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(c) A3/Christian Strohmayr
10.05.2022

Fraunhofer reduziert CO2-Footprint und recycelt Trendleichtbauwerkstoff Carbon

Neo-Ökologie mittels innovativer Papiertechnik

Neo-Ökologie mittels innovativer Papiertechnik

Carbonfaserverbundwerkstoffe sind u. a. aufgrund ihres Leichtbaupotenzials überall im Einsatz, z. B. in der Luftfahrtindustrie, in Windkraftenergieanlagen, im Automotive-Bereich und bei der Herstellung von Sportgeräten. Entlang der Prozesskette und am Ende der Nutzungsphase entstehen verschiedene Arten von Abfällen, die man eigentlich wiederverwenden kann. Mit einer hochmodernen Nassvliesanlage forscht das Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV in Augsburg nun an der Rückführung rezyklierter Carbonfasern. Die Anlagenprozesse ähneln der einer Papierherstellungsanlage. Der entscheidende Unterschied: nicht Papierfasern werden zu Papier, sondern recycelte Carbonfasern werden zu Vliesstoff-Rollwaren verarbeitet. Die Carbonfaser bekommt somit ein zweites Leben und findet sich umweltfreundlich in Form von Vliesstoffen z. B. in Türverkleidungen, Motorhauben, Dachstrukturen, als Unterbodenschutz (Automobil), Hitzeschilder (Helikopter-Heckausleger) sowie im Flugzeug-Interieur wieder.

»Die Nassvliestechnologie für die Verarbeitung technischer Fasern erfährt derzeit eine Revolution, die auf eine jahrhundertealte Tradition der Papierherstellung zurückgeht.«
Michael Sauer; Forscher am Fraunhofer IGCV

Die angewendete Technologie, die Nassvliestechnologie, ist eines der ältesten Vliesbildungsverfahren (um 140 v. Chr. bis 100 n. Chr.). Als bedeutender Industriezweig mit vielseitigen Anwendungsfeldern finden sich Nassvliesstoffe längst nicht mehr nur in klassischem Papier. Vielmehr erstrecken sich die Anwendungsfelder beispielsweise von Klebstoff-Trägerfilmen über Verpackungsmaterial bis hin zu Banknoten sowie deren prozessintegrierten Wasserzeichen und Sicherheitsmerkmalen. Zukünftig kommen besonders nachhaltige Technologiefelder rund um Batteriekomponenten, Brennstoffzellenelemente, Filtrations-Schichten, bis hin zu funktionsintegrierten Werkstofflösungen z. B. mit EMI-Abschirmfunktion hinzu.

Die Nassvliesanlage am Augsburger Standort kann jegliche Fasermaterialien wie Natur-, Regenerat- und Synthetikfasern – vor allem recycelte Carbonfasern – zu innovativen und neuartigen Vliesstoffen verarbeiten. Dabei ist die Anlage gezielt als Pilot-Linie im Technikums-Maßstab ausgelegt und bietet größtmögliche Flexibilität hinsichtlich Materialvarianten und Prozessparametern. Zudem wird eine ausreichend hohe Produktivität gewährleistet, um nachfolgend skalierte Verarbeitungsversuche (z. B. Demonstrator-Fertigung) zu ermöglichen.

Der Hauptarbeitsbereich der Nassvliesanlage bezieht sich auf folgende Kenngrößen:

  • Prozessgeschwindigkeit bis zu 30 m/min
  • Rollenbreite von 610 mm
  • Flächengewichte realisierbar zwischen 20 und 300 gsm
  • Gesamtanlage in der Schutzklasse ≥ IP65 für die Verarbeitung z. B. leitfähiger Faserwerkstoffe
  • Anlagen-Design auf Basis einer Schrägsieb-Anordnung mit hoher Entwässerungsleistung (u. a. für die Verarbeitung stark verdünnter Faser-suspensionen oder für Materialvarianten mit hohem Wasserrückhaltevermögen)
  • Modulares Anlagendesign mit höchstmöglicher Flexibilität für schnellen Wechsel der Materialvariante oder der Prozessparameter

Forschungsschwerpunkt: Carbonrecycling am Ende des Lebenszyklus
Im Bereich technischer Stapelfasern wird an der Verarbeitung recycelter Carbonfasern geforscht. Weitere aktuelle Forschungsinhalte umfassen in diesem Zusammenhang die Erforschung, Optimierung und Weiterentwicklung von Bindermittelsystemen, Faserlängen bzw. Faserlängenverteilungen, Faserorientierung sowie Vliesstoffhomogenität. Zudem steht die Integration von digitalen sowie KI-gestützten Methoden im Rahmen eines Online-Prozess-Monitorings im Fokus. Weitere Forschungsthemen, wie die Herstellung von Gasdiffusionsschichten für Brennstoffzellenkomponenten, die Weiterentwicklung von Batterieelementen sowie Filtrationsanwendungen (Medizintechnik) befinden sich derzeit im Aufbau.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Giesserei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV

Foto: pixabay
03.05.2022

Auf dem Weg zur CO2-Neutralität: Reduktionstechnologien und Messwerkzeuge

Immer mehr Sport- und Modemarken setzen sich zum Ziel, in den nächsten Jahren klimaneutral zu werden, auf Firmen- wie Produktebene. Die CO2-Bilanz dient dabei als Ausgangspunkt für nachhaltige Bekleidung und mehr Verbrauchertransparenz.

Dieser Prozess beginnt bei den Materialien, die Textilproduzenten liefern, und erfordert Kenntnisse über die Menge an CO2, die während der Produktion emittiert wird. Durch die Bewertung und Quantifizierung der CO2-Emissionen gewinnt die Industrie an Transparenz und kann nachhaltigere Optionen wählen.

Immer mehr Sport- und Modemarken setzen sich zum Ziel, in den nächsten Jahren klimaneutral zu werden, auf Firmen- wie Produktebene. Die CO2-Bilanz dient dabei als Ausgangspunkt für nachhaltige Bekleidung und mehr Verbrauchertransparenz.

Dieser Prozess beginnt bei den Materialien, die Textilproduzenten liefern, und erfordert Kenntnisse über die Menge an CO2, die während der Produktion emittiert wird. Durch die Bewertung und Quantifizierung der CO2-Emissionen gewinnt die Industrie an Transparenz und kann nachhaltigere Optionen wählen.

Die PERFORMANCE DAYS München und Functional Fabric Fair by PERFORMANCE DAYS Portland suchen über drei Messen hinweg gezielt Antworten auf die Frage „Wie lassen sich zukünftig CO2-Emissionen einsparen?“. Der Schwerpunkt „Auf dem Weg zur CO2-Neutralität“ rückt deswegen ab der Frühjahrsmesse, die Anfang April in Portland, Oregon stattfand, sowie vom 27. bis 28. April 2022 auf dem Messegelände München, über die Wintermesse im Oktober/November, bis zur Messe im Frühjahr 2023 Stoffe und Fasern in den Mittelpunkt, die Lösungen bereitstellen, wie man in Zukunft klimaneutral Materialien herstellen und wiederverarbeiten kann.

Wenn heute von Umweltschutz und Klimawandel die Rede ist, fällt immer wieder im Zusammenhang mit CO2-Emissionen, CO2-Reduzierung auch der Begriff CO2-Neutralität. Doch was genau bedeutet CO2-Neutralität eigentlich? Klimaneutralität bedeutet, ein Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffemissionen und der Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre in Kohlenstoffsenken herzustellen. Um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen alle Treibhausgasemissionen weltweit durch Kohlenstoffbindung ausgeglichen werden. Zu den Branchen, die weltweit mit am meisten CO2-Emissionen verursachen, zählt auch die Mode- und Sportbekleidungsindustrie.

Will man ihre Emissionen über alle Stufen der Wertschöpfung hinweg betrachten, so lohnt es sich, über Rohstoffe, Produktion, Logistik und Handel hinaus zu blicken. Auch das Verhalten der Konsumenten kann die Emissionen beeinflussen: Laut dem von der Global Fashion Agenda und McKinsey Ende August 2020 „Fashion on Climate“- Report liegt ein noch größerer Hebel bei den Produkten: 61 Prozent der Emissionsverringerung könnten durch CO2-Reduzierung in der Materialproduktion und -verarbeitung, die Minimierung von Produktions- und Herstellungsabfällen und bei der Bekleidungsherstellung erreicht werden. Bis 2030 wären das etwa 1 Milliarde Tonnen jährlich. Und schließlich ist es auch das Verbraucherverhalten, das sich auf die Klimabilanz der Modebranche auswirkt. Wenn noch mehr auf nachhaltige Bekleidung geachtet und wieder- und länger verwendet wird, kann dies laut dem Report zu einer Emissionsverringerung von 347 Millionen Tonnen führen.

Ein deutliches Beispiel auf dem Weg in Richtung Nachhaltigkeit war die Entscheidung der PERFORMANCE DAYS, ab der Messeveranstaltung im November 2019 nur noch nachhaltige Materialien im PERFORMANCE FORUM zu zeigen. Nun wird der nachhaltige Ansatz noch zusätzlich verstärkt. Im Rahmen einer Roadmap will man mit dem neuen Focus Topic über drei Messen hinweg, Aussteller auf ihrem Weg zur Klimaneutralität begleiten. Dabei verfolgen die PERFORMANCE DAYS und Functional Fabric Fair einen 3 Stufen Plan.  

  • Schritt 1, April 2022: Der Fokus der letzten Messe lag auf CO2-reduzierenden Technologien und der Messung des CO2-Fußabdrucks eines Produkts.
  • Schritt 2, November 2022: In der gesamten Produktkategorie des Focus Topics werden ausschließlich Produkte gezeigt, die die bei der Herstellung verursachten CO2-Emissionen angeben und so zu mehr Transparenz und Vergleichbarkeit in der Branche beitragen.
  • Schritt 3, April 2023: Im PERFORMANCE FORUM soll die Menge des emittierten CO2 jedes einzelnen Produkts dargestellt werden. Darüber hinaus werden Lösungsansätze gezeigt, wie CO2, das bei der Herstellung von Materialien freigesetzt wird, kompensiert und weiter reduziert werden kann.

Zur bestmöglichen Umsetzung und Präsentation des neuen Focus Topics arbeiten die PERFORMANCE DAYS und Functional Fabric Fair mit verschiedenen Partnern zusammen: Higg und Climate Partner werden die drei Messen begleiten. Der Higg Materials Sustainability Index (Higg MSI) gilt als führendes Instrument zur Bewertung der Umweltauswirkungen von Materialien in der Bekleidungs-, Schuh- und Textilindustrie. Der Higg MSI kann die Umweltauswirkungen von Millionen möglicher Materialherstellungsvarianten berechnen. Auch eine Verpackungsbibliothek wurde hinzugefügt, mit der nachhaltige Entscheidungen im Verpackungsbereich getroffen werden können. Demnach ist der Higg Index kein Zertifikat oder Label, sondern ein wichtiges Self-Assessment-Tool, das textile Firmen intern einsetzen können, um ökologische und soziale Probleme in ihrer gesamten Wertschöpfungskette identifizieren und verbessern zu können.

Climate Partner wiederum sucht Lösungen für Klimaschutz: Dabei werden CO2-Emissionen bilanziert – diese wiederum sollen die Emissionen von Unternehmen mit anerkannten Klimaschutzprojekten ausgleichen, um Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen klimaneutral zu stellen. Climate Partner sieht sich zudem als Berater von Unternehmen bei ihren Klimaschutzstrategien. Zusammen will man daran arbeiten, CO2-Emissionen zu reduzieren und Klimaschutzprojekte unterstützen, die immer auch den Alltag der Menschen in Entwicklungsländern fördern. 

Weitere Informationen:
Performance Days CO2 Sportbekleidung Messe
Quelle:

PERFORMANCE DAYS

05.04.2022

Das klügere Pflaster gibt nach: Verband mit integrierten Medikamenten

Mit einem Verband, der Medikamente freisetzt, sobald eine Infektion in einer Wunde beginnt, ließen sich Verletzungen effizienter behandeln. Empa-Forschende arbeiten derzeit an Polymerfasern, die weich werden, sobald sich die Umgebung aufgrund einer Infektion erwärmt, und dadurch ein keimtötendes Mittel abgeben.

Ob eine Wunde unter dem Verband problemlos verheilt oder Bakterien in das verletzte Gewebe eindringen und eine Entzündung entfachen, lässt sich von außen nicht erkennen. Sicherheitshalber werden also desinfizierende Salben oder Antibiotika auf der Wunde verteilt, bevor ein Verband angelegt wird. Diese vorbeugenden Maßnahmen sind aber nicht in jedem Fall notwendig. So werden Medikamente verschwendet und Wunden «übertherapiert».

Mit einem Verband, der Medikamente freisetzt, sobald eine Infektion in einer Wunde beginnt, ließen sich Verletzungen effizienter behandeln. Empa-Forschende arbeiten derzeit an Polymerfasern, die weich werden, sobald sich die Umgebung aufgrund einer Infektion erwärmt, und dadurch ein keimtötendes Mittel abgeben.

Ob eine Wunde unter dem Verband problemlos verheilt oder Bakterien in das verletzte Gewebe eindringen und eine Entzündung entfachen, lässt sich von außen nicht erkennen. Sicherheitshalber werden also desinfizierende Salben oder Antibiotika auf der Wunde verteilt, bevor ein Verband angelegt wird. Diese vorbeugenden Maßnahmen sind aber nicht in jedem Fall notwendig. So werden Medikamente verschwendet und Wunden «übertherapiert».

Schlimmer noch: Der verschwenderische Umgang mit Antibiotika fördert die Entstehung von multiresistenten Keimen, die ein immenses Problem der globalen Gesundheitsversorgung darstellen. Empa-Forschende der beiden Empa-Labore «Biointerfaces» und «Biomimetic Membranes and Textiles» in St. Gallen wollen dies ändern. Sie entwickeln einen Verband, der selbstständig nur dann antibakterielle Medikamente verabreicht, wenn sie auch wirklich benötigt werden.

Die Idee des interdisziplinären Teams um Qun Ren und Fei Pan: Der Verband sollte mit Medikamenten «beladen» sein und zudem auf Umweltreize reagieren. «Auf diese Weise könnten Wunden präzise und im richtigen Moment behandelt werden», erklärt Fei Pan. Als Umweltreiz suchte sich das Team einen bestens bekannten Effekt aus: den Temperaturanstieg in einer infizierten, entzündeten Wunde.

Nun hiess es für das Team, ein Material zu designen, das auf diesen Temperaturanstieg passend reagieren würde. Hierzu wurde ein hautverträglicher Polymer-Verbundstoff aus mehreren Komponenten entwickelt: Acrylglas (Polymethylmethacrylat, kurz PMMA), das beispielsweise für Brillengläser und in der Textilindustrie verwendet wird, und Eudragit, ein bioverträgliches Polymergemisch, mit dem beispielsweise Tabletten überzogen werden. Mittels Elektrospinnen liess sich das Kunststoffgemisch zu einer feinen Membran aus Nanofasern verarbeiten. Als medizinisch wirksame Komponente konnte schliesslich Octenidin in die Nanofasern eingekapselt werden. Octenidin ist ein Desinfektionsmittel, das schnell gegen Bakterien, Pilze und manche Viren wirkt. In der Medizin kann es auf der Haut, auf Schleimhäuten und zur Wunddesinfektion verwendet werden.

Entzündungszeichen als Trigger
Bereits in der Antike beschrieb der griechische Arzt Galen die Anzeichen einer Entzündung. Noch heute besitzen die fünf lateinischen Fachbegriffe ihre Gültigkeit: Dolor (Schmerz), Calor (Erwärmung), Rubor (Rötung), Tumor (Schwellung) und Functio laesa (eingeschränkte Funktion) stehen für die klassischen Hinweise auf eine Entzündung. Bei einer infizierten Hautwunde kann die lokale Erwärmung bis zu fünf Grad ausmachen. Dieser Temperaturunterschied lässt sich als Trigger nutzen: Geeignete Materialien verändern in diesem Bereich ihre Konsistenz und können therapeutische Substanzen freisetzen.

Zersplitternder Handschuh
«Damit die Membran als "smarter Verband" wirkt und das Desinfektionsmittel auch tatsächlich freisetzt, wenn sich die Wunde aufgrund einer Infektion erwärmt, haben wir das Polymergemisch aus PMMA und Eudragit so zusammengestellt, dass wir die Glasübergangstemperatur passend einstellen konnten», sagt Empa-Forscher Fei Pan. Dabei handelt es sich um die Temperatur, bei der ein Kunststoff von einer festen Konsistenz in einen gummig-zähen Zustand wechselt. Bildlich beschrieben wird der Effekt gerne in umgekehrter Weise: Legt man einen Gummihandschuh in flüssigen Stickstoff bei minus 196 Grad, ändert er seine Konsistenz und wird so hart, dass man ihn mit einem Schlag wie Glas zersplittern lassen kann.

Die gewünschte Glasübergangstemperatur der Polymermembran hingegen lag im Bereich von 37 Grad. Wenn eine Entzündung vorliegt und sich die Haut über ihre normale Temperatur von 32 bis 34 Grad hinaus erwärmt, wechselt das Polymer von seinem festen in einen weicheren Zustand. In Laborexperimenten konnte das Team beobachten, wie das Desinfektionsmittel bei 37 Grad aus dem Polymer freigesetzt wird, nicht jedoch bei 32 Grad. Ein weiterer Vorteil: Der Prozess ist reversibel und kann bis zu fünf Mal wiederholt werden, da sich der Vorgang bei Abkühlung immer wieder von selbst «abschaltet». Nach diesen erfolgreichen Tests möchten die Empa-Forschenden nun das Feintuning des Effekts angehen. Statt eines Temperaturbereichs von vier bis fünf Grad soll der smarte Verband sich dann bereits bei kleineren Temperaturunterschieden an- und abschalten.

Smart und schonungslos
Um die Wirksamkeit der Nanofaser-Membranen gegenüber Wundkeimen zu untersuchen, stehen nun weitere Laborexperimente an. Teamleiterin Qun Ren befasst sich seit Langem mit Keimen, die sich in den Grenzschichten zwischen Oberflächen und der Umwelt einnisten, wie etwa auf einer Hautwunde. «In diesem biologischen Setting, einer Art Niemandsland zwischen Körper und Verbandsmaterial, finden Bakterien eine perfekte biologische Nische», so die Empa-Forscherin. Infektionserreger wie Staphylokokken oder Pseudomonas-Bakterien können hier schwere Wundheilungsstörungen verursachen. Genau diese Wundkeime liess das Team in der Petrischale Bekanntschaft mit dem smarten Verband machen. Und tatsächlich: Die Zahl der Bakterien verringerte sich um den Faktor 1000, wenn Octenidin aus dem smarten Verband freigesetzt wurde. «Mit Octenidin ist uns ein "Proof of Principle" für die kontrollierte Medikamentenfreisetzung durch einen externen Reiz gelungen», so Qun Ren. Künftig lasse sich die Technologie auch für andere Arten von Medikamenten einsetzen, wodurch die Effizienz und Präzision bei deren Dosierung gesteigert werden könnte.

Der smarte Verband
In interdisziplinären Teams arbeiten Empa-Forschende an verschiedenen Ansätzen zur Verbesserung der medizinischen Wundbehandlung. Beispielsweise sollen flüssige Sensoren durch Farbumschlag an der Aussenseite des Verbands sichtbar machen, wenn eine Wunde schlecht verheilt. Als Biomarker dienen hierbei kritische Glukose- und pH-Werte.

Damit bakterielle Infektionen direkt in der Wunde bekämpft werden können, arbeiten die Forschenden zudem an einem Polymerschaum, der mit entzündungshemmenden Substanzen beladen ist und an einer hautfreundlichen Membran aus Pflanzenmaterial. Die Cellulose-Membran ist mit antimikrobiellen Eiweissbausteinen ausgestattet und tötet in Labortests Bakterien äusserst effizient ab.

Zudem kann die Digitalisierung bei der Wundversorgung sparsamere und effizientere Dosierungen erreichen: Empa-Forschende entwickeln digitale Zwillinge der Haut, die die Steuerung und Vorhersage des Therapieverlaufs mittels Modellierung in Echtzeit erlauben.

Informationen
Prof. Dr. Katharina Maniura
Biointerfaces  
Tel. +41 58 765 74 47
Katharina.Maniura@empa.ch

Prof. Dr. René Rossi
Biomimetic Membranes and Textiles
Tel. +41 58 765 77 65
Rene.rossi@empa.ch

Quelle:

EMPA, Andrea Six

Foto: Lalit Kumar, Unsplash
29.03.2022

Die Chemiefaserindustrie in der Zeitenwende

„Man reißt kein Haus ab, bevor das neue bezugsfertig ist.“

Textination sprach mit dem Geschäftsführer der Industrievereinigung Chemiefaser e.V., Dr. Wilhelm Rauch über seine Einschätzung zur Zeitenwende, der sich die Chemiefaserindustrie aktuell stellen muss. Wo liegen die Risiken und Bedrohungen, was muss sich ändern, um weiterhin ein wettbewerbsfähiger Player auf dem globalen Markt zu bleiben.

„Man reißt kein Haus ab, bevor das neue bezugsfertig ist.“

Textination sprach mit dem Geschäftsführer der Industrievereinigung Chemiefaser e.V., Dr. Wilhelm Rauch über seine Einschätzung zur Zeitenwende, der sich die Chemiefaserindustrie aktuell stellen muss. Wo liegen die Risiken und Bedrohungen, was muss sich ändern, um weiterhin ein wettbewerbsfähiger Player auf dem globalen Markt zu bleiben.

US-Präsident Joe Biden hat seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin im Zusammenhang mit dem Einmarsch in die Ukraine als Kriegsverbrecher bezeichnet. Das höchste Gericht der Vereinten Nationen, der Internationale Gerichtshof in Den Haag, hat angeordnet, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine sofort beenden muss. Wie bewerten Sie persönlich das Verhalten Russlands?
Dr. Rauch:
Mit familiären Wurzeln im Rheinland, Mittel- und Ostdeutschland bin ich in einer Zeit aufgewachsen, wo als Folge der Teilung Europas Familien getrennt und mitten in Deutschland Menschen skrupellos erschossen wurden, die die innerdeutsche Demarkationslinie in Richtung Westen übertreten wollten. Der Fall des Eisernen Vorhangs führte uns seit 1989 in einen Zeitraum, der mehr als 30 Jahre andauerte und uns zumindest in Europa eine Ära des friedlichen Miteinanders der großen Machtblöcke, intensiver Handelsbeziehungen und prosperierender Staaten erleben ließ.

