Textination Newsline

from to
Zurücksetzen
116 Ergebnisse
Foto Freudenberg Performance Materials
10.01.2023

Fraunhofer: Optimierte Produktion von Vliesstoffmasken

Die Produktion von Infektionsschutzkleidung ist material- und energieintensiv. Fraunhofer-Forschende haben nun eine Technologie entwickelt, die bei der Produktion von Vliesstoffen hilft, Material und Energie zu sparen. Auf Basis einer mathematischen Modellierung steuert ein Digitaler Zwilling wesentliche Prozessparameter der Herstellung. Neben der Verbesserung der Maskenherstellung eignet sich die Lösung ProQuIV auch dazu, die Produktionsparameter für andere Anwendungen der vielseitig einsetzbaren technischen Textilien zu optimieren. Die Hersteller können so flexibel auf Kundenwünsche und Marktveränderungen reagieren.

Die Produktion von Infektionsschutzkleidung ist material- und energieintensiv. Fraunhofer-Forschende haben nun eine Technologie entwickelt, die bei der Produktion von Vliesstoffen hilft, Material und Energie zu sparen. Auf Basis einer mathematischen Modellierung steuert ein Digitaler Zwilling wesentliche Prozessparameter der Herstellung. Neben der Verbesserung der Maskenherstellung eignet sich die Lösung ProQuIV auch dazu, die Produktionsparameter für andere Anwendungen der vielseitig einsetzbaren technischen Textilien zu optimieren. Die Hersteller können so flexibel auf Kundenwünsche und Marktveränderungen reagieren.

Infektionsschutzmasken aus Vlies sind nicht erst seit der Corona-Pandemie millionenfach verbreitet und gelten als simpler Massenartikel. Doch ihre Herstellung stellt hohe Anforderungen an Präzision und Zuverlässigkeit des Produktionsprozesses. Der Vliesstoff in der Maske muss bei der FFP-2-Maske nach DIN mindestens 94 Prozent, bei der FFP-3-Variante sogar 99 Prozent der Aerosole herausfiltern. Gleichzeitig muss die Maske ausreichend Luft durchlassen, damit der Mensch noch gut atmen kann. Viele Hersteller suchen nach Wegen, die Herstellung zu optimieren. Außerdem soll die Produktion flexibler werden, so dass Unternehmen in der Lage sind, die vielseitig verwendbaren Vliesstoffe für ganz unterschiedliche Anwendungen und Branchen zu bearbeiten und zu liefern.

Nun hat das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern mit ProQuIV eine Lösung vorgestellt, die beides leistet. Das Kürzel ProQuIV steht für »Produktions- und Qualitätsoptimierung von Infektionsschutzkleidung aus Vliesstoffen«. Die Grundidee: Prozessparameter der Herstellung werden bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Gleichmäßigkeit des Vliesstoffs charakterisiert und diese wiederum mit Eigenschaften des Endprodukts, beispielsweise einer Schutzmaske, in Verbindung gesetzt. Diese Modellkette verknüpft alle relevanten Parameter mit einer Bildanalyse und bildet einen Digitalen Zwilling der Produktion. Mit dessen Hilfe lässt sich die Vliesstoffherstellung in Echtzeit überwachen, automatisch steuern und somit das Optimierungspotenzial nutzen.

Dr. Ralf Kirsch aus der Abteilung Strömungs- und Materialsimulation und Teamleiter Filtration und Separation erklärt: »Mit ProQuIV benötigen die Hersteller insgesamt weniger Material und sparen Energie. Dabei ist die Qualität des Endprodukts jederzeit gewährleistet.«

Vliesherstellung mit Hitze und Luftströmung
Vliesstoffe für Filtrationsanwendungen werden im sogenannten Meltblown-Prozess hergestellt. Dabei werden Kunststoffe wie Polypropylen geschmolzen, durch Düsen getrieben und kommen in Form von Fäden heraus, den sogenannten Filamenten. Diese werden auf zwei Seiten von Luftströmen erfasst, die sie mit annähernder Schallgeschwindigkeit nach vorne treiben und gleichzeitig verwirbeln, bevor sie auf ein Auffangband fallen. So werden die Fäden nochmals dünner. Die Dicke der Filamente liegt im Mikrometer- oder sogar Sub-Mikrometer-Bereich. Durch Abkühlung und Zugabe von Bindestoffen bildet sich der Vliesstoff. Je besser Temperatur, Luft- und Bandgeschwindigkeit aufeinander abgestimmt sind, desto gleichmäßiger sind am Ende die Fasern verteilt und desto homogener erscheint das Material dann bei der Prüfung im Durchlichtmikroskop. Hier lassen sich hellere und dunklere Stellen ausmachen. Fachleute sprechen von Wolkigkeit. Das Fraunhofer-Team hat eine Methode entwickelt, um einen Wolkigkeits-Index anhand von Bilddaten zu messen. Die hellen Stellen besitzen einen niedrigen Faservolumenanteil, sind also nicht so dicht und weisen eine niedrigere Filtrationsrate auf. Dunklere Stellen haben ein höheres Faservolumen und daher eine höhere Filtrationsrate. Andererseits führt der in diesen Bereichen erhöhte Luftwiderstand dazu, dass sie einen geringeren Anteil der Atemluft filtern. Der größere Anteil strömt durch die offeneren Bereiche, die eine geringere Filterwirkung haben.

Produktionsprozess mit Echtzeit-Steuerung
Die Durchlichtaufnahmen aus dem Mikroskop dienen bei ProQuIV für die Kalibrierung der Modelle vor dem Einsatz. Die Expertinnen und Experten analysieren den Ist-Zustand der Textilprobe und ziehen daraus Rückschlüsse, wie die Anlage optimiert werden kann. So könnten sie beispielsweise die Temperatur erhöhen, die Bandgeschwindigkeit senken oder die Stärke der Luftströme anpassen. »Ein wesentliches Ziel unseres Forschungsprojekts war, zentrale Parameter wie Filtrationsrate, Strömungswiderstand und Wolkigkeit eines Materials miteinander zu verknüpfen und darauf basierend eine Methode zu generieren, die alle Variablen im Produktionsprozess mathematisch modelliert«, sagt Kirsch. Der Digitale Zwilling überwacht und steuert die laufende Produktion in Echtzeit. Kleine Abweichungen der Anlage, wie etwa eine zu hohe Temperatur, werden in Sekunden automatisch korrigiert.

Schnelle und effiziente Herstellung
»Es ist dann nicht notwendig, die Produktion zu unterbrechen, Materialproben zu nehmen und die Maschinen neu einzustellen. Wenn die Modelle kalibriert sind, kann sich der Hersteller darauf verlassen, dass der Vliesstoff, der vom Band läuft, die Spezifikationen und Qualitätsnormen einhält«, erklärt Kirsch. Mit ProQuIV wird die Produktion deutlich effizienter. Es gibt weniger Ausschuss beim Material, und der Energieverbrauch sinkt ebenfalls. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Hersteller schnell neue Produkte auf Vliesbasis entwickeln können. Dazu müssen lediglich die Zielvorgaben in der Modellierung geändert und die Parameter angepasst werden. So können produzierende Unternehmen flexibel auf Kundenwünsche oder Markttrends reagieren.

Was logisch klingt, ist in der Entwicklung komplex. Die Werte für Filtrationsleistung und Strömungswiderstand steigen nämlich keineswegs linear an und verhalten sich auch nicht proportional zum Faservolumenanteil. Eine doppelt so hohe Filament-Dichte bedeutet also nicht, dass auch Filtrationsleistung und Strömungswiderstand doppelt so hoch sind. Das Verhältnis zwischen den Parametern ist wesentlich komplexer. »Genau deshalb ist die mathematische Modellierung so wichtig. Sie hilft uns, das komplexe Verhältnis zwischen den einzelnen Prozessparametern zu verstehen«, sagt Fraunhofer-ITWM-Forscher Kirsch. Dabei kommt den Forschenden ihre langjährige Expertise bei Simulation und Modellierung zugute.

Weitere Anwendungen sind möglich
Der nächste Schritt besteht für das Fraunhofer-Team darin, den Atemwiderstand der Vliesstoffe für den Menschen bei gleicher Schutzwirkung zu reduzieren. Möglich wird dies durch die elektrische Aufladung der Fasern. Das Prinzip erinnert an die Arbeitsweise eines Staubwedels. Durch die elektrische Ladung zieht das Textilgewebe winzigste Partikel an, die andernfalls durch die Poren schlüpfen könnten. Die Stärke der elektrostatischen Ladung wird hierfür als Parameter in die Modellierung integriert.

Die Fraunhofer-Forschenden beschränken sich bei der Anwendung der Methode keineswegs nur auf Masken und Luftfilter. Ihre Technologie lässt sich ganz allgemein in der Produktion von Vliesstoffen einsetzen, beispielsweise auch bei Stoffen für die Filtration von Flüssigkeiten. Auch die Herstellung von schalldämmenden Vliesstoffen lässt sich mit ProQuIV-Methoden optimieren.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM

Bild: Gaharwar Laboratory
13.12.2022

Neue Tinten für 3D-druckbare, tragbare Bioelektronik

Flexible Elektronik hat die Entwicklung von Sensoren, Aktoren, Mikrofluidik und Elektronik auf flexiblen, konformen und/oder dehnbaren Trägerschichten für tragbare, implantierbare oder einzunehmende Anwendungen ermöglicht. Diese Geräte haben jedoch im Vergleich zum menschlichen Gewebe sehr unterschiedliche mechanische und biologische Eigenschaften und können daher nicht in den menschlichen Körper integriert werden.

Ein Forscherteam an der Texas A&M University hat eine neue Klasse von Biomaterialtinten entwickelt, die die nativen Eigenschaften von hoch leitfähigem menschlichem Gewebe, ähnlich wie Haut, nachahmen, was für die Verwendung der Tinte im 3D-Druck unerlässlich ist.

Flexible Elektronik hat die Entwicklung von Sensoren, Aktoren, Mikrofluidik und Elektronik auf flexiblen, konformen und/oder dehnbaren Trägerschichten für tragbare, implantierbare oder einzunehmende Anwendungen ermöglicht. Diese Geräte haben jedoch im Vergleich zum menschlichen Gewebe sehr unterschiedliche mechanische und biologische Eigenschaften und können daher nicht in den menschlichen Körper integriert werden.

Ein Forscherteam an der Texas A&M University hat eine neue Klasse von Biomaterialtinten entwickelt, die die nativen Eigenschaften von hoch leitfähigem menschlichem Gewebe, ähnlich wie Haut, nachahmen, was für die Verwendung der Tinte im 3D-Druck unerlässlich ist.

Diese Biomaterial-Tinte nutzt eine neue Klasse von 2D-Nanomaterialien, die als Molybdändisulfid (MoS2) bekannt sind. Die dünnschichtige Struktur von MoS2 enthält Defektzentren, die es chemisch aktiv machen und in Kombination mit modifizierter Gelatine ein flexibles Hydrogel ergeben, vergleichbar mit der Struktur von Götterspeise.

„Die Auswirkungen dieser Arbeit sind für den 3D-Druck weitreichend", sagte Dr. Akhilesh Gaharwar, außerordentlicher Professor in der Abteilung für Biomedizinische Technik und Presidential Impact Fellow. "Diese neu entwickelte Hydrogeltinte ist hochgradig biokompatibel und elektrisch leitfähig und ebnet den Weg für die nächste Generation von tragbarer und implantierbarer Bioelektronik.”1

Die Tinte hat strukturviskose oder scherverdünnende Eigenschaften. Ihre nimmt Viskosität mit zunehmender Kraft ab, so dass sie im Inneren der Tube fest ist, aber beim Zusammendrücken eher wie eine Flüssigkeit fließt, ähnlich wie Ketchup oder Zahnpasta. Das Team hat diese elektrisch leitfähigen Nanomaterialien in eine modifizierte Gelatine eingearbeitet, um eine Hydrogeltinte mit Eigenschaften herzustellen, die für die Entwicklung von Tinte für den 3D-Druck wichtig sind.

„Diese 3D-gedruckten Geräte sind extrem elastisch und können zusammengedrückt, gebogen oder verdreht werden, ohne zu brechen", so Kaivalya Deo, Doktorand in der Abteilung für biomedizinische Technik und Hauptautor der Arbeit. „Darüber hinaus sind diese Geräte elektronisch aktiv, so dass sie dynamische menschliche Bewegungen überwachen können und den Weg für eine kontinuierliche Bewegungsüberwachung ebnen.”

Für den 3D-Druck der Tinte haben die Forscher im Gaharwar-Labor einen kostengünstigen, Open-Source 3D-Biodrucker mit mehreren Druckköpfen entwickelt, der voll funktionsfähig und anpassbar ist und mit Open-Source Tools und Freeware läuft. Dies ermöglicht es jedem Forscher, 3D-Biodrucker zu bauen, die auf seine eigenen Forschungsbedürfnisse zugeschnitten sind.

Die elektrisch leitfähige 3D-gedruckte Hydrogel-Tinte kann komplexe 3D-Schaltkreise erzeugen und ist nicht auf plane Designs beschränkt, so dass Forscher eine anpassbare Bioelektronik herstellen können, die auf patientenspezifische Anforderungen zugeschnitten ist.

Mit Hilfe dieser 3D-Drucker konnte Deo elektrisch aktive und dehnbare elektronische Geräte drucken. Diese Geräte weisen außergewöhnliche Dehnungsmessfähigkeiten auf und können für die Entwicklung anpassbarer Überwachungssysteme verwendet werden. Dies eröffnet ebenfalls neue Möglichkeiten für die Entwicklung dehnbarer Sensoren mit integrierten miroelektronischen Komponenten.

Eine der möglichen Anwendungen der neuen Tinte ist der 3D-Druck elektronischer Tätowierungen für Patienten mit Parkinson. Die Forscher stellen sich vor, dass ein gedrucktes E-Tattoo die Bewegungen des Patienten, einschließlich des Zitterns, überwachen kann.

Dieses Projekt wurde in Zusammenarbeit mit Dr. Anthony Guiseppi-Elie, Vizepräsident für akademische Angelegenheiten und Personalentwicklung am Tri-County Technical College in South Carolina, und Dr. Limei Tian, Assistenzprofessor für Biomedizintechnik an der Texas A&M University, durchgeführt.
Die Studie wurde vom National Institute of Biomedical Imaging and Bioengineering, dem National Institute of Neurological Disorders and Stroke und dem Texas A&M University President's Excellence Fund finanziert. Ein vorläufiges Patent auf diese Technologie wurde in Zusammenarbeit mit der Texas A&M Engineering Experiment Station angemeldet.

1 Die Studie wurde bei ACS Nano veröffentlicht.

Quelle:

Alleynah Veatch Cofas, Texas A & M University

Foto: Performance Days
18.10.2022

Eco Award & Performance Award für innovative Winterstoffe 24/25

  • Jury vergibt zwei Awards für herausragende Stoff-Innovationen

Die nächsten PERFORMANCE DAYS finden vom 3. bis 4. November 2022 im MOC Ordercenter in München statt. Besucher können die Veranstaltung auch digital verfolgen. Dank der neuen Plattform The Loop stehen Interessenten ganzjährig online alle wichtigen Informationen, aktuelle Trends, die neuen Materialinnovationen und erweiterte Tools zur Verfügung. Im Fokus des kuratierten PERFORMANCE FORUMs stehen auch im Winter die Gewinner der beiden Awards. In diesem Jahr vergab die Jury neben einem PERFORMANCE AWARD auch einen ECO PERFORMANCE AWARD.
 
Nachhaltig & innovativ: die Award-Gewinner der Saison Winter 2024/25
Im Rahmen der Winterausgabe der PERFORMANCE DAYS werden in den einzelnen Kategorien die Stoff-Highlights plus Accessoire-Trends für die Wintersaison 2024/25 im PERFORMANCE FORUM gezeigt.

  • Jury vergibt zwei Awards für herausragende Stoff-Innovationen

Die nächsten PERFORMANCE DAYS finden vom 3. bis 4. November 2022 im MOC Ordercenter in München statt. Besucher können die Veranstaltung auch digital verfolgen. Dank der neuen Plattform The Loop stehen Interessenten ganzjährig online alle wichtigen Informationen, aktuelle Trends, die neuen Materialinnovationen und erweiterte Tools zur Verfügung. Im Fokus des kuratierten PERFORMANCE FORUMs stehen auch im Winter die Gewinner der beiden Awards. In diesem Jahr vergab die Jury neben einem PERFORMANCE AWARD auch einen ECO PERFORMANCE AWARD.
 
Nachhaltig & innovativ: die Award-Gewinner der Saison Winter 2024/25
Im Rahmen der Winterausgabe der PERFORMANCE DAYS werden in den einzelnen Kategorien die Stoff-Highlights plus Accessoire-Trends für die Wintersaison 2024/25 im PERFORMANCE FORUM gezeigt.
Besonders auffällig war in diesem Jahr einerseits der hohe Innovations- und Qualitätsgrad vieler eingereichter Stoffe, anderseits, nicht zuletzt aufgrund des diesjährigen Focus Topics, die nachhaltige Komponente. „Wir wollen es unseren Besuchern ermöglichen, die beste Entscheidung in punkto Materialauswahl zu treffen, auch in Bezug auf CO2-Neutralität und am Ende auch in puncto textiler Kreislauffähigkeit,“ so Marco Weichert, CEO PERFORMANCE DAYS.  
 
Der Weg zur CO2-Neutralität bleibt dennoch ein weiter. Generell setzen Hersteller, wenn möglich, vermehrt auf den Einsatz von Naturfasern, wie Tencel™ oder andere Pflanzenfasern – die meisten von ihnen weisen auch bei der Herstellung eine niedrige CO2-Bilanz auf. Das Thema Recycling zeigt viele neue Facetten und weist spannende Strömungen auf. Das Portfolio reicht vom Recycling von marinem Abfall, wie u.a. alte Bojen, Plastikmüll oder Fischernetzen, bis hin zum Wiederverwerten von Abfällen aus der Automobil- und Computerbranche, wie u.a. alte Autoreifen oder Computerchips. Natürliche Färbemethoden gewinnen zudem immer mehr an Bedeutung, ebenso wie das Zurückführen von Stoffen in den textilen Kreislauf.

Im Marketplace haben Besucher die Möglichkeit, über 19.000 Produkte der Aussteller zu sichten, darunter auch die Stoff-Highlights der einzelnen Kategorien des PERFORMANCE FORUMs. Um dem Besucher die Stoffe in Haptik, Design und Struktur so realitätsgetreu wie möglich digital präsentieren zu können, wurde das PERFORMANCE FORUM mit neuartiger 3D-Technik ausgestattet, darunter innovative Tools wie 3D Bilder, Videoanimationen und U3MA Dateien zum Download.

Auch für die Wintersaison 2024/25 hat die Jury zwei Awards für herausragende Stoffe vergeben – so präsentiert sich neben dem PERFORMANCE AWARD WINNER, der an Long Advance Int. Co Ltd. geht, auch ein ECO PERFORMANCE AWARD WINNER, der an Pontetorto Spa vergeben wurde.

ECO AWARD WINNER geht an „9203M“ von Pontetorto Spa: High-Performance trotz maximaler Nachhaltigkeit
Der Stoff ist eine Mischung aus 23 % Hanf, 69 % recyceltem Polyester und 9 % recyceltem Elasthan. Zudem weist das Material bei der Herstellung einen geringen CO2 -Fußabdruck auf und setzt auf eine geringe Ausschüttung an Mikroplastik in die Umwelt. „9203M“ gehört zur Tecnostretch-Bio-Reihe von Pontetorto, der einen hervorragenden 4-Wege-Stretch mit bester Elastizität vorweist. Zudem garantiert er schnelles Trocknen und optimale Atmungsaktivität. Das Polyestergarn wird durch mechanisches Recycling von Plastikflaschen hergestellt. Hanf, die wasserabweisendste unter den Naturfasern, ermöglicht ein schnelles Trocknen und bietet optimalen Komfort. Hanf gilt als extrem nachhaltige Naturfaser, da sie von einer antibakteriellen Pflanze stammt, die während ihres Wachstums keine Pestizide oder chemischen Düngemittel benötigt und zudem extrem wenig Wasser zum Wachstum verbraucht.

PERFORMANCE AWARD für “LPD22015-Y4E” von Long Advanced Int. Co. Ltd.: Perfektes Recycling für optimale Performance
Der Mono-Componenten 2 Lagen Stoff ist eine Mischung aus 45 % Polyester mechanical stretch und 55 % recyceltem Polyester aus recycleten Textilien, laminiert mit einer PET Membran und einem Gewicht von 147 Gramm. Das Besondere am „LPD 22015-Y4E“ ist das Wiederverwerten von Stoffresten und Schnittabfällen. Müll wird damit wieder in den textilen Kreislauf zurückgeführt, um neues Garn zu spinnen. Hersteller müssen in Zukunft darauf achten, dass Stoff recycelt werden kann. Das Produzieren von Müll wird damit um 30% reduziert im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren. Zudem lobte die Jury den Griff und die außergewöhnliche Optik des Materials.  

Das gesamte PERFORMANCE FORUM inklusive der beiden Awards kann am 26. und 27. Oktober live in Portland, Oregon auf der Messe gesichtet werden und am 3. und 4. November in München auf der PERFORMANCE DAYS Messe. Ab sofort sind alle innovativen Materialien auch online im Marketplace des PERFORMANCE DAYS Loop zu finden mit der Möglichkeit, direkt beim Aussteller kostenfreie Samples zu bestellen.

Erste Versuche mit gedruckten Freiformkacheln aus Holzkurzfaserfilament. (Foto: LZH) Foto: LZH. Erste Versuche mit gedruckten Freiformkacheln aus Holzkurzfaserfilament.
19.09.2022

Nachhaltiger 3D-Druck: Bauelemente aus Naturfasern

Der 3D-Druck ist in der Architektur längst angekommen, jetzt soll er auch ökologisch nachhaltig werden: Das LZH forscht zusammen mit Partnern daran, wie man individuelle Bauelemente aus Naturfasern mittels Additiver Fertigung herstellen kann.

Im Projekt 3DNaturDruck sollen aus naturfaserverstärkten Biopolymeren im 3D-Druck architektonische Bauteile, wie etwa Fassadenelemente entstehen. Dafür werden die Wissenschaftler:innen die entsprechenden Kompositmaterialien aus Biopolymeren sowohl mit Naturkurzfasern, als auch mit Naturendlosfasern entwickeln und für die Verarbeitung mit dem additiven Fertigungsverfahren FDM (Fused Deposition Modeling) optimieren. Das Ziel der Projektpartner: Smarte und innovative Designs ermöglichen, die gleichzeitig ökologisch und nachhaltig sind.

