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Atacama Wüste Foto: Fernando Rodrigues, Unsplash
23.07.2024

Reduktion der Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen des weltweiten Handels mit Second-Hand-Kleidung

Der Aufschwung von Fast-Fashion, der durch einen raschen Kollektionswechsel gekennzeichnet ist, hat in den letzten vier Jahrzehnten zu einer Versiebenfachung des weltweiten Handels mit gebrauchter Kleidung geführt. Mehr als 80 % aller gekauften Kleidungsstücke weltweit (62 % in der EU) werden als Hausmüll entsorgt, der verbrannt oder deponiert wird, was eine massive Verschwendung von Ressourcen darstellt und schwerwiegende Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit hat.

Ein kürzlich von der UNECE und der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) veröffentlichter Bericht präsentiert eine eingehende Analyse des Handels mit Altkleidern zwischen Europa und Chile und gibt der Industrie sowie den Export- und Importländern politische Empfehlungen, um die Lage zu verbessern.

Der Aufschwung von Fast-Fashion, der durch einen raschen Kollektionswechsel gekennzeichnet ist, hat in den letzten vier Jahrzehnten zu einer Versiebenfachung des weltweiten Handels mit gebrauchter Kleidung geführt. Mehr als 80 % aller gekauften Kleidungsstücke weltweit (62 % in der EU) werden als Hausmüll entsorgt, der verbrannt oder deponiert wird, was eine massive Verschwendung von Ressourcen darstellt und schwerwiegende Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit hat.

Ein kürzlich von der UNECE und der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) veröffentlichter Bericht präsentiert eine eingehende Analyse des Handels mit Altkleidern zwischen Europa und Chile und gibt der Industrie sowie den Export- und Importländern politische Empfehlungen, um die Lage zu verbessern.

Nach Angaben von UN Comtrade waren im Jahr 2021 die Europäische Union (30 %), China (16 %) und die Vereinigten Staaten (15 %) die führenden Exporteure von Altkleidern, während Asien (28 %, vor allem Pakistan), Afrika (19 %, insbesondere Ghana und Kenia) und Lateinamerika (16 %, vor allem Chile und Guatemala) die führenden Importeure waren.

Erleichtert wurde dies durch das Aufkommen kostengünstiger Kunstfasern und die Liberalisierung des Handels, die die Verlagerung der Produktion in Länder mit niedrigen Löhnen ermöglichte. Ein großer Teil der Kleidung wird aus schwer zu trennenden Mischfasern hergestellt, so dass es vor allem in den Industrieländern kaum Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Wiederverwendung und zum Recycling gibt.

„Wann ist es normal geworden, Kleidung wegzuwerfen?“, fragt Lily Cole, Klimaaktivistin und Beraterin der UNECE. „Während die Welt, vor allem der globale Norden, unaufhörlich Mode produziert und konsumiert, sind eine Handvoll Länder, vor allem im globalen Süden, zu Friedhöfen für die ungeliebte Kleidung der Welt geworden. Bei meinem Besuch in der Atacama-Wüste wurde ich auf die Textilberge und die sich verändernden kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Landschaften aufmerksam, die sie hervorgebracht haben. Das Bewusstsein der Verbraucher ist sehr hilfreich, doch letztlich brauchen wir politische Maßnahmen, um systemische Trends einzudämmen, weshalb dieser Bericht und seine Empfehlungen so wichtig sind.“

Europa: Sortier- und Recyclingkapazitäten hinken hinterher
In Europa werden nur 15-20 % der entsorgten Textilien gesammelt, in der Regel über Container, Haussammlungen und Spenden. Etwa die Hälfte der gesammelten Textilien wird downgecycelt und z. B. als Isoliermaterial, Füllmaterial und industrielle Einwegtücher verwendet. Nur 1 % wird zu höherwertigen Produkten wie neuer Kleidung recycelt, während der Rest in Entwicklungsländer exportiert wird.
 
Von den 55 Prozent der gesammelten Kleidungsstücke, die wiederverwendbar sind, haben nur 5 Prozent einen Wert auf den Secondhand-Märkten in der EU, während 50 Prozent einen Wert auf den Exportmärkten haben.

So hat die Europäische Union ihre Altkleiderexporte in den letzten zwei Jahrzehnten verdreifacht, von 550.000 auf 1,7 Millionen Tonnen. Auf Europa, einschließlich des Vereinigten Königreichs, entfällt inzwischen mehr als ein Drittel der weltweiten Altkleiderexporte, und dieser Anteil könnte weiter steigen, da die Sammelquoten voraussichtlich steigen werden.  

