Forschungspublikationen

03.01.2024

Innovative Verfahren für das Recycling von textilen Bodenbelägen

Vliesstoffe Recycling Kreislaufwirtschaft Technische Textilien Haus- und Heimtextilien

Zusammenfassung

Im Rahmen des Projekts ist das Ziel, Chemiefasern thermochemisch zu recyceln und eine stoffliche Nutzung zu erzielen, anhand von Bodenbelägen als Beispiel. Zu diesem Zweck wird ein materialspezifischer pyrolytischer Prozess entwickelt, um die Bestandteile der Bodenbeläge zu depolymerisieren. Die gewonnenen Öle aus der Pyrolyse werden gereinigt, um Monomere zu gewinnen, die anschließend polymerisiert werden. Zum Schluss werden Filamente ausgesponnen und zu einem Nadelvliesbodenbelag verarbeitet.

Bericht

Einleitung:

Es wird geschätzt, dass weltweit weniger als 3 % des Materials, das zur Herstellung von Kleidung verwendet wird, zu neuen Kleidungsstücken recycelt wird. Derzeit werden in der EU-Sammelquoten für Textilabfälle auf 25 % geschätzt; aber zwischen den Mitgliedstaaten bestehen große Unterschiede. Die überarbeitete Abfallrahmenrichtlinie ((EU) 2018/851) verpflichtet die Mitgliedstaaten, bis zum 1. Januar 2025 separate Sammelsysteme für Textilabfälle einzurichten. Die Richtlinie (Artikel 11 Absatz 6) fordert auch die Kommission auf, bis Dezember 2024 die Definition von Zielen für die Wiederverwendung und das Recycling von Textilabfällen zu prüfen. Um ambitionierte Ziele für die Wiederverwendung und das Recycling von Textilien zu erreichen und ein effektives Recycling in industriellen Maßstäben zu ermöglichen, müssen sich Unternehmen in der gesamten Wertschöpfungskette, von der Faserproduktion bis zum Recycling von Textilien vorbereiten und insbesondere bei der Lösung bestehender Engpässe unterstützt werden.[1]

Textile Bodenbeläge sind ein solches Textilprodukt und werden üblicherweise aus synthetischen Fasern und Garnen, z.B. Polyamiden (PA), Polyethylenterephthalat (PET) und Polypropylen (PP) durch Weben, Tuften oder Nadeln gefertigt. Dazu werden verschiedene Komponenten kombiniert und zu Verbundstoffen verarbeitet. Thermomechanische Recyclingverfahren wie das “Regranulieren” sind für diese textilen Bodenbeläge aufgrund der Verbundstruktur nicht anwendbar. Textile Bodenbeläge werden bisher verbrannt (energetische Verwertung). Die trägt zu weiteren CO2-Emissionen und vernichtet den Werkstoff. Zusätzlich ist die deutsche Wirtschaft von einer schärfer werdenden Knappheit fossiler Rohstoffträger und Materialien wie Erdöl und Kunststoffe betroffen. Der Wechsel zu erneuerbaren und kreislauffähigen Kohlenstoffquellen auf Basis von CO2 oder Biomasse sowie Recycling bietet die Möglichkeit, die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten und gleichzeitig die Umwelt zu schonen.

Problemlösung:

Ziel des Projektes ist es, polymerhaltige textile Bodenbeläge pyrolytisch zu depolymerisieren, Produktöle der Pyrolyse zu reinigen und wieder die gewonnenen Monomere zu Kunststofffasern und textilen Bodenbelägen zu verarbeiten, wie in Abbildung 1 dargestellt.

Es wird erstmalig ein Prozess für das thermo-chemische Recycling textiler Bodenbeläge mit derzeitigem Design und den Qualitäten aus Abfällen bei der beim TEER entwickelt. Dazu werden abfallstämmige textile Bodenbeläge aus Produktion sowie aus zurückgebauten Gebäuden beprobt und laboranalytisch charakterisiert. Im Anschluss werden die Materialien im halb-technischen Maßstab mittels Pyrolyse thermochemisch zersetzt. Bei der thermischen Fragmentierung des Materials entstehen Kohlenwasserstoffe, welche bei Raumtemperatur zu einem ölartigen Produkt kondensiert werden können. Aus diesen Produktölen können u. a. Caprolactam, das Monomer für PA6 sowie weitere Grundchemikalien gewonnen werden.

Durch eine Anlage im Entwicklungsmaßstab, die von der NAUE GmbH konstruiert und gefertigt wird, werden die Pyrolyseöle aufgereinigt und hochwertige, fraktionierte Vorprodukte für die Polymersynthese gewonnen. Anschließend, werden am ITA aus den identifizierten chemischen Verbindungen und Vorprodukten thermoplastische Polymere synthetisiert und daraus Filamente für die Stapelfaserherstellung ausgesponnen.

Die Stapelfasern werden schließlich zu einem Nadelvliesbodenbelag bei der FINDEISEN GmbH weiterverarbeitet und ein Demonstrator aus anteilig recycelten textilen Bodenbelägen hergestellt, um den Stoffkreislauf zu schließen.

Literatur:

[1]         Europäische Kommission, Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmer-tum und KMU, Duhoux, T., Maes, E., Hirschnitz-Garbers, M., et al., Study on the technical, regulatory, economic and environmental effectiveness of textile fibres re-cycling : final report, Publications Office, 2021, URL: https://data.eu-ropa.eu/doi/10.2873/828412

AutorInnen: Laura Barbet, Stefan Schonauer, Ingo F. C. Naue, Ralf Winter, Fabian Römer

Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen (ITA), Otto-Blumenthal-Str. 1, 52074 Aachen

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10.10.2023

BEWERTUNG VON PRODUKTIONSTECHNOLOGIEN FÜR SMART TEXTILES MIT DEM POTENZIAL EINER MATERIALTRENNUNGN FÜR RECYCLING

Recycling Smart Textiles

Zusammenfassung

In dieser Untersuchung wird der aktuelle Stand der Technik und Forschung der Produktionstechnologien von Smart Textiles unter Berücksichtigung des Recycling-Aspekts dargestellt. Es wird ein Überblick zu den Produktionstechnologien von Smart Textiles gegeben, und anhand der gefundenen Ergebnisse wird ein geeigneter Herstellungsprozess vorgeschlagen.

