hat vombaur in den vergangenen fast 220 Jahren schon häufig bewiesen: Wir haben unsere Produkt-Portfolio an neue Zeiten angepasst, wir haben neue Fabrikgebäude und neue Maschinenparks errichtet, haben neue Materialien eingeführt und neue Technologien entwickelt, wir sind neue Partnerschaften – wie zuletzt als Teil der Textation Group – eingegangen. Aktuell planen wir unsere neue Zentrale. Wir erfinden uns damit nicht neu, aber eine Art Transformationsprozess werden wir auch mit dem Umzug in die brandneuen, klimagerechten Hightech-Räume durchlaufen.

 

Können Sie die Herausforderungen dieses Transformationsprozesses beschreiben?
 
Johannes Kauschinger, Sales Manager für Composites und Industrietextilien: Eine Transformation vollzieht sich in der Regel technisch, fachlich, organisatorisch und nicht zuletzt – vielleicht sogar zuallererst – kulturell. Die technischen Herausforderungen liegen auf der Hand. Um die neuen Technologien zu managen und zu nutzen, braucht es zweitens entsprechendes Fachwissen im Unternehmen. Jede Transformation bringt drittens neue Prozesse mit sich, Teams und Abläufe müssen angepasst werden. Und schließlich verändert sich viertens auch die Unternehmenskultur. Technik, kann man sich beschaffen, Fachwissen erwerben, die Organisation anpassen. Zeit dagegen können wir nicht kaufen. Die größte Herausforderung sehe ich deshalb darin, die personellen Ressourcen bereitzustellen: Damit wir die Transformation aktiv gestalten und nicht durch die Entwicklung getrieben werden, brauchen wir ausreichend Fachkräfte.

 

Beim Besuch Ihrer Website fällt sofort der Claim „pioneering tech tex“ ins Auge. Weshalb sehen Sie Ihr Unternehmen als Pionier, und worin bestehen die bahnbrechenden oder wegbereitenden Innovationen von vombaur?

Carl Mrusek: Wir sind mit unserem einzigartigen Maschinenpark Pionier*innen für nahtlos rundgewebte Textilien. Und als Entwicklungspartner betreten wir mit jedem Auftrag ein kleines Stück weit Neuland. Wir nehmen immer neue projektspezifische Veränderungen vor: an den Endprodukten, an den Produkteigenschaften, an den Maschinen. Dass wir für ein spezielles nahtlos gewebtes Formtextil eine Webmaschine anpassen, bisweilen auch ganz neu entwickeln, kommt regelmäßig vor.
 
Mit unserem jungen, erstklassigen und wachsenden Team für Development and Innovation um Dr. Sven Schöfer, lösen wir unseren Anspruch „pioneering tech tex“ immer wieder ein, indem wir mit und für unsere Kunden spezielle textile Hightech-Lösungen entwickeln. Parallel erkunden wir aktiv neue Möglichkeiten. Zuletzt mit nachhaltigen Materialien für den Leichtbau und Forschungen zu neuartigen Sonderfiltrationslösungen etwa zur Filtration von Mikroplastik. Für dieses Team ist im Neubau ein hochmodernes textiltechnisches Labor vorgesehen.

 

Die Entwicklung der technischen Textilien in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Mit Massenware können wir global betrachtet nur noch in Ausnahmefällen reüssieren. Wie schätzen Sie die Bedeutung technischer Textilien made in Germany für den Erfolg anderer, insbesondere hoch technologisierter Branchen ein?

Carl Mrusek: Wir sehen die Zukunft der Industrie in Europa in individuell entwickelten Hightech-Produkten. vombaur steht gerade für hochwertige, zuverlässige und langlebige Produkte und Spezialanfertigungen. Und gerade das – passgenau Produkte, statt Überschuss- und Wegwerfware – ist die Zukunft für nachhaltige Wirtschaft insgesamt.

 

Welchen Anteil hat das Projektgeschäft an Ihrer Produktion gegenüber einem Standardsortiment, und inwiefern fühlen Sie sich noch mit der Bezeichnung „Textilproduzent“ wohl?

Johannes Kauschinger: Unser Anteil an Speziallösungen liegt bei nahezu 90 Prozent. Wir entwickeln für aktuelle Projekte unserer Kunden textiltechnische Lösungen. Hierfür sind wir in engem Austausch mit den Kolleg*innen aus der Produktentwicklung unserer Kunden. Gerade bei den Composite Textiles sind vorwiegend Speziallösungen gefragt. Das kann ein Bauteil für die Raumfahrt sein – ein Raumschiff wird ja nicht von der Stange gefertigt. Wir bieten auch hochwertige Serienartikel, etwa im Bereich Industrial Textiles, wo wir rundgewebte Schläuche für Transportbänder bieten. So gesehen sind wir Textilproduzent, aber mehr als das: Wir sind dabei auch Textilentwickler.

 

Composites Germany hat im August die Ergebnisse seiner 21. Markterhebung vorgestellt. Dabei wird die aktuelle Geschäftslage sehr kritisch gesehen, das Investitionsklima trübt sich ein und Zukunftserwartungen drehen ins Negative. vombaur hat in seinem Portfolio ebenfalls hochfeste textile Verbundwerkstoffe aus Carbon, Aramid, Glas und Hybriden. Teilen Sie die Beurteilung der Wirtschaftslage, wie sie die Umfrage spiegelt?

Carl Mrusek: Wir sehen für vombaur eine durchaus positive Entwicklung voraus, da wir sehr lösungsorientiert entwickeln und unseren Kunden einen echten Mehrwert bieten. Denn gerade Zukunftstechnologien benötigen individuelle, zuverlässige und leichte Bauteile. Das reicht von Entwicklungen für das Lufttaxi bis zu Windrädern. Textilien sind ein prädestiniertes Material für die Zukunft. Die Herausforderung besteht auch darin, hier mit natürlichen Rohstoffen wie Flachs und recycelten und recycelbaren Kunststoffen und effektiven Trenntechniken nachhaltige und kreislauffähige Lösungen anzubieten.

 

Es gibt heutzutage fast kein Unternehmen, das nicht die aktuellen Buzzwords bedient wie Klimaneutralität, Kreislaufwirtschaft, Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Was unternimmt Ihr Unternehmen in diesen Bereichen und wie definieren Sie die Bedeutung dieser Ansätze für einen wirtschaftlichen Erfolg?

Carl Mrusek: vombaur verfolgt eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie. Ausgehend von unserer Leitbildentwicklung arbeiten wir aktuell an einer Nachhaltigkeitserklärung. Unsere Verantwortung für die Natur wird sich sehr konkret und messbar in unserem Neubau mit Dachbegrünung und Solaranlage realisieren. In unserer Produktentwicklung fließen die hohen Nachhaltigkeitsansprüche – unsere eigenen und die unserer Kunden – schon jetzt in umwelt- und ressourcenschonende Produkte und in Produktentwicklungen für nachhaltige Projekte wie Windparks oder Filtrationsanlagen ein.

 

Stichwort Digitalisierung: Der Mittelstand, zu dem vombaur mit seinen 85 Mitarbeitenden gehört, wird oft dafür gescholten, in diesem Bereich zu zögerlich zu sein. Was würden Sie auf diesen Vorwurf antworten?

Johannes Kauschinger: Wir hören derzeit oft von der Stapelkrise. Angelehnt daran ließe sich von der Stapeltransformation sprechen. Wir, die mittelständischen Unternehmen, transformieren uns gleichzeitig in einer Reihe von unterschiedlichen Dimensionen: Digitale Transformation, Klimaneutralität, Fachkräftemarkt und Bevölkerungsentwicklung, Unabhängigkeit von den vorherrschenden Lieferketten. Wir sind veränderungsfähig und veränderungswillig. Politik und Verwaltung könnten es uns an einigen Stellen etwas leichter machen. Stichwort Verkehrs-Infrastruktur, Genehmigungszeiten, Energiepreise. Wir tun alles, was auf unserer Seite des Feldes zu ist, damit mittelständische Unternehmen die treibende Wirtschaftskraft bleiben, die sie sind.

 

Was empfinden Sie bei dem Begriff Fachkräftemangel? Beschreiten Sie auch unkonventionelle Wege, um Talente und Fachkräfte in einer so spezialisierten Branche zu finden und zu halten? Oder stellt sich das Problem nicht?

Carl Mrusek: Klar, auch wir bekommen den Fachkräftemangel zu spüren, gerade im gewerblichen Bereich. Die Entwicklung war aber abzusehen. Das Thema spielte eine gewichtige Rolle bei der Entscheidung mit unserem Schwesterunternehmen JUMBO-Textil zusammen unter das Dach der Textation Group zu ziehen. Die Nachwuchsgewinnung und -förderung lässt sich gemeinsam – zum Beispiel mit gruppenübergreifenden Kampagnen und Kooperationen – besser meistern.

 

Wenn Sie ein persönliches Schlüsselerlebnis beschreiben müssten, das Ihre Einstellung zur Textilindustrie und deren Zukunft geprägt hat, was wäre das?