Der 3D-Druck ist in der Architektur längst angekommen, jetzt soll er auch ökologisch nachhaltig werden: Das LZH forscht zusammen mit Partnern daran, wie man individuelle Bauelemente aus Naturfasern mittels Additiver Fertigung herstellen kann.

Im Projekt 3DNaturDruck sollen aus naturfaserverstärkten Biopolymeren im 3D-Druck architektonische Bauteile, wie etwa Fassadenelemente entstehen. Dafür werden die Wissenschaftler:innen die entsprechenden Kompositmaterialien aus Biopolymeren sowohl mit Naturkurzfasern, als auch mit Naturendlosfasern entwickeln und für die Verarbeitung mit dem additiven Fertigungsverfahren FDM (Fused Deposition Modeling) optimieren. Das Ziel der Projektpartner: Smarte und innovative Designs ermöglichen, die gleichzeitig ökologisch und nachhaltig sind.

Das Ziel: Hochentwickelte Bauteile aus nachhaltigen Materialien
Innerhalb des Projektes werden unterschiedliche naturfaserverstärkte Biopolymer-Komposite untersucht. Die Partner forschen sowohl an Verarbeitungsverfahren mit sehr kurzen Naturfasern, etwa aus Holz und Stroh, als auch an einem Verfahren für den Druck von Endlosfasern aus Hanf und Flachs in Kombination mit Biopolymeren. Das LZH entwickelt dann Prozesse für diese neuen Materialien und passt Werkzeuge und Düsengeometrien des FDM-Druckers an. Als Demonstrator soll ein Pavillon mit den 3D-gedruckten Fassadenelementen auf dem Campus der Universität Stuttgart entstehen.
 
Die Projektpartner wollen erforschen, wie mit der Additiven Fertigung Herstellungsverfahren für architektonische Bauteile vereinfacht werden können. Naturfaserverstärkte Biopolymere sind dabei besonders geeignet, um Bauteile mit komplexen Geometrien mit wenigen Arbeitsschritten und geringem Material- und Kostenaufwand zu realisieren. Mit ihrer Forschung arbeiten die Partner außerdem an gänzlich neuen Ausgangsbedingungen für die Fabrikation von neu entwickelten architektonischen Bauteilen: So lässt sich etwa die Topologieoptimierung von Bauteilen entsprechend ihrer tragwerkstechnischen Beanspruchung mit der Additiven Fertigung gut umsetzen.

Naturfaser-Trend in der Architektur auch mittels Additiver Fertigung ermöglichen
Interesse am Einsatz von Naturfasern in strukturellen Bauteilen in Architektur und Bauwesen ist groß, denn Naturfasern haben gleich mehrere Vorteile. Sie verfügen über gute mechanische Eigenschaften bei gleichzeitig geringem Gewicht und sind in hohem Maß verfügbar. Als nachwachsende Ressource mit teilweise sehr kurzen Erneuerungszyklen sind sie außerdem ökologisch klar die bessere Alternative als synthetische Fasern.

In der Additiven Fertigung werden großformatige Elemente für den Architekturbereich bisher meist mit Polymeren auf Basis fossiler Rohstoffe gefertigt. Die Forschung im Projekt 3DNaturDruck soll die Verwendung von Naturfasern in der Architektur nun auch für die Additive Fertigung möglich machen.

Über 3DNaturDruck
Im Projekt 3DNaturDruck geht es um das Design und die Fabrikation von 3D-gedruckten Bauteilen aus Biokompositen unter Verwendung von Filamenten mit Endlos- und Kurznaturfasern.

Koordiniert wird das Projekt von der Abteilung Biobasierte Materialien und Stoffkreisläufe in der Architektur (BioMat) am Institut für Tragkonstruktion und Konstruktives Entwerfen (ITKE) der Universität Stuttgart. Projektpartner sind neben dem LZH das Fraunhofer-Institut für Holzforschung Wilhelm-Klauditz-Institut (WKI) sowie die Industrieunternehmen Rapid Prototyping Technologie GmbH (Gifhorn), ETS Extrusionstechnik (Mücheln), 3dk.berlin (Berlin) und ATMAT Sp. Z o.o. (Krakau, Polen).

Das Projekt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. unter dem Förderkennzeichen 2220NR295C gefördert.

Quelle:

Laser Zentrum Hannover e.V.

(c) Fraunhofer IKTS
02.08.2022

Fraunhofer-Technologie: Hightech-Weste überwacht Lungenfunktion

Patienten mit schweren Atemwegs- oder Lungenerkrankungen benötigen intensive Behandlung und ständige Kontrolle der Lungenfunktionen. Fraunhofer-Forschende haben im Projekt »Pneumo.Vest« eine Technologie entwickelt, bei der Akustiksensoren in einer Textilweste die Lungengeräusche erfassen. Eine Software setzt die Signale in eine visuelle Darstellung um. Auf diese Weise können Patientinnen und Patienten auch außerhalb von Intensivstationen fortlaufend überwacht werden. Die Technologie erweitert die Diagnosemöglichkeiten und verbessert die Lebensqualität der Betroffenen.

Das Stethoskop gehört seit mehr als 200 Jahren zum täglichen Arbeitswerkzeug von Medizinern und gilt als Symbol für die ärztliche Kunst schlechthin. In TV-Krankenhaus-Serien eilen Ärzte mit Stethoskop um den Hals über die Flure. Tatsächlich können erfahrene Ärztinnen oder Ärzte damit erstaunlich genau Herztöne und Lungengeräusche abhören und dementsprechend Krankheiten diagnostizieren.

Patienten mit schweren Atemwegs- oder Lungenerkrankungen benötigen intensive Behandlung und ständige Kontrolle der Lungenfunktionen. Fraunhofer-Forschende haben im Projekt »Pneumo.Vest« eine Technologie entwickelt, bei der Akustiksensoren in einer Textilweste die Lungengeräusche erfassen. Eine Software setzt die Signale in eine visuelle Darstellung um. Auf diese Weise können Patientinnen und Patienten auch außerhalb von Intensivstationen fortlaufend überwacht werden. Die Technologie erweitert die Diagnosemöglichkeiten und verbessert die Lebensqualität der Betroffenen.

Das Stethoskop gehört seit mehr als 200 Jahren zum täglichen Arbeitswerkzeug von Medizinern und gilt als Symbol für die ärztliche Kunst schlechthin. In TV-Krankenhaus-Serien eilen Ärzte mit Stethoskop um den Hals über die Flure. Tatsächlich können erfahrene Ärztinnen oder Ärzte damit erstaunlich genau Herztöne und Lungengeräusche abhören und dementsprechend Krankheiten diagnostizieren.

Doch nun bekommt das Stethoskop Verstärkung. Forschende am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS am Standort Berlin haben im Projekt Pneumo.Vest eine Textilweste mit integrierten Akustiksensoren entwickelt, die eine leistungsfähige Ergänzung zum klassischen Stethoskop darstellt. In der Vorder- und Rückseite der Weste sind Akustiksensoren auf Piezokeramik-Basis eingearbeitet. Diese registrieren rund um den Thorax jedes noch so leise Geräusch, das die Lunge produziert. Eine Software nimmt die Signale auf und gibt diese elektrisch verstärkt aus. Zusätzlich erscheint eine visuelle Darstellung der Lunge auf einem Display. Da die Software die Position jedes einzelnen Sensors kennt, platziert sie dessen Daten gleich an der entsprechenden Stelle. So entsteht ein detailreiches akustisches wie optisches Szenario der Belüftungssituation aller Lungenbereiche. Das Besondere daran: Da das System die Daten permanent erfasst und speichert, kann die Untersuchung zu jedem beliebigen Zeitpunkt ohne Beisein des Krankenhauspersonals erfolgen. Außerdem zeigt Pneumo.Vest den Status der Lunge im zeitlichen Verlauf an, also beispielsweise über die vergangenen 24 Stunden. Auch die klassische Auskultation direkt am Patienten ist selbstverständlich möglich. Doch anstelle der manuellen und punktuellen Auskultation mit dem Stethoskop kommen viele Sensoren gleichzeitig zum Einsatz.

»Pneumo.Vest will das Stethoskop nicht überflüssig machen und ist auch kein Ersatz für die Fähigkeiten erfahrener Pneumologen. Doch eine Auskultation oder auch ein Lungen-CT stellen immer nur eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt der Untersuchung dar. Der Mehrwert unserer Technik besteht darin, dass sie ähnlich wie ein Langzeit-EKG die kontinuierliche Überwachung der Lunge erlaubt, und zwar auch dann, wenn der Patient oder die Patientin nicht an Geräten auf der Intensivstation angeschlossen, sondern auf der Normalstation untergebracht ist«, erläutert Ralf Schallert, Projektleiter am Fraunhofer IKTS.

Machine-Learning-Algorithmen unterstützen die Diagnose
Herzstück der Weste ist neben den Akustiksensoren die Software. Sie ist für die Speicherung, Darstellung und Analyse der Daten zuständig. Mit ihr kann der Arzt oder die Ärztin das akustische Geschehen in einzelnen Lungenbereichen gezielt auf dem Display betrachten. Der Einsatz von Algorithmen der digitalen Signalverarbeitung ermöglicht eine gezielte Bewertung akustischer Signale. So ist es beispielsweise möglich, den Herzschlag herauszufiltern oder charakteristische Frequenzbereiche zu verstärken. Lungengeräusche wie Rascheln oder Röcheln sind dann viel deutlicher hörbar.

Die Forschenden am Fraunhofer IKTS entwickeln darüber hinaus Machine-Learning-Algorithmen. Diese sind zukünftig in der Lage, die komplexe Geräuschkulisse im Thorax zu strukturieren und zu klassifizieren. Die endgültige Bewertung und Diagnose nimmt dann die Pneumologin oder der Pneumologe vor.

Entlastung von Intensivstationen
Auch die Patientinnen und Patienten profitieren von der digitalen Sensor-Alternative. Mit angelegter Weste können sie ohne ständige Beobachtung durch das medizinische Personal genesen. Sie können auf die Normalstation verlegt und vielleicht sogar nach Hause geschickt werden und sich weitgehend frei bewegen. Die Lunge wird trotzdem fortlaufend kontrolliert und eine plötzlich eintretende Verschlechterung sofort an das medizinische Personal gemeldet.

Erste Tests mit Personal an der Klinik für Intensivmedizin der Universität Magdeburg zeigen, dass das Konzept in der Praxis aufgeht. »Das Feedback von Ärztinnen und Ärzten war überaus positiv. Die Kombination aus Akustiksensoren, Visualisierung und Machine-Learning-Algorithmen wird in der Lage sein, eine Reihe von unterschiedlichen Lungengeräuschen zuverlässig zu charakterisieren«, erläutert Schallert. Auf die Technik freut sich auch Dr. Alexander Uhrig von der Universitätsmedizin Berlin. Der Spezialist für Infektiologie und Pneumologie an der renommierten Charité war einer der Initiatoren der Idee: »Pneumo.Vest adressiert genau das, was wir brauchen. Wir bekommen damit ein Instrument, das die Diagnosemöglichkeiten erweitert, unser Klinikpersonal entlastet und den Klinikaufenthalt für die Patientinnen und Patienten angenehmer gestaltet.«  

Die Technologie ist in erster Linie für Beatmungspatienten konzipiert, doch sie eignet sich genauso gut für Menschen in Pflegeeinrichtungen oder auch für den Einsatz im Schlaflabor. Eine weitere Anwendung ist das Training junger Ärztinnen und Ärzte für die Auskultation.

Bedarf für Clinical Grade Wearables steigt
Die Forschenden am Fraunhofer IKTS haben mit Pneumo.Vest ein Produkt konzipiert, das wie gemacht ist für die zunehmend angespannte Situation in Krankenhäusern. So müssen in Deutschland jährlich 385 000 Patienten mit Atemwegs- oder Lungenerkrankungen in stationäre Behandlung. Über 60 Prozent sind länger als 24 Stunden ans Beatmungsgerät angeschlossen. Der aktuelle Anstieg bei Beatmungspatienten während der Corona-Pandemie ist dabei nicht mitgerechnet. Durch die steigende Lebenserwartung rechnet die Medizinbranche auch mit einer Zunahme an älteren Patientinnen und Patienten mit Atemproblemen. Mithilfe der Technik aus dem Fraunhofer IKTS könnten die Krankenhäuser und insbesondere die teuren Intensivstationen entlastet werden, da die Betten nicht mehr so lange belegt werden.

Hinzu kommt, dass der Markt für sogenannte Clinical Grade Wearables (CGW) rapide wächst. Darunter versteht man kompakte medizinische Geräte, die man direkt am Körper trägt und die Vitalfunktionen wie etwa Herzschlag, Sauerstoffsättigung des Blutes, Atemfrequenz oder Hauttemperatur messen. Als flexibel einsetzbares medizinisches Gerät passt Pneumo.Vest bestens zu dieser Entwicklung. Ihr geliebtes Stethoskop werden die Ärztinnen und Ärzte aber auch in Zukunft noch benutzen.

Fraunhofer-Clusterprojekt »M³ Infekt«
Pneumo.Vest ist ein Teil des Clusterprojekts M³ Infekt. Ziel ist es, Monitoringsysteme zur dezentralen Überwachung von Patientinnen und Patienten zu entwickeln. Durch die laufende Überwachung der Vitalfunktionen wird eine Verschlechterung des Zustands schnell erkannt und Maßnahmen zur Behandlung werden veranlasst. M3 Infekt lässt sich auch für viele Krankheitsbilder und Szenarien einsetzen. Die Systeme sind modular und multimodal aufgebaut, sodass Biosignale wie Herzrate, EKG, Sauerstoffsättigung oder Atemfrequenz und -volumen gemessen werden können.

An dem Clusterprojekt unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS in Dresden arbeiten zehn Fraunhofer-Institute. Als medizinische Partner sind das Klinikum Magdeburg, die Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie die Universitätskliniken Erlangen und Dresden eingebunden.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS

31.05.2022

OEKO-TEX® Gemeinschaft feiert 30. Geburtstag

Die internationale OEKO-TEX® Gemeinschaft, die aus insgesamt 17 unabhängigen Forschungs- und Prüfinstituten in Europa und Japan besteht, wird 2022 dreißig. Als eines der Gründungsmitglieder nahm OETI dies zum Anlass, mit OEKO-TEX® Expertin Helene Melnitzky – Abteilungsleiterin des Geschäftsbereiches Ökologie bei OETI – über die Rolle der OEKO-TEX® Gemeinschaft, Marktentwicklungen und OEKO-TEX® Zertifizierungen und Labels zu sprechen.

Die internationale OEKO-TEX® Gemeinschaft, die aus insgesamt 17 unabhängigen Forschungs- und Prüfinstituten in Europa und Japan besteht, wird 2022 dreißig. Als eines der Gründungsmitglieder nahm OETI dies zum Anlass, mit OEKO-TEX® Expertin Helene Melnitzky – Abteilungsleiterin des Geschäftsbereiches Ökologie bei OETI – über die Rolle der OEKO-TEX® Gemeinschaft, Marktentwicklungen und OEKO-TEX® Zertifizierungen und Labels zu sprechen.

Die internationale OEKO-TEX® Gemeinschaft feiert in diesem Jahr ihren dreißigsten Geburtstag. Welche Rolle hat sie bisher beim Thema Produktsicherheit von textilen- und Lederprodukten eingenommen?
Helene Melnitzky:
Im Bereich Produktsicherheit1 hat OEKO-TEX® in den letzten drei Jahrzehnten bewirkt, dass gewisse Schadstoffeinträge, die wir vor 30 Jahren teilweise in Textilien in großen Mengen gefunden haben, nicht mehr existent sind. Wir als OEKO-TEX® Gemeinschaft waren außerdem die ersten, die gewisse Schwermetalle limitiert haben. Gesetzliche Bestimmungen sind dem nachgefolgt. Wir haben verbotene Farbstoffe schon geprüft, bevor es überhaupt eine EU-Verordnung gegeben hat. Selbstverständlich prüfen wir jetzt nach der EU-Verordnung, aber diesbezüglich ist OEKO-TEX® ein klarer Vorreiter.

Neben der Produktsicherheit arbeitet die OEKO-TEX® schon seit 30 Jahren an den Themen „umweltfreundliche und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellte Textilprodukte“ und seit fünf Jahren auch im Bereich der „Lederprodukte“ und mit STeP by OEKO-TEX® seit 2013 an der „Zertifizierung von umweltfreundlichen Betriebsstätten“. Wir bereiten also seit dreißig Jahren den Markt auf. Dabei schaffen wir immer neue Dinge - wie beispielsweise aktuell den Impact Calculator, den STeP zertifizierte Betriebe nun auf freiwilliger Basis Tool nutzen können, um damit ihren CO2 und Wasserfußabdruck zu berechnen. Ab Herbst 2022 gibt es die neue Zertifizierung für Marken und Einzelhändler: RESPONSIBLE BUSINESS by OEKO-TEX®.

Welche Vorteile bringt das den Kund*innen von OEKO-TEX®?
Helene Melnitzky:
Die Kund*innen können diese Berechnungen für die externe Kommunikation verwenden, um auf ihren Produkten oder auf der Webpage zu zeigen, dass ihre Produkte einen geringeren Fußabdruck haben als andere Mitbewerber. Das heißt, bezieht der Kunde alles sehr regional, wird er einen geringeren Fußabdruck haben als eine Firma, die ihre Produkte aus verschiedenen Ländern bezieht. In Zukunft muss es ja so sein, dass der Wasser- und CO2-Fußabdruck am Produkt zu sehen ist, dann kann der Konsument entscheiden, ob er Produkt A oder B kaufen möchte.

Wie wird der Aspekt der fairen Arbeitsbedingungen berücksichtigt?
Helene Melnitzky:
Auch dieses Thema gewinnt seit zehn Jahren immer mehr an Bedeutung. Es gibt mittlerweile genug Druck auf Brands und Einzelhändler, damit die Arbeitsbedingungen vor Ort verbessert werden. Diesen Bereich decken wir im Rahmen der STeP Zertifizierung2 mit dem Modul „soziale Verantwortung“ ab. Der Vorteil für unsere Kund*innen liegt dann darin, dass sie in weiterer Folge mit dem MADE IN GREEN Label darstellen können, wie sie im sozialen Modul abgeschnitten haben.

Was bedeutet Transparenz mit MADE IN GREEN by OEKO-TEX®?
Helene Melnitzky:
Alles, was am Produkt steht, ist transparent. Das MADE IN GREEN by OEKO-TEX® Label ist ein nachverfolgbares Produktlabel für alle Arten von Textilien und Lederartikel, die in umweltfreundlichen Betrieben und an sicheren und sozialverträglichen Arbeitsplätzen produziert wurden. Zudem gibt das MADE IN GREEN Label Konsument*innen die Gewissheit, dass das Textil- oder Lederprodukt aus schadstoffgeprüften Materialien besteht. Um zu gewährleisten, dass die mit dem MADE IN GREEN Label ausgezeichneten Textil- oder Lederprodukte mit umweltfreundlichen Prozessen unter sozialverträglichen Arbeitsbedingungen hergestellt wurden, müssen Konfektionen und Nassproduktionsstätten nach STeP by OEKO-TEX® zertifiziert sein.

Seit einem Jahr kann man im Rahmen der STANDARD 100 Zertifizierung auch recycelte Materialien zertifizieren lassen und in Form eines Anhängeetikett kommunizieren, dass das Produkt zu einem bestimmten Anteil3 aus recycelten Materialien besteht. Auf welche Anforderung des Marktes wird damit geantwortet?
Helene Melnitzky
: Es wird immer mehr gefordert, dass zumindest ein Teil des Produkts aus recyceltem Material hergestellt werden muss. Dies entsteht einerseits aus Druck, weil Rohmaterialien knapp und teuer sind und andererseits freiwillig, um die Verbraucher*innen über Recycling im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu informieren.

Wie blicken Sie auf die nächsten Jahre?
Helene Melnitzky:
Textil- und Lederprodukte umweltfreundlicher und fair zu produzieren und dabei die Wertschöpfungskette transparent darzustellen, ist eine globale Herausforderung, die nicht nur neue ökologische Standards setzt, sondern langfristig auch wichtige ökonomische und soziale Aspekte beinhaltet. Es geht darum, ein größeres Bewusstsein für diese Wechselwirkungen und ein gemeinsames Verständnis für Umweltthemen zu schaffen – bei den Produzenten und natürlich bei den Endverbraucher*innen. Klar erkennbar ist, dass die Nachfrage nach Produkten, die zertifiziert und rückverfolgbar sind, bei den Konsument*innen immer größer wird. Dass spiegelt sich im Kaufverhalten und somit bei der Produktion wider. Trotzdem gibt es noch viel zu tun.

 

1 STANDARD 100 by OEKO-TEX® und LEATHER STANDARD by OEKO-TEX®
2 Die STeP Zertifizierung umfasst die Module Chemikalienmanagement, Umweltleistung, Umweltmanagement, Qualitätsmanagement, Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit und eben auch soziale Verantwortung
3 Das Produkt muss dabei mindestens einen Recycling-Anteil von über 20 Prozent enthalten.

Foto: Pixabay
12.04.2022

Gestörte Lieferketten: Langfristig helfen nur Nearshoring und digitale Technologien

  • McKinsey-Umfrage: Weltweit investieren zwar über 90 Prozent aller Supply Chain Manager während der Corona-Krise in die Widerstandsfähigkeit ihrer Lieferketten.
  • Doch öfter als geplant erhöhen sie nur die Lagerbestände, statt auf langfristig effektive Maßnahmen wie die Regionalisierung von Zulieferern zu setzen.
  • Nur Gesundheitsbranche setzt bislang konsequent auf Nearshoring und Regionalisierung der Zulieferer

Lieferketten-Manager stehen weltweit unter Druck: Über 90 Prozent investierten zwar während der Corona-Krise, um ihre Lieferketten widerstandsfähiger gegen externe Störungen zu machen. Öfter als geplant jedoch griffen Supply Chain Manager zur Adhoc-Maßnahme, nur die Lagerbestände zu erhöhen. Und auch weniger häufig als geplant setzten sie auf Langfrist-Effekte, indem sie ihre Zuliefererbasis regionalisierten.