Heute mit ansehen zu müssen, wie seitens Russlands versucht wird, in Europa das Rad der Geschichte mit einer Brutalität zurückzudrehen, welche die jüngste in Europa aufgewachsene Generation bislang glücklicherweise nicht erleben musste, ist mehr als schockierend und ruft schlimmste Erinnerungen an die Zeit des kalten Krieges wach, von der jeder hoffte, sie kehrt niemals wieder. Wenn heute in der Ukraine sogar Anlagen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie beschossen werden, ist eine Dimension erreicht, die man nicht weiter extrapolieren möchte. Neben dem verursachten unsäglichen menschlichen Leid, das wir durch die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen nur ansatzweise mildern können, wird langfristig jegliches Vertrauen in politische Zusagen verspielt, das aber sowohl für eine friedliche Koexistenz als auch für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit essentiell ist. Wir stehen vor einer Neuordnung der Welt, in der man Lieferbeziehungen und Abhängigkeiten mit bzw. von autokratischen Staaten sehr viel sensibler für jeden Einzelfall bewerten muss.

Die wirtschaftlichen Folgen des Russland-Ukraine-Konflikts werden immer deutlicher. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) korrigiert seine Prognose für 2022, sieht aber noch keine Rezession. Mit welchen Erwartungen sehen Sie für die Branche auf das aktuelle Wirtschaftsjahr?
Dr. Rauch:
Die zurückliegenden zwei Jahre der SARS-CoV-2-Pandemie durchlief die Chemiefaserindustrie mit großen Blessuren. Geplante Investitionen wurden zunächst zurückgestellt und dann endgültig aufgegeben. Bis zum Ende des Jahres 2022 werden im Vergleich zum Jahr 2019 drei Chemiefaserproduzenten ihre Tore in Deutschland schließen. In das laufende Jahr startete die Branche sehr hoffnungsvoll, wenngleich die bisherigen Themen wie REACH und vor allem Energiekosten bereits vor dem Russland-Ukraine-Krieg in Schärfe zunahmen. Die wirtschaftlichen Folgen des Krieges werden sich sowohl direkt in Form gestiegener Energiepreise als auch indirekt durch Veränderungen der internationalen Wettbewerbsbedingungen negativ auswirken.

Was bedeuten der Krieg in der Ukraine und die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland für die vorgelagerten Lieferketten der Chemiefaserindustrie?
Dr. Rauch:
Die unmittelbaren vorgelagerten Lieferketten werden von diesem Krieg zunächst kaum beeinträchtigt. Wir müssen aber damit rechnen, dass Lieferketten in anderen Industrien gestört werden. Wenn z. B. bestimmte Rohstoffe oder Erzeugnisse nicht mehr zur Verfügung stehen, kann das angefangen von der Logistik (Mobilität) bis hin zu Komponenten in produktionstechnischen Anlagen spürbar werden. Als Beispiel sei hier die Verfügbarkeit von Kabelbäumen erwähnt werden, die bislang in der Ukraine hergestellt wurden und in vielen elektronischen Bauteilen für die Chemiefaserproduktion unabdingbar sind.

Welche Relevanz haben die Ukraine und Russland als Absatzmärkte für die IVC-Mitgliedsunternehmen?
Dr. Rauch:
Nimmt man das letzte Jahr vor Ausbruch der SARS-CoV-2-Pandemie als Bezugsjahr, so machen die Exporte in die Ukraine und in die Russische Föderation ca. 1,6 % des Gesamtexportes an Chemiefasern aus Deutschland aus. Ein Ausfall dieser Abnahmeländer ist im Mittel verkraftbar, wobei man nicht vergessen darf, dass im Einzelfall - je nach Produktportfolio einer Firma - durchaus spürbare Belastungen auftreten können. Blickt man über den Tellerrand hinaus, so sind nicht nur die direkten Exporte an Chemiefasern in die Kriegsregion von Bedeutung, sondern auch Lieferungen von Erzeugnissen, in denen Chemiefasern verarbeitet werden. Hier gibt es nun unterbrochene Lieferbeziehungen, die Auftragsverluste für die Chemiefaser-branche nach sich ziehen.

Bestimmte Industriezweige sind von den Folgen besonders betroffen - was bedeutet das für die Chemiefaserbranche als Zulieferindustrie?
Dr. Rauch:
Überall dort, wo entlang der nachgeschalteten Wertschöpfungskette Produktionen zurückgefahren werden, in denen Chemiefasern Einsatz fanden, wird man die Auswirkungen mit zeitlichem Versatz spüren. Das betrifft z.B. Lieferungen in den Automobilbereich, wenn dort wegen fehlender aus der Ukraine stammender Komponenten die Neuwagenproduktion stockt.

Wie wirken sich die explodierenden Energiepreise und das Gasembargo bei den Chemiefaserproduzenten im DACH-Gebiet aus?
Dr. Rauch:
Die europäischen Energiekosten lagen bereits vor dem Russland-Ukraine-Krieg auf einem Niveau, das unseren Mitgliedern schwer zusetzte. So stiegen z. B. die europäischen Gaskosten aufgrund der Kriegshandlungen aktuell um das Zehnfache von ca. 12 EUR/MWh auf ca. 120 EUR/MWh, in den USA „nur“ um das Zweieinhalbfache von ca. 8 EUR/MWh auf ca. 18 EUR/MWh. Ähnlich verhält es sich mit den Strompreisen speziell in Deutschland, die ausgehend von einem ohnehin schon hohen Niveau ebenfalls um den Faktor 10 angestiegen sind. Weitere Preissteigerungen in Europa sind nicht ausgeschlossen, sondern eher wahrscheinlich. Vorgenommene moderate Anpassungen der Chemiefaserpreise stellen vor diesem Hintergrund nur den Tropfen auf den heißen Stein dar. Eine Marktentwicklung mit quasi explodierenden Energiekosten kann keine Firma seriös abbilden oder kostendeckend einpreisen.

Was halten Sie als Industrieverband der Chemiefaserindustrie von "Freeze for Peace" bzw. einem Stopp aller russischen Gas- und Rohstoff-Importe?
Dr. Rauch:
Wir haben uns speziell in Deutschland entgegen aller internationalen Warnungen bewusst in eine Abhängigkeit von russischem Gas begeben, indem wir dieses als notwendig für die Brückentechnologie der Stromerzeugung definierten, die wir nach dem Abschalten der kohle– und nuklearbasierten Kraftwerke benötigen, bevor die Verfügbarkeit einer ausreichenden Menge an sog. „grüner“ Energie gesichert ist. Auch wird Gas zu Heizzwecken und als Rohstoff benötigt, nimmt also die Funktion eines Allrounders ein.

Ein boykottbedingter Importstopp hätte nicht nur gravierende negative Folgen für die Chemiefaserbranche, sondern für die gesamte deutsche Industrie und die meisten privaten Haushalten. Wie ich eingangs erwähnte, ist es ein Gebot der Stunde, durch die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge dazu beizutragen, menschliches Leid zu lindern. Damit ist die Krise aber nicht ausgestanden. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Kriegssituation nicht kurzfristig gelöst wird. Zur Bewältigung einer langanhaltenden Krisensituation muss aber unsere Wirtschaftskraft erhalten bleiben, um die anstehenden Herausforderungen stemmen zu können. Ein Importstopp wäre in dieser Hinsicht kontraproduktiv. Nachdem aufgrund der jüngsten Entwicklungen die Gaslieferungen nunmehr mit Rubel bezahlt werden sollen, besteht vielmehr die Gefahr, dass Russland seinerseits die Gaslieferungen stoppt. In ihrer Wirkung unterscheiden sich beide Szenarien nicht. Das Einzige was sicher ist, ist die Tatsache, dass die Verfügbarkeit von russischem Gas für Europa nicht mehr sicher ist. Letztendlich wird durch die russische Forderung der Umstellung des Zahlungsverkehrs auf Rubel, die nicht nur die Aufwertung des Rubels zum Ziel hat, deutlich, dass Russland nicht auf Europa als Abnehmer seines Gases angewiesen ist. Damit liefe ein „Freeze for Peace“ ins Leere. Im fernen Osten sitzt bereits ein potentieller Abnehmer russischen Gases, um es günstig und sicher zu beziehen und der zudem ein großer Wettbewerber der europäischen Chemiefaserindustrie ist: China.

Sind Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar eine gute Ersatzlösung für Gas- und Öl-Lieferungen aus Russland?
Dr. Rauch:
Es geht nicht um die Wertung einer Maßnahme im Sinn von gut oder schlecht, sondern darum, ob sie in dieser speziellen Situation geeignet erscheint, einseitige Abhängigkeiten von einem Aggressor zu vermindern, bevor nachhaltige Lösungen in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Insofern sollte es bei den auf Realisierbarkeit zu prüfenden Maßnahmen zunächst keine ideologischen Barrieren geben. Die nach sicherlich sorgfältiger politischer Prüfung mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar abgeschlossenen Verträge sind Einzelfallentscheidungen und stellen nur einen Mosaikstein unter vielen dar.

Passt der Ausspruch „zuerst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu" - auf die gegenwärtige ökonomische Performance der Branche - oder: wie beurteilen Sie in dieser Beziehung den Einfluss der Corona-Pandemie und den der Kriegssituation?
Dr. Rauch:
Sowohl die SARS-CoV-2-Pandemie als auch der Russland-Ukraine-Krieg sind Ereignisse mit globalem Charakter. Während erstere alle Staaten früher oder später gleichermaßen erfasste, muss die Bewertung der Auswirkungen des Russland- Ukraine-Krieges differenzierter erfolgen. Die Kriegsfolgen treffen vor allem Firmen in Europa, und dort insbesondere die Staaten, die sich - wie vorgehend erwähnt – wie Deutschland in einseitige Abhängigkeiten begeben haben. Das ist keine Besonderheit für die Chemiefaserindustrie. Auch wenn man mit anderen Industriezweigen viele Leidensgenossen hat, verbessert dass die Lage natürlich nicht.

Was wünscht sich die Industrie künftig von den politisch Verantwortlichen in Berlin und Brüssel?
Dr. Rauch: Die Wunschliste lässt sich an wenigen Kernelementen verankern:
Wir benötigen langfristig eine Energie- und Rohstoffversorgung, die nicht auf Abhängigkeiten von wenigen und zudem autokratischen Staaten basiert. Auf dem Weg dorthin sind vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-Krieges bisherige Ausstiegsszenarien aus Kohle- und Kernenergie hinsichtlich ihrer Zeitachse vorurteilsfrei zu überdenken. Oder etwas prägnanter ausgedrückt: Man reißt kein Haus ab, bevor das neue bezugsfertig ist.

Aber auch Energien aus nachwachsenden Rohstoffen müssen zu Preisen angeboten werden, welche die globale Wettbewerbsfähigkeit erlauben. Die chemische Industrie hat hierfür gemäß einer Studie der DECHEMA und FutureCamp einen Preis von 4 ct/kWh ermittelt (inkl. aller Abgaben und Gebühren). Davon sind wir heute meilenweit entfernt.

Die Revision von REACH darf nicht zu weiterer Bürokratie und zu Auflagen führen, die Kapazitäten in den Firmen bindet. Wir benötigen in Europa nicht die Ausgestaltung des i-Tüpfelchens auf der Maslowschen Bedürfnispyramide, sondern müssen Sorge dafür tragen, dass wir die Pyramidenstufen nicht schrittweise nach unten rutschen und das i-Tüpfelchen ohne „i“ in der Luft schwebt.

Die europäische Kommission muss die europäische Industrie und mit ihr die Chemiefaserbranche verstärkt als Problemlöser erkennen. Chemiefasern sind als Erzeugnisse für die Energiewende (Rotorblätter von Wundkraftanlagen), Leichtbau in der Mobilität (Leichtbaukarosserien im Verbundsystem), nachhaltigem Straßenbau (Geotextilien zur Verstärkung der Fahrbahn und Erhöhung deren Lebensdauer), Reduzierung von stahlbewehrtem Beton und damit Zement, Sand sowie Kies (Bewehrung mit hochzugfesten Chemiefasern) und Medizinprodukten (medizinische Masken, Verbandmaterialien, Stents) unerlässlich.

Wir brauchen in Europa wieder mehr Marktwirtschaft und keine kleinteiligen Vorschriften, die immer wieder angepasst werden und zu einem undurchdringbaren Dickicht wuchern.

Bei allen vorgenannten Wünschen an die Politik lassen Sie mich abschließend mit Blick auf die aktuelle Lage noch folgendes erwähnen: 1961 standen sich nach dem Berliner Mauerbau russische und amerikanische Panzer am Checkpoint Charlie in einer Entfernung von weniger als 50 m schussbereit gegenüber.

Ein Jahr später, im Oktober 1962, trafen in der Kubakrise nuklear ausgerüstete amerikanische und russische Marineeinheiten direkt aufeinander. Sowohl John F. Kennedy als auch Nikita S. Chruschtschow – erbitterte Rivalen im Wettstreit der politischen Systeme – waren seinerzeit besonnen genug, die Situation nicht eskalieren zu lassen.

Aktuell wünsche ich von unseren Politikern national, europäisch und transatlantisch unbedingte Entschlossenheit im Auftritt zur Verteidigung unserer freiheitlich demokratischen Werte, aber ich appelliere auch an alle Politiker weltweit, unbedingt einen der grundlegenden Erkenntnisse Albert Einsteins zu beherzigen: “I don’t know what weapons will be used in the Third World War. But I can tell you what they’ll use in the Fourth – rocks!”

Quelle:

Textination

Das Interview führte Ines Chucholowius, CEO Textination GmbH

Foto: Rostyslav Savchyn, Unsplash
22.03.2022

Wieder mehr chinesische Firmenübernahmen in Europa

  • Anstieg von 132 auf 155 Transaktionen – Transaktionswert auf 12,4 Milliarden US-Dollar verachtfacht
  • Zahl der chinesischen Übernahmen in Deutschland steigt von 28 auf 35
  • Großbritannien vor Deutschland beliebtestes Investitionsziel chinesischer Unternehmen

Nach dem pandemiebedingten Einbruch bei den chinesischen Firmenübernahmen in Europa im Jahr 2020 hat sich die Zahl der Transaktionen im Jahr 2021 wieder erhöht: von 132 auf 155. Auch das Transaktionsvolumen stieg: der Wert der Beteiligungen und Übernahmen hat sich von 1,5 auf 12,4 Milliarden US-Dollar mehr als verachtfacht.

  • Anstieg von 132 auf 155 Transaktionen – Transaktionswert auf 12,4 Milliarden US-Dollar verachtfacht
  • Zahl der chinesischen Übernahmen in Deutschland steigt von 28 auf 35
  • Großbritannien vor Deutschland beliebtestes Investitionsziel chinesischer Unternehmen

Nach dem pandemiebedingten Einbruch bei den chinesischen Firmenübernahmen in Europa im Jahr 2020 hat sich die Zahl der Transaktionen im Jahr 2021 wieder erhöht: von 132 auf 155. Auch das Transaktionsvolumen stieg: der Wert der Beteiligungen und Übernahmen hat sich von 1,5 auf 12,4 Milliarden US-Dollar mehr als verachtfacht.

Auch in Deutschland traten chinesische Investoren wieder häufiger in Erscheinung: Nachdem 2020 nur 28 Transaktionen chinesischer Unternehmen gezählt worden waren, gab es 2021 immerhin 35 derartige Beteiligungen oder Übernahmen. Das Investitionsvolumen stieg von 0,4 auf 2,0 Milliarden US-Dollar. Nicht enthalten sind in dieser Summe Risikokapitalinvestitionen in deutsche Startups in Höhe von 1,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021, bei denen chinesische Unternehmen als Teil internationaler Investorengruppen aktiv waren.

Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland und Europa untersucht.

„Chinesische Unternehmen bleiben bei ihren Investitionen in Europa insgesamt noch zurückhaltend“, beobachtet Yi Sun, Partnerin und Leiterin der China Business Services in der Region Europe West bei EY. „Dazu trägt zum einen nach wie vor die Pandemie bei, die auch 2021 noch zu Beeinträchtigungen führte – auch wegen Eindämmungsmaßnahmen wie Reisebeschränkungen, strengen Quarantäne Regeln für Personen, die aus dem Ausland nach China reisen und Lockdowns sowohl in Europa als auch in China selbst. Die meisten chinesischen Unternehmen, die schon im Ausland Firmen übernommen haben, haben sich in den letzten Jahren eher damit beschäftigt, die Restrukturierung in Europa voranzutreiben als weiter zu expandieren – besonders in den Sektoren Automobilzulieferer und Maschinenbau.“

Ebenfalls dämpfend wirkten sich nach Suns Einschätzung die inzwischen hohen Hürden für ausländische Beteiligungen gerade in bestimmten kritischen Branchen sowie die zunehmende Konkurrenz durch kapitalstarke Finanzinvestoren aus. „Die Kaufpreise auf dem M&A-Markt sind zuletzt stark gestiegen – in einigen Fällen wollten die chinesischen Interessenten da nicht mehr mitgehen. Besonders die börsennotierten chinesischen Unternehmen fürchten, mit teuren Zukäufen den eigenen Aktienkurs unter Druck zu setzen“, so Sun. „Zudem besitzen einige der potentiellen Übernahmekandidaten Produktionsstätten oder R&D-Zentren in den USA. In solchen Fällen kann es vorkommen, dass eine Ablehnung durch das Committee on Foreign Investment in the U.S. (CFIUS) befürchtet wird – und potenzielle chinesische Bieter gar nicht erst eingeladen werden.“

Nachlassendes Interesse an Industrieunternehmen
Nach wie vor entfallen auf klassische Industrieunternehmen die meisten Deals – gerade in Deutschland: 12 der 35 Transaktionen in Deutschland und 30 der 155 Transaktionen in Europa fanden im Industrie-Sektor statt.

Allerdings ist deren Zahl rückläufig: 2020 waren europaweit noch 36 Industrietransaktionen gezählt worden. „Nach wie vor besteht bei chinesischen Investoren Interesse an europäischen Automobilzulieferern oder Maschinenbauern – allerdings inzwischen eher in den Subsektoren Elektromobilität, Autonomes Fahren und High Tech-Materialien“, sagt Sun.

Ein deutlich gestiegenes Interesse macht Yi Sun aber an anderer Stelle aus: „Chinesische Private Equity Fonds und Risikokapitalgeber werden immer aktiver. Gerade in Deutschland gab es im vergangenen Jahr einige sehr große Investitionen in Startups, an denen chinesische Investoren maßgeblich beteiligt waren. Neben deutscher Ingenieurskunst ist zunehmend ECommerce-Kompetenz gefragt.“

Auf High Tech/Softwareunternehmen entfielen im vergangenen Jahr europaweit 27 Transaktionen (Vorjahr: 20). „Wir sehen ein gestiegenes Interesse etwa an Spieleentwicklern und Softwareprogrammierern. Gerade der aktivste chinesischer Investor vergangenen Jahr, Tencent, hat sich zuletzt in diesem Segment stark engagiert“, beobachtet Sun.

Gestiegen ist auch die Zahl der Übernahmen und Beteiligungen im Bereich Gesundheit: von 16 auf 26 Transaktionen. „Der Gesundheitssektor – ob Pharma, Biotech oder Medizintechnik – wird zunehmend zu einem der wichtigsten Zielsektoren chinesischer Unternehmen, weil es in diesem Sektor einen großen Nachholbedarf in China gibt, insbesondere bei der Forschung und Entwicklung.“

Großbritannien löst Deutschland als Top-Ziel in Europa ab
Die meisten Transaktionen wurden im vergangenen Jahr in Großbritannien verzeichnet. Mit 36 Übernahmen und Beteiligungen liegt Großbritannien knapp vor Deutschland (35 Transaktionen) und deutlich vor den drittplatzierten Niederlanden (13).

Im Vorjahr war die Reihenfolge an der Spitze noch umgekehrt: 2020 lag Deutschland mit 28 Transaktionen vor Großbritannien mit 21 Deals.

„In dem Maß, wie sich das Interesse chinesischer Investoren weg von klassischen Industrieunternehmen hin zu Technologie-, Software- und Medienunternehmen entwickelt, gewinnt der Zielmarkt Großbritannien an Bedeutung“, sagt Sun. Sie ist allerdings überzeugt, dass Deutschland für chinesische Investoren ein attraktiver Markt bleibt: „Viele chinesische Unternehmen haben gute Erfahrungen mit ihren Investitionen gerade in Deutschland gemacht. Zudem gibt es inzwischen auf vielen Ebenen enge und belastbare Verbindungen zwischen China und Deutschland. Wir werden in den kommenden Monaten weitere chinesische Transaktionen in Deutschland sehen – vor allem, wenn die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft nachlassen“, erwartet Sun.

Die europaweit größte Investition war im vergangenen Jahr der Verkauf der Haushaltsgeräte-Sparte von Philips an die Investmentfirma Hillhouse Capital mit Sitz in Hong Kong für 4,4 Milliarden US-Dollar.

Die zweitgrößte Transaktion war die Übernahme des britischen Entwicklerstudios Sumo Digital durch Tencent für 1,1 Milliarden US-Dollar, gefolgt von der Übernahme des dänischen Kühlcontainer-Herstellers Maersk Container Industry durch China International Marine Containers für ebenfalls 1,1 Milliarden US-Dollar.

Studiendesign:

  • Quellen: EY-Recherche, Thomson ONE, Merger Market, Mitteilungen der Unternehmen bzw. beteiligter Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien.
  • Untersucht wurden Akquisitionen und Beteiligungen, die von Unternehmen mit Hauptsitz in China und Hongkong oder deren Tochterunternehmen ausgingen.
  • Die Zielunternehmen haben ihren Sitz in Europa und sind operativ tätig.
  • Nicht berücksichtigt wurden reine Immobilientransaktionen.
  • In die Analyse wurden auch Transaktionen einbezogen, die zum Stichtag 17.02.2022 noch nicht abgeschlossen waren

Zunehmend beteiligen sich chinesische Investoren auch an Risikokapital-Finanzierungsrunden, zumeist als Teil von Investorengruppen. In diesen Fällen lässt sich häufig nicht feststellen, wie hoch der vom chinesischen Investor bereitgestellte Betrag ist. Daher werden diese Transaktionen zwar bei der Zahl der Transaktionen, nicht aber bei den Gesamtwerten berücksichtigt.