Johannes Kauschinger: Ein sehr guter Freund meiner Familie hat mich darauf angesprochen, dass wir in einer Gegend mit sehr aktiver Textilindustrie leben, die gleichzeitig Probleme hat, Nachwuchskräfte zu finden. Ich besuchte zwei Betriebe zur Vorstellung und schon auf dem Betriebsrundgang in jeder der beiden Firmen war das Zusammenwirken von Menschen, Maschinen und Textil bis zum tragbaren Endprodukt beeindruckend. Dazu kam, dass ich einen Beruf mit sehr großem Bezug zum täglichen Leben erlernen konnte. Bis heute bin ich über die Breite der Einsatzmöglichkeiten von Textilien, speziell in technischen Anwendungen, fasziniert und bereue die damalige Entscheidung keinesfalls.

Carl Mrusek: Bereits in jungen Jahren kam ich mit der Textil- und Modewelt in Berührung. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich mit meinem Vater Rolf Mrusek das erste Mal durch die vollstufige Textil-Produktion eines Unternehmens in Nordhorn ging. Das Thema hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Schon vor Beginn meiner Studienzeit hatte ich mich bewusst für eine Karriere in dieser Industrie entschieden und habe es bis heute nicht bereut, im Gegenteil. Die Vielfältigkeit der in der Textation Group entwickelten Speziallösungen fasziniert mich immer wieder aufs Neue.
 

vombaur ist Spezialist für nahtlos rund- und in Form gewebte Schmaltextilien und branchenweit als Entwicklungspartner für Filtration Textiles, Composite Textiles und Industrial Textiles aus Hochleistungsfasern bekannt. Die technischen Schmaltextilien von vombaur dienen zum einen zur Filtration – u. a. in der Lebensmittel- und Chemieindustrie. Als hochleistungsfähige Verbundwerkstoffe kommen sie beispielsweise im Flugzeugbau oder in der Medizintechnik zum Einsatz. Für technische Anwendungen entwickelt vombaur speziell beschichtete Industrietextilien zur Isolierung, Verstärkung oder für den Transport in ganz unterschiedlichen industriellen Prozessen – von der Feinmechanik bis zur Bauindustrie. Das Wuppertaler Unternehmen wurde 1805 gegründet. Aktuell arbeiten 85 Beschäftigte im Unternehmen.
 

Branchen

  • Aviation & Automotive
  • Sports & Outdoor    
  • Bau- & Wasserwirtschaft
  • Sicherheit & Protection    
  • Chemie & Lebensmittel
  • Anlagenbau & Elektronik    
  • Medizin & Orthopädie

 

(c) Institut auf dem Rosenberg
01.09.2023

'Blue Nomad' - Auf Flachsfasern in die Zukunft gleiten

Da die Menschheit mit dem Klimawandel und dem steigenden Meeresspiegel zu kämpfen hat, ist unsere kollektive Vorstellungskraft wichtiger denn je. Vor diesem Hintergrund war bcomp von Arbeit der Studenten des Instituts auf dem Rosenberg in St. Gallen und SAGA Space Architects fasziniert. Sie haben entwickelten eine außergewöhnliche Lösung für die ökologischen Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind: das schwimmende Lebensraumprojekt "Blue Nomad".

‘Blue Nomad" ist ein solarbetriebenes Heim, das für ein komfortables Leben auf dem Meer konzipiert wurde. Es symbolisiert eine Zukunft, in der wir die sich verändernde Umwelt der Erde erforschen und uns an sie anpassen müssen. Inspiriert von den ersten polynesischen Nomadensiedlungen und ausgestattet mit Solarpaneelen zur Selbstversorgung, fördert das Habitat die Vision des Lebens und Reisens auf dem Wasser.

Da die Menschheit mit dem Klimawandel und dem steigenden Meeresspiegel zu kämpfen hat, ist unsere kollektive Vorstellungskraft wichtiger denn je. Vor diesem Hintergrund war bcomp von Arbeit der Studenten des Instituts auf dem Rosenberg in St. Gallen und SAGA Space Architects fasziniert. Sie haben entwickelten eine außergewöhnliche Lösung für die ökologischen Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind: das schwimmende Lebensraumprojekt "Blue Nomad".

‘Blue Nomad" ist ein solarbetriebenes Heim, das für ein komfortables Leben auf dem Meer konzipiert wurde. Es symbolisiert eine Zukunft, in der wir die sich verändernde Umwelt der Erde erforschen und uns an sie anpassen müssen. Inspiriert von den ersten polynesischen Nomadensiedlungen und ausgestattet mit Solarpaneelen zur Selbstversorgung, fördert das Habitat die Vision des Lebens und Reisens auf dem Wasser.

bcomp begeistert besonders an dem Projekt, dass das in London und Monaco ausgestellte Modell die eigenen ampliTex™ Flachsfasern enthält. Das Institut auf dem Rosenberg und SAGA entwickeln derzeit einen Plan für den Bau eines tatsächlichen Prototyps des schwimmenden Hauses. Es könnte aus einem strukturell optimierten Gewebe aus Flachsfasern hergestellt werden und die Zukunft organischer und regenerativer Hochleistungsmaterialien aufzeigen, die herkömmliche synthetische und fossile Technologien ersetzen.

Blue Nomad" ist nicht nur ein solitärer Lebensraum, sondern ein Konzept für eine neue Art von Gemeinschaft. Als modulare Blöcke konzipiert, können diese Lebensräume größere Gemeinschaften und Meeresfarmen bilden, die es den Bewohnern ermöglichen, Ressourcen zu teilen, während sie von einer Meeresfarm zur nächsten ziehen. Es ist eine beeindruckende Vision einer Zukunft, in der die Grenzen zwischen Land und Wasser verschwimmen und Nachhaltigkeit und Gemeinschaftsbildung im Mittelpunkt der menschlichen Siedlungen stehen.

Doch diese Vision ist nicht nur eine theoretische. Geplant ist eine Jungfernfahrt des "Blue Nomad" quer durch Europa, die ausschließlich mit Solarenergie betrieben wird und die Nachhaltigkeit der Ozeane, die Klimatologie und das Nomadentum der Zukunft fördert.

Dieses Projekt erinnert daran, was wir erreichen können, wenn wir Bildung, innovatives Design und Nachhaltigkeit miteinander verbinden. Der "Blue Nomad" repräsentiert die Zukunft - eine Zukunft, in der nachhaltige Materialien eine entscheidende Rolle beim Schutz unseres Planeten spielen.

Das Projekt "Blue Nomad" wurde auf der Londoner Design-Biennale 2023 sowie der Monaco Energy Boat Challenge ausgestellt, wo es Besucher in seinen Bann zog und große Begeisterung in der Öffentlichkeit auslöste.

Quelle:

Bcomp

Point of View: Let’s end fast fashion, Prof Minna Halme. Foto: Veera Konsti / Aalto University
18.08.2023

Standpunkt: Schluss mit Fast Fashion!

Sich auf kurzfristige Gewinne zu fokussieren, ist nicht nachhaltig. Was können wir also tun, um in die richtige Richtung zu gehen? In allen Branchen die Widerstandsfähigkeit der Effizienz vorziehen.

Sich auf kurzfristige Gewinne zu fokussieren, ist nicht nachhaltig. Was können wir also tun, um in die richtige Richtung zu gehen? In allen Branchen die Widerstandsfähigkeit der Effizienz vorziehen.

Wir kaufen billige Produkte im Wissen, dass wir sie bald ersetzen müssen. Wir werfen gebrauchte Gegenstände weg, anstatt sie zu reparieren oder wiederzuverwenden. Arbeitgeber planen in Bezug auf finanzielle Quartale, obwohl sie hoffen, längerfristig bedeutend und stabil zu bleiben. Sogar Länder geben der kurzfristigen Wirtschaftsleistung den Vorrang und stellen das Bruttoinlandsprodukt (BIP) über jeden anderen Indikator.
 
Unsere globale Besessenheit von kurzfristiger wirtschaftlicher Effizienz - und die Frage, wie man sie überwinden kann - ist ein großes Rätsel, über das Minna Halme, Professorin für Nachhaltigkeitsmanagement, die meiste Zeit ihrer Karriere nachgedacht hat. Schon als Studentin an der Wirtschaftshochschule war sie irritiert, wie sehr sich ihr Unterricht auf kurzfristige Ziele konzentrierte.

„Es ging darum, mehr zu verkaufen, die Gewinne der Aktionäre zu maximieren, ökologisch zu wachsen - aber nicht wirklich zu fragen: Warum? Was ist der Zweck von all dem?“, so Halme.
„Selbst mir als 20-Jähriger kam das irgendwie seltsam vor.“

„Was versuchen wir hier zu tun? Versuchen wir, eine bessere Wirtschaft für alle oder für die meisten Menschen zu schaffen? Wessen Leben versuchen wir zu verbessern, wenn wir mehr unterschiedlich verpackte Joghurtsorten oder Kleidung verkaufen, die schnell unmodern ist?“

Halme hat ihre Karriere der Untersuchung dieser Fragen gewidmet. Heute ist sie eine Vordenkerin im Bereich innovativer Geschäftspraktiken und wurde unter anderem als Mitglied des finnischen Expertengremiums für nachhaltige Entwicklung und des Gremiums für globale Nachhaltigkeit der Vereinten Nationen anerkannt.