  • McKinsey-Umfrage: Weltweit investieren zwar über 90 Prozent aller Supply Chain Manager während der Corona-Krise in die Widerstandsfähigkeit ihrer Lieferketten.
  • Doch öfter als geplant erhöhen sie nur die Lagerbestände, statt auf langfristig effektive Maßnahmen wie die Regionalisierung von Zulieferern zu setzen.
  • Nur Gesundheitsbranche setzt bislang konsequent auf Nearshoring und Regionalisierung der Zulieferer

Lieferketten-Manager stehen weltweit unter Druck: Über 90 Prozent investierten zwar während der Corona-Krise, um ihre Lieferketten widerstandsfähiger gegen externe Störungen zu machen. Öfter als geplant jedoch griffen Supply Chain Manager zur Adhoc-Maßnahme, nur die Lagerbestände zu erhöhen. Und auch weniger häufig als geplant setzten sie auf Langfrist-Effekte, indem sie ihre Zuliefererbasis regionalisierten. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Vergleichsstudie, für welche die Unternehmensberatung McKinsey & Company weltweit über 70 Supply Chain Manager führender Unternehmen befragt hat – 2020 zum ersten Mal und in diesem Jahr erneut. Weitere Ergebnisse: Digitale Technologien kommen heute deutlich häufiger zum Einsatz als zu Beginn der Pandemie, zum Beispiel Echtzeit-Monitoring oder auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Analytik.

Die Umfrage beziffert auch den eklatanten Mangel an IT-Fachkräften im Bereich Supply Management: 2021 verfügten nur ein Prozent der befragten Unternehmen über genügend IT-Fachkräfte. „Im Zuge des Digitalisierungsschubs wird der Bedarf an IT-Qualifikationen noch mehr zum Flaschenhals, als er es ohnehin schon gewesen ist“, berichtet Vera Trautwein, McKinsey-Expertin für Supply Chain Management und Mitautorin der Studie. „Damit nehmen auch die Handlungsspielräume dramatisch ab.“ 2020 hatten immerhin noch zehn Prozent der befragten Supply Chain Manager auf ausreichend Expert:innen mit entsprechendem IT-Know-how in ihren Abteilungen zurückgreifen können. Wie haben die Supply Chain Manager in der Krise konkret agiert? Fast alle Befragten (92 Prozent) haben in die Widerstandsfähigkeit ihrer Lieferketten investiert, 80 Prozent zudem in digitale Supply-Chain-Technologien. Aber während 40 Prozent der Befragten 2020 im ersten „Supply Chain Pulse“ von McKinsey noch ein Nearshoring und den Ausbau ihrer Lieferantenbasis geplant hatten, haben dies schließlich doch nur 15 Prozent auch in die Tat umgesetzt. Stattdessen bauten deutlich mehr Manager als erwartet, 42 gegenüber 27 Prozent, ihre Lagerbestände aus.

Die Vergleichsstudie 2020/21 zeigt auch: Supply Chain Manager haben je nach Branche sehr unterschiedlich in der Krise agiert. Healthcare darf als Vorreiter bei der Regionalisierung der Lieferkette gelten: 60 Prozent der Befragten in der Branche haben, wie von ihnen auch angekündigt, tatsächlich Beschaffung, Produktion und Vertrieb auf eine Region wie Europa oder Nordamerika konzentriert. Dies hatten 2020 auch 33 Prozent der Unternehmen aus der Automobil-, Luft- und Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie angekündigt. Umgesetzt haben dies letztlich nach eigenen Angaben aber nur 22 Prozent. Und das, obwohl mehr als drei Viertel der Supply Chain Manager dieser Maßnahme Priorität eingeräumt hatten. Die Branchen Chemie und Rohstoffe nahmen die wenigsten Veränderungen an ihren Lieferketten vor.

Nach der Krise ist vor der Krise
Über Jahre haben sich die Lieferketten zu einem hochfrequenten sensiblen Organismus entwickelt. Konsequent globalisiert, auf die Schwankungen der Verbraucherwünsche optimiert und mit möglichst geringer Lagerhaltung, um Kosten zu sparen. „Diese Strategie hat die Unternehmen verwundbar gemacht“, stellt McKinsey-Partner Knut Alicke fest. „Und in der Krise wurden eher kurzfristig wirksame Maßnahmen ergriffen.“ Die Folge: Die Lieferketten sind noch nicht widerstandsfähig genug sind, um künftige Störungen zu verhindern. „Für Unternehmen bleibt das Nearshoring der Lieferanten mittel- bis langfristig ein Schlüsselfaktor, um ihre Krisenfestigkeit zu erhöhen.“. Daneben seien Ausbau und Nutzung digitaler Technologien aber die zentralen Faktoren für resiliente Lieferketten.

Der Handlungsdruck ist groß: Massive Störungen der Lieferkette treten durchschnittlich alle 3,7 Jahre und bringen Lieferketten mindestens einen Monat lang aus dem Tritt. Zu diesem Ergebnis kam bereits 2020 eine andere McKinsey-Studie zum Thema Supply Chains mit dem Titel „Risk, resilience, and rebalancing in global value chains“.

Quelle:

McKinsey & Company [Düsseldorf, Deutschland]

Foto: Rostyslav Savchyn, Unsplash
22.03.2022

Wieder mehr chinesische Firmenübernahmen in Europa

  • Anstieg von 132 auf 155 Transaktionen – Transaktionswert auf 12,4 Milliarden US-Dollar verachtfacht
  • Zahl der chinesischen Übernahmen in Deutschland steigt von 28 auf 35
  • Großbritannien vor Deutschland beliebtestes Investitionsziel chinesischer Unternehmen

Nach dem pandemiebedingten Einbruch bei den chinesischen Firmenübernahmen in Europa im Jahr 2020 hat sich die Zahl der Transaktionen im Jahr 2021 wieder erhöht: von 132 auf 155. Auch das Transaktionsvolumen stieg: der Wert der Beteiligungen und Übernahmen hat sich von 1,5 auf 12,4 Milliarden US-Dollar mehr als verachtfacht.

  • Anstieg von 132 auf 155 Transaktionen – Transaktionswert auf 12,4 Milliarden US-Dollar verachtfacht
  • Zahl der chinesischen Übernahmen in Deutschland steigt von 28 auf 35
  • Großbritannien vor Deutschland beliebtestes Investitionsziel chinesischer Unternehmen

Nach dem pandemiebedingten Einbruch bei den chinesischen Firmenübernahmen in Europa im Jahr 2020 hat sich die Zahl der Transaktionen im Jahr 2021 wieder erhöht: von 132 auf 155. Auch das Transaktionsvolumen stieg: der Wert der Beteiligungen und Übernahmen hat sich von 1,5 auf 12,4 Milliarden US-Dollar mehr als verachtfacht.

Auch in Deutschland traten chinesische Investoren wieder häufiger in Erscheinung: Nachdem 2020 nur 28 Transaktionen chinesischer Unternehmen gezählt worden waren, gab es 2021 immerhin 35 derartige Beteiligungen oder Übernahmen. Das Investitionsvolumen stieg von 0,4 auf 2,0 Milliarden US-Dollar. Nicht enthalten sind in dieser Summe Risikokapitalinvestitionen in deutsche Startups in Höhe von 1,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021, bei denen chinesische Unternehmen als Teil internationaler Investorengruppen aktiv waren.

Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland und Europa untersucht.

„Chinesische Unternehmen bleiben bei ihren Investitionen in Europa insgesamt noch zurückhaltend“, beobachtet Yi Sun, Partnerin und Leiterin der China Business Services in der Region Europe West bei EY. „Dazu trägt zum einen nach wie vor die Pandemie bei, die auch 2021 noch zu Beeinträchtigungen führte – auch wegen Eindämmungsmaßnahmen wie Reisebeschränkungen, strengen Quarantäne Regeln für Personen, die aus dem Ausland nach China reisen und Lockdowns sowohl in Europa als auch in China selbst. Die meisten chinesischen Unternehmen, die schon im Ausland Firmen übernommen haben, haben sich in den letzten Jahren eher damit beschäftigt, die Restrukturierung in Europa voranzutreiben als weiter zu expandieren – besonders in den Sektoren Automobilzulieferer und Maschinenbau.“

Ebenfalls dämpfend wirkten sich nach Suns Einschätzung die inzwischen hohen Hürden für ausländische Beteiligungen gerade in bestimmten kritischen Branchen sowie die zunehmende Konkurrenz durch kapitalstarke Finanzinvestoren aus. „Die Kaufpreise auf dem M&A-Markt sind zuletzt stark gestiegen – in einigen Fällen wollten die chinesischen Interessenten da nicht mehr mitgehen. Besonders die börsennotierten chinesischen Unternehmen fürchten, mit teuren Zukäufen den eigenen Aktienkurs unter Druck zu setzen“, so Sun. „Zudem besitzen einige der potentiellen Übernahmekandidaten Produktionsstätten oder R&D-Zentren in den USA. In solchen Fällen kann es vorkommen, dass eine Ablehnung durch das Committee on Foreign Investment in the U.S. (CFIUS) befürchtet wird – und potenzielle chinesische Bieter gar nicht erst eingeladen werden.“

Nachlassendes Interesse an Industrieunternehmen
Nach wie vor entfallen auf klassische Industrieunternehmen die meisten Deals – gerade in Deutschland: 12 der 35 Transaktionen in Deutschland und 30 der 155 Transaktionen in Europa fanden im Industrie-Sektor statt.

Allerdings ist deren Zahl rückläufig: 2020 waren europaweit noch 36 Industrietransaktionen gezählt worden. „Nach wie vor besteht bei chinesischen Investoren Interesse an europäischen Automobilzulieferern oder Maschinenbauern – allerdings inzwischen eher in den Subsektoren Elektromobilität, Autonomes Fahren und High Tech-Materialien“, sagt Sun.

Ein deutlich gestiegenes Interesse macht Yi Sun aber an anderer Stelle aus: „Chinesische Private Equity Fonds und Risikokapitalgeber werden immer aktiver. Gerade in Deutschland gab es im vergangenen Jahr einige sehr große Investitionen in Startups, an denen chinesische Investoren maßgeblich beteiligt waren. Neben deutscher Ingenieurskunst ist zunehmend ECommerce-Kompetenz gefragt.“

Auf High Tech/Softwareunternehmen entfielen im vergangenen Jahr europaweit 27 Transaktionen (Vorjahr: 20). „Wir sehen ein gestiegenes Interesse etwa an Spieleentwicklern und Softwareprogrammierern. Gerade der aktivste chinesischer Investor vergangenen Jahr, Tencent, hat sich zuletzt in diesem Segment stark engagiert“, beobachtet Sun.

Gestiegen ist auch die Zahl der Übernahmen und Beteiligungen im Bereich Gesundheit: von 16 auf 26 Transaktionen. „Der Gesundheitssektor – ob Pharma, Biotech oder Medizintechnik – wird zunehmend zu einem der wichtigsten Zielsektoren chinesischer Unternehmen, weil es in diesem Sektor einen großen Nachholbedarf in China gibt, insbesondere bei der Forschung und Entwicklung.“

Großbritannien löst Deutschland als Top-Ziel in Europa ab
Die meisten Transaktionen wurden im vergangenen Jahr in Großbritannien verzeichnet. Mit 36 Übernahmen und Beteiligungen liegt Großbritannien knapp vor Deutschland (35 Transaktionen) und deutlich vor den drittplatzierten Niederlanden (13).

Im Vorjahr war die Reihenfolge an der Spitze noch umgekehrt: 2020 lag Deutschland mit 28 Transaktionen vor Großbritannien mit 21 Deals.

„In dem Maß, wie sich das Interesse chinesischer Investoren weg von klassischen Industrieunternehmen hin zu Technologie-, Software- und Medienunternehmen entwickelt, gewinnt der Zielmarkt Großbritannien an Bedeutung“, sagt Sun. Sie ist allerdings überzeugt, dass Deutschland für chinesische Investoren ein attraktiver Markt bleibt: „Viele chinesische Unternehmen haben gute Erfahrungen mit ihren Investitionen gerade in Deutschland gemacht. Zudem gibt es inzwischen auf vielen Ebenen enge und belastbare Verbindungen zwischen China und Deutschland. Wir werden in den kommenden Monaten weitere chinesische Transaktionen in Deutschland sehen – vor allem, wenn die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft nachlassen“, erwartet Sun.

Die europaweit größte Investition war im vergangenen Jahr der Verkauf der Haushaltsgeräte-Sparte von Philips an die Investmentfirma Hillhouse Capital mit Sitz in Hong Kong für 4,4 Milliarden US-Dollar.

Die zweitgrößte Transaktion war die Übernahme des britischen Entwicklerstudios Sumo Digital durch Tencent für 1,1 Milliarden US-Dollar, gefolgt von der Übernahme des dänischen Kühlcontainer-Herstellers Maersk Container Industry durch China International Marine Containers für ebenfalls 1,1 Milliarden US-Dollar.

Studiendesign:

  • Quellen: EY-Recherche, Thomson ONE, Merger Market, Mitteilungen der Unternehmen bzw. beteiligter Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien.
  • Untersucht wurden Akquisitionen und Beteiligungen, die von Unternehmen mit Hauptsitz in China und Hongkong oder deren Tochterunternehmen ausgingen.
  • Die Zielunternehmen haben ihren Sitz in Europa und sind operativ tätig.
  • Nicht berücksichtigt wurden reine Immobilientransaktionen.
  • In die Analyse wurden auch Transaktionen einbezogen, die zum Stichtag 17.02.2022 noch nicht abgeschlossen waren

Zunehmend beteiligen sich chinesische Investoren auch an Risikokapital-Finanzierungsrunden, zumeist als Teil von Investorengruppen. In diesen Fällen lässt sich häufig nicht feststellen, wie hoch der vom chinesischen Investor bereitgestellte Betrag ist. Daher werden diese Transaktionen zwar bei der Zahl der Transaktionen, nicht aber bei den Gesamtwerten berücksichtigt.

Weitere Informationen:
Ernst & Young Unternehmen China Automotive
Quelle:

Ernst & Young Global Limited (EYG)

(c) Ligne Roset
22.02.2022

Heimtextil-Trends 2022: Der Wunsch nach Beständigkeit

Mal schrill, mal ganz sanft und immer in Bewegung: Die Welt der Textilien ist ein wahrer Verwandlungskünstler. Mit den Heimtextil-Trends 2022 hält die Natur leise und zurückhaltend Einzug in unser Zuhause und setzte ein klares Statement – Altbekanntes wird neu gedacht.

Heimtextil-Trends 2022: Wir besinnen uns auf das Wesentliche
Vor der Pandemie war unser Zuhause lediglich ein Teilbereich des Lebens. Einen Großteil des Tages waren wir unterwegs. Die Corona-Pandemie hat das alles verändert. Viele verbrachten so viel Zeit in den eigenen vier Wänden wie nie zuvor, das Zuhause wurde zum Lebensmittelpunkt. „Wohnen“ wurde im vergangenen Jahr zum omnipräsenten Thema. In Zeiten, in denen alles unbeständig scheint, besinnen sich viele auf das Wesentliche und sehnen sich nach Geborgenheit und Ruhe: Das eigene Zuhause wird zum natürlichen Rückzugsort, um Kraft zu tanken. Das beeinflusst auch die Interior- und Lifestylebranche.

Mal schrill, mal ganz sanft und immer in Bewegung: Die Welt der Textilien ist ein wahrer Verwandlungskünstler. Mit den Heimtextil-Trends 2022 hält die Natur leise und zurückhaltend Einzug in unser Zuhause und setzte ein klares Statement – Altbekanntes wird neu gedacht.

Heimtextil-Trends 2022: Wir besinnen uns auf das Wesentliche
Vor der Pandemie war unser Zuhause lediglich ein Teilbereich des Lebens. Einen Großteil des Tages waren wir unterwegs. Die Corona-Pandemie hat das alles verändert. Viele verbrachten so viel Zeit in den eigenen vier Wänden wie nie zuvor, das Zuhause wurde zum Lebensmittelpunkt. „Wohnen“ wurde im vergangenen Jahr zum omnipräsenten Thema. In Zeiten, in denen alles unbeständig scheint, besinnen sich viele auf das Wesentliche und sehnen sich nach Geborgenheit und Ruhe: Das eigene Zuhause wird zum natürlichen Rückzugsort, um Kraft zu tanken. Das beeinflusst auch die Interior- und Lifestylebranche.

Natur pur in Form und Farbe
Die Verbindung von Natur und Wohnen wird im Textildesign immer wichtiger. Es geht darum, eine Symbiose zwischen natürlichen Materialien, Farben und Textilien zu schaffen und Räumen dadurch eine warme Atmosphäre zu verleihen. Weiche Texturen, amorphe Formen und gedeckte Erdtöne bestimmen die Heimtextil-Trends 2022.

Klassiker neu entdeckt: Bouclé & Cord
Bei Bouclé denken die meisten wohl zunächst an das weltberühmte und zeitlose Coco-Chanel-Kostüm aus den 50er-Jahren. Im Laufe der 80er und 90er verschwand der Stoff vom Trendradar. Doch in diesem Jahr feiert er ein fantastisches Comeback im Interior-Design. Bouclé trifft genau den richtigen Punkt zwischen weich und strapazierfähig. Die Polsterung wird typischerweise aus Baumwolle hergestellt und ist besonders langlebig. Ob als Sofa, Sessel, Vorhang oder Kissen: Bouclé-Polsterung ist ein echtes Multitalent und verleiht jedem Raum ein gemütliches Ambiente. Gepaart mit Holz oder Metall mildert es die härteren Elemente ab.

Ein weiteres haptisches Highlight aus vergangenen Tagen erlebt ein Revival: Cord. Ein zeitloser Klassiker, der zu Recht wieder in unsere vier Wände einzieht. Dank seiner weichen Struktur eignet sich der Stoff gut für Sitzmöbel und Sofas. Die typischen Längsrillen machen das Material besonders spannend. Und das Beste ist: Cord passt sich jedem Einrichtungsstil gekonnt an – entgegen seinem Klischee, spießig zu sein.

Mix & Match natürlicher Materialien und Formen
Natürliche Materialien wie Leinen, Wolle und Holz verleihen jedem Zuhause sofort eine organische, lebendige Qualität. Besonders im DIY-Boom des vergangenen Jahres lässt sich die Verbindung zur Natur erkennen: Makramees – aus Wolle geflochtene Dekoration – schmücken viele Wände. Auch Kissen und Decken aus gewebter und geflochtener Wolle in gedeckten Creme-Tönen schaffen einen natürlichen und gemütlichen Look. Organische, der Natur nachempfundene Muster und Strukturen sind aus keinem Zuhause mehr wegzudenken.

Aus der Modewelt direkt in die Textiltrends 2022 katapultiert, verpasst „Organic Camouflage“ dem Tarnmuster einen neuen Look. In warmen Erd- und Pastelltönen erinnert das Trend-Muster an weiche Sandstrände, das Meer oder den Wald. Ob als Teppich oder Kissen, kombiniert mit einer dezenten Couch schafft „Organic Camouflage“ einen lebendigen Look.

Mut zum Muster
Ob als Tapete, Teppich oder Deko: Blumendrucke in üppigen Farbkombinationen sind im Stoffdesign immer noch im Trend. In dunklen Grüntönen schaffen sie eine elegante Verbindung zur Natur. Dramatische Blumenprints auf der Tapete setzen ein Statement in jedem Raum. Aber auch kleine Accessoires und Akzente wie florale Kissen oder Decken auf einem einfarbigen Sofa oder Sessel haben schon eine große Wirkung. Kombiniert mit hellen Tönen und Mustern entsteht ein harmonisches Spiel der Farben und Texturen. Neben floralen Textilien sind Polstermöbel mit grafischen Drucken ein Trend, der Mut zum Außergewöhnlichen erfordert. Große und kleine grafische Muster verleihen jedem Material Tiefe und bringen so auf raffinierte Weise Leben in die Wohnung.

Nachhaltige Materialien & Textilien
Der globale Trend der Nachhaltigkeit wirft auch im Hinblick auf die Textilproduktion Fragen auf. Woher kommt das Produkt? Wurde es umweltfreundlich hergestellt? Die Antwort der Textilbranche sind Stoffe aus recyceltem Polyester oder ressourcenschonendem Hanf, Kork als Holzersatz oder fair produzierte Bio-Baumwolle. Auch Alternativen zu tierischen Stoffen werden in der Textilbranche immer häufiger verwendet. Von Äpfeln und Ananas über Pilze bis hin zu Kakteen: Aus vielen natürlichen Ressourcen lässt sich vegetarisches oder veganes Leder produzieren. Die Palette an nachhaltigen und umweltfreundlichen Textilien ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden und wird auch in Zukunft noch weiterwachsen.

Quelle:

imm cologne / Koelnmesse

Foto: pixabay
15.02.2022

Intelligente Fasern: Farbwechsel bei beschädigten Seilen

Hochleistungsfasern, die hohen Temperaturen ausgesetzt waren, verlieren meist unerkannt ihre mechanischen Eigenschaften und können im schlimmsten Fall genau dann reißen, wenn Leben davon abhängen. Zum Beispiel Sicherheitsseile der Feuerwehr oder Tragseile für schwere Lasten auf Baustellen. Empa-Forschende haben eine Beschichtung entwickelt, die die Farbe wechselt, wenn sie hohen Temperaturen durch Reibung oder Feuer ausgesetzt war.

Der Feuerwehrmann rennt ins brennende Gebäude und durchsucht systematisch Raum für Raum nach Personen, die Rettung bedürfen. An ihm befestigt ist ein Sicherungsseil, an dessen anderem Ende die Kollegen draußen vor dem Haus warten und ihn im Notfall – sollte er aus irgendwelchen Gründen das Bewusstsein verlieren – aus dem Gebäude ziehen oder ihm zur Rettung ins Gebäude folgen können. Ist dieses Seil allerdings bei vorherigen Einsätzen zu großer Hitze ausgesetzt gewesen, kann es vorkommen, dass es reißt. Das bedeutet Lebensgefahr!

Hochleistungsfasern, die hohen Temperaturen ausgesetzt waren, verlieren meist unerkannt ihre mechanischen Eigenschaften und können im schlimmsten Fall genau dann reißen, wenn Leben davon abhängen. Zum Beispiel Sicherheitsseile der Feuerwehr oder Tragseile für schwere Lasten auf Baustellen. Empa-Forschende haben eine Beschichtung entwickelt, die die Farbe wechselt, wenn sie hohen Temperaturen durch Reibung oder Feuer ausgesetzt war.