Weitere Informationen:
Ernst & Young Unternehmen China Automotive
Quelle:

Ernst & Young Global Limited (EYG)

Foto: pixabay
15.02.2022

Intelligente Fasern: Farbwechsel bei beschädigten Seilen

Hochleistungsfasern, die hohen Temperaturen ausgesetzt waren, verlieren meist unerkannt ihre mechanischen Eigenschaften und können im schlimmsten Fall genau dann reißen, wenn Leben davon abhängen. Zum Beispiel Sicherheitsseile der Feuerwehr oder Tragseile für schwere Lasten auf Baustellen. Empa-Forschende haben eine Beschichtung entwickelt, die die Farbe wechselt, wenn sie hohen Temperaturen durch Reibung oder Feuer ausgesetzt war.

Der Feuerwehrmann rennt ins brennende Gebäude und durchsucht systematisch Raum für Raum nach Personen, die Rettung bedürfen. An ihm befestigt ist ein Sicherungsseil, an dessen anderem Ende die Kollegen draußen vor dem Haus warten und ihn im Notfall – sollte er aus irgendwelchen Gründen das Bewusstsein verlieren – aus dem Gebäude ziehen oder ihm zur Rettung ins Gebäude folgen können. Ist dieses Seil allerdings bei vorherigen Einsätzen zu großer Hitze ausgesetzt gewesen, kann es vorkommen, dass es reißt. Das bedeutet Lebensgefahr!

Hochleistungsfasern, die hohen Temperaturen ausgesetzt waren, verlieren meist unerkannt ihre mechanischen Eigenschaften und können im schlimmsten Fall genau dann reißen, wenn Leben davon abhängen. Zum Beispiel Sicherheitsseile der Feuerwehr oder Tragseile für schwere Lasten auf Baustellen. Empa-Forschende haben eine Beschichtung entwickelt, die die Farbe wechselt, wenn sie hohen Temperaturen durch Reibung oder Feuer ausgesetzt war.

Der Feuerwehrmann rennt ins brennende Gebäude und durchsucht systematisch Raum für Raum nach Personen, die Rettung bedürfen. An ihm befestigt ist ein Sicherungsseil, an dessen anderem Ende die Kollegen draußen vor dem Haus warten und ihn im Notfall – sollte er aus irgendwelchen Gründen das Bewusstsein verlieren – aus dem Gebäude ziehen oder ihm zur Rettung ins Gebäude folgen können. Ist dieses Seil allerdings bei vorherigen Einsätzen zu großer Hitze ausgesetzt gewesen, kann es vorkommen, dass es reißt. Das bedeutet Lebensgefahr!

Bislang gab es keine Möglichkeit, dem Seil diese Schäden anzumerken. Ein Forscherteam der Empa und der ETH Zürich entwickelten eine Beschichtung, die aufgrund der physikalischen Reaktion mit Hitze ihre Farbe wechselt und so deutlich anzeigt, ob ein Seil auch zukünftig noch die Sicherheit bietet, die es verspricht.

Forschende der ETH Zürich und der Empa entwickelten 2018 im Rahmen einer Masterarbeit ein Beschichtungssystem, das das Empa-Team 2021 auf Fasern anwenden konnten. "Das war ein Prozess mit mehreren Schritten", so Dirk Hegemann von der Empa-Abteilung Advances Fibers. Die ersten Beschichtungen funktionierten lediglich auf glatten Oberflächen; die Methode musste also zunächst einmal so angepasst werden, dass sie auch bei gekrümmten Flächen funktioniert. Die Empa verfügt beim Beschichten von Fasern über ein breites Know-How – so haben Hegemann und sein Team in der Vergangenheit bereits elektrisch leitfähige Fasern entwickelt. Das sogenannte Sputtering kam nun auch bei der neusten Beschichtung erfolgreich zum Einsatz.

Damit die Faser bei Hitze auch tatsächlich ihre Farbe verändert, sind drei Schichten nötig. Auf die Faser selbst, im Falle der Forschungsarbeit PET (also Polyester) und VectranTM, eine Hightech-Faser, bringen die Forschenden Silber auf. Dieses dient als Reflektor – also als metallische Basisschicht. Dann folgt eine Zwischenschicht aus Titan-Stickoxid, die dafür sorgt, dass das Silber stabil bleibt. Und erst dann folgt jene amorphe Schicht, die für die Farbveränderung sorgt: Gerade einmal 20 Nanometer dünnes Germanium-Antimon-Tellurium (GST). Wird diese Schicht erhöhten Temperaturen ausgesetzt, kristallisiert sie; dadurch verändert sich der Farbeindruck, etwa von blau nach weißlich. Der Farbumschlag basiert auf einem physikalischen Phänomen, der so genannten Interferenz. Dabei treffen zwei unterschiedliche Wellen (z.B. Licht) aufeinander und verstärken sich beziehungsweise schwächen sich gegenseitig ab. Abhängig von der chemischen Zusammensetzung der temperatursensitiven Schicht lässt sich diese Farbveränderung auf einen Temperaturbereich zwischen 100 und 400 Grad einstellen und damit an die mechanischen Eigenschaften des Fasertyps anpassen.

Maßgeschneiderte Lösungen
Noch sind die möglichen Anwendungsgebiete der farbverändernden Fasern offen, und Hegemann ist auf der Suche nach möglichen Projektpartnern. Nebst Sicherheitsausrüstung für Feuerwehrleute oder Bergsteiger lassen sich die Fasern auch für Lastseile in Produktionsstätten, auf Baustellen usw. nutzen. Die Forschung am Thema ist jedenfalls noch längst nicht abgeschlossen. So lässt sich die Fasern zurzeit noch nicht über längere Zeiträume lagern, ohne ihre Funktionalität zu verlieren. «Leider oxidieren die Phase-Change-Materialien im Verlauf von einigen Monaten», so Hegemann. Das bedeutet, dass der entsprechende Phasenwechsel – die Kristallisation – selbst bei Hitze nicht mehr stattfindet und das Seil somit sein «Warnsignal» verliert. Dass das Prinzip funktioniert, ist jedenfalls bewiesen und die Haltbarkeit ein Thema zukünftiger Forschung, so Hegemann. «Sobald erste Partner aus der Industrie ihr Interesse für eigene Produkte anmelden, lassen sich die Fasern entsprechend ihren Bedürfnissen weiter optimieren».

Informationen:
Dr. Dirk Hegemann
Advanced Fibers
Tel. +41 58 765 7268
Dirk.Hegemann@empa.ch

Quelle:

EMPA, Andrea Six

08.02.2022

Frühwarnsystem für Demenz mit einem Textilgurt

Alzheimer und andere Demenzerkrankungen gehören heute zu den grossen Volksleiden. Die Diagnose ist aufwändig und wird oft erst spät im Krankheitsverlauf zweifelsfrei gestellt. Ein Forscherteam der Empa entwickelt nun gemeinsam mit klinischen Partnern eine neue Diagnose-Methode zur Früherkennung von neurodegenerativen Veränderungen über einen Sensor-Gurt.

Vergesslichkeit und Verwirrtheit können Anzeichen für ein bisher unheilbares Leiden sein: die Alzheimer Krankheit. Sie ist die häufigste Demenzerkrankung, die derzeit insgesamt rund 50 Millionen Menschen weltweit betreffen. Es erkranken vor allem ältere Menschen. Dass diese Zahl künftig stark zunehmen wird, hängt daher auch mit der allgemein steigenden Lebenserwartung zusammen.

Alzheimer und andere Demenzerkrankungen gehören heute zu den grossen Volksleiden. Die Diagnose ist aufwändig und wird oft erst spät im Krankheitsverlauf zweifelsfrei gestellt. Ein Forscherteam der Empa entwickelt nun gemeinsam mit klinischen Partnern eine neue Diagnose-Methode zur Früherkennung von neurodegenerativen Veränderungen über einen Sensor-Gurt.

Vergesslichkeit und Verwirrtheit können Anzeichen für ein bisher unheilbares Leiden sein: die Alzheimer Krankheit. Sie ist die häufigste Demenzerkrankung, die derzeit insgesamt rund 50 Millionen Menschen weltweit betreffen. Es erkranken vor allem ältere Menschen. Dass diese Zahl künftig stark zunehmen wird, hängt daher auch mit der allgemein steigenden Lebenserwartung zusammen.

Soll ein Verdacht auf Demenz abgeklärt werden, stehen für die Betroffenen neuropsychologische Untersuchungen, Labortests und aufwändige Prozeduren im Spital an. Doch bereits Jahrzehnte bevor eine verminderte Denkleistung auffällt, sind erste neurodegenerative Veränderungen im Gehirn nachweisbar. Derzeit lassen sich diese lediglich durch teure oder invasive Verfahren feststellen. Für ein ausgedehntes frühzeitiges Screening im grösseren Massstab eignen sich diese Methoden daher nicht. Empa-Forschende arbeiten gemeinsam mit Partnern des Kantonsspital und der Geriatrischen Klinik St. Gallen an einer nicht-invasiven Diagnose-Methode zur frühzeitigen Erkennung von Symptomen einer Demenzerkrankung.

Anzeichen im Unbewussten
Für das neue Verfahren baute das Forscherteam um Patrick Eggenberger und Simon Annaheim vom «Biomimetic Membranes and Textiles» Labor der Empa in St. Gallen auf einen Sensor-Gurt, der bereits erfolgreich für EKG-Messungen eingesetzt und nun mit Sensoren für weitere relevante Parameter wie Körpertemperatur und Gangmuster ausgerüstet wurde. Denn bevor bei einer Demenz das Erinnerungsvermögen nachlässt, tauchen feinste Veränderungen im Gehirn auf, die sich über das autonome Nervensystem, das unbewusste Körpervorgänge steuert, äussern.

Für die präzise Erfassung von Veränderungen dieser Parameter werden Messungen über einen längeren Zeitraum benötigt. «Die Langzeitmessungen sollten in den Alltag integrierbar sein», betont Simon Annaheim. Für alltagstaugliche Messungen sind hautverträgliche und komfortable Messsysteme unabdingbar. Der Diagnostik-Gurt basiert daher auf flexiblen Sensoren mit elektrisch leitfähigen bzw. lichtleitenden Fasern sowie Sensoren für Bewegungs- und Temperaturmessung.

Damit derartigen Langzeitmessungen für die Kontrolle der kognitiven Gesundheit genutzt werden können, werden die erfassten Daten von den Forschenden in eigens entwickelte mathematische Modelle integriert. Das Ziel: ein Frühwarnsystem, das den Verlauf von kognitiven Einschränkungen abschätzen kann. Ein weiterer Vorteil: Die Datenmessungen lassen sich in Telemonitoringlösungen einbinden und können so die Patientenbetreuung in einer gewohnten Umgebung verbessern.

Verdächtige Monotonie
Grundsätzlich ist der menschliche Körper in der Lage, seine Temperatur im Bereich von 1 Grad Celsius konstant zu halten. Im Tagesverlauf treten chrakteristische Schwankungen dieser Werte auf. Dieser tägliche Rhythmus ändert sich im Alter und ist bei neurodegenerativen Krankheiten wie Demenz oder Parkinson auffällig. Bei Alzheimer-Patienten ist beispielsweise die Körperkerntemperatur um bis zu 0.2 Grad Celsius erhöht. Gleichzeitig sind die Ausschläge der täglichen Temperaturschwankungen gedämpft.

In einer aktuellen Studie konnten die Forschenden nun zeigen, dass mit dem Sensor-Gurt gemessene veränderte Hauttemperaturwerte tatsächlich einen Hinweis auf die kognitive Leistungsfähigkeit von Testpersonen geben – und zwar bevor eine Demenzerkrankung auftritt. Unter den Testpersonen der Studien waren gesunde Menschen mit oder ohne leichte Hirnleistungsstörung. Diese milde kognitive Beeinträchtigung (engl. mild cognitive impairment, MCI) stellt keine Behinderung im Alltag dar, sie gilt aber als eine mögliche Vorstufe von Alzheimer. Die Versuchspersonen nahmen an Langzeitmessungen und an neuropsychologischen Tests teil. Es stellte sich heraus, dass eine niedrigere Körpertemperatur, die über den Tag stärker schwankt, mit einer besseren Hirnleistung verknüpft war. Bei Personen mit MCI variierte die Körpertemperatur weniger und war insgesamt leicht erhöht.

Auch der Herzschlag ist natürlichen Schwankungen unterworfen, die zeigen, wie sich unser Nervensystem an momentane Herausforderungen anpasst. Die kleine Stille zwischen zwei Herzschlägen, rund eine Sekunde kurz, hat grosse Aussagekraft für unsere Gesundheit: Bleibt die Pause stets gleich, ist das Nervensystem nicht in Höchstform.

In einer Studie von Forschenden der ETH Zürich wurde ermittelt, dass sich schlechtere Messwerte bei älteren, gesunden Menschen durch ein kognitiv-motorisches Tanztraining innerhalb von sechs Monaten verbessern liessen. Die Versuchspersonen tanzten bei diesen «Exergames» Schrittfolgen eines Videos nach. Teilnehmende, die stattdessen lediglich geradeaus auf einem Laufband trainierten, zudem aber ihr Gedächtnis schulten, profitierten dagegen weniger.

«Es geht darum, mit einem geeigneten Training frühzeitig einzugreifen, sobald sich erste negative Anzeichen messen lassen», sagt Patrick Eggenberger. «Mit unserem Sensor-System lassen sich allfällige Verbesserungen der kognitiven Leistung durch bewegungsbasierte Therapieformen verfolgen.» Über Studien mit Langzeitmessungen soll nun geklärt werden, wie sich anhand der Sensor-Messungen der Verlauf von milden Hirnleistungsstörungen vorhersagen lässt.

Informationen
Dr. Simon Annaheim
Biomimetic Membranes and Textiles
Tel. +41 58 765 77 68
Simon.Annaheim@empa.ch

Quelle:

EMPA, Andrea Six

(c) Schoeller Textil AG
18.01.2022

Eine Jacke aus einer Jacke aus einer Jacke …

Herstellen, tragen, waschen, verbrennen: Dieser typische Lebenslauf von Kleidungsstücken, der die Umwelt belastet, soll in Zukunft verändert werden – hin zu kreislauf-wirtschaftlichen Prinzipien mit Recycling. An einer Outdoor-Jacke aus PET-Flaschen und Recyclingmaterial haben Empa-Forschende untersucht, ob das Produkt tatsächlich hält, was die Idee verspricht.

Auf den ersten Blick eine normale Regenjacke. Drei Schichten Polyester, innen ein Futter, darüber eine wasserdampf-durchlässige Membran und aussen wasserabweisendes Gewebe, mit einer Kapuze. Doch der Reissverschluss lässt stutzen. Statt in Kragenhöhe zu enden, zieht er sich hoch bis über die Stirn … – wer würde ihn soweit zuziehen?

Herstellen, tragen, waschen, verbrennen: Dieser typische Lebenslauf von Kleidungsstücken, der die Umwelt belastet, soll in Zukunft verändert werden – hin zu kreislauf-wirtschaftlichen Prinzipien mit Recycling. An einer Outdoor-Jacke aus PET-Flaschen und Recyclingmaterial haben Empa-Forschende untersucht, ob das Produkt tatsächlich hält, was die Idee verspricht.

Auf den ersten Blick eine normale Regenjacke. Drei Schichten Polyester, innen ein Futter, darüber eine wasserdampf-durchlässige Membran und aussen wasserabweisendes Gewebe, mit einer Kapuze. Doch der Reissverschluss lässt stutzen. Statt in Kragenhöhe zu enden, zieht er sich hoch bis über die Stirn … – wer würde ihn soweit zuziehen?

Die Erklärung liefert Annette Mark vom Textilhersteller BTK Europe, die an diesem Produkt mitgewirkt hat. Der Reissverschluss soll optisch auffallen – und dient vor allem dem Recycling: Festgenäht mit einem Garn, das sich in kochendem Wasser auflöst, lässt er sich leichter entfernen als zwei Verschlüsse. «Einmal ziehen, fertig», sagt die Expertin für Textilien und Recycling. Auch die hellgrüne Farbe entsteht durch Recycling: das Rohmaterial, ein Granulat aus einem Gemisch unterschiedlicher, aber sortenreiner Textilien, ist dunkelgrün – und das Aufschmelzen und Ausspinnen des Materials für neue Garne hellt es auf.

Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie
Magnetknöpfe, Nähte, Säume: Jedes Detail der Jacke folgt dem «Design2Recycle»-Ansatz, wie es auf der Webseite von «Wear2wear» heisst. Zu diesem Konsortium haben sich sechs Firmen aus Europas Textilbranche vereint, um die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Schliesslich enden mehr als 70 Prozent aller weltweit produzierten Textilien auf einer Deponie oder in der Müllverbrennung, ohne rezykliert zu werden.

Was kann Kreislaufwirtschaft in dieser Branche ausrichten? Ein Team der Empa-Abteilung «Technologie und Gesellschaft» hat die Jacke und ihre Umweltwirkungen genauer angeschaut – mit Hilfe einer Lebenszyklus-Analyse über eine Gebrauchsdauer von vier Jahren; dreimaliges Waschen eingerechnet. Die Kandidaten: eine ohne kreislaufwirtschaftliche Methoden produzierte Variante, die «Startversion» der seit 2019 erhältlichen Jacke in blauer Farbe – mit einer Aussenschicht aus Polyester, das aus dem Material gebrauchter PET-Flaschen stammt – und die grüne Version aus dem nachfolgenden Recycling-Prozess, in der unvermeidliche Materialverluste durch neues Polyester ersetzt sind.

Die Analysen der Empa-Forschenden zeigen, dass die Recyclingprodukte besser abschneiden – in elf untersuchten Umweltrisiko-Kategorien, darunter Erderwärmung, Toxizität für Ökosysteme und Wasserknappheit. Auffällig grosse Vorteile zeigen sich etwa bei der Luftverschmutzung, weil ohne Verbrennung weniger Schadstoffe freigesetzt werden. Und bei der Wasserknappheit, vor allem bei der grünen Jacke nach der ersten Recycling-«Schleife», für die keine PET-Flaschen mehr verwendet werden.

Weitere Einsichten aus den Analysen: Beim Treibhauseffekt liegt der maximale Umweltnutzen bei gut 30 Prozent. Und die Verwendung von PET-Flaschen bringt für die Bilanz keine grossen Vorteile. Entscheidend ist dagegen die Zahl der Rezyklierdurchgänge zu immer neuen Jacken: Die Bilanz verbessert sich von Jacke zu Jacke – vorausgesetzt, die Qualität des Polyesters bleibt hoch genug.

In der Praxis ist das anspruchsvoll, wie Mark erklärt: Je nach Herkunft unterscheidet sich das Rohmaterial teils deutlich. Wurden die Fasern mit bestimmten Hilfsstoffen beschichtet, können die Düsen der Spinnmaschinen verstopfen. Und allgemein sinkt die Qualität mit der Anzahl der Rezyklierungen: unregelmässigere Strukturen des Garns und geringere Festigkeit.

Annette Marks Fazit zu den Empa-Analysen: «sehr realistisch» und nützlich für Verbesserungen. «Die Zusammenarbeit war sehr angenehm», sagt sie, «volle Transparenz und keine Kompromisse.» Auch die Forschenden fanden die Kooperation fruchtbar. «Eine offene Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist enorm wichtig», sagt das ehemalige Teammitglied Gregor Braun, der die Empa mittlerweile verlassen hat und nun als Berater für Nachhaltigkeit arbeitet. «Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft können gut miteinander harmonieren.»

Ob die Jacke ein Markterfolg wird? «Die Textilbranche ist im Umbruch. Es findet ein Umdenken statt, das wir nicht verpassen sollten», sagt Annette Mark. Doch Grosskonzerne, die bereits ähnliche Produkte entwickeln, «haben ganz andere Möglichkeiten». Immerhin sind Gespräche mit einem Hersteller von Sportbekleidung im Gange – für eine Fleece-Jacke, bei der auch die Erkenntnisse der Empa helfen könnten.

Mikroplastikfasern aus Textilien
Textilien aus Polyester sind wegen der Freisetzung von Mikroplastikfasern – etwa beim Waschen – in den Schlagzeilen, was zuweilen als Gefahr für Mensch und Umwelt dargestellt wird. Empa-Fachleute haben Entstehung und Freisetzung von Mikroplastikfasern untersucht. Die Ergebnisse: Fasern werden vor allem an Stoffrändern freigesetzt. Ihre Entstehung und Freisetzung hängt unter anderem von der Art der Faser ab, von Oberflächenbehandlung und der Art des Schneidens. Aus lasergeschnittenen Textilien werden gegenüber anderen beim Waschen deutlich weniger Fasern freigesetzt. Die Empa forscht mit Industriepartnern daran, die Entstehung dieser Fasern bei der Herstellung weiter zu reduzieren. In Schweizer Kläranlagen werden Mikrofasern allerdings grösstenteils aus dem Abwasser entfernt und mit dem Klärschlamm verbrannt.

Weitere Informationen:
Empa PET Recycling polyester
Quelle:

EMPA, Norbert Raabe

(c) Toray
23.11.2021

Toray Industries: Ein Konzept, um Leben zu verändern

Das im Januar 1926 gegründete japanische Chemieunternehmen Toray Industries, Inc. mit Firmensitz in Tokio ist bekannt als der weltweit größte Hersteller von Kohlenstofffasern auf PAN (Polyacrylnitril)-Basis. Doch das Gesamtportfolio umfasst weit mehr. Textination sprach mit Koji Sasaki, dem General Manager der Textile Division von Toray Industries, Inc., über innovative Produktlösungen, neue Verantwortungen und die besondere Rolle von Chemieunternehmen in der heutigen Zeit.

