Textination Newsline

Zurücksetzen
5 Ergebnisse
Foto: Walmart Inc.
15.01.2024

Was ist eine virtuelle Umkleide? Vorzüge und Pioniere

Eines der Hauptprobleme beim Online-Shopping ist, dass Verbraucher Produkte nicht anfassen, fühlen und erleben kann. Dieses Problem ist bei Modeprodukten noch schwieriger, da die richtige Passform für die Kaufentscheidung auschlaggebend ist. Die virtuelle Umkleide (Virtual Fitting Room, VFR), eine Technologie, die es den Verbrauchern ermöglicht, Größe und Passform zu testen, ohne die Kleidung anprobieren zu müssen, räumt mit dieser Sorge auf.

Was ist eine virtuelle Umkleide (VFR)?
Eine virtuelle Umkleide (VFR) ist eine Funktion, die das Outfit eines Kunden anzeigt und visualisiert, ohne dass er die Artikel physisch anprobieren und anfassen muss. VFR nutzt erweiterte Realität (Augmented Reality, AR) und künstliche Intelligenz (KI). Bei der Verwendung von AR für virtuelle Umkleiden scannt eine Webcam die Körperform der Kunden und erstellt ein 360-Grad-3D-Modell auf der Grundlage ihrer Körperform.

Eines der Hauptprobleme beim Online-Shopping ist, dass Verbraucher Produkte nicht anfassen, fühlen und erleben kann. Dieses Problem ist bei Modeprodukten noch schwieriger, da die richtige Passform für die Kaufentscheidung auschlaggebend ist. Die virtuelle Umkleide (Virtual Fitting Room, VFR), eine Technologie, die es den Verbrauchern ermöglicht, Größe und Passform zu testen, ohne die Kleidung anprobieren zu müssen, räumt mit dieser Sorge auf.

Was ist eine virtuelle Umkleide (VFR)?
Eine virtuelle Umkleide (VFR) ist eine Funktion, die das Outfit eines Kunden anzeigt und visualisiert, ohne dass er die Artikel physisch anprobieren und anfassen muss. VFR nutzt erweiterte Realität (Augmented Reality, AR) und künstliche Intelligenz (KI). Bei der Verwendung von AR für virtuelle Umkleiden scannt eine Webcam die Körperform der Kunden und erstellt ein 360-Grad-3D-Modell auf der Grundlage ihrer Körperform.

KI unterstützt VFR außerdem durch die Verwendung von Algorithmen und maschinellem Lernen, um ein 3D-Ganzkörpermodell eines vor der Kamera stehenden Käufers zu erstellen. Eine Kombination aus AR- und KI-Technologie ermöglicht es, Artikel auf Echtzeitbildern als Live-Video zu platzieren, sodass Kunden die Größe, den Stil und die Passform der Produkte, die sie kaufen möchten, überprüfen können.

Die Kunden können Kleidung und Schuhe zu Hause anprobieren, ohne ein Geschäft zu besuchen. Dazu müssen sie zunächst sicherstellen, dass sich die richtigen Einstellungen auf ihrem Telefon finden. Dann laden sie die mobilen Anwendungen einer Marke mit der Funktion VFR herunter oder besuchen die Websites von Bekleidungsmarken, die diese Funktion unterstützen, und laden dann ein Foto ihrer Körperform hoch. Bei einigen Marken können die Kunden einen Avatar mit ihrer Körperform erstellen, um die Modeartikel virtuell zu testen, anstatt ein Foto von sich selbst hochzuladen.

Welchen Nutzen hat der Einsatz einer virtuellen Umkleide für Modehändler?

  • Bietet ein bequemes Einkaufserlebnis
    Eine Studie der National Retail Federation aus dem Jahr 2020 hat ergeben, dass 97 % der Verbraucher einen Einkauf abgebrochen oder die Suche nach dem gewünschten Artikel unterbrochen haben, weil der Vorgang zu umständlich war.
    Die befragten Käufer gaben nicht nur an, dass das persönliche Einkaufen unbequem ist, sondern dass sie das Online-Shopping als noch unbequemer empfinden.
    Mit der VFR entfallen all diese Vorgänge. Die Kunden können in eine virtuelle Umkleide gehen und schnell sehen, wie die Kleidung aussieht, ohne sich umziehen zu müssen.
     
  • Überwindet die Grenzen des Online-Shoppings
    Im Jahr 2017 bevorzugten 62 % der Kunden den Einkauf in physischen Bekleidungsgeschäften, weil sie dort die Produkte sehen, anfassen, fühlen und erleben konnten. Dies war ein großes Problem, das das Online-Shopping nicht lösen konnte.
    VFR löst dieses Problem effektiv. Laut einem Retail Perceptions Report gaben etwa 40 % der Käufer an, dass sie bereit wären, mehr zu bezahlen, wenn sie das Produkt durch AR-Technologie erleben könnten. Durch die Integration neuer Technologien macht VFR das Einkaufen zum Vergnügen und bietet den Kunden ein personalisiertes Einkaufserlebnis, das mehr Menschen in die Online-Kanäle locken kann.
     
  • Reduziert die Rücksendequote
    Hohe Rücksendequoten bereiten den Modemarken große administrative Probleme. Außerdem drohen sie die Gewinne der Modemarken zu schmälern, wenn sie kostenlose Rücksendungen anbieten. 30 % der Rücksendungen beim Einkauf von Mode im elektronischen Handel sind auf den Kauf von Produkten in zu kleinen Größen zurückzuführen, weitere 22 % auf den Kauf von Produkten in zu großen Größen.
    Mit der VFR wird dieses Problem jedoch verringert. Ob im Geschäft oder online, Menschen können Passform und Größe von Artikeln überprüfen, ohne sie selbst tragen zu müssen.

Welche Marken nutzen bereits die VFR-Technologie?
Gucci

Gucci ist die erste Luxusmarke, die VFR einsetzt. Sie hat sich mit Snapchat zusammengetan, um eine AR-Kampagne zur Schuhanprobe zu starten. Dabei wurde eine virtuelle Linse erstellt, die eine digitale Version des Schuhs auf dem Fuß des Käufers überlagert, wenn dieser mit einer Handykamera fotografiert wird.

Zusammen mit dem "Shop Now"-Button, der die Kunden zum Online-Shop führt, erreichte Gucci 18,9 Millionen Snapchat-Nutzer und meldete einen positiven Return on Ad Spend (ROAS), eine Marketing-Kennzahl, die den Umsatz aller für die Kampagne ausgegebenen Werbegelder misst.

Otero Menswear
Otero Menswear ist eine Marke, die sich auf Bekleidung für Männer unter 1,78 m (5'10") konzentriert. Otero hat seinen Online-Shop um die VFR-Software erweitert, um seinen Kunden perfekt passende Größen anbieten zu können. Zunächst werden den Kunden vier kurze Fragen zu ihrer Größe, Beinlänge, Taillenumfang und ihrem Körpertyp gestellt. Dann wird ein virtueller Avatar angeboten, der den Antworten entspricht. Anhand dieses Avatars können die Kunden dann sehen, wie die Otero-Kleidung in verschiedenen Größen an ihnen aussehen würde.