Der Feuerwehrmann rennt ins brennende Gebäude und durchsucht systematisch Raum für Raum nach Personen, die Rettung bedürfen. An ihm befestigt ist ein Sicherungsseil, an dessen anderem Ende die Kollegen draußen vor dem Haus warten und ihn im Notfall – sollte er aus irgendwelchen Gründen das Bewusstsein verlieren – aus dem Gebäude ziehen oder ihm zur Rettung ins Gebäude folgen können. Ist dieses Seil allerdings bei vorherigen Einsätzen zu großer Hitze ausgesetzt gewesen, kann es vorkommen, dass es reißt. Das bedeutet Lebensgefahr!

Bislang gab es keine Möglichkeit, dem Seil diese Schäden anzumerken. Ein Forscherteam der Empa und der ETH Zürich entwickelten eine Beschichtung, die aufgrund der physikalischen Reaktion mit Hitze ihre Farbe wechselt und so deutlich anzeigt, ob ein Seil auch zukünftig noch die Sicherheit bietet, die es verspricht.

Forschende der ETH Zürich und der Empa entwickelten 2018 im Rahmen einer Masterarbeit ein Beschichtungssystem, das das Empa-Team 2021 auf Fasern anwenden konnten. "Das war ein Prozess mit mehreren Schritten", so Dirk Hegemann von der Empa-Abteilung Advances Fibers. Die ersten Beschichtungen funktionierten lediglich auf glatten Oberflächen; die Methode musste also zunächst einmal so angepasst werden, dass sie auch bei gekrümmten Flächen funktioniert. Die Empa verfügt beim Beschichten von Fasern über ein breites Know-How – so haben Hegemann und sein Team in der Vergangenheit bereits elektrisch leitfähige Fasern entwickelt. Das sogenannte Sputtering kam nun auch bei der neusten Beschichtung erfolgreich zum Einsatz.

Damit die Faser bei Hitze auch tatsächlich ihre Farbe verändert, sind drei Schichten nötig. Auf die Faser selbst, im Falle der Forschungsarbeit PET (also Polyester) und VectranTM, eine Hightech-Faser, bringen die Forschenden Silber auf. Dieses dient als Reflektor – also als metallische Basisschicht. Dann folgt eine Zwischenschicht aus Titan-Stickoxid, die dafür sorgt, dass das Silber stabil bleibt. Und erst dann folgt jene amorphe Schicht, die für die Farbveränderung sorgt: Gerade einmal 20 Nanometer dünnes Germanium-Antimon-Tellurium (GST). Wird diese Schicht erhöhten Temperaturen ausgesetzt, kristallisiert sie; dadurch verändert sich der Farbeindruck, etwa von blau nach weißlich. Der Farbumschlag basiert auf einem physikalischen Phänomen, der so genannten Interferenz. Dabei treffen zwei unterschiedliche Wellen (z.B. Licht) aufeinander und verstärken sich beziehungsweise schwächen sich gegenseitig ab. Abhängig von der chemischen Zusammensetzung der temperatursensitiven Schicht lässt sich diese Farbveränderung auf einen Temperaturbereich zwischen 100 und 400 Grad einstellen und damit an die mechanischen Eigenschaften des Fasertyps anpassen.

Maßgeschneiderte Lösungen
Noch sind die möglichen Anwendungsgebiete der farbverändernden Fasern offen, und Hegemann ist auf der Suche nach möglichen Projektpartnern. Nebst Sicherheitsausrüstung für Feuerwehrleute oder Bergsteiger lassen sich die Fasern auch für Lastseile in Produktionsstätten, auf Baustellen usw. nutzen. Die Forschung am Thema ist jedenfalls noch längst nicht abgeschlossen. So lässt sich die Fasern zurzeit noch nicht über längere Zeiträume lagern, ohne ihre Funktionalität zu verlieren. «Leider oxidieren die Phase-Change-Materialien im Verlauf von einigen Monaten», so Hegemann. Das bedeutet, dass der entsprechende Phasenwechsel – die Kristallisation – selbst bei Hitze nicht mehr stattfindet und das Seil somit sein «Warnsignal» verliert. Dass das Prinzip funktioniert, ist jedenfalls bewiesen und die Haltbarkeit ein Thema zukünftiger Forschung, so Hegemann. «Sobald erste Partner aus der Industrie ihr Interesse für eigene Produkte anmelden, lassen sich die Fasern entsprechend ihren Bedürfnissen weiter optimieren».

Informationen:
Dr. Dirk Hegemann
Advanced Fibers
Tel. +41 58 765 7268
Dirk.Hegemann@empa.ch

Quelle:

EMPA, Andrea Six

Foto: pixabay, Hilary Clark
01.02.2022

Baumwollfasern 2.0: Feuerfest und anschmiegsam

Ein an der Empa entwickeltes chemisches Verfahren macht aus Baumwolle ein schwer entflammbares Gewebe, das trotzdem die hautfreundlichen Eigenschaften von Baumwolle behält.

Herkömmliche flammhemmende Baumwolltextilien enthalten oft Rückstände von Formaldehyd und sind zudem unangenehm auf der Haut. Empa-Wissenschaftlern ist es gelungen, dieses Problem zu umgehen, indem sie ein physikalisch und chemisch unabhängiges Netzwerk im Inneren der Fasern schufen. So bleiben die positiven Eigenschaften der Baumwollfaser erhalten, die drei Viertel des weltweiten Bedarfs an Naturfasern in Kleidung und Heimtextilien ausmachen: Baumwolle ist hautfreundlich, weil sie erhebliche Mengen an Wasser aufnehmen kann und ein günstiges Mikroklima auf der Haut gewährleistet.

Ein an der Empa entwickeltes chemisches Verfahren macht aus Baumwolle ein schwer entflammbares Gewebe, das trotzdem die hautfreundlichen Eigenschaften von Baumwolle behält.

Herkömmliche flammhemmende Baumwolltextilien enthalten oft Rückstände von Formaldehyd und sind zudem unangenehm auf der Haut. Empa-Wissenschaftlern ist es gelungen, dieses Problem zu umgehen, indem sie ein physikalisch und chemisch unabhängiges Netzwerk im Inneren der Fasern schufen. So bleiben die positiven Eigenschaften der Baumwollfaser erhalten, die drei Viertel des weltweiten Bedarfs an Naturfasern in Kleidung und Heimtextilien ausmachen: Baumwolle ist hautfreundlich, weil sie erhebliche Mengen an Wasser aufnehmen kann und ein günstiges Mikroklima auf der Haut gewährleistet.

Für Feuerwehrleute und andere Einsatzkräfte ist die Schutzkleidung die wichtigste Barriere. Für solche Zwecke wird hauptsächlich Baumwolle als innere Textilschicht verwendet, die jedoch zusätzliche Eigenschaften benötigt: Sie muss etwa feuerfest sein oder vor biologischen Schadstoffen schützen. Dennoch sollte sie nicht wasserabweisend sein, weil dies ein unangenehmes Mikroklima schaffen würde. Diese zusätzlichen Eigenschaften können durch geeignete chemische Modifikationen in die Baumwollfasern «eingebaut» werden.

Dauerhaft aber toxisch
«Bislang war es immer ein Kompromiss, Baumwolle feuerfest zu machen», sagt der Chemiker und Polymerexperte Sabyasachi Gaan aus der Empa-Abteilung «Advanced Fibers». Waschbeständige, flammhemmende Baumwolle wird in der Industrie durch die Behandlung des Gewebes mit Flammschutzmitteln hergestellt, die sich chemisch mit der Zellulose in der Baumwolle verbinden. Derzeit hat die Textilindustrie keine andere Wahl, als auf Formaldehyd basierende Chemikalien zu verwenden – und Formaldehyd gilt als krebserregend. Ein jahrzehntealtes Problem. Formaldehyd-basierte Flammschutzmittel sind zwar langlebig, haben aber weitere Nachteile: Die OH-Gruppen der Zellulose werden chemisch blockiert, was die Fähigkeit der Baumwolle, Wasser aufzunehmen, erheblich mindert, und zu einem unangenehmen Tragegefühl der Textilien führt.

Gaan hat an der Empa viele Jahre lang Flammschutzmittel auf Basis der Phosphorchemie entwickelt, die bereits in vielen industriellen Anwendungen eingesetzt werden. 2021 ist es ihm gelungen, einen eleganten und einfachen Weg zu finden, Phosphor in Form eines unabhängigen Netzwerks in der Baumwolle zu verankern.

Chemisches Netzwerk zwischen den Baumwollfasern
Gaan und seine Forscherkollegen Rashid Nazir, Dambarudhar Parida und Joel Borgstädt, nutzten eine tri-funktionale Phosphorverbindung (Trivinylphosphinoxid), die die Fähigkeit besitzt, nur mit bestimmten zugesetzten Molekülen (Stickstoffverbindungen wie Piperazin) zu reagieren und ein eigenes Netzwerk im Inneren der Baumwolle zu bilden. Dadurch wird die Baumwolle dauerhaft feuerbeständig, ohne die günstigen OH-Gruppen zu blockieren. Darüber hinaus ist das physikalische Phosphinoxid-Netzwerk auch noch hydrophil und nimmt zusätzlich Feuchtigkeit auf. Diese flammhemmende Ausrüstung enthält kein krebserregendes Formaldehyd, das vor allem die Textilarbeiter bei der Herstellung gefährden würde, und die Phosphinoxid-Netzwerke waschen sich auch nicht aus: Nach 50 Wäschen sind noch 95 Prozent des Flammschutznetzwerks im Gewebe vorhanden.

Um der an der Empa entwickelten flammhemmenden Baumwolle zusätzliche Schutzfunktionen zu verleihen, brachten die Forscher Silber-Nanopartikel in das Gewebe ein. Dies funktioniert in einem einstufigen Prozess zusammen mit der Erzeugung der Phosphinoxid-Netzwerke. Die Silber-Nanopartikel verleihen der Faser antimikrobielle Eigenschaften und überleben selbst 50 Waschgänge.

Eine Hightech-Lösung aus dem Schnellkochtopf
«Wir haben einen einfachen Ansatz verwendet, um die Phosphinoxid-Netzwerke im Inneren der Zellulose zu fixieren», sagt Gaan. «Für unsere Laborexperimente haben wir die Baumwolle zunächst mit einer wässrigen Lösung von Phosphor- und Stickstoffverbindungen behandelt und anschliessend in einem handelsüblichen Schnellkochtopf gedämpft, um die Vernetzungsreaktion der Phosphor- und Stickstoffmoleküle zu erleichtern.» Der Anwendungsprozess ist mit den in der Textilindustrie bereits eingesetzten Behandlungsmaschinen kompatibel. «Das Dämpfen von Textilien nach dem Färben, Bedrucken und Veredeln ist ein normaler Schritt in der Textilindustrie. Es ist also keine zusätzliche Investition nötig, um unser Verfahren anzuwenden», so der Empa-Chemiker.

Inzwischen sind diese neu entwickelte Phosphorchemie und ihre Anwendung durch eine Patentanmeldung geschützt. «Es bleiben noch zwei wichtige Hürden», so Gaan. «Für die zukünftige Kommerzialisierung müssen wir einen geeigneten Chemikalienhersteller finden, der Trivinylphosphinoxid herstellen und liefern kann. Außerdem muss Trivinylphosphinoxid noch in der EU-Chemikaliendatenbank REACH registriert werden, damit sie problemlos gehandelt und transportiert werden kann.»

Kontakt:
Dr. Sabyasachi Gaan
Advanced Fibers
Tel. +41 58 765 7611
sabyasachi.gaan@empa.ch

Kontakt:
Prof. Dr. Manfred Heuberger
Advanced Fibers
Tel: +41 58 765 7878
manfred.heuberger@empa.ch

Ein Gel, das Medikamente freisetzt
Die neuartige Phosphorchemie kann auch für die Entwicklung anderer Materialien genutzt werden, etwa für die Herstellung von Hydrogelen, die bei wechselndem pH-Wert gezielt Medikamente freisetzen können. Solche Gele könnten Anwendung bei der Behandlung von Wunden finden, die nur langsam heilen. Bei solchen Wunden steigt der pH-Wert der Hautoberfläche an, und die neuen phosphorbasierten Gele können so getriggert werden, dass sie gezielt Medikamente auf die Wunde dosieren oder einen Farbstoff freisetzen, der Ärzte und Pflegepersonal auf das Problem aufmerksam macht. Die Empa hat auch die Herstellung solcher Hydrogele patentiert.

Quelle:

EMPA, Rainer Klose

Foto: pixabay
25.01.2022

momox fashion legt Second Hand Fashion Report 2022 vor

  • Repräsentative Studie mit fast 8.000 Teilnehmer:innen zum Second Hand Fashion Markt in Deutschland
  • Second Hand ersetzt neu: 84 Prozent haben aufgrund von Second Hand Shopping weniger Neuware gekauft
  • 71 Prozent haben weniger Geld für Neuware ausgegeben, weil sie Second Hand Kleidung gekauft haben
  • Für knapp jede:n Zweite:n (45 Prozent) ist Second Hand Kleidungskauf selbstverständlich geworden
  • Nachhaltige Produktion ist beim Kauf von Second Hand Mode wichtiger (60 Prozent) als der Markenname (48 Prozent)

Second Hand ersetzt neu – das sagen 84 Prozent der Second Hand Shoppenden in Deutschland und geben an, dass der Kauf von Second Hand Artikeln für sie den Neukauf eines Kleidungsstücks ersetzt hat.

  • Repräsentative Studie mit fast 8.000 Teilnehmer:innen zum Second Hand Fashion Markt in Deutschland
  • Second Hand ersetzt neu: 84 Prozent haben aufgrund von Second Hand Shopping weniger Neuware gekauft
  • 71 Prozent haben weniger Geld für Neuware ausgegeben, weil sie Second Hand Kleidung gekauft haben
  • Für knapp jede:n Zweite:n (45 Prozent) ist Second Hand Kleidungskauf selbstverständlich geworden
  • Nachhaltige Produktion ist beim Kauf von Second Hand Mode wichtiger (60 Prozent) als der Markenname (48 Prozent)

Second Hand ersetzt neu – das sagen 84 Prozent der Second Hand Shoppenden in Deutschland und geben an, dass der Kauf von Second Hand Artikeln für sie den Neukauf eines Kleidungsstücks ersetzt hat. Weitere 71 Prozent geben an, dass sie weniger Geld für Kleidung ausgegeben haben, weil sie gebrauchte Artikel gekauft haben.** Dies sind Ergebnisse des aktuellen Second Hand Fashion Reports 2022, für den der Second Hand Onlineshop momox fashion das dritte Mal in Folge jeweils zwei Studien durchgeführt hat: Eine repräsentative Umfrage in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Kantar sowie eine Kundenumfrage unter momox fashion Kund:innen, um detaillierte Einblicke in den Gebrauchtwarenmarkt für Kleidung zu bekommen. Insgesamt nahmen 7.826 Personen an den Umfragen teil.

Second Hand Kleidungskauf ist für jede:n Zweite:n selbstverständlich geworden
Die repräsentative Kantar-Umfrage zeigt, dass der Kauf von Second Hand Kleidung zur Routine geworden ist: 67 Prozent der Deutschen haben bereits schon einmal Second Hand Kleidung gekauft – ein Zuwachs von elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mehr als jede:r Zweite (56 Prozent) tut dies regelmäßig – mindestens ein Mal jährlich. Dabei ist für 45 Prozent der Kauf von Second Hand Kleidung selbstverständlich oder sehr selbstverständlich geworden. Zudem schätzt über die Hälfte der Deutschen (53 Prozent), dass ihr Kleiderschrank aus bis zu 20 Prozent Second Hand Kleidung besteht.*

Second Hand Kleidung wird nicht nur online geshoppt, sondern auch verkauft
Die beliebteste Art, gebrauchte Kleidung zu kaufen, ist das Onlineshopping: 44 Prozent der Befragten kaufen ihre Second Hand Fashion-Pieces im Netz. Rund jede:r Dritte (28 Prozent) begibt sich in Second Hand-Läden auf die Suche nach dem nächsten Lieblingsteil aus zweiter Hand, gefolgt von Flohmärkten mit 14 Prozent. Dabei überrascht, dass besonders die Generation 50+ gerne online kauft (44 Prozent). Die Generation Z (unter 25-Jährige) bevorzugt jedoch Second Hand Läden (30 Prozent).*

Aber nicht nur Second Hand Onlineshopping ist beliebt. Fast jede:r Zweite (45 Prozent) verkauft gebrauchte Kleidung weiter und dies bevorzugt online (76 Prozent). Lediglich 11 Prozent verkaufen auf Flohmärkten und 8 Prozent an Second Hand Läden.*

Nachhaltigkeit bleibt Hauptmotivation für den Kauf von gebrauchter Kleidung
Um mehr über die Gründe für den Kauf von Second Hand Kleidung zu erfahren, hat momox fashion eine Kundenumfrage unter knapp 7.000 Teilnehmer:innen durchgeführt. Klare Motivation für den Kauf von gebrauchter Kleidung bleibt weiterhin mit 87 Prozent der Nachhaltigkeitsaspekt. 83 Prozent shoppen Kleidung second hand aufgrund der Preisersparnis im Vergleich zur Neuware. Rund jede:r Zweite (49 Prozent) geht auf Kleidungssuche im Second Hand Handel, da die gewünschte Ware nicht mehr im regulären verfügbar ist.**

Fast allen Befragten (91 Prozent) ist allgemein beim Kleidungskauf Nachhaltigkeit und Umweltschutz wichtig oder sehr wichtig. Dies spiegelt sich auch im Konsumverhalten wider: Rund drei Viertel (85 Prozent) versuchen, wenn möglich, aus zweiter Hand zu kaufen. 58 Prozent achten darauf, nachhaltige Kleidung zu shoppen. Und 31 Prozent verwenden umweltschonende Produkte für die Pflege und Reinigung der Kleidung.**

Nachhaltige Produktion oder Markenname – Was ist wichtiger?
Für mehr als die Hälfte (51 Prozent) der Befragten, ist der Markenname beim Kauf von gebrauchter Kleidung weniger wichtig oder unwichtig. Ob die Kleidung nachhaltig produziert wurden, erachten 60 Prozent hingegen als sehr wichtig oder wichtig. Vor allem für die Generation 60+ (75 Prozent) ist eine nachhaltige Produktion der Second Hand Kleidung sehr wichtig oder wichtig.**

Second Hand Kleidung ist vor allem bei Eltern beliebt
Gebrauchte Kleidung wird aber nicht nur für sich selbst gekauft, fast jede:r Fünfte (18 Prozent) tut es auch für seine/ihre Kinder.* Bei den Eltern unter den Second Hand Shopper:innen kaufen 85 Prozent Kleidung aus zweiter Hand für ihre Kinder. Am beliebtesten sind hier Onlineshops (58 Prozent) und Online-Marktplätze und Second Hand Onlineshops (51 Prozent). 43 Prozent kaufen gebrauchte Kinderkleidung von Freunden. 33 Prozent gehen gerne in Second Hand Läden und weitere 23 Prozent in stationären Kinderbekleidungsgeschäften shoppen. Dabei geben 63 Prozent der Befragten an, dass sie mehr Second Hand Kleidung kaufen, seitdem sie Eltern geworden sind.**

Jacken und Mäntel sind Second Hand Topseller
Am liebsten werden Jacken und Mäntel (70 Prozent) aus zweiter Hand geshoppt, gefolgt von Pullovern (60 Prozent), Kleider und Röcken (56 Prozent) und Hosen (49 Prozent). Dabei scheinen Hosen und Pullover bei den Second Hand Käufer:innen im Vergleich zum Vorjahr beliebter geworden zu sein (Vorjahr: 46 Prozent und 51 Prozent). Jüngere Shoppende (18-29-Jährige) kaufen noch lieber als Jacken und Mäntel ihre Pullover second hand (80 Prozent).**

Quellen:
* Kantar-Umfrage
** momox fashion Umfrage
 
Methodik:
Kantar-Umfrage: Fallzahl (n=1.037), Zielgruppe: 16-64 Jahre; Methode: Online-Umfrage im Befragungszeitraum (13.-16.11.2021), durchgeführt von der Kantar Deutschland GmbH im Auftrag der momox AG
 
momox fashion Umfrage: Fallzahl (n=6.789), Befragungszeitraum (21.-26.10.2021), Zielgruppe: momox fashion Kund:innen im Alter von unter 18 bis über 60 Jahren; Methode: Online-Umfrage, durchgeführt von der momox AG

Download der Studie

(c) Schoeller Textil AG
18.01.2022

Eine Jacke aus einer Jacke aus einer Jacke …

Herstellen, tragen, waschen, verbrennen: Dieser typische Lebenslauf von Kleidungsstücken, der die Umwelt belastet, soll in Zukunft verändert werden – hin zu kreislauf-wirtschaftlichen Prinzipien mit Recycling. An einer Outdoor-Jacke aus PET-Flaschen und Recyclingmaterial haben Empa-Forschende untersucht, ob das Produkt tatsächlich hält, was die Idee verspricht.

Auf den ersten Blick eine normale Regenjacke. Drei Schichten Polyester, innen ein Futter, darüber eine wasserdampf-durchlässige Membran und aussen wasserabweisendes Gewebe, mit einer Kapuze. Doch der Reissverschluss lässt stutzen. Statt in Kragenhöhe zu enden, zieht er sich hoch bis über die Stirn … – wer würde ihn soweit zuziehen?

Herstellen, tragen, waschen, verbrennen: Dieser typische Lebenslauf von Kleidungsstücken, der die Umwelt belastet, soll in Zukunft verändert werden – hin zu kreislauf-wirtschaftlichen Prinzipien mit Recycling. An einer Outdoor-Jacke aus PET-Flaschen und Recyclingmaterial haben Empa-Forschende untersucht, ob das Produkt tatsächlich hält, was die Idee verspricht.

Auf den ersten Blick eine normale Regenjacke. Drei Schichten Polyester, innen ein Futter, darüber eine wasserdampf-durchlässige Membran und aussen wasserabweisendes Gewebe, mit einer Kapuze. Doch der Reissverschluss lässt stutzen. Statt in Kragenhöhe zu enden, zieht er sich hoch bis über die Stirn … – wer würde ihn soweit zuziehen?