Toray Industries ist ein japanisches Unternehmen, das sich – 1926 als Produzent von Viskosegarnen entstanden – auf der Zielgerade zu seinem 100. Geburtstag befindet. Aktuell gehören zur Toray Gruppe 102 japanische Firmen und 180 in Übersee. Sie sind in 29 Ländern tätig. Welche Bedeutung hat der Geschäftsbereich Fasern und Textilien aktuell für Ihren Unternehmenserfolg?

Das im Januar 1926 gegründete japanische Chemieunternehmen Toray Industries, Inc. mit Firmensitz in Tokio ist bekannt als der weltweit größte Hersteller von Kohlenstofffasern auf PAN (Polyacrylnitril)-Basis. Doch das Gesamtportfolio umfasst weit mehr. Textination sprach mit Koji Sasaki, dem General Manager der Textile Division von Toray Industries, Inc., über innovative Produktlösungen, neue Verantwortungen und die besondere Rolle von Chemieunternehmen in der heutigen Zeit.

Toray Industries ist ein japanisches Unternehmen, das sich – 1926 als Produzent von Viskosegarnen entstanden – auf der Zielgerade zu seinem 100. Geburtstag befindet. Aktuell gehören zur Toray Gruppe 102 japanische Firmen und 180 in Übersee. Sie sind in 29 Ländern tätig. Welche Bedeutung hat der Geschäftsbereich Fasern und Textilien aktuell für Ihren Unternehmenserfolg?

Das Geschäft mit Fasern und Textilien ist zugleich Ausgangspunkt und Grundlage der heutigen Geschäftsentwicklung von Toray. Wir begannen 1926 mit der Produktion von Viskosegarnen und führten bereits 1940 eigene Forschung und Entwicklung im Bereich Nylonfasern durch. Und da neue Materialien meist auch neue Verarbeitungsmethoden erfordern, begann Toray früh damit, auch in eigene Verfahrenstechnologie zu investieren. So möchten wir einerseits unsere Umsätze steigern und andererseits die Anwendungsmöglichkeiten für unsere Materialien erweitern. Aus diesem Grund begann Toray auch, das Geschäft vom reinen Fasergeschäft auf Textilien und sogar Bekleidung auszuweiten. So sind wir in der Lage, besser auf die Bedürfnisse unserer Kunden einzugehen und gleichzeitig stets an der Spitze der Innovation zu bleiben.

Laufe der Jahrzehnte hat Toray viel Wissen in der Polymerchemie und der organischen Synthesechemie angesammelt – und dieses Know-how ist die Grundlage für fast alle unsere anderen Geschäftsvorhaben. Heute produzieren wir eine breite Palette fortschrittlicher Materialien und Produkte mit hoher Wertschöpfung in den Bereichen Kunststoffe, Chemikalien, Folien, Kohlefaserverbundwerkstoffe, Elektronik und Informationsmaterialien, Pharmazeutika, Medizin und Wasseraufbereitung. Fasern und Textilien sind jedoch nach wie vor unser wichtigstes Geschäftsfeld, auf das rund 40 % des Umsatzes des Unternehmens entfallen.

Welches Verständnis, welches Erbe ist Ihnen bis heute wichtig? Und wie leben Sie konkret im Textilbereich eine Unternehmensphilosophie, die Sie so formulieren "einen gesellschaftlichen Beitrag leisten durch die Schaffung neuer Werte mit innovativen Ideen, Technologien und Produkten (Contributing to society through the creation of new value with innovative ideas, technologies and products)"?

Toray hat immer wieder neue Materialien entwickelt, die es so in der Welt noch nie gegeben hat. Wir tun dies, indem wir uns auf unsere vier Kerntechnologien konzentrieren: Polymerchemie, organische synthetische Chemie, Biotechnologie und Nanotechnologie. Für den Textilbereich bedeutet dies, dass wir neue Polymerstrukturen, Spinntechnologien und Verarbeitungsmethoden einsetzen, um Garne mit noch nie dagewesenen Eigenschaften zu entwickeln. Dabei orientieren wir uns stets an den Bedürfnissen und Problemstellungen des Marktes und unserer Kunden.

Dieser Ansatz ermöglicht es uns, Textilien mit neuen Funktionen in unseren Alltag zu integrieren, die natürliche Fasern und Materialien nicht erreichen können. So bieten wir beispielsweise Sport- und Unterwäsche, die hervorragend Wasser absorbieren und sehr schnell trocknen, oder Regen- und Outdoor-Bekleidung mit ausgezeichneten wasserabweisenden Eigenschaften, die mit einem weniger voluminösen Innenfutter aufwarten kann. Weitere Beispiele sind antibakterielle Unterwäsche, Uniformen oder Innenausstattungen, die für ein hygienisches Umfeld sorgen und das Wachstum von geruchsverursachenden Bakterien beeinträchtigen. Die Menschen genießen jeden Tag die Annehmlichkeiten dieser innovativen Textilien, und wir hoffen, damit zu ihrem täglichen Komfort beitragen und ihr Leben in gewisser Weise verbessern zu können.

Im Jahr 2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen 17 nachhaltige Entwicklungsziele – kurz Agenda 2030 genannt, die zum 01. Januar 2016 in Kraft trat. Den Ländern blieben 15 Jahre, um sie bis 2030 zu erreichen. In Ihrem Unternehmen gibt es eine TORAY VISION 2030 und eine TORAY SUSTAINABILITY VISION. Wie wenden Sie diese Grundsätze und Ziele auf das Textilgeschäft an? Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit für dieses Geschäftsfeld?

Nachhaltigkeit ist eines der wichtigsten Themen, denen sich die Welt heute gegenübersieht – nicht nur in der Textilbranche, sondern in allen Industriezweigen. Wir in der Toray-Gruppe sind davon überzeugt, mit unseren fortschrittlichen Materialien zur Lösung verschiedener Probleme in diesem Kontext beitragen zu können. Gleichzeitig bietet der Trend in Richtung Nachhaltigkeit interessante neue Geschäftsansätze. In unserer Nachhaltigkeitsvision haben wir vier Ziele festgelegt, die die Welt bis 2050 erreichen sollte. Und wir haben definiert, welche Probleme dafür angegangen werden müssen.

Wir müssen:

  1. Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels beschleunigen,
  2. bei der Nutzung von Ressourcen und in der Produktion nachhaltige, recyclingorientierte Lösungen realisieren,
  3. sauberes Wasser und saubere Luft bereitstellen und
  4. einen Beitrag leisten zu einer besseren medizinischen Versorgung und Hygiene für Menschen auf der ganzen Welt.

Wir werden diese Agenda vorantreiben, indem wir den Einsatz von Materialien, die auf Umweltprobleme reagieren, fördern und ausweiten. Im Textilbereich bieten wir zum Beispiel wärmende und kühlende Textilien an – indem sie in bestimmten Situationen Klimaanlagen oder Heizungen überflüssig machen, können sie dazu beitragen, Energiekosten zu senken. Wir stellen außerdem umweltfreundliche Textilien her, die auf bestimmte schädliche Stoffe wie Fluor verzichten, sowie Textilien aus Biomasse, bei denen anstelle von konventionellen petrochemischen Materialien pflanzliche Fasern zum Einsatz kommen. Auch recycelte Materialien, die Abfall reduzieren und eine effektive Nutzung von Ressourcen fördern, haben wir im Sortiment.

Die TORAY VISION 2030 wiederum ist unser mittelfristiger Strategieplan und betrachtet das Thema Nachhaltigkeit aus einem anderen Blickwinkel: Toray hat darin den Weg zu einem nachhaltigen und gesunden Unternehmenswachstum festgelegt. Dabei konzentrieren wir uns auf zwei große Wachstumsbereiche: Unser Green Innovation Business, das auf die Lösung von Umwelt-, Ressourcen- und Energieproblemen abzielt, und das Life Innovation Business, das sich auf die Verbesserung der medizinischen Versorgung, der öffentlichen Gesundheit, der persönlichen Sicherheit und letztlich einer längeren Lebenserwartung konzentriert.

Innovation by Chemistry lautet der Claim der Toray-Gruppe. In einer Welt, in der REACH und Fridays for Future die Spielräume der Chemieindustrie stark einengen, stellt sich die Frage, welchen Platz die Chemie in der Textilindustrie haben kann. Wie passen hier Chemie, Innovation und Nachhaltigkeit zusammen?

Die chemische Industrie befindet sich heute an einem Wendepunkt. Die Vorteile, die diese Industrie für die Zivilisation bringen kann, sind zwar nach wie vor enorm, aber zugleich treten Nachteile wie Ressourcenverschwendung und die negativen Auswirkungen auf Umwelt und Ökosysteme, immer deutlicher zu Tage. In Zukunft wird die chemische Industrie viel stärker im Sinne der Nachhaltigkeit arbeiten müssen – daran führt kein Weg vorbei.

Was Textilien betrifft, so gibt es unserer Meinung nach mehrere Möglichkeiten, synthetische Materialien in Zukunft nachhaltiger zu gestalten. Eine davon sind wie gesagt Materialien, die aus Pflanzen statt aus petrochemischen Rohstoffen hergestellt werden. Eine andere besteht darin, die Menge an Rohstoffen, die bei der Produktion verwendet werden, von vornherein zu reduzieren – dies kann zum Beispiel gelingen, indem Abfallstoffe aus Produktion oder Verkauf gesammelt und recycelt werden. Biologisch abbaubare Materialien, die die Auswirkungen von Abfallprodukten auf die Umwelt verringern, sind eine weitere Möglichkeit, die zu verfolgen es lohnt, ebenso wie die Reduzierung von umweltschädlichen Substanzen, die im Produktionsprozess verwendet werden. All diese Möglichkeiten prüfen wir bereits im synthetischen Textilien-Geschäft von Toray. Zugleich achten wir übrigens darauf, in unserer eigenen Produktion Energie zu sparen und den Einfluss auf die Umwelt möglichst gering zu halten.

Toray konzentriert sich im Segment Fasern & Textilien auf synthetische Fasern wie Nylon, Polyester und Acryl sowie andere Funktionsfasern. Auf dem Markt ist in den vergangenen Jahren ein deutlicher Trend zu cellulosischen Fasern zu beobachten, die auch als Alternativen zu synthetischen Produkten gehandelt werden. Wie sehen Sie diese Entwicklung – zum einen für das Unternehmen Toray, zum anderen unter dem Aspekt Nachhaltigkeit, den die cellulosischen Wettbewerber mit der nachwachsenden Rohstoffbasis für sich reklamieren?

Naturfasern, einschließlich Cellulosefasern und Wolle, sind insofern umweltfreundlich, als sie leicht recycelt werden können und nach der Entsorgung schnell biologisch abbaubar sind. Um ihre Umweltauswirkungen wirklich beurteilen zu können, müssen jedoch auch eine Reihe anderer Faktoren berücksichtigt werden: In erster Linie ist da die Frage der Beständigkeit: gerade weil Naturfasern natürlich sind, ist es schwierig, auf einen schnellen Anstieg der Nachfrage zu reagieren, und die Qualität ist aufgrund von Wetter- und anderen Faktoren nicht immer stabil.

Klimatische Veränderungen wie extreme Hitze, Dürre, Wind, Überschwemmungen und Kälteschäden können die Quantität und Qualität der Produktion von Naturfasern beeinträchtigen, so dass die Versorgung nicht immer gesichert ist. Um die Produktion hochzufahren, müssen nicht nur Flächen gerodet, sondern auch große Mengen an Wasser und Pestiziden eingesetzt werden, um diese zu bewirtschaften - all das ist schädlich für die Umwelt.

Synthetische Fasern hingegen sind Industrieprodukte, die in kontrollierten Fabrikumgebungen hergestellt werden. Das macht es einfacher, Schwankungen im Produktionsvolumen zu bewältigen und eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten. Darüber hinaus können bestimmte funktionelle Eigenschaften wie Widerstandsfähigkeit, Wasseraufnahme, schnelles Trocknen und anti-bakterielle Eigenschaften in das Material eingearbeitet werden, was dazu führen kann, dass Textilien länger im Gebrauch sind.

Synthetische Fasern und Naturfasern, einschließlich Cellulosefasern, haben also ihre eigenen Vor- und Nachteile – es gibt hier kein Allheilmittel, zumindest nicht im Moment. Wir glauben: Es ist wichtig, sicherzustellen, dass es Optionen gibt, die dem Bewusstsein und dem Lebensstil des Verbrauchers entsprechen. Dazu gehören Komfort im Alltag und Nachhaltigkeit gleichermaßen.

Inwiefern ist die Nachfrage nach recycelten Produkten gestiegen? Unter dem Markennamen &+™ bietet Toray eine Faser an, die aus recycelten PET-Flaschen hergestellt wird. Gerade bei der „Rohstoffbasis: PET-Flaschen“ können sich Probleme beim Weißgrad der Faser ergeben. Was unterscheidet Ihr Verfahren von dem anderer Unternehmen und inwiefern können Sie qualitativ mit neuen Fasern konkurrieren?

Bei der Herstellung der "&+"-Faser werden die gesammelten PET-Flaschen mit speziellen Wasch- und Filterverfahren von sämtlichen Fremdstoffen befreit. Durch diese Verfahren konnten wir nicht nur das Problem des Weißgrades der Fasern lösen – indem wir gefilterte, hoch reine recycelte Polyester späne verwenden, können wir auch sehr feine Fasern und Fasern mit einzigartigen Querschnitten herstellen. Mit unseren bewährten Verfahrenstechnologien können zudem bestimmte Texturen und Funktionen von Toray in die Faser eingebaut werden. Darüber hinaus enthält "&+" eine spezielle Substanz im Polyester, die eine Rückverfolgung des Materials auf die darin verwendeten recycelten PET-Flaschenfasern ermöglicht.

Wir glauben, dass diese Kombination aus Ästhetik, Nachhaltigkeit und Funktionalität die recycelte Polyester-faser "&+" wettbewerbsfähiger macht als die anderer Unternehmen. Und in der Tat haben wir festgestellt, dass die Zahl der Anfragen stetig zunimmt, da Unternehmen bereits in der Produktplanungsphase ein stärkeres Bewusstsein für Nachhaltigkeit entwickeln.

Wie wird Innovationsmanagement in der Textilabteilung von Toray gelebt, und auf welche Entwicklungen, an denen Toray in der letzten Zeit gearbeitet hat, sind Sie besonders stolz?

Die Textilabteilung besteht aus drei Unterabteilungen, die sich auf die Entwicklung und den Verkauf von Modetextilien (WOMEN'S & MEN'S WEAR FABRICS DEPT.), Sport- und Outdoor-Textilien (SPORTS WEAR & CLOTHING MATERIALS FABRICS DEPT.) und, speziell für Japan, Textilien für Uniformen in Schulen, Unternehmen und dem öffentlichen Sektor (UNIFORM & ADVANCED TEXTILES DEPT.) konzentrieren.

In der Vergangenheit entwickelte jede Abteilung ihre eigenen Materialien für ihre jeweiligen Märkte und Kunden. Im Jahr 2021 haben wir jedoch einen kollaborativen Raum für die Zusammenarbeit eingerichtet, um die Synergie zu erhöhen und Informationen über die in verschiedenen Bereichen entwickelten Textilien mit der gesamten Abteilung zu teilen. So können die Verkäufer ihren Kunden auch in anderen Abteilungen entwickelte Materialien anbieten und selbst Ideen für die Entwicklung neuer Textilien bekommen.

Ich glaube, dass die neue Struktur uns auch helfen wird, besser auf Veränderungen im Markt zu reagieren. Wir sehen zum Beispiel, dass die Grenzen zwischen Arbeitsbekleidung und Outdoor verschwimmen – Marken wie Engelbert Strauss sind ein gutes Beispiel für diesen Trend. Eine weitere Entwicklung, die sich unserer Meinung nach der Corona-Pandemie noch beschleunigen wird, ist die Betonung grüner Technologien und Materialien. Dies gilt für alle Textilbereiche, und wir müssen enger zusammenarbeiten, um hier ganz vorne mitzuspielen.

Welche Bedeutung haben in Ihren Forschungsvorhaben biobasierte Polyester? Wie schätzen Sie die künftige Bedeutung solcher Alternativen ein?

Ich glaube, dass diese Materialien in den kommenden Jahren eine große Rolle spielen werden. Polyester wird aus gereinigter Terephthalsäure (PTA) hergestellt, die wiederum aus Paraxylen (PX) und Ethylenglykol (EG) besteht. In einem ersten Schritt bieten wir bereits ein Material namens ECODEAR™ an, das Zuckerrohrmelasse-Abfällen als Rohmaterial für die EG-Herstellung verwendet.

Etwa 30 % dieser zumindest ansatzweise Bio-Polyesterfaser sind somit biologisch hergestellt, und das Material wird in großem Umfang für Sportbekleidung und Uniformen verwendet. Im nächsten Schritt arbeiten wir an der Entwicklung einer vollständig biobasierten Polyesterfaser, bei der auch der PTA-Bestandteil aus Biomasse-Rohstoffen, wie den nicht genießbaren Teilen von Zuckerrohr und Holzabfällen, gewonnen wird.

Bereits 2011 ist es uns gelungen, einen Prototyp einer solchen vollständig aus Biomasse hergestellten Polyesterfaser zu produzieren. Die Ausweitung der Produktion bei dem PX-Hersteller, mit dem wir zusammenarbeiten, hat sich jedoch als schwierig erwiesen. Derzeit stellen wir nur kleine Muster-Mengen her, aber wir hoffen, in den 2020er Jahren mit der Massenproduktion starten zu können.

Ursprünglich vom Garn kommend, inzwischen seit Jahrzehnten ein weltweit führender Produzent synthetischer Fasern, arbeiten Sie auch bis zum fertig konfektionierten Produkt. Die Palette reicht von Schutzkleidung gegen Staub und Infektionen bis zu smart textiles und Funktionstextilien, die biometrische Daten erfassen. Was planen Sie in diesen Segmenten?

Im Bereich der Schutzkleidung ist unsere Marke LIVMOA™ unser Vorzeige-Material. Es vereint hohe Atmungsaktivität, um Feuchtigkeit im Inneren der Kleidung zu reduzieren, mit blockierenden Eigenschaften, die Staub und andere Partikel von außen fernhalten. Das Textil eignet sich für eine Vielzahl von Arbeitsumgebungen, darunter auch Anwendungen mit hohem Staub- oder Fettaufkommen und sogar Reinräume. LIVMOA™ 5000, eine hochwertige Qualität, zeigt auch antivirale Eigenschaften und hilft, medizinisches Personal zu entlasten. Das Material bildet eine wirksame Barriere gegen Bakterien und Viren und ist beständig gegenüber hygroskopischem Druck. Durch die hohe Atmungsaktivität bietet es außerdem hohen Tragekomfort.

Unser smart textile heißt hitoe™. Bei diesem hochleit-fähigen Gewebe wird ein leitfähiges Polymer – also eine Polymerverbindung, die Elektrizität hindurchlässt – in das Nanofasergewebe eingearbeitet. hitoe™ ist ein leistungsfähiges Material zur Erfassung von Biosignalen, schwachen elektrischen Signalen, die wir unbewusst von unserem Körper aussenden. In Japan hat Toray Produkte für elektrokardiografische Messungen (EKGs) entwickelt, die den Sicherheits- und Wirksamkeitsstandards medizinischer Geräte entsprechen. Und 2016 haben wir bei den japanischen medizinischen Verwaltungsbehörden eine Anmeldung für die Registrierung eines Geräts mit hitoe™ als allgemeines Medizinprodukt eingereicht – dieser Registrierungsprozess ist nun abgeschlossen. Insgesamt erwarten wir, dass der Gesundheitssektor, insbesondere medizinische und pflegerische Anwendungen, wachsen wird – nicht zuletzt wegen zunehmender Infektionskrankheiten und ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein unter der älteren Bevölkerung. Wir werden daher weiterhin neue Produkte für diesen Markt entwickeln und verkaufen.

Joseph Wilson Swan hat 1885 die Bezeichnung „artifical silk“ für die von ihm künstlich erzeugten Nitratcellulosefilamente einführt. Später wurden auch die auf Basis von Cellulose ersponnenen Kupfer-, Viskose- und Acetatfilamentgarne als Kunstseide bezeichnet. Toray hat eine neue innovative Spinntechnologie unter dem Namen NANODESIGN™ entwickelt, die die Kontrolle der Feinheit und Form der synthetischen Fasern auf Nanoebene ermöglicht. Damit sollen Funktionen, Ästhetik und Texturen entstehen, die es bisher nicht gab. Für welche Anwendungen wollen Sie diese Produkte einsetzen?

Bei der NANODESIGN™-Technologie wird das Polymer in eine Reihe mikroskopisch kleiner Ströme aufgespalten, die dann in einem bestimmten Muster zu einer neuen Faser rekombiniert werden. Durch eine äußerst präzise Steuerung des Polymerstroms können Feinheit und Querschnittsform der Faser viel genauer bestimmt werden, als es mit herkömmlichen Mikrofaser- und Nanofaser-Spinntechnologien bisher möglich war. Darüber hinaus ermöglicht diese Technologie die Kombination von drei oder mehr Polymertypen mit unterschiedlichen Eigenschaften in einer Faser – herkömmliche Technologien schaffen nur zwei Polymertypen. Diese Technologie ermöglicht es Toray daher, bei der Herstellung von Kunstfasern eine Vielzahl von Texturen und Funktionen festzulegen, die mit herkömmlichen Kunstfasern nicht möglich waren – und sogar die Textur und die Haptik von Naturfasern zu übertreffen. Kinari, unsere mit der NANODESIGN-Technologie entwickelte Kunstseide, ist hier ein Paradebeispiel, aber die Technologie birgt noch viele weitere Möglichkeiten – nicht zuletzt im Hinblick auf unsere Nachhaltigkeitsziele.

Was hat die zurückliegende Zeit der Pandemie für das das Textilgeschäft von Toray bisher bedeutet? Inwiefern war sie eine Belastung, in welchen Bereichen aber auch ein Innovationstreiber? Was erwarten Sie von den kommenden 12 Monaten?