Die Ergebnisse zeigen, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, Smart Textile herzustellen. Das 3D-Druckverfahren stellt eine vielversprechende Möglichkeit für eine effiziente und ressourcenschonende Produktion mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten dar. Bisher wird das 3D-Druckverfahren größtenteils zur Erzeugung von Verbindungen zwischen elektronischen Komponenten und dem Aufdrucken von Halterungen untersucht. Damit das Potenzial dieser Technologie vollständig ausgeschöpft werden kann, ist weitere Forschung zur Herstellung von Sensoren und anderen elektronischen Geräten, sowie die Untersuchung der Waschbarkeit der Textilien notwendig. Abschließend wird ein Prozessablauf vorgeschlagen, um Smart Textiles nachhaltig herzustellen unter Berücksichtigung des Aspektes von Recycling.

In zukünftigen Untersuchungen sollten spezifische leitfähige oder abbaubare Materialien sowie ihre elektrischen Eigenschaften in Kombination mit dem 3D-Druckverfahren weiter untersucht werden. Zudem ist es wichtig, umfassende Analysen zum gesamten Herstellungsprozess von der Faser bis zum Smart Textiles durchzuführen. Hinsichtlich des 3D-Druckverfahrens fehlt es aktuell an Forschung bezüglich des großflächigen Bedruckens von Smart Textiles.

Bericht

Abstract

In den vergangenen Jahren haben Weiterentwicklungen in Bereichen der leitfähigen Materialien und Fasern sowie immer kleiner werdender Elektronik deutliche Fortschritte gemacht und die Entwicklung von Smart Textiles vorangetrieben. Dem Durchbruch auf dem Massenmarkt stehen allerdings noch einige Herausforderungen bevor. Die derzeit eingesetzten Produktionstechnologien für Smart Textilien erzielen keine skalierbaren und marktfähigen Produkte. Daher werden sie bisher nur in begrenzten Stückzahlen gefertigt und sind als Prototypen oder Demonstrationsprodukte erhältlich. Diese sind in der Regel mit vielen manuellen Fertigungsschritten behaftet und führen zu hohen Herstellungskosten. Auch die Entsorgung und Recyclingfähigkeit von Smart Textiles stellen eine große Herausforderung dar. Das Ziel dieses Forschungsansatzes ist es, ein Produktionsverfahren zu ermitteln, welches sowohl die Recyclingfähigkeit von Smart Textiles und seinen Komponenten berücksichtigt als auch den erwünschten Anforderungen und Belastungen eines Smart Textiles gerecht wird. [Ing19]

Einleitung

Smart Textiles, auch bekannt als intelligente Textilien, vereinen Textilien und Elektronik und schaffen multifunktionale Textilien. Ihre Fähigkeit, mit ihrer Umgebung und ihren Benutzern interagieren zu können, hat das Potenzial, unseren Alltag sowie verschiedene Industriezweige zu revolutionieren. Smart Textiles werden in Bereichen wie der Automobilindustrie, dem Bauwesen, dem Sportsektor oder der Medizin eingesetzt und können beispielsweise die Überwachung von Vitalparametern übernehmen. Durch die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung der Welt spielen Smart Textiles eine immer größere Rolle.

Allerdings ist die Herstellung vom Smart Textiles ein komplexer Prozess, der verschiedene Technologien und Materialien erfordert. Häufig eingesetzte Verfahren, wie beispielsweise das Löten, sind nicht sehr nachhaltig und können aufgrund der hohen Temperaturen während der Bearbeitung zur Beschädigung der Textilsubstrate führen. [AS17]

Methode

Anhand einer strukturierten Literaturrecherche (Abbildung 1) werden Datenbanken durchsucht, Ergebnisse gesichtet und anschließen bewertet. Anschließend werden vergangene Forschungsarbeiten zusammengefasst und ein Überblick geschaffen. Die Suche wird in drei Phasen eingeteilt: Planung der Suche, Durchführung der Suche und Dokumentation. Damit wird eine umfassende und erfolgreiche Suche sichergestellt. Um möglichst viele und relevante Quellen zu erfassen, werden mehrere Datenbanken abgedeckt und eine Vorwärts- und Rückwärtsrecherche durchgeführt. Abschließend werden die Ergebnisse hinsichtlich Zukunftspotential, Wirtschaftlichkeit und Automatisierbarkeit bewertet.

 

s. Abbildung 1: Ablauf systematischer Literaturrecherche. Quelle: [BSN+19; XW19]

Ergebnisse

Auswertung bestehender Produktionsverfahren

Folgende Produktionsprozesse für Smart Textiles wurden in die Analyse mit einbezogen.

  • Direktes Löten
  • Roboterunterstütztes Ultraschalllöten
  • Nd: YAG-Laserlöten
  • Ultraschallplastikschweißen
  • 3D-Druckverfahren
  • Flüssiger Metalldruck
  • Dampfbeschichten
  • Nanobeschichten
  • Siebdruckverfahren
  • Transfersiebdruckverfahren
  • Integration faserbasierter Elektronik
  • Nahtlose Integration

Einige Produktionsverfahren für Smart Textiles haben sich bereits in anderen Industriezweigen bewährt und zeigen sich als effiziente Option für die Herstellung Smart Textiles.

Das „direkte Lötverfahren“, „roboterunterstützte Ultraschallöten“, „Transfersiebdruck- bzw. Siebdruckverfahren“, „Nanobeschichtungsverfahren“ und das „Ultraschallplastikschweißen“ sind bereits etablierte Verfahren. Sie sind in der Lage große Produktionsmengen effizient zu verarbeiten oder in Rolle-zu-Rolle Produktionen integriert zu werden. Zudem bieten die Verfahren „direktes Löten“ und „Siebdruckverfahren“ kurze Prozesszeiten und geringe Kosten.

Verfahren wie das „Nd: YAG-Laserlöten“, die „Integration faserbasierter Elektronik“, „Dampfbeschichtungsverfahren“ und „flüssig Metall-Druckverfahren“ sind wiederum weniger gut geeignet, um große Mengen herzustellen. Obwohl sie vielversprechende Ansätze darstellen, erfordern sie aktuell noch weitere Forschung und technologische Fortschritte. Bei den Verfahren „roboterunterstütztes Ultraschalllöten“ und der „faserbasierte Integration“ ist außerdem mit hohen Anschaffungs- und Materialkosten zu rechnen.

Nachhaltigkeit

In Bezug auf Nachhaltigkeit stellt der Einsatz von Silber in Verfahren wie dem „direkten Löten“ und dem „roboterunterstützten Ultraschallöten“ Bedenken dar. Silber ist eine begrenzte Ressource und braucht für seine Gewinnung einen hohen Energie- und Wasserverbrauch. Zudem kann die Wiederverwendung von Silber sehr anspruchsvoll werden und spezielle Verfahren erfordern, die ebenfalls mit sehr hohem Energieverbrauch und Kosten verbunden werden. Auch besteht die Gefahr, dass während des Lötens die Textilsubstrate beschädigt werden, wodurch zusätzlicher Abfall entsteht. Ebenfalls stellt das Trennen von Lot und Textil eine Herausforderung dar, wodurch Reparaturen oder der Austausch kaputter Komponenten, ohne Beschädigung des Textils, sehr schwer durchführbar sind.

Analoges Verhalten gilt für die Verfahren „roboterunterstütztes Ultraschallöten“, „Nd: YAG-Laserlöten“ und dem „Siebdruckverfahren“, die ebenfalls silberhaltige Lote und Lösungen verwenden. Auch nahtlose „Integrationsverfahren für faserbasierte Elektronik“ erweisen sich nicht als sehr nachhaltige Verfahren, obwohl sie stark im Fokus der Forschung stehen. Es sind aufwendige Verfahren, die aus mehreren Prozessschritten bestehen, beginnend mit der Herstellung der faserbasierten Elektronikgarne, über die Einarbeitung ins Gewebe bis hin zur Erstellung leitfähigen Verbindung. [MHG20; HHY19]

Im Gegensatz dazu zeigen das „Dampfbeschichtungsverfahren“ und das „Nanobeschichtungsverfahren“ nachhaltigere Merkmale, da sie umweltfreundliche und organische Gemische verwenden. Ebenfalls zeichnet sich das „3D-Druckverfahren“ durch seinen genauen Materialverbrauch als ressourcenschonendes Verfahren aus, mit der Abfall vermieden und Ressourceneffizienz gesteigert wird. [AZC+18; FHB+16] Im Vergleich zu den anderen Fertigungsverfahren verwendet das „3D-Druckverfahren“ weniger Rohmaterial, Wasser, Energie und Chemikalien. Defekte Komponenten können leicht ausgetauscht und repariert werden. Darüber hinaus können recyclebare Materialien sowie verschiedenen Materialkombinationen eingesetzt werden, um verschieden Eigenschaften zu erreichten.

Das „3D-Druckverfahren“ ermöglicht die Erstellung komplexer Formen und individueller Strukturen, die aufgeschmolzen und erneut für den Druck wiederverwendet werden können. Es kann sowohl zum Verbinden von Komponenten eingesetzt werden als auch zur Erstellung von Halterungen für SMD-Komponenten oder zur Einkapselung der Elektronik. Im Vergleich zu den anderen Verfahren kann auch mit deutlich weniger Anschaffungs- und Materialkosten gerechnet werden. Laufende Textilherstellungsprozesse müssen bei ihrer Integration nicht unterbrochen werden, sondern können als Add-On-Verfahren nach der Textilherstellung in die Prozesskette integriert werden. Zudem können durch die Auswahl der Filamente, Belastbarkeit und Flexibilität entsprechend kundenspezifische Anforderungen ausgesucht werden. Auch können einzelnen Komponenten problemlos entfernt und recycelt werden, was mit unlöslichen Verbindungen wie dem „direkten Lötverfahren“ oder der „faserbasierten Integration“ nicht möglich ist. Durch den Einsatz von Kunststoffmaterialien wird zudem auf begrenzte Ressourcen verzichtet und mit alternativen Materialien wie biobasierte Kunststoffe besteht die Möglichkeit den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. [Gon23; GGY+22; KGK22]

Recycling

Aktuell fehlen konkrete Recyclingverfahren, wie es sie für die Textil- oder Elektronikindustrie gibt. Allerdings gibt es zwei Ansätze zum Recyclen von Smart Textiles Komponenten.

Es besteht zum einen die Möglichkeit, recycelte SMD-Komponenten aus anderen Einsatzbereichen in Smart Textiles einzusetzen. Hierbei sollen die zu recycelten SMD-Komponenten mittels eines UV-härtenden, nicht leitenden Acrylklebstoff auf das elektrisch leitfähige Textilband angebracht und ausgehärtet werden. Folgende Schritte werden bei diesem Ansatz durchlaufen:

  • Sammeln der Produkte am Ende ihrer Lebensdauer.
  • Entfernen der Textilbänder.
  • Band auf Oberfläche mit Aceton für 20 Minuten mit Komponenten nach oben platzieren.
  • Band aus Aceton nehmen und Komponenten manuell mit Pinzette oder automatisch mit industriellem Roboterarm entnehmen.
  • Umweltfreundliche Entsorgung von gebrauchten Band- und Kleberückständen.
  • Visuelle und funktionelle Kontrolle der entfernten Komponenten und in drei Gruppen einsortieren: Perfekt Komponenten, Komponenten mit geringfügigen mechanischen Schäden ohne Beeinträchtigung ihrer Funktion und beschädigte Komponenten.
  • Reinigung der Komponenten und Rückstände mit Isopropylalkohol.
  • Herstellung neuer Proben mit den neuen Bändern und gebrauchten Komponenten.
  • Funktionstest der neuen Proben und einsortieren in zwei Qualitätskategorien: perfekt, und zweite Qualität. [HBN+23]

Zum anderen besteht die Möglichkeit, das Textilsubstart des Smart Textiles zu recyclen und wieder zu verwendeten. Dafür müssen die Webstühle angepasst werden, sodass eine vollständige Entwirrung des Garns am Ende seiner Lebenszeit möglich wird und diese gewaschen und wiederverwendet werden kann. Diese Methode kann erweitert werden, indem ein Smart Textile aus verschiedenen unabhängigen Modulen zusammengesetzt wird, die individuell aufgelöst und verändert werden können. Dies ermöglicht eine hohe Anpassbarkeit an individuelle Bedürfnisse sowie eine einfache Austauschbarkeit defekter Komponenten, ohne das gesamte Produkt wegwerfen zu müssen [WD20]

Bewertung der Produktionsprozesse

Auf Basis der Auswertung der Produktionsverfahren und der diskutierten Nachhaltigkeits- sowie Recycling-Aspekte werden die Verfahren anhand einer Skala von 1 bis 3 bewertet (Tabelle 1).

Tabelle 1: Bewertung der Produktionsverfahren
Verfahren Skalierbarkeit Nachhaltigkeit Wirtschaftslichkeit
Direktes Löten 3 1 2
Roboterunterstütztes Ultraschalllöten 3 1 2
ND: Yag-Laserlöten 1 1 2
Ultraschallplastikschweißen 2 2 2
3D-Druckverfahren 2 3 2
Flüssiger Metalldruck 1 1 1
Dampfbeschichten 2 2 2
Nanobeschichten 2 2 2
Siebdruckverfahren 3 1 2
Transfersiebdruckverfahren 1 1 2
Integration faserbasierter Elektronik 3 1 1
Nahtlose Integration 1 1 1


s. Abbildung 2: Prozessablauf mit 3D-Drucker


Das Textilsubstrat wird entwirrt und zu weiteren Produkte verarbeitet.

Dieser Prozessablauf kann einen ersten Ansatz einer Kreislaufwirtschaft darstellen, um Smart Textiles nachhaltig zu produziert.

 

Diskussion

Im Rahmen dieser Untersuchung wird deutlich, dass es Produktionsverfahren gibt, die das Potenzial der Skalierbarkeit besitzen. Obwohl die faserbasierte Integration von Elektronikkomponenten stark im Fokus der Forschung steht, ist es kein nachhaltiges und ressourcenschonendes Verfahren. Das 3D-Druckverfahren stellt dagegen eine attraktive Alternative dar, da es den Recycling-Aspekt mitberücksichtigt. Zudem ist erkennbar, dass es aktuell an Recyclingverfahren für Smart Textiles fehlt, wie es sie in der Textil- oder Elektronikindustrie gibt und Recyclingansätze nur begrenzt vorhanden sind.

Literaturverzeichnis

[AS17] Amft, O.; Schneegass, S. (Hrsg.):
Smart Textiles.
1st ed. 2017. - Cham: Springer International Publishing; Imprint: Springer, 2017

[AZC+18]        Andrew, T. L.; Zhang, L.; Cheng, N.; Baima, M.; Kim, J. J.; Allison, L.; Hoxie, S.:
Melding Vapor-Phase Organic Chemistry and Textile Manufacturing To Produce Wearable Electronics
ACCOUNTS OF CHEMICAL RESEARCH. 51 (2018) 4, S. 850–859

[BSN+19]        Blümle, A.; Sow, Dorothea; Nothacker, Monika; Schaefer, Corinna; Motschall, E.; Boeker, Martin; Lang, Britta; Kopp, Ina; Meerpohl, Jörg J.:
Manual systematische Recherche für Evidenzsynthesen und Leitlinien, 2019

[FHB+16]        Feng, J.; Hontanon, E.; Blanes, M.; Meyer, J.; Guo, X.; Santos, L.; Paltrinieri, L.; Ramlawi, N.; Smet, L. C. P. M. de; Nirschl, H.; Kruis, F. E.; Schmidt-Ott, A.; Biskos, G.:
Scalable and Environmentally Benign Process for Smart Textile Nanofinishing
ACS APPLIED MATERIALS & INTERFACES. 8 (2016) 23, S. 14756–14765

[GGY+22]       Gong, W.; Guo, Y.; Yang, W.; Wu, Z.; Xing, R.; Liu, J.; Wei, W.; Zhou, J.; Guo, Y.; Li, K.; Hou, C.; Li, Y.; Zhang, Q.; Dickey, M. D.; Wang, H.:
Scalable and Reconfigurable Green Electronic Textiles with Personalized Comfort Management
ACS Nano. 16 (2022) 8, S. 12635–12644

[Gon23]           Goncu-Berk, G.:
3D Printing of Conductive Flexible Filaments for E-Textile Applications
IOP Conference Series: Materials Science and Engineering. 1266 (2023) 1, S. 12001

[HBN+23]        Hirman, M.; Benešová, A.; Navrátil, J.; Steiner, F.; Tupa, J.:
New Recycling Procedure of SMD Components for Reuse in E-Textiles in Accordance to the Green Deal Policy, 2023

[HHY19]          Hong, H.; Hu, J.; Yan, X.:
UV Curable Conductive Ink for the Fabrication of Textile-Based Conductive Circuits and Wearable UHF RFID Tags
ACS APPLIED MATERIALS & INTERFACES. 11 (2019) 30, S. 27318–27326

[Ing19] Inga Gehrke, Volker Lutz, David Schmelzeisen, Vadim Tenner and Thomas Gries:
Smart Textiles Production: MDPI, 2019

[KGK22]          Kang, D. J.; Gonzaléz-García, L.; Kraus, T.:
Soft electronics by inkjet printing metal inks on porous substrates
Flexible and Printed Electronics. 7 (2022) 3, S. 33001

[MHG20]         Micus, S.; Haupt, M.; Gresser, G. T.:
Soldering Electronics to Smart Textiles by Pulsed Nd:YAG Laser
Materials (Basel, Switzerland). 13 (2020) 11

[WD20]            Wu, S.; Devendorf, L.:
Unfabricate: Designing Smart Textiles for Disassembly
Bernhaupt, R.:
Proceedings of the 2020 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems, Honolulu HI USA, 25 04 2020 30 04 2020
New York,NY,United States: Association for Computing Machinery, 2020, S. 1–14

[XW19]            Xiao, Y.; Watson, M.:
Guidance on Conducting a Systematic Literature Review
Journal of Planning Education and Research. 39 (2019

AutorInnen: Robin Oberlé1 Autor, Büsra Unay1 Co-Autor

1 RWTH Aachen – Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University (Germany)

Arbeitsgruppenleiter: Robert Boich – Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen Univer-sity (Germany)

Produktion

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20.06.2023

Development of heavy tows from recycled carbon fibers for low-cost and high performance thermoset composites (rCF heavy tows)

Rohstoffe Fasern Garne Composites Textilmaschinenbau Recycling Nachhaltigkeit Kreislaufwirtschaft Technische Textilien

Zusammenfassung

Within the framework of the IGF research project (21612 BR), the entire process chain for the industrial production of novel twist-free rCF heavy tows was developed at ITM. In particular, a novel technology for the production of rCF heavy tows based on recycled carbon (rCF ≥ 90 vol.%) and hot melt adhesive fibers (< 10 vol.%) was designed, constructed and successfully implemented. This includes fiber preparation, the carding process for card sliver formation, the stretching process for drawn sliver formation, and the final fabrication of the rCF heavy tows from rCF and hot melt adhesive fibers in a newly developed test set-up. The suitability of the developed technology is demonstrated by the implementation of rCF heavy tows with different rCF types, fiber lengths and fiber volume contents and a demonstrator. The developed rCF heavy tows with finenesses between 3000-7000 tex and their further processability into textile semi-finished products were successfully demonstrated. The developed rCF Heavy Tows and composites based on them exhibit a maximum composite tensile strength and a maximum Young’s modulus of 1158±72 MPa and 80±5.7 GPa, respectively. The rCF Heavy Tows are thus applicable for low-cost thermoset composites with high performance and complex geometry. Thus, the developed rCF Heavy Tows offer a very high innovation and market potential in the fields of materials and materials, lightweight construction, environmental and sustainability research, and resource efficiency. This opens up the opportunity for SMEs in the textile industry to develop new products and technologies for the fiber composite market and to establish themselves as suppliers for the automotive, mechanical engineering and aerospace, medical and sports equipment industries.

Bericht

Introduction, problem definition and aim of the project

Carbon fiber-reinforced plastics (CFRP) are increasingly used in lightweight applications due to their high stiffness and strength as well as low density, especially in aerospace, transportation, wind energy, sports equipment or construction. Global demand of CFRP is predicted to increase to 197,000 t/a by 2024, almost tripling compared to 2011. This shows an urgent need for solutions to recycle the high quality carbon fiber (rCF) in terms of the circular economy. This is necessary not only due to strict legal regulations, but also for ecological and economic reasons. In recent years, numerous research institutes and companies developed solutions for the reuse of rCF in the fields of nonwovens, injection molding or as hybrid yarns. However, the majority of these works involve the use of rCF in combination with thermoplastic fibers for thermoplastic composites. In the field of rCF-based thermoset CFRP, mainly rCF nonwovens made of 100% rCF have been so far developed. Since the fibers in the nonwovens mostly have a limited length and a low orientation and process-related additional high fiber damage occurs, with these materials only maximum 30% of the composite characteristic values of CFRP components made of carbon filament yarns can be so far achieved.

Currently, the matrix systems used in the field of high mechanical loaded CFRPs are predominantly thermoset. Such components exhibit high dimensional stability, high stiffness and strength as well as are suitable for the implementation of complex component geometries due to low-viscosity matrix systems. However, primary carbon filament yarns are particularly used for these components due to the insufficient properties of rCF. In addition to low sustainability, the utilization of these filament yarns result in at least 200 % higher cost. The production of primary carbon filament yarn requires a high-energy demand of about 230 MJ/kg with a CO2 emission equivalent to 20 kg CO2/kg CF. Here, a significant improvement of the CO2 balance is required to make a substantial contribution to the envisaged climate protection goals of the Federal Republic of Germany and the EU. For this reason, the focus of the project work is the development of novel, sustainable rCF heavy tows made of recycled carbon fibers (rCF) and associated manufacturing technologies for the implementation of cost-effective thermoset composites with high mechanical performance.

Acknowledgments

The IGF project 21612 BR of the Research Association Forschungskuratorium Textil e.V. was funded by the Federal Ministry of Economics and Climate Protection (BMWK) via the AiF within the framework of the program for the promotion of joint industrial research and development (IGF) on the basis of a resolution of the German Bundestag. We would like to thank the above-mentioned institutions for providing the financial resources.

AutorInnen: Mahmud Hossain, Anwar Abdkader und Chokri Cherif

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

rCF fiber yarn Composite textile machine

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20.06.2023

Entwicklung von Heavy Tows aus recycelten Carbonfasern für kostengünstige duroplastische Composites mit hohem Leistungsvermögen (rCF-Heavy Tows)

Rohstoffe Fasern Garne Composites Textilmaschinenbau Recycling Nachhaltigkeit Kreislaufwirtschaft Technische Textilien

Zusammenfassung

Im Rahmen des IGF-Forschungsvorhabens (21612 BR) wurde am ITM die gesamte Prozesskette zur industriellen Herstellung neuartiger drehungsfreier rCF-Heavy Tows entwickelt. Insbesondere wurde eine neuartige Technologie zur Herstellung von rCF-Heavy Tows auf Basis recycelter Carbon- (rCF, ≥ 90 Vol.-%) und Schmelzklebefasern (< 10 Vol.-%) konzipiert, konstruiert und erfolgreich umgesetzt. Diese umfasst die Faseraufbereitung, den Krempelprozess zur Krempelbandbildung, den Streckprozess zur Streckenbandbildung sowie die abschließende Fertigung der rCF-Heavy Tows aus rCF und Schmelzklebefasern in einem neuen entwickelten Versuchsstand. Der Nachweis der Eignung der entwickelten Technologie erfolgt mit der Umsetzung von rCF-Heavy Tows mit unterschiedlichen rCF Typen, Faserlängen und Faservolumengehalten und eines Demonstrators. Die entwickelten rCF-Heavy Tows mit Feinheiten zwischen 3000-7000 tex und deren Weiterverarbeitbarkeit zu textilen Halbzeugen wurden erfolgreich nachgewiesen. Die entwickelten rCF-Heavy Tows und darauf basierende Verbunde weisen eine maximale Verbundzugfestigkeit bzw ein maximales Zug-Modul von 1158±72 MPa bzw. 80±5,7 GPa auf. Die rCF Heavy Tows sind somit für kostengünstige duroplastische Composites mit hohem Leistungsvermögen und komplexer Geometrie einsetzbar. Damit bieten die entwickelten rCF-Heavy Tows ein sehr hohes Innovations- und Marktpotential in den Bereichen Werkstoffe und Materialien, Leichtbau, Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung sowie Ressourceneffizienz. Damit eröffnet sich die Gelegenheit für KMU der Textilindustrie neue Produkte und Technologien für den Faserverbundwerkstoffmarkt und sich als Lieferant für die Automobil-, Maschinenbau- sowie Luftfahrt-, Medizin- und Sportgeräteindustrie zu etablieren.

Bericht

Einleitung, Problemstellung und Zielsetzung

Carbonfaserverstärkte Verbundwerkstoffe (CFK) werden aufgrund ihrer hohen Steifigkeit und Festigkeit sowie der geringen Dichte zunehmend in Leichtbauanwendungen eingesetzt, insbesondere in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Transport, Windenergie, Sport oder Bau. Der globale CFK Bedarf wird sich Prognosen zufolge bis 2024 auf 197.000 t/a erhöhen und damit im Vergleich zu 2011 fast verdreifachen. Das zeigt den dringenden Bedarf an Lösungen zur Wiederverwertung der hochwertigen CF (rCF) im Sinne der Circular Economy. Das ist nicht nur aufgrund strenger rechtlicher Bestimmungen, sondern auch aus ökologischen sowie ökonomischen Gründen eine Notwendigkeit. Zahlreiche Forschungsinstitute und Unternehmen entwickelten in den letzten Jahren Lösungen zur Wiederverwendung von rCF in den Bereichen Vliesstoffe, Spritzgießen oder als Hybridgarne. Diese Arbeiten umfassen allerdings mehrheitlich den Einsatz von rCF in Kombination mit thermoplastischen Fasern für thermoplastische Composites. Für den Bereich rCF basierter duroplastischer CFK wurden bisher vorwiegend rCF-Vliesstoffe aus 100% rCF entwickelt. Da die Fasern in den Vliesstoffen prinzipbedingt nur eine begrenzte Länge und eine geringe Orientierung aufweisen und zusätzlich prozessbedingt hohen Faserschädigung auftreten, sind damit bisher nur max. 30% der Verbundkennwerte von CFK-Bauteilen aus Carbonfilamentgarnen erreichbar.

Aktuell sind die im Bereich hochbelastbarer CFK verwendeten Matrixsysteme überwiegend duroplastisch. Derartige Bauteile weisen eine hohe Formstabilität und hohe Steifigkeiten sowie Festigkeiten auf und eignen sich aufgrund niedrigviskoser Matrixsysteme zur Umsetzung komplexer Bauteilgeometrien. Jedoch werden aufgrund der bisher für diese Bauteile nur ungenügend in rCF abbildbaren, notwendigen Eigenschaften vorrangig Primärcarbonfilamentgarne eingesetzt. Neben einer geringen Nachhaltigkeit verursacht das auch um mind. 200 % höhere Kosten. Die Herstellung primäres Carbonfilamentgarnes erfordert einen hohen Energiebedarf von ca. 230 MJ/kg mit einem CO2-Emissionsäquivalent von 20 kg CO2/kg CF. Hier ist eine deutliche Verbesserung der CO2-Bilanz notwendig, um einen wesentlichen Beitrag zu den anvisierten Klimaschutzzielen der BRD bzw. der EU leisten zu können. Aus diesem Grund ist der Fokus der Projektarbeit die Entwicklung neuartiger, nachhaltiger rCF-Heavy Tows aus recycelten Carbonfasern (rCF) und dazugehöriger Fertigungstechnologien zur Umsetzung kostengünstiger duroplastischer Composites mit hohem Leistungsvermögen.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21612 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Wir danken den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel.

AutorInnen: Mahmud Hossain, Anwar Abdkader und Chokri Cherif

Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
01062 Dresden

https://tu-dresden.de/mw/itm

rCF Faser Garn Composite Textilmaschinenbau

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15.05.2023

Google Lens in der Altkleidersortierung

Recycling Nachhaltigkeit Kreislaufwirtschaft Haus- und Heimtextilien Fashion

Zusammenfassung

Die Textilindustrie steht vor enormen ökologischen Herausforderungen, die auf ein lineares Wertschöpfungsmodell zurückzuführen sind. Gegenwärtig fallen 7 bis 7,5 Millionen Tonnen textiler Reststoffe in der EU-27 und der Schweiz jährlich an - dies entspricht mehr als 15 Kilogramm pro Person. Die größte Quelle dafür sind entsorgte Kleidungsstücke und Heimtextilien von Verbrauchern - sie machen etwa 85 Prozent der gesamten textilen Reststoffe aus. Diese großen Mengen an textilen Reststoffen müssen sortiert und verarbeitet werden.

Google Lens ist eine Bilderkennungssoftware von Google, die auf maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz basiert. Mit Hilfe der Kamera eines Smartphones kann Google Lens Bilder von Objekten, Texten oder Landschaften erfassen, diese erkennen und interpretieren. Die Technologie ist in der Lage, eine Vielzahl von Objekten und Materialien zu identifizieren und auf entsprechende Webseiten zu verweisen.

In einer Versuchsreihe am Institut für Textiltechnik wurde der Einsatz von Google Lens in der Altkleidersortierung getestet. Dabei stand die Auswertung der Genauigkeit von Google Lens zur Erkennung von verschiedenen Merkmalen im Vordergrund. Insgesamt zeigen die Ausführungen in diesem Artikel, dass Google Lens noch keine adäquate Lösung für die automatisierte Auswertung in der Altkleidersortierung darstellt. Die Ausführungen zeigen allerdings auch Potentiale für die Weiterentwicklung der Technologie auf. Auch eine Kombination mit weiterer Sensorik (z. B. NIR) oder eigens entwickelten Algorithmen zur Bildauswertung ist vielversprechend.

Bericht

Abstract:

Die Textilindustrie steht vor enormen ökologischen Herausforderungen, die auf ein lineares Wertschöpfungsmodell zurückzuführen sind. Dieses kennzeichnet sich durch kurze Nutzungsdauern, eine geringe Wiederverwendungsquote und geringes Faser-zu-Faser Recycling der Textilien. So wird ein großer Teil der nicht wiederverwendbaren textilen Reststoffe deponiert oder energetisch verwertet. Die Alttextilien werden von Sortierbetrieben entweder für das Recycling oder für den Weiterverkauf vorbereitet. Hier benötigt es neue Technologien zur Merkmalserkennung von Textilien, um die manuellen Prozessschritte zu ersetzen und zu verbessern. Herausforderungen der bisher händischen Sortierung sind der Arbeitskräftemangel und die unzureichende Objektivität und Qualität der Sortierung. In diesem Artikel werden neue Lösungen zur Automatisierung der Merkmalserkennung ausgewertet.

Herausforderungen in der Altkleidersortierung

Gegenwärtig fallen 7 bis 7,5 Millionen Tonnen textiler Reststoffe in der EU-27 und der Schweiz jährlich an - dies entspricht mehr als 15 Kilogramm pro Person [HJL+22]. Die größte Quelle dafür sind entsorgte Kleidungsstücke und Heimtextilien von Verbrauchern - sie machen etwa 85 Prozent der gesamten textilen Reststoffe aus. Diese großen Mengen an textilen Reststoffen müssen sortiert und verarbeitet werden. Aktuell wird die von Verbrauchern aussortierte Kleidung in Altkleidercontainern entsorgt. Von dort aus werden sie in Sortierbetriebe transportiert, in denen jedes Kleidungsstück inspiziert und händisch in verschiedene Kategorien sortiert wird. Es wird beispielsweise zwischen Qualität oder Art des Materials unterschieden. Diese Schritte gilt es zu automatisieren, um die Anzahl der Fehlsortierungen zu reduzieren und die Limitationen der manuellen Sortierung zu überwinden. Die manuelle Sortierung von Altkleidern ist durch den Arbeitskräftemangel und die unzureichende Qualität stark limitiert. Es gibt erste Ansätze, um die Herausforderungen zur Merkmalserkennung der Textilien zu lösen. Durch Nahinfrarotspektroskopie kann beispielsweise das Material des Textils erkannt und identifiziert werden. Allerdings können mit der Technologie weitere wichtige Merkmale wie die Art des Kleidungsstücks, die Marke und der Zustand nicht analysiert werden. Für die Auswertung dieser Merkmale können allerdings Bildverarbeitungssysteme verwendet werden. Einen Ansatz für die Auswertung von Bildmerkmalen bietet die Software Google Lens.

Die Funktion von Google Lens

Google Lens ist eine Bilderkennungssoftware von Google, die auf maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz basiert. Mit Hilfe der Kamera eines Smartphones kann Google Lens Bilder von Objekten, Texten oder Landschaften erfassen, diese erkennen und interpretieren. Die Technologie ist in der Lage, eine Vielzahl von Objekten und Materialien zu identifizieren und auf entsprechende Webseiten zu verweisen. Die Suchergebnisse werden nach Relevanz und Ähnlichkeit mit dem Objekt auf dem Foto klassifiziert. [Taf21] Darüber hinaus kann Google Lens auch QR-Codes scannen und automatisch Webseiten öffnen, Adressen suchen und Termine in den Kalender eintragen. Die Software ist auch in der Lage, Texte in anderen Sprachen zu erkennen und zu übersetzen, was besonders nützlich für Reisende ist. Insgesamt bietet Google Lens eine schnelle und effektive Möglichkeit, visuelle Informationen zu interpretieren und zu nutzen, um den Benutzern eine bessere Erfahrung zu bieten. Diese Eigenschaften machen einen Einsatz von Google Lens in der Altkleidersortierung interessant. Die Software ist bereits mit einer großen Menge von Daten trainiert und ermöglicht einen gezielten Zugriff auf sämtliche im Internet vorhandene Informationen zu einem Kleidungsstück.

Google Lens für die Sortierung von Altkleidern

In einer Versuchsreihe am Institut für Textiltechnik wurde der Einsatz von Google Lens in der Altkleidersortierung getestet. Dabei stand die Auswertung der Genauigkeit von Google Lens zur Erkennung von verschiedenen Merkmalen im Vordergrund. In dem Versuch wurde die Informationsgewinnung durch den Einsatz von Google Lens in den folgenden sechs Merkmalen geprüft:

  • Typ des Textils bzw. Art der Bekleidung
  • Farbe
  • Material
  • Marke
  • Preisklasse
  • Geschlecht

Die Versuchsdurchführung ist in die folgenden drei Schritte aufgeteilt: Aufnahme von Bildern, Auswertung der Bilder mit Google Lens und Auswertung der fünf relevantesten Suchergebnisse hinsichtlich der sechs Merkmale. Die Aufnahme der Bilder erfolgt in einem statischen Versuchsaufbau. Die Textilien werden auf einem ebenen Untergrund ausgebreitet und von oben unter Beleuchtung fotografiert (siehe Abbildung 1). Für die Auswertung des Versuches werden die sechs Merkmale in definierte Ausprägungen eingeteilt (z. B. werden sechs Preisklassen definiert). Die Auswertung erfolgt anhand der ersten fünf von Google vorgeschlagenen Ergebnisse. Für die Vergleichbarkeit der Ergebnisse erfolgt eine Einteilung in ein Punktesystem: pro Textil wird je ein Punkt pro Merkmal und Treffer vergeben, wenn dieses Merkmal richtig erkannt wird, sodass pro Textil und Treffer maximal 6 Punkte zu vergeben sind. Ein Merkmal gilt als richtig erkannt, wenn die Information eindeutig aus dem Text auf der weitergeleiteten Webseite hervorgeht. Insgesamt werden 90 Textilien ausgewertet. Die Trefferquote wird als Quotient aus der erreichten Punktzahl und der maximal erreichbaren Punktzahl angegeben.

Zunächst erfolgt eine Auswertung des Einflusses des Alters eines Textils auf die Treffergenauigkeit: neuere Textilien erreichen eine Treffergenauigkeit von 32,96 %, wohingegen ältere Textilien (älter als 30 Jahre) eine Treffergenauigkeit von lediglich 22,58 % erreichen. Dieser Umstand ist auf die höhere Verfügbarkeit von Daten neuer Textilien zurückzuführen. Auch bei der Art der Textilien zeigen sich Unterschiede in der Auswertung: Heimtextilien weisen lediglich eine Trefferquote von 15,00 % auf, wohingegen Textilien in der Kategorie „Bluse/Hemd“ eine Trefferquote von 45,33 % aufweisen. Am besten wird die Art der Bekleidung erkannt (56,22 % Trefferquote), wohingegen die Marke nur zu 4,67 % erkannt wird. Dieser Umstand ist sowohl auf die große Ähnlichkeit verschiedener Marken als auch auf die teilweise nur geringe direkte Erkennbarkeit von Markennamen oder Logos zurückzuführen. Auch das Material wird nur zu ca. 13,11 % richtig erkannt, da dieses Merkmal nicht direkt visuell zu erkennen ist. Zuletzt bietet auch die Betrachtung der Unterschiede in Abhängigkeit der Relevanz der Treffer kein eindeutiges Ergebnis: beim ersten und relevantesten Treffer liegt die durchschnittliche Trefferquote bei 29,66 % und beim zweiten bis fünften Treffer ebenfalls zwischen 25,19 % und 32,09 %. Anzumerken ist allerdings, dass die Ergebnisse insgesamt nicht ausreichend sind. Für einen sinnvollen Einsatz der Technologie sind Trefferquoten von ca. 90-95 % erforderlich. So lässt sich insgesamt feststellen, dass Google Lens mit dem gewählten Versuchsaufbau und der gewählten Auswertelogik nicht für den Einsatz in der Altkleidersortierung geeignet ist.

 

Weiterentwicklung der Technologie

Eine Lösungsmöglichkeit zur Weiterentwicklung der Technologie liegt in der erweiterten Auswertung von Informationen. Zum Beispiel können zusätzlich auch Bilder auf der Webseite (z. B. Fotos von Etiketten) oder der Seitenquelltext ausgewertet werden. Außerdem ist die Einteilung der Merkmalskategorien kritisch zu prüfen, da diese einen erheblichen Einfluss auf die Auswertung hat. Weiterhin sind Änderungen am Versuchsaufbau denkbar: eine Lösung könnte z. B. in der Aufhängung von Textilien bestehen oder in der Änderung der Beleuchtung. Außerdem kann die Suche in Google Lens mit Texten verknüpft werden, sodass eine Suche näher eingegrenzt und mit zusätzlichen Sensoren verknüpft werden könnte. Diese Lösungsmöglichkeiten werden in weiteren Projekten und Versuchen am ITA weiterentwickelt.

Insgesamt zeigen die Ausführungen in diesem Artikel, dass Google Lens noch keine adäquate Lösung für die automatisierte Auswertung in der Altkleidersortierung darstellt. Die Ausführungen zeigen allerdings auch Potentiale für die Weiterentwicklung der Technologie auf. Auch eine Kombination mit weiterer Sensorik (z. B. NIR) oder eigens entwickelten Algorithmen zur Bildauswertung ist vielversprechend.

Bildunterschriften:

Abbildung 1: Aufbau des Versuches (eigene Darstellung)

Literatur:

[HJL+22]                       Hedrich, Saskia; Janmark, Jonatan; Langguth, Nikolai; Magnus, Karl-Hendrik; Strand, Moa:
Scaling textile recycling in Europe - turning textile waste into value: Juli 2022

[Taf21]                           Taffel, S.:
Google’s lens: computational photography and platform capitalism
Media, Culture & Society Band:43 (2021) H. 2, S. 237–25
5

AutorInnen: Pohlmeyer, Florian* Johannsen, Hanna* Möbitz, Christian* Gries, Thomas* Kleinert, Tobias

*alle: Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University, Otto-Blumenthal-Str. 1, 52074 Aachen

Kleinert, Tobias (Lehrstuhl für Informations- und Automatisierungssysteme für die Prozess- und Werkstofftechnik der RWTH Aachen University, Turmstr. 46, 52064 Aachen)

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29.09.2022

Projekt CoopLaserJoining

Composites Textilmaschinenbau Recycling

Zusammenfassung

Der Fokus des Forschungsvorhabens liegt auf der Verbesserung der Multimaterialverbindungen von recyceltem Carbon mit Aluminium und der Entwicklung eines intelligenten Strahlschalters zur Betreibung von parallelgeschalteten Laserprozessen mit einer Laserquelle.

Bericht

Mit der Weiterentwicklung der Elektromobilität wird der Bedarf der Automobilindustrie an Leichtbaukomponenten immer deutlicher. Die Leichtbauteile werden benötigt, um das Gewicht des Fahrzeugs zu reduzieren und damit die Reichweite zu erhöhen. Gleichzeitig steigt mit der jährlichen Wachstumsrate von 11% bei carbonfaserverstärkten (CFK) Verbundwerkstoffen die Sorge um die Entsorgung bzw. Wiederverwendung von Carbonfasermaterialien speziell aus der Automobilindustrie. Denn nach EU-Regelung müssen 85 Prozent des im Automobil verbauten Materials wiederverwendet werden und 95 Prozent recyclingfähig sein. Im Multimaterialbau stehen die Fügestellen im Fokus. Fügestellen sind kritische Bereiche für die mechanischen Eigenschaften des Konstrukts, behindern aber gleichermaßen die Materialtrennung am Lebensende und erschweren damit das Recycling.

Ziel des Vorhabens von CoopLaserJoining ist die Entwicklung modernster Laserbearbeitungs- und Fügetechnologien für rezyklierbare Carbonfaserverbundwerkstoffe für den Einsatz in Automobilkarosserieteilen. Zur Erhöhung der Produktivität der Laserbearbeitungsprozesse wird ein intelligenter Strahlschalter entwickelt, welcher die vorhandene Laserleistung auf zwei oder mehr Bearbeitungsköpfe aufteilt. So kann die Zykluszeit für die Lasermaterialbearbeitung in beiden Fügeprozessen mindestens halbiert werden und erhöht so Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Laserprozesse.
Hierbei konzentriert sich das Projektkonsortium auf die Einbringung von Krafteinleitungselementen mittels Ultrakurzpuls (UKP)-Laserbohren in Preforms zur Erhöhung der Haftfestigkeit und Verkürzung der Prozesskette. Außerdem erlauben lösbare Verbindungen eine Verbesserte Trennbarkeit der Materialien und schaffen somit die Voraussetzung zum einfachen Recycling der Materialien.

Das Vorhaben wird am Beispiel der Automobilindustrie für die kostenorientierte Massenproduktion durchgeführt. Ein Aluminium-Leichtbaurahmen wird mit verschiedenen CFK-Komponenten verstärkt. Die Dauerfestigkeit und Belastbarkeit der Bauteile wird im Wesentlichen durch die Fertigungstechnologie sowie die Technik des Verbindens der CFK-Bauteile mit dem Aluminium-rahmen bestimmt. Die Festigkeit der resultierenden Verbindungen wird durch Belastung bis zum Versagen bewertet. So ist es möglich, für unter-schiedliche Funktionsteile eine optimierte Fertigungs- und Fügetechnik zu identifizieren und den Fügeprozess an die spezifischen Anforderungen anzupassen.

Projektbeteiligte
Fraunhofer Institut für Lasertechnik, Amphos GmbH, Seoul National University of Science and Technology, Sungwoo Hitech CO., LTD.

Das Forschungsvorhaben CoopLaserJoining (01DR21026B) wird am Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University (ITA), dem Fraunhofer Institut für Lasertechnik (ILT) und der Firma Amphos GmbH durchgeführt. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Fördermaßnahme IB-Asien gefördert.

AutorInnen: Santino Wist

ITA Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen University, Otto-Blumenthal-Strasse 1, 52074 Aachen, Deutschland

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