Die Erklärung liefert Annette Mark vom Textilhersteller BTK Europe, die an diesem Produkt mitgewirkt hat. Der Reissverschluss soll optisch auffallen – und dient vor allem dem Recycling: Festgenäht mit einem Garn, das sich in kochendem Wasser auflöst, lässt er sich leichter entfernen als zwei Verschlüsse. «Einmal ziehen, fertig», sagt die Expertin für Textilien und Recycling. Auch die hellgrüne Farbe entsteht durch Recycling: das Rohmaterial, ein Granulat aus einem Gemisch unterschiedlicher, aber sortenreiner Textilien, ist dunkelgrün – und das Aufschmelzen und Ausspinnen des Materials für neue Garne hellt es auf.

Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie
Magnetknöpfe, Nähte, Säume: Jedes Detail der Jacke folgt dem «Design2Recycle»-Ansatz, wie es auf der Webseite von «Wear2wear» heisst. Zu diesem Konsortium haben sich sechs Firmen aus Europas Textilbranche vereint, um die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Schliesslich enden mehr als 70 Prozent aller weltweit produzierten Textilien auf einer Deponie oder in der Müllverbrennung, ohne rezykliert zu werden.

Was kann Kreislaufwirtschaft in dieser Branche ausrichten? Ein Team der Empa-Abteilung «Technologie und Gesellschaft» hat die Jacke und ihre Umweltwirkungen genauer angeschaut – mit Hilfe einer Lebenszyklus-Analyse über eine Gebrauchsdauer von vier Jahren; dreimaliges Waschen eingerechnet. Die Kandidaten: eine ohne kreislaufwirtschaftliche Methoden produzierte Variante, die «Startversion» der seit 2019 erhältlichen Jacke in blauer Farbe – mit einer Aussenschicht aus Polyester, das aus dem Material gebrauchter PET-Flaschen stammt – und die grüne Version aus dem nachfolgenden Recycling-Prozess, in der unvermeidliche Materialverluste durch neues Polyester ersetzt sind.

Die Analysen der Empa-Forschenden zeigen, dass die Recyclingprodukte besser abschneiden – in elf untersuchten Umweltrisiko-Kategorien, darunter Erderwärmung, Toxizität für Ökosysteme und Wasserknappheit. Auffällig grosse Vorteile zeigen sich etwa bei der Luftverschmutzung, weil ohne Verbrennung weniger Schadstoffe freigesetzt werden. Und bei der Wasserknappheit, vor allem bei der grünen Jacke nach der ersten Recycling-«Schleife», für die keine PET-Flaschen mehr verwendet werden.

Weitere Einsichten aus den Analysen: Beim Treibhauseffekt liegt der maximale Umweltnutzen bei gut 30 Prozent. Und die Verwendung von PET-Flaschen bringt für die Bilanz keine grossen Vorteile. Entscheidend ist dagegen die Zahl der Rezyklierdurchgänge zu immer neuen Jacken: Die Bilanz verbessert sich von Jacke zu Jacke – vorausgesetzt, die Qualität des Polyesters bleibt hoch genug.

In der Praxis ist das anspruchsvoll, wie Mark erklärt: Je nach Herkunft unterscheidet sich das Rohmaterial teils deutlich. Wurden die Fasern mit bestimmten Hilfsstoffen beschichtet, können die Düsen der Spinnmaschinen verstopfen. Und allgemein sinkt die Qualität mit der Anzahl der Rezyklierungen: unregelmässigere Strukturen des Garns und geringere Festigkeit.

Annette Marks Fazit zu den Empa-Analysen: «sehr realistisch» und nützlich für Verbesserungen. «Die Zusammenarbeit war sehr angenehm», sagt sie, «volle Transparenz und keine Kompromisse.» Auch die Forschenden fanden die Kooperation fruchtbar. «Eine offene Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist enorm wichtig», sagt das ehemalige Teammitglied Gregor Braun, der die Empa mittlerweile verlassen hat und nun als Berater für Nachhaltigkeit arbeitet. «Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft können gut miteinander harmonieren.»

Ob die Jacke ein Markterfolg wird? «Die Textilbranche ist im Umbruch. Es findet ein Umdenken statt, das wir nicht verpassen sollten», sagt Annette Mark. Doch Grosskonzerne, die bereits ähnliche Produkte entwickeln, «haben ganz andere Möglichkeiten». Immerhin sind Gespräche mit einem Hersteller von Sportbekleidung im Gange – für eine Fleece-Jacke, bei der auch die Erkenntnisse der Empa helfen könnten.

Mikroplastikfasern aus Textilien
Textilien aus Polyester sind wegen der Freisetzung von Mikroplastikfasern – etwa beim Waschen – in den Schlagzeilen, was zuweilen als Gefahr für Mensch und Umwelt dargestellt wird. Empa-Fachleute haben Entstehung und Freisetzung von Mikroplastikfasern untersucht. Die Ergebnisse: Fasern werden vor allem an Stoffrändern freigesetzt. Ihre Entstehung und Freisetzung hängt unter anderem von der Art der Faser ab, von Oberflächenbehandlung und der Art des Schneidens. Aus lasergeschnittenen Textilien werden gegenüber anderen beim Waschen deutlich weniger Fasern freigesetzt. Die Empa forscht mit Industriepartnern daran, die Entstehung dieser Fasern bei der Herstellung weiter zu reduzieren. In Schweizer Kläranlagen werden Mikrofasern allerdings grösstenteils aus dem Abwasser entfernt und mit dem Klärschlamm verbrannt.

Weitere Informationen:
Empa PET Recycling polyester
Quelle:

EMPA, Norbert Raabe

Grafik: Pixabay
11.01.2022

Innovationsnetzwerk FIMATEC startet in die zweite Förderphase

Das Netzwerk für die Entwicklung von faserbasierten Werkstofftechnologien für Anwendungen in der Medizin und im Sport wird für weitere zwei Jahre aus Mitteln des Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) gefördert.

Einen entsprechenden Antrag hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Dezember 2021 bewilligt. Damit werden bis Juni 2023 weiterhin Fördermittel für die Entwicklung von innovativen Funktionsfasern, smarten Textilien und anwendungsoptimierten Faserverbundmaterialien zur Verfügung gestellt und die technologische Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gestärkt.

Das Netzwerk für die Entwicklung von faserbasierten Werkstofftechnologien für Anwendungen in der Medizin und im Sport wird für weitere zwei Jahre aus Mitteln des Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) gefördert.

Einen entsprechenden Antrag hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Dezember 2021 bewilligt. Damit werden bis Juni 2023 weiterhin Fördermittel für die Entwicklung von innovativen Funktionsfasern, smarten Textilien und anwendungsoptimierten Faserverbundmaterialien zur Verfügung gestellt und die technologische Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gestärkt.

Hierfür bündelt das Innovationsnetzwerk FIMATEC Kompetenzen aus unterschiedlichen ingenieurs- und naturwissenschaftlichen Fachrichtungen mit kleinen und mittelständischen Herstellern und Dienstleistern aus den Zielbranchen in Medizin und Sport (z. B. Orthopädie, Prothetik, Chirurgie, Smarte Textilien) sowie Akteuren der Textil- und Kunststoffbranche zusammen. 

Diese interdisziplinäre Zusammensetzung aus industriellen Partnern sowie anwendungsnahen Forschungseinrichtungen erhöht die Wettbewerbsfähigkeit und ermöglicht den Akteuren, ihre technischen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben schnell und zielgerichtet zu realisieren. Im Mittelpunkt für die gemeinsamen F&E-Vorhaben der Unternehmen und Forschungseinrichtungen stehen die Entwicklung innovativer Materialien und effizienter Fertigungstechnologien.        
          
Faserbasierte Materialien sind aus vielen Anwendungen in der Medizin und im Sport nicht mehr wegzudenken. Als reine Faser, verarbeitet zum Textil oder als Faserverbundkunststoff bieten sie eine nahezu beliebige Vielfalt zur Einstellung von Eigenschafts- und Funktionsprofilen. Dabei steigen die Anforderungen an Funktionsumfang, Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit stetig, sodass ein großes Potential für Innovationen vorhanden ist. Die Entwicklungen werden dabei zum einen durch neue Materialien und Fertigungsverfahren, zum anderen durch innovative Anwendungen getrieben. Produkte mit neuen und überlegenen Funktionen schaffen einen technologischen Vorsprung gegenüber der internationalen Konkurrenz und ermöglichen höhere Verkaufserlöse. Darüber hinaus führen effiziente Verfahren, anwendungsoptimierte Materialien oder auch die Funktionsintegration in die Grundstruktur textiler Werkstoffe perspektivisch zu geringeren Produktionskosten und verbesserten Vermarktungsmöglichkeiten.
Für Entwicklungen in diesem Kontext haben sich die Partner im Innovationsnetzwerk fimatec zusammengeschlossen und bündeln so ihre Kompetenzen. Innerhalb des Netzwerkes werden auf diese Weise zu den nachfolgenden Themenbereichen gemeinsam innovative Materialien und Verfahren entwickelt und in zukunftsweisenden Produkten und Dienstleistungen erprobt:

  • Funktionsfasern
    Innovative Fasermaterialien mit integrierten Funktionalitäten.    
  • Preforming
    Hochgradig lastpfadoptimierte Faserorientierungen für komplexe Faserverbundbauteile.    
  • Smarte Textilien
    Textilbasierte Sensorik und Aktorik.
  • Hybride Werkstoff- und Fertigungstechnologien
    Anwendungsoptimierte Bauteile durch technologieübergreifende Lösungsansätze.    
  • Faserverbundwerkstoffe
    Intelligente Matrixsysteme und funktionsoptimierte Fasermaterialien.    
  • Faserverstärkter 3D-Druck
    Hochqualitative additive Fertigungsverfahren für die effiziente Herstellung individualisierter Produkte.

 
17 Netzwerkpartner forschen an faserbasierten Werkstoffen für Medizin- und Sporttechnik
Aktuell sind zehn Unternehmen und sieben Forschungseinrichtungen an FIMATEC beteiligt. Interessierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen sowie potenzielle Anwender können weiterhin an dem Kooperationsnetzwerk oder F&E-Projekten partizipieren. Im Zuge der Mitgliedschaft werden die Partner aktiv bei der Identifizierung und Initiierung von Innovationsprojekten sowie der Sicherstellung von Finanzierungen durch Fördermittelakquise unterstützt.

Ziel des bereits bewilligten Projektes „CFKadapt“ ist die Entwicklung eines thermoformbaren Faser-Kunststoff-Verbundmaterials für optimal adaptierbare orthopädische Hilfsmittel wie Prothesen und Orthesen. Im Projekt „Modul3Rad“ wollen die Projektpartner ein modulares Leichtbau-Rahmensystem für den Aufbau von nutzerfreundlichen, alltagstauglichen Therapiedreirädern für schwer- und schwerstbehinderte Kinder entwickeln. Drei weitere Kooperationsvorhaben sind bereits in der Planung.

Der Technologie- und Wissenstransfer ermöglicht insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) den Zugang zu technologischer Spitzenforschung, besonders diesen bleibt der Zugang zu Innovationen oftmals aufgrund des Fehlens eigener Forschungsabteilungen versagt. Die IWS GmbH hat das Netzwerkmanagement für FIMATEC übernommen und unterstützt die Partner von der ersten Idee über die Suche nach passenden Projektpartnern bis zur Ausarbeitung und Koordination von Förderanträgen. Angestrebt wird eine Förderung durch das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM), das Unternehmen in Kooperation mit Forschungseinrichtungen Fördermöglichkeiten für eine breite Palette an technischen Innovationsvorhaben bietet.

FIMATEC-Netzwerkpartner
all ahead composites GmbH | Veitshöchheim | www.bike-ahead-composites.de
Altropol Kunststoff GmbH | Stockelsdorf | www.altropol.de
Diondo GmbH | Hattingen | www.diondo.com
Mailinger innovative fiber solutions GmbH | Sontra | www.mailinger.de
Sanitätshaus Manfred Klein GmbH & Co. KG | Stade | www.klein-sanitaetshaus.de
STREHL GmbH & Co KG | Bremervörde | www.rehastrehl.de
WESOM Textil GmbH | Olbersdorf | www.wesom-textil.de
Faserinstitut Bremen e.V. (FIBRE) | www.faserinstitut.de
E.F.M. GmbH | Olbersdorf | www.efm-gmbh.de
REHA-OT Lüneburg Melchior und Fittkau GmbH | Olbersdorf | www.rehaot.de
Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM | Bremen | www.ifam.fraunhofer.de
Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e.V. (IPF) | www.ipfdd.de
Institut für Polymertechnologien Wismar e.V. (IPT) | www.ipt-wismar.de
Institut für Verbundwerkstoffe GmbH | Kaiserslautern | www.ivw.uni-kl.de
Assoziierte Netzwerkpartner
9T Labs AG | Zürich, Schweiz | www.9tlabs.com
Fachhochschule Nordwestschweiz, Institut für Kunststofftechnik (FHNW) | www.fhnw.ch
KATZ - Kunststoff Ausbildungs- und Technologie-Zentrum | Aarau, Schweiz | www.katz.ch

Quelle:

Textination / IWS Innovations- und Wissensstrategien GmbH

14.12.2021

Förderprojekt Rohstoffklassifizierung recycelter Fasern

Schon seit Jahrhunderten werden aus Alttextilien Reißfasern hergestellt und zu neuen textilen Produkten verarbeitet. Dieses effektive Recycling ist einer der ältesten Materialkreisläufe der Welt. Heute geht es nicht nur um Bekleidung, sondern auch um hochwertige technische Textilien. So wie sich die Produkte der Textilindustrie weiterentwickeln, steigen auch die Anforderungen an das Textilrecycling. Grundlage dafür sind eine klare Beurteilung und Klassifizierung der Rohstoffe.

Schon seit Jahrhunderten werden aus Alttextilien Reißfasern hergestellt und zu neuen textilen Produkten verarbeitet. Dieses effektive Recycling ist einer der ältesten Materialkreisläufe der Welt. Heute geht es nicht nur um Bekleidung, sondern auch um hochwertige technische Textilien. So wie sich die Produkte der Textilindustrie weiterentwickeln, steigen auch die Anforderungen an das Textilrecycling. Grundlage dafür sind eine klare Beurteilung und Klassifizierung der Rohstoffe.

Im Forschungsprojekt der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF) und dem Sächsischen Textilforschungsinstitut e.V. (STFI) wird eine Methodik entwickelt, die es ermöglicht, den Reiß als auch die nachfolgenden Prozesse in Bezug auf die Faserqualität zu analysieren. Durch die systematische Analyse soll es gelingen, die nachfolgenden Spinnprozesse so zu optimieren, dass der Recyclinganteil im Garn erhöht werden kann, ohne, dass sich die Garneigenschaften gegenüber einem aus 100% Gutfasern bestehenden Garn wesentlich unterscheiden. Diese Garne können anschließend zu nachhaltigen textilen Produkten wie zum Beispiel Kleidung oder Verbundbauteile verarbeitet werden.

Das vom BMWi/IGF geförderte Projekt hat eine Laufzeit von zwei Jahren und endet am 31.12.2022. Der Nutzen für die teilnehmenden Unternehmen liegt insbesondere darin, ihnen den verstärkten Einsatz von Sekundärrohstoffen zu ermöglichen, neue Märkte durch im Projekt entwickelte Technologien oder Produkte zu erschließen, Synergien und langfristige Kooperationen anzubahnen sowie einen gemeinsamen Marktauftritt vorzubereiten.

Das Projekt umfasst verschiedene Arbeitsschritte:

  • Materialauswahl und Beschaffung
    Zu verarbeitende Baumwollfasern werden aus Alttextilien (T-Shirts) und Abfällen aus der Baumwollspinnerei gewonnen. Die Aramidfasern werden aus gebrauchter Schutzbekleidung und technischen Textilien aufbereitet.
  • Optimierung der Aufbereitung / Auflösung der Textilien
    Damit die Fasern aus den entsprechenden Textilien möglichst schonend und mit einer nicht zu hohen Einkürzung herausgelöst werden, sind exakte Einstellungen beim Reißprozess zu finden, welche technologisch sehr anspruchsvoll sind und viel Erfahrung voraussetzen.
  • Ermittlung der Qualitätskriterien zur Beurteilung der Faserauflösung
    Um die Qualitätskriterien zu definieren werden die aus der Reißerei kommenden Fasern mittels MDTA-4 Messgerät der Textechno GmbH & Co. KG ermittelt. Mit den ermittelten Kriterien soll die (möglichst geringe) Fasereinkürzung durch den Reißprozess charakterisiert werden.
  • Ermittlung optimierter Einstellungen beim Spinnprozess
    Um die optimalen Einstellungen zur Erzeugung eines Garnes aus den Recyclingfasern zu ermitteln, werden diese nach dem Rotorspinnprozess ersponnen. Durch Anpassung des Spinnprozesses soll ein Garn hergestellt werden, das eine gute Gleichmäßigkeit und auch eine entsprechende Festigkeit aufweist.
  • Herstellung und Vergleich von Garnen aus recycelten Rohstoffen
    Damit aus den Recyclingfasern - bestehend aus Aramid und Baumwolle - jeweils ein Flächengebilde hergestellt werden kann, soll das Material im industriellen Maßstab verarbeitet werden. Dazu werden die Fasern über eine komplette Putzereilinie mit anschließender Bandherstellung über angepasste Karden verarbeitet. Nach dem Verstrecken und der anschließenden Vorgarnherstellung werden Garne nach dem Rotor- bzw. nach dem Ringspinnverfahren hergestellt. Mit den fertiggestellten Garnen werden Gestricke produziert.
  • Koordination, Analyse der Ergebnisse und Erstellung der Berichte
    Die Erstellung des Abschlussberichtes erfolgt durch die DITF und das STFI. Ein Ergebnistransfer erfolgt durch Veröffentlichungen, Fachinformationen an Verbände und Messeauftritte. Begleitend sind regelmäßige Sitzungen mit den beteiligten Firmen geplant.

Textination sprach mit Stephan Baz, dem Stv. Leiter Kompetenzzentrum Stapelfaser, Weberei & Simulation Leitung Stapelfasertechnologie und Markus Baumann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kompetenzzentrum Stapelfaser, Weberei & Simulation (beide DITF) sowie Bernd Gulich, Abteilungsleiter Vliesstoffe/Recycling und Johannes Leis, wissenschaftlicher Mitarbeiter Schwerpunkt Vliesstoffe/Recycling (beide STFI) über den aktuellen Stand des Förderprojektes.

Wie ist der aktuelle Stand des Projekts?
Aktuell befinden wir uns in der Phase der Versuchsdurchführungen und der iterativen Optimierung gleich mehrerer Projektbausteine. Erwartungsgemäß sind für die mechanische Aufbereitung selbst und auch die Einstellung des Spinnprozesses mit den verschiedenen Varianten mehrere Schleifen notwendig. Letztendlich zielt das Projekt ja darauf ab, die Prozesse der mechanischen Aufbereitung und der Spinnerei als Verarbeitung aufeinander abzustimmen, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Gleichzeitig ist die Ermittlung der Qualitätskriterien der erzeugten Fasern nicht trivial. Hierfür braucht es zudem die Weiterentwicklung von Prozessen und Prüfmethoden, welche in der Industrie produktiv umsetzbar sind und welche eine Beurteilung der Qualität der erzeugten Fasern tatsächlich und unbeeinflusst von z.B. Restgarnen ermöglichen. Wirklich bemerkenswert ist das Interesse und die Bereitschaft der Industrie die Projektarbeit voranzutreiben. Die in beträchtlichem Umfang benötigten Mengen an Materialien für unsere Versuche haben wir von der ReSales Textilhandel und -recycling GmbH, von der Altex Textil-Recycling GmbH & Co. KG und der Gebrüder Otto GmbH & Co. KG erhalten. Des Weiteren sind mit der Temafa Maschinenfabrik GmbH, Nomaco GmbH & Co. KG, Schill + Seilacher GmbH, Spinnerei Neuhof GmbH & Co. KG und Maschinenfabrik Rieter AG viele Mitglieder des projektbegleitenden Ausschusses von der Beratung bis hin zu der Bereitstellung von Technologien aktiv in das Projekt involviert. Die Firma Textechno Herbert Stein GmbH & Co. KG hat für die Dauer des Projektes ein Prüfgerät des Typ MDTA4 zur Verfügung gestellt und unterstützt unserer Arbeit in Bezug auf die Beurteilung der mechanisch aufbereiteten Fasern. Hierüber sind wir natürlich besonders froh, denn so konnten wir sowohl in der mechanischen Aufbereitung, der Prüfung als auch der Spinnerei mehrere Technologien betrachten und analysieren. Wir erwarten, zu Beginn des kommenden Jahres detailliertere Aussagen treffen zu können.

Welche Ansätze halten Sie für besonders vielversprechend?
Bezogen auf Technologien müssen wir auf die Auswertung und Analyse der Versuchsdurchführungen verweisen, welche derzeit noch andauern. Im ersten Quartal des nächsten Jahres werden wir hierzu mehr ins Detail gehen können.

Es zeichnen sich natürlich schon Dinge ab. Bei den meta-Aramid-Abfällen ließen sich sehr schnell vielversprechende Ansätze finden, bei der Post-Consumer-Baumwolle ist dies deutlich komplexer. Offensichtlich ist die Verbindung zwischen Qualität des Ausgangsmaterials und der Qualität der Erzeugnisse. Wir haben in den beschafften Waren teilweise bereits sehr niedrige mittlere Faserlängen feststellen können, diese spiegeln sich zu einem gewissen Grad natürlich direkt im Output unserer Prozesse wider. Daraus leitet sich, das ist keine neue Erkenntnis, erneut eine große Bedeutung des Designs der Textilien ab.

Worin liegen die Herausforderungen?
Neben dem zu erwartenden hohen Kurzfaseranteil sind die Restgarne nach dem Reißprozess ein Thema mit besonderem Fokus. Zwischen den Materialien und Aufbereitungstechnologien kann der Anteil dieser Restgarne variieren, aber die weitere Auflösung der Produkte des Reißprozesses ist essenziell.
Werden die Prozesse in einer Nutzungsphase weitergedacht, stellt sich die Frage des Designs natürlich auch für die bestmögliche Verwendung von recycelten Fasern. Viele Probleme, aber auch die Lösungsansätze für die Verwendung von vergleichsweise kurzen Fasern sind auch auf die (mehrfache) Verwendung von mechanisch recycelten Fasern zu erwarten.