Walmart
Im Mai 2021 kündigte Walmart die Übernahme von Zeekit, einer Plattform für virtuelle Umkleiden, an, um den Kunden während der Pandemie ein verbessertes und soziales Einkaufserlebnis bieten zu können.

Wenn Kunden Bilder von sich selbst hochladen und ihre Körpermaße eingeben, erstellt Zeekit einen virtuellen Körper, den die Kunden dann entsprechend anziehen können. Kunden stellen einfach ihre Fotos ein oder wählen virtuelle Modelle auf der Plattform aus, die am besten zu ihrer Größe, ihrem Körper und ihrem Hautton passen. Sie können ihre virtuelle Kleidung sogar mit anderen teilen, um verschiedene Meinungen einzuholen. Durch die Übernahme von VFR bietet Walmart seinen Kunden ein umfassendes und soziales Erlebnis beim digitalen Einkaufen.

Laut einer Studie von Valuates Reports wird erwartet, dass der Umsatz des globalen Marktes für virtuelle Umkleiden bis 2025 auf 6,5 Millionen Dollar ansteigen wird. Durch die Einführung der VFR werden die Verbraucher in der Lage sein, die Bequemlichkeit einer modernen Einkaufsumgebung zu erleben. Gleichzeitig können Modehändler ihren Online-Umsatz steigern und die Rücksendequote senken, indem sie ihren Kunden mithilfe der VFR-Technologie ein personalisiertes Online-Einkaufserlebnis bieten.

Quelle:

Heekyeong Jo und B. Ellie Jin
Dieser Artikel wurde ursprünglich von Mitgliedern des Wilson College of Textiles' Fashion Textile and Business Excellence Cooperative veröffentlicht

Foto: Wilhelm-Lorch-Stiftung.
11.08.2020

Fordern und Fördern - Nachwuchsqualifizierung im Namen der Wilhelm-Lorch-Stiftung

  • Interview mit Klaus Kottmeier, Elke Giese, Markus Gotta, Prof. Dr.-Ing. habil. Maike Rabe

Im Juni 1988 stellten Gesellschafter und Geschäftsführung des Deutschen Fachverlages der Branche die Wilhelm-Lorch-Stiftung vor. Ihr Zweck ist die Förderung der Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe sowie die Förderung von Wissenschaft und Forschung.

Bei ihrer Gründung mit einem Vermögensstock von 300.000 DM ausgestattet, beträgt das Stiftungsvermögen inzwischen mehr als 2,85 Millionen Euro (Stand Dezember 2019). Seit 1988 wurden bis heute Förderpreise von rund 1.933.564 Euro (Stand Juni 2020) verliehen, um so die Aus- und Fortbildung junger Menschen aus allen Bereichen der Textilwirtschaft zu unterstützen, wobei insbesondere begabte Nachwuchskräfte im Fokus stehen.

  • Interview mit Klaus Kottmeier, Elke Giese, Markus Gotta, Prof. Dr.-Ing. habil. Maike Rabe

Im Juni 1988 stellten Gesellschafter und Geschäftsführung des Deutschen Fachverlages der Branche die Wilhelm-Lorch-Stiftung vor. Ihr Zweck ist die Förderung der Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe sowie die Förderung von Wissenschaft und Forschung.

Bei ihrer Gründung mit einem Vermögensstock von 300.000 DM ausgestattet, beträgt das Stiftungsvermögen inzwischen mehr als 2,85 Millionen Euro (Stand Dezember 2019). Seit 1988 wurden bis heute Förderpreise von rund 1.933.564 Euro (Stand Juni 2020) verliehen, um so die Aus- und Fortbildung junger Menschen aus allen Bereichen der Textilwirtschaft zu unterstützen, wobei insbesondere begabte Nachwuchskräfte im Fokus stehen.

Textination sprach mit dem ehemaligen Aufsichtsrat der Deutscher Fachverlag GmbH, dem aktuellen Vorstand und Gründungsmitglied der Stiftung, Klaus Kottmeier, sowie drei Kuratoriumsmitgliedern: Frau Elke Giese – Trendanalystin und Modejournalistin, Markus Gotta, Geschäftsführer der Deutscher Fachverlag GmbH, sowie Frau Prof. Dr.-Ing. habil. Maike Rabe, die zum 1. September 2020 den Vorsitz des Stiftungsrates übernimmt, über die herausfordernde Aufgabe, in einem von der Pandemie geprägten Umfeld die Stiftungsarbeit erfolgreich weiterzuführen..

Die Zahl 3 scheint eine ganz besondere Rolle für die Wilhelm-Lorch-Stiftung (WLS) zu spielen. 1988 wurde sie anlässlich des 30. Forums der TextilWirtschaft vorgestellt und bei ihrer Gründung mit einem Vermögen von 300.000 DM ausgestattet. 2019 jährte sich die Verleihung der Förderpreise zum 30. Mal. Wenn Sie jemandem, der die Stiftung nicht kennt, die WLS in 100 Worten vorstellen müssten: Welche 3 Aspekte haben sie besonders in der Entwicklung beeinflusst und einzigartig gemacht?

Klaus Kottmeier: In den nunmehr als 30 Jahren hat die WLS von Beginn an eine großartige Unterstützung der Branche erfahren, die bis heute anhält und sich nicht nur in der finanziellen Förderung durch großzügige Zuwendungen, sondern vor allem auch durch tatkräftiges Engagement vieler Branchengrößen in Stiftungsrat und Kuratorium zeigt. Ein zweiter Aspekt ist die einzigartige Bandbreite in den Themen der Förderung, die sich über Design, Wirtschaft und Technik erstreckt und dabei junge Talente im Handel als auch Hochschulabsolventen erfasst und zudem aber auch Bildungseinrichtungen selbst einbezieht. Und Drittens, die Motivation der vielen Bewerber, die wir jedes Jahr erleben und die mit unglaublichem Fleiß ihre Bewerbungsarbeiten erstellen und damit eindrucksvoll ihre Leistungsbereitschaft unter Beweis stellen.

 

Der Name der Stiftung ist eine Hommage an den 1966 verstorbenen Verleger und Gründer der Fachzeitschrift TextilWirtschaft und damit des Deutschen Fachverlags, Wilhelm Lorch. Welche seiner Eigenschaften und Charakterzüge sehen Sie noch heute als beispielgebend für den Nachwuchs in unserer Branche?   

Klaus Kottmeier: Wir sind ein verlegerisches Medienhaus, in dem professioneller Journalismus auf fundierten Recherchegrundlagen immer die Basis darstellt. Damit verbunden sind klassische Werte wie unternehmerischer Mut und Wille, Fleiß und Disziplin, aber auch Verantwortungsbewußtsein und Teamgeist, die von unserem Gründer vorgelebt wurden und auch heute die Kultur unseres Hauses ausmachen. Alles Eigenschaften, die junge Menschen beherzigen sollten und die gepaart mit Leidenschaft für den Beruf den weiteren Weg fördern.