Ein designorientierter Ansatz der Kreislaufwirtschaft für Kleidung steckt noch in den Kinderschuhen. Der EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (CEAP) wurde 2020 verabschiedet, die EU-Strategie für nachhaltige und zirkuläre Textilien 2022 und die EU-Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte 2023. Diese Maßnahmen müssen jedoch noch Früchte in Form von groß angelegten vorgelagerten Lösungen für die Probleme mit Textilabfällen tragen.

„Der Weltmarkt für Altkleider wächst ständig, und mit ihm auch seine negativen Auswirkungen. Die Textilindustrie trägt eine große Verantwortung für die Einführung nachhaltigerer Praktiken, und Exporteure und Importeure müssen entsprechende politische Entscheidungen treffen, um Rückverfolgbarkeit, Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit zu fördern.

Die politischen Empfehlungen und Normen von UN/CEFACT werden diesen Übergang unterstützen. Und natürlich müssen wir alle als Verbraucher eine Rolle spielen, um nachhaltige Entscheidungen zu treffen“, betonte UNECE Executive Secretary Tatiana Molcean.
 
Der Fall Chile: Berge von Altkleidern, die man vom Mond aus erkennen kann  
Die meisten lateinamerikanischen Länder (darunter Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Mexiko und Peru) haben Einfuhrverbote für Kleidung erlassen, um ihre nationale Textil- und Modeindustrie zu schützen und die Bedrohung durch Bekleidungsdeponien zu vermeiden.

Im Gegensatz dazu erhebt Chile keine Zölle und wendet keine mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen an, sondern verlangt lediglich, dass die Sendungen desinfiziert werden (durch Begasung). Chile ist damit zu einem der zehn größten Importeure der Welt und zum Spitzenreiter in Lateinamerika aufgestiegen und hat im Jahr 2021 126.000 Tonnen Textilien eingeführt. 40 % davon gelangen über den nördlichen Hafen von Iquique in das Land, wo sie manuell, hauptsächlich von Frauen, sortiert und in erste, zweite und dritte Qualität unterteilt werden.

75 % aller importierten Altkleider wurden als nicht wiederverwendbar eingestuft. 30.000 Tonnen davon bedecken heute 30 Hektar der Atacama-Wüste, verursachen Umweltverschmutzung und gefährden die Gesundheit der dortigen Bevölkerung. Gleichzeitig bietet der Handel mit Altkleidern auch Arbeitsplätze und formelle und informelle Einkommen für die einheimische und die zugewanderte Bevölkerung in den etablierten Geschäften und auf den Freiluftmärkten im ganzen Land, was bei der Neufestlegung der öffentlichen Politik berücksichtigt werden muss.

„Um die ökologischen und sozialen Probleme des Handels mit gebrauchten Textilien anzugehen, müssen die EU und Chile zusammenarbeiten, um solide rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Eine Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Chile könnte wegweisend sein für innovative Ansätze zur Regulierung und Verringerung der Auswirkungen des Handels mit gebrauchten Textilien, u. a. durch die Festlegung globaler Standards für den Handel mit gebrauchten Textilien, wobei der Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung liegt“. betont der Generalsekretär der UNECLAC, José Manuel Salazar-Xirinachs.

Vielfältige Empfehlungen
Der Bericht enthält eine Reihe von Empfehlungen an die Textilindustrie, Exporteure und Importeure.   

An die Ausfuhrländer

  • Die Kreislaufwirtschaft in den Mittelpunkt des Bekleidungsdesigns stellen, mit verbindlichen Vorgaben für die Faserzusammensetzung, die Qualität, Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit verbessern  
  • Einführung eines Systems der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR), das die Hersteller für die von ihnen hergestellten Produkte verantwortlich macht  
  • Entwicklung weiterer Sortier- und Recyclinganlagen durch finanzielle Anreize  
  • Entwicklung von EU-Mindestkriterien für die Ausfuhr von Altkleidern durch die Verwendung von digitalen Produktpässen (DPP)  
  • Durchführung von Sensibilisierungskampagnen, um die Verbraucher zu ermutigen, ihre Kleidung bewusster auszuwählen

Für die Einfuhrländer – das Beispiel Chile

  • Verbesserung der Zollverfahren und Verwaltungsmaßnahmen im Hafen von Iquique, um die digitale Rückverfolgbarkeit der Altkleider- und Textilströme auf der Grundlage des UN/CEFACT-Rückverfolgbarkeitsstandards zu gewährleisten   
  • Einführung einer Strategie für die Kreislaufwirtschaft im Textilbereich   
  • Bildung öffentlich-privater Allianzen für Recyclingprojekte durch Steuererweiterungsprogramme und Fonds zur Förderung von Unternehmertum, Innovation und Schaffung von Arbeitsplätzen für benachteiligte Gruppen, insbesondere in der Region Tarapacá  
  • Verbesserung des Rechtsrahmens für die Abfallwirtschaft   
  • Umsetzung eines regionalen Plans zur Kontrolle fester Abfälle, der Inspektionen von Mülldeponien, Clean Points und Deponien vorsieht, um die Durchsetzungskapazität der regionalen Gesundheitsbehörden zu erhöhen  
  • Beschleunigung der Verabschiedung des chilenischen Gesetzentwurfs über die Umweltqualität von Böden.

Der Bericht empfiehlt außerdem, internationale Handelsabkommen wie das Interims-Handelsabkommen zwischen der EU und Chile aus dem Jahr 2023, das ein Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung enthält, zu ändern, um die bilaterale Zusammenarbeit zu intensivieren, und es als Vorlage für weitere bilaterale Handelsabkommen zwischen der EU und anderen Ländern zu nutzen.   

Zum Download der Executive Summary

Weitere Informationen:
Secondhand Textilabfällen Chile Atacama UN
Quelle:

United Nations Economic Commission for Europe
(Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa)
Übersetzung: Textination

Brotreste + Pilze = Garn (c) Fotos von Kanishka Wijayarathna (Brotabfälle), Erik Norving (Prototypen), Andreas Nordin ( Forschende) und Sofie Svensson (Mikroskop).
17.07.2024

Brotreste + Pilze = Garn

Die Gewinnung neuer Materialien aus Pilzen ist ein zunehmend interessanter Forschungsbereich. In einem Forschungsprojekt an der Swedish School of Textiles der Universität Borås hat das Nassspinnen von pilzlichem Zellwandmaterial vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Im Rahmen des Projekts wurden Pilze auf Brotresten gezüchtet, um Textilfasern mit Potenzial für den Bereich der Medizintechnik herzustellen.

Das Projekt von Sofie Svensson zielt unter anderem auf die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen 9 (nachhaltige Industrie, Innovation und Infrastruktur) und 12 (nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion) ab, indem es ressourcen- und kosteneffiziente Methoden mit geringeren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt einsetzt.

Sofie Svensson, die vor kurzem ihre Dissertation im Fachgebiet der Ressourcenrückgewinnung verteidigt hat, erklärte:

Die Gewinnung neuer Materialien aus Pilzen ist ein zunehmend interessanter Forschungsbereich. In einem Forschungsprojekt an der Swedish School of Textiles der Universität Borås hat das Nassspinnen von pilzlichem Zellwandmaterial vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Im Rahmen des Projekts wurden Pilze auf Brotresten gezüchtet, um Textilfasern mit Potenzial für den Bereich der Medizintechnik herzustellen.

Das Projekt von Sofie Svensson zielt unter anderem auf die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen 9 (nachhaltige Industrie, Innovation und Infrastruktur) und 12 (nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion) ab, indem es ressourcen- und kosteneffiziente Methoden mit geringeren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt einsetzt.

Sofie Svensson, die vor kurzem ihre Dissertation im Fachgebiet der Ressourcenrückgewinnung verteidigt hat, erklärte:

„In meinem Forschungsprojekt geht es um die Entwicklung von Fasern, die aus Fadenpilzen für textile Anwendungen gesponnen werden. Die Pilze wurden auf Brotabfällen aus Lebensmittelläden gezüchtet. Abfälle, die andernfalls erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt hätten, wenn sie weggeworfen würden.

Die Neuartigkeit des Projekts liegt in der eingesetzten Methode - dem Nassspinnen von Zellwandmaterial.

„Nassspinnen ist ein Verfahren, mit dem Fasern (Filamente) aus Materialien wie Zellulose gesponnen werden. In diesem Projekt wurde Zellwandmaterial aus fadenförmigen Pilzen verwendet, um Fasern durch Nassspinnen herzustellen. Das Zellwandmaterial der Pilze enthält verschiedene Polymere, hauptsächlich Polysaccharide wie Chitin, Chitosan und Glucan. Die Herausforderung bestand darin, das Material zu spinnen. Es dauerte zunächst einige Zeit, bis wir die richtigen Bedingungen gefunden hatten“, erläuterte Sofie Svensson.

Antibakterielle Eigenschaften
Pilzfäden wurden in Bioreaktoren kultiviert, um Pilzbiomasse zu erzeugen. Anschließend wurde Zellwandmaterial aus der Pilzbiomasse isoliert und zum Spinnen eines Fadens verwendet, der auf seine Eignung für medizinische Anwendungen getestet wurde.

„Tests der Fasern zeigten eine Kompatibilität mit Hautzellen und wiesen auch auf eine antibakterielle Wirkung hin“, sagte Sofie Svensson und fügte hinzu: „Bei der Methode, mit der wir gearbeitet haben, haben wir uns auf die Verwendung milderer Verfahren und Chemikalien konzentriert. Die Verwendung gefährlicher und giftiger Chemikalien ist derzeit eine Herausforderung in der Textilindustrie, und die Entwicklung nachhaltiger Materialien ist wichtig, um die Umweltbelastung zu verringern.“

Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?
„Neue Materialien aus Pilzen sind ein aufstrebendes Forschungsgebiet. Hoffentlich kann diese Forschung zur Entwicklung neuer nachhaltiger Materialien aus Pilzen beitragen“, so Sofie Svensson.

Das Interesse der Community war während des Projekts sehr groß, und viele standen der Entwicklung dieser Art von Materialien positiv gegenüber.

Wann werden wir Produkte sehen, die aus diesen Fasern hergestellt werden?
„Diese spezielle Methode befindet sich im Labor-Maßstab und noch in der Forschungsphase“, erklärte sie.

Das Promotionsprojekt wurde im Rahmen des größeren Forschungsprojekts Sustainable Fungal Textiles durchgeführt: Ein neuartiger Ansatz für die Wiederverwendung von Lebensmittelabfällen.

Was ist der nächste Schritt in der Forschung über Pilzfasern?
„Künftige Studien könnten sich auf die Optimierung des Nassspinnverfahrens konzentrieren, um eine kontinuierliche Produktion von Pilzfasern zu erreichen. Außerdem könnte man die Kultivierung von Pilzen auf anderen Arten von Lebensmittelabfällen testen.“

Wie haben Sie Ihre Zeit als Doktorand im Bereich Ressourcenrückgewinnung erlebt?
„Es war eine intensive Zeit als Doktorandin, in der ich wirklich herausgefordert wurde und mich sehr weiterentwickelt habe.“

Was ist Ihr nächster Schritt?
„Ich werde eine Weile in Elternzeit gehen, bevor ich den nächsten Schritt mache, über den noch nicht entschieden wurde.“

Sofie Svensson verteidigte ihre Dissertation am 14. Juni 2024 im Swedish Centre for Resource Recovery der Universität Borås.

Development of Filaments Using Cell Wall Material of Filamentous Fungi Grown on Bread Waste for Application in Medical Textiles

Zweitgutachter: Han Hösten, Professor, Utrecht University
Betreuender Professor: Akram Zamani, Associate Professor, University of Borås
Mitbetreuer: Minna Hakkarainen, Professor, KTH; Lena Berglin, Associate Professor, University of Borås

Weitere Informationen:
University of Borås Sweden Garne Nassspinnen
Quelle:

University of Borås, Solveig Klug

Ki KI generiert, Pixabay
09.07.2024

Wie die Modeindustrie KI einsetzt

Nahezu jede Branche steht mit der Einführung von künstlicher Intelligenz (KI) vor einem beispiellosen Wandel. Vereinfacht ausgedrückt bezieht sich KI auf eine Technologie, oft in Form von Computerprogrammen, die die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, Aufgaben auszuführen und sich ständig zu verbessern, nachahmen soll.

Eine generative KI, die von Deep-Learning-Algorithmen angetrieben wird, hat einen erheblichen Einfluss auf Modemarken. Diese fortschrittliche Technologie ist in der Lage, Muster in Daten zu erkennen und völlig neue Beispiele für Texte, Bilder und sogar Videos zu generieren (Bain, 2023).

Aufgrund ihrer Fähigkeit, neue Inhalte zu erstellen, integriert die Modeindustrie ihre Technologie auf die eine oder andere Weise in fast alle ihre Prozesse, von Design und Produktbeschreibungen bis hin zu Produktempfehlungen und 3D-Design (Mcdowell, 2023a).

Tabelle 1 enthält einige Beispiele aus der Praxis, wie KI in der Branche bereits eingesetzt wird.

Nahezu jede Branche steht mit der Einführung von künstlicher Intelligenz (KI) vor einem beispiellosen Wandel. Vereinfacht ausgedrückt bezieht sich KI auf eine Technologie, oft in Form von Computerprogrammen, die die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, Aufgaben auszuführen und sich ständig zu verbessern, nachahmen soll.

Eine generative KI, die von Deep-Learning-Algorithmen angetrieben wird, hat einen erheblichen Einfluss auf Modemarken. Diese fortschrittliche Technologie ist in der Lage, Muster in Daten zu erkennen und völlig neue Beispiele für Texte, Bilder und sogar Videos zu generieren (Bain, 2023).

Aufgrund ihrer Fähigkeit, neue Inhalte zu erstellen, integriert die Modeindustrie ihre Technologie auf die eine oder andere Weise in fast alle ihre Prozesse, von Design und Produktbeschreibungen bis hin zu Produktempfehlungen und 3D-Design (Mcdowell, 2023a).

Tabelle 1 enthält einige Beispiele aus der Praxis, wie KI in der Branche bereits eingesetzt wird.

Kategorie Wie es funktioniert Beispiel
Modedesign
  • Umwandlung von Textbeschreibungen oder hochgeladenen Bildern in Illustrationen
  • passt diese Entwürfe vor der Produktion an
  • Cala’s tool mit DALL-E Technology
  • Tommy Hilfigers KI-gestützte Design-Zusammenarbeit mit IBM und dem Fashion Institute of Technology
  • Projekt Muze von Google und Zalando
Visuelle Inhalte und Werbebilder
  • Generierung von Werbe- und Marketinginhalten anhand vorgegebener Parameter oder Eingaben
  • Text, Bilder und Videos sind gängige Outputs
  • KI-Visualisierungen von Stitch Fix
  • Casablancas Spring/Summer 2023 Kampagne
  • Revolves KI-gesteuerte Werbekampagne
Werbetexte
  • erzeugt Texte auf der Grundlage von Schlüsselwörtern und Anweisungen des Benutzers
  • optimiert den Prozess der Erstellung von Produktbeschreibungen, Marketing-E-Mails und anderen schriftlichen Inhalten
  • Adore Me KI Optimierung
  • Produktbeschreibungen zur Suchmaschinenoptimierung (SEO)
Einkaufsassistenten
  • nutzt die Verarbeitung natürlicher Sprache zur Interaktion mit Kunden als Chatbots
  • bietet Produktempfehlungen und Informationen an   
  • die experimentelle KNXT Plattform von Kering
  • Luxus-Personal-Shopper unterstützt durch ChatGPT

 

KI im Design
Generative KI hat das Zeug dazu, das Modedesign zu revolutionieren. Designer können sich KI-Bildgeneratoren wie DALL-E, Midjourney oder Stable Diffusion zunutze machen, um ihre kreativen Visionen zum Leben zu erwecken.

Cala, ein Startup-Unternehmen für die Lieferkette, war die erste Gruppe, die KI für den Designprozess von Modemarken nutzbar machte. Im Januar 2023 stellte es ein Tool vor, mit dem Nutzer ihre Designideen in Textform beschreiben oder Bilder hochladen können, die dann von der KI in Illustrationen oder realistische Bilder umgewandelt werden. Die Nutzer können diese Entwürfe dann fein abstimmen, bevor sie in physische Produkte umgesetzt werden. Dieses Tool stellt eine bahnbrechende Anwendung der DALL-E API in der Modebranche dar und ermöglicht die Erstellung von Kleidung, Accessoires, Schuhen und Lifestyle-Produkten auf der Grundlage von Beschreibungen oder Bildern (OpenAI, 2022).

Auch Bekleidungsmarken machen sich diese Technologie zunutze. Tommy Hilfiger hat mit IBM und dem Fashion Institute of Technology an einem Projekt namens Reimagine Retail zusammengearbeitet. Ziel dieser Initiative war es, Einzelhändlern einen Wettbewerbsvorteil bei der schnellen Vorhersage aufkommender Designtrends zu verschaffen, indem eine Vielzahl von Daten - von Bildern über Stoffe bis hin zu Farben - analysiert wurde (Saunders, 2019).

Die generative KI ermöglicht es Designern, neue Konzepte und Ideen schnell zu entdecken, indem sie verschiedene Designvariationen erzeugt, allerdings stößt die Technologie auch an ihre Grenzen. Da KI nicht alle Konzepte in fertige Produkte verwandeln kann, sind häufig manuelle Bearbeitungen und Anpassungen erforderlich. Bedenken hinsichtlich des geistigen Eigentums können ebenfalls aufkommen, da einige KI-generierte Entwürfe auf urheberrechtlich geschützten Arbeiten beruhen könnten. Rechtliche Fragen in diesem Bereich sind noch in der Entwicklung und veranlassen Marken dazu, ihre Rechtsteams einzubeziehen und Richtlinien aufzustellen (Bain, 2023).

KI in der Werbetextgestaltung: Effizienz und Personalisierung
Generative KI-Tools dienen Marketing-Teams als wertvolle Assistenten, die den Schreibprozess für Produkt¬beschreibungen und Marketing-E-Mails optimieren. Werbetexter geben Schlüsselwörter und Anweisungen ein, und die KI generiert Texte, die nach Bedarf bearbeitet werden können, sodass Marken schriftliche Inhalte effizienter erstellen können.

Die Lingeriemarke Adore Me hat KI-Tools eingesetzt, um Produktbeschreibungen für die Suchmaschinenoptimierung (SEO) zu verbessern, damit sie mit höherer Wahrscheinlichkeit in den Suchmaschinenergebnissen ganz oben erscheinen (Mcdowell, 2023a). Adore Me und andere Marken, die KI auf diese Weise einsetzen, berichten von mehreren Dutzend Stunden Zeitersparnis.

Die Nutzung des KI-Potenzials zur Personalisierung von Inhalten auf einer Eins-zu-eins-Ebene erfordert von Unternehmen strukturierte Erstanbieterdaten und robuste Datenschutzmaßnahmen (Bain, 2023). Im Moment ist noch menschliche Aufsicht erforderlich, und Web-Teams werden wahrscheinlich Anpassungen an etablierten Arbeitsabläufen vornehmen müssen, um KI zu integrieren.

KI-gestützte visuelle Inhalte für das Modemarketing
Generative KI wird auch zur Erstellung visueller Marketinginhalte eingesetzt.
Stitch Fix nutzt KI, um personalisierte Bekleidungsempfehlungen für Kunden zu erstellen, und untersucht, wie es DALL-E 2 nutzen könnte, um Kleidungsstücke zu visualisieren, die auf individuelle Vorlieben für Farbe, Stoff und Stil zugeschnitten sind (Davenport & Mittal, 2022).

Auch das französische Modehaus Casablanca Paris setzt KI ein. Für seine Frühjahr/Sommer-Kampagne 2023 arbeitete es mit dem britischen Fotografen und KI-Künstler Luke Nugent zusammen. Die KI-generierten Bilder kombinierten traumhafte Kulissen mit modernster Technologie.

Modemarken können von kürzeren Produktionszeiten, Kosteneinsparungen und größerer kreativer Freiheit profitieren, wenn sie KI-gesteuerte Innovationen nutzen, um visuelle Assets für Marketing- und Werbekampagnen zu entwickeln. Allerdings kann es schwierig sein, sicherzustellen, dass KI-generierte Bilder die Produkte korrekt wiedergeben, da die Ausgabe von den ursprünglichen Produktfotos abweichen kann (Bain, 2023; Mcdowell, 2023a).

KI Chatbots: Das Einkaufserlebnis verändern
Viele Einzelhändler setzen generative KI auch als Online-Einkaufsassistenten ein, die allgemein als Chatbots bekannt sind. Diese Chatbots nutzen die Verarbeitung natürlicher Sprache, um Kundenfragen zu verstehen und zu beantworten oder sogar personalisierte Produktempfehlungen zu geben (Zeng et al., 2023). Auf der experimentellen KNXT-Plattform von Kering beispielsweise bietet ein von ChatGPT betriebener Personal Shopper für Luxusgüter den Nutzern maßgeschneiderte Empfehlungen und Einblicke auf der Grundlage bestimmter Kontexte (Mcdowell, 2023b).

Trotz dieser Vorteile ist die Chatbot-Technologie noch ausbaufähig. So kann es sein, dass sie aufgrund von Bestandsbeschränkungen nicht die richtigen Produkte vorschlägt oder eher generische Stylingvorschläge macht. Diese Chatbots befinden sich jedoch noch in der Entwicklung, und die Unternehmen sind zuversichtlich, dass sich die Sprachfähigkeiten ihrer KI-Tools weiter verbessern werden, wenn sie mehr Daten und Nutzerfeedback sammeln.

Im Zuge der Entwicklung der Modebranche haben generative KI-gesteuerte Chatbots das Potenzial, die Art und Weise, wie Kunden mit Marken interagieren, zu revolutionieren, indem sie zunehmend personalisierte und effiziente Dienstleistungen anbieten.

Ein neuer Industriestandard
Unternehmen in der Mode-, Textil- und Bekleidungsbranche können nicht länger ambivalent oder willentlich ignorant gegenüber KI sein. Sie müssen recherchieren und nachdenken, um eine klare organisatorische Haltung zu KI zu entwickeln, oder sie riskieren, auf der Strecke zu bleiben.

Organisatorische Strategien für KI müssen über die Betrachtung der zukünftigen Entwicklung von KI hinausgehen. Führungskräfte müssen klare Ziele für die Integration der Technologie in ihre Arbeitsabläufe aufstellen.

Der Kundenstamm jeder Marke wird für eine erfolgreiche KI-Strategie von zentraler Bedeutung sein. Das bedeutet, dass man sowohl ihre Einstellung zu KI als auch ihre Vorlieben und Erwartungen verstehen muss.

Quelle:

Wilson College of Textiles, Yoo-Won Olivia Min und B. Ellie Jin

Empa-Forscherin Edith Perret entwickelt spezielle Fasern, die Medikamente gezielt abgeben können. Foto EMPA
01.07.2024

Medizinische Fasern mit "inneren Werten"

Sollen Medikamente lokal – und vor allem über längere Zeit kontrolliert – abgegeben werden, stoßen medizinische Produkte wie Salben oder Spritzen an ihre Grenzen. Empa-Forschende entwickeln daher Polymerfasern, die Wirkstoffe langfristig präzise abgeben können. Diese „Flüssigkernfasern“ enthalten Medikamente in ihrem Inneren und lassen sich zu medizinischen Textilien verarbeiten.

Sollen Medikamente lokal – und vor allem über längere Zeit kontrolliert – abgegeben werden, stoßen medizinische Produkte wie Salben oder Spritzen an ihre Grenzen. Empa-Forschende entwickeln daher Polymerfasern, die Wirkstoffe langfristig präzise abgeben können. Diese „Flüssigkernfasern“ enthalten Medikamente in ihrem Inneren und lassen sich zu medizinischen Textilien verarbeiten.

Wird eine Wunde oder Entzündung direkt am Ort der Entstehung behandelt, hat dies klare Vorteile: Der Wirkstoff ist sofort am Ziel, und negative Nebenwirkungen auf unbeteiligte Körperteile entfallen. Gängige lokale Verabreichungsmethoden kommen jedoch an ihre Grenzen, wenn es darum geht, Wirkstoffe über längere Zeit präzise zu dosieren. Sobald eine Salbe die Tube verlässt oder die Injektionsflüssigkeit aus der Spritze strömt, ist die Steuerung der Wirkstoffmenge kaum mehr möglich. Edith Perret aus dem Empa-Labor „Advanced Fibers“ in St. Gallen entwickelt daher medizinische Fasern mit ganz besonderen „inneren Werten“: Die Polymerfasern umschließen einen flüssigen Kern mit medizinischen Wirkstoffen. Das Ziel: medizinische Produkte mit besonderen Fähigkeiten, z.B. chirurgisches Nahtmaterial, Wundverbände und Textilimplantate, die Schmerzmittel, Antibiotika oder Insulin präzise über einen längeren Zeitraum verabreichen können. Angestrebt ist zudem eine individuelle Dosierbarkeit im Sinne einer personalisierten Medizin.

Bioverträglich und maßgeschneidert
Ein entscheidender Faktor, der eine herkömmliche Textilfaser zu einem Medizinprodukt macht, ist das Material des Fasermantels. Das Team wählte hierfür Polycaprolacton (PCL), ein bioverträgliches und bioabbaubares Polymer, das bereits erfolgreich im medizinischen Bereich eingesetzt wird. Der Fasermantel umschließt das kostbare Gut, etwa ein Schmerzmittel oder ein antibakteriell wirksames Medikament, und gibt es mit der Zeit an die Umgebung ab. Auf einer eigens konstruierten Pilotanlage erzeugten die Forschenden mittels Schmelzspinnen PCL-Fasern mit einem durchgehenden Kern aus Flüssigkeit. In ersten Laborversuchen entstanden so stabile und gleichzeitig flexible Flüssigkernfasern. Dass dieses Verfahren aber nicht nur im Labor, sondern auch im industriellen Maßstab funktioniert, hatte das Team für technische Fasern bereits zuvor gemeinsam mit einem Schweizer Industriepartner erfolgreich zeigen können.

Nach welchen Parametern die medizinischen Fasern ein eingeschlossenes Mittel freisetzen, wurde zunächst mit fluoreszierenden Modellsubstanzen und schließlich mit verschiedenen Medikamenten untersucht. „Kleine Moleküle wie das Schmerzmittel Ibuprofen bewegen sich nach und nach durch die Struktur des Außenmantels“, so Edith Perret. Größere Moleküle werden hingegen an den Enden der Fasern abgegeben.

Präzise steuerbar und langfristig wirksam
„Dank einer Vielzahl verschiedener Parameter lassen sich die Eigenschaften der medizinischen Fasern präzise steuern“, erklärt die Empa-Forscherin. Nach umfassenden Analysen mittels Fluoreszenzspektroskopie, Röntgentechnologie und Elektronenmikroskopie konnten die Forschenden beispielsweise den Einfluss von Manteldicke oder Kristallstruktur des Mantelmaterials auf die Abgaberate von Medikamenten aus den Flüssigkernfasern nachweisen.

Je nach Wirkstoff kann zudem das Herstellungsverfahren angepasst werden: Wirkstoffe, die unempfindlich gegenüber den hohen Temperaturen beim Schmelzspinnen sind, können direkt in einem kontinuierlichen Vorgang in den Kern der Fasern integriert werden. Für Temperatur-empfindliche Medikamente konnte das Team das Verfahren hingegen so optimieren, dass zunächst ein Platzhalter den Flüssigkern ausfüllt, der nach dem Schmelzspinnen durch den sensitiven Wirkstoff ausgetauscht wird.

Zu den Vorteilen der Flüssigkernfasern gehört auch die Möglichkeit, den Wirkstoff aus einem Reservoir über einen längeren Zeitraum freizusetzen. Damit ergeben sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Mit Durchmessern von 50 bis 200 Mikrometern sind die Fasern beispielsweise groß genug, um sie zu robusten Textilien zu weben oder zu stricken. Die medizinischen Fasern könnten aber auch ins Körperinnere geführt werden und dort Hormone wie Insulin abgeben, so Perret. Ein weiterer Vorteil: Fasern, die ihr Medikament freigesetzt haben, können erneut befüllt werden. Die Palette der Wirkstoffe, die mittels Flüssigkernfasern einfach, bequem und präzise verabreicht werden könnten, ist groß. Neben Schmerzmitteln sind entzündungshemmende Medikamente, Antibiotika oder sogar Lifestyle-Präparate denkbar.

In einem nächsten Schritt wollen die Forschenden chirurgisches Nahtmaterial mit antimikrobiellen Eigenschaften ausstatten. Mit dem neuen Verfahren sollen verschiedene Flüssigkernmaterialen mit medizinischen Wirkstoffen befüllt werden, um Gewebe bei einer Operation so zu vernähen, dass Wundkeime keine Chance haben, eine Infektion auszulösen. Empa-Forscherin Perret ist darüber hinaus überzeugt, dass eine künftige Zusammenarbeit mit klinischen Partnern die Basis für weitere innovative klinische Anwendungen ist.

Klinische Partnerschaften angestrebt
Eine neue Technologie vorantreiben? Innovative Anwendungsmöglichkeiten identifizieren? Empa-Forscherin Edith Perret setzt auf interessierte Medizinerinnen und Mediziner aus der Klinik, die das Potenzial von „Drug Delivery“ per Flüssigkernfaser erkennen und in diesem Bereich aktiv werden wollen.

Quelle:

Dr. Andrea Six, EMPA