Kann man beim Endprodukt von einem Upcycling sprechen?
Wir sehen das Garn-zu-Garn-Recycling weder als Up- noch als Downcycling, sondern als Kreislaufführung. Hintergrund ist, dass die Erzeugnisse in dieselbe Anwendung gehen sollen aus der sie gekommen sind und dabei mit Primärmaterial konkurrieren müssen. Dies bedeutet, dass gewisse spezifische Anforderungen zu erfüllen sind und gleichzeitig erheblicher Preisdruck herrscht. Beim Downcycling wird eine deutliche Verringerung der Eigenschaften in Kauf genommen, beim Upcycling kann aufgrund der höherpreisigen Anwendung der Aufbereitungsaufwand aufgefangen werden. Bei dem Bestreben, aus Garnmaterial wieder Garnmaterial zu fertigen, ist beides nur in geringem Maß zulässig. Dies stellt die besondere Herausforderung dar.

Was bedeutet ein aus Alttextilien aufbereitetes Rezyklat für den Spinnprozess?
Ein Teil dieser Fragestellung soll im Projekt durch die detaillierte Klassifizierung der aufbereiteten Fasern beantwortet werden und ist somit Gegenstand der aktuell laufenden Untersuchungen. Es zeigt sich, dass es neben den eher offensichtlichen Punkten wie deutlich reduzierte Faserlänge, Prozessstörungen durch unaufgelöste Gewebe und Garnstücke auch weniger offensichtliche Aspekte wie z.B. eine deutlich erhöhte Abgangsmenge für die Verarbeitung im Spinnprozess zu beachten sind. Die Abgangsmenge ist dabei von besonderem Interesse, denn am Ende soll im neu hergestellten Garn auch ein erheblicher Anteil an aufbereiteten Fasern enthalten sein.

Welche Konsequenzen hat das für den Textilmaschinenbau?
Die Konsequenzen, die zum aktuellen Zeitpunkt bereits abgeschätzt werden können, sind, dass insbesondere bei der Verarbeitung von Baumwolle der Maschinenpark im Spinnereivorwerk auf die Verarbeitung von (Neu-)Naturfasern mit einem gewissen Schmutzanteil spezialisiert ist. Bei aufbereiteten Fasern handelt es sich im Gegensatz zu den Neufasern um saubere Fasern mit deutlich höherem Kurzfaseranteil. Elemente, die gut Schmutz entfernen können, scheiden auch vermehrt kurze Fasern aus, das kann unter Umständen zu ungewollt hohen Abgangsmengen führen. Es ist somit notwendig die etablierte Maschinentechnologie an das neue Anforderungsprofil des Rohstoffes „aufbereitete Fasern“ anzupassen. Analoge Anpassungen sind vermutlich über die komplette Verarbeitungskette bis ins Garn notwendig. Im Streckwerk der Spinnmaschine natürlich eher bedingt durch den hohen Kurzfaseranteil als durch Elemente, die auf das Ausreinigen von Schmutz und Fremdbestandteilen hin optimiert wurden.

Weitere Informationen:
DITF STFI Fasern Recycling Spinnerei
Quelle:

Textination GmbH

(c) Toray
23.11.2021

Toray Industries: Ein Konzept, um Leben zu verändern

Das im Januar 1926 gegründete japanische Chemieunternehmen Toray Industries, Inc. mit Firmensitz in Tokio ist bekannt als der weltweit größte Hersteller von Kohlenstofffasern auf PAN (Polyacrylnitril)-Basis. Doch das Gesamtportfolio umfasst weit mehr. Textination sprach mit Koji Sasaki, dem General Manager der Textile Division von Toray Industries, Inc., über innovative Produktlösungen, neue Verantwortungen und die besondere Rolle von Chemieunternehmen in der heutigen Zeit.

Toray Industries ist ein japanisches Unternehmen, das sich – 1926 als Produzent von Viskosegarnen entstanden – auf der Zielgerade zu seinem 100. Geburtstag befindet. Aktuell gehören zur Toray Gruppe 102 japanische Firmen und 180 in Übersee. Sie sind in 29 Ländern tätig. Welche Bedeutung hat der Geschäftsbereich Fasern und Textilien aktuell für Ihren Unternehmenserfolg?

Das im Januar 1926 gegründete japanische Chemieunternehmen Toray Industries, Inc. mit Firmensitz in Tokio ist bekannt als der weltweit größte Hersteller von Kohlenstofffasern auf PAN (Polyacrylnitril)-Basis. Doch das Gesamtportfolio umfasst weit mehr. Textination sprach mit Koji Sasaki, dem General Manager der Textile Division von Toray Industries, Inc., über innovative Produktlösungen, neue Verantwortungen und die besondere Rolle von Chemieunternehmen in der heutigen Zeit.

Toray Industries ist ein japanisches Unternehmen, das sich – 1926 als Produzent von Viskosegarnen entstanden – auf der Zielgerade zu seinem 100. Geburtstag befindet. Aktuell gehören zur Toray Gruppe 102 japanische Firmen und 180 in Übersee. Sie sind in 29 Ländern tätig. Welche Bedeutung hat der Geschäftsbereich Fasern und Textilien aktuell für Ihren Unternehmenserfolg?

Das Geschäft mit Fasern und Textilien ist zugleich Ausgangspunkt und Grundlage der heutigen Geschäftsentwicklung von Toray. Wir begannen 1926 mit der Produktion von Viskosegarnen und führten bereits 1940 eigene Forschung und Entwicklung im Bereich Nylonfasern durch. Und da neue Materialien meist auch neue Verarbeitungsmethoden erfordern, begann Toray früh damit, auch in eigene Verfahrenstechnologie zu investieren. So möchten wir einerseits unsere Umsätze steigern und andererseits die Anwendungsmöglichkeiten für unsere Materialien erweitern. Aus diesem Grund begann Toray auch, das Geschäft vom reinen Fasergeschäft auf Textilien und sogar Bekleidung auszuweiten. So sind wir in der Lage, besser auf die Bedürfnisse unserer Kunden einzugehen und gleichzeitig stets an der Spitze der Innovation zu bleiben.

Laufe der Jahrzehnte hat Toray viel Wissen in der Polymerchemie und der organischen Synthesechemie angesammelt – und dieses Know-how ist die Grundlage für fast alle unsere anderen Geschäftsvorhaben. Heute produzieren wir eine breite Palette fortschrittlicher Materialien und Produkte mit hoher Wertschöpfung in den Bereichen Kunststoffe, Chemikalien, Folien, Kohlefaserverbundwerkstoffe, Elektronik und Informationsmaterialien, Pharmazeutika, Medizin und Wasseraufbereitung. Fasern und Textilien sind jedoch nach wie vor unser wichtigstes Geschäftsfeld, auf das rund 40 % des Umsatzes des Unternehmens entfallen.

Welches Verständnis, welches Erbe ist Ihnen bis heute wichtig? Und wie leben Sie konkret im Textilbereich eine Unternehmensphilosophie, die Sie so formulieren "einen gesellschaftlichen Beitrag leisten durch die Schaffung neuer Werte mit innovativen Ideen, Technologien und Produkten (Contributing to society through the creation of new value with innovative ideas, technologies and products)"?

Toray hat immer wieder neue Materialien entwickelt, die es so in der Welt noch nie gegeben hat. Wir tun dies, indem wir uns auf unsere vier Kerntechnologien konzentrieren: Polymerchemie, organische synthetische Chemie, Biotechnologie und Nanotechnologie. Für den Textilbereich bedeutet dies, dass wir neue Polymerstrukturen, Spinntechnologien und Verarbeitungsmethoden einsetzen, um Garne mit noch nie dagewesenen Eigenschaften zu entwickeln. Dabei orientieren wir uns stets an den Bedürfnissen und Problemstellungen des Marktes und unserer Kunden.

Dieser Ansatz ermöglicht es uns, Textilien mit neuen Funktionen in unseren Alltag zu integrieren, die natürliche Fasern und Materialien nicht erreichen können. So bieten wir beispielsweise Sport- und Unterwäsche, die hervorragend Wasser absorbieren und sehr schnell trocknen, oder Regen- und Outdoor-Bekleidung mit ausgezeichneten wasserabweisenden Eigenschaften, die mit einem weniger voluminösen Innenfutter aufwarten kann. Weitere Beispiele sind antibakterielle Unterwäsche, Uniformen oder Innenausstattungen, die für ein hygienisches Umfeld sorgen und das Wachstum von geruchsverursachenden Bakterien beeinträchtigen. Die Menschen genießen jeden Tag die Annehmlichkeiten dieser innovativen Textilien, und wir hoffen, damit zu ihrem täglichen Komfort beitragen und ihr Leben in gewisser Weise verbessern zu können.

Im Jahr 2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen 17 nachhaltige Entwicklungsziele – kurz Agenda 2030 genannt, die zum 01. Januar 2016 in Kraft trat. Den Ländern blieben 15 Jahre, um sie bis 2030 zu erreichen. In Ihrem Unternehmen gibt es eine TORAY VISION 2030 und eine TORAY SUSTAINABILITY VISION. Wie wenden Sie diese Grundsätze und Ziele auf das Textilgeschäft an? Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit für dieses Geschäftsfeld?

Nachhaltigkeit ist eines der wichtigsten Themen, denen sich die Welt heute gegenübersieht – nicht nur in der Textilbranche, sondern in allen Industriezweigen. Wir in der Toray-Gruppe sind davon überzeugt, mit unseren fortschrittlichen Materialien zur Lösung verschiedener Probleme in diesem Kontext beitragen zu können. Gleichzeitig bietet der Trend in Richtung Nachhaltigkeit interessante neue Geschäftsansätze. In unserer Nachhaltigkeitsvision haben wir vier Ziele festgelegt, die die Welt bis 2050 erreichen sollte. Und wir haben definiert, welche Probleme dafür angegangen werden müssen.

Wir müssen:

  1. Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels beschleunigen,
  2. bei der Nutzung von Ressourcen und in der Produktion nachhaltige, recyclingorientierte Lösungen realisieren,
  3. sauberes Wasser und saubere Luft bereitstellen und
  4. einen Beitrag leisten zu einer besseren medizinischen Versorgung und Hygiene für Menschen auf der ganzen Welt.

Wir werden diese Agenda vorantreiben, indem wir den Einsatz von Materialien, die auf Umweltprobleme reagieren, fördern und ausweiten. Im Textilbereich bieten wir zum Beispiel wärmende und kühlende Textilien an – indem sie in bestimmten Situationen Klimaanlagen oder Heizungen überflüssig machen, können sie dazu beitragen, Energiekosten zu senken. Wir stellen außerdem umweltfreundliche Textilien her, die auf bestimmte schädliche Stoffe wie Fluor verzichten, sowie Textilien aus Biomasse, bei denen anstelle von konventionellen petrochemischen Materialien pflanzliche Fasern zum Einsatz kommen. Auch recycelte Materialien, die Abfall reduzieren und eine effektive Nutzung von Ressourcen fördern, haben wir im Sortiment.

Die TORAY VISION 2030 wiederum ist unser mittelfristiger Strategieplan und betrachtet das Thema Nachhaltigkeit aus einem anderen Blickwinkel: Toray hat darin den Weg zu einem nachhaltigen und gesunden Unternehmenswachstum festgelegt. Dabei konzentrieren wir uns auf zwei große Wachstumsbereiche: Unser Green Innovation Business, das auf die Lösung von Umwelt-, Ressourcen- und Energieproblemen abzielt, und das Life Innovation Business, das sich auf die Verbesserung der medizinischen Versorgung, der öffentlichen Gesundheit, der persönlichen Sicherheit und letztlich einer längeren Lebenserwartung konzentriert.

Innovation by Chemistry lautet der Claim der Toray-Gruppe. In einer Welt, in der REACH und Fridays for Future die Spielräume der Chemieindustrie stark einengen, stellt sich die Frage, welchen Platz die Chemie in der Textilindustrie haben kann. Wie passen hier Chemie, Innovation und Nachhaltigkeit zusammen?

Die chemische Industrie befindet sich heute an einem Wendepunkt. Die Vorteile, die diese Industrie für die Zivilisation bringen kann, sind zwar nach wie vor enorm, aber zugleich treten Nachteile wie Ressourcenverschwendung und die negativen Auswirkungen auf Umwelt und Ökosysteme, immer deutlicher zu Tage. In Zukunft wird die chemische Industrie viel stärker im Sinne der Nachhaltigkeit arbeiten müssen – daran führt kein Weg vorbei.

Was Textilien betrifft, so gibt es unserer Meinung nach mehrere Möglichkeiten, synthetische Materialien in Zukunft nachhaltiger zu gestalten. Eine davon sind wie gesagt Materialien, die aus Pflanzen statt aus petrochemischen Rohstoffen hergestellt werden. Eine andere besteht darin, die Menge an Rohstoffen, die bei der Produktion verwendet werden, von vornherein zu reduzieren – dies kann zum Beispiel gelingen, indem Abfallstoffe aus Produktion oder Verkauf gesammelt und recycelt werden. Biologisch abbaubare Materialien, die die Auswirkungen von Abfallprodukten auf die Umwelt verringern, sind eine weitere Möglichkeit, die zu verfolgen es lohnt, ebenso wie die Reduzierung von umweltschädlichen Substanzen, die im Produktionsprozess verwendet werden. All diese Möglichkeiten prüfen wir bereits im synthetischen Textilien-Geschäft von Toray. Zugleich achten wir übrigens darauf, in unserer eigenen Produktion Energie zu sparen und den Einfluss auf die Umwelt möglichst gering zu halten.

Toray konzentriert sich im Segment Fasern & Textilien auf synthetische Fasern wie Nylon, Polyester und Acryl sowie andere Funktionsfasern. Auf dem Markt ist in den vergangenen Jahren ein deutlicher Trend zu cellulosischen Fasern zu beobachten, die auch als Alternativen zu synthetischen Produkten gehandelt werden. Wie sehen Sie diese Entwicklung – zum einen für das Unternehmen Toray, zum anderen unter dem Aspekt Nachhaltigkeit, den die cellulosischen Wettbewerber mit der nachwachsenden Rohstoffbasis für sich reklamieren?

Naturfasern, einschließlich Cellulosefasern und Wolle, sind insofern umweltfreundlich, als sie leicht recycelt werden können und nach der Entsorgung schnell biologisch abbaubar sind. Um ihre Umweltauswirkungen wirklich beurteilen zu können, müssen jedoch auch eine Reihe anderer Faktoren berücksichtigt werden: In erster Linie ist da die Frage der Beständigkeit: gerade weil Naturfasern natürlich sind, ist es schwierig, auf einen schnellen Anstieg der Nachfrage zu reagieren, und die Qualität ist aufgrund von Wetter- und anderen Faktoren nicht immer stabil.

Klimatische Veränderungen wie extreme Hitze, Dürre, Wind, Überschwemmungen und Kälteschäden können die Quantität und Qualität der Produktion von Naturfasern beeinträchtigen, so dass die Versorgung nicht immer gesichert ist. Um die Produktion hochzufahren, müssen nicht nur Flächen gerodet, sondern auch große Mengen an Wasser und Pestiziden eingesetzt werden, um diese zu bewirtschaften - all das ist schädlich für die Umwelt.

Synthetische Fasern hingegen sind Industrieprodukte, die in kontrollierten Fabrikumgebungen hergestellt werden. Das macht es einfacher, Schwankungen im Produktionsvolumen zu bewältigen und eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten. Darüber hinaus können bestimmte funktionelle Eigenschaften wie Widerstandsfähigkeit, Wasseraufnahme, schnelles Trocknen und anti-bakterielle Eigenschaften in das Material eingearbeitet werden, was dazu führen kann, dass Textilien länger im Gebrauch sind.

Synthetische Fasern und Naturfasern, einschließlich Cellulosefasern, haben also ihre eigenen Vor- und Nachteile – es gibt hier kein Allheilmittel, zumindest nicht im Moment. Wir glauben: Es ist wichtig, sicherzustellen, dass es Optionen gibt, die dem Bewusstsein und dem Lebensstil des Verbrauchers entsprechen. Dazu gehören Komfort im Alltag und Nachhaltigkeit gleichermaßen.

Inwiefern ist die Nachfrage nach recycelten Produkten gestiegen? Unter dem Markennamen &+™ bietet Toray eine Faser an, die aus recycelten PET-Flaschen hergestellt wird. Gerade bei der „Rohstoffbasis: PET-Flaschen“ können sich Probleme beim Weißgrad der Faser ergeben. Was unterscheidet Ihr Verfahren von dem anderer Unternehmen und inwiefern können Sie qualitativ mit neuen Fasern konkurrieren?

Bei der Herstellung der "&+"-Faser werden die gesammelten PET-Flaschen mit speziellen Wasch- und Filterverfahren von sämtlichen Fremdstoffen befreit. Durch diese Verfahren konnten wir nicht nur das Problem des Weißgrades der Fasern lösen – indem wir gefilterte, hoch reine recycelte Polyester späne verwenden, können wir auch sehr feine Fasern und Fasern mit einzigartigen Querschnitten herstellen. Mit unseren bewährten Verfahrenstechnologien können zudem bestimmte Texturen und Funktionen von Toray in die Faser eingebaut werden. Darüber hinaus enthält "&+" eine spezielle Substanz im Polyester, die eine Rückverfolgung des Materials auf die darin verwendeten recycelten PET-Flaschenfasern ermöglicht.

Wir glauben, dass diese Kombination aus Ästhetik, Nachhaltigkeit und Funktionalität die recycelte Polyester-faser "&+" wettbewerbsfähiger macht als die anderer Unternehmen. Und in der Tat haben wir festgestellt, dass die Zahl der Anfragen stetig zunimmt, da Unternehmen bereits in der Produktplanungsphase ein stärkeres Bewusstsein für Nachhaltigkeit entwickeln.

Wie wird Innovationsmanagement in der Textilabteilung von Toray gelebt, und auf welche Entwicklungen, an denen Toray in der letzten Zeit gearbeitet hat, sind Sie besonders stolz?

Die Textilabteilung besteht aus drei Unterabteilungen, die sich auf die Entwicklung und den Verkauf von Modetextilien (WOMEN'S & MEN'S WEAR FABRICS DEPT.), Sport- und Outdoor-Textilien (SPORTS WEAR & CLOTHING MATERIALS FABRICS DEPT.) und, speziell für Japan, Textilien für Uniformen in Schulen, Unternehmen und dem öffentlichen Sektor (UNIFORM & ADVANCED TEXTILES DEPT.) konzentrieren.

In der Vergangenheit entwickelte jede Abteilung ihre eigenen Materialien für ihre jeweiligen Märkte und Kunden. Im Jahr 2021 haben wir jedoch einen kollaborativen Raum für die Zusammenarbeit eingerichtet, um die Synergie zu erhöhen und Informationen über die in verschiedenen Bereichen entwickelten Textilien mit der gesamten Abteilung zu teilen. So können die Verkäufer ihren Kunden auch in anderen Abteilungen entwickelte Materialien anbieten und selbst Ideen für die Entwicklung neuer Textilien bekommen.

Ich glaube, dass die neue Struktur uns auch helfen wird, besser auf Veränderungen im Markt zu reagieren. Wir sehen zum Beispiel, dass die Grenzen zwischen Arbeitsbekleidung und Outdoor verschwimmen – Marken wie Engelbert Strauss sind ein gutes Beispiel für diesen Trend. Eine weitere Entwicklung, die sich unserer Meinung nach der Corona-Pandemie noch beschleunigen wird, ist die Betonung grüner Technologien und Materialien. Dies gilt für alle Textilbereiche, und wir müssen enger zusammenarbeiten, um hier ganz vorne mitzuspielen.

Welche Bedeutung haben in Ihren Forschungsvorhaben biobasierte Polyester? Wie schätzen Sie die künftige Bedeutung solcher Alternativen ein?

Ich glaube, dass diese Materialien in den kommenden Jahren eine große Rolle spielen werden. Polyester wird aus gereinigter Terephthalsäure (PTA) hergestellt, die wiederum aus Paraxylen (PX) und Ethylenglykol (EG) besteht. In einem ersten Schritt bieten wir bereits ein Material namens ECODEAR™ an, das Zuckerrohrmelasse-Abfällen als Rohmaterial für die EG-Herstellung verwendet.

Etwa 30 % dieser zumindest ansatzweise Bio-Polyesterfaser sind somit biologisch hergestellt, und das Material wird in großem Umfang für Sportbekleidung und Uniformen verwendet. Im nächsten Schritt arbeiten wir an der Entwicklung einer vollständig biobasierten Polyesterfaser, bei der auch der PTA-Bestandteil aus Biomasse-Rohstoffen, wie den nicht genießbaren Teilen von Zuckerrohr und Holzabfällen, gewonnen wird.

Bereits 2011 ist es uns gelungen, einen Prototyp einer solchen vollständig aus Biomasse hergestellten Polyesterfaser zu produzieren. Die Ausweitung der Produktion bei dem PX-Hersteller, mit dem wir zusammenarbeiten, hat sich jedoch als schwierig erwiesen. Derzeit stellen wir nur kleine Muster-Mengen her, aber wir hoffen, in den 2020er Jahren mit der Massenproduktion starten zu können.

Ursprünglich vom Garn kommend, inzwischen seit Jahrzehnten ein weltweit führender Produzent synthetischer Fasern, arbeiten Sie auch bis zum fertig konfektionierten Produkt. Die Palette reicht von Schutzkleidung gegen Staub und Infektionen bis zu smart textiles und Funktionstextilien, die biometrische Daten erfassen. Was planen Sie in diesen Segmenten?

Im Bereich der Schutzkleidung ist unsere Marke LIVMOA™ unser Vorzeige-Material. Es vereint hohe Atmungsaktivität, um Feuchtigkeit im Inneren der Kleidung zu reduzieren, mit blockierenden Eigenschaften, die Staub und andere Partikel von außen fernhalten. Das Textil eignet sich für eine Vielzahl von Arbeitsumgebungen, darunter auch Anwendungen mit hohem Staub- oder Fettaufkommen und sogar Reinräume. LIVMOA™ 5000, eine hochwertige Qualität, zeigt auch antivirale Eigenschaften und hilft, medizinisches Personal zu entlasten. Das Material bildet eine wirksame Barriere gegen Bakterien und Viren und ist beständig gegenüber hygroskopischem Druck. Durch die hohe Atmungsaktivität bietet es außerdem hohen Tragekomfort.