Die Corona-Katastrophe hat sich dramatisch auf die Ergebnisse des Unternehmens ausgewirkt: Im Geschäftsjahr 2020 sanken der Gesamtumsatz von Toray um rund 10% auf 188,36 Milliarden Yen (ca. 1,44 Milliarden Euro) und der Betriebsgewinn um rund 28% auf 90,3 Milliarden Yen (ca. 690 Millionen Euro). Die Auswirkungen auf den Faser- und Textilbereich waren ebenfalls beträchtlich: Die Umsätze gingen um rund 13 % auf 719,2 Mrd. Yen (ca. 5,49 Mrd. Euro) zurück und das Betriebsergebnis um rund 39 % auf 36,6 Mrd. Yen (ca. 280 Mio. Euro).

Im Geschäftsjahr 2021 sieht es im Bereich Fasern und Textilien jedoch deutlich besser aus: Bislang hat das Segment die Ziele insgesamt übertroffen, auch wenn es in den einzelnen Bereichen und Anwendungen Schwankungen gibt. Im Zeitraum April bis Juni haben wir sogar wieder das Niveau von 2019 erreicht. Dies ist zum Teil auf den sich erholenden Sport- und Outdoor-Sektor zurückzuführen. Der Markt für Modebekleidung hingegen bleibt aufgrund der veränderten Lebensgewohnheiten, die Schließungen und Homeoffice mit sich gebracht haben, weiterhin schwierig. Wir sind der Meinung, dass eine vollständige Erholung des Geschäfts erst dann eintreten wird, wenn die Reise- und Freizeitbranche wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht hat.

Eine andere Nebenwirkung der Pandemie, die wir sehr stark spüren, ist die wachsende Sorge über Umweltfragen und den Klimawandel. Infolgedessen hat die Nachfrage nach nachhaltigen Materialien auch im Bekleidungssegment zugenommen. Nachhaltigkeit wird in Zukunft für die Entwicklung und Vermarktung neuer Textilien in allen Marktsegmenten ein Muss sein. Andererseits wird sich immer die Frage stellen, wie nachhaltig ein Produkt wirklich ist, und Daten und Rückverfolgbarkeit werden immer wichtiger werden. In den kommenden Jahren wird die Textilabteilung diese Entwicklungen genau im Auge behalten und Materialien entwickeln, die den Bedürfnissen der Kunden entsprechen.

Zur Person:
Koji Sasaki stieß 1987 zu Toray. In seinen mehr als 30 Jahren im Unternehmen hatte er verschiedene Positionen inne, darunter eine vierjährige Amtszeit als Managing Director der Toray International Europe GmbH in Frankfurt von 2016 bis 2020. Seit 2020 ist Koji Sasaki für die Textilsparte von Toray verantwortlich und fungiert als amtierender Vorsitzender von Toray Textiles Europe Ltd. In diesen Funktionen beaufsichtigt er die Entwicklungs-, Verkaufs- und Marketingaktivitäten des Unternehmens im Bekleidungssegment, darunter die Bereiche Mode, Sport und Arbeits- oder Schuluniformen.

Das Interview führte Ines Chucholowius, Geschäftsführerin der Textination GmbH

Foto: Pixabay
12.10.2021

Unternehmen krisensicher aufstellen: Resilienz als erweitertes Sicherheitskonzept

Unternehmen sind heutzutage mit zahlreichen Risiken konfrontiert. Nicht zuletzt die Pandemie hat gezeigt, wie Krisen Firmen existenziell bedrohen können. Mit dem Tool FReE des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI, erhalten Unternehmen ein Werkzeug, mit dem sie ihre Resilienz berechnen können, um für kommende Krisenszenarien gewappnet zu sein.
 

Unternehmen sind heutzutage mit zahlreichen Risiken konfrontiert. Nicht zuletzt die Pandemie hat gezeigt, wie Krisen Firmen existenziell bedrohen können. Mit dem Tool FReE des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI, erhalten Unternehmen ein Werkzeug, mit dem sie ihre Resilienz berechnen können, um für kommende Krisenszenarien gewappnet zu sein.
 
Unsere Welt ist hoch komplex und störanfällig: Naturkatastrophen, Cyberattacken, Stromausfälle, Terrorangriffe, Pandemien und andere Krisenszenarien können die Existenz von Unternehmen gefährden. Wie anfällig die deutsche Wirtschaft hierzulande ist, hat die Coronapandemie gezeigt: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts ist sie 2020 nach zehn Jahren des Wachstums in eine tiefe Rezession geraten, insbesondere im zweiten Quartal 2020 hatte die Wirtschaftsleistung einen historischen Einbruch erlitten. Auf die Pandemie werden weitere Krisen folgen. Die klassischen Methoden der Risikoanalyse und des Risikomanagements, die nur erwartbare Risiken ins Kalkül ziehen, reichen nicht aus, um Unternehmen ausreichend vor großen Schäden zu schützen.

»Oftmals berücksichtigen Firmen nur, was am wahrscheinlichsten passieren könnte, anstatt den Blick für mögliche Krisenszenarien zu schärfen«, sagt Daniel Hiller, Geschäftsfeldleiter Sicherheit und Resilienz am Fraunhofer EMI in Freiburg. Um Organisationen und Unternehmen sicher auf Krisen vorzubereiten, etabliert er mit seinem Team Resilienz als neues Sicherheitskonzept. Ein Ergebnis der Forschungsarbeiten sind das Online-Tool Fraunhofer Resilience Evaluator FReE und die Software KMU-Lagebild, die Firmen befähigen, die eigene Resilienz zu bemessen, zu bewerten und eine Resilienzanalyse vor, während und nach einem disruptiven Ereignis vorzunehmen.
 
Fünf-Phasen-Konzept »Prepare, Prevent, Protect, Respond und Recover«
Das Online-Tool FReE bietet die Möglichkeit, Resilienz strategisch zu planen, das abstrakte Konzept in das eigene Unternehmen zu implementieren und auf Managementebene anwendbar zu machen. FReE orientiert sich an dem Fünf-Phasen-Konzept »Prepare, Prevent, Protect, Respond und Recover«.

Die Software umfasst einen Katalog mit 68 Fragen, die sich an die fünf Resilienzphasen anlehnen. Durch Beantworten der Fragen erhält man erste Informationen, die für die Bewertung von Resilienz erforderlich sind. Die fünf Phasen folgen einem chronologischen Ablauf, der mit einem Was-Wäre-Wenn-Szenario beginnt. In dieser Prepare-Phase bereiten sich Unternehmen auf disruptive Situationen vor, um in der Prevent-Phase mit vorbeugenden Maßnahmen Schaden abzuwenden.

»Ein Aluminiumverarbeitender Betrieb etwa könnte sein Gelände mit Sicherheitszäunen und -kameras schützen, da bekannt ist, dass nachts häufig eingebrochen und Aluminium gestohlen wird«, veranschaulicht Hiller die ersten beiden Phasen mit einem klassischen Beispiel. Ziel der Protect-Phase ist es, sich zu schützen, beispielsweise wichtige Infrastrukturen oder Gebäude durch zusätzliche Betonschichten oder Mauern intakt zu halten. Konnte die Katastrophe nicht vermieden werden, greift die Respond-Phase. Nun gilt es, Ursache und Ausmaß des Schadens schnell zu ermitteln und hoch kritische Versorgungsfunktionen aufrechtzuerhalten. Nach dem Störfall sollte man durch systematisches Lernen die Lehren aus der Krise ziehen, um künftige Risiken besser abwehren zu können und in einem zyklischen iterativen Prozess seine Resilienz zu verbessern – Learn & Adapt bezeichnen die Forscher diese Phase.
 
FReE führt den Nutzer durch den Fragebogen, der chronologisch vor, während und nach einer Disruption gegliedert ist und die Belange aller Unternehmensbereiche abdeckt. Dazu gehören etwa Personal, Finanzen, Infrastruktur und Technik. Das Tool bietet die Möglichkeit, bei der Auswertung nach Bereichen zu filtern. »Ein Controller beispielsweise kann sich ausschließlich die Ergebnisse anzeigen lassen, die die Finanzen betreffen«, so Hiller. Die Fragen können wie folgt lauten: »Gibt es im Fall einer Disruption einen Katastrophenmanager? Über welche Kompetenzen und Befugnisse verfügt diese Person?« oder »Welche finanziellen Reserven sind für Notfälle eingeplant?« Die Auswertung wird im Spinnennetzdiagramm dargestellt, wobei das schlechteste Ergebnis bei null Prozent im Fadenkreuz liegt.

FReE liegt in drei Versionen vor: die kostenlose webbasierte Quick-Version umfasst 15 Fragen. Die Vollversion mit dem kompletten Katalog von 68 Fragen erhalten Interessierte auf Projektbasis. Das begleitende Beratungsprojekt baut auf der kostenpflichtigen Version auf. Hier entwickeln Hiller und sein Team gemeinsam mit den Unternehmen geeignete Maßnahmen, um die Resilienz zu stärken und Schwachstellen zu beseitigen. Darüber hinaus lässt sich FReE durch erweiterte Fragestellungen an die Bedarfe von Branchen anpassen. Die Quick-Version ist bereits bei zahlreichen KMU im Einsatz, Updates auf die Vollversion sind geplant.

Projekt KMU Lagebild
Während FReE Firmen in die Lage versetzt, die eigene Resilienz selbst einzuschätzen, werden sie im Projekt KMU Lagebild dabei begleitet, eine umfassende Resilienzbewertung vorzunehmen. Die Forscherinnen und Forscher modellieren alle Abläufe und Prozesse anhand der vorliegenden Daten am Computer. Mithilfe der Einspielung fiktiver Störszenarien wird sichtbar, wie das System darauf reagiert und welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen. »Indem man sich nicht nur die Frage nach den wahrscheinlichsten Disruptionen stellt, sondern nach den möglichen Störfällen, weitet man seinen Blick auf Risiken. Darüber hinaus zeichnen sich resiliente Unternehmen durch eine hohe Anpassungsfähigkeit und Flexibilität aus«, resümiert Hiller.

(c) Checkpoint Systems
28.09.2021

Checkpoint Systems: Retail Technology Solutions – zum Erfolg gehört ein Team

Checkpoint Systems, ein Unternehmen von CCL Industries, ist ein weltweit führender Hersteller von Lösungen für den Einzelhandel. Das Portfolio reicht von der elektronischen Artikelüberwachung über Diebstahl- und Verlustprävention bis zu RFID-Hardware und -Software sowie Etikettierungslösungen. Zielsetzung ist, Einzelhändlern eine genaue Echtzeit-Inventarisierung zu ermöglichen, den Nachschubzyklus zu beschleunigen, Fehlbestände zu verhindern und Diebstähle zu reduzieren, um die Warenverfügbarkeit und das Einkaufserlebnis der Kunden zu verbessern.

Checkpoint Systems, ein Unternehmen von CCL Industries, ist ein weltweit führender Hersteller von Lösungen für den Einzelhandel. Das Portfolio reicht von der elektronischen Artikelüberwachung über Diebstahl- und Verlustprävention bis zu RFID-Hardware und -Software sowie Etikettierungslösungen. Zielsetzung ist, Einzelhändlern eine genaue Echtzeit-Inventarisierung zu ermöglichen, den Nachschubzyklus zu beschleunigen, Fehlbestände zu verhindern und Diebstähle zu reduzieren, um die Warenverfügbarkeit und das Einkaufserlebnis der Kunden zu verbessern.

Textination sprach mit Miguel Garcia Manso, Business Unit Director Germany bei Checkpoint Systems, wo der 44-jährige Diplom-Wirtschaftsingenieur seit 2018 tätig ist. Mit vielen Jahren internationaler Retail-Erfahrung kennt er die Bedürfnisse des Einzelhandels genau. Zuvor lebte Miguel Garcia Manso knapp 15 Jahre in Madrid und war dort für den spanischen Lebensmitteleinzelhändler DIA tätig. Auch dort begleitete er die Einführung und den Roll-out von Warensicherungsprojekten.

 

Wenn Sie das Unternehmen Checkpoint Systems und sein Portfolio jemandem präsentieren müssten, der kein Einzelhandelsprofi ist – was würden Sie sagen?

Wir sind der Partner des Handels und unser Job ist es, Einzelhändlern dabei zu helfen, das Einkaufen für ihre Kunden so angenehm wie möglich zu gestalten. Vereinfacht gesagt, sorgen wir mit unseren Lösungen dafür, dass das richtige Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, wenn Endverbraucher es kaufen möchten, statt im schlimmsten Fall vor einem leeren Regal zu stehen. Unser Portfolio reicht dabei von einzelnen Produkten zur Diebstahlsicherung bis hin zu Lösungen, welche die gesamte Lieferkette umfassen und größtmögliche Transparenz über den Warenbestand schaffen.

 

Das war ein langer Weg von den 1960er Jahren, als ein kleines Team in den USA eine Methode entwickelte, um den Diebstahl von Büchern aus öffentlichen Bibliotheken zu verhindern, bis zum internationalen, in 35 Ländern tätigen Marktführer in der Warensicherung im 21. Jahrhundert. Welches Erbe ist Ihnen bis heute wichtig, und wie würden Sie den Spirit im Unternehmen Checkpoint Systems beschreiben?
 
Beide Fragen haben die gleiche Antwort: Zum einen die Innovationskraft und zum anderen der konsequente Austausch mit dem Einzelhandel. Beides stand von Anfang an im Fokus bei Checkpoint Systems. Wir entwickeln unsere Produkte und Systeme in engem Austausch mit dem Handel, suchen aktiv das Gespräch, hören uns an, was im Alltag gebraucht wird etc. Das ist uns sehr wichtig und wird auch regelmäßig als Kaufargument für Checkpoint Systems an uns herangetragen. Das wollen wir auf jeden Fall so weiterführen.

 

Sie bieten Hard- und Software-Technologien für den Einzelhandel an, der als Markt ja nun sehr komplex ist. Inwiefern unterscheiden sich die Anforderungen von Händlern aus dem Fashion-, Outdoor- und Textil-Sektor von denen anderer Branchen?
Die Gründe, weshalb sich Einzelhandelsunternehmen bei uns melden, sind über alle Branchen hinweg ähnlich. Sie alle möchten ihre Kunden begeistern, langfristig an sich binden und mehr Umsatz machen. Die Wege dahin sind dann mitunter unterschiedlich: Von Omnichannel-Strategien für den Fashionsektor über Warensicherungslösungen für hochpreisige Elektro- oder Kosmetikprodukte bis hin zur RFID-basierten Fresh-Food-Solution für den Lebensmitteleinzelhandel, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.
Besonders bei den Etiketten unterscheiden sich die Anforderungen der Branchen. Je nach Größe und Preis des Produkts sowie der gewünschten Technologie empfehlen wir andere Etiketten – oder entwickeln diese in enger Abstimmung mit dem Kunden. Für das polnische Fashionunternehmen LPP haben wir zum Beispiel gerade einen speziellen dualen RF- und RFID-Tag entwickelt, der sich harmonisch in das Design der Filialen einfügt.

 

Zauberwort RFID – das berührungslose und automatisierte Lesen und Speichern von Daten auf Basis elek-tromagnetischer Wellen ist das Herzstück Ihrer Technologien. Sie ermuntern Ihre Kunden sogar, eine eigene RFID-Strategie zu entwickeln. Was ist darunter zu verstehen und sind Sie sicher, dass alle Handelsunternehmen das aus eigener Kraft stemmen können?

Wir entwickeln die Strategie mit unseren Kunden gemeinsam, zumeist im Rahmen eines Pilotprojekts. Bis vor einigen Jahren war die Einführung von RFID-Technologie tatsächlich noch aufwendiger und meist mit einem mehrjährigen Projekt verbunden. Heute können wir aber im Rahmen eines kleinen Piloten schnell für jeden Einzelhändler berechnen, wie viel rentabler er durch RFID arbeiten kann und wie hoch seine Investitionsrendite ist. Wir starten meist mit einem Store-Scan, dann kommt der Pilotversuch in ausgewählten Filialen inklusive individuellen Schulungen und Vor-Ort-Support. Und bis zur Implementierung in allen Filialen sind die Kunden selbst Experten für RFID und haben ein Verständnis dafür, was sie mit den Echtzeit-Daten alles machen können.   

 

Was bedeutet das Stichwort „customized“ für Checkpoint Systems? Inwiefern sind die individuellen Bedarfe des jeweiligen Kunden von Ihnen abbildbar? Oder können Sie jedes Handelsunternehmen – ob Kette oder Boutique – „glücklich“ machen?

Personalisierte Lösungen nehmen bei uns einen hohen Stellenwert ein. Das betrifft zum einen das Produkt an sich und zum anderen die Unternehmensgröße. Wie Sie schon andeuten, haben große Einzelhandelsketten natürlich andere Bedürfnisse als kleine Boutiquen. Für O₂, die Kernmarke von Telefónica Deutschland, haben wir zum Beispiel gerade unsere AutoPeg Tags zur Diebstahlsicherung speziell angepasst. Statt standardmäßig gelb sind die Tags für O₂ weiß mit blauer Schrift, passend zum Ladendesign.
Das zeigt auch generell die Entwicklung im Bereich Warensicherung auf: Als die Warensicherung noch in den Kinderschuhen steckte, waren Antennen und Etiketten hauptsächlich funktional. Heutzutage fügen sie sich harmonisch in das Gesamtbild des Ladendesigns ein. Händler müssen sich nicht mehr zwischen Design und Funktionalität entscheiden.

 

Wie wird Innovationsmanagement in Ihrem Unternehmen gelebt und auf welche Entwicklungen, an denen Checkpoint in der letzten Zeit gearbeitet hat, sind Sie besonders stolz?

Wir haben in den letzten Monaten – gemeinsam mit der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik – intensiv an der Prüfung und Zertifizierung unserer Warensicherungssysteme gearbeitet und können heute mit Stolz sagen: Wir sind der erste Hersteller in Deutschland, dessen EAS-Systeme von der CSA Group, einem international anerkannten und akkreditierten Anbieter von Prüf- und Zertifizierungsdienstleistungen, geprüft wurden. Die CSA Group hat uns bestätigt, dass unsere radiofrequenzbasierten EAS-Systeme alle in Deutschland geltenden Normen und Richtlinien in Bezug auf die Belastung durch elektromagnetische Felder einhalten. Es müssen keine Sicherheitsabstände eingehalten werden.
Der Hintergrund ist folgender: Einzelhändler sind in Deutschland verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen, wenn sie ein EAS-System nutzen. Die CE-Konformitätserklärung, welche sie beim Kauf eines EAS-Systems vom Hersteller erhalten, ist dafür nicht ausreichend. Durch die Prüfung unserer Systeme haben wir für unsere Kunden beste Voraussetzungen für eine solche Beurteilung geschaffen. Der Berufsgenossenschaft liegen auch entsprechende Unterlagen von uns vor.

Stolz sind wir auch auf die Tatsache, dass wir es geschafft haben, die Durchgangsbreiten unserer NEO Antennen zur Warensicherung von zwei Metern auf 2,70 Meter zu erhöhen. Das gibt Einzelhändlern deutlich mehr Spielraum beim Store Design. Ganz allgemein ist Store Design an dieser Stelle auch ein gutes Stichwort: Wir haben mit unseren freistehenden Antennen, dem Design der NS40 oder auch der Möglichkeit, Antennen in Kassensysteme zu verbauen, viel dazu beigetragen, dass Warensicherung ästhetisch ansprechend wird und sich harmonisch in das Ganze einfügt.

 

Die Covid19-Zeit war insbesondere für den stationären Einzelhandel eine Katastrophe. Unternehmen haben sich in den zurückliegenden Monaten verstärkt in Richtung eCommerce bewegt – sei es über individuelle Shoplösungen oder Marktplätze, um zumindest einen Teil des Umsatzrückgangs zu kompensieren. Was raten Sie Händlern: Können heute und in Zukunft nur noch Omnichannel-Geschäfte erfolgreich sein?

Ja, das ist auf jeden Fall unser Rat an den Einzelhandel. Omnichannel-Lösungen werden nicht mehr verschwinden, sondern sich weiter verbreiten und bald nicht mehr wegzudenken sein. Einzelhändler sind gut beraten, sich auf diese neue Situation – auch unabhängig von Corona – einzustellen und in den Ausbau funktionierender Omnichannel-Lösungen zu investieren. Kunden erwarten, dass das von ihnen gewünschte Produkt verfügbar ist, wenn sie einen Laden betreten. Und falls nicht, dass sie es unkompliziert in die gleiche Filiale liefern lassen können oder es zu ihnen nach Hause geschickt wird. Das funktioniert nur mit einer sehr hohen Bestandstransparenz, zum Beispiel durch unsere RFID-Lösungen.

 

Stichwort: Wirtschaftlichkeit. Das vielbeschworene personalisierte perfekte Shoppingerlebnis für den Kunden zu schaffen kostet, oder nicht? Lagerverfügbarkeit, Bestände senken durch Abverkauf, Regalmanagement, Logistik und Retourenabwicklung – inwiefern können Sie den Handel darin unterstützen, seine Rentabilität zu steigern?

Das perfekte Shoppingerlebnis NICHT zu schaffen, kostet viel mehr – unzufriedene Kunden, die nicht das Gewünschte gefunden haben, kommen nicht wieder. Um mit der Kundennachfrage Schritt halten zu können, lagern viele Einzelhändler daher viel zu viel Ware ein. Unserer Erfahrung nach sind es im Durchschnitt 42.000 Artikel. Das kostet. Diese Einzelhändler zahlen hohe Kosten für Lagerfläche, brauchen viel Zeit für Inventurprozesse und müssen die Produkte am Ende deutlich reduzieren, um die Bestände zu senken.
Der Schlüssel für mehr Rentabilität liegt in der Bestandsgenauigkeit. Mithilfe von RFID-Technologie können wir diese auf bis zu 99 Prozent erhöhen. So vermeiden wir Unter- oder Überbestände, können die benötigte Lagerfläche reduzieren und die Abläufe optimieren, zum Beispiel auch bei der Inventur. RFID kann Hunderte Tags gleichzeitig lesen und ist genauer und schneller als das manuelle Zählen. Erfahrungsgemäß können Einzelhändler mit unserer RFID-Technologie ihren Umsatz um durchschnittlich drei Prozent steigern.

 

Auch wenn sich die Situation im Handel durch die Impfungen teilweise entspannt hat, erfordert die Einkaufssituation im Geschäft vor Ort – optimistisch betrachtet – zumindest auch für die nächsten Monate besondere Vorkehrungen. Sie bieten dafür mit „safer shopping“ ein Paket aus verschiedenen Komponenten an. Was deckt das ab?
 
SmartOccupancy ist unsere einfache Lösung zur Kontrolle der Personenzahl in Verkaufsräumen in Echtzeit. Das System zählt die Anzahl der ein- und ausgehenden Personen mithilfe von Visiplus 3D, einem Overhead-Personenzählsensor. Ist die maximale Kapazität fast erreicht, sendet SmartOccupancy eine Warnung an das Personal. Dadurch können die Mitarbeiter in Echtzeit auf die gegenwärtigen Belegungszahlen reagieren und so zu einer sichereren Umgebung für Angestellte und Kunden beitragen. Verantwortliche können mit SmartOccupancy behördliche Anweisungen zur maximalen Personenanzahl sicher und zuverlässig umsetzen, manuelles Zählen entfällt. Eine visuelle Kapazitätsanzeige weist die Kunden an der Tür deutlich sichtbar darauf hin, ob das Geschäft gerade betreten werden darf oder nicht.
Die zweite Lösung ist vor allen Dingen für den Textil- und Bekleidungshandel sowie den Schuhmarkt interessant: Inventory Quarantine ist eine Softwarelösung zur sicheren, automatischen Rückgabe (SaaS-basiert). Sie ermöglicht es Einzelhändlern, zurückgegebene Ware für einige Stunden in einer automatisierten Quarantäne-Warteschlange zu parken. Nach Ablauf der zuvor definierten Zeit informiert Inventory Quarantine die Mitarbeiter per Push-Nachricht, dass das Kleidungsstück oder der Schuh wieder auf die Fläche geräumt oder im Onlineshop erneut als verfügbar gekennzeichnet werden kann. So werden Artikel nur dann freigegeben, wenn sie für den Wiederverkauf als sicher gelten – und gleichzeitig wird sichergestellt, dass Artikel umgehend wieder in den Verkauf genommen werden. Die Lösung hilft Einzelhändlern, den Überblick über retournierte Ware zu behalten und die Zeit zu minimieren, in der die Produkte nicht im Verkauf verfügbar sind.

 

„Ethischer Konsum ist endgültig zur Haltung geworden und in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, kommentierte Trendforscher Peter Wippermann die Ergebnisse der letzten Trendstudie „Bewusster leben“ der Otto Group. Was heißt Nachhaltigkeit für Checkpoint Systems als Unternehmen, wie bilden Sie diese Erkenntnis in Ihrem Produktportfolio ab und wie unterstützen Sie Ihre Kunden in der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen?

Nachhaltigkeit ist für uns bei Checkpoint Systems definitiv ein wichtiges Thema. Wir prüfen unsere Produkte und Prozesse regelmäßig dahingehend, wie wir noch ressourcenschonender arbeiten, Produktionsabfälle reduzieren und unsere CO2-Emissionen senken können. Dabei geht es auch darum, wie wir den Stromverbrauch unserer Antennen noch weiter senken können. Wir entwickeln und vertreiben nur RF-Antennen. Diese Technologie ist nicht nur hinsichtlich der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern sicherer, sondern auch umweltschonender: RF-Antennen brauchen 40 bis 70 Prozent weniger Energie als andere Technologien.

Quelle:

Das Interview führte Ines Chucholowius, Geschäftsführerin der Textination GmbH.

Prototyping-Kit für vielfältige E-Textiles © Textile Prototyping Lab
14.09.2021

Art meets Science: Prototyping Lab für textile Elektronik

Wer bei Forschungslaboren nur an Schutzanzüge und Reinräume denkt, hat nicht ganz recht: Seit April sind in dem neuen Textile Prototyping Lab (TPL) im Berliner Fraunhofer IZM auch Schnittmuster, Nähte und Mannequins nichts Ungewöhnliches. Mit dem TPL gibt es nun einen Ort, an dem kreative High-Tech-Textilien entstehen und der sich bereits in der Gestaltung vom Stil üblicher Forschungslabore abgrenzt. Als kollaboratives Projekt mit der Kunsthochschule Berlin Weißensee wird hier textilintegrierte Elektronik für verschiedenste Anwendungsbereiche von Architektur bis Medizin erstellt.

Wer bei Forschungslaboren nur an Schutzanzüge und Reinräume denkt, hat nicht ganz recht: Seit April sind in dem neuen Textile Prototyping Lab (TPL) im Berliner Fraunhofer IZM auch Schnittmuster, Nähte und Mannequins nichts Ungewöhnliches. Mit dem TPL gibt es nun einen Ort, an dem kreative High-Tech-Textilien entstehen und der sich bereits in der Gestaltung vom Stil üblicher Forschungslabore abgrenzt. Als kollaboratives Projekt mit der Kunsthochschule Berlin Weißensee wird hier textilintegrierte Elektronik für verschiedenste Anwendungsbereiche von Architektur bis Medizin erstellt.

Seit der Eröffnung steht das Labor Designer*innen und Produktentwickelnden zur Verfügung, um individuelle Visionen im Bereich E-Textiles prototypisch umzusetzen. Dabei sind die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt: Von Schnittstellen zwischen Textil und Elektronik bis hin zur Erprobung von Prozessketten können Teile oder sogar das gesamte Labor frei genutzt werden. Zusätzlich zur reinen Entwicklungs- und Aufbauarbeit können die Räumlichkeiten mit wenig Aufwand umgebaut und für Workshops oder Ausstellungen umfunktioniert werden.

Malte von Krshiwoblozki, der das Projekt am Fraunhofer IZM wissenschaftlich begleitet, nennt weitere Vorteile: „Nicht nur die modularen Arbeitsplätze und die Meeting-Area sind für gemeinsame Projektarbeiten attraktiv. Besonders der Maschinenpark bietet eine große Bandbreite für Interessierte. Der Arbeitsbereich ‚Nähen und Sticken‘ ist beispielsweise mit mehreren Nähmaschinen sowie einer computergesteuerten Stickmaschine ausgestattet. Er wird somit zum zentralen Punkt für das TPL, da die Textilveredelung mit kleinformatigen Maschinen im Fokus der Arbeiten dieses Labors steht.“ Ein weiterer Arbeitsbereich deckt mit einem Lasercutter und einem Schneideplotter das „Schneiden & Trennen“ ab. Hinzu kommen mehrere Pressen und Laminiergeräte, eine Lötstation sowie ein 3D-Drucker.

Im TPL können sich auch Einsteiger*innen im Bereich der E-Textiles versuchen und ihr Wissen erweitern: Außerordentlich hilfreich ist dabei das am Fraunhofer IZM entwickelte Prototyping-Kit, welches eine Serie von elektronischen Modulen, LEDs und Sensoren beinhaltet, die händisch genauso wie maschinell aufgestickt werden können.

„Für besonders langlebige Elektroniktextilien kann auch der von den Forschenden des Fraunhofer IZM entwickelte und aufgebaute Textilbonder in kooperativen Projekten des Textile Prototyping Lab genutzt werden. Die vielseitigen Module des Prototyping-Kits sind bewusst so ausgelegt, dass eine Integration ins Textil nicht nur mit klassischen textilen Technologien wie dem Sticken während der Prototyping-Phase erfolgen kann, sondern auch für anschließende industriellere Umsetzungen per Textilbonder. Ganz nach dem Motto ,Sharing is Caring‘ und dem Prinzip der Interdisziplinarität stehen wir am Fraunhofer IZM bei der Realisierung der Textilprojekte mit Rat und Tat zur Seite, sodass die Ideen der Kunstschaffenden mit weiteren Technologien angereichert werden können“, sagt Malte von Krshiwoblozki.

Die Zusammenarbeit zwischen der Kunsthochschule Berlin Weißensee und dem Fraunhofer IZM hat schon vor der Eröffnung des Labors Entwicklungen hervorgebracht, die Kunst und Forschung revolutionär verbinden. So entstand beispielsweise in Kooperation mit dem Designer Stefan Diez eine Lichtschiene aus einem weichen und leitfähigen Textilgurt. Für das Bildungs-Projekt Touch Tomorrow der Hans Riegel Stiftung wurde eine interaktive Jacke entwickelt, die über Armbewegungen die Farbe integrierter LEDs steuern kann. Das Team des Textile Prototyping Lab freut sich auf kommende, spannende und agile Umsetzungen und ist offen für Projektideen von Start-ups, KMU sowie Partnern aus der Industrie.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM

(c) Messe Frankfurt Exhibition GmbH / Jens Liebchen
31.08.2021

Textilservice als Schlüssel zu nachhaltigen Lösungen und umweltfreundlichen Verfahren

Wie können die großen Herausforderungen der Nachhaltigkeit in der Textilindustrie bewältigt werden? Dem Textilservice, dessen Geschäftsmodell seit jeher auf Langlebigkeit und Wiederverwendung beruht, kommt hier eine wichtige Rolle als Botschafter zu. Im Vorfeld der Texcare International spricht Elena Lai, Generalsekretärin der European Textile Services Association (ETSA), über diese Herausforderungen und ihre Erwartungen an die Texcare International vom 27. November bis 1. Dezember 2021.

Wie können die großen Herausforderungen der Nachhaltigkeit in der Textilindustrie bewältigt werden? Dem Textilservice, dessen Geschäftsmodell seit jeher auf Langlebigkeit und Wiederverwendung beruht, kommt hier eine wichtige Rolle als Botschafter zu. Im Vorfeld der Texcare International spricht Elena Lai, Generalsekretärin der European Textile Services Association (ETSA), über diese Herausforderungen und ihre Erwartungen an die Texcare International vom 27. November bis 1. Dezember 2021.

Der Textilsektor wurde im Rahmen des europäischen Green Deal und des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft als vorrangiger Sektor eingestuft. Welche Auswirkungen hat das auf die europäische Textilservicebranche?
Elena Lai: Wir befinden uns in einer wahrhaft historischen und spannenden Zeit für den Textilservice. Wir sind uns alle bewusst, dass unsere Branche der Schlüssel zu nachhaltigen Lösungen und umweltfreundlichen Verfahren ist. Wir hatten eine Reihe von Webinaren bei ETSA, die sich mit Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft als Schlüsselelemente des Green Deal befassten. Unsere größeren Unternehmen, wie z. B. industrielle Wäschereien, wichtige Textilhersteller und innovative Maschinenbauer, sind alle dieser Aufgabe gewachsen und bieten effektive Lösungen an. Auch unsere nationalen Verbände, die Mitglieder von ETSA sind, arbeiten synergetisch zusammen, um sich über die besten Wege auszutauschen, in Europa und darüber hinaus, da wir auch Partner aus den USA haben. Diese Bemühungen innerhalb der ETSA-Wertschöpfungskette machen uns wirklich stolz und wir sind bestrebt, die Extrameile zu gehen und unsere Mitglieder auch in den Bereichen zu unterstützen, die uns als die größten Herausforderungen erscheinen. Zum Beispiel das neue EUKlimagesetz, das eine 55-prozentige CO2-Reduzierung bis 2030 fordert: Das bedeutet, dass alle europäischen Industrien mehr tun müssen, damit wir diese Ziele in weniger als neun Jahren erreichen. Wir wissen, dass ETSA das richtige Netzwerk sein könnte, um den besten Weg in dieser Frage zu finden und wirklich das zu leisten, wofür die EU eintritt.

Wie kann der Textilservice zur Verwirklichung der Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie beitragen?
Elena Lai: Das Geschäftsmodell des Textilservice ist von Natur aus kreislauforientiert. Ein Geschäftsmodell, das sich auf die Vermietung und Wiederverwendung von Textilien konzentriert, bietet eine ganze Reihe von Vorteilen für den EU-Aktionsplan der Kreislaufwirtschaft. Erstens verlängern Textilserviceunternehmen durch die Vermietung den Lebenszyklus von Produkten und reduzieren so die Menge der Textilien, die überhaupt erst anfallen. Gleichzeitig verringern sie Abwasser und Energie, die für den Waschprozess benötigt werden. Zweitens bleiben Textilprodukte durch Wiederverwendung und Reparatur länger in den Händen der Verbraucher. Das ist von größter Bedeutung, da unsere Branche gegen die geplante Obsoleszenz kämpft. Beides sind wichtige Pfeiler unserer Industrie, die sowohl den Verbrauchern als auch dem Planeten helfen. Und schließlich können wir durch den weiteren Ausbau von Recycling und Upcycling die Abfallmenge minimieren und sicherstellen, dass ein Produkt so lange wie möglich in der europäischen Wirtschaft bleibt. Dies sind alles wichtige Schritte, mit denen wir unseren Teil dazu beitragen, dass Europa seine Emissions- und Nachhaltigkeitsziele erreichen kann.

Textilrecycling ist ein sehr wichtiger Punkt. Wie kann Ihrer Meinung nach die Textilrecyclingrate erhöht werden?
Elena Lai:
Die Kommission wird die getrennte Abfallsortierung von Textilien bis zum Jahr 2025 vorschreiben. Daher müssen Recycling, Upcycling und Wiederverwendung am Ende des Lebenszyklus verbessert werden. In Kürze wird auch ein Verbot der Verbrennung unbenutzter Textilien in Kraft treten, was Anreize für weiteres Recycling und Abfallreduzierung schaffen wird. Grundsätzlich müssen wir im Bereich des Textilservice weiterhin reduzieren, wiederverwenden und recyceln. Wir können die Recyclingquote erhöhen, indem wir die Verbraucher für Miettextilien und Textildienstleistungen sensibilisieren, und so die öffentliche Nachfrage nach diesen Dienstleistungen steigern.

Wie kann die Nachhaltigkeit im Textilservice weiter verbessert werden?
Elena Lai:
Um die Nachhaltigkeit in unserer Branche zu fördern, müssen wir auf der bestehenden Kultur der Innovation und des Unternehmertums aufbauen, in der spannende, neue und unkonventionelle Ideen entwickelt und verfeinert werden können. EU-Programme wie Horizon Europe, die den Schwerpunkt auf grüne und digitale Lösungen für gemeinsame Probleme legen, sind ein ausgezeichneter Weg. Sie befähigen Bürger, Textildienstleister und lokale Gemeinschaften, die Initiative zu ergreifen und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Die EU-Rechtsvorschriften zur Sorgfaltspflicht sind ein Beispiel dafür, wie sowohl Verbraucher als auch Unternehmen zusammenkommen und proaktiv handeln können, um die Nachhaltigkeit zu verbessern, nicht nur bei Textilien und Textildienstleistungen, sondern in der europäischen Industrie im weiteren Sinne. Um es deutlich zu sagen: Wir müssen sowohl unsere technologische Innovation stärken als auch Verbraucher, lokale Gemeinschaften und Textilserviceunternehmen ermutigen. Wir glauben, dass unsere Arbeit auf EU-Ebene dazu beiträgt, dies zu verwirklichen.

Wie fördert ETSA neue Projekte im Bereich der Nachhaltigkeit?
Elena Lai: Wir von ETSA haben uns bei den politischen Entscheidungsträgern der EU intensiv für eine verantwortungsvolle Gesetzgebung eingesetzt und gleichzeitig die Öffentlichkeit für die Erfolgsmodelle der Branche sensibilisiert. Seit kurzem ist ETSA auch Botschafter des Klimapaktes der EU-Kommission. Dies ist eine tolle Gelegenheit, die es uns ermöglicht, eng mit europäischen Institutionen zusammenzuarbeiten, um unsere Mitglieder, nationale Verbände und die Industrie insgesamt zu informieren und zu echten Klimaschutzmaßnahmen zu inspirieren. ETSA ist eine Plattform, auf der Interessenvertreter, Bürger, Industrie und Vertreter der Europäischen Union zusammenkommen und einen Dialog über die besten Möglichkeiten zur Verbesserung der Nachhaltigkeit Europas führen können. Darüber hinaus haben wir intensiv daran gearbeitet, Informationen über Erfolgskonzepte zu verbreiten, die Europa dabei helfen werden, die CO2-Emissionen um 55 % zu reduzieren. Außerdem informieren wir über Chemikalien, Abwasser, Mikroplastik und andere wichtige Umweltthemen. Unsere Arbeit ist noch lange nicht getan, aber wir freuen uns darauf, mit unserer fokussierten Arbeitsgruppe für Umwelt und unseren Webinaren voranzukommen, um die Welt wieder grün und nachhaltig zu machen.

Welche Rolle wird Nachhaltigkeit und Circular Economy auf der Texcare spielen?
Elena Lai: Mehrere europäische und internationale Staats- und Regierungschefs haben betont, dass der Klimawandel das wichtigste Thema unserer Zeit ist und dass wir jetzt handeln müssen. Der Klimawandel ist auch ein Thema mit globaler Ausstrahlung und daher haben wir alle einen klaren Anreiz, Lösungen zu finden und miteinander zu arbeiten. Wir brauchen einen zukunftsorientierten Dialog, der die dringende Notwendigkeit von Nachhaltigkeit entlang der gesamten textilen Wertschöpfungskette betrachtet. Wir arbeiten mit einem unserer Mitglieder, dem Deutschen Textilreinigungs-Verband, daran, auf der Texcare ein Panel zusammenzustellen, das sich der Nachhaltigkeitsdebatte widmet, mit vielen Mitgliedern und Teilnehmern, die sich engagieren möchten.

Was erwarten die Mitglieder der ETSA von der diesjährigen Texcare?
Elena Lai: Wir von ETSA freuen uns, auf der Texcare zu sein. Wir denken, dass dies eine großartige Gelegenheit ist, nicht nur um sich mit anderen relevanten Akteuren der Branche zu vernetzen, sondern auch um sich über Erfolgsmodelle, Anliegen und vor allem Chancen auszutauschen. Aufgrund der Pandemie hatten wir ein schwieriges Jahr 2021. Der Bedarf an grünen, nachhaltigen und digitalen Lösungen ist jedoch zwingend erforderlich. Wir freuen uns darauf, zu erfahren, wie sich die Branche weltweit nicht nur an die COVID-Situation anpasst, sondern auch, wie sie den grünen und digitalen Wandel in Angriff nimmt. Wir von ETSA freuen uns von ganzem Herzen auf diese Veranstaltung.

Die Texcare International findet vom 27. November – 1. Dezember 2021 in Frankfurt am Main statt.

Foto: pixabay
24.08.2021

Luft, Wasser, Öl: Was PLA-Biokunststoff gut filtern kann - und was nicht

Luftfilter sind im Kampf gegen die Pandemie in aller Munde. Mit Filtermaterial aus Vliesstoff versperren sie virenbehafteten Aerosolen den Weg zurück in Räume. Doch wie können diese Geräte nicht nur die Gesundheit schützen, sondern auch mit möglichst umweltfreundlichem Filtermaterial betrieben werden?

Luftfilter sind im Kampf gegen die Pandemie in aller Munde. Mit Filtermaterial aus Vliesstoff versperren sie virenbehafteten Aerosolen den Weg zurück in Räume. Doch wie können diese Geräte nicht nur die Gesundheit schützen, sondern auch mit möglichst umweltfreundlichem Filtermaterial betrieben werden?

Dafür eignet sich unter klar definierten Bedingungen der Biokunststoff Polylactid (PLA), auch als Polymilchsäure bekannt. Das lässt sich aus Ergebnissen von Forschenden der Zuse-Gemeinschaft im kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojekt „BioFilter“ ableiten. Die Schlüsselfrage für diesen und andere mögliche Anwendungsbereiche der Bio-Filter lautet: Wie wirken sich die besonderen Eigenschaften von PLA auf Filterleistung und Haltbarkeit der Filter aus? Denn gegenüber seinen fossilen Konkurrenten kann PLA in der Praxis Nachteile haben. Das Material neigt zur Sprödigkeit und es mag hohe Temperaturen jenseits von 60 Grad Celsius nicht besonders. Als biogener Stoff ist Polymilchsäure auch potenziell anfälliger für Abnutzung und organische Abbauprozesse. Das kann bei Nutzung von Filtern z.B. in Kläranlagen eine noch größere Rolle spielen als bei Luftfiltern. Industriekunden indes wollen aber naturgemäß ein beständiges, verlässliches Produkt.

Vom Monofilament zum Vliesstoff
Vor diesem Hintergrund untersuchten die Forschenden die PLA-Eigenschaften, um auf dieser Basis Vliesstoffe für Bio-Filter zu erproben. Beteiligt waren das Deutsche Textilforschungszentrum Nord-West (DTNW) und das Sächsische Textilforschungsinstitut (STFI), wo die Vliesstoffe hergestellt wurden. Verwendet wurde Granulat verschiedener marktgängiger Hersteller. Am Anfang der Untersuchungen standen jedoch nicht die Vliesstoffe, in denen die Fasern dicht aneinander in verschiedenen Schichten abgelegt sind, sondern so genannte Monofilamente, also mit Fäden vergleichbare Fasern aus PLA. An diesen Monofilamenten führten das DTNW und das STFI zunächst Tests durch, so z.B. im Klimaschrank auf Alterung und Haltbarkeit.

Wie im Bild zu sehen ist, wurden die Monofilamente bei höheren Temperaturen ab 70 Grad Celsius bereits nach zwei Wochen brüchig, worüber die DTNW-Autorinnen und -Autoren kürzlich im Journal Applied Polymer Materials berichteten. Unter Normbedingungen indes weisen die Monofilamente auch nach fast drei Jahren keine messbar verringerte Stabilität auf und auch die PLA-Vliesstoffe standen, ihren auf fossiler Basis hergestellten Pendants in Punkto Filterleistung in nichts nach. „Der Fokus für die Nutzung von PLA als Filtermaterial wird meiner Ansicht nach auf Anwendungen liegen, bei denen relativ geringe Temperaturen vorliegen, mit denen PLA sehr gut zurechtkommt.“, sagt DTNW-Wissenschaftlerin Christina Schippers.

Neben Temperatur und Luftfeuchtigkeit weitere Faktoren beachten
Für die Forschenden ging es in dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt allerdings nicht nur um die Eignung von Polylactid für Luftfilter, sondern auch um andere Umgebungen, z.B. für das Filtern von Wasser. Zudem ergaben die Untersuchungen, dass es bei der Bewertung der Filtermedien aus biobasierten und bio-abbaubaren Vliesstoffen neben der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit weitere Einflussfaktoren wie mechanische Belastungen durch Luftströme zu beachten gilt. „Der innovative Kern des Projekts bestand darin, die Möglichkeiten und Einsatzgrenzen von PLA-Vliesstoffen als Filtermedien mit ausreichenden mechanischen Eigenschaften und Langzeitstabilität zu bewerten“, sagt Projektleiterin Dr. Larisa Tsarkova. Wie ihre Kollegen vom STFI, so ist das DTNW engagiert im Cluster Bioökonomie der Zuse-Gemeinschaft, in dem die Forschenden der gemeinnützigen Institute unter dem Leitsatz „Forschen mit der Natur“ kooperieren. „Für uns ist die Bioökonomie ein branchenübergreifendes Top-Thema, das zahlreiche Institute der Zuse-Gemeinschaft verbindet und durch Kooperationen wie beim ‚Bio-Filter‘ gelebt wird“, erklärt die künftige STFI-Geschäftsführerin Dr. Heike Illing-Günther.

Kooperation im Cluster Bioökonomie
Mit den erzielten Ergebnissen aus dem Projekt „Bio-Filter“ wollen das DTNW und das STFI nun weiterarbeiten, um künftig Ableitungen für klar beschriebene Einsatzgebiete der PLA-Vliesstoff-Filter treffen zu können. Diese möglichen Einsatzfelder reichen weit über Raumluftfilter und damit über die Pandemie hinaus. So ist die wasserabweisende Eigenschaft von PLA potenziell interessant für Filter in Großküchen zur Wasser-Öl-Filtration oder auch in der Industrie bei Motorenölen.

Die Forschung ist auch deshalb so wichtig, weil PLA in einzelnen verbrauchernahen Segmenten - Stichwort Tragebeutel - schon recht gut eingeführt ist. Traditionell nutzte man Milchsäure zur Haltbarmachung von Lebensmitteln, so bei Sauerkraut. Heute gewinnt man PLA über eine mehrstufige Synthese aus Zucker, der zu Milchsäure fermentiert und diese zu PLA polymerisiert, wie Kunststoffe.de erklärt. PLA gehört zu den bekanntesten Biokunststoffen, ist jedoch aufgrund der starken Nachfrage in den vergangenen Jahren nicht immer gut verfügbar gewesen. Das in den Niederlanden ansässige Unternehmen Total Corbion hat angekündigt, bis 2024 im französischen Grandpuits eine PLA-Anlage mit einer Jahreskapazität von 100.000 t in Betrieb zu nehmen. Es wäre die größte Anlage dieser Art in Europa, bisher ist Asien führend.

Quelle:

Deutsche Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse e.V.

Foto: Pixabay
03.08.2021

Composites Germany legt Ergebnisse der 17. Composites-Markterhebung vor

  • Bewertung der derzeitigen Geschäftslage sehr positiv
  • Zukunftserwartungen optimistisch
  • Erwartungen an Anwendungsindustrien unterschiedlich
  • Wachstumstreiber unverändert

Zum siebzehnten Mal hat Composites Germany aktuelle Kennzahlen zum Markt für faserverstärkte Kunststoffe erhoben. Befragt wurden alle Mitgliedsunternehmen der drei großen Trägerverbände von Composites Germany: AVK (Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e.V.), Leichtbau Baden-Württemberg und VDMA-Arbeitsgemeinschaft Hybride Leichtbau Technologien.

Um die problemlose Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Erhebungen zu gewährleisten, wurden auch in diesem Halbjahr keine Änderungen bei der Befragung durchgeführt. Erhoben wurden erneut überwiegend qualitative Daten in Bezug auf die aktuelle und zukünftige Marktentwicklung.

  • Bewertung der derzeitigen Geschäftslage sehr positiv
  • Zukunftserwartungen optimistisch
  • Erwartungen an Anwendungsindustrien unterschiedlich
  • Wachstumstreiber unverändert

Zum siebzehnten Mal hat Composites Germany aktuelle Kennzahlen zum Markt für faserverstärkte Kunststoffe erhoben. Befragt wurden alle Mitgliedsunternehmen der drei großen Trägerverbände von Composites Germany: AVK (Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e.V.), Leichtbau Baden-Württemberg und VDMA-Arbeitsgemeinschaft Hybride Leichtbau Technologien.

Um die problemlose Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Erhebungen zu gewährleisten, wurden auch in diesem Halbjahr keine Änderungen bei der Befragung durchgeführt. Erhoben wurden erneut überwiegend qualitative Daten in Bezug auf die aktuelle und zukünftige Marktentwicklung.

Bewertung der derzeitigen Geschäftslage sehr positiv
Nachdem die Bewertung der aktuellen Geschäftslage fast zwei Jahre in Folge stetig ab-nehmend war. Zeigte sich bereits in der letzten Befragung eine Trendwende hin zu einer positiveren Sichtweise. In der aktuellen Befragung setzt sich der positive Trend weiter fort. Für alle drei angegebene Regionen (Deutschland, Europa & Weltweit) zeigen sich durchweg positive Einschätzungen. So beurteilen fast 80 % der Befragten die aktuelle generelle Geschäftslage als positiv oder sogar sehr positiv.

Aber nicht nur die Bewertung der generellen Geschäftslage hellt sich im Gegensatz zur letzten Befragung deutlich auf, auch die eigene Geschäftslage wird nochmals optimistischer eingeschätzt.
Im industriellen Umfeld existieren derzeit zahlreiche Herausforderungen. Die Corona-Pandemie beispielsweise ist vielfach nur abgeflaut, aber nicht verschwunden.       

Geschäftsmodelle mussten und müssen auch weiterhin angepasst werden. Logistikketten wurden teilweise erheblich gestört und auch heute noch zeigen sich eklatante Engpässe. Die Verstopfung des Suezkanals durch die „Ever Given“ hat die Empfindlichkeit internationaler Handelsströme nochmals verdeutlicht.

Rohstoffmangel, starke ansteigende Preise vieler Rohstoffe und zuletzt der Chipmangel wirken sich stark auf verschiedene Anwendungsindustrien aus. Trotzdem zeigt sich in der Composites-Industrie ein äußerst optimistisches Bild. Entsprechend positive Werte wurden zuletzt bei den Befragungen Herbst 2018 bzw. Frühjahr 2019 erreicht.

Zukunftserwartungen optimistisch
Gestützt wird die positive Grundstimmung zusätzlich von positiven Erwartungen auch an die Zukunft. Befragt hinsichtlich ihrer Erwartungen an die zukünftige Geschäftsentwicklung zeigte sich ebenfalls ein fast durchweg optimistisches Bild. Über 80 % der Befragten gehen von einer Verbesserung der Geschäftslage in Europa im nächsten halben Jahr aus. Auch für die andern Regionen zeigt sich ein ähnliches Bild.

Erwartungen an Anwendungsindustrien unterschiedlich  
Die Erwartungen an ausgewählte Anwendungsbereiche zeigen sich äußerst unterschiedlich. Größere Rückgänge werden, wie auch bei der letzten Befragung, vor allem für die Bereiche Automobil, Luftfahrt und Windenergie erwartet. Es lässt sich aber feststellen, dass der Anteil derjenigen, die eine eher pessimistische Einschätzung haben, nochmals deutlich zurückgeht.
Gingen beispielsweise bei der letzten Erhebung 46 % der Befragten von einer Verschlechterung der Situation im Luftfahrtbereich aus, so sinkt dieser Wert auf „nur noch“ 17 %. Für den Bereich Automobil sinkt der Wert von 17 % (2. Hj 2020) auf nunmehr 14 %.

Vor allem die beiden Bereiche Infrastruktur-/Bau und Sport/Freizeit zeigen sich schon über einen längeren Zeitraum als die Anwendungsfelder, von denen viele Befragten wesentliche Wachstumsimpulse für die Composites-Industrie erwarten. Auch in Zeiten eines eher schwierigen industriellen Umfeldes zeigen sich speziell auch diese beiden Bereiche derzeit als sehr stabil.

Insbesondere der Bau- & Infrastruktur- sowie der Transportbereich sind die zentralen Anwendungsfelder für Composites-Bauteile. Der Transportbereich reagiert dabei deutlich schneller und oftmals intensiver als der Baubereich auf externe Einflüsse und Störungen. Dafür zeigt sich innerhalb dieses Segmentes aber auch eine meist deutlich ausgeprägtere Innovationsbereitschaft und Entwicklungsgeschwindigkeit.

GFK bleibt Wachstumstreiber
Erneut bleiben auch in der aktuellen Markterhebung Deutschland, Europa und Asien die Weltregionen, aus der die wesentlichen Wachstumsimpulse für das Composites-Segment erwartet werden. Die Erwartungen an Asien gehen dabei leicht zu Gunsten von Europa zurück. Werkstoffseitig setzt sich der Paradigmenwechsel weiter fort.     

CFK (Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff) verliert in den Augen der Befragten weiterhin an Einfluss im Hinblick auf seine Rolle als Wachstumstreiber. GFK (Glasfaserverstärkter Kunststoff) wird nun zum dritten Mal in Folge als wichtigster Werkstoff genannt. Der Bereich übergreifend gewinnt stark an Nennungen dazu.

Composites sind nach wie vor relativ junge Werkstoffe, die ein hohes Potenzial aufweisen. Es bleibt spannend zu sehen, inwieweit sich Composites weiterhin als Werkstoffalternative etablieren können und ob sie von den zentralen, anstehenden Änderungen (z. B. alternative Antriebe, steigender Wunsch nach Nachhaltigkeit, alternative Energiegewinnung, 5G uvm.) profitieren können.
Die nächste Composites-Markterhebung erscheint im Januar 2022.   

(c) Messe Frankfurt GmbH
13.07.2021

Messe Frankfurt strebt 500 Millionen Euro Umsatz in 2022 an

Die Messe Frankfurt ist für einen Restart gerüstet. „Wenn sich die Pandemielage immer weiter verbessert, sind wir zuversichtlich, dass wir in 2022 wieder in allen Bereichen voll durchstarten können. Wir streben einen Umsatz über 500 Millionen Euro an“, sagte Wolfgang Marzin, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Frankfurt, auf der Unternehmenspressekonferenz Ende Juni 2021.

„Unsere Messen, Kongresse und Events sind zentrale Elemente im internationalen Wirtschaftsgefüge und speziell in Frankfurt und der Region wesentliche ökonomische Lebensadern“, hob der Aufsichtsratsvorsitzende der Messe Frankfurt, Oberbürgermeister Peter Feldmann, hervor. „Ich bin fest davon überzeugt, dass es der Messe Frankfurt nach dem Abklingen der Pandemie gelingen wird, an der Spitze der internationalen Messewirtschaft mitzuspielen.“

Die Messe Frankfurt ist für einen Restart gerüstet. „Wenn sich die Pandemielage immer weiter verbessert, sind wir zuversichtlich, dass wir in 2022 wieder in allen Bereichen voll durchstarten können. Wir streben einen Umsatz über 500 Millionen Euro an“, sagte Wolfgang Marzin, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Frankfurt, auf der Unternehmenspressekonferenz Ende Juni 2021.

„Unsere Messen, Kongresse und Events sind zentrale Elemente im internationalen Wirtschaftsgefüge und speziell in Frankfurt und der Region wesentliche ökonomische Lebensadern“, hob der Aufsichtsratsvorsitzende der Messe Frankfurt, Oberbürgermeister Peter Feldmann, hervor. „Ich bin fest davon überzeugt, dass es der Messe Frankfurt nach dem Abklingen der Pandemie gelingen wird, an der Spitze der internationalen Messewirtschaft mitzuspielen.“

Vorausgesetzt, die Pandemielage und die behördlichen Vorgaben lassen es zu, sollen in der zweiten Jahreshälfte auch am Heimatstandort wieder Veranstaltungen organisiert werden. Seit Beginn der Pandemie im März 2020 war es so gut wie nicht möglich, in Deutschland Umsatz zu generieren. Außerhalb Deutschlands konnte die Messe Frankfurt Veranstaltungen nur bedingt realisieren, wie in China. Das jahrzehntelange Wachstum der Unternehmensgruppe wurde damit abrupt ausgebremst. Seitdem steuert die Messe Frankfurt den Konzern liquiditätsorientiert mit einem flexiblen, aber straffen Kostenplan. Betriebsbedingte Kündigungen sind auch weiterhin nicht vorgesehen.

„Trotz strenger Einsparungen dürfen wir Dank des Rückhalts unserer Gesellschafter, der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen, auch in Zeiten wie diesen Chancen ergreifen und antizyklisch investieren. Die finanzielle Absicherung der Messe Frankfurt ist mittels Fremdkapitalaufnahme und mit einem Gesellschafterdarlehen für das laufende Geschäftsjahr und bis weit in das Jahr 2022 gegeben“, sagte Marzin.

Nach Vorlage des finalen Finanzberichts für das Geschäftsjahr 2020 beträgt der Konzernumsatz rund 257 Millionen Euro (2019: rd. 736 Mio. Euro). Mit einem Konzernjahresfehlbetrag in Höhe von rund 122 Millionen Euro ist das Ergebnis weit entfernt von den Konzernjahresüberschüssen der Vorjahre (2019: rd. 50 Mio. Euro). Auch das laufende Geschäftsjahr werde noch zu einem wirtschaftlichen Rückgang bei allen finanziellen Leistungsindikatoren führen.

Trotz erschwerter Bedingungen fanden im abgelaufenen Geschäftsjahr 153 Veranstaltungen statt, darunter 46 Messen und Ausstellungen (2019: 155) mit mehr als 33.000 (2019: 99.246) ausstellenden Unternehmen und 1,2 Millionen Besucher*innen.

„Die zwangsweise vollständige Verlagerung von Veranstaltungen in den digitalen Raum hat die Wichtigkeit von physischen Begegnungen in ihrer Funktion für den Geschäftserfolg verdeutlicht“, resümierte Marzin. Und Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt, ergänzt: „Der digitale Alltag, der Austausch auf Distanz, der uns seit über einem Jahr begleitet, hat bei vielen zu einer gewissen digital Fatigue geführt. In der Gesamtbetrachtung unserer Veranstaltungen werden hybride Events weiterhin einen wichtigen Part spielen und zu einem Mehrwert für die Branchen beitragen.“ Prognosen, wohin der Bedarf an digitalen und hybriden Formaten tatsächlich gehe, seien heute nicht valide zu treffen. „Sie werden eher evolutionärer, aber dauerhafter Natur sein, mit Sprüngen bei der Integration sinnvoller digitaler Elemente. Aspekte von Nachhaltigkeit, wachsendes Umweltbewusstsein und die Erfahrungen im digitalen Austausch werden – wie übrigens bereits in den Jahren vor Corona – zu veränderten Verhaltensweisen führen“, ist Marzin überzeugt.

Für das dritte und vierte Quartal des laufenden Geschäftsjahres plant die Messe Frankfurt Veranstaltungen als digitale, hybride sowie haptische Formate. So fand die Premierenveranstaltung der Frankfurt Fashion Week unter dem Label Frankfurt Fashion Week (FFW) Studio digital statt. „Gemeinsam mit allen Beteiligten mussten wir uns im April für eine rein digitale Veranstaltung entscheiden. Mit einem erwarteten Internationalitätsgrad von 80 Prozent wäre eine physische Veranstaltung aufgrund der weiter volatilen Pandemielage nicht machbar gewesen“, betonte Braun. Die Automechanika Frankfurt Digital Plus wird im September nach dem Prinzip „Plug & Play“ an den Start gehen. „Wir haben ein hybrides Konzept entwickelt, das eine komprimierte physische Ausstellung beinhaltet und gleichzeitig allen Teilnehmern ermöglicht, sich international digital zu präsentieren und zu vernetzen“, erläuterte Braun das Konzept. 2022 soll die Automechanika wieder ihren ursprünglichen Turnus in den geraden Jahren aufnehmen. Erstmals wird die Hypermotion parallel zur Automechanika stattfinden. Mit der Nordstil im Juli in Hamburg geht die erste Präsenzveranstaltung der Messe Frankfurt in Deutschland an den Start.

In Frankfurt setzen für das zweite Halbjahr rund 70 geplante Gastveranstaltungen ebenfalls wichtige Impulse für einen Aufbruch am Heimatstandort, darunter Messen wie beispielsweise Franchise Expo, White Label World Expo, Frankfurter Buchmesse und Food Ingredients & Health Ingredients Europe. „Wir freuen uns über die Vertragsverlängerung mit der DECHEMA“, so Uwe Behm, Geschäftsführer der Messe Frankfurt. Bis mindestens 2027 wird das Frankfurter Messegelände Austragungsort der ACHEMA, Weltforum und Internationale Leitmesse der Prozessindustrie, bleiben. „Die ACHEMA ist ein Beispiel für die Zukunft hochwertiger internationaler Veranstaltungen und die persönliche Begegnung und setzt ein wichtiges Signal für unseren Standort“, betonte Behm.

„Auch in herausfordernden Zeiten investiert die Messe Frankfurt in ihre Zukunft und in den Ausbau ihres Portfolios. Seit 2020 sind weltweit 23 Veranstaltungen neu hinzugekommen. Dazu zählt beispielsweise im laufenden Geschäftsjahr die Cross Border E-Commerce Fair in Shenzhen, die erste ihrer Art in China. Stärker engagieren wird sich die Unternehmensgruppe zudem in Tianjin, in Nordchina. Die Stadt liegt im Zentrum der Circum-Bohai Sea Economic Zone, ist von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung mit der Greater Bay Area und dem Yangtze River Delta vergleichbar und soll ein neuer globaler Messestandort werden“, berichtete Oberbürgermeister Feldmann abschließend.

Foto: Pixabay
29.06.2021

Nachhaltige Kreislaufwirtschaft: Polypropylen-Recycling aus Teppichabfällen

Teppichabfälle bestehen zu einem erheblichen Teil aus erdölbasiertem Polypropylen. Bislang sind sie jedoch nicht recycelbar; sie werden daher verbrannt oder deponiert. Über ein neuartiges Lösungsmittel lässt sich das Polypropylen aus Teppichabfällen in Primärqualität zurückzugewinnen – ohne merkliche Qualitätseinbußen. Auch in punkto Kosten ist das Verfahren des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP und seiner Partner durchaus konkurrenzfähig. Entwickelt wurde es im EU-Projekt »ISOPREP«.

Etwa 1,6 Millionen Tonnen Teppichabfälle fallen pro Jahr an – allein in der EU. Der Großteil davon wird deponiert oder verbrannt, denn Teppiche gehören zu den Verbundwerkstoffen, bei denen man mit einem rein mechanischen Recycling kaum weiterkommt. Doch damit gehen viele Ressourcen verloren, schließlich bestehen Teppichabfälle, die im Projekt ISOPREP behandelt werden, etwa zu einem Viertel aus dem erdölbasierten Kunststoff Polypropylen.

Teppichabfälle bestehen zu einem erheblichen Teil aus erdölbasiertem Polypropylen. Bislang sind sie jedoch nicht recycelbar; sie werden daher verbrannt oder deponiert. Über ein neuartiges Lösungsmittel lässt sich das Polypropylen aus Teppichabfällen in Primärqualität zurückzugewinnen – ohne merkliche Qualitätseinbußen. Auch in punkto Kosten ist das Verfahren des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP und seiner Partner durchaus konkurrenzfähig. Entwickelt wurde es im EU-Projekt »ISOPREP«.

Etwa 1,6 Millionen Tonnen Teppichabfälle fallen pro Jahr an – allein in der EU. Der Großteil davon wird deponiert oder verbrannt, denn Teppiche gehören zu den Verbundwerkstoffen, bei denen man mit einem rein mechanischen Recycling kaum weiterkommt. Doch damit gehen viele Ressourcen verloren, schließlich bestehen Teppichabfälle, die im Projekt ISOPREP behandelt werden, etwa zu einem Viertel aus dem erdölbasierten Kunststoff Polypropylen.

Teppich-Recycling: Neuartiges Verfahren macht´s möglich
Ein Forscherteam, dem auch das Fraunhofer IBP angehört, hat im EU-Projekt »ISOPREP« (siehe auch Logo) ein neuartiges Recycling-Verfahren entwickelt. »Mit diesem lässt sich erstmals Polypropylen aus Teppichabfällen zurückgewinnen – und zwar in Primärqualität«, sagt Maike Illner, Wissenschaftlerin am Fraunhofer IBP. Das wiedergewonnene Polypropylen kann also nicht nur für minderwertigere Produkte verwendet werden – man spricht dabei von »Down-Cycling« – sondern kommt mit seiner Qualität an die von neu hergestelltem Polypropylen heran. Es eignet sich somit auch für hochwertige Produkte.

Basis für das Verfahren ist ein besonderes Lösungsmittel, genauer gesagt ein ionisches Liquid. Besteht dieses aus den passenden Komponenten, löst es selektiv das Polypropylen aus den Teppichfasern heraus. Bevor das Expertenteam den Teppichabfällen mit dem Lösungsmittel zu Leibe rückt, werden diese gereinigt – dabei wird unter anderem möglichst viel des Teppichrückens abgetrennt– und zerkleinert. Die vorbehandelten Teppichabfälle kommen in einen Reaktor, in dem sie mit dem Lösungsmittel behandelt werden: Das Polypropylen wird selektiv im Lösungsmittel gelöst, was für eine effektive Abtrennung von Farbstoffen und anderen Additiven sorgt. Im größeren Labormaßstab mit mehreren Litern funktioniert das Verfahren bereits. Nun arbeitet das Konsortium daran, den Prozess auf eine Pilotanlage zu übertragen: Eine Tonne Teppichabfälle soll diese pro Tag recyclen können. Zum Projektende im März 2022 soll die Pilotanlage in Betrieb sein.

Kosten und Umweltwirkung
Doch ein Recyclingverfahren kommt nur dann zum großtechnischen Einsatz, wenn es kostenmäßig konkurrenzfähig ist. Das heißt in diesem Fall: Das recht teure ionische Liquid muss möglichst vollständig im Kreislauf geführt werden. »Liegen die Verlustraten bei einem Prozent oder darunter, hat der Prozess das Potenzial, hinsichtlich der Kosten mit der Neuherstellung von Polypropylen zu konkurrieren«, fasst Illner zusammen. »Das zeigt eine vorläufige ökonomische Analyse, die wir am Fraunhofer IBP durchgeführt haben.« Dazu untersuchten die Fraunhofer-Forscherinnen und -Forscher, welche Mengen an Material und Energie für den Prozess benötigt werden sowie was als Produkt wieder herauskommt, und errechneten die entsprechenden Kosten. Sie berücksichtigten in der ökonomischen Analyse zudem, wie sich die Kosten langfristig entwickeln könnten.

Die Ökologie des Teppich-Recyclings steht am Fraunhofer IBP im Fokus. Aufschluss gibt unter anderem die Lebenszyklusbetrachtung: Welche Emissionen beispielsweise entstehen beim Recyclingprozess? Auch hier gilt: Erreicht das Konsortium sein Ziel, die Verlustraten des Lösungsmittels auf ein Prozent und weniger zu senken, sind Primärenergiebedarf und Treibhausgasemissionen in einer ähnlichen Größenordnung wie die der Neuherstellung.

Auf andere Polypropylen-Abfallströme übertragbar
Zwar stehen Teppichabfälle im Blickpunkt des Projekts. Doch das entwickelte Verfahren kann deutlich mehr: Die Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass es sich auf eine Vielzahl an Abfallströmen übertragen lässt, die Polypropylen enthalten und für das konventionelle Recycling ungeeignet sind. »Ein Beispiel sind Polypropylen-Produkte, die Farbstoffe und Additive enthalten«, konkretisiert Illner. »Bislang ist es schwierig, diese aus dem Kunststoff herauszulösen, so dass sich das recycelte Polypropylen nur für einen minderwertigeren Einsatz verwenden lässt.« Mit dem neuen Verfahren lässt sich das Polypropylen nicht nur von anderen Materialien, sondern auch von zugesetzten Farbstoffen und Additiven trennen und steht somit einer hochwertigen Anwendung zur Verfügung.

Dieses Projekt wird mit Mitteln aus dem Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union unter Grant Agreement Nr. 820787 gefördert.

Foto: Pixabay
15.06.2021

Bundeskabinett verabschiedet Entwurf zum deutschen Lieferkettengesetz

Am 3. März 2021 beschlossen, tritt es ab 01.01.2023 in Kraft – das Lieferkettengesetz für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden. Der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten – das Lieferkettengesetz – soll noch vor der Sommerpause vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden.

Mit dem Brand einer Textilfabrik in Pakistan 2013, bei dem 250 Brandopfer zu beklagen waren, bekam das Thema des Lieferkettenmanagements und der Nachhaltigen Beschaffung eine große Öffentlichkeit und wurde auf verschiedenen Ebenen auf die politische Agenda gesetzt: Unternehmen können zwar ihre Produktion ins Ausland verlagern – nicht aber ihre Verantwortung.

Am 3. März 2021 beschlossen, tritt es ab 01.01.2023 in Kraft – das Lieferkettengesetz für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden. Der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten – das Lieferkettengesetz – soll noch vor der Sommerpause vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden.

Mit dem Brand einer Textilfabrik in Pakistan 2013, bei dem 250 Brandopfer zu beklagen waren, bekam das Thema des Lieferkettenmanagements und der Nachhaltigen Beschaffung eine große Öffentlichkeit und wurde auf verschiedenen Ebenen auf die politische Agenda gesetzt: Unternehmen können zwar ihre Produktion ins Ausland verlagern – nicht aber ihre Verantwortung.

In den letzten Jahren wurden weltweit einige Schritte unternommen, um die Situation in den globalen Wertschöpfungsketten zu verbessern. Es geht insbesondere um das Einhalten von Menschenrechten, Soziale Belange und den Umweltschutz. Die Bilanz ist jedoch ernüchternd: Nach Angaben des BMZ verrichten aktuell 25 Mio. Menschen Zwangsarbeit, 75 Mio. Jungen und Mädchen weltweit sind von ausbeuterischer Kinderarbeit betroffen.

Doch wo fängt Verantwortung an, und wo endet diese? Der vor kurzem verabschiedete Gesetzentwurf über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten ist ein Kompromissbeschluss der beteiligten Ministerien für Entwicklung, Arbeit und Wirtschaft.

Experten der akkreditierten Berliner Zertifizierungsorganisation GUT Certifizierungsgesellschaft für Managementsysteme mbH haben Kernaussagen und Einschätzungen zusammengestellt:

Auf welche Menschenrechte beziehen sich die Sorgfaltspflichten?

  • Unversehrtheit von Leben und Gesundheit
  • Freiheit von Sklaverei und Zwangsarbeit
  • Schutz von Kindern und Freiheit von Kinderarbeit
  • Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen
  • Schutz vor Folter
  • Gerechte Arbeitsbedingungen (Arbeitsschutz, Pausen)
  • Umweltbezogene Pflichten zum Schutz der menschlichen Gesundheit

Kreis der betroffenen in Deutschland ansässigen Unternehmen und Fristen:

  • Ab 2023: Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden (über 600 Unternehmen in Deutschland)
  • Ab 2024: Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden (2.900 Unternehmen).

Pflichten in der Wertschöpfungskette
Die Verantwortung erstreckt sich neben dem eigenen Geschäftsbereich der betroffenen Unternehmen zunächst nur auf deren direkte Zulieferer und Dienstleister. Im Rahmen eines Risikomanagements sollen dabei nachteilige Auswirkungen auf die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten ermittelt und in entsprechenden Risikoberichten dokumentiert werden.

Solange keine konkreten Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen vorliegen, liegt das Kontrollieren der mittelbaren Zulieferer nicht in der Verantwortung der betroffenen Unternehmen.

Die Überprüfung der Dokumente soll durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erfolgen. Bei Verstößen gegen das Gesetz drohen den Unternehmen zunächst Sanktionen in Form von Bußgeldern, bei schwerwiegenden Verstößen jedoch auch der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge.

Alles in allem sieht das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ jedoch weder eine Erfolgspflicht noch eine Garantiehaftung vor, sondern fordert von den betroffenen Unternehmen in erster Linie Maßnahmen im Rahmen einer „Bemühungspflicht“ ein.

Eine zivilrechtliche Haftung für etwaige Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette sieht das Gesetz nicht vor. Jedoch sollen ausländische Beschäftigte bei Verstößen gegen Menschen- und Arbeitsrechte die Möglichkeit bekommen, sich von Gewerkschaften und vor deutschen Gerichten vertreten zu lassen.

Was muss ein Unternehmen im eigenen Geschäftsbereich und beim unmittelbaren Zulieferer tun?
Unternehmen müssen folgende Maßnahmen umsetzen:

  • Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte verabschieden
  • Risikoanalyse: Verfahren zur Ermittlung nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte ein- und durchführen
  • Risikomanagement (inkl. Abhilfemaßnahmen), um potenziell negative Auswirkungen auf die Menschenrechte abzuwenden
  • Beschwerdemechanismus einrichten
  • Transparent und öffentlich Bericht erstatten
  • Im Fall einer Verletzung müssen im eigenen Geschäftsbereich unverzüglich Abhilfemaßnahmen ergriffen werden, die zwingend zur Beendigung der Verletzung führen. Zudem müssen weitere Präventionsmaßnahmen eingeleitet werden
  • Wenn die Verletzung beim unmittelbaren Zulieferer nicht in absehbarer Zeit beendet werden kann, muss ein konkreter Plan zur Minimierung und Vermeidung erstellt werden. Es sind hierfür geeignete Maßnahmen zu treffen, von einer Lieferantenentwicklung in einem festgelegten Zeitrahmen bis hin zum Einstellen der Geschäftsbeziehungen.

Was muss ein Unternehmen beim mittelbaren Zulieferer tun?
Hier gelten die Sorgfaltspflichten nur anlassbezogen. Erlangt das Unternehmen Kenntnis von einem möglichen Verstoß bei einem mittelbaren Zulieferer, so hat es unverzüglich:

  • eine Risikoanalyse durchzuführen
  • ein Konzept zur Minimierung und Vermeidung umzusetzen
  • angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber dem Verursacher zu verankern

Ist das ein Durchbruch? Kaum.
Mit dem Ziel, die menschenrechtliche Lage entlang der Lieferkette deutscher Unternehmen zu verbessern und damit die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte umzusetzen, verabschiedete die Bundesregierung bereits im Jahr 2016 den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Dieser forderte Unternehmen dazu auf, ihre Geschäftstätigkeiten und -beziehungen im Hinblick auf menschenrechtliche Risiken zu überprüfen und notwendige Maßnahmen umzusetzen – auf freiwilliger Basis.

Die Bilanz der Bundesregierung fiel jedoch ernüchternd aus. So ergab das von 2018 bis 2020 durchgeführte Monitoring des Umsetzungsstandes der Forderungen des NAPs, dass bisher weniger als 20% der befragten deutschen Unternehmen freiwillig ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachgekommen sind.

Nun werden die ethischen Pflichten zumindest für die großen Unternehmen in Deutschland Teil der Compliance. Der Großteil der betroffenen „Riesen“ ist mit der Pflicht bereits im Rahmen der EU-Konfliktmineralienverordnung und/oder der EU-CSR-Richtlinie vertraut: Die unternehmerische Verantwortung in der Lieferkette ist ein obligatorischer Teil der nicht-finanziellen Berichterstattung. Die Wesentlichkeitsbetrachtung wird dabei jedoch durch Schadensgrößen und nicht die Aktualität des Problems in der Lieferkette definiert.

Was ändert das neue Gesetz? Beim verabschiedeten Gesetz bleibt erstmal alles beim Alten: Das tiefere Betrachten und das Entwickeln der eigenen Lieferkette ist immer noch keine Pflicht.

Status Quo
Aus der Erfahrung beim Validieren von Nachhaltigkeitsberichten sehen GUTcert-Auditoren, dass sich viele deutsche Unternehmen verschiedener Größen auf Grundlage der eigenen unternehmerischen Nachhaltigkeit und den ethischen Pflichten bereits mit den Nachhaltigkeitsbelangen in der Lieferkette beschäftigen:

Die Einführung eines Code of Conduct als Verhaltenskodex für die Geschäftspartner gehört bereits zum Alltag in vielen Betrieben. Bei der erstmaligen Listung und Verlängerung der Verträge müssen die unmittelbaren Lieferanten und Dienstleister gewisse Pflichten übernehmen und in die eigene Wertschöpfungskette weitertragen.

Auch eine im Gesetz geforderte Dokumentation der Risikoanalyse und deren Ergebnisse ist kein Novum mehr. Spätestens im Rahmen der konventionellen wirtschaftlichen Belange sind die Risiken in Lieferketten nicht mehr wegzudenken. Die Pandemie hatte angesichts vielerorts unterbrochener Lieferketten dieses Thema noch stärker in den Fokus gerückt. Viele Unternehmen haben bereits die rein wirtschaftlichen Risiken um nachhaltigkeitsrelevante Themen, also um Umwelt- und soziale Belange, Menschenrechtsklauseln und Antikorruptionsregeln erweitert.

Was jedoch oft fehlt, ist eine wirksame Kontrolle über die jeweilige Leistung der Geschäftspartner. Die Selbstauskunft ist das gängige Instrument bei der Nachweisführung der Nachhaltigkeit in der Lieferkette. Vor-Ort Kontrollen sind mit hohen Kosten und oft mit der Unwissenheit über das mögliche Instrumentarium eines Nachhaltigkeitsmanagements verbunden. Einige Risiken bleiben daher oft „blind spots“.

Was tun?
Eine über die Länder, Branchen und Produkte bezogene Matrix von eigenen unternehmerischen Nachhaltigkeitsrisiken der Wertschöpfungskette ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Mit und ohne Gesetz: Wichtig ist, die eigene Lieferkette ernsthaft zu betrachten und die Grenzen so zu legen, dass an bestehenden Risiken der Verletzung tatsächlich gearbeitet werden kann – Schritt für Schritt. So kann jedes Unternehmen die wesentlichen Risiken und Chancen mit überschaubarem Aufwand herausarbeiten. Hilfe bieten einige international anerkannte Quellen, die als Grundlage zur Risikobetrachtung dienen können.

Aus den wesentlichen Risiken und Chancen sollten Ziele und Maßnahmen abgeleitet werden. Diese können von eigenen Kontrollen über die Verbandsarbeit in der eigenen Branche bis hin zur Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, Plattformen und Zertifizierungen reichen. Es gibt viele Optionen, wenn danach gesucht wird.

Quelle:

GUT Certifizierungsgesellschaft für Managementsysteme mbH

(c) Fraunhofer IAP
08.06.2021

Fraunhofer IAP: Recyclingfähiger, faserverstärkter Werkstoff aus biobasierter Polymilchsäure

»Verpackungen aus biobasierten Kunststoffen haben sich längst etabliert. Wir unterstützen jetzt die Weiterentwicklung dieser Materialien für neue Einsatzbereiche. Wenn der Markt künftig pflanzlich basierte Werkstoffe auch für technisch anspruchsvolle Aufgaben wie etwa den Fahrzeugbau anbietet, kommt die Bioökonomie einen entscheidenden Schritt voran,« erklärte Uwe Feiler, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, in Potsdam. Anlass war die Übergabe eines Zuwendungsbescheides an das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP. Das Fraunhofer IAP will ein Verbundmaterial entwickeln, das vollständig aus biobasierter Polymilchsäure (PLA) besteht und sich im Vergleich zu herkömmlichen Faserverbundwerkstoffen deutlich besser recyceln lässt.

»Verpackungen aus biobasierten Kunststoffen haben sich längst etabliert. Wir unterstützen jetzt die Weiterentwicklung dieser Materialien für neue Einsatzbereiche. Wenn der Markt künftig pflanzlich basierte Werkstoffe auch für technisch anspruchsvolle Aufgaben wie etwa den Fahrzeugbau anbietet, kommt die Bioökonomie einen entscheidenden Schritt voran,« erklärte Uwe Feiler, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, in Potsdam. Anlass war die Übergabe eines Zuwendungsbescheides an das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP. Das Fraunhofer IAP will ein Verbundmaterial entwickeln, das vollständig aus biobasierter Polymilchsäure (PLA) besteht und sich im Vergleich zu herkömmlichen Faserverbundwerkstoffen deutlich besser recyceln lässt.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert die Entwicklung von Biowerkstoffen im Rahmen des Förderprogramms Nachwachsende Rohstoffe intensiv. Aktuell laufen über 100 Vorhaben, die eine große Bandbreite an Themen abdecken: vom im Meer abbaubaren Kunststoff bis zu naturfaserverstärkten Leichtbauteilen für den Automobilsektor. Die Vorhaben werden von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, dem für das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe zuständigen Projektträger des BMEL, betreut.

Einfacheres Recycling von Faserverbundkunststoffen
PLA gehört zu den besonders vielversprechenden biobasierten Werkstoffen. Der weltweite Markt für dieses Polymer wächst jährlich um rund 10 Prozent. PLA kommt u. a. auch als Matrix in faserverstärkten Kunststoffen zum Einsatz. Bei diesen mechanisch belastbaren Kunststoffen sind Verstärkungsfasern in eine Kunststoffmatrix eingebettet.

Im Projekt des Fraunhofer IAP stehen nun diese Verstärkungsfasern im Fokus: »Wir entwickeln unsere PLA-Fasern weiter, um diese gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft in den Industriemaßstab zu überführen. Diese Fasern eignen sich hervorragend zur Verstärkung von PLA-Kunststoffen. Der so entstehende, sich selbst verstärkende Einkomponenten-Verbundwerkstoff verspricht große Vorteile beim Recycling. Da die Faser und die Matrix aus PLA chemisch identisch sind, sind aufwändige Trennschritte nicht nötig«, erklärt Dr. André Lehmann, Experte für Fasertechnologie am Fraunhofer IAP.

Neuartige PLA-Fasern und -Folien sind thermisch stabiler
Bislang stand diesem Ansatz die relativ geringe Temperaturbeständigkeit von herkömmlichem PLA im Wege. Technische Fasern lassen sich am wirtschaftlichsten im Schmelzspinnverfahren herstellen. Das Team des Fraunhofer IAP verwendet nun thermisch stabilere Stereokomplex-PLA (sc-PLA) für die Fasern. Der Begriff Stereokomplex bezeichnet dabei eine spezielle Kristallstruktur, die die PLA-Moleküle bilden können. Sc-PLA-Fasern besitzen einen um 40 – 50 °C höheren Schmelzpunkt und überstehen damit den Einarbeitungsprozess in eine Matrix aus herkömmlichem PLA. Im Projekt entwickeln und optimieren die Forscherinnen und Forscher einen Schmelzspinnprozess für sc-PLA-Filamentgarne. Partner in diesem Arbeitspaket ist die Trevira GmbH, Hersteller technischer und textiler Faser- und Filamentgarnspezialitäten, die u. a. von Automobilzulieferern und Objektausstattern nachgefragt werden. Als zweites ist die Entwicklung eines Herstellungsverfahrens für sc-PLA-verstärkte Flachfolien geplant. An dieser Aufgabe beteiligt sich der internationale Klebeband-Hersteller tesa SE, der die Eignung der sc-PLA-Folien als Klebefolie prüfen wird. In einem dritten Arbeitspaket wird das Fraunhofer IAP die Filamente schließlich im Doppelpultrusionsverfahren zu einem Granulat verarbeiten, das sich zum Spritzguss eignet.

Biobasierte Lösungen für Automobil- und Textilindustrie
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. André Lehmann sind sicher, dass der selbstverstärkte PLA-Werkstoff viele neue Anwendungsgebiete erobern kann. Schon heute signalisieren die Automobil- und die Textilindustrie Interesse an biobasierten Materialien, die sich zudem auch besser recyceln lassen. Preislich wäre PLA hier schon jetzt wettbewerbsfähig, nun soll das Material auch technisch fit für die neuen Aufgaben gemacht werden.

Professor Alexander Böker, Leiter des Fraunhofer IAP, sagt: »Die stetig wachsende Nachfrage der Industrie nach nachhaltigen Lösungen unterstreicht, wie wichtig die Entwicklung biobasierter und zugleich hoch leistungsfähiger Materialien ist. Mit unserer Forschung treiben wir zudem den Aufbau einer nachhaltigen und funktionierenden Kreislaufwirtschaft aktiv voran und begrüßen die Unterstützung durch den Bund daher sehr.«

Informationen zum Vorhaben stehen auf fnr.de unter dem Förderkennzeichen 2220NR297X zur Verfügung.

Volker Nienstedt, Coco Ruch, Frithjof Rödel (c) Marcel Krummrich. Volker Nienstedt, Coco Ruch, Frithjof Rödel
01.06.2021

TextilKunst: Mensch braucht Kunst - Kunst braucht Mensch

Mit ihrem textilen Projekt „kunst.werke“ macht die Künstlerin Britta Schatton, auf die vielfältige Kunst- und Kulturlandschaft Thüringens aufmerksam. Gemeinsam mit dem Fotografen Marcel Krummrich setzt sie neun Akteure aus der Thüringer Kunstwelt in Szene. Entscheidendes und verbindendes Accessoire ist dabei ein individuell für jeden Künstler gefertigter handgefärbter und -bedruckter Schal aus Merinowolle-Seiden-Filz - jedes Unikat gestaltet aus der persönlichen Wahrnehmung heraus der jeweiligen Trägerin und des Trägers.

Pandemie-Zeiten haben viele Kunstschaffende aufgrund der Einschränkungen dazu gezwungen, sich ein anderes, ein virtuelles Publikum zu suchen. Nicht immer konnte das gelingen. Deshalb ist es Teil des Projektes, allen Portraitierten ein Sprachrohr zu ihrer persönlichen Situation in der von Corona bestimmten Zeit, geben. Diese Statements sollen auf virtuellen Bühnen Gehör finden.

Mit ihrem textilen Projekt „kunst.werke“ macht die Künstlerin Britta Schatton, auf die vielfältige Kunst- und Kulturlandschaft Thüringens aufmerksam. Gemeinsam mit dem Fotografen Marcel Krummrich setzt sie neun Akteure aus der Thüringer Kunstwelt in Szene. Entscheidendes und verbindendes Accessoire ist dabei ein individuell für jeden Künstler gefertigter handgefärbter und -bedruckter Schal aus Merinowolle-Seiden-Filz - jedes Unikat gestaltet aus der persönlichen Wahrnehmung heraus der jeweiligen Trägerin und des Trägers.

Pandemie-Zeiten haben viele Kunstschaffende aufgrund der Einschränkungen dazu gezwungen, sich ein anderes, ein virtuelles Publikum zu suchen. Nicht immer konnte das gelingen. Deshalb ist es Teil des Projektes, allen Portraitierten ein Sprachrohr zu ihrer persönlichen Situation in der von Corona bestimmten Zeit, geben. Diese Statements sollen auf virtuellen Bühnen Gehör finden.

Britta Schatton betont: „Wir alle teilen das Grundbedürfnis, Kunst und Kultur als festen Bestandteil des Lebens - auch in Pandemiezeiten - regelmäßig zu erfahren und zu gestalten. Mensch braucht Kunst - Kunst braucht Mensch. Erst recht in pandemischen Zeiten, in denen Kunst und Kultur zunehmend existenziell bedroht sind.“
          
Die freischaffende Künstlerin Britta Schatton arbeitet bevorzugt mit Filz und hat dazu eine Ausbildung an der baden-württembergischen Filzschule Oberrot bei Inge Bauer, Beatriz Schaaf-Giesser und Lyda Rump absolviert. Seit 2012 erfolgten Qualifizierungen bei nationalen und internationalen Textilkünstlerinnen wie Liz Clay (GB), Pam de Groot (AU), Britta Ankenbauer (DE), Ricarda Aßmann (DE) und Ute Herre (DE). 2014 wurde sie Mitglied der Künstlergruppe TAT Textil Art Thüringen.

2021 erhielt sie ein Sonderstipendium des Freistaates Thüringen für das Projekt „kunst.werke“ und wurde für die Gestaltung der Ehrenpreise zur Bundesgartenschau, die 2021 in Erfurt stattfindet, verpflichtet.

Eine Ausstellung der Portraits ist in der Ladengalerie ARTenVielfalt von Britta Schatton in Erfurt zu sehen. Mit einem Teil des Verkaufserlöses der Schals und Loops aus der limitierten Serie wird einer Einrichtung zur Jugendkunstförderung unterstützt.