 

Laut Satzung liegt der Stiftungszweck primär in der Vergabe „…von Auszeichnungen und Preisen an Absolventen der Fortbildungsschulen des deutschen Textileinzelhandels, der textiltechnischen Ausbildungsstätten sowie […] für Studienabschluss- oder Doktorarbeiten aus dem Hochschulbereich, soweit sich diese mit Textilthemen beschäftigen.“ Wie national beziehungsweise international arbeitet die WLS?

Prof. Maike Rabe: Die Preise gehen vorwiegend an Absolventen und Bewerber aus Deutschland und dem deutschsprachigen Raum, aber es sind auch immer wieder Talente aus Europa dabei, die in enger Verbindung zum deutschen Markt stehen.

Markus Gotta: Der Fokus liegt eindeutig auf den Kernmarkt Deutschland bzw. DACH, den wir mit der TW publizistisch abdecken – entsprechend machen wir keine internationale Ausschreibung, aber es gibt auch keinen Ausschluss für ausländische Bewerber, einzige Voraussetzung, die eingereichten Arbeiten und Gutachten müssen in Deutsch oder Englisch abgefasst sein.

 

In den jetzt 31 Jahren, in denen die Stiftung Menschen, Projekte und Arbeiten auszeichnet,  haben Sie viele junge Nachwuchskräfte getroffen, die unsere Branche bewegt haben oder sicherlich bewegen werden. Gibt es ungewöhnliche Geschichten oder besondere Preisträger, die Ihnen im Gedächtnis geblieben sind? Und wie schätzen Sie die Entwicklung des Ausbildungsniveaus der Bewerber im Laufe der Jahre ein?

Elke Giese: Die Bewerber(innen) kommen aus ganz unterschiedlichen Schulen bzw. Hochschulen, die sich in ihrer Profilierung und ihren Schwerpunkten deutlich unterscheiden. Insbesondere durch die zunehmende Digitalisierung sind die Anforderungen an die Lehre enorm gewachsen. Da sich die Berufsbilder im Modebusiness zudem ständig verändern und auch in Zukunft einem starken Wandel unterworfen sein werden, bleiben die Herausforderungen an Schulen und an Studierende sehr hoch.
Aus jedem Jahrgang bleiben einem besonders talentierte und kreative Persönlichkeiten in Erinnerung. Um eine zu nennen, Elisa Paulina Herrmann aus Pforzheim, die 2017 und 2019 mit Bachelor- bzw. dann Masterarbeit gleich zweimal zu den Preisträgerinnen gehörte. Ihr Können und ihre Originalität waren für das Kuratorium überwältigend. Mittlerweile erstellt sie für Gucci ausgewählte Strick-Kollektionen. Unter den jungen Männern ist Niels Holger Wien zu nennen, der bereits 1995 die Förderung der WLS erhalten hat. Er ist seit vielen Jahren der Spezialist für Farbtrends und Zeitgeist des Deutschen Mode Instituts und aktuell Präsident des weltweit wichtigsten Farbgremiums INTERCOLOR.

Klaus Kottmeier: Es gibt viele Preisträger, die anschließend eine große Karriere genommen haben, um nur einen beispielhaft zu nennen, Dr. Oliver Pabst, heutiger CEO der Mammut Sports Group AG und WLS-Preisträger im Jahr 1994.

 

Durch die Nähe zur TextilWirtschaft assoziiert man die Stiftung primär mit Fashiondesign und Themen aus der Bekleidungsproduktion oder -vermarktung. 2020 haben Sie mit zwei Projektförderungen Smart Textiles ins virtuelle Scheinwerferlicht gestellt. Wie sehen Sie künftig Themen aus dem Bereich technische Textilien? Können Sie sich dort einen neuen Schwerpunkt vorstellen?

Prof. Maike Rabe: Vorweg, die WLS fördert begabte junge Persönlichkeiten, die aufgrund ihrer Ausbildung in der gesamten Textil- und Bekleidungswirtschaft beruflich tätig werden können. Dazu gehört natürlich auch der Bereich technische Textilien, der in Deutschland in Bezug auf die Produktion eine sehr hohe Bedeutung hat und dabei als Standort technologisch führend ist. Hier sind die Grenzen zur Bekleidung fließend, denken Sie nur an Outdoor- oder Sportartikel.     „    

Klaus Kottmeier: Unser hervorragend besetztes Kuratorium ist offen für sämtliche innovativen Themen der Branche. Dabei sind gerade Innovationen aus dem Bereich technischer Textilien wichtige Zukunftsthemen. So ging 2017 der Förderpreis an die Anna-Siemsen-Schule, berufsbildende Schule für Textiltechnik und Bekleidung in Hannover, über den wir die Beschaffung einer  Schnittkonstruktionssoftware unterstützt haben.

 

Die Wilhelm-Lorch-Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, qualifizierten Branchennachwuchs in der Textil- und Modebranche zu fördern. Eine Förderung zur Existenzgründung schließen Sie jedoch aus. In Zeiten, in denen Start-ups nicht nur durch entsprechende TV-Formate, sondern auch durch Branchenverbände zunehmend Aufmerksamkeit erfahren, muss das Gründe haben. Worin liegen diese und wie schätzen Sie die künftigen Perspektiven ein?

Klaus Kottmeier: Eine Förderung zur Existenzgründung schließt sich durch §2 unserer Satzung aus, in dem der Stiftungszweck festgelegt ist. Die WLS hat sich ausschließlich dem gemeinnützigen Zweck verschrieben. Eine Förderung von Start-ups und Existenzgründungen würde dem widersprechen. Wir konzentrieren uns daher voll und ganz auf die Weiterbildung des Branchennachwuchses bzw. der Förderung von Bildungsinstitutionen, wovon wiederum die gesamte Branche profitiert.

Prof. Maike Rabe: Die Förderung der WLS zielt darauf ab, die Fähigkeit von Absolventen und    jungen Talenten aus der Branche weiter zu entwickeln. Diese sollen sich spezifisch fortbilden, eventuell einen weiteren akademischen Abschluss erringen und auch fachübergreifend dazu lernen. All dies kommt der Branche insgesamt zugute und das ist unser striktes Ziel.


          
Die Stiftung fördert ebenfalls die Aus- und Weiterbildung von jungen begabten Nachwuchskräften, die bereits im Textileinzelhandel tätig sind. Fördermittel stehen zur Abdeckung von Kurs- oder Studiengebühren für eine Weiterqualifizierung zur Verfügung. Die durch den Lockdown während der Pandemie erforderliche Schließung der Geschäfte hat den stationären Einzelhandel schwer getroffen, und auch heute sind wir von einem regulären Geschäftsbetrieb noch Meilen entfernt. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund gezielte Fördermöglichkeiten für Weiterbildungen im E-Commerce-Bereich?

Markus Gotta: Die Themen stationärer Einzelhandel und E-Commerce lassen sich doch nicht wirklich trennen, beides gehört heute längst zu den grundsätzlichen Anforderungen im Modevertrieb und damit auch zu den Themen der Aus- und Weiterbildung insgesamt.
 
Prof. Maike Rabe: E-Commerce ist aus unserer Branche nicht wegzudenken und spiegelt sich natürlich in vielen Förderungen wider. Die Nachwuchskräfte dürfen selber Vorschläge machen, wo und wie sie sich fortbilden möchten. Wir unterstützen das. Ganz besonders möchten wir aber auch die Verbindung von stationärem und digitalen Handel stärken, zu beiden Absatzkanälen gibt es wunderbare Konzepte unserer Preisträgerinnen und Preisträger, natürlich auch in der Kombination.

 

Neue Wege zu gehen bedeutet Entscheidungsfreudigkeit, Überwindung von Ängsten - und damit auch Mut zum Scheitern. Nicht jedes Projekt kann gelingen. Über welche Entscheidungen sind Sie bei Ihrer Stiftungsarbeit im Nachhinein besonders froh, sie getroffen zu haben?

Markus Gotta: Dass wir das Projekt der Summer School im vergangenen Jahr durchgeführt haben. Damit haben wir quasi Neuland mit der Stiftung betreten, und dies in Kooperation mit der Hochschule Niederrhein sehr erfolgreich.

Elke Giese: Gerade im Bereich Design und Kreation kommt es darauf an, aus der vorliegenden Arbeit und den Informationen eines Bewerbers auch dessen künftiges kreatives Potential zu erkennen. Ich freue mich daher immer besonders, wenn das Kuratorium mutige und progressive Entscheidungen getroffen hat.   

 

Die Wilhelm-Lorch-Stiftung bietet Hochschulen und Bildungseinrichtungen Projektförderungen in Höhe von 10.000 €. Sie machen da keine thematischen Einschränkungen, sondern verlangen lediglich, dass ein deutlicher Bezug zur nachhaltigen Weiterbildung des jungen Nachwuchses der Textil- und Modebranche bestehen muss. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie abschließend, welches Projekt gefördert wird?

Elke Giese: Ein Kriterium ist die Relevanz für die zukünftigen Entwicklungen in der Textil- und Modebranche. Projekte der letzten Jahre ermöglichten Schulen und Bildungseinrichtungen beispielsweise die Ausbildung an Lasercuttern, 3-D-Druckern, aber auch die Anschaffung moderner Strickmaschinen bzw. Softwareprogramme.

Prof. Maike Rabe: Alle eingereichten Projekte werden von den Fachexperten der Jury sehr streng in einem Punktesystem bewertet. Daraus entsteht eine engere Auswahl, die dem Kuratorium vorgestellt und von diesem intensiv diskutiert wird. Wichtigste Kriterien sind nachhaltige Vermittlung innovativer Lerninhalte, praxisnahe Ausbildung und die Umsetzbarkeit des eingereichten Projektes.

 

Für Nachhaltigkeit gibt es die verschiedensten Definitionen. Kunden erwarten unter diesem Begriff alles – von Klimaschutz bis Ökologie, von Vor-Ort-Produktion in der Region bis zum Ausschluss von Kinderarbeit usw. Das öffentliche Beschaffungswesen stellt zunehmend auf nachhaltige Textilien um. Was bedeutet das für die WLS, und was tun Sie, um nachhaltiges Denken und Agieren nicht nur bei Nachwuchskräften zu fördern?

Prof. Maike Rabe: In der Stiftung orientieren wir uns bei dem Begriff „Nachhaltigkeit“ am Bericht der Vereinten Nationen, Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, der so genannten Brundtland-Kommission von 1987: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ Die Textil- und Bekleidungswirtschaft spielt als global enorm vernetzte Branche mit komplexen Lieferketten eine Vorreiterrolle, die auf jeden Fall auch eine Vorbildrolle einnehmen sollte. Wir legen deshalb bei allen Preisträgern darauf wert, dass sie diese Kriterien beachten, und versuchen zugleich, Personen, die mit ihren Arbeiten und ihrem Handeln Verbesserungsvorschläge bieten oder gar Verbesserungen schon durchführen, eine Plattform zu geben.

 

Virtuell statt Red Carpet: Üblicherweise werden die Förderpreise im festlichen Rahmen des Forums der TextilWirtschaft verliehen. 2020 konnte es aufgrund der Covid-19 „nur“ eine digitale Version in Form eines Kurzfilms geben. Für wie wichtig erachten Sie Vernetzungsmöglichkeiten, die sich in der Begegnung mit einflussreichen Persönlichkeiten ergeben? Oder hat sich ein solches Format in Zeiten der Videokonferenzen überholt?

Prof. Maike Rabe: Es ist sicherlich beachtlich, was digitale Veranstaltungsformate leisten können. Eines funktioniert dabei aber nicht: Spontanität, persönlicher Kontakt und Nähe. So ist es wirklich schade, dass das Forum in diesem Jahr coronabedingt ausfallen musste. Gerade für Berufseinsteiger ist die Chance auf direkte Vernetzung von großem Wert.

Markus Gotta: Das Bedürfnis nach persönlichem Austausch und Treffen wird auch in Zukunft von großer Bedeutung und Nachfrage sein. Und ich kann an dieser Stelle sagen: Schon jetzt arbeiten wir an den Planungen für das TW Forum 2021 als Live- und Begegnungs-Event mit den Top-Entscheidern der Branche.

 

Auf welchen gesellschaftlich relevanten Themenfeldern sehen Sie in den nächsten fünf Jahren besonders großen Innovations- und Handlungsbedarf? Wie ist Ihre Einschätzung, dass Förderungen – beispielsweise durch die Wilhelm-Lorch-Stiftung - dabei gezielt Lösungsansätze unterstützen können? Und welche Rolle spielen bei dieser Einschätzung die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie?

Prof. Maike Rabe: Wir denken nicht in Fünfjahreszeiträumen, die heutige Zeit erfordert eine viel größere Agilität – das gilt für die Stiftung genauso wie für die gesamte Branche. Wir richten uns da-her mit jeder Preisvergabe wieder neu an aktuellen Themen aus. Dabei werden Themen wie Ästhetik, Funktion, Innovation weiterhin eine große Rolle spielen, ebenso Qualität statt Quantität, ökosoziale Gerechtigkeit und Kundenbindung. Wichtig ist aber auch, dass unsere stark vom Mittel-stand getragene Wirtschaft in der Öffentlichkeit und in der Politik deutlich wahrgenommen wird, da-ran müssen wir noch arbeiten.

Klaus Kottmeier: Dem Schluss-Statement von Frau Prof. Rabe schließe ich mich gerne an. Agilität ist auch in einem Medienhaus wie unserem von großer Bedeutung. Wir leben in einem ständigen Transformationsprozess mit steten Veränderungen, denen es zu begegnen gilt. Die Corona-Pandemie hat uns sehr eindrucksvoll vor Augen geführt, wie schnell ursprüngliche Planungen zur Makulatur werden können. Heute und auch in Zukunft mehr als jemals zuvor ist ständige Verände-rungsbereitschaft gefordert, das gilt für uns aber auch für unsere hoffnungsvollen Nachwuchskräfte.

Das Interview führte Ines Chucholowius,
Geschäftsführerin der Textination GmbH

Foto: Pixabay
29.05.2018

ITALIENISCHE MODEINDUSTRIE AUF INNOVATIONSKURS

  • Digitalisierung und Nachhaltigkeit stehen im Fokus

Mailand (GTAI) - Die italienische Modebranche befindet sich im Wandel. Die Digitalisierung der Produktion und das Wachstum im Onlinehandel forcieren ein Umdenken in der traditionellen Branche. Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt immer mehr an Bedeutung. Vor diesem Hintergrund investieren italienische Modehäuser zunehmend in ihre Zukunftsstrategien. Deutsche Unternehmen haben gute Geschäftsmöglichkeiten als Technologiepartner.

Die italienische Modeindustrie gehört zu den Kernbranchen der italienischen Wirtschaft. Im Jahr 2017 konnte der Sektor den Umsatz um 2,4 Prozent auf 54,1 Milliarden Euro steigern, das berichtet der Branchenverband Confindustria Moda. Für 2018 erwartet der Verband einen weiteren Zuwachs von 2,6 Prozent auf 55,4 Milliarden Euro. Bis 2020 soll die Marke von 60 Milliarden Euro übertroffen werden.
 

  • Digitalisierung und Nachhaltigkeit stehen im Fokus

Mailand (GTAI) - Die italienische Modebranche befindet sich im Wandel. Die Digitalisierung der Produktion und das Wachstum im Onlinehandel forcieren ein Umdenken in der traditionellen Branche. Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt immer mehr an Bedeutung. Vor diesem Hintergrund investieren italienische Modehäuser zunehmend in ihre Zukunftsstrategien. Deutsche Unternehmen haben gute Geschäftsmöglichkeiten als Technologiepartner.

Die italienische Modeindustrie gehört zu den Kernbranchen der italienischen Wirtschaft. Im Jahr 2017 konnte der Sektor den Umsatz um 2,4 Prozent auf 54,1 Milliarden Euro steigern, das berichtet der Branchenverband Confindustria Moda. Für 2018 erwartet der Verband einen weiteren Zuwachs von 2,6 Prozent auf 55,4 Milliarden Euro. Bis 2020 soll die Marke von 60 Milliarden Euro übertroffen werden.
 
Doch die Branche entwickelt sich uneinheitlich. Seit Jahren stagniert der Umsatz von Vorprodukten wie Stoffen, während der Verkauf von Endprodukten wie Bekleidung, Schuhen und Taschen zulegt. Im Jahr 2017 konnten beide Sparten wachsen. Dabei bleiben Endprodukte (+2,9 Prozent) weiterhin erfolgreicher als Vorprodukte (+2,2 Prozent).
Grund für die positive Entwicklung der Modeindustrie in den vergangenen Jahren ist vor allem die starke Exportnachfrage nach italienischen Produkten. Im Jahr 2017 sind die Ausfuhren insgesamt um 3,5 Prozent gestiegen und konnten zum ersten Mal die Marke von 30 Milliarden Euro übersteigen.

Exportschlager sind vor allem Bekleidung (ein Drittel der Modeausfuhren), Lederwaren (circa 20 Prozent) und Schuhe (circa 18 Prozent), gefolgt von Stoffen (9 Prozent) und Wohntextilien (9 Prozent). Sorgen bereitet Branchenvertretern die Entwicklung in wichtigen Absatzmärkten. Exporte in die USA und nach Japan waren 2017 rückläufig, die steigende Nachfrage aus China und Russland konnte diese Verluste nicht ausgleichen.

Modeimporte steigen deutlich
Im Inland stagnierte die Nachfrage nach Mode im Jahr 2017. Gleichzeitig wurden deutlich mehr Vorprodukte aus Fernost und Endprodukte aus den Industrieländern importiert. Insgesamt legten die Einfuhren 2017 um 2,2 Prozent auf 21,1 Mrd. Euro zu, 2018 erwartet Confindustria ein weiteres Plus von 2,4 Prozent.

Deutschland gehört zu den wichtigsten Absatzmärkten italienischer Modehersteller, besonders beliebt bei deutschen Kundinnen sind italienische Schuhe und Taschen. Im Gegenzug rangierte Deutschland als Lieferland 2017 mit Importen im Wert von 1,3 Milliarden Euro (plus 4,1 Prozent) auf Platz vier, hinter China, Frankreich und Spanien. Circa die Hälfte der deutschen Modeeinfuhr entfällt auf Bekleidung, die andere Hälfte auf Textilien. Deutschland ist ein wichtiger Zulieferer von technischen Textilien, unter anderem für Sportartikel und für die Kfz-Branche.

Viele Unternehmen verstärken ihre Online-präsenz    
Die Digitalisierung der italienischen Industrie macht auch vor der Modebranche nicht halt. Dank neuer Technologien können traditionelle Hersteller ihre Kunden zunehmend ohne Zwischenhändler direkt erreichen. Wie gut das funktioniert, hat das italienische Start-up Yoox, ein Luxus-Mode-Onlinehändler, vorgemacht. Nach der Gründung im Jahr 2000 folgte 2015 die Fusion mit der französischen Online-Modegesellschaft und starken Konkurrentin Net-a-Porter. Inzwischen ist die Gruppe in 180 Ländern aktiv und konnte 2017 Umsätze in Höhe von 2,1 Milliarden Euro erzielen.
Viele Unternehmen verstärken ihre Onlinepräsenz und nutzen ihre Läden vor allem als Schaufenster, um Marken oder neue Kollektion bekannt zu machen. Das Unternehmen Beste mit der noch neuen Marke für Männer Monobi ist ein aktuelles Beispiel. Die traditionellen Modehäuser Loro Piana und Zegna sind bereits seit einigen Jahren in dieser Richtung aktiv.

Industrie 4.0 setzt Impulse
Die Digitalisierung ermöglicht Modehäusern auch neue Produktionsprozesse. Die Vernetzung von Maschinen verringert Produktionszeiten, erhöht die Effizienz, und reduziert den Strom- und Wasserverbrauch. Zudem haben Hersteller die Möglichkeit, maßgeschneiderte Lösungen anzubieten. Die Digitalisierung sorgt über Just-in-Time Konzepte auch dafür, dass Lagerbestände und Verkaufsflächen reduziert werden können, was zu sinkenden Kosten führt.

Bekannte italienische Modehäuser investieren kräftig in die Zukunft. Der Luxuskonzern Gucci hat circa 100 Millionen Euro in ein neues Innovationszentrum, das sogenannte ArtLab, im Großraum Florenz, investiert. Das Unternehmen Beste hat zwei Forschungsprojekte im Bereich Industrie 4.0 gestartet. Im Mittelpunkt der Forschung steht die Entwicklung neuer, umweltfreundlicher Stoffe sowie die Entwicklung einer digitalen Plattform für die Projektierung, Produktion und Distribution von Bekleidungsstücken.

Nachhaltigkeit wird zunehmend zum Verkaufsargument
Auch das Thema Nachhaltigkeit gewinnt immer mehr an Bedeutung. So organisiert die Nationale Kammer für italienische Mode (CNMI) Diskussionsrunden zum Thema. Das Modehaus Ferragamo hat einen Nachhaltigkeitsplan vorgestellt, der die Reduktion der Treibhausgasemissionen sowie des Energieverbrauchs vorsieht. Eine neue Entwicklung von Ferragamo ist auch ein nachhaltiger Stoff aus Orangenschalen.

Gucci, Armani, Bulgari, die Liste der weltbekannten italienischen Modekonzerne ist lang. Gleichzeitig gibt es in Italien aber auch eine große Zahl von kleinen und kleinsten Branchenfirmen. Im Jahr 2017 betrug die durchschnittlich Mitarbeiterzahl der Betriebe 9 Beschäftigte. Auch kleine und mittelgroße Betriebe setzten auf Nachhaltigkeit.

Für entsprechende Investitionen stellt die italienische Großbank Unicredit zusammen mit der Europäischen Investitionsbank zinsgünstige Kredite für kleine und mittlere Modeunternehmen (bis zu 250 Mitarbeiter) zur Verfügung. Ähnliche Programme stellt die Großbank Intesa Sanpaolo bereit.

Quelle:

Robert Scheid, Germany Trade & Invest www.gtai.de

Chinas Modedesigner werden international erfolgreicher @Martina Böhner/ pixelio.de
04.07.2017

CHINAS MODEDESIGNER MACHEN IMPORTKLEIDUNG KONKURRENZ

  • Chinesische Modefirmen werden kreativer und arbeiten an Markenbildung
  • Deutsche Mode hat es schwerer

Beijing (GTAI) - Chinesische Mode steht im Ruf, wenig kreativ und von schlechter Qualität zu sein. Anerkannte Marken sind selten. Doch dies ändert sich. Immer mehr lokalen Designern gelingt es, sich national und international einen Namen zu machen. Vor diesem Hintergrund dürfte es für Importbekleidung künftig schwieriger werden, im chinesischen Markt Fuß zu fassen. Chinesische Designer treffen mit einer Mischung aus westlichen und chinesischen Elementen den lokalen Geschmack.

  • Chinesische Modefirmen werden kreativer und arbeiten an Markenbildung
  • Deutsche Mode hat es schwerer

Beijing (GTAI) - Chinesische Mode steht im Ruf, wenig kreativ und von schlechter Qualität zu sein. Anerkannte Marken sind selten. Doch dies ändert sich. Immer mehr lokalen Designern gelingt es, sich national und international einen Namen zu machen. Vor diesem Hintergrund dürfte es für Importbekleidung künftig schwieriger werden, im chinesischen Markt Fuß zu fassen. Chinesische Designer treffen mit einer Mischung aus westlichen und chinesischen Elementen den lokalen Geschmack.

Beim Kleiderkauf gab es für chinesische Kunden über Jahrzehnte hinweg meist nur zwei Alternativen - sich entweder mit billiger heimischer Massenware zufriedenzugeben oder viel Geld für ein Importprodukt auszugeben. Zuerst kamen die luxuriösen Marken insbesondere aus Italien und Frankreich, mit denen sich Chinas neue Millionäre schmückten, dann eröffneten zunehmend Geschäfte, die sich an die wachsende Mittelklasse richteten und in denen sich beispielsweise auch deutsche Businesskleidung gut verkaufte.

Doch die lokale Konkurrenz schläft nicht. Angesichts des massiven Kostendrucks, dem sich die chinesische Textil- und Bekleidungsindustrie ausgesetzt sieht, stehen viele Firmen jetzt vor der Entscheidung: besser werden oder gehen. Wer bleibt, muss seine Produktion und seine Erzeugnisse so umstellen, dass sie den anspruchsvoller werdenden Kunden insbesondere im Inland gerecht werden. Hierzu gehört die Positionierung eigener Marken. Diesen Weg beschreitet gegenwärtig beispielsweise die Dongrong Group aus der Inneren Mongolei. Sie wurde mit Auftragsproduktion von Kaschmirwaren für namhafte britische und italienische Modelabels groß und verkauft nun eigenes Design unter eigenem Label ("Dongli") in eigenen Geschäften.

Der eigene Laden - oder noch besser direkt mehrere - sind der Traum der meisten jungen chinesischen Modeschöpfer, die sich zunehmend vor Ort einen Namen machen. Dies hat nicht zuletzt mit der aus deutscher Sicht ungewohnten Einzelhandelsstruktur in der VR China zu tun. Den für Deutschland typischen Bekleidungseinzelhändler mit mehreren Marken im Sortiment gibt es quasi nicht. Stattdessen dominieren Mono-Brand-Geschäfte - entweder als Einzelläden oder in den großen Malls als untervermietete Ladenflächen.

Zwar haben die chinesischen Firmen in Sachen Markenbildung und Qualität einiges aufzuholen. Selbst die Bekanntheit wichtiger chinesischer Anbieter beschränkt sich in der Regel auf lokale Käufer. Für das Gros europäischer Kunden sind sie dagegen kein Begriff. Doch auch dies ändert sich nach Ansicht von Brancheninsidern. Denn selbst international wächst die Zahl erfolgreicher chinesischer Modeschöpfer und Unternehmen.

Trotz Defiziten im Kreativbereich und im Branding wächst die Szene und findet einen immer größeren Kundenkreis. Entsprechend wird es insbesondere für deutsche Mode schwieriger, die in der Regel nicht mit dem Glamour der italienischen oder französischen Konkurrenz mithalten kann. Zwar gibt es mehr Chinesen, die in der Lage sind, für gute Mode tiefer in die Tasche zu greifen, aber eben auch ein größeres lokales Angebot, das sich preislich an ausländischen Marken orientiert und den chinesischen Geschmack mit einer gekonnten Mischung aus westlichen und chinesischen Anklängen trifft.   

Chinesische Importe von Bekleidung *) (in Mio. US$, Veränderung im Vergleich zum Vorjahresquartal in %)
  2014 2015 2016 1. Quartal 2017 Veränderung
Kleidung und Bekleidungszubehör 5.626,1 6.018,0 5.947,5 1.490,8 8,6
aus Deutschland 5,8 6,7 6,2 1,2 -9,8

 *) HSPos. 61+62
Quelle: China Customs; Berechnungen von Germany Trade & Invest

Chinas Modedesigner werden international erfolgreicher

Viele der neuen chinesischen Modedesigner haben im Ausland studiert, gearbeitet und/oder mit ausländischen Designern kooperiert und verbinden nun typisch chinesische mit modernen westlichen Bekleidungselementen und Schnitten. Mit ihren Entwürfen stoßen sie dabei nicht nur auf den einschlägigen Modewochen im Ausland auf Interesse, sondern werden auch in China zunehmend gekauft.

Vorreiterinnen sind die Modeschöpferin Ma Ke ("Wuyong", "Mixmind"), die die Kleidung für Chinas elegante First Lady Peng Liyun entwirft, oder die in Paris ansässige Guo Pei, welche das Time Magazin 2016 zu einer der 100 einflussreichsten Personen der Welt kürte. Nach deren Vorbild hat sich inzwischen eine Vielzahl von Modedesignern und -designerinnen einen mehr oder weniger bekannten Namen erarbeitet.  

Zu den neuen Labels gehören etwa die Eve Group aus Beijing oder ANNDERSTAND (gegründet von Yu Ge, die bereits bei Louis Vuitton und Gucci Erfahrungen sammeln konnte) aus Shanghai. Mit maßgeschneiderten Modellen von Yu Ge schaffte es die Unterwäschemarke AtoG Lingerie (Gründer: Zhou Yingying) sogar auf die Modewochen in London, New York, Mailand und Paris. Gefragt sind sie besonders bei der Mittel- und Oberschicht. Diese Bevölkerungsgruppen sind nicht selten auf der Suche nach einer modernen, nationalen Identität und möchten sich gerne individuell und edel kleiden - abseits der ohnehin für viele noch unerschwinglichen großen Marken aus Frankreich oder Italien, die aber dessen ungeachtet mittlerweile in den chinesischen Metropolen fast "an jeder Ecke" zu haben sind.

Rückbesinnung auf alte Traditionen

Gefragt sind beispielsweise exquisite Neuauflagen des chinesischen Etuikleides (Qipao) - etwa von HanartQipao aus Shanghai. Gründer Zhou Zhuguang ist überzeugt: "Der Qipao ist die Zukunft und vielleicht auch der Beginn einer chinesischen Haute-Couture." Die Preise eines Hanart-Kleides bewegen sich zwischen 3.800 und 60.000 Renminbi Yuan (RMB; umgerechnet circa 570 bis 9.030 US$; 1 US$ = circa 6,642 RMB, Jahresdurchschnittskurs 2016). Die Käufer haben sich oft einen verfeinerten chinesischen Lebensstil zu eigen gemacht - einschließlich Teetrinken, Gedichte rezitieren und das Sammeln chinesischer Antiquitäten.

Beliebt ist auch die Rückbesinnung auf Dekorelemente nationaler Minderheiten wie die aufwendige Stickereikunst der Dong- oder Miao-Nationalität aus Südchina. Hierbei hat sich insbesondere Vimemo (gegründet 2009 von Yu Ying) aus Guizhou verdient gemacht. Vimemo beschäftigt circa 3.000 Stickerinnen und Batikerinnen in Heimarbeit und sorgt dafür, dass Techniken, die mitunter nur noch von wenigen Großmüttern beherrscht werden, nicht aussterben. In diesem Sinne soll 2017 ein Forschungs- und Entwicklungszentrum mit einer Schule aufgebaut werden. Vertrieben werden die sehr hochpreisigen Stücke aus Seide oder Baumwolle in eigenen Geschäften (etwa am Internationalen Flughafen in Beijing) oder über das Internet.

Den Rückgriff auf alte Handwerkstechniken (zum Beispiel das Färben von Stoffen in Yamswurzelextrakt) kombiniert mit nachhaltig erzeugten Materialien und modernen Schnitten verfolgt die chinesische Designerin Su Renli. Weitere vielversprechende Marken mit eigenem Stil sind beispielsweise Zuczug oder Icecle aus Shanghai, die zum Teil auch mit ernst zu nehmender Ökoware auf den Markt kommen.
Trotz des wachsenden Gesundheitsbewusstseins und vielversprechender Ansätze - wie das jüngst gegründete Projekt "Uncover" - fristet nachhaltige Mode in China bislang nur ein Nischendasein. Vor diesem Hintergrund produziert beispielsweise auch die von Miranda Chen und Philipp Langer gegründete Firma Jiaxing Jiecco ("LangerChen") in Zhejiang ihre meist nach dem strengen Global Organic Textile Standard (GOTS) zertifizierten Stoffe in erster Linie für ausländische Kunden. Echte Ökomode oder fair hergestellte Bekleidung ist für die wenigsten Chinesen bisher ein Begriff. "Nach der Diskussion über die Lebensmittelsicherheit wird die Diskussion über gesunde Kleidung folgen", ist Miranda Chen überzeugt. Aber noch ist es nicht soweit.

Stark wachsende Einführung deutscher Mode nach China © Maclatz/ pixelio.de
09.02.2016

STARK WACHSENDE EINFUHREN DEUTSCHER MODE NACH CHINA

  • Volumina noch erheblich ausbaufähig
  • Italien verliert Spitzenposition an Nordkorea

Beijing (gtai) - Chinesische Verbraucher schätzen deutsche Waren vom Auto bis zum Kochtopf. Mode "made in Germany" wird jedoch erst jetzt entdeckt. Deutsche Anbieter profitieren vom guten Image ihres Herkunftslandes - und von der Lust der wachsenden Mittelschicht, sich etwas "Gutes" zu leisten. Lokaler Produktion haftet meist ein eher schlechter Ruf an. Allerdings mangelt es an Präsenz, deutsche Markennamen sind kaum bekannt. Das Verkaufspotential ist trotz hoher Zuwächse bei Weitem nicht ausgeschöpft.

  • Volumina noch erheblich ausbaufähig
  • Italien verliert Spitzenposition an Nordkorea

Beijing (gtai) - Chinesische Verbraucher schätzen deutsche Waren vom Auto bis zum Kochtopf. Mode "made in Germany" wird jedoch erst jetzt entdeckt. Deutsche Anbieter profitieren vom guten Image ihres Herkunftslandes - und von der Lust der wachsenden Mittelschicht, sich etwas "Gutes" zu leisten. Lokaler Produktion haftet meist ein eher schlechter Ruf an. Allerdings mangelt es an Präsenz, deutsche Markennamen sind kaum bekannt. Das Verkaufspotential ist trotz hoher Zuwächse bei Weitem nicht ausgeschöpft.

Deutsche Mode ist in der VR China im Kommen: In den ersten zehn Monaten 2015 legten die chinesischen Bezüge aus Deutschland von gewirkter und gestrickter Kleidung und Bekleidungsstücken (HS-Pos. 61) nach chinesischer Zollstatistik um satte 31,8% und um 5,1% bei anderer Kleidung und Bekleidungszubehör (HS-Pos. 62) zu. Dies ist umso beachtlicher, weil die Gesamteinfuhren für Kleidung im gleichen Zeitraum lediglich um 3,6% wuchsen - und China über alle Branchen hinweg sogar ein stattliches Importminus von 15,7% verbuchte.

Aber ein Absatzvolumen von 5,6 Mio. US$ bei einer Gesamteinfuhr an Produkten dieser HS-Positionen von 4,9 Mrd. $ ist eher vernachlässigbar. In der Tat sind deutsche Modemarken, von wenigen Ausnahmen wie Hugo Boss oder Escada abgesehen, in der VR China bislang kaum sichtbar. Wirklich gut positionieren konnte sich allein Adidas.

Hauptbezugsland für die VR China war bis September 2015 Italien, dessen hochwertige Textilien und Bekleidung überaus geschätzt werden. Es setzte in den ersten zehn Monaten 2015 Branchenerzeugnisse im Wert von 688,7 Mio. $ ab. Allerdings tendieren die italienischen Einfuhren angesichts der anhaltenden Austeritäts- und Antikorruptionspolitik deutlich nach unten (-11,6% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum).

Luxuseinkäufe werden ins Ausland verlagert

Wie die Shanghai Daily im Oktober 2015 schrieb, hätten sich die chinesischen Luxuseinkäufe seit 2012 zu zwei Dritteln ins Ausland verlagert. In Paris, Mailand, London, New York oder Tokyo kaufe es sich anonym und überdies preiswerter ein als auf dem Festland. Zusätzlich sei ein Trend weg von den "quasi überall" erhältlichen "großen Namen" hin zu neuen, weniger bekannten, individuelleren Designern festzustellen.

Zumindest im Ausland scheint die Kauflust ungebrochen: Beispielsweise berichtete der Finanzdienstleister Global Blue von einem Anstieg der Steuerrückerstattungen chinesischer Touristen im August 2015 von 65,6% (Juli: +73%) gegenüber dem Vorjahresmonat.

Von der Spitzenposition abgelöst wurde Italien im Oktober von Korea (Dem. VR; 663,9 Mio. $). An dritter und vierter Stelle folgen Vietnam (587,5 Mio. $) und Bangladesch (364,7 Mio. $). Der Erfolg der drei Länder ist vermutlich auf bereits verlagerte Fertigungskapazitäten chinesischer Hersteller zurückzuführen, die ihre Erzeugnisse zurück nach China bringen, um sie dort zu verkaufen.

Chinesische Importe von Bekleidung (in Mio. US$, Veränderung in % gegenüber der Vorjahresperiode)
HSPos. Bezeichnung 2012 2013 2014 Januar bis
Oktober 2015
Veränderung
61 Kleidung und Bekleidungszubehör,
aus Gewirken und Gestricken, darunter
aus:
1.344 1.666 2.067 1.894 9,9
  .Vietnam 87 169 242 280 39,9
  .Italien 231 267 296 226 -8,2
  .Bangladesch 63 89 144 146 20,2
  .Korea (Dem.) 67 88 119 139 34,3
  .Deutschland 5 2 2 2 31,8
62 Kleidung und Bekleidungszubehör,
ausgenommen aus Gewirken oder
Gestricken, darunter aus:
2.664 3.141 3.559 3.034 0,1
  .Korea (Dem.VR) 373 499 622 525 -4,8
  .Italien 514 577 631 463 -11,6
  .Vietnam 154 236 310 307 18,9
  .Bangladesch 90 142 191 219 30,7
  .Deutschland 5 4 4 3 5,1
  Gesamt 4.009 4.807 5.626 4.927 3,6

Quelle: China Customs

Wie in vielen anderen Konsumgüterbereichen schöpft Deutschland in der "Kleiderfrage" seine Möglichkeiten im chinesischen Markt nicht aus. Brancheninsidern zufolge "ginge hier deutlich mehr" - nicht zuletzt aufgrund des ausgezeichneten Renommees, dass das Label "Made in Germany" unter chinesischen Konsumenten genießt.

Die Empfehlung lautet daher - und dies wurde einmal mehr auf der letzten "Chic" wiederholt, China nicht nur als Beschaffungsmarkt, sondern zunehmend auch als Absatzmarkt zu sehen. In den Worten eines deutschen Lederjackenanbieters: "Vor zwanzig Jahren haben wir noch Leder aus China gekauft, jetzt verkaufen wir Leder nach China."

"Light Luxuxy" gefragt
Dabei bleiben die "großen" italienischen oder französischen Marken wie Gucci, Armani oder Chanel für die meisten unerreichbar. Mode "made in Germany" kann im mittleren Preissegment eine Nische abdecken, die für die wachsende städtische Mittelschicht bezahlbar ist, welche sich eben auch gerne "etwas Internationales" leisten möchte und deutsche Produkte vom Automobil bis hin zum Kochtopf bereits sehr zu schätzen gelernt hat. Für sie steht deutsche Mode nicht für Luxus, sondern für gute Ausführung respektive Verarbeitung und gutes Material. Gleichzeitig sind in diesem Feld auch weitere Wettbewerber aktiv. In eine ähnliche Kerbe stößt beispielsweise der niederländische Herrenausstatter Suitsupply, der im Sommer in Shanghai eröffnete.

Gefälschte Erzeugnisse sind für diese Klientel keine Alternative. Tatsächlich trifft der chinesische Konsument die Entscheidung für ein deutsches Produkt nicht aufgrund des niedrigen Preises, sondern vielmehr getragen von dem Wunsch, ein Stück von hervorragender Qualität zu erwerben. Dieses darf dann gerne etwas kosten und sich vom Mainstream abheben, sei es durch innovative Stoffe, außergewöhnliche Materialkombinationen, individuelle oder witzige Schnitte oder durch ein besonderes Design. Zunehmend gefragt sind Accessoires wie passende Gürtel, Taschen oder Schuhe. Als ein Mikrotrend in der jüngeren Generation gilt außerdem das Tragen von Hüten - und wer etwas auf sich hält, geht zum beliebten Oktoberfest im echten Dirndl.

Verkaufspreis mindestens dreifacher Einkaufspreis
Deutschen Herstellern kommt darüber hinaus der "demografische Faktor" entgegen: Die chinesische Gesellschaft altert rapide. Entsprechend verschiebt sich die Nachfrage weg von "eher flippiger und junger" Ware hin zu zeitloserer, modisch-qualitätsbewussterer Kleidung, die dann durchaus etwas teurer sein kann - und es de facto auch ist: Erfahrungsgemäß verteuert sich deutsche Importware durch Transport, Zoll, übliche Handelsspanne auf mindestens das Dreifache des Verkaufspreises.

Für die breite Masse ist deutsche Ware daher nicht geeignet - als erfolgreiches Nischenerzeugnis jedoch durchaus. Dies kann für liebevoll entworfene Öko-Hausschuhe genauso gelten wie für trendige Hüte oder hochwertige Handtaschen im "Light -Luxury-Segment". Nicht selten lässt sich die eine oder andere Marktlücke nur über Präsenz vor Ort aufspüren - so habe beispielsweise jedes Land seine eigene "Hausschuhkultur", mit der man als Anbieter umzugehen lernen müsse.

Mitunter wüssten, so die Erfahrung mancher Aussteller, chinesische Käufer nach hohen Standards meisterlich gefertigte Erzeugnisse sogar stärker zu goutieren als die Deutschen selbst. Von Vorteil ist es überdies, den Kunden neben dem eigentlichen Erzeugnis "eine Geschichte" bieten zu können. So beeindruckt es durchaus, wenn ein Unternehmen in der vierten Generation familiengeführt ist - oder hohe Handwerkskunst filmisch dokumentiert werden kann.