Unser smart textile heißt hitoe™. Bei diesem hochleit-fähigen Gewebe wird ein leitfähiges Polymer – also eine Polymerverbindung, die Elektrizität hindurchlässt – in das Nanofasergewebe eingearbeitet. hitoe™ ist ein leistungsfähiges Material zur Erfassung von Biosignalen, schwachen elektrischen Signalen, die wir unbewusst von unserem Körper aussenden. In Japan hat Toray Produkte für elektrokardiografische Messungen (EKGs) entwickelt, die den Sicherheits- und Wirksamkeitsstandards medizinischer Geräte entsprechen. Und 2016 haben wir bei den japanischen medizinischen Verwaltungsbehörden eine Anmeldung für die Registrierung eines Geräts mit hitoe™ als allgemeines Medizinprodukt eingereicht – dieser Registrierungsprozess ist nun abgeschlossen. Insgesamt erwarten wir, dass der Gesundheitssektor, insbesondere medizinische und pflegerische Anwendungen, wachsen wird – nicht zuletzt wegen zunehmender Infektionskrankheiten und ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein unter der älteren Bevölkerung. Wir werden daher weiterhin neue Produkte für diesen Markt entwickeln und verkaufen.

Joseph Wilson Swan hat 1885 die Bezeichnung „artifical silk“ für die von ihm künstlich erzeugten Nitratcellulosefilamente einführt. Später wurden auch die auf Basis von Cellulose ersponnenen Kupfer-, Viskose- und Acetatfilamentgarne als Kunstseide bezeichnet. Toray hat eine neue innovative Spinntechnologie unter dem Namen NANODESIGN™ entwickelt, die die Kontrolle der Feinheit und Form der synthetischen Fasern auf Nanoebene ermöglicht. Damit sollen Funktionen, Ästhetik und Texturen entstehen, die es bisher nicht gab. Für welche Anwendungen wollen Sie diese Produkte einsetzen?

Bei der NANODESIGN™-Technologie wird das Polymer in eine Reihe mikroskopisch kleiner Ströme aufgespalten, die dann in einem bestimmten Muster zu einer neuen Faser rekombiniert werden. Durch eine äußerst präzise Steuerung des Polymerstroms können Feinheit und Querschnittsform der Faser viel genauer bestimmt werden, als es mit herkömmlichen Mikrofaser- und Nanofaser-Spinntechnologien bisher möglich war. Darüber hinaus ermöglicht diese Technologie die Kombination von drei oder mehr Polymertypen mit unterschiedlichen Eigenschaften in einer Faser – herkömmliche Technologien schaffen nur zwei Polymertypen. Diese Technologie ermöglicht es Toray daher, bei der Herstellung von Kunstfasern eine Vielzahl von Texturen und Funktionen festzulegen, die mit herkömmlichen Kunstfasern nicht möglich waren – und sogar die Textur und die Haptik von Naturfasern zu übertreffen. Kinari, unsere mit der NANODESIGN-Technologie entwickelte Kunstseide, ist hier ein Paradebeispiel, aber die Technologie birgt noch viele weitere Möglichkeiten – nicht zuletzt im Hinblick auf unsere Nachhaltigkeitsziele.

Was hat die zurückliegende Zeit der Pandemie für das das Textilgeschäft von Toray bisher bedeutet? Inwiefern war sie eine Belastung, in welchen Bereichen aber auch ein Innovationstreiber? Was erwarten Sie von den kommenden 12 Monaten?

Die Corona-Katastrophe hat sich dramatisch auf die Ergebnisse des Unternehmens ausgewirkt: Im Geschäftsjahr 2020 sanken der Gesamtumsatz von Toray um rund 10% auf 188,36 Milliarden Yen (ca. 1,44 Milliarden Euro) und der Betriebsgewinn um rund 28% auf 90,3 Milliarden Yen (ca. 690 Millionen Euro). Die Auswirkungen auf den Faser- und Textilbereich waren ebenfalls beträchtlich: Die Umsätze gingen um rund 13 % auf 719,2 Mrd. Yen (ca. 5,49 Mrd. Euro) zurück und das Betriebsergebnis um rund 39 % auf 36,6 Mrd. Yen (ca. 280 Mio. Euro).

Im Geschäftsjahr 2021 sieht es im Bereich Fasern und Textilien jedoch deutlich besser aus: Bislang hat das Segment die Ziele insgesamt übertroffen, auch wenn es in den einzelnen Bereichen und Anwendungen Schwankungen gibt. Im Zeitraum April bis Juni haben wir sogar wieder das Niveau von 2019 erreicht. Dies ist zum Teil auf den sich erholenden Sport- und Outdoor-Sektor zurückzuführen. Der Markt für Modebekleidung hingegen bleibt aufgrund der veränderten Lebensgewohnheiten, die Schließungen und Homeoffice mit sich gebracht haben, weiterhin schwierig. Wir sind der Meinung, dass eine vollständige Erholung des Geschäfts erst dann eintreten wird, wenn die Reise- und Freizeitbranche wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht hat.

Eine andere Nebenwirkung der Pandemie, die wir sehr stark spüren, ist die wachsende Sorge über Umweltfragen und den Klimawandel. Infolgedessen hat die Nachfrage nach nachhaltigen Materialien auch im Bekleidungssegment zugenommen. Nachhaltigkeit wird in Zukunft für die Entwicklung und Vermarktung neuer Textilien in allen Marktsegmenten ein Muss sein. Andererseits wird sich immer die Frage stellen, wie nachhaltig ein Produkt wirklich ist, und Daten und Rückverfolgbarkeit werden immer wichtiger werden. In den kommenden Jahren wird die Textilabteilung diese Entwicklungen genau im Auge behalten und Materialien entwickeln, die den Bedürfnissen der Kunden entsprechen.

Zur Person:
Koji Sasaki stieß 1987 zu Toray. In seinen mehr als 30 Jahren im Unternehmen hatte er verschiedene Positionen inne, darunter eine vierjährige Amtszeit als Managing Director der Toray International Europe GmbH in Frankfurt von 2016 bis 2020. Seit 2020 ist Koji Sasaki für die Textilsparte von Toray verantwortlich und fungiert als amtierender Vorsitzender von Toray Textiles Europe Ltd. In diesen Funktionen beaufsichtigt er die Entwicklungs-, Verkaufs- und Marketingaktivitäten des Unternehmens im Bekleidungssegment, darunter die Bereiche Mode, Sport und Arbeits- oder Schuluniformen.

Das Interview führte Ines Chucholowius, Geschäftsführerin der Textination GmbH

(c) FESPA
02.11.2021

FESPA zurück mit ersten Live-Events in Europa

Die FESPA hat mit der erfolgreichen Rückkehr der FESPA Global Print Expo und der European Sign Expo 2021 (12. – 15. Oktober 2021) nach zweijähriger Pause die Phase der Erholung für die Spezialdruck- und Beschilderungsbranche eingeläutet.

Die ersten Live-Events der FESPA in Europa seit Frühjahr 2019 zogen ein starkes Publikum an, das von Wirtschaftsführern dominiert wurde, die mit dem Wunsch kamen, ihr Branchenwissen im Hinblick auf kurz- und mittelfristige Investitionen zu aktualisieren.

Die FESPA hat mit der erfolgreichen Rückkehr der FESPA Global Print Expo und der European Sign Expo 2021 (12. – 15. Oktober 2021) nach zweijähriger Pause die Phase der Erholung für die Spezialdruck- und Beschilderungsbranche eingeläutet.

Die ersten Live-Events der FESPA in Europa seit Frühjahr 2019 zogen ein starkes Publikum an, das von Wirtschaftsführern dominiert wurde, die mit dem Wunsch kamen, ihr Branchenwissen im Hinblick auf kurz- und mittelfristige Investitionen zu aktualisieren.

Internationales Publikum hochrangiger Entscheidungsträger
Die Besucher kamen aus mehr als 100 Ländern, mit einem starken Schwerpunkt auf die Benelux-Region und Deutschland, die 49% des Publikums ausmachten, was den Erwartungen des Standorts in Amsterdam entspricht. Weitere stark vertretene Länder waren Italien, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Polen. Wie erwartet führten die Herausforderungen für Langstreckenreisende aufgrund von COVID-bedingten Einschränkungen zu weniger Besuchern von außerhalb Europas als üblich für eine Global Print Expo-Veranstaltung. Insgesamt zogen die Veranstaltungen 7.850 Einzelbesucher an, von denen 42 % mehr als einen Tag teilnahmen, was einer Gesamtbesucherzahl von 11.130 entspricht.

Fast die Hälfte aller Besucher (44%) waren Inhaber oder Geschäftsführer, was die Bedeutung der Veranstaltung als Sprungbrett für die Geschäftserholung und Zukunftsplanung unterstreicht. Zwei von drei Besuchern beeinflussen oder treffen endgültige Kaufentscheidungen in ihrem Geschäft.

54 % der Besucher gaben an, die FESPA zum ersten Mal zu besuchen, was auf einen Durst nach Marktkenntnis, Einsicht und Inspiration nach den kommerziellen Herausforderungen der Pandemie hindeutet.

Inspirationsquellen
Printeriors war wieder ein beliebter Anziehungspunkt für Besucher. Inspiriert von der Natur und kuratiert von der Textilbotschafterin der FESPA, Debbie McKeegan, hob die Funktion digital gedruckte Anwendungen hervor, die sich an Drucker richten, die in Inneneinrichtungen tätig sind oder in diese expandieren möchten. In Zusammenarbeit mit Branchenanbietern wie Imageco, Kornit Digital, PONGS, swissQprint und TTS wurden die ausgestellten Produkte mit einer Reihe von High-End-Technologien, Druckverfahren und Materialien hergestellt.

Auch der Wettbewerb World Wrap Masters Europe 2021 war ein Schwerpunkt des Interesses. Neben einer Reihe von Vorführungen und Workshops von Wrap-Experten sahen die Besucher, wie die Teilnehmer um den Titel „World Wrap Master of Europe 2021“ kämpften. Am vierten Tag wurde Norman Brübach aus Deutschland zum Sieger gekürt und wird im Anschluss an die World Wrap Masters Final 2022 auf der FESPA Global Print Expo 2022 in Berlin gegen regionale Meister antreten.

Für Mitglieder der Community, die nicht persönlich an der Veranstaltung teilnehmen konnten, stellten die FESPA und ihre Aussteller eine Reihe von Live-Streaming- und virtuellen Inhalten zur Verfügung. Die FESPA Live-Sitzungen beinhalteten Gespräche mit wichtigen Ausstellern, Druckereien und Druckexperten über die neuesten Trends und Innovationen, die während der viertägigen Veranstaltung 5.125 Besucher anzogen. Die Aufzeichnungen der Sessions stehen auch weiterhin auf Abruf zur Verfügung.

Neil Felton, CEO der FESPA, kommentiert: „Das Feedback der Aussteller war überschwänglich. Viele äußerten sich zur positiven Stimmung unter den Besuchern, zum unübertroffenen Wert persönlicher Gespräche mit hochrangigen Entscheidungsträgern, zur Begeisterung für die neuen Technologien und ausgestellten Verbrauchsmaterialien, und der überwiegende Optimismus für die Zukunft. Das Summen in den Hallen war anregend und der Eindruck war, dass die Delegierten sehr zuversichtlich und glücklich waren, nach so langer Zeit wieder in einer Live-Event-Umgebung zu sein.“

Neil Felton schließt: „Die letzten zwei Jahre waren zweifellos eine Herausforderung für alle in unserer Gemeinde. Um voranzukommen, müssen Druckereien und Werbetechniker neue Möglichkeiten entdecken, die neuesten Technologien erkunden und sich mit Kollegen treffen, um Ideen auszutauschen. Die diesjährigen Veranstaltungen waren ein wichtiger Meilenstein in unserer kollektiven Erholung und wir hoffen, dass unsere nächste Global Print Expo und European Sign Expo , die vom 31. Mai bis 3. in Bewegung."

Quelle:

FESPA

(c) Checkpoint Systems
28.09.2021

Checkpoint Systems: Retail Technology Solutions – zum Erfolg gehört ein Team

Checkpoint Systems, ein Unternehmen von CCL Industries, ist ein weltweit führender Hersteller von Lösungen für den Einzelhandel. Das Portfolio reicht von der elektronischen Artikelüberwachung über Diebstahl- und Verlustprävention bis zu RFID-Hardware und -Software sowie Etikettierungslösungen. Zielsetzung ist, Einzelhändlern eine genaue Echtzeit-Inventarisierung zu ermöglichen, den Nachschubzyklus zu beschleunigen, Fehlbestände zu verhindern und Diebstähle zu reduzieren, um die Warenverfügbarkeit und das Einkaufserlebnis der Kunden zu verbessern.

Checkpoint Systems, ein Unternehmen von CCL Industries, ist ein weltweit führender Hersteller von Lösungen für den Einzelhandel. Das Portfolio reicht von der elektronischen Artikelüberwachung über Diebstahl- und Verlustprävention bis zu RFID-Hardware und -Software sowie Etikettierungslösungen. Zielsetzung ist, Einzelhändlern eine genaue Echtzeit-Inventarisierung zu ermöglichen, den Nachschubzyklus zu beschleunigen, Fehlbestände zu verhindern und Diebstähle zu reduzieren, um die Warenverfügbarkeit und das Einkaufserlebnis der Kunden zu verbessern.

Textination sprach mit Miguel Garcia Manso, Business Unit Director Germany bei Checkpoint Systems, wo der 44-jährige Diplom-Wirtschaftsingenieur seit 2018 tätig ist. Mit vielen Jahren internationaler Retail-Erfahrung kennt er die Bedürfnisse des Einzelhandels genau. Zuvor lebte Miguel Garcia Manso knapp 15 Jahre in Madrid und war dort für den spanischen Lebensmitteleinzelhändler DIA tätig. Auch dort begleitete er die Einführung und den Roll-out von Warensicherungsprojekten.

 

Wenn Sie das Unternehmen Checkpoint Systems und sein Portfolio jemandem präsentieren müssten, der kein Einzelhandelsprofi ist – was würden Sie sagen?

Wir sind der Partner des Handels und unser Job ist es, Einzelhändlern dabei zu helfen, das Einkaufen für ihre Kunden so angenehm wie möglich zu gestalten. Vereinfacht gesagt, sorgen wir mit unseren Lösungen dafür, dass das richtige Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, wenn Endverbraucher es kaufen möchten, statt im schlimmsten Fall vor einem leeren Regal zu stehen. Unser Portfolio reicht dabei von einzelnen Produkten zur Diebstahlsicherung bis hin zu Lösungen, welche die gesamte Lieferkette umfassen und größtmögliche Transparenz über den Warenbestand schaffen.

 

Das war ein langer Weg von den 1960er Jahren, als ein kleines Team in den USA eine Methode entwickelte, um den Diebstahl von Büchern aus öffentlichen Bibliotheken zu verhindern, bis zum internationalen, in 35 Ländern tätigen Marktführer in der Warensicherung im 21. Jahrhundert. Welches Erbe ist Ihnen bis heute wichtig, und wie würden Sie den Spirit im Unternehmen Checkpoint Systems beschreiben?
 
Beide Fragen haben die gleiche Antwort: Zum einen die Innovationskraft und zum anderen der konsequente Austausch mit dem Einzelhandel. Beides stand von Anfang an im Fokus bei Checkpoint Systems. Wir entwickeln unsere Produkte und Systeme in engem Austausch mit dem Handel, suchen aktiv das Gespräch, hören uns an, was im Alltag gebraucht wird etc. Das ist uns sehr wichtig und wird auch regelmäßig als Kaufargument für Checkpoint Systems an uns herangetragen. Das wollen wir auf jeden Fall so weiterführen.

 

Sie bieten Hard- und Software-Technologien für den Einzelhandel an, der als Markt ja nun sehr komplex ist. Inwiefern unterscheiden sich die Anforderungen von Händlern aus dem Fashion-, Outdoor- und Textil-Sektor von denen anderer Branchen?
Die Gründe, weshalb sich Einzelhandelsunternehmen bei uns melden, sind über alle Branchen hinweg ähnlich. Sie alle möchten ihre Kunden begeistern, langfristig an sich binden und mehr Umsatz machen. Die Wege dahin sind dann mitunter unterschiedlich: Von Omnichannel-Strategien für den Fashionsektor über Warensicherungslösungen für hochpreisige Elektro- oder Kosmetikprodukte bis hin zur RFID-basierten Fresh-Food-Solution für den Lebensmitteleinzelhandel, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.
Besonders bei den Etiketten unterscheiden sich die Anforderungen der Branchen. Je nach Größe und Preis des Produkts sowie der gewünschten Technologie empfehlen wir andere Etiketten – oder entwickeln diese in enger Abstimmung mit dem Kunden. Für das polnische Fashionunternehmen LPP haben wir zum Beispiel gerade einen speziellen dualen RF- und RFID-Tag entwickelt, der sich harmonisch in das Design der Filialen einfügt.

 

Zauberwort RFID – das berührungslose und automatisierte Lesen und Speichern von Daten auf Basis elek-tromagnetischer Wellen ist das Herzstück Ihrer Technologien. Sie ermuntern Ihre Kunden sogar, eine eigene RFID-Strategie zu entwickeln. Was ist darunter zu verstehen und sind Sie sicher, dass alle Handelsunternehmen das aus eigener Kraft stemmen können?

Wir entwickeln die Strategie mit unseren Kunden gemeinsam, zumeist im Rahmen eines Pilotprojekts. Bis vor einigen Jahren war die Einführung von RFID-Technologie tatsächlich noch aufwendiger und meist mit einem mehrjährigen Projekt verbunden. Heute können wir aber im Rahmen eines kleinen Piloten schnell für jeden Einzelhändler berechnen, wie viel rentabler er durch RFID arbeiten kann und wie hoch seine Investitionsrendite ist. Wir starten meist mit einem Store-Scan, dann kommt der Pilotversuch in ausgewählten Filialen inklusive individuellen Schulungen und Vor-Ort-Support. Und bis zur Implementierung in allen Filialen sind die Kunden selbst Experten für RFID und haben ein Verständnis dafür, was sie mit den Echtzeit-Daten alles machen können.   

 

Was bedeutet das Stichwort „customized“ für Checkpoint Systems? Inwiefern sind die individuellen Bedarfe des jeweiligen Kunden von Ihnen abbildbar? Oder können Sie jedes Handelsunternehmen – ob Kette oder Boutique – „glücklich“ machen?

Personalisierte Lösungen nehmen bei uns einen hohen Stellenwert ein. Das betrifft zum einen das Produkt an sich und zum anderen die Unternehmensgröße. Wie Sie schon andeuten, haben große Einzelhandelsketten natürlich andere Bedürfnisse als kleine Boutiquen. Für O₂, die Kernmarke von Telefónica Deutschland, haben wir zum Beispiel gerade unsere AutoPeg Tags zur Diebstahlsicherung speziell angepasst. Statt standardmäßig gelb sind die Tags für O₂ weiß mit blauer Schrift, passend zum Ladendesign.
Das zeigt auch generell die Entwicklung im Bereich Warensicherung auf: Als die Warensicherung noch in den Kinderschuhen steckte, waren Antennen und Etiketten hauptsächlich funktional. Heutzutage fügen sie sich harmonisch in das Gesamtbild des Ladendesigns ein. Händler müssen sich nicht mehr zwischen Design und Funktionalität entscheiden.

 

Wie wird Innovationsmanagement in Ihrem Unternehmen gelebt und auf welche Entwicklungen, an denen Checkpoint in der letzten Zeit gearbeitet hat, sind Sie besonders stolz?

Wir haben in den letzten Monaten – gemeinsam mit der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik – intensiv an der Prüfung und Zertifizierung unserer Warensicherungssysteme gearbeitet und können heute mit Stolz sagen: Wir sind der erste Hersteller in Deutschland, dessen EAS-Systeme von der CSA Group, einem international anerkannten und akkreditierten Anbieter von Prüf- und Zertifizierungsdienstleistungen, geprüft wurden. Die CSA Group hat uns bestätigt, dass unsere radiofrequenzbasierten EAS-Systeme alle in Deutschland geltenden Normen und Richtlinien in Bezug auf die Belastung durch elektromagnetische Felder einhalten. Es müssen keine Sicherheitsabstände eingehalten werden.
Der Hintergrund ist folgender: Einzelhändler sind in Deutschland verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen, wenn sie ein EAS-System nutzen. Die CE-Konformitätserklärung, welche sie beim Kauf eines EAS-Systems vom Hersteller erhalten, ist dafür nicht ausreichend. Durch die Prüfung unserer Systeme haben wir für unsere Kunden beste Voraussetzungen für eine solche Beurteilung geschaffen. Der Berufsgenossenschaft liegen auch entsprechende Unterlagen von uns vor.

Stolz sind wir auch auf die Tatsache, dass wir es geschafft haben, die Durchgangsbreiten unserer NEO Antennen zur Warensicherung von zwei Metern auf 2,70 Meter zu erhöhen. Das gibt Einzelhändlern deutlich mehr Spielraum beim Store Design. Ganz allgemein ist Store Design an dieser Stelle auch ein gutes Stichwort: Wir haben mit unseren freistehenden Antennen, dem Design der NS40 oder auch der Möglichkeit, Antennen in Kassensysteme zu verbauen, viel dazu beigetragen, dass Warensicherung ästhetisch ansprechend wird und sich harmonisch in das Ganze einfügt.

 

Die Covid19-Zeit war insbesondere für den stationären Einzelhandel eine Katastrophe. Unternehmen haben sich in den zurückliegenden Monaten verstärkt in Richtung eCommerce bewegt – sei es über individuelle Shoplösungen oder Marktplätze, um zumindest einen Teil des Umsatzrückgangs zu kompensieren. Was raten Sie Händlern: Können heute und in Zukunft nur noch Omnichannel-Geschäfte erfolgreich sein?

Ja, das ist auf jeden Fall unser Rat an den Einzelhandel. Omnichannel-Lösungen werden nicht mehr verschwinden, sondern sich weiter verbreiten und bald nicht mehr wegzudenken sein. Einzelhändler sind gut beraten, sich auf diese neue Situation – auch unabhängig von Corona – einzustellen und in den Ausbau funktionierender Omnichannel-Lösungen zu investieren. Kunden erwarten, dass das von ihnen gewünschte Produkt verfügbar ist, wenn sie einen Laden betreten. Und falls nicht, dass sie es unkompliziert in die gleiche Filiale liefern lassen können oder es zu ihnen nach Hause geschickt wird. Das funktioniert nur mit einer sehr hohen Bestandstransparenz, zum Beispiel durch unsere RFID-Lösungen.