Ihr oberstes Ziel? Pionierarbeit zu leisten, zu forschen und für alternative Denkweisen einzutreten, die Werte wie langfristige wirtschaftliche Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit in den Vordergrund stellen - Alternativen, von denen sie und andere Experten glauben, dass sie allen einen dauerhaften, weitreichenden Nutzen bringen würden.
 
Wie traditionelle Indikatoren versagt haben
Ein Weg, in der unsere Vorliebe für wirtschaftliche Effizienz die Art und Weise prägt, wie wir den allgemeinen Wohlstand oder Status eines Landes messen, ist das BIP. Das ist nicht die Schuld des Erfinders des modernen Konzepts des BIP, der in den 1930er Jahren ausdrücklich davor warnte, es auf diese Weise zu verwenden.

„Das BIP war nie dazu gedacht, uns etwas über das Wohlergehen der Bürger eines Landes zu sagen", sagt Halme. Vor fünfundsiebzig Jahren war es jedoch leicht, beides miteinander zu verwechseln. Viele Länder waren eher bestrebt, ihren Wohlstand unter ihren Bürgern umzuverteilen, und Bevölkerungsumfragen zeigen, dass das BIP bis in die 1970er Jahre häufig mit dem allgemeinen Wohlstand korrelierte.

Doch mit dem Aufkommen eines zunehmend rücksichtsloseren Kapitalismus der freien Marktwirtschaft wurde dies immer weniger der Fall - und die Unzulänglichkeiten des BIP wurden umso deutlicher. „Wir befinden uns in einer Situation, in der die Verteilung des Reichtums mehr und mehr zu denjenigen wandert, die bereits über Kapital verfügen. Diejenigen, die es nicht haben, befinden sich in einer rückläufigen wirtschaftlichen Position", sagt Halme. Tatsächlich besitzen die reichsten 1 % der Weltbevölkerung heute fast die Hälfte des weltweiten Vermögens.

„Einige Regierungen, wie die finnische, berücksichtigen zwar Indikatoren für den ökologischen und sozialen Fortschritt. Aber keiner wird als so wichtig für die Entscheidungsfindung angesehen wie das BIP", sagt Halme - und das BIP gilt auch als Maßstab für den Erfolg einer Regierung. Diese Einstellung versucht Halme durch ihre Arbeit als Beraterin der finnischen Regierung zu Nachhaltigkeitspraktiken sowie durch ihre eigene Forschung zu ändern.

Wo die Industrie versagt hat
Unsere oft ausschließliche Konzentration auf die Ökonomie - und insbesondere darauf, so schnell und effizient wie möglich Gewinne zu erzielen - vermittelt kein klares Bild davon, wie es allen in einer Gesellschaft geht. Schlimmer noch, es hat die Industrie ermutigt, mit einer kurzfristigen Perspektive zu handeln, die zu längerfristigen Problemen führt.
 
Fast Fashion ist ein Beispiel dafür. Gegenwärtig sind die Lieferketten für Bekleidung - wie die der meisten Waren - linear. Die Rohstoffe kommen von einem Standort und werden Schritt für Schritt verarbeitet, in der Regel in verschiedenen Produktionsstätten auf der ganzen Welt, wobei Materialien, Energie und Transportmittel verwendet werden, die „billig“ sind, weil ihre hohen Umweltkosten nicht berücksichtigt werden.

Schließlich werden sie von einem Verbraucher gekauft, der das Produkt vorübergehend trägt, bevor er es wegwirft. Um die Gewinnspannen zu erhöhen, setzt die Branche auf schnell wechselnde Trends. Eine erschreckende Menge dieser Kleidungsstücke landet auf der Mülldeponie - einige davon, bevor sie überhaupt getragen worden sind.

Wie der COVID Lockdown gezeigt haben, ist diese Art linearer Lieferketten nicht belastbar. Und sie sind auch nicht nachhaltig.

Schätzungen zufolge ist die Modebranche derzeit die zweitgrößte Umweltverschmutzungsbranche der Welt und für bis zu 10 % aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Forscher der Aalto-Universität haben festgestellt, dass die Branche jährlich mehr als 92 Millionen Tonnen Deponieabfälle produziert. Bis 2030 wird ein Anstieg auf 134 Millionen Tonnen erwartet.
„Die Verringerung des CO2-Fußabdrucks der Modebranche ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die langfristigen Aussichten der Branche selbst. Mit dieser Art von falschem Effizienzdenken untergräbt man die Grundlage unserer langfristigen Widerstandsfähigkeit sowohl für die Ökologie als auch für die Gesellschaft", sagt Halme.

Um aus dieser Falle herauszukommen, sagen sie und andere Forscher, ist ein kompletter Paradigmenwechsel erforderlich. „Es ist wirklich schwierig, nur an den Rändern zu feilen", sagt sie.
Auf dem Weg zur Resilienz

Mehrere Jahre lang erforschte und studierte Halme die ökologische Effizienz und suchte nach Möglichkeiten, wie Unternehmen mehr Produkte mit weniger Umweltbelastungen herstellen könnten. Doch allmählich wurde ihr klar, dass dies nicht die Antwort ist. Obwohl die Unternehmen durch Innovationen effizientere Produkte und Technologien entwickeln konnten, stieg ihr absoluter Verbrauch an natürlichen Ressourcen weiter an.

„Ich begann zu denken: Wenn nicht Effizienz, was dann?", sagt Halme. Sie erkannte, dass die Lösung in der Resilienz liegt, d. h. in der Förderung von Möglichkeiten, wie Systeme, einschließlich der Umwelt, in der Zukunft fortbestehen und sich sogar regenerieren können, anstatt sie in der Gegenwart weiter zu schädigen.
Die Lösung ist nicht „mehr von allem“, auch nicht von „nachhaltigen“ Materialien. Es ist weniger.

„Die einzige Möglichkeit, Fast Fashion zu verbessern, ist, sie zu beenden“, schreiben Halme und ihre Mitautoren. Das bedeutet, dass Kleidung so gestaltet werden muss, dass sie lange hält, dass Geschäftsmodelle die Wiederverwendung und Reparatur erleichtern und dass dem Upcycling Vorrang eingeräumt wird. Auch die Recyclingsysteme müssen überarbeitet werden, um festzustellen, wann ein Kleidungsstück wirklich ausgedient hat - insbesondere im Hinblick auf synthetische Mischfasern, die schwer zu trennen und abzubauen sind.

Dies würde die derzeitige Konzentration auf kurzfristige Einnahmen über den Haufen werfen. Und, so Halme, dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir bessere Möglichkeiten brauchen, um den Erfolg dieser Branchen zu messen, indem wir Faktoren wie Belastbarkeit und Nachhaltigkeit berücksichtigen - und nicht nur kurzfristige Gewinne.
Und obwohl jeder Einzelne etwas bewirken kann, müssen diese Veränderungen letztlich von der Industrie ausgehen.

„Textilien sind ein gutes Beispiel, denn wenn sie schnell kaputt gehen und man keine Reparaturwerkstatt in der Nähe hat oder wenn die Stoffe von so schlechter Qualität sind, dass es keinen Sinn macht, sie zu reparieren, dann ist das für die meisten Menschen ein zu großer Aufwand“, sagt Halme. Die meisten Lösungen sollten also von der Unternehmensseite kommen. Und das Ziel sollte sein, es den Verbrauchern sowohl modisch als auch einfach zu machen, ökologisch und sozial nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
 
Was ist erforderlich?
Die ultimative Herausforderung, sagt Lauri Saarinen, Assistenzprofessor an der Aalto der Aalto-Universität für Wirtschaftsingenieurwesen, ist die Frage, wie man zu einem nachhaltigeren Modell gelangt und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhält. Aber er glaubt, dass es Möglichkeiten gibt.

„Eine Möglichkeit besteht darin, die Produktion lokal zu halten. Wenn wir mit der kostengünstigen Offshore-Fertigung konkurrieren, indem wir die Dinge vor Ort und in einem geschlossenen Kreislauf herstellen, dann haben wir den doppelten Vorteil, indem wir lokal Arbeitsplätze schaffen und uns in Richtung einer nachhaltigeren Lieferkette bewegen“, sagt Saarinen. Wenn beispielsweise Kleidung näher am Verbraucher produziert würde, wäre es einfacher, Kleidungsstücke zur Reparatur zurückzuschicken oder gebrauchte Artikel zurückzunehmen und weiterzuverkaufen.

Lokale Produktion ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir die Methode, mit der wir den gesellschaftlichen Erfolg messen, neu überdenken müssen. Schließlich scheinen Outsourcing und Offshoring zugunsten einer billigeren Produktion kurzfristig die Kosten zu senken, aber dies geschieht zu Lasten dessen, was nach Ansicht von Halme und anderen Experten wirklich wichtig ist: eine längerfristige wirtschaftliche Tragfähigkeit, Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit. Es ist nicht einfach, zu dieser Art von Denken überzugehen. Dennoch sehen Saarinen und Halme vielversprechende Signale.
 
Für Finnland verweist Halme beispielsweise auf das Start-up-Unternehmen Menddie, das es leicht und bequem macht, Kleidungsstücke zum Reparieren oder Ändern wegzuschicken. Sie hebt auch die Bekleidungs- und Lifestyle-Marke Marimekko hervor, die ihre gebrauchten Kleidungsstücke in einem Online-Secondhand-Shop weiterverkauft, sowie das Label Anna Ruohonen, ein Konzept für Maßanfertigungen und Kunden auf Abruf, bei dem keine überschüssigen Kleidungsstücke entstehen.

Genau diese Art von Projekten findet Halme interessant - und sie hofft, mit ihrer Arbeit sowohl für diese zu werben als auch Pionierarbeit zu leisten.
„Momentan haben diese Veränderungen noch nicht zu einer echten Transformation geführt“, sagt sie. Auf globaler Ebene sind wir noch weit von einem echten Wandel hin zu längerfristiger Resilienz entfernt. Aber das könne sich, wie sie betont, schnell ändern. Schließlich hat sich das in der Vergangenheit auch bereits geändert: „Man muss sich nur ansehen, was uns hierhergebracht hat.“

„Das Streben nach Wirtschaftswachstum wurde in relativ kurzer Zeit - nur über etwa sieben Jahrzehnte - zu einem so dominanten Schwerpunkt“, sagt sie. Der Wandel hin zu einer längerfristigen Resilienz ist durchaus möglich. Wissenschaftler und Entscheidungsträger müssen nur ihr Hauptziel auf langfristige Widerstandsfähigkeit umstellen. Die Kernfrage ist, ob unsere mächtigsten Wirtschaftsakteure klug genug sind, dies zu tun.
 
Im Rahmen ihrer Forschung hat Halme Projekte geleitet, die Pionierarbeit für die Art von Veränderungen leisten, die die Modeindustrie vornehmen könnte. Gemeinsam mit ihrer Aalto-Kollegin Linda Turunen hat sie beispielsweise kürzlich ein Messverfahren entwickelt, mit dem die Modeindustrie die Nachhaltigkeit eines Produkts klassifizieren könnte. Dabei wird gemessen, wie haltbar das Produkt ist, wie leicht es recycelt werden kann und ob bei der Herstellung gefährliche Chemikalien verwendet werden - was den Verbrauchern bei der Kaufentscheidung helfen könnte. Ihre Kollegen haben vor kurzem eine Ausstellung kuratiert, in der gezeigt wurde, was wir in einer nachhaltigen Zukunft tragen könnten, z. B. eine Lederalternative, die aus weggeworfenen Blumenstecklingen hergestellt wird, oder modulare Designs, mit denen ein und dasselbe Kleidungsstück mehrfach verwendet werden kann, indem z. B. ein Rock in ein Hemd verwandelt wird.

Da all dies längerfristiges Denken, Innovation und Investitionen erfordert, ist die Industrie zurückhaltend, diese Veränderungen vorzunehmen, sagt Halme. Eine Möglichkeit, die Industrie zu einem schnelleren Wandel zu bewegen, ist die Regulierung. In der Europäischen Union beispielsweise müssen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern aufgrund einer aktualisierten Reihe von Richtlinien nun über eine Reihe von Faktoren der Unternehmensverantwortung Bericht erstatten, die von den Auswirkungen auf die Umwelt bis zur Behandlung der Mitarbeiter reichen. Diese Vorschriften werden nicht nur dazu beitragen, Verbraucher, Investoren und andere Interessengruppen über die Rolle eines Unternehmens bei globalen Herausforderungen zu informieren. Sie werden auch dazu beitragen, Investitionsrisiken zu bewerten und abzuwägen, ob ein Unternehmen die notwendigen Maßnahmen ergreift, um langfristig finanziell stabil zu sein.

Quelle:

Aalto University, Amanda Ruggeri. Übersetzung Textination

(c) Nadine Glad
18.07.2023

Digitaler Produktpass für transparente Lieferketten und zirkuläre Produkte

Wer beim Kauf eines Produktes Informationen benötigt, ist aktuell oft noch auf Anleitungen in Papierform oder aufwendige Recherchen angewiesen. In einem aktuellen Projekt arbeitet ein Konsortium aus Forschung und Wirtschaftsverbänden jetzt im Auftrag der EU-Kommission an einem einheitlichen digitalen Produktpass. Dieser soll im Rahmen einer EU-Verordnung z.B. über einen QR-Code alle Produktinformationen entlang der Wertschöpfungskette verfügbar und dezentral abrufbar machen.

Wer beim Kauf eines Produktes Informationen benötigt, ist aktuell oft noch auf Anleitungen in Papierform oder aufwendige Recherchen angewiesen. In einem aktuellen Projekt arbeitet ein Konsortium aus Forschung und Wirtschaftsverbänden jetzt im Auftrag der EU-Kommission an einem einheitlichen digitalen Produktpass. Dieser soll im Rahmen einer EU-Verordnung z.B. über einen QR-Code alle Produktinformationen entlang der Wertschöpfungskette verfügbar und dezentral abrufbar machen.

Absolutes Must-have im Reisegepäck ist für die meisten in der Regel ein Personalausweis oder ein Reisepass. Diese sind international anerkannte Dokumente zur Angabe von Daten über die eigene Person. Dieser für uns selbstverständliche Vorgang soll bald auch für Elektronik- und Textilprodukte sowie Batterien Realität werden. Da Handys, Tablets und Co. selbstverständlich keinen haptischen Reisepass bei sich tragen, sollen ihre „persönlichen Daten“ in Zukunft mittels eines digitalen Produktpasses über einen QR-Code oder RFID-Chip an jeder Stelle der Wertschöpfungskette abrufbar sein.

Verbraucher*innen sollen so beim Kauf von Textilien, Elektronikprodukten, aber auch Möbeln und Spielzeug mehr Möglichkeiten erhalten, sich über wichtige Produktinformationen wie die Energieeffizienzklasse, die Herstellungsbedingungen oder die Reparierbarkeit zu informieren, um darauf aufbauend eine versierte und nachhaltige Kaufentscheidung treffen zu können.

Aber auch für andere Beteiligte z.B. bei der Reparatur oder dem Recycling ergeben sich enorme Potenziale: Bisher kann es bei hoch miniaturisierten Elektronikprodukten schwer herauszufinden sein, welche Rohstoffe oder toxischen Bestandteile im Produkt enthalten sind und wie diese voneinander getrennt werden können. Damit diese Informationen immer auch der richtigen Zielgruppe zur Verfügung stehen, sollen nutzungsspezifische Zertifikate den Zugang reglementieren.

Die Gesamtheit der im Produktpass enthaltenen Informationen ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht endgültig geklärt. Im Projekt CIRPASS erarbeitet die Gruppe um Eduard Wagner am Fraunhofer IZM aktuell, welche gesetzliche Informationspflicht bereits existiert und welche weiteren Informationen für den Produktpass interessant sein könnten. Am Ende soll eine Informationsarchitektur aufgebaut werden, in der geklärt wird, welche Informationen für die Beteiligten der Wertschöpfungskette einen Mehrwert haben und mit welchem Aufwand sie bereitgestellt werden können. Ein Reparaturindikator, der angibt, wie gut sich ein Produkt reparieren lässt, ist beispielsweise in Frankreich seit 2021 verpflichtend und kommt für den digitalen, gesamteuropäischen Produktpass ebenfalls in Frage. „Auch die Angabe der Energieeffizienzklasse ist mittlerweile vorgeschrieben. Doch diese Informationen müssen jetzt noch einzeln ermittelt werden, und bei anderen Werten gibt es noch keine europaweite Anzeigepflicht. Hier ein Höchstmaß an Einheitlichkeit zu schaffen, ist ein wichtiges Ziel des Produktpasses.“ sagt Nachhaltigkeitsexperte Eduard Wagner.

Damit 2026 die ersten Produktpässe verfügbar sind, gilt es also, viele Akteur*innen abzuholen und einen Konsens zu den wichtigsten Informationen zu finden. „Im Projekt haben wir 23 Stakeholder-Gruppen identifiziert, für die wir die jeweiligen Bedürfnisse abfragen. Und das für alle drei Sektoren“, erklärt Wagner. „Bei uns sind Materialproduzent*innen, Elektronikhersteller*innen- sowie Reparateur*innen und Recyclingverbände an Bord.“ Die Ergebnisse dieser Konsultationen werden dann an die EU-Kommission weitergegeben und dienen den aktuellen politischen Aktivitäten als Orientierung, welche in Zukunft die gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich des Produktpasses festlegen. Besonders berücksichtigt und gefördert werden sollen hier auch kleinere und mittlere Unternehmen, für die die Bereitstellung zusätzlicher Informationen einen hohen Mehraufwand darstellen kann.

Quelle:

Fraunhofer – Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM

Swijin Inage Swijin
20.06.2023

Innovative Sportbekleidung: Schwimmen und Rennen ohne Umziehen

Rechtzeitig für den Sommer: Das Schweizer Start-up Swijin bringt mit dem «SwimRunner» eine neue Sportbekleidungskategorie auf den Markt – ein Sport-BH mitsamt passenden Unterteilen, die sowohl als Schwimm- wie als Laufbekleidung funktionieren und im Handumdrehen trocknen. Entwickelt wurde das innovative Produkt zusammen mit Empa-Forschenden in einem Innosuisse-Projekt. Testen kann man den „SwimRunner“ dieses Wochenende am „Zurich City Triathlon“.
 
Nach dem Joggen noch schnell ins kühle Nass springen, ohne sich umziehen zu müssen? Swijin (sprich: Swie-Djin), ein neues Schweizer TechTex-Start-up, lanciert ihr erstes Produkt, den «SwimRunner»: einen Sport-BH mit Unterteilen, die sowohl als Schwimm- wie auch als Laufbekleidung fungieren und blitzschnell trocknen.

Rechtzeitig für den Sommer: Das Schweizer Start-up Swijin bringt mit dem «SwimRunner» eine neue Sportbekleidungskategorie auf den Markt – ein Sport-BH mitsamt passenden Unterteilen, die sowohl als Schwimm- wie als Laufbekleidung funktionieren und im Handumdrehen trocknen. Entwickelt wurde das innovative Produkt zusammen mit Empa-Forschenden in einem Innosuisse-Projekt. Testen kann man den „SwimRunner“ dieses Wochenende am „Zurich City Triathlon“.
 
Nach dem Joggen noch schnell ins kühle Nass springen, ohne sich umziehen zu müssen? Swijin (sprich: Swie-Djin), ein neues Schweizer TechTex-Start-up, lanciert ihr erstes Produkt, den «SwimRunner»: einen Sport-BH mit Unterteilen, die sowohl als Schwimm- wie auch als Laufbekleidung fungieren und blitzschnell trocknen.

Diese Innovation ermöglicht Frauen erstmals einen fließenden Übergang zwischen Land- und Wassersportarten, ohne die Kleidung wechseln zu müssen. So können Frauen etwa beim Wandern oder Laufen unkompliziert ins Wasser gehen. Auch Stand-Up-Paddlerinnen genießen mit dem „SwimRunner" uneingeschränkte Bewegungsfreiheit und gleichzeitig genügend Sitz, sowohl auf dem Board als auch im Wasser.
          
Wissenschaft im Dienste des Sports
Was auf den ersten Blick wie eine relativ einfache Anforderung erscheint, hat sich in der Entwicklung als äußerst komplexes Produkt herausgestellt. Im Rahmen eines Innosuisse-Projekts kam es zur Zusammenarbeit von Swijin mit der Empa-Abteilung für Biomimetische Membranen und Textilien. Unter der Leitung des Empa-Ingenieurs Martin Camenzind definierten die Forschenden zunächst die Anforderungen an das Material und den Schnitt des Sport-BHs. „Bei der Entwicklung hatten wir eine dreifache Herausforderung: Einerseits musste es die Anforderungen an einen hochbelastbaren Sport-BH an Land erfüllen. Gleichzeitig sollte aber die Kompression eines Badeanzugs im Wasser aufrechterhalten werden – und dies bei einer sehr kurzen Trocknungszeit“, sagt Camenzind.

Da es noch keine vergleichbare Bekleidung auf dem Markt gibt, entwickelte das Team auch gleich neue Tests für die Beurteilung des Hochleistungstextils. „Wir haben auch ein Mannequin entworfen: Ein Modell des weiblichen Oberkörpers, mit dem man die mechanischen Eigenschaften von BHs messen kann», erklärt der Forscher. Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen floss in die Produktentwicklung auch viel Kompetenz von Sportphysiologen, Textilingenieurinnen, Branchenspezialisten, Designerinnen und natürlich Athletinnen ein.

Höchste Ansprüche
Viele dieser Sportlerinnen entstammen der „Swimrun“-Szene. Swimrun ist eine schnell wachsende Abenteuersportart, die in den Schärengärten Schwedens entstanden ist. Im Gegensatz zu Triathleten, die zuerst schwimmen, dann Rad fahren und schließlich laufen, wechseln Swimrunner während des Rennens immer wieder zwischen Trailrunning und Schwimmen im offenen Wasser hin und her. Die Intensität dieser Sportart bot Swijin die optimalen Bedingungen für die Produktentwicklung – und gab auch den Namen der ersten Kollektion, „SwimRunner“. „Das Feedback der Athletinnen war mitentscheidend für den Erfolg des Produkts. Sie schwimmen und laufen oft sechs bis sieben Stunden am Stück. Als sie mit unseren Prototypen zufrieden waren, wussten wir: Der SwimRunner ist ‚ready for market‘“, sagt Swijin-Gründerin Claudia Glass.

Die Produktidee kam Claudia Glass während eines Urlaubs auf Mallorca. Bei ihren morgendlichen Läufen sehnte sie sich danach, kurz ins Meer tauchen zu können. „Sport-BHs sind aber nicht zum Schwimmen konzipiert“, erklärt die Gründerin. „Im Wasser saugen sie sich voll und trocknen aufgrund ihres dicken Kompressionsmaterials scheinbar nie. Letzten Sommer trug ich den ‚SwimRunner‘-Prototyp den ganzen Tag. Morgens lief ich mit meinem Hund zum Zürichsee und sprang hinein. Als ich wieder zu Hause ankam, hätte ich mich einfach an meinen Schreibtisch setzen können und anfangen zu arbeiten – ich war komplett trocken und fühlte mich sehr komfortabel.“
 
Design und Nachhaltigkeit
Das Jungunternehmen legt Wert darauf, Ingenieurwesen und Design zu vereinen. Swijins Kreativdirektorin Valeria Cereda sitzt im Zentrum der Weltmodestadt Mailand und lässt ihre Erfahrung mit Luxusmarken in die Ästhetik von Swijin einfließen. Als ehemalige Leistungsschwimmerin ist sie aber zugleich auf Funktionalität bedacht.

Die Hochleistungsprodukte von Swijin lassen sich nur mit synthetischen Materialien verwirklichen. Das junge Unternehmen ist entschlossen, die Umweltbelastung der Produkte auf ein Minimum zu reduzieren. Die enge Lieferkette hält den CO2-Fussabdruck gering. Die Materialien des „SwimRunner“ sind zu 100 % in der EU hergestellt und auf Qualität ausgelegt.

Herkömmliche Bekleidungsetiketten geben nur Auskunft über den Herstellungsort des Kleidungsstücks. Swijin arbeitet mit dem Anbieter Avery Dennison zusammen, um alle Produkte mit einem „Digital Identity Label“ auszustatten. Dieses bietet den Verbrauchern detaillierte Informationen über die gesamte Wertschöpfungskette, bis hin zu den Investitionen des Textilherstellers zur Verringerung des CO2-Fussabdrucks und zum Einsatz des wasserbasierten, lösemittelfreien Logos. Swijin verpackt alle Materialien in „Cradle to Cradle Gold“ zertifizierten Verpackungen, die von Voegeli AG im Emmental hergestellt werden.

Außerdem geht Swijin proaktiv die Herausforderungen am Ende des Produktlebenszyklus an. Um einer echten Kreislauffähigkeit funktionaler Textilien näher zu kommen, nimmt Swijin als Leuchtturmpartner im „Yarn-to-Yarn®“-Pilotprojekt der Rheiazymes AG teil. Dabei handelt es sich um eine Biotech-Lösung, die Mikroorganismen und Enzyme einsetzt, um aus Alttextilien direkt und klimaneutral neue Ausgangsstoffe zu generieren. Wenn Kundinnen „End-of-Life“ Swijin-Produkte zurückgeben – wofür Swijin auch Anreize bietet – können die hochwertigen Monomere in Ursprungsqualität wieder in die Lieferkette zurückgeführt werden: echte „circularity“.

„Als aufstrebende Marke haben wir die Pflicht und den Luxus, Partner auszuwählen, deren Vision und Werte mit unseren eigenen übereinstimmen“, sagt Claudia Glass. „Ich hatte ein klares Verständnis davon, welche Art von Marke ich kaufen würde, aber ich konnte sie nirgends finden. Mit Swijin fühlen wir uns verpflichtet, unsere Werte auch tatsächlich zu verwirklichen.“

Weitere Informationen:
Sportwear schwimmen BH Synthetikfasern Empa
Quelle:

Claudia Glass, Anna Ettlin, EMPA

(c) Fraunhofer WKI
19.04.2023

Nachhaltige Naturfaserbewehrung für Textilbetonbauteile

Textilbetonteile mit einer nachhaltigen Naturfaserbewehrung haben ein ausreichendes Verbund- und Zugtragverhalten für den Einsatz im Bau. Das konnten Forschende des Fraunhofer WKI gemeinsam mit der Hochschule Biberach und dem Industriepartner FABRINO nachweisen. Damit könnten künftig Textilbetonbauteile mit Naturfaserbewehrung herkömmlich bewehrte Betonbauteile ersetzen und die Umweltbilanz im Bauwesen verbessern.

Textilbetonteile mit einer nachhaltigen Naturfaserbewehrung haben ein ausreichendes Verbund- und Zugtragverhalten für den Einsatz im Bau. Das konnten Forschende des Fraunhofer WKI gemeinsam mit der Hochschule Biberach und dem Industriepartner FABRINO nachweisen. Damit könnten künftig Textilbetonbauteile mit Naturfaserbewehrung herkömmlich bewehrte Betonbauteile ersetzen und die Umweltbilanz im Bauwesen verbessern.

Nichtmetallische Bewehrungen von Betonkörpern werden derzeit häufig aus unterschiedlichen, synthetisch erzeugten Fasern hergestellt – zum Beispiel aus Glas- oder Carbonfasern. Eine ökologische Alternative zu den synthetischen Fasern stellen Flachs- oder andere Naturfasern dar. Diese sind vielerorts verfügbar und nachhaltiger, unter anderem aufgrund ihrer nachwachsenden Rohstoffbasis, den Vorteilen im Recycling und dem geringeren Energiebedarf in der Herstellung. Hier setzten die Forschenden des Fraunhofer WKI und der Hochschule Biberach gemeinsam mit einem Industriepartner an. Ihr Ziel war, nachzuweisen, dass sich Bewehrungen aus Textilfasern für den Einsatz im Bau ebenso eignen wie synthetische Fasern.

»Wir haben am Fraunhofer WKI mit einer Webmaschine Drehergewebe aus Flachsfasergarn hergestellt. Um die Nachhaltigkeit zu erhöhen, haben wir eine Behandlung der Flachsgarne zur Verbesserung der Zugfestigkeit, Dauerhaftigkeit und Verbundhaftung erprobt, die im Vergleich zu petrobasierten Behandlungen ökologisch vorteilhafter ist«, erläutert Jana Winkelmann, Projektleiterin am Fraunhofer WKI. Im Beschichtungsverfahren konnte ein gängiges petrobasiertes Epoxidharz erfolgreich durch eine zum Teil biobasierte Tränkung ersetzt werden. Ein großer Anteil (56 Prozent) der molekularen Struktur des verwendeten Epoxidharzes besteht aus Kohlenwasserstoffen pflanzlichen Ursprungs und kann somit die CO2-Bilanz verbessern.

Textile Bewehrungen haben grundsätzlich eine Reihe von Vorteilen. So weisen sie eine deutlich reduzierte Korrodierbarkeit bei gleicher oder höherer Zugfestigkeit als Stahl auf, so dass das notwendige Nennmaß der Betonüberdeckung reduziert werden kann. Dies führt bei gleicher Tragfähigkeit häufig zu geringeren erforderlichen Querschnitten. Bisher wurde das Tragverhalten von textilen Bewehrungen aus Naturfasern in Betonbauteilen allerdings noch nicht systematisch untersucht.

An der Hochschule Biberach testeten die Forschenden das Verbund- und Zugtragverhalten sowie das einachsige Biegetragverhalten von Betonbauteilen mit textiler Bewehrung aus Flachsfasern. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass sich die naturfaserbasierten Textilbetonbauteile mit einer biobasierten Tränkung grundsätzlich eignen. Die Eignung zeigte sich sowohl durch eine signifikante Erhöhung der Bruchlast im Vergleich zu unbewehrten und unterbewehrten Betonbauteilen als auch durch fein verteilte Rissbilder. Die Kurven der Spannungs¬Dehnungs¬Diagramme konnten in drei für bewehrte Dehnkörper typische Bereiche unterteilt werden (Zustand I – ungerissen, Zustand IIa – Erstrissbildung und Zustand IIb – abgeschlossenes Rissbild). Die Abgrenzung der Bereiche ist mit zunehmendem Bewehrungsgrad deutlicher.

Insgesamt tragen regional oder europaweit verfügbare, nachwachsende Naturfasern und eine zum Teil biobasierte Beschichtung zu einer Verbesserung des CO2-Fußabdrucks der Bauindustrie bei. Damit eröffnet sich für die energie- und rohstoffintensive Bauindustrie eine weitere Möglichkeit, zunehmend strengere Umwelt- und Nachhaltigkeitsanforderungen zu erfüllen. »Textilbetone ermöglichen leichtere und schlankere Konstruktionen und bieten daher architektonische Spielräume. An den zahlreichen Einsatzmöglichkeiten von naturfaserbewehrten Textilbetonen möchten wir gern weiterforschen«, sagt Christina Haxter, Mitarbeiterin am Fraunhofer WKI.

Das Projekt, mit einer Laufzeit vom 9. Dezember 2020 bis zum 31. Dezember 2022, wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt DBU gefördert.

Quelle:

Fraunhofer WKI

08.03.2023

Composites Germany legt Ergebnisse der 20. Markterhebung vor

  • Gesamtwirtschaftliche Entwicklungen belasten Stimmung in der Composites-Industrie
  • Zukunftserwartungen optimistisch
  • Investitionsklima auf konstantem Niveau
  • Erwartungen an Anwendungsindustrien unterschiedlich
  • Wachstumstreiber bleiben unverändert
  • Composites-Index zeigt in verschiedene Richtungen

Zum 20. Mal hat Composites Germany aktuelle Kennzahlen zum Markt für faserverstärkte Kunststoffe erhoben. Befragt wurden alle Mitgliedsunternehmen der Trägerverbände von Composites Germany: AVK und Composites United, sowie des assoziierten Partners VDMA.  

  • Gesamtwirtschaftliche Entwicklungen belasten Stimmung in der Composites-Industrie
  • Zukunftserwartungen optimistisch
  • Investitionsklima auf konstantem Niveau
  • Erwartungen an Anwendungsindustrien unterschiedlich
  • Wachstumstreiber bleiben unverändert
  • Composites-Index zeigt in verschiedene Richtungen

Zum 20. Mal hat Composites Germany aktuelle Kennzahlen zum Markt für faserverstärkte Kunststoffe erhoben. Befragt wurden alle Mitgliedsunternehmen der Trägerverbände von Composites Germany: AVK und Composites United, sowie des assoziierten Partners VDMA.  

Gesamtwirtschaftliche Entwicklungen belasten Stimmung in der Composites-Industrie
Wie die Industrie generell war auch die Composites-Industrie in den vergangenen Jahren von starken negativen Einflüssen betroffen. Zentrale Herausforderungen in den letzten Jahren waren vor allem die Corona-Pandemie, der Halbleitermangel, Probleme in den Logistikketten und ein starker Anstieg der Rohstoffpreis. Hinzu kamen weitere Einzeleffekte, die den Druck auf die Industrie zusätzlich erhöht haben.

Zentrale Herausforderungen des letzten Jahres waren hauptsächlich der extreme Anstieg der Energie- und Spritpreise sowie der Logistikkosten. Daneben hat der Krieg in der Ukraine-Krise die ohnehin geschwächten Handelsketten weiter belastet.

Insgesamt zeigen sowohl die Börsenpreise für Strom als auch Erdölpropdukte derzeit zwar deutlich nach unten. Allerdings werden die deutlich geringeren Preise von den Erzeugern/Einkäufern noch nicht an Endkunden weitergegeben.

Die vorgenannten Effekte haben die Stimmung in der Composites-Industrie weiter nach unten gezogen. Der entsprechende Index für die Bewertung der aktuellen generellen Geschäftslage in Deutschland und Europa gibt nochmals nach. Etwas positiver zeigt sich die Bewertung der weltweiten Situation.
    
Trotz dieser generell negativen Bewertung der aktuellen Situation dreht die Bewertung der eigenen Geschäftslage der Unternehmen in der aktuellen Befragung leicht ins Positive. Die befragten Unternehmen bewerten die Position der eigenen Unternehmen somit besser als bei der letzten Befragung.

Zukunftserwartungen optimistisch
Die Erwartungen an die zukünftige Marktentwicklung zeigen ein sehr positives Bild. Die entsprechenden Kennwerte für die generelle Geschäftslage zeigen, nach einem deutlichen Abrutschen bei der letzten Befragung, nun wieder deutlich nach oben. Auch für das eigene Unternehmen zeigen sich die Befragten hinsichtlich ihrer Zukunftserwartungen deutlich optimistischer.

Das Investitionsklima bleibt auf einem relativ stabilen Niveau. Fast die Hälfte der befragten Unternehmen plant für das kommende halbe Jahr entsprechend Personal einzustellen. Nach wie vor halten etwa 70 % der Befragten Maschineninvestitionen für möglich oder planen diese. Dieser Wert bleibt im Gegensatz zur Vorbefragung fast gleich.    

Erwartungen an Anwendungsindustrien unterschiedlich
Der Composites Markt ist durch eine starke Heterogenität sowohl material- aber auch anwendungsseitig gekennzeichnet. In der Befragung werden die Teilnehmer gebeten, ihre Einschätzung hinsichtlich der Marktentwicklung unterschiedlicher Kernbereiche zu geben. Die Erwartungen zeigen sich äußerst verschieden.
 
Das bedeutendste Anwendungssegment für Composites ist der Transportbereich. Die Zulassungszahlen im PKW-Bereich waren dabei in den letzten Jahren rückläufig. Hier manifestierte sich die Abkehr der OEM von Volumenmodellen hin zu margenstarken Mittel- und Hochpreissegmenten. Dies zeigt sich in der aktuellen Befragung an relativ zurückhaltenden Erwartungen an dieses Segment.

Größere Rückgänge werden der derzeit eher pessimistischen Erwartung an die Baukonjunktur folgend vor allem auch in diesem Bereich erwartet. Speziell der Baubereich reagiert oftmals eher langsam auf entsprechende kurzfristige, wirtschaftliche Schwankungen und zeigte sich lange relativ robust gegenüber den oben genannten Krisen. Nun scheint es auch in diesem Bereich zu entsprechend negativen Einflüssen zu kommen.

Die pessimistische Sichtweise auf den Sport- und Freizeitbereich erklärt sich durch eine eher pessimistische Sichtweise auf das Konsumentenverhalten der Verbraucher.
Die Erwartungen an die zukünftige Marktentwicklung sind aber deutlich positiver, als dies die hier dargestellten Zahlen vermuten lassen.
 
Wachstumstreiber bleiben unverändert
Regional bleiben in der aktuellen Erhebung Deutschland, Europa und Asien die Weltregionen, aus denen die wesentlichen Wachstumsimpulse für das Composites-Segment erwartet werden, wobei Europa dabei für viele der Befragten eine Schlüsselrolle einnimmt.

Bei den Werkstoffen setzt sich der Paradigmenwechsel weiter fort. Wurde von den Befragten in den ersten 13 Erhebungen stets CFK als Material genannt, aus dessen Umfeld die wesentlichen Wachstumsimpulse für den Composites-Bereich zu erwarten sind, so werden die wesentlichen Impulse mittlerweile durchweg von GFK oder materialübergreifend erwartet.

Composites-Index zeigt in verschiedene Richtungen
Trotz der zahlreichen negativen Einflüsse der letzten Zeit zeigen sich Composites für die Zukunft gut aufgestellt. Durch eine sehr starke Marktentwicklung in 2021 konnte das Vor-Corona-Niveau bereits fast wieder erreicht werden. Die Aussichten für die Marktentwicklung 2022 liegen noch nicht final vor, zeigen aber eine weniger positive Entwicklung für das letzte Jahr.

Dennoch spricht vieles dafür, dass sich die generell über die letzten Jahre positive Entwicklung der Composites-Industrie weiterhin fortsetzen kann. Die strukturellen Änderungen im Mobilitätsbereich eröffnen Composites mittelfristig die Möglichkeit, auch in neuen Anwendungen Fuß zu fassen. Große Möglichkeiten bieten der Bau- und Infrastrukturbereich. Hier zeigen sich, der schwächeren Marktlage zum Trotz, enorme Chancen für Composites, aufgrund ihres einmaligen Eigenschaftsniveaus, das sie für den langfristigen Einsatz prädestiniert. Langlebigkeit bei nahezu wartungsfreiem Einsatz und die Möglichkeit zur Umsetzung entsprechender Leichtbaukonzepte sowie ein positiver Einfluss im Hinblick auf Nachhaltigkeit sprechen für den Einsatz der Materialien. Darüber hinaus wird die Windindustrie zu einem wesentlichen Wachstumstreiber werden, wenn die politisch selbst gesteckten Ziele zum Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch eingehalten werden sollen.

Insgesamt zeigt der Composites-Index eine verhaltene Bewertung der aktuellen Situation, wohingegen die Bewertung der zukünftigen Situation deutlich positiv ausfällt. Die Befragten schauen somit optimistisch in die Zukunft. Dies deckt sich mit der oben angesprochenen Einschätzung: Composites befinden sich seit vielen Jahrzenten im industriellen (Serien-)Einsatz und offenbaren trotz zahlreicher Herausforderungen auch für die Zukunft ein enormes Potenzial, sich weitere Anwendungsfelder zu erschließen.

Die nächste Composites-Markterhebung erscheint im Juli 2023.

Foto unsplash
21.02.2023

Konsortium für enzymatisches Textilrecycling gewinnt neue Unterstützer

"Gemeinsame Vision einer echten Kreislaufwirtschaft für die Textilindustrie"

Der US-amerikanische Modekonzern PVH hat sich dem von Carbios, On, Patagonia, PUMA und Salomon gegründeten Faser-zu-Faser-Konsortium angeschlossen. Ziel ist es, die Weiterentwicklung des Biorecyclingverfahrens von Carbios im industriellen Maßstab zu unterstützen und so neue globale Standards für Textilrecyclingtechnologien zu setzen. Zu PVH gehören Marken wie Calvin Klein und Tommy Hilfiger. In der von der PVH Corp. unterzeichneten Vereinbarung verpflichtet sich das Unternehmen, durch seine Mitwirkung im Konsortium den Übergang der Textilindustrie zu einer Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen.

"Gemeinsame Vision einer echten Kreislaufwirtschaft für die Textilindustrie"

Der US-amerikanische Modekonzern PVH hat sich dem von Carbios, On, Patagonia, PUMA und Salomon gegründeten Faser-zu-Faser-Konsortium angeschlossen. Ziel ist es, die Weiterentwicklung des Biorecyclingverfahrens von Carbios im industriellen Maßstab zu unterstützen und so neue globale Standards für Textilrecyclingtechnologien zu setzen. Zu PVH gehören Marken wie Calvin Klein und Tommy Hilfiger. In der von der PVH Corp. unterzeichneten Vereinbarung verpflichtet sich das Unternehmen, durch seine Mitwirkung im Konsortium den Übergang der Textilindustrie zu einer Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen.

Carbios arbeitet mit On, Patagonia, PUMA, PVH Corp. und Salomon daran, seine biologische Recyclingtechnologie an deren Produkten zu testen und zu verbessern. Ziel ist es, im Sinne der Nachhaltigkeitsverpflichtungen den Nachweis zu erbringen, dass durch dieses Verfahren der Kreislauf von Faser zu Faser im industriellen Maßstab geschlossen wird.

Das auf zwei Jahre ausgelegte Kooperationsprojekt soll nicht nur das biologische Recycling von Polyesterartikeln in industriellem Maßstab ermöglichen, sondern auch gründliche Sortier- und Zerlegetechnologien für komplexe Textilabfälle entwickeln. Die bestehenden Mitglieder stimmten einstimmig für den Beitritt der PVH Corp. zum Konsortium und erklärten, das gemeinsame Ziel sei es, die Entwicklung praktikabler Lösungen zu unterstützen, die den Beitrag der Modeindustrie zum Klimawandel adressieren.
 
Carbios hat eine Technologie entwickelt, bei der hochselektive Enzyme zum Einsatz kommen, die gemischte Ausgangsmaterialien recyceln können und so die aufwändige Sortierung reduzieren, die bei den derzeitigen thermomechanischen Recyclingverfahren erforderlich ist. Bei Textilien aus Mischfasern wirkt das patentierte Enzym ausschließlich auf das darin enthaltene PET-Polyester. Mit diesem innovativen Verfahren wird recyceltes PET (r-PET) erzeugt, das in seiner Qualität dem von neuem PET entspricht und zur Herstellung neuer Textilfasern verwendet werden kann
 
Behandlung von Textilabfällen und Recycling
Weltweit werden derzeit nur 13 % der Textilabfälle recycelt, und zwar hauptsächlich für minderwertige Anwendungen wie Polsterung, Isolierung oder Lumpen. Die restlichen 87 % sind für die Deponierung oder Verbrennung bestimmt. Um an der Verbesserung der Textilrecyclingtechnologien zu arbeiten, werden die Mitglieder des Konsortiums Ausgangsmaterial in Form von Bekleidung, Unterwäsche, Schuhen und Sportbekleidung liefern. 2023 wird in der Demonstrationsanlage von Carbios eine neue Anlage für PET-Textilabfälle in Betrieb genommen, insbesondere im Rahmen des von der Europäischen Union kofinanzierten Projekts "LIFE Cycle of PET".  Dies geschieht im Vorgriff auf künftige Vorschriften, wie die getrennte Sammlung von Textilabfällen, die in Europa ab dem 1. Januar 2025 verbindlich vorgeschrieben ist.

Von Faser zu Faser: Kreislauffähigkeit von Textilien
Zur Herstellung von Fasern und Stoffen ist die Textilindustrie heute weitgehend auf nicht erneuerbare Ressourcen angewiesen, zum Teil greift sie auf recycelte PET-Flaschen für recycelte Polyesterfasern zurück. Diese Ressource wird jedoch knapp werden, da PET-Flaschen ausschließlich für die Herstellung neuer Flaschen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie verwendet werden. In einer Kreislaufwirtschaft werden die zur Herstellung von Textilien verwendeten Materialien aus recycelten oder erneuerbaren Rohstoffen gewonnen, die durch regenerative Verfahren hergestellt werden. Die Mitglieder des Konsortiums liefern nicht nur Rohstoffe für die Demonstrationsanlage, sondern wollen auch neue Produkte aus r-PET-Fasern herstellen, die mit dem Biorecycling-Verfahren des Unternehmens produziert werden.
 
"Die Partnerschaft mit Carbios und seinen Konsortiumsmitgliedern zeigt unser kontinuierliches Engagement für die Aufnahme von mehr Kreislaufmaterialien in unsere Kollektionen", so Esther Verburg, EVP, Sustainable Business and Innovation, Tommy Hilfiger Global und PVH Europe. "Wir freuen uns, die Entwicklung der enzymatischen Recyclingtechnologie von Carbios zu unterstützen und neue Lösungen zu nutzen, die uns dabei helfen können, die Mode nachhaltig voranzutreiben."

Weitere Informationen:
Carbios Textilrecycling Enzyme
Quelle:

Carbios / Textination

Foto: pixabay
08.02.2023

6 von 10 Verbrauchern achten beim Einkaufen auf Nachhaltigkeitskriterien

Bei Lebensmitteln und Kleidung sind den Verbraucher:innen ESG-Aspekte  am wichtigsten. Besonders junge Menschen fordern Informationen und Transparenz: Nachhaltigkeitssiegel, -zertifizierungen und -berichte sorgen für Vertrauen. Für Händler und Hersteller wird Nachhaltigkeit zum Muss.

Bei Lebensmitteln und Kleidung sind den Verbraucher:innen ESG-Aspekte  am wichtigsten. Besonders junge Menschen fordern Informationen und Transparenz: Nachhaltigkeitssiegel, -zertifizierungen und -berichte sorgen für Vertrauen. Für Händler und Hersteller wird Nachhaltigkeit zum Muss.

Unter welchen Bedingungen werden die Kühe gehalten, deren Milch ich trinke? Duldet der Hersteller meines neuen T-Shirts Kinderarbeit? Geht der Händler meines Vertrauens fair mit Mitarbeitenden und Geschäftspartnern um? Solche Fragen stellt sich die Mehrheit der Deutschen vor einer Kaufentscheidung. 59 Prozent der Verbraucher:innen achten beim Einkaufen immer oder zumindest häufig auf die ökologische, ökonomische oder soziale Nachhaltigkeit von Händlern und Herstellern. Bei den unter 35-Jährigen sind es sogar zwei Drittel, bei den über 55-Jährigen immerhin jede:r Zweite. Zu diesen Ergebnissen kommt eine repräsentative Befragung unter 1.000 Menschen in Deutschland im Auftrag der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland.

Bei Nachhaltigkeit geht es nicht mehr um das „Ob“, sondern das „Wie“
„Nachhaltigkeit hat sich in den vergangenen Jahren zum Mainstream entwickelt. Für Unternehmen ist es längst ein Muss, in ihren Lieferketten auf Nachhaltigkeit zu achten“, kommentiert Dr. Christian Wulff. Der Leiter des Bereichs Handel und Konsumgüter bei PwC Deutschland ist überzeugt, dass Unternehmen bereits in naher Zukunft gute Gründe nennen müssen, wenn sie bei der Herstellung eines Produkts nicht auf Umwelt, soziale Aspekte und eine gute Unternehmensführung achten. „Beim Thema Nachhaltigkeit geht es also nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie“, so der Handels-Experte weiter.

Nachhaltigkeit beinhaltet verschiedene Aspekte in den drei Bereichen Umwelt, Soziales und nachhaltige Unternehmensführung (auf Englisch: Environment, Social, Governance, kurz: ESG). Bei der umweltbezogenen Nachhaltigkeit stehen Fragen zum Tierwohl - etwa die Haltungsbedingungen oder Tierversuche - und zur Verwendung recyclebarer Materialien im Mittelpunkt. 40 Prozent der Deutschen würden gerne vor einem Kauf darüber aufgeklärt werden. Im sozialen Bereich ist der Mehrheit der Befragten wichtig zu wissen, ob Einzelhandel und Hersteller die Menschenrechte einhalten (58 Prozent) - also beispielsweise Zwangs- oder Kinderarbeit in ihren Wertschöpfungsketten dulden. Mit Blick auf die Governance - also die Unternehmensführung - wünscht sich jede:r Zweite, vor dem Kauf über die Lieferketten Bescheid zu wissen und die Produkte zurückverfolgen zu können.

Bei Lebensmitteln ist Nachhaltigkeit besonders wichtig
Wie genau die Verbraucher:innen auf Nachhaltigkeit schauen, hängt auch vom Produkt ab: So ist ihnen Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln besonders wichtig. 81 Prozent der Deutschen achten beim Kauf von Nahrungsmitteln zumindest auf eines der drei ESG-Kriterien, also Umwelt, Soziales oder eine gute Unternehmensführung. Aber auch beim Kauf von Textilien sind diese Kriterien relevant: Immerhin 63 Prozent geben an, beim Kauf von Kleidung oder Schuhen darauf zu schauen, wie nachhaltig der Artikel entstanden ist. Während bei Lebensmitteln Umweltaspekte die größte Rolle spielen (für 62 Prozent), achten die Verbraucher:innen bei Kleidung, Schuhen und Accessoires vermehrt auf soziale Aspekte (52 Prozent).

Fast jede:r Zweite ist kürzlich zu nachhaltigen Produkten gewechselt
Die wachsende Bedeutung von ESG-Aspekten im Einkaufsverhalten deutscher Verbraucher:innen belegen auch die Verschiebungen hin zum Kauf von nachhaltigen Produkten. Bei Lebensmitteln ist der Trend zu nachhaltigen Produkten am deutlichsten: 45 Prozent der Befragten geben an, dass sie innerhalb der vergangenen zwei Jahre bewusst auf nachhaltigere Produkte umgeschwenkt sind. Den Wechsel (zurück) auf weniger nachhaltige Produkte räumen dagegen nur 17 Prozent ein, von denen jede:r Dritte fehlende finanzielle Mittel als Grund angibt.

Ein möglicher Wechsel zu nachhaltigeren Produkten würde für knapp die Hälfte der Befragten durch eine bessere Verfügbarkeit im stationären Handel unterstützt. Auch gesetzliche Regelungen werden als hilfreich erachtet, sowohl hinsichtlich der Auszeichnung von Produkten (38 Prozent) als auch für den Produktionsprozess (37 Prozent). Ebenfalls würde eine aufmerksamkeitsstärkere Produktplatzierung im Geschäft helfen (37 Prozent).

Vor allem junge Menschen fordern Transparenz und Aufklärung
Das Bedürfnis der Verbraucher:innen nach Transparenz in Sachen ESG ist ausgeprägt: So informieren sich laut Umfrage fast drei Viertel der Deutschen mindestens gelegentlich über ökologische Nachhaltigkeitsthemen. Zwei Drittel recherchieren Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit. Gut die Hälfte macht sich regelmäßig über eine nachhaltige Unternehmensführung schlau.

Dabei hat das Alter großen Einfluss darauf, wie intensiv sich die Menschen mit dem Thema auseinandersetzen: Während 80 Prozent der 16- bis 24-Jährigen sich vor dem Kauf über Umweltaspekte eines Produkts informieren, sind es bei den über 65-Jährigen nur 59 Prozent. „Insbesondere jüngere Menschen informieren sich aktiv und fordern Transparenz rund um ESG-Kriterien“, resümiert Christian Wulff.

Verbraucher:innen wünschen sich Infos auf Verpackungen und online
Um diesem Informationsbedürfnis nachzukommen, rät der PwC-Experte Herstellern und Einzelhandel, insbesondere online ausführlich über ESG-Aspekte der Produkte zu informieren. „Die damit verbundene, deutlich steigende Datenflut stets aktuell zu halten, wird für Unternehmen zunehmend zu einer Herausforderung, die nur durch signifikante Investitionen in neue Technologien zu lösen ist.“

Einig sind sich die Konsument:innen darin, was Unternehmen tun können, um ihren Nachhaltigkeitsaktivitäten mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen: Gut zwei Drittel halten anerkannte Nachhaltigkeitssiegel, Zertifizierungen oder unabhängig geprüfte Nachhaltigkeitsberichte für geeignet, um Aktivitäten in puncto ESG glaubhaft vermitteln können. „Die Ergebnisse unserer Befragung zeigen, dass Siegel und unabhängige Zertifizierungen sehr wichtig sind, um das Vertrauen der Kund:innen zu gewinnen. Es lohnt sich also, die ESG-Maßnahmen durch externe Organisationen bestätigen zu lassen“, so Christian Wulff.

Händler und Hersteller sollten auf Transparenz setzen
„Hersteller und Einzelhandel stehen vor der Aufgabe, im Hinblick auf die Nachhaltigkeit ihrer Produkte für ein hohes Maß an Transparenz zu sorgen. Dabei ist Ehrlichkeit, aber auch Kreativität gefragt: Bei Mode ist es beispielsweise denkbar, die einzelnen Stationen der Lieferkette detailliert nachzuzeichnen und die dabei anfallenden Kosten darzustellen. So können die Verbraucher:innen genau nachvollziehen, wie ein Preis zustande kommt“, so das Fazit von Christian Wulff.

Quelle:

PwC / Textination