 

Stichwort: Wirtschaftlichkeit. Das vielbeschworene personalisierte perfekte Shoppingerlebnis für den Kunden zu schaffen kostet, oder nicht? Lagerverfügbarkeit, Bestände senken durch Abverkauf, Regalmanagement, Logistik und Retourenabwicklung – inwiefern können Sie den Handel darin unterstützen, seine Rentabilität zu steigern?

Das perfekte Shoppingerlebnis NICHT zu schaffen, kostet viel mehr – unzufriedene Kunden, die nicht das Gewünschte gefunden haben, kommen nicht wieder. Um mit der Kundennachfrage Schritt halten zu können, lagern viele Einzelhändler daher viel zu viel Ware ein. Unserer Erfahrung nach sind es im Durchschnitt 42.000 Artikel. Das kostet. Diese Einzelhändler zahlen hohe Kosten für Lagerfläche, brauchen viel Zeit für Inventurprozesse und müssen die Produkte am Ende deutlich reduzieren, um die Bestände zu senken.
Der Schlüssel für mehr Rentabilität liegt in der Bestandsgenauigkeit. Mithilfe von RFID-Technologie können wir diese auf bis zu 99 Prozent erhöhen. So vermeiden wir Unter- oder Überbestände, können die benötigte Lagerfläche reduzieren und die Abläufe optimieren, zum Beispiel auch bei der Inventur. RFID kann Hunderte Tags gleichzeitig lesen und ist genauer und schneller als das manuelle Zählen. Erfahrungsgemäß können Einzelhändler mit unserer RFID-Technologie ihren Umsatz um durchschnittlich drei Prozent steigern.

 

Auch wenn sich die Situation im Handel durch die Impfungen teilweise entspannt hat, erfordert die Einkaufssituation im Geschäft vor Ort – optimistisch betrachtet – zumindest auch für die nächsten Monate besondere Vorkehrungen. Sie bieten dafür mit „safer shopping“ ein Paket aus verschiedenen Komponenten an. Was deckt das ab?
 
SmartOccupancy ist unsere einfache Lösung zur Kontrolle der Personenzahl in Verkaufsräumen in Echtzeit. Das System zählt die Anzahl der ein- und ausgehenden Personen mithilfe von Visiplus 3D, einem Overhead-Personenzählsensor. Ist die maximale Kapazität fast erreicht, sendet SmartOccupancy eine Warnung an das Personal. Dadurch können die Mitarbeiter in Echtzeit auf die gegenwärtigen Belegungszahlen reagieren und so zu einer sichereren Umgebung für Angestellte und Kunden beitragen. Verantwortliche können mit SmartOccupancy behördliche Anweisungen zur maximalen Personenanzahl sicher und zuverlässig umsetzen, manuelles Zählen entfällt. Eine visuelle Kapazitätsanzeige weist die Kunden an der Tür deutlich sichtbar darauf hin, ob das Geschäft gerade betreten werden darf oder nicht.
Die zweite Lösung ist vor allen Dingen für den Textil- und Bekleidungshandel sowie den Schuhmarkt interessant: Inventory Quarantine ist eine Softwarelösung zur sicheren, automatischen Rückgabe (SaaS-basiert). Sie ermöglicht es Einzelhändlern, zurückgegebene Ware für einige Stunden in einer automatisierten Quarantäne-Warteschlange zu parken. Nach Ablauf der zuvor definierten Zeit informiert Inventory Quarantine die Mitarbeiter per Push-Nachricht, dass das Kleidungsstück oder der Schuh wieder auf die Fläche geräumt oder im Onlineshop erneut als verfügbar gekennzeichnet werden kann. So werden Artikel nur dann freigegeben, wenn sie für den Wiederverkauf als sicher gelten – und gleichzeitig wird sichergestellt, dass Artikel umgehend wieder in den Verkauf genommen werden. Die Lösung hilft Einzelhändlern, den Überblick über retournierte Ware zu behalten und die Zeit zu minimieren, in der die Produkte nicht im Verkauf verfügbar sind.

 

„Ethischer Konsum ist endgültig zur Haltung geworden und in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, kommentierte Trendforscher Peter Wippermann die Ergebnisse der letzten Trendstudie „Bewusster leben“ der Otto Group. Was heißt Nachhaltigkeit für Checkpoint Systems als Unternehmen, wie bilden Sie diese Erkenntnis in Ihrem Produktportfolio ab und wie unterstützen Sie Ihre Kunden in der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen?

Nachhaltigkeit ist für uns bei Checkpoint Systems definitiv ein wichtiges Thema. Wir prüfen unsere Produkte und Prozesse regelmäßig dahingehend, wie wir noch ressourcenschonender arbeiten, Produktionsabfälle reduzieren und unsere CO2-Emissionen senken können. Dabei geht es auch darum, wie wir den Stromverbrauch unserer Antennen noch weiter senken können. Wir entwickeln und vertreiben nur RF-Antennen. Diese Technologie ist nicht nur hinsichtlich der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern sicherer, sondern auch umweltschonender: RF-Antennen brauchen 40 bis 70 Prozent weniger Energie als andere Technologien.

Quelle:

Das Interview führte Ines Chucholowius, Geschäftsführerin der Textination GmbH.

Foto: pixabay
21.09.2021

Virtuelle Qualitätsprüfung optimiert Produktion von Filtervliesstoffen

Die Vliesstoffproduktion bekam zu Corona-Zeiten in der breiten Öffentlichkeit so viel Aufmerksamkeit wie selten zuvor, denn das technische Textil ist entscheidend für den Infektionsschutz. Die Feinst-Vliesstoffprodukte werden in sogenannten Meltblown-Verfahren hergestellt. Ein abteilungsübergreifendes Team des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern optimiert im Projekt »ProQuIV« die gesamte Produktionskette. Dabei helfen Simulationen die Produktqualität des Filtermaterials trotz Schwankungen in der Herstellung zu garantieren.

Die Vliesstoffproduktion bekam zu Corona-Zeiten in der breiten Öffentlichkeit so viel Aufmerksamkeit wie selten zuvor, denn das technische Textil ist entscheidend für den Infektionsschutz. Die Feinst-Vliesstoffprodukte werden in sogenannten Meltblown-Verfahren hergestellt. Ein abteilungsübergreifendes Team des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern optimiert im Projekt »ProQuIV« die gesamte Produktionskette. Dabei helfen Simulationen die Produktqualität des Filtermaterials trotz Schwankungen in der Herstellung zu garantieren.

Das Kürzel »ProQuIV« steht für »Produktions- und Qualitätsoptimierung von Infektionsschutzkleidung aus Vliesstoffen«. Denn gerade zu Beginn der Covid-19-Krise waren Engpässe bei der Produktion dieser Materialien zu beobachten. Für die Klasse der Meltblown-Vliesstoffe gestaltet sich diese Optimierung der Produktqualität zudem besonders schwierig, weil die Prozesse sehr sensitiv auf Schwankungen und Materialunreinheiten reagieren.

Digitaler Zwilling hat das große Ganze im Blick
»Meltblown« heißt der industrielle Herstellungsprozess, dessen Feinstfaser-Vliesstoffe dafür verantwortlich sind, dass z.B. in Gesichtsmasken die entscheidende Filterfunktion gegeben ist. Dabei wird das geschmolzene Polymer durch Düsen gepresst, und zwar in einen vorwärts strömenden Hochgeschwindigkeitsstrom. Es wird in einer stark turbulenten Luftströmung gedehnt und abgekühlt.

»Der Gesamtprozess der Filtervliesherstellung – von der Polymerschmelze bis zum Filtermedium – stellt in der Simulation eine große Herausforderung dar«, erklärt Dr. Konrad Steiner, Leiter der Abteilung »Strömungs- und Materialsimulation«. »Wir haben im Projekt das große Ganze im Blick und eine komplett durchgängige Bewertungskette als digitalen Zwilling entwickelt. Dabei berücksichtigen wir gleich mehrere Schlüsselkomponenten: Wir simulieren die typischen Produktionsprozesse von Vliesstoffen, die darauf basierende Entstehung der Faserstrukturen und anschließend die Materialeigenschaften – hier insbesondere die Filtereffizienz. Damit lassen sich dann die Einflüsse des Herstellungsprozesses auf die Produkteigenschaften quantitativ bewerten.« In jedem dieser Einzelbereiche gehört das Fraunhofer ITWM mit seinen Expertinnen und Experten international zu den führenden Forschungsgruppen.

Homogenität des Materials – weniger Wolken am Simulationshimmel
Beim Meltblown-Verfahren liegt ein Schlüsselfaktor auf dem Verhalten der Filamente im turbulenten, heißen und schnellen Luftstrom. Die Fäden werden durch diese Luftströmung stark in ihren Eigenschaften beeinflusst. Die Qualität der Filamente – und damit am Ende der Vliesstoffe –  wird durch viele Faktoren beeinflusst. Was das in der Praxis genauer heißt, weiß Dr. Dietmar Hietel, Leiter der Abteilung »Transportvorgänge«. Sein Team beschäftigt sich am Fraunhofer ITWM schon seit Jahren mit der Simulation von verschiedenen Prozessen rund um Filamente, Fäden und Fasern. »Im Fokus des Projekts steht die sogenannte Wolkigkeit, d.h. die Ungleichmäßigkeit, mit der die Fasern im Vliesstoff verteilt sind«, erklärt Hietel. »Wir gehen der Frage nach: Wie homogen ist der Stoff? Denn die Qualität der Produkte kann stark verbessert werden, wenn wir solche Ungleichmäßigkeiten optimieren. Unsere Simulationen helfen dabei herauszufinden, wie das gelingt.«

Objektive Bewertung der Homogenität der Vliesstoffe
Zur Quantifizierung dieser Wolkigkeit setzen die Forschenden zudem passende Bildanalysetechniken ein. Das Powerspektrum spielt dabei eine besondere Rolle. »Der Wolkigkeitsindex, abgekürzt CLI, beschreibt die Homogenität komplementär zu lokalem Flächengewicht und seiner Varianz,« beschreibt Dr. Katja Schladitz. Sie bringt ihre Expertise in der Bildverarbeitung in das Projekt mit ein. »Unser CLI stellt eine robuste Bewertung der Homogenität sicher und kann somit für verschiedene Materialklassen und Abbildungstechniken als objektives Maß genutzt werden« Die Frequenzen, die in die CLI-Berechnung eingehen, können so gewählt werden, dass der CLI aussagekräftig für das jeweilige Anwendungsgebiet ist.

Filtration: Wie effizient sind die Filter
Bei der Hochskalierung auf Industrieprozesse wie bei der Maskenproduktion fließt zudem die ITWM-Expertise rund um Filter in das Projekt mit ein. Das Team »Filtration und Separation« um Dr. Ralf Kirsch beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem mathematischen Modellieren und Simulieren verschiedenster Trennprozesse.

»Das Besondere an diesem Projekt: Wir berechnen die Effizienz der Filter für unterschiedlich stark ausgeprägte Schwankungen des Faseranteils im Filtervlies«, betont Kirsch. »Dadurch können wir angeben, bis zu welchem Wolkigkeitsgrad die geforderte Filtereffizienz überhaupt erreichbar ist.« Als aktuelles Beispiel hierfür sieht man in der Grafik die Effizienz eines Filtermaterials für N95-Masken in Abhängigkeit von der Inhomogenität des Vliesstoffes.

ITMW-Methoden unterstützen über die ganze Prozesskette hinweg
Digitale Zwillinge und Berechnungen aus dem Hause Fraunhofer ITWM unterstützen in »ProQuIV« die Prozesse ganzheitlich zu überschauen und besser zu verstehen. Die Produktion der technischen Textilien wird damit nicht nur effizienter, sondern die Vliesstoffe lassen sich virtuell entwickeln, ohne dies vorab in einer Versuchsstätte zu realisieren. So können Produktionskapazitäten bei gleichbleibender Qualität gesteigert werden. Gemeinsam mit langjährigen Partnern aus der Industrie kann die Forschung schnell und effizient in der Praxis zum Einsatz kommen.

Simulationen sparen Textil-Unternehmen Experimente, erlauben neue Einblicke, ermöglichen systematische Parametervariationen und lösen Upscaling-Probleme, die sonst zu Fehlinvestitionen beim Übergang von der Laboranlage zur Industrieanlage führen können. Die virtuelle Umsetzung der Vliesstoffproduktion eröffnet aber auch neue Möglichkeiten zur Optimierung auf anderen Ebenen. So können auch akustische dämmende Vliesstoffe oder auch Hygiene-Vliesstoffe hinsichtlich ihrer Produktgüte genau auf die zu erzielende Materialeigenschaften hin optimiert werden – und das unter Berücksichtigung der auftretenden Prozessschwankungen.

Das Projekt ist Teil des Programms »Fraunhofer versus Corona« der Fraunhofer-Gesellschaft und wurde im April 2021 abgeschlossen. Die Ergebnisse fließen in mehrere Folgeprojekte mit der Vliesstoffindustrie ein.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM

(c) Fraunhofer ITWM
27.07.2021

Simulationssoftware TexMath - Technische Textilien realitätsnah simulieren

Von Hochleistungstextilien bis hin zu Kompressions- und Sportbekleidung: Das modulare Softwareprogramm »TexMath« des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM ermöglicht sowohl die Simulation mechanischer Materialeigenschaften als auch die Optimierung textiler Produkte.

Von Hochleistungstextilien bis hin zu Kompressions- und Sportbekleidung: Das modulare Softwareprogramm »TexMath« des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM ermöglicht sowohl die Simulation mechanischer Materialeigenschaften als auch die Optimierung textiler Produkte.

Eine beschleunigte Entwicklung und ein optimiertes Design technischer Textilien bei gleichzeitiger Reduzierung von Experimenten? Die Nachfrage für Techniken, die dies realisieren können, ist besonders in Bereichen wie der Sport-, Medizin- und Bekleidungsindustrie groß. Das Team »Technische Textilien« der Abteilung »Strömungs- und Materialsimulation« des Fraunhofer ITWM hat sich dieser Herausforderung angenommen und erforscht Simulationsmethoden, die eine effiziente Vorhersage des textilen Verhaltens bei Streckung, Schub, Biegung, Torsion oder Kompression ermöglicht. Auch die Faltenbildung unter Ausdehnung sowie Schrumpfung von Garnen oder kritische Scherwinkel können während des gesamten Herstellungsprozesses simuliert werden.

Die von ihnen entwickelte Simulationssoftware »TexMath« sorgt dafür, dass Prozessketten in der Produktion vorab an neue Materialien anpassbar werden. Komplizierte Muster und Schichten können mithilfe der Software abgebildet werden und ein direkter Anschluss an die Textilmaschine erfolgen. Gewünschte Web-, Strick- und Wirkprodukte werden mit der Software genau berechnet und deren Materialeigenschaften simuliert. Zusätzlich zu der Bewertung eines bestimmten Textil-Designs mithilfe von Simulation bieten die Tools auch die Optimierung der Leistungsmerkmale für verschiedene Designvarianten. Das Ziel der Software ist es, so Teamleiterin Dr. Julia Orlik, »das Design nach Produkteigenschaften und Zielkriterien« zu realisieren.

TexMath besteht aus mehreren Komponenten: »MeshUp«, »FibreFEM« und »FIFST«. Jede der in TexMath enthaltenen Komponenten hat ihren spezifischen Einsatzbereich. Darüber hinaus verfügen die Tools sowohl untereinander über Schnittstellen als auch über Verbindungen zu der Software »GeoDict®« der Fraunhofer-Ausgründung Math2Market auf, womit beispielsweise strömungsmechanische Simulationen an den Textilien durchgeführt werden können.

Ein Anwendungsbereich der TexMath Software ist die Optimierung von Kompressionstextilien für den medizinischen Bereich oder für den Sport. Für optimale Wirksamkeit kommt es hier ganz besonders auf Passgenauigkeit des Materials an. So kann der Strickvorgang beispielsweise zur Anfertigung einer Bandage mit vordefinierten Kompressionseigenschaften mit TexMath simuliert und dadurch das optimale Gestrick ausgelegt werden.

Diese virtuelle Bandage wird daraufhin in einer weiteren Simulation belastet und einem virtuellen Arm oder Bein angezogen. Dank TexMath wird mithilfe des berechneten Druckprofils eine vorab Bewertung der Kompressionseigenschaften der Bandage sowie auch die direkte Ansteuerung der Strickmaschine gemäß des optimalen Designs möglich.

»Mit TexMath lassen sich auch Abstandstextilien, wie sie beispielsweise für das Obermaterial von Sportschuhen und für die Herstellung von Hochleistungstextilien genutzt werden, designen und vorab struktur- und strömungsmechanisch optimieren«, nennen Dr. Julia Orlik und Abteilungsleiter Dr. Konrad Steiner weitere Einsatzbereiche der Software.

Das neu entwickelte Eingabeinterface ist besonders benutzerfreundlich. Die Textil-Klasse (Gestrick, Gewirke, Gewebe und Abstandgewirke) lässt sich unkompliziert einstellen. Die neue grafische Oberfläche erlaubt eine einfache und schnelle Konfiguration.

MeshUp zur Strukturgenerierung von Webmustern und Maschen
Gestricke und Gewebe werden mit Hilfe von Strick- bzw. Webmaschinen produziert. Jedem Textil liegt eine Bindungspatrone zugrunde, die in die Maschine eingelesen wird bzw. in der Maschine fest vordefiniert ist. MeshUp ist das Softwaremodul von TexMath, in dem Bindungspatronen für diverse Gewebe, Gewirke und Gestricke mit verschiedenen Bindungstypen, dem Fadenverlauf und allen Kontaktstellen zwischen verschiedenen Garnen erzeugt, grafisch abbildet und für weitere Simulationen in TexMath mit FISFT und FiberFEM in entsprechende Eingabeformate übersetzt werden. Darüber hinaus stellt MeshUp die Geometrie auch als Volumendaten (Voxelformat) für Berechnungstools wie GeoDict und FeelMath zur Verfügung.

FiberFEM zur Berechnung effektiver mechanischer Eigenschaften einer periodischen Textilstruktur
Mit FiberFEM können gewebte und geflochtene Textilien, Abstandsgewebe, Gelege sowie Fachwerke hinsichtlich ihrer effektiven mechanischen Materialeigenschaften berechnet und optimiert werden. Ein spezielles Merkmal von FiberFEM ist, dass neben Zug- und Schubeigenschaften auch effektive Biege- und Torsionseigenschaften von Textilien anhand ihrer textilen Struktur und der Garneigenschaften bestimmt werden können.

Als Eingangsgrößen benötigt FiberFEM neben der Mikrostrukturbeschreibung aus MeshUp die Faserquerschnittsgeometrie, sowie mechanische Fasereigenschaften wie Zugsteifigkeit und Reibung. Als Output werden die effektiven mechanischen Textilgrößen berechnet. Neben der Berechnung der effektiven mechanischen Materialeigenschaften für bereits existierende gewebte oder gestrickte Textilien für technische und medizinische Anwendungen, bietet der Ansatz auch das Potential zur gezielten Auslegung und Optimierung neuer Textilien mit vorgegebenem mechanischem Eigenschaftsprofil.

So kann das Relaxationsverhalten eines Textils aus dem Web- bzw. Strickmuster und den Garnrelaxationszeiten für viskoelastische Garne ermittelt werden. Auch Reibungskoeffizienten zwischen den Garnen werden berücksichtigt und werden direkt in die Simulation der effektiven Eigenschaften einbezogen bzw. aus der experimentellen Validierung mit dem Gewebe identifiziert.

FIFST zur Berechnung der Deformation und Belastung von Textilien
Das Model FIFST ist spezialisiert für dynamische Simulationen von Gestricken, sehr dehnbaren Geweben und Gewirken. So kann beispielsweise der Strickprozess simuliert, das Abziehen von der Strickmaschine, die Schrumpfung auf ein entspanntes Textil und auch die Wiederbelastung beim Anziehen berechnet werden. Somit kann auch das Design des Gestricks an vorgegebene Spannungsprofile angepasst werden und eine individualisierte Maschinensteuerung zur Produktion personalisierter Textilien oder produktspezifischer Designs ist möglich.

Die numerische Umsetzung nutzt die Finite-Element-Methode mit nichtlinearen Balken-Elementen, die für die Kontaktprobleme um eine zusätzliche interne Variable – das Gleiten von Fäden an Kontaktknoten – erweitert wurde. Das Reibungsgesetz ist mit dem Euler-Eutelwein-Modell umgesetzt, das um einen zusätzlichen Adhäsionsterm modelltechnisch ausgebaut wurde. Die Adhäsion erlaubt somit auch unterschiedliche Vorspannung in den jeweiligen Maschen. Die elastische Energie wird dabei direkt aus den Garn-Kraft-Dehnungskurven berechnet.  

Ein wichtigstes Alleinstellungsmerkmal von FIFST ist die spezielle Technologie der Zugehörigkeit mehrerer Elemente zu bestimmten Threads und deren Anordnung im Thread sowie das gleichzeitig Kontaktgleiten an Million von Knotenpunkten. Somit ermöglicht FIFST multiskalige Simulation von großen gestrickten oder gewebten Schalenbauteilen unter Berücksichtigung der lokalen Textilstruktur.

Eine weitere Funktionalität der Software ist, virtuell Textilien über eine im STL-Format gegebene Oberflächentriangulierung zu ziehen. Im Video wird gewebte Maske (gestrickt ist ebenfalls möglich) in der Ebene an 6 Punkten ausgedehnt und gegen die Gesichtsoberfläche gezogen. Ihre Knoten werden auf das Gesicht projiziert und gleiten auf der Oberfläche weiter, bis die Maske komplett anliegt. Wenn man Reibeigenschaften von Garnen am Gesicht kennt, kann man weitere Faltungsbildung untersuchen und auch sie gezielt beeinflussen. Als weiteres Optimierungspotential erlaubt FIFST Porengrößen von angezogenem Textil auf besonders gewölbten Oberflächenstellen zu minimieren, die durch Erhöhung der Vorspannung in Garnen oder eine Modifizierung des Lappingdiagramms bzw. der Bindepatrone erreicht werden kann.


Für eine Testversion wenden Sie sich bitte an das

Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM
Fraunhofer-Platz 1
67663 Kaiserslautern

Telefon: +49 631 31600-4342

texmath@itwm.fraunhofer.de    

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM