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Bild: Marcin Szczepanski/Lead Multimedia Storyteller, University of Michigan College of Engineering
15.02.2023

Der neue Schmetterlingseffekt: Wendepunkt für das Recyceln von Kleidung?

Photonische Fasern nach dem Vorbild von Schmetterlingsflügeln ermöglichen unsichtbare, unauslöschliche Sortieretiketten.

Weniger als 15 % der 92 Millionen Tonnen Kleidung und anderer Textilien, die jährlich weggeworfen werden, werden recycelt - zum Teil, weil sie so schwer zu sortieren sind. Eingewebte Etiketten aus preiswerten photonischen Fasern, die von einem Team unter der Leitung der University of Michigan entwickelt wurden, könnten dies ändern.

„Es ist wie ein Strichcode, der direkt in den Stoff eines Kleidungsstücks eingewebt ist“, sagt Max Shtein, Professor an der University of Michigan für Materialwissenschaft und Technik und korrespondierender Autor der Studie in Advanced Materials Technologies. „Wir können die photonischen Eigenschaften der Fasern so anpassen, dass sie für das bloße Auge sichtbar sind, nur unter Nahinfrarotlicht lesbar sind oder eine beliebige Kombination.“

Photonische Fasern nach dem Vorbild von Schmetterlingsflügeln ermöglichen unsichtbare, unauslöschliche Sortieretiketten.

Weniger als 15 % der 92 Millionen Tonnen Kleidung und anderer Textilien, die jährlich weggeworfen werden, werden recycelt - zum Teil, weil sie so schwer zu sortieren sind. Eingewebte Etiketten aus preiswerten photonischen Fasern, die von einem Team unter der Leitung der University of Michigan entwickelt wurden, könnten dies ändern.

„Es ist wie ein Strichcode, der direkt in den Stoff eines Kleidungsstücks eingewebt ist“, sagt Max Shtein, Professor an der University of Michigan für Materialwissenschaft und Technik und korrespondierender Autor der Studie in Advanced Materials Technologies. „Wir können die photonischen Eigenschaften der Fasern so anpassen, dass sie für das bloße Auge sichtbar sind, nur unter Nahinfrarotlicht lesbar sind oder eine beliebige Kombination.“

Herkömmliche Etiketten überleben oft nicht bis zum Ende der Lebensdauer eines Kleidungsstücks - sie können abgeschnitten oder gewaschen werden, bis sie unleserlich sind, und die Informationen ohne Etiketten können sich abnutzen. Das Recycling könnte effektiver sein, wenn ein Etikett in den Stoff eingewebt würde, unsichtbar, bis es gelesen werden muss. Genau das könnte die neue Faser leisten.

Recycler verwenden bereits Nahinfrarot-Sortiersysteme, die verschiedene Materialien anhand ihrer natürlich vorkommenden optischen Signaturen identifizieren - PET-Kunststoff in einer Wasserflasche beispielsweise sieht unter Nahinfrarotlicht anders aus als der HDPE-Kunststoff in einer Milchverpackung. Auch verschiedene Stoffe haben unterschiedliche optische Signaturen, aber Brian Iezzi, Postdoktorand in Shteins Labor und Hauptautor der Studie, erklärt, dass diese Signaturen für Recycler nur von begrenztem Nutzen sind, da Mischgewebe weit verbreitet sind.

„Für ein wirklich kreislauforientiertes Recyclingsystem ist es wichtig, die genaue Zusammensetzung eines Stoffes zu kennen - ein Baumwoll-Recycler möchte nicht für ein Kleidungsstück zahlen, das zu 70 % aus Polyester besteht“, so Iezzi. „Natürliche optische Signaturen können dieses Maß an Präzision nicht bieten, aber unsere photonischen Fasern können es.“

Das Team hat die Technologie entwickelt, indem es das photonische Fachwissen von Iezzi und Shtein, das normalerweise bei Produkten wie Displays, Solarzellen und optischen Filtern zum Einsatz kommt, mit der fortschrittlichen Textilexpertise des Lincoln Labs des MIT kombiniert hat. Das Labor arbeitete daran, die photonischen Eigenschaften in ein Verfahren einzubringen, das mit einer großtechnischen Produktion kompatibel ist.

Sie lösten diese Aufgabe, indem sie mit einer Preform begannen - einem Kunststoffrohstoff, der aus Dutzenden von sich abwechselnden Schichten besteht. In diesem Fall verwendeten sie Acryl und Polycarbonat. Während jede einzelne Schicht durchsichtig ist, wird das Licht durch die Kombination zweier Materialien gebeugt und gebrochen, so dass optische Effekte entstehen, die wie Farben aussehen können. Es ist das gleiche grundlegende Phänomen, das Schmetterlingsflügeln ihren Schimmer verleiht.

Die Preform wird erhitzt und dann mechanisch - ähnlich wie Toffee - zu einem haardünnen Faserstrang gezogen. Das Herstellungsverfahren unterscheidet sich zwar von der Extrusionstechnik, mit der herkömmliche synthetische Fasern wie Polyester hergestellt werden, doch können damit dieselben kilometerlangen Faserstränge produziert werden. Diese Stränge können dann mit denselben Geräten verarbeitet werden, die bereits von Textilherstellern verwendet werden.

Durch Anpassung der Materialmischung und der Geschwindigkeit, mit der die Vorform gezogen wird, haben die Forscher die Faser so eingestellt, dass sie die gewünschten optischen Eigenschaften aufweist und recycelbar ist. Obwohl die photonische Faser teurer ist als herkömmliche Textilien, schätzen die Forscher, dass sie nur zu einem geringen Anstieg der Kosten für die Endprodukte führen wird.

„Die photonischen Fasern müssen nur einen kleinen Prozentsatz ausmachen - gerade einmal 1 % des fertigen Kleidungsstücks“, so Iezzi. „Das könnte die Kosten des Endprodukts um etwa 25 Cent erhöhen - ähnlich wie die Kosten für die uns allen bekannten Pflegeetiketten.“

Shtein ist überzeugt, dass die photonische Kennzeichnung nicht nur das Recycling erleichtern, sondern auch dazu verwendet werden könnte, Verbrauchern mitzuteilen, wo und wie die Waren hergestellt wurden, und sogar die Echtheit von Markenprodukten zu überprüfen. Dies könnte eine Option sein, Kunden einen wichtigen Mehrwert zu bieten.

„Wenn elektronische Geräte wie Mobiltelefone immer ausgereifter werden, könnten sie möglicherweise in der Lage sein, diese Art von photonischer Kennzeichnung zu lesen“, so Shtein. „Ich könnte mir also eine Zukunft vorstellen, in der eingewebte Etiketten sowohl für Verbraucher als auch für Recycler ein nützliches Merkmal sind.“

Das Team hat Patentschutz beantragt und prüft derzeit Möglichkeiten, die Technologie zu vermarkten.

Die Forschung wurde von der National Science Foundation und dem Under Secretary of Defense for Research and Engineering unterstützt.

Quelle:

Gabe Cherry, College of Engineering, University of Michigan / Textination

Foto: pixabay
08.02.2023

6 von 10 Verbrauchern achten beim Einkaufen auf Nachhaltigkeitskriterien

Bei Lebensmitteln und Kleidung sind den Verbraucher:innen ESG-Aspekte  am wichtigsten. Besonders junge Menschen fordern Informationen und Transparenz: Nachhaltigkeitssiegel, -zertifizierungen und -berichte sorgen für Vertrauen. Für Händler und Hersteller wird Nachhaltigkeit zum Muss.

Bei Lebensmitteln und Kleidung sind den Verbraucher:innen ESG-Aspekte  am wichtigsten. Besonders junge Menschen fordern Informationen und Transparenz: Nachhaltigkeitssiegel, -zertifizierungen und -berichte sorgen für Vertrauen. Für Händler und Hersteller wird Nachhaltigkeit zum Muss.

Unter welchen Bedingungen werden die Kühe gehalten, deren Milch ich trinke? Duldet der Hersteller meines neuen T-Shirts Kinderarbeit? Geht der Händler meines Vertrauens fair mit Mitarbeitenden und Geschäftspartnern um? Solche Fragen stellt sich die Mehrheit der Deutschen vor einer Kaufentscheidung. 59 Prozent der Verbraucher:innen achten beim Einkaufen immer oder zumindest häufig auf die ökologische, ökonomische oder soziale Nachhaltigkeit von Händlern und Herstellern. Bei den unter 35-Jährigen sind es sogar zwei Drittel, bei den über 55-Jährigen immerhin jede:r Zweite. Zu diesen Ergebnissen kommt eine repräsentative Befragung unter 1.000 Menschen in Deutschland im Auftrag der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland.

Bei Nachhaltigkeit geht es nicht mehr um das „Ob“, sondern das „Wie“
„Nachhaltigkeit hat sich in den vergangenen Jahren zum Mainstream entwickelt. Für Unternehmen ist es längst ein Muss, in ihren Lieferketten auf Nachhaltigkeit zu achten“, kommentiert Dr. Christian Wulff. Der Leiter des Bereichs Handel und Konsumgüter bei PwC Deutschland ist überzeugt, dass Unternehmen bereits in naher Zukunft gute Gründe nennen müssen, wenn sie bei der Herstellung eines Produkts nicht auf Umwelt, soziale Aspekte und eine gute Unternehmensführung achten. „Beim Thema Nachhaltigkeit geht es also nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie“, so der Handels-Experte weiter.

Nachhaltigkeit beinhaltet verschiedene Aspekte in den drei Bereichen Umwelt, Soziales und nachhaltige Unternehmensführung (auf Englisch: Environment, Social, Governance, kurz: ESG). Bei der umweltbezogenen Nachhaltigkeit stehen Fragen zum Tierwohl - etwa die Haltungsbedingungen oder Tierversuche - und zur Verwendung recyclebarer Materialien im Mittelpunkt. 40 Prozent der Deutschen würden gerne vor einem Kauf darüber aufgeklärt werden. Im sozialen Bereich ist der Mehrheit der Befragten wichtig zu wissen, ob Einzelhandel und Hersteller die Menschenrechte einhalten (58 Prozent) - also beispielsweise Zwangs- oder Kinderarbeit in ihren Wertschöpfungsketten dulden. Mit Blick auf die Governance - also die Unternehmensführung - wünscht sich jede:r Zweite, vor dem Kauf über die Lieferketten Bescheid zu wissen und die Produkte zurückverfolgen zu können.

Bei Lebensmitteln ist Nachhaltigkeit besonders wichtig
Wie genau die Verbraucher:innen auf Nachhaltigkeit schauen, hängt auch vom Produkt ab: So ist ihnen Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln besonders wichtig. 81 Prozent der Deutschen achten beim Kauf von Nahrungsmitteln zumindest auf eines der drei ESG-Kriterien, also Umwelt, Soziales oder eine gute Unternehmensführung. Aber auch beim Kauf von Textilien sind diese Kriterien relevant: Immerhin 63 Prozent geben an, beim Kauf von Kleidung oder Schuhen darauf zu schauen, wie nachhaltig der Artikel entstanden ist. Während bei Lebensmitteln Umweltaspekte die größte Rolle spielen (für 62 Prozent), achten die Verbraucher:innen bei Kleidung, Schuhen und Accessoires vermehrt auf soziale Aspekte (52 Prozent).

Fast jede:r Zweite ist kürzlich zu nachhaltigen Produkten gewechselt
Die wachsende Bedeutung von ESG-Aspekten im Einkaufsverhalten deutscher Verbraucher:innen belegen auch die Verschiebungen hin zum Kauf von nachhaltigen Produkten. Bei Lebensmitteln ist der Trend zu nachhaltigen Produkten am deutlichsten: 45 Prozent der Befragten geben an, dass sie innerhalb der vergangenen zwei Jahre bewusst auf nachhaltigere Produkte umgeschwenkt sind. Den Wechsel (zurück) auf weniger nachhaltige Produkte räumen dagegen nur 17 Prozent ein, von denen jede:r Dritte fehlende finanzielle Mittel als Grund angibt.

Ein möglicher Wechsel zu nachhaltigeren Produkten würde für knapp die Hälfte der Befragten durch eine bessere Verfügbarkeit im stationären Handel unterstützt. Auch gesetzliche Regelungen werden als hilfreich erachtet, sowohl hinsichtlich der Auszeichnung von Produkten (38 Prozent) als auch für den Produktionsprozess (37 Prozent). Ebenfalls würde eine aufmerksamkeitsstärkere Produktplatzierung im Geschäft helfen (37 Prozent).

Vor allem junge Menschen fordern Transparenz und Aufklärung
Das Bedürfnis der Verbraucher:innen nach Transparenz in Sachen ESG ist ausgeprägt: So informieren sich laut Umfrage fast drei Viertel der Deutschen mindestens gelegentlich über ökologische Nachhaltigkeitsthemen. Zwei Drittel recherchieren Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit. Gut die Hälfte macht sich regelmäßig über eine nachhaltige Unternehmensführung schlau.

Dabei hat das Alter großen Einfluss darauf, wie intensiv sich die Menschen mit dem Thema auseinandersetzen: Während 80 Prozent der 16- bis 24-Jährigen sich vor dem Kauf über Umweltaspekte eines Produkts informieren, sind es bei den über 65-Jährigen nur 59 Prozent. „Insbesondere jüngere Menschen informieren sich aktiv und fordern Transparenz rund um ESG-Kriterien“, resümiert Christian Wulff.

Verbraucher:innen wünschen sich Infos auf Verpackungen und online
Um diesem Informationsbedürfnis nachzukommen, rät der PwC-Experte Herstellern und Einzelhandel, insbesondere online ausführlich über ESG-Aspekte der Produkte zu informieren. „Die damit verbundene, deutlich steigende Datenflut stets aktuell zu halten, wird für Unternehmen zunehmend zu einer Herausforderung, die nur durch signifikante Investitionen in neue Technologien zu lösen ist.“

Einig sind sich die Konsument:innen darin, was Unternehmen tun können, um ihren Nachhaltigkeitsaktivitäten mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen: Gut zwei Drittel halten anerkannte Nachhaltigkeitssiegel, Zertifizierungen oder unabhängig geprüfte Nachhaltigkeitsberichte für geeignet, um Aktivitäten in puncto ESG glaubhaft vermitteln können. „Die Ergebnisse unserer Befragung zeigen, dass Siegel und unabhängige Zertifizierungen sehr wichtig sind, um das Vertrauen der Kund:innen zu gewinnen. Es lohnt sich also, die ESG-Maßnahmen durch externe Organisationen bestätigen zu lassen“, so Christian Wulff.

Händler und Hersteller sollten auf Transparenz setzen
„Hersteller und Einzelhandel stehen vor der Aufgabe, im Hinblick auf die Nachhaltigkeit ihrer Produkte für ein hohes Maß an Transparenz zu sorgen. Dabei ist Ehrlichkeit, aber auch Kreativität gefragt: Bei Mode ist es beispielsweise denkbar, die einzelnen Stationen der Lieferkette detailliert nachzuzeichnen und die dabei anfallenden Kosten darzustellen. So können die Verbraucher:innen genau nachvollziehen, wie ein Preis zustande kommt“, so das Fazit von Christian Wulff.

Quelle:

PwC / Textination

Aerogel (c) Outlast Technologies GmbH
31.01.2023

Aerogel: Gefrorener Rauch für Bekleidung und Arbeitsschutz

Mit einem Luftanteil von bis zu 99,8 Prozent ist Aerogel der leichteste Feststoff der Welt. Das aufgrund seiner optischen und physikalischen Eigenschaften auch als „gefrorener Rauch“ bezeichnete Material hat eine außerordentlich geringe Wärmeleitfähigkeit, die andere Isolierungen um ein Vielfaches übertrifft. Die NASA nutzt Aerogel daher seit vielen Jahren für Raumfahrt-Projekte.

Mit einem Luftanteil von bis zu 99,8 Prozent ist Aerogel der leichteste Feststoff der Welt. Das aufgrund seiner optischen und physikalischen Eigenschaften auch als „gefrorener Rauch“ bezeichnete Material hat eine außerordentlich geringe Wärmeleitfähigkeit, die andere Isolierungen um ein Vielfaches übertrifft. Die NASA nutzt Aerogel daher seit vielen Jahren für Raumfahrt-Projekte.

Dennoch war es in der rund 90-jährigen Geschichte des Werkstoffes bisher nicht gelungen, ihn in hoher Konzentration an Textilien zu binden und eine unkomplizierte Weiterverarbeitung zu ermöglichen. Die Outlast Technologies GmbH hat nun ein neuartiges zum Patent angemeldetes Verfahren entwickelt, mit dem sich große Mengen Aerogel dauerhaft an unterschiedliche Träger wie Vliesstoffe, Filze und Verbundmaterialien heften lassen. Deren ursprüngliche Eigenschaften bleiben erhalten, sodass sie sich in herkömmlichen Fertigungsprozessen problemlos weiterverarbeiten lassen.
 
Die unter dem Namen Aersulate vertriebenen Textilien sind nur 1 bis 3 mm dick und erreichen sehr hohe Isolationswerte, die selbst unter Druck und Feuchtigkeit weitestgehend erhalten bleiben. Trotz ihrer hohen Leistungsfähigkeit sind sie weich und bieten sich für Schuhe, Bekleidung und Arbeitsschutzprodukte an, aber auch für Schlafsäcke oder technische Anwendungen.

„Aufgrund der außerordentlichen physikalischen Eigenschaften nutzt die NASA Aerogel bereits seit vielen Jahren“, weiß Volker Schuster, Leiter Forschung und Entwicklung bei Outlast Technologies, „zum Beispiel zur Isolierung bei ihren Mars-Rovern oder zum Einfangen von Staub aus dem Schweif eines Kometen bei der Stardust-Mission.“ Seit der Entwicklung von Aerogel durch den US-amerikanischen Wissenschaftler und Chemieingenieur Samuel Stephens Kistler im Jahr 1931 war es trotz intensiver Forschung allerdings niemandem gelungen, den vielseitigen Werkstoff in größeren Mengen auf Textilien aufzubringen, ohne deren ursprüngliche Eigenschaften zu verändern. Damit waren die Produkte nicht nur häufig sehr starr, sondern machten durch ihren großen Staubabrieb auch eine Verarbeitung in herkömmlichen Produktionsprozessen unmöglich. Mit der neuentwickelten Aersulate-Technologie, die im Juni 2022 erstmals vorgestellt wurde, schlägt der in Heidenheim ansässige Spezialist für textile Thermoregulierung ein anderes Kapitel in der Isolierungs-Geschichte auf.

High-Performance-Isolierung - 1-3 mm dick
„Die Konsistenz von Aerogel lässt sich am besten als flüssige Staubkörner beschreiben, die sich aufgrund ihrer geringen Dichte innerhalb von Sekunden unkontrollierbar im Raum verteilen“, so Schuster. „Daher ist die Verarbeitung eine große Herausforderung.“ Es brauchte eine rund fünfjährige Entwicklungszeit, bis Outlast Technologies das neuartige Verfahren, Aerogel zwischen mehrere Stofflagen einzukleben, zur Marktreife brachte. Je nach Anwendungsbereich können Vliesstoffe, Filze oder unterschiedliche Verbundmaterialien als Träger genutzt werden. Die Eigenschaften der jeweiligen Textilien werden durch die Aersulate-Technologie nicht beeinträchtigt, sodass sie sich – trotz ihrer zugewonnenen thermischen Eigenschaften – problemlos in herkömmlichen Prozessen und unter industriellen Bedingungen weiterverarbeiten lassen.
 
Als Feststoff auf Silicatbasis wird Aerogel aus natürlichem Quarzsand gewonnen, verfügt jedoch über eine 1.000 Mal geringere Dichte als aus demselben Rohstoff hergestellte Gläser. Die außerordentliche Isolierungsleistung verdankt das Material seiner extrem porigen Struktur, die einen Luftanteil von bis zu 99,8 Prozent ermöglicht.
 
„Ein Liter Aerogel wiegt gerade einmal 50 g“, erläutert Schuster. „Schon 10 g davon verfügen allerdings über die Oberfläche eines Fußballfeldes.“ Dank dieser Eigenschaften übertreffen die Aersulate-Textilien bei einer deutlich geringeren Dicke sämtliche bisher bekannte Isolierungsmaterialien in ihrer Performance. So haben Tests der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF) mithilfe des Alambeta-Verfahrens ergeben, dass sich der Wärmedurchgangswiderstand eines Aersulate-Vlieses im Vergleich zu einem herkömmlichen Vlies mit identischer Dicke mehr als verdoppelt. Hinzu kommt, dass die Isolierungsleistung von Aersulate-Produkten trotz Druck und Nässe hoch bleibt, während sie bei anderen gebräuchlichen Stoffen wie Filzen oder Polyurethan-Schäumen (PU) unter diesen Bedingungen massiv abnimmt.

Arbeitsschutz und Funktionskleidung mit Aersulate
Dank des textilen Trägers eignen sich die dünnen Aersulate-Produkte besonders für die Schuh- und Bekleidungsindustrie sowie sämtliche Bereiche des Arbeitsschutzes. Je nach Einsatzzweck kommen dem Anwender die unterschiedlichen Eigenschaften zugute: „Mit einem Handschuh aus nur 1 mm dickem Aersulate kann man zum Beispiel problemlos in kochendes Wasser greifen, ohne sich zu verbrühen“, erklärt Schuster. „Hier spielen uns die extrem hydrophoben Eigenschaften wortwörtlich in die Hände.“ Bei dem Kniebesatz von Arbeits- sowie Funktionshosen oder bei Schuhen bzw. -sohlen werden dagegen auch die Materialeigenschaften bei Kompression relevant. Denn die Isolierungsleistung anderer Stoffe würde einerseits durch die Feuchtigkeit – von außen sowie als Schweiß von innen – und andererseits durch die permanente Einwirkung des Körpergewichts nach und nach abnehmen.
          
Abgesehen vom eigenen Körper lassen sich mit Aersulate auch Gepäck oder technische Geräte vor extremen Temperaturen sowie Witterungseinflüssen schützen. Zu diesem Zweck können bspw. entsprechende Handy- oder Equipmenttaschen in Kleidungsstücke eingenäht werden, um die Akkulaufzeit auch bei sehr kalten Außentemperaturen zu erhalten oder die Geräte bei starker Wärmeeinwirkung vor Überhitzen zu bewahren. „Mit der breiten Palette an möglichen textilen Trägermaterialien eignet sich Aersulate für alle Anwendungen, die einerseits eine hohe Isolierungsleistung erfordern, bei denen andererseits aber nur wenig Platz vorhanden und mit Kompression sowie Feuchtigkeit zu rechnen ist“, fasst Schuster die Vorteile zusammen.

Quelle:

Outlast Technologies / Textination

(c) Continuum
24.01.2023

… und sie können doch recycelt werden: Windturbinenblätter

Das dänische Unternehmen Continuum Group ApS mit Tochtergesellschaften in Dänemark (Continuum Aps) und Großbritannien (Continuum Composite Transformation (UK) Limited) will ausgedienten Windkraftflügeln und Verbundwerkstoffen einen neuen Zweck geben und verhindern, dass sie in den Müll wandern. Zielsetzung ist, die durch die derzeitigen Abfallströme in die Atmosphäre abgegebenen CO2-Mengen zu reduzieren und so einen Beitrag zu den europäischen Net Zero-Bemühungen zu leisten.

Continuum stellt nach eigenen Angaben sicher, dass alle Windturbinenblätter zu 100 % recycelbar sind, und plant, in ganz Europa Recyclingfabriken im industriellen Maßstab zu errichten.

Net Zero ist in aller Munde, 2030 rückt näher, über die Erzeugung erneuerbarer Energie durch Windenergie, die Millionen von europäischen Haushalten mit Strom versorgen soll ist omnipräsent in den Nachrichten – doch was passiert, wenn Turbinenblätter das Ende ihrer Lebensdauer erreichen?

Das dänische Unternehmen Continuum Group ApS mit Tochtergesellschaften in Dänemark (Continuum Aps) und Großbritannien (Continuum Composite Transformation (UK) Limited) will ausgedienten Windkraftflügeln und Verbundwerkstoffen einen neuen Zweck geben und verhindern, dass sie in den Müll wandern. Zielsetzung ist, die durch die derzeitigen Abfallströme in die Atmosphäre abgegebenen CO2-Mengen zu reduzieren und so einen Beitrag zu den europäischen Net Zero-Bemühungen zu leisten.

Continuum stellt nach eigenen Angaben sicher, dass alle Windturbinenblätter zu 100 % recycelbar sind, und plant, in ganz Europa Recyclingfabriken im industriellen Maßstab zu errichten.

Net Zero ist in aller Munde, 2030 rückt näher, über die Erzeugung erneuerbarer Energie durch Windenergie, die Millionen von europäischen Haushalten mit Strom versorgen soll ist omnipräsent in den Nachrichten – doch was passiert, wenn Turbinenblätter das Ende ihrer Lebensdauer erreichen?

Aktuell lautet die allgemeine Antwort, sie zu deponieren oder zu Zement zu verarbeiten, was beides nicht umweltfreundlich ist. Viele Länder in Europa streben ab 2025 ein Deponieverbot an, so dass diese Möglichkeit in naher Zukunft entfallen dürfte.

Eine Alternative bietet Continuum an: Wenn das Ende des ersten Lebenszyklus der Turbinenblätter erreicht ist, recycelt das Unternehmen sie zu neuen, hochleistungsfähigen Verbundplatten für das Baugewerbe und verwandte Branchen. Die Vision der Dänen: Die Abkehr von der derzeitigen Deponierung und die drastische Reduzierung der CO2-Emissionen, die bei der Verbrennung und Weiterverarbeitung in Zementfabriken entstehen. 100 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2050 sollen durch deren mechanische Verbundstoff-Recyclingtechnologie und Produktionsstätten im industriellen Maßstab eingespart werden.  

Die Technologie sei erprobt, patentiert und einsatzbereit, so Reinhard Kessing, Mitbegründer und CTO der Continuum Group ApS. Kessing hat über 20 Jahre Forschungs- und Entwicklungsarbeit in diesem Bereich geleistet und die Rückgewinnung von Rohstoffen aus Windflügeln und anderen Verbundwerkstoffprodukten sowie die Umwandlung dieser Materialien in neue, leistungsstarke Plattenprodukte vorangetrieben.

Durch die Zusammenarbeit mit Partnern deckt Continuum kostengünstig die gesamte Logistik und alle Prozesse ab. Dies reicht von der Sammlung der ausgedienten Flügel über die Rückgewinnung der reinen, sauberen Rohstoffe bis hin zur Wiederaufbereitung all dieser Materialien zu hochwertigen, hochleistungsfähigen, unendlich recycelbaren Verbundplatten für die Bauindustrie oder die Herstellung vieler Alltagsprodukte wie Fassaden, Industrietüren und Küchenarbeitsplatten. Die Platten bestehen zu 92 % aus recyceltem Blattmaterial und sollen die Leistung vieler Konkurrenzprodukte deutlich übertreffen.

Nicolas Derrien: Vorstandsvorsitzender der Continuum Group ApS sagte: „Wir brauchen Lösungen für die umweltfreundliche Entsorgung von Windturbinenblättern, wir brauchen sie jetzt, und wir brauchen sie schnell! Als Gesellschaft konzentrieren wir uns zu Recht auf die Erzeugung erneuerbarer Energien, aber die Frage, was mit den Rotorblättern von Windkraftanlagen nach der Produktion geschehen soll, wurde bisher nicht effektiv angegangen. Wir ändern das, indem wir eine Recyclinglösung für die Flügel und ein Bauprodukt anbieten, das die meisten anderen existierenden Baumaterialien übertrifft, unendlich oft recycelbar ist und den geringsten Kohlenstoff-Fußabdruck seiner Klasse aufweist."

Martin Dronfield, Chief Commercial Officer der Continuum Group ApS und Geschäftsführer von Continuum Composite Transformation (UK) Ltd, fügt hinzu: "Wir brauchen Windenergiebetreiber und -entwickler in ganz Europa, die einen Schritt zurücktreten und mit uns zusammenarbeiten, um die Herausforderung des großen Ganzen zu lösen. Continuum bietet ihnen einen Service, der nicht nur ihrem Unternehmen eine vollständige und nachhaltige Kreislaufwirtschaft ermöglicht, sondern auch zum Schutz unseres Planeten beiträgt.

Jeder Continuum-Industriestandort in Europa wird mindestens 36.000 Tonnen Turbinenschaufeln am Ende ihrer Lebensdauer pro Jahr recyceln können und als hochwertiges, unbegrenzt recycelbares Produkt bis 2024/25 wieder in die Kreislaufwirtschaft einspeisen.

Durch eine Investition von Climentum Capital und einen Zuschuss der britischen "Offshore Wind Growth Partnership" plant Continuum, die erste von sechs Fabriken in Esbjerg bis Ende 2024 in Betrieb zu nehmen und eine zweite Fabrik in Großbritannien direkt danach zu errichten. Anschließend sollen bis 2030 vier weitere in Frankreich, Deutschland, Spanien und der Türkei entstehen.

Als Teil des eigenen Versprechens, umweltfreundliches Verhalten zu fördern, hat Continuum seine Produktionsstätten so konzipiert, dass sie ausschließlich mit 100 % grüner Energie betrieben werden und keine Kohlenstoffemissionen verursachen, d. h. keine Emissionen in die Luft, keine Abfallstoffe in den Boden und keine Verbrennung von Kohlenstoff.

Quelle:

Continuum / Textination

Foto Freudenberg Performance Materials
10.01.2023

Fraunhofer: Optimierte Produktion von Vliesstoffmasken

Die Produktion von Infektionsschutzkleidung ist material- und energieintensiv. Fraunhofer-Forschende haben nun eine Technologie entwickelt, die bei der Produktion von Vliesstoffen hilft, Material und Energie zu sparen. Auf Basis einer mathematischen Modellierung steuert ein Digitaler Zwilling wesentliche Prozessparameter der Herstellung. Neben der Verbesserung der Maskenherstellung eignet sich die Lösung ProQuIV auch dazu, die Produktionsparameter für andere Anwendungen der vielseitig einsetzbaren technischen Textilien zu optimieren. Die Hersteller können so flexibel auf Kundenwünsche und Marktveränderungen reagieren.

Die Produktion von Infektionsschutzkleidung ist material- und energieintensiv. Fraunhofer-Forschende haben nun eine Technologie entwickelt, die bei der Produktion von Vliesstoffen hilft, Material und Energie zu sparen. Auf Basis einer mathematischen Modellierung steuert ein Digitaler Zwilling wesentliche Prozessparameter der Herstellung. Neben der Verbesserung der Maskenherstellung eignet sich die Lösung ProQuIV auch dazu, die Produktionsparameter für andere Anwendungen der vielseitig einsetzbaren technischen Textilien zu optimieren. Die Hersteller können so flexibel auf Kundenwünsche und Marktveränderungen reagieren.

Infektionsschutzmasken aus Vlies sind nicht erst seit der Corona-Pandemie millionenfach verbreitet und gelten als simpler Massenartikel. Doch ihre Herstellung stellt hohe Anforderungen an Präzision und Zuverlässigkeit des Produktionsprozesses. Der Vliesstoff in der Maske muss bei der FFP-2-Maske nach DIN mindestens 94 Prozent, bei der FFP-3-Variante sogar 99 Prozent der Aerosole herausfiltern. Gleichzeitig muss die Maske ausreichend Luft durchlassen, damit der Mensch noch gut atmen kann. Viele Hersteller suchen nach Wegen, die Herstellung zu optimieren. Außerdem soll die Produktion flexibler werden, so dass Unternehmen in der Lage sind, die vielseitig verwendbaren Vliesstoffe für ganz unterschiedliche Anwendungen und Branchen zu bearbeiten und zu liefern.

Nun hat das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern mit ProQuIV eine Lösung vorgestellt, die beides leistet. Das Kürzel ProQuIV steht für »Produktions- und Qualitätsoptimierung von Infektionsschutzkleidung aus Vliesstoffen«. Die Grundidee: Prozessparameter der Herstellung werden bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Gleichmäßigkeit des Vliesstoffs charakterisiert und diese wiederum mit Eigenschaften des Endprodukts, beispielsweise einer Schutzmaske, in Verbindung gesetzt. Diese Modellkette verknüpft alle relevanten Parameter mit einer Bildanalyse und bildet einen Digitalen Zwilling der Produktion. Mit dessen Hilfe lässt sich die Vliesstoffherstellung in Echtzeit überwachen, automatisch steuern und somit das Optimierungspotenzial nutzen.

Dr. Ralf Kirsch aus der Abteilung Strömungs- und Materialsimulation und Teamleiter Filtration und Separation erklärt: »Mit ProQuIV benötigen die Hersteller insgesamt weniger Material und sparen Energie. Dabei ist die Qualität des Endprodukts jederzeit gewährleistet.«

Vliesherstellung mit Hitze und Luftströmung
Vliesstoffe für Filtrationsanwendungen werden im sogenannten Meltblown-Prozess hergestellt. Dabei werden Kunststoffe wie Polypropylen geschmolzen, durch Düsen getrieben und kommen in Form von Fäden heraus, den sogenannten Filamenten. Diese werden auf zwei Seiten von Luftströmen erfasst, die sie mit annähernder Schallgeschwindigkeit nach vorne treiben und gleichzeitig verwirbeln, bevor sie auf ein Auffangband fallen. So werden die Fäden nochmals dünner. Die Dicke der Filamente liegt im Mikrometer- oder sogar Sub-Mikrometer-Bereich. Durch Abkühlung und Zugabe von Bindestoffen bildet sich der Vliesstoff. Je besser Temperatur, Luft- und Bandgeschwindigkeit aufeinander abgestimmt sind, desto gleichmäßiger sind am Ende die Fasern verteilt und desto homogener erscheint das Material dann bei der Prüfung im Durchlichtmikroskop. Hier lassen sich hellere und dunklere Stellen ausmachen. Fachleute sprechen von Wolkigkeit. Das Fraunhofer-Team hat eine Methode entwickelt, um einen Wolkigkeits-Index anhand von Bilddaten zu messen. Die hellen Stellen besitzen einen niedrigen Faservolumenanteil, sind also nicht so dicht und weisen eine niedrigere Filtrationsrate auf. Dunklere Stellen haben ein höheres Faservolumen und daher eine höhere Filtrationsrate. Andererseits führt der in diesen Bereichen erhöhte Luftwiderstand dazu, dass sie einen geringeren Anteil der Atemluft filtern. Der größere Anteil strömt durch die offeneren Bereiche, die eine geringere Filterwirkung haben.

Produktionsprozess mit Echtzeit-Steuerung
Die Durchlichtaufnahmen aus dem Mikroskop dienen bei ProQuIV für die Kalibrierung der Modelle vor dem Einsatz. Die Expertinnen und Experten analysieren den Ist-Zustand der Textilprobe und ziehen daraus Rückschlüsse, wie die Anlage optimiert werden kann. So könnten sie beispielsweise die Temperatur erhöhen, die Bandgeschwindigkeit senken oder die Stärke der Luftströme anpassen. »Ein wesentliches Ziel unseres Forschungsprojekts war, zentrale Parameter wie Filtrationsrate, Strömungswiderstand und Wolkigkeit eines Materials miteinander zu verknüpfen und darauf basierend eine Methode zu generieren, die alle Variablen im Produktionsprozess mathematisch modelliert«, sagt Kirsch. Der Digitale Zwilling überwacht und steuert die laufende Produktion in Echtzeit. Kleine Abweichungen der Anlage, wie etwa eine zu hohe Temperatur, werden in Sekunden automatisch korrigiert.

Schnelle und effiziente Herstellung
»Es ist dann nicht notwendig, die Produktion zu unterbrechen, Materialproben zu nehmen und die Maschinen neu einzustellen. Wenn die Modelle kalibriert sind, kann sich der Hersteller darauf verlassen, dass der Vliesstoff, der vom Band läuft, die Spezifikationen und Qualitätsnormen einhält«, erklärt Kirsch. Mit ProQuIV wird die Produktion deutlich effizienter. Es gibt weniger Ausschuss beim Material, und der Energieverbrauch sinkt ebenfalls. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Hersteller schnell neue Produkte auf Vliesbasis entwickeln können. Dazu müssen lediglich die Zielvorgaben in der Modellierung geändert und die Parameter angepasst werden. So können produzierende Unternehmen flexibel auf Kundenwünsche oder Markttrends reagieren.

Was logisch klingt, ist in der Entwicklung komplex. Die Werte für Filtrationsleistung und Strömungswiderstand steigen nämlich keineswegs linear an und verhalten sich auch nicht proportional zum Faservolumenanteil. Eine doppelt so hohe Filament-Dichte bedeutet also nicht, dass auch Filtrationsleistung und Strömungswiderstand doppelt so hoch sind. Das Verhältnis zwischen den Parametern ist wesentlich komplexer. »Genau deshalb ist die mathematische Modellierung so wichtig. Sie hilft uns, das komplexe Verhältnis zwischen den einzelnen Prozessparametern zu verstehen«, sagt Fraunhofer-ITWM-Forscher Kirsch. Dabei kommt den Forschenden ihre langjährige Expertise bei Simulation und Modellierung zugute.

Weitere Anwendungen sind möglich
Der nächste Schritt besteht für das Fraunhofer-Team darin, den Atemwiderstand der Vliesstoffe für den Menschen bei gleicher Schutzwirkung zu reduzieren. Möglich wird dies durch die elektrische Aufladung der Fasern. Das Prinzip erinnert an die Arbeitsweise eines Staubwedels. Durch die elektrische Ladung zieht das Textilgewebe winzigste Partikel an, die andernfalls durch die Poren schlüpfen könnten. Die Stärke der elektrostatischen Ladung wird hierfür als Parameter in die Modellierung integriert.

Die Fraunhofer-Forschenden beschränken sich bei der Anwendung der Methode keineswegs nur auf Masken und Luftfilter. Ihre Technologie lässt sich ganz allgemein in der Produktion von Vliesstoffen einsetzen, beispielsweise auch bei Stoffen für die Filtration von Flüssigkeiten. Auch die Herstellung von schalldämmenden Vliesstoffen lässt sich mit ProQuIV-Methoden optimieren.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM

04.01.2023

Kreislaufwirtschaft: Es könnte alles so einfach sein... oder auch nicht

Interview mit Henning Wehland & Robert Kapferer, Circularity Germany

Ich bin von Natur aus ein sehr neugieriger Typ. Deshalb hatte ich mich in diesem Jahr bei einer bekannten Münsteraner Hotdog-Station als Aushilfe angeboten, um auf die Personalnot in der Gastronomie aufmerksam zu machen. Darüber schrieb ich einen Artikel auf LinkedIn, auf den wiederum Ines Chucholowius reagierte.
Aus ihrem Profil konnte ich entnehmen, dass sie als Unternehmensberaterin im Bereich der Textilindustrie tätig ist. Nicht ganz ernst gemeint, bot sie mir eine Stelle in ihrem Büro an. Auf Knopfdruck sprang mein Kopfkino an: Textilindustrie, spannend! Merchandising, Kontakte in die Industrie, Kooperationen und ich ließ mich auf einen kurzen Chat ein, an dessen Ende wir telefonierten und uns auf ein Gespräch verabredeten.

Interview mit Henning Wehland & Robert Kapferer, Circularity Germany

Ich bin von Natur aus ein sehr neugieriger Typ. Deshalb hatte ich mich in diesem Jahr bei einer bekannten Münsteraner Hotdog-Station als Aushilfe angeboten, um auf die Personalnot in der Gastronomie aufmerksam zu machen. Darüber schrieb ich einen Artikel auf LinkedIn, auf den wiederum Ines Chucholowius reagierte.
Aus ihrem Profil konnte ich entnehmen, dass sie als Unternehmensberaterin im Bereich der Textilindustrie tätig ist. Nicht ganz ernst gemeint, bot sie mir eine Stelle in ihrem Büro an. Auf Knopfdruck sprang mein Kopfkino an: Textilindustrie, spannend! Merchandising, Kontakte in die Industrie, Kooperationen und ich ließ mich auf einen kurzen Chat ein, an dessen Ende wir telefonierten und uns auf ein Gespräch verabredeten.

Sie erzählte mir von ihrer Internetseite TEXTINATION.de. Und schon waren wir drin in einem spannenden, hitzigen Austausch über Wahrnehmung und Wahrheit der Textilbranche. Ohne Weiteres zu verabreden, ließen wir es dabei und ich ging mit einem Batzen neuer Informationen über einen spannenden Bereich nach Hause. Unser Dialog über Social Media ging weiter und schließlich bot Ines mir an, mit Unterstützung von TEXTINATION.de meine „Die-Sendung-mit-der-Maus-Neugierde“ zu stillen. Ich könne einen Blog auf der Seite schreiben, über Menschen, Produkte, Dienstleister, Produzenten, Startups oder Trends, die mich interessieren, um so mein Halbwissen über die Textilindustrie zu ergänzen. Das erste Ergebnis dieser Zusammenarbeit liegt hier vor.

Vorne textiler Abfall rein … hinten neues T-Shirt raus
Während unseres Austauschs und einem langen Brainstorming kitzelten immer wieder bestimmte Begriffe meine Aufmerksamkeit:
Kreislaufwirtschaft, Circular Economy, Recycling, Wertstoffkreisläufe. Auch wenn es viele verschiedene Definitionen gibt und einige sogar zwischen Kreislaufwirtschaft und Circular Economy unterscheiden: ersteres von der Abfallseite gedacht, Abfall, der als Sekundärrohstoff wieder in die Produktion einfließt, Circular Economy, die die Abfälle bereits in der Produktion vermeidet, besteht allgemeiner Konsens eigentlich nur darüber, dass es sich bei der Kreislaufwirtschaft um einen Kreislauf handelt, in dem Abfälle als Quelle für etwas Neues verwendet werden.

Klingt für mich beides nach sinnvollen Ergänzungen für alle Bereiche der produzierenden Güterwirtschaft. Ines stellte mir Robert Kapferer vor: Er betreibt ein Startup namens Circularity Germany in Hamburg. Seine 2021 gegründete Firma, die aus Robert und einem weiteren Partner besteht, ist ein Ableger der in Holland ansässigen Firma Circularity B.V. Deren Gründer Han Hamers, studierter Kinderpsychologe, aus der Textilfärbeindustrie kommend, hatte vor fünf Jahren die Idee für eine Produktionsstätte, die ausnahmslos aus textilen Produktionsabfällen und Alttextilien neues Garn spinnt und es zu T-, Polo- und Sweatshirts verarbeitet.

Ob das funktioniert und wenn ja, wie, das wollte ich herausfinden, und Ines und ich haben uns mit Robert zu einem 90-minütigen Onlinegespräch getroffen.

Robert, von Haus aus Wirtschaftsingenieur, kommt aus dem wenig nachhaltigen Handel mit Arbeitskleidung. Er hat 11 Jahre als Geschäftsführer für die AVECO Material und Service GmbH gearbeitet, wo er für die Arbeitskleidung von mehr als 50.000 Mitarbeitern zuständig war.
Eingangs unseres Gesprächs betont er, dass ein Moment im Januar 2021 sein Leben verändert habe und er sich von da an mit Haut und Haaren dem Thema Kreislaufwirtschaft widmen wollte. Damals lernte er Han Hamers kennen, der ihn dazu inspirierte, Circularity Germany zu gründen. Seine Begeisterung und Leidenschaft für das Thema klingen glaubwürdig, und er beginnt, die Unterschiede zwischen chemischer und mechanischer Recyclingmethode zu beschreiben. Zusammengefasst werden beim mechanischen Verfahren des Schredderns und des anschließenden Spinnens die Fasern verkürzt und insbesondere im Wiederholungsfall deren Eigenschaften für die Weiterverarbeitung eingeschränkt. Der Vorteil liegt vor allem in dem vergleichsweise unkomplizierten, schnellen und kostengünstigeren Verfahren. Bei der chemischen Variante bleibt zwar chemischer Abfall zurück, aber die verarbeiteten Materialien werden wieder so in ihre Grundbausteine zerlegt, dass sie fast alle Eigenschaften wie ein sogenannter jungfräulicher (virgin) Rohstoff haben. Circularity steht für das mechanische Verfahren.

Und dann fällt der Satz, der unsere ganze Aufmerksamkeit bekommt: „Wir haben eine Spinntechnologie so stark weiterentwickelt, dass sie ausschließlich auf abfallbasierten Rohstoffen aufsetzt.“
Dieser Satz fällt fast nicht auf, weil Robert noch – durchaus spannend – darüber berichtet, dass sie eine Produktions- und Fertigungsstätte aufbauen, wo vom Strickgarn bis zum relativ feinen Faden alles gesponnen werden kann, um diesen dann zu Stoff weiterzuverarbeiten. Und hier fragen Ines und ich intensiv nach: Wesentliche Voraussetzungen, die eine industrielle Fertigung benötig, scheinen noch ungelöst, notwendige Prozesse noch in der Planung zu sein. Beispielweise die Frage, ob mit Pre- oder Post-Consumer-Abfällen gearbeitet wird. Pre-Consumer-Abfälle sind Schnittabfälle aus der Produktion von Kleidungsstücken, das entspricht etwa 10% des insgesamt verarbeiteten Materials. Post-Consumer-Abfälle kennen wir als Altkleider.

Solange noch in Indien produziert wird, nutzt Circularity hauptsächlich Pre-Consumer Abfälle. Diese kommen ausschließlich aus den umliegenden Nähfabriken aus der Region Tirupur im Süden von Indien. Beim Einsatz von Alttextilien, die es in Deutschland in großen Mengen gibt (laut einer Studie werden 28-40% aller hergestellten Kleidungsstücke ungetragen weggeworfen), produziert Circularity Mischgarne aus Baumwolle und Polyester. Reine Baumwollgarne bietet das Unternehmen nicht an.

Textilien werden in unterschiedlichem Ausmaß mit Chemikalien behandelt – insbesondere Arbeitsbekleidung kommt ohne sie nicht aus. Die Tatsache, dass auch Han Hamers gerade die textilen Altbestände der niederländischen Armee auffängt, um sie renewed wieder in den Konsumkreislauf einzubringen, beruhigt deshalb nicht. Denn Militärbekleidung muss mit allerlei Zusätzen ausgerüstet werden.

Deshalb frage ich nun nach, wie er bei einem Konsumenten wie mir, mit gesundem Halbwissen über Maskendeals und Greenwashing, die Zweifel ausräumen kann, dass einer gut gemeinten Vision ein dunkles Erwachen folgt. Diese Sorge kann nach dem Gespräch noch nicht ausgeräumt werden.

Wir beschränken uns auf das, was geplant ist: Robert hat den Traum, den globalisierten Prozess der Textilherstellung umzukehren. Er will die Entkopplung von Baumwollanbau und weit entfernter Produktion wie z.B. in Asien mit anschließender Verschiffung fertig konfektionierter Ware nach Europa. Vorhandene Altkleider und/oder Schnittabfälle sollen künftig vor Ort gesammelt, recycelt und lokal zu neuen Textilien verarbeitet werden.

Ich nehme ihm diesen Traum ab. Allerdings bleiben einige meiner Fragen zur Nachhaltigkeit offen – deshalb habe ich meine Zweifel, ob die Idee aktuell leistungs- und konkurrenzfähig ist.
Woran liegt das? Zum einen ist es meiner Meinung nach immer schwierig, notwendige Pionierarbeit zu leisten. Vor allem, wenn mir am Stammtisch die schlauen Kommentare um die Ohren fliegen, dass große Firmen ja schon intensiv an dem Prinzip Kreislaufwirtschaft arbeiten. Doch manchmal bleibt außer dem Begriff Kreislaufwirtschaft und einem unbestimmten Commitment dazu nicht viel übrig.

Circularity schreibt sich auf die Fahne, eine Technologie zu entwickeln, die ausschließlich auf Abfällen aufbaut. Das Gespräch macht deutlich, dass darin auch enthalten ist, dass die Produktion umweltverträglicher ist und Transportwege wegfallen, was die Umwelt weiter entlastet. Wenn alle Vorrausetzungen für die Umsetzung dieses Traums geschaffen sind und ein qualitativ, wie preislich konkurrenzfähiges Produkt auf den Markt gebracht werden kann, dann muss der Konsument entscheiden. Hier hätte man dann das glaubwürdige Argument der Nachhaltigkeit und eines sozial-, wie umwelttechnisch fairen Verfahrens. Um die PR müsste Circularity sich dann keine Sorgen machen.

Man muss der Sache Zeit und vor allem Aufmerksamkeit geben. Aber vielleicht sollte die Industrie sich genau hier und jetzt engagieren und in solche Startups investieren und dafür sorgen, dass Probleme aus dem Weg geräumt werden, denn eines ist uns in diesem Gespräch klargeworden:
Es könnte alles so einfach sein. Kreislaufwirtschaft ist machbar, aber der Weg dorthin noch kostspielig und steinig. Deshalb wünschen wir Robert und seinem Team viel Erfolg und vor allem Durchhaltevermögen. Danke für das Gespräch.

Kurz und knapp: das Profil des Unternehmens im beigefügten Factsheet zum Download.

 

 

Bild: Gaharwar Laboratory
13.12.2022

Neue Tinten für 3D-druckbare, tragbare Bioelektronik

Flexible Elektronik hat die Entwicklung von Sensoren, Aktoren, Mikrofluidik und Elektronik auf flexiblen, konformen und/oder dehnbaren Trägerschichten für tragbare, implantierbare oder einzunehmende Anwendungen ermöglicht. Diese Geräte haben jedoch im Vergleich zum menschlichen Gewebe sehr unterschiedliche mechanische und biologische Eigenschaften und können daher nicht in den menschlichen Körper integriert werden.

Ein Forscherteam an der Texas A&M University hat eine neue Klasse von Biomaterialtinten entwickelt, die die nativen Eigenschaften von hoch leitfähigem menschlichem Gewebe, ähnlich wie Haut, nachahmen, was für die Verwendung der Tinte im 3D-Druck unerlässlich ist.

Flexible Elektronik hat die Entwicklung von Sensoren, Aktoren, Mikrofluidik und Elektronik auf flexiblen, konformen und/oder dehnbaren Trägerschichten für tragbare, implantierbare oder einzunehmende Anwendungen ermöglicht. Diese Geräte haben jedoch im Vergleich zum menschlichen Gewebe sehr unterschiedliche mechanische und biologische Eigenschaften und können daher nicht in den menschlichen Körper integriert werden.

Ein Forscherteam an der Texas A&M University hat eine neue Klasse von Biomaterialtinten entwickelt, die die nativen Eigenschaften von hoch leitfähigem menschlichem Gewebe, ähnlich wie Haut, nachahmen, was für die Verwendung der Tinte im 3D-Druck unerlässlich ist.

Diese Biomaterial-Tinte nutzt eine neue Klasse von 2D-Nanomaterialien, die als Molybdändisulfid (MoS2) bekannt sind. Die dünnschichtige Struktur von MoS2 enthält Defektzentren, die es chemisch aktiv machen und in Kombination mit modifizierter Gelatine ein flexibles Hydrogel ergeben, vergleichbar mit der Struktur von Götterspeise.

„Die Auswirkungen dieser Arbeit sind für den 3D-Druck weitreichend", sagte Dr. Akhilesh Gaharwar, außerordentlicher Professor in der Abteilung für Biomedizinische Technik und Presidential Impact Fellow. "Diese neu entwickelte Hydrogeltinte ist hochgradig biokompatibel und elektrisch leitfähig und ebnet den Weg für die nächste Generation von tragbarer und implantierbarer Bioelektronik.”1

Die Tinte hat strukturviskose oder scherverdünnende Eigenschaften. Ihre nimmt Viskosität mit zunehmender Kraft ab, so dass sie im Inneren der Tube fest ist, aber beim Zusammendrücken eher wie eine Flüssigkeit fließt, ähnlich wie Ketchup oder Zahnpasta. Das Team hat diese elektrisch leitfähigen Nanomaterialien in eine modifizierte Gelatine eingearbeitet, um eine Hydrogeltinte mit Eigenschaften herzustellen, die für die Entwicklung von Tinte für den 3D-Druck wichtig sind.

„Diese 3D-gedruckten Geräte sind extrem elastisch und können zusammengedrückt, gebogen oder verdreht werden, ohne zu brechen", so Kaivalya Deo, Doktorand in der Abteilung für biomedizinische Technik und Hauptautor der Arbeit. „Darüber hinaus sind diese Geräte elektronisch aktiv, so dass sie dynamische menschliche Bewegungen überwachen können und den Weg für eine kontinuierliche Bewegungsüberwachung ebnen.”

Für den 3D-Druck der Tinte haben die Forscher im Gaharwar-Labor einen kostengünstigen, Open-Source 3D-Biodrucker mit mehreren Druckköpfen entwickelt, der voll funktionsfähig und anpassbar ist und mit Open-Source Tools und Freeware läuft. Dies ermöglicht es jedem Forscher, 3D-Biodrucker zu bauen, die auf seine eigenen Forschungsbedürfnisse zugeschnitten sind.

Die elektrisch leitfähige 3D-gedruckte Hydrogel-Tinte kann komplexe 3D-Schaltkreise erzeugen und ist nicht auf plane Designs beschränkt, so dass Forscher eine anpassbare Bioelektronik herstellen können, die auf patientenspezifische Anforderungen zugeschnitten ist.

Mit Hilfe dieser 3D-Drucker konnte Deo elektrisch aktive und dehnbare elektronische Geräte drucken. Diese Geräte weisen außergewöhnliche Dehnungsmessfähigkeiten auf und können für die Entwicklung anpassbarer Überwachungssysteme verwendet werden. Dies eröffnet ebenfalls neue Möglichkeiten für die Entwicklung dehnbarer Sensoren mit integrierten miroelektronischen Komponenten.

Eine der möglichen Anwendungen der neuen Tinte ist der 3D-Druck elektronischer Tätowierungen für Patienten mit Parkinson. Die Forscher stellen sich vor, dass ein gedrucktes E-Tattoo die Bewegungen des Patienten, einschließlich des Zitterns, überwachen kann.

Dieses Projekt wurde in Zusammenarbeit mit Dr. Anthony Guiseppi-Elie, Vizepräsident für akademische Angelegenheiten und Personalentwicklung am Tri-County Technical College in South Carolina, und Dr. Limei Tian, Assistenzprofessor für Biomedizintechnik an der Texas A&M University, durchgeführt.
Die Studie wurde vom National Institute of Biomedical Imaging and Bioengineering, dem National Institute of Neurological Disorders and Stroke und dem Texas A&M University President's Excellence Fund finanziert. Ein vorläufiges Patent auf diese Technologie wurde in Zusammenarbeit mit der Texas A&M Engineering Experiment Station angemeldet.

1 Die Studie wurde bei ACS Nano veröffentlicht.

Quelle:

Alleynah Veatch Cofas, Texas A & M University

Foto: Bcomp
22.11.2022

Made in Switzerland: Ist Flachs das neue Carbon?

  • Bcomp gewinnt BMW Group Supplier Innovation Award in der Kategorie "Newcomer des Jahres"

Am 17. November 2022 wurden in der BMW Welt in München die sechsten BMW Group Supplier Innovation Awards in sechs Kategorien vergeben: "Powertrain & E-Mobility", "Sustainability", "Digitalisation", "Customer Experience", "Newcomer of the Year" und "Exceptional Team Performance".

Bcomp gewann den BMW Group Supplier Innovation Award in der Kategorie Newcomer of the Year. Nach der erfolgreichen Zusammenarbeit mit BMW M Motorsport für den neuen BMW M4 GT4, bei dem die Naturfaserlösungen powerRibs™ und ampliTex™ von Bcomp in großem Umfang zum Einsatz kommen, und der kürzlich erfolgten Beteiligung von BMW iVentures an Bcomp als Lead-Investor in der Series-B-Runde ist diese Auszeichnung ein weiterer wichtiger Schritt und eine Anerkennung auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Mobilität.

  • Bcomp gewinnt BMW Group Supplier Innovation Award in der Kategorie "Newcomer des Jahres"

Am 17. November 2022 wurden in der BMW Welt in München die sechsten BMW Group Supplier Innovation Awards in sechs Kategorien vergeben: "Powertrain & E-Mobility", "Sustainability", "Digitalisation", "Customer Experience", "Newcomer of the Year" und "Exceptional Team Performance".

Bcomp gewann den BMW Group Supplier Innovation Award in der Kategorie Newcomer of the Year. Nach der erfolgreichen Zusammenarbeit mit BMW M Motorsport für den neuen BMW M4 GT4, bei dem die Naturfaserlösungen powerRibs™ und ampliTex™ von Bcomp in großem Umfang zum Einsatz kommen, und der kürzlich erfolgten Beteiligung von BMW iVentures an Bcomp als Lead-Investor in der Series-B-Runde ist diese Auszeichnung ein weiterer wichtiger Schritt und eine Anerkennung auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Mobilität.

„Innovationen sind der Schlüssel zum Erfolg unserer Transformation hin zu Elektromobilität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Mit unserer Preisverleihung würdigen wir Innovation und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten - gerade in herausfordernden Zeiten“, sagte Joachim Post, Mitglied des Vorstands der BMW AG, verantwortlich für Einkauf und Lieferantennetzwerk, bei der Preisverleihung in der BMW Welt in München.

BMW begann 2019 erstmals mit den Materialien von Bcomp zu arbeiten, als sie Hochleistungs-Naturfaserverbundwerkstoffe im BMW iFE.20 Formel-E-Auto einsetzten. Aus dem mit Flachsfasern verstärkten Kühlschacht entwickelte sich die Zusammenarbeit, und bald darauf wurden die proprietären ampliTex™- und powerRibs™-Naturfaserlösungen erfolgreich als Ersatz für ausgewählte Kohlefaserkomponenten in DTM-Tourenwagen von BMW M Motorsport eingesetzt. Solche Entwicklungen, die auch in andere Fahrzeugprogramme einfließen, unterstreichen die wichtige Rolle, die BMW M Motorsport als Technologielabor für die gesamte BMW Group spielt. Die jüngste Zusammenarbeit mit Bcomp zur Erhöhung des Anteils nachwachsender Rohstoffe beim Nachfolger des BMW M4 GT4 setzt dies fort.

Mit der Markteinführung des neuen BMW M4 GT4 wird er das Serien-GT-Fahrzeug mit dem höchsten Anteil an Naturfaser-Komponenten sein. Die Flachsfaserlösungen ampliTex™ und powerRibs™ von Bcomp finden sich im gesamten Innenraum auf dem Armaturenbrett und der Mittelkonsole sowie auf Karosserieteilen wie Motorhaube, Frontsplitter, Türen, Kofferraum und Heckflügel. Abgesehen vom Dach gibt es fast keine Bauteile aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK), die nicht durch die nachwachsenden Hochleistungsflachsmaterialien ersetzt wurden. "Produktnachhaltigkeit gewinnt auch im Motorsport zunehmend an Bedeutung", sagt Franciscus van Meel, Vorsitzender der Geschäftsführung der BMW M GmbH.

Bcomp ist ein führender Anbieter von Lösungen für Naturfaser-Verstärkungen in Hochleistungsanwendungen vom Rennsport bis zur Raumfahrt.

Das Unternehmen begann 2011 als Garagenprojekt mit dem Ziel, leichte und dennoch leistungsstarke Skier zu entwickeln. Die bCores™ wurden eingeführt und erfolgreich von einigen der größten Namen im Freeride-Skisport übernommen. Die Gründer, promovierte Materialwissenschaftler der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL), verwendeten Flachsfasern zur Verstärkung des Balsakerns und zur Verbesserung der Schersteifigkeit. Beeindruckt von den hervorragenden mechanischen Eigenschaften der Flachsfasern begann die Entwicklung nachhaltiger Leichtbaulösungen für den breiteren Mobilitätsmarkt.

Flachs ist eine einheimische Pflanze, die in Europa natürlich wächst und seit Jahrhunderten Teil der Agrargeschichte ist. Sie benötigt sehr wenig Wasser und Nährstoffe, um erfolgreich zu wachsen. Zudem fungiert sie als Fruchtfolgepflanze und verbessert so die Ernteerträge auf bestehenden Anbauflächen. Weder beim Anbau noch bei der Verarbeitung der Flachspflanzen werden Chemikalien eingesetzt, die das Grundwasser verunreinigen könnten, die Ernte ist ein rein mechanischer Prozess. Nach der Ernte kann die gesamte Flachspflanze als Futtermittel oder zur Ölherstellung verwendet werden, und ihre Fasern werden vor allem für Heimtextilien und Kleidung genutzt. Die langen Fasern der Flachspflanze besitzen sehr gute mechanische Eigenschaften und ein hervorragendes Dämpfungsverhalten im Verhältnis zu ihrer Dichte, wodurch sie sich besonders gut als natürliche Faserverstärkung für alle Arten von Polymeren eignen.

Die Ernte und Verarbeitung des Flachses erfolgen lokal in den ländlichen Gebieten, in denen er angebaut wurde. Die Verwendung von europäischem Flachs, den Bcomp über seine gut etablierte und transparente Lieferkette bezieht, ermöglicht es, die wirtschaftliche und soziale Struktur in den ländlichen Gebieten zu unterstützen, da für die Aufrechterhaltung der Flachsproduktion zahlreiche qualifizierte Arbeitskräfte erforderlich sind. Bei der Herstellung der technischen Produkte wie dem powerRibs™-Bewehrungsnetz investiert Bcomp in lokale Produktionskapazitäten in der Nähe seines Hauptsitzes in Freiburg, Schweiz, schafft so neue Arbeitsplätze und erhält das technische Know-how in der Region. Die Produktion ist so effizient wie möglich und mit minimalen Umweltauswirkungen und Abfällen aufgebaut.

Zur weiteren Stärkung der lokalen Wirtschaft ist Bcomp bestrebt, regionale Unternehmen für Aufträge zu engagieren. Da sich der Hauptsitz im Freiburger Stadtviertel "Blaue Fabrik" befindet, kann Bcomp sowohl von der Entwicklung eines nachhaltigen und vielfältigen Viertels profitieren als auch dazu beitragen.

Quelle:

Bcomp; BMW Group

Foto: Marlies Thurnheer
25.10.2022

Textile Elektroden für Medtech-Anwendungen

  • Erfolgreiche Finanzierungsrunde für Empa-Spin-off «Nahtlos»

Nahtlos, ein Spin-off der Empa, hat in einer ersten Finanzierungsrunde 1 Million Franken von einem Netzwerk von «Business Angels» aus der Schweiz und Liechtenstein sowie von der Startfeld-Stiftung erhalten. Damit möchte Nahtlos den Markteintritt der neu entwickelten Textil-basierten Elektrode für medizinische Anwendungen vorantreiben.

  • Erfolgreiche Finanzierungsrunde für Empa-Spin-off «Nahtlos»

Nahtlos, ein Spin-off der Empa, hat in einer ersten Finanzierungsrunde 1 Million Franken von einem Netzwerk von «Business Angels» aus der Schweiz und Liechtenstein sowie von der Startfeld-Stiftung erhalten. Damit möchte Nahtlos den Markteintritt der neu entwickelten Textil-basierten Elektrode für medizinische Anwendungen vorantreiben.

Nahtlos, ein Spin-off der Empa, hat in den vergangenen zwei Jahren neuartige, Textil-basierte Elektroden zur Aufzeichnung der Herzaktivität (Elektrokardiogramm, EKG) – etwa, um Vorhofflimmern zu erkennen – sowie für Elektrostimulationstherapien entwickelt, z.B. um die Muskelmasse bei gelähmten Patienten zu erhalten. Textil-basierte Elektroden ermöglichen eine sanfte und hautschonende Anwendung, auch wenn die Elektroden über mehrere Tage oder gar Wochen getragen werden müssen. Die textile Elektrode ist somit die erste Alternative zur Gel-Elektrode, welche vor 60 Jahren entwickelt worden ist und noch heute als Standard für medizinische Anwendungen gilt.

Der Nahtlos-Gründer und ehemalige Empa-Forscher Michel Schmid und der Mit-Gründer und Betriebswirtschaftler José Näf haben die Textil-basierte Technologie, welche in verschiedenen, unter anderem von der Innosuisse geförderten Projekten an der Empa entwickelt und patentiert worden ist, weiterentwickelt und ausgereift. Das Ziel war dabei, ein Produkt für medizinische Langzeit-Anwendungen herzustellen, welches während einer Anwendung von bis zu mehreren Wochen zuverlässig EKG Signale aufzeichnet, dabei eine hohe Patientenakzeptanz erreicht und durch seine Wirtschaftlichkeit für den Leistungserbringer überzeugt. Heute ist das Patent zur textilbasierten Elektrodentechnologie nach Erreichen eines Meilensteins im Eigentum von nahtlos.

Finanzierung durch «Business Angels» und Startfeld-Stiftung
Für die Zertifizierung ihres Produkts, den Produktionsaufbau und die Marktbearbeitung haben Schmid und Näf nach Investoren gesucht – und konnten die Seed-Finanzierungsrunde vor kurzem erfolgreich beenden: die beiden Jungunternehmer akquirierten CHF 1 Million von Business Angelnetzwerken aus der Schweiz und Liechtenstein und von der Startfeld Stiftung. Die Nahtlos AG wurde beim Aufbau des Unternehmens von Startfeld, der Start-up Förderung des Switzerland Innovation Park Ost (SIP Ost), in Form von Coaching, Beratung und Frühphasen-Finanzierung unterstützt. Nahtlos ist zudem im Innovationspark Ost an der Lerchen-feldstraße 3 beheimatet, wo durch die Zusammenarbeit von Start-ups, Unternehmen und Hochschulen Innovationen initiiert und beschleunigt werden.

Zusammen mit der Empa und Nahtlos war der SIP Ost dieses Jahr auch auf der OLMA präsent. Am Stand konnten sich Besucherinnen und Besucher live und vor Ort über die Forschungsaktivitäten der Empa im Bereich «Digital Health» sowie über die Nahtlos-Technologie und deren Textil-Elektroden zur Gesundheitsüberwachung informieren.

Quelle:

EMPA

Unterwasser-Sensorik bringt auch über Wasser neue Erkenntnisse. Dem autonomen Unterwasserfahrzeug in Form eines Mantarochens des Projektpartners EvoLogics werden von Fraunhofer IZM-Forschenden auf der flexiblen Haut beider Flügel Sensormodule montiert. (c) EvoLogics GmbH
11.10.2022

Textile Haut & smarte Sensorik: Robo-Rochen auf Munitionssuche

Um im Meer versunkene Kriegsgeschosse zuverlässig zu detektieren, kommen bislang Spezial-U-Boote zum Einsatz. Für enge und schwer erreichbare Stellen übernehmen noch immer geschulte Spezialtaucher*innen diese komplexe und teilweise gefährliche Aufgabe.

Um im Meer versunkene Kriegsgeschosse zuverlässig zu detektieren, kommen bislang Spezial-U-Boote zum Einsatz. Für enge und schwer erreichbare Stellen übernehmen noch immer geschulte Spezialtaucher*innen diese komplexe und teilweise gefährliche Aufgabe.

Ein deutsches Forschungskonsortium unter Beteiligung des Fraunhofer IZM nutzt jetzt einen Unterwasser-Roboter, der so wendig und beweglich ist wie ein Mantarochen und zukünftig dank neu-entwickelter, vernetzter Sensoren in seinen Flügelflächen mehr Informationen aus der Umgebung erhalten kann. So wird beispielsweise die Metalldetektion von Objekten auf dem Meeresboden oder leicht vergraben unter der Erde ermöglicht.
 
Autonome Unterwasser-Vehikel oder auch AUVs gibt es schon seit einigen Jahren. Hightech-Unternehmen für zuverlässige Unterwasserkommunikation und innovative bionische Lösungen wie die EvoLogics GmbH haben diese Roboter, inspiriert von Tieren wie Mantarochen, optisch und anatomisch an die Meereswelt angepasst.
 
Mit ihrer Flossenspannweite können diese Fische große Flächen abdecken, dank ihrer beweglichen Wirbel aber auch sehr kleine Biegeradien realisieren und somit leicht durchs Meer gleiten. Bisher waren die Roboter-Mantas aber noch nicht so smart, dass sie die gefährdeten Spezialtaucher*innen ablösen konnten, die beispielsweise vor dem Ausbau eines Offshore-Windparks oder interkontinentaler Leitungen für mehrere Stunden den Meeresgrund nach versunkener hochexplosiver Restmunition aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg oder anderen Metallen absuchen. Eine elektrische Lösung in Form eines Mantarochens soll nun die sichere Detektion von Gefahrgütern unter Wasser mittels vielfältiger Sensoren ermöglichen.

Im BMBF-geförderten Projekt Bionic RoboSkin sollen die robotischen Mantas eine flexible bionische Sensorhaut erhalten, die es den Unterwassermobilen erlaubt, sich autonom in ihrem jeweiligen Umfeld zurechtzufinden. Die Sensorhaut besteht aus einem Textilverbund als Träger für Sensorelemente und stellt feuchtigkeitsbeständige elektrische Verbindungen für Energieversorgung und Kommunikation bereit. Forschende vom Fraunhofer IZM haben es sich zur Aufgabe ge macht, die integrierten Sensormodule zu entwickeln, dank derer die AUVs sowohl Berührungen und Annäherungen als auch die Exploration der Umgebung erkennen und analysieren können. Das Projektkonsortium wird geleitet von der EvoLogics GmbH und hat neben den Fraunhofer-Expert*innen weitere Fachexpertise vom TITV Greiz, der Sensorik Bayern GmbH, der BALTIC Taucherei- und Bergungsbetrieb Rostock GmbH und der GEO-DV GmbH an Bord. Ihr gemeinsames Ziel: eine neue Robotergeneration schaffen, die den Menschen mit einer Vielzahl von teil- oder vollautomatischen Diensten unterstützen kann.

Aber nicht nur unter Wasser sollen die neuen Roboter das Bauen sicherer machen: Für ein zweites Anwendungsszenario übertragen die Forschenden die Sensorplattform auf einen Bodenroboter, den „Dachs“. Auch dieser soll durch GPS-Systeme gesteuert und mit sogenannten Ground Penetrating Radars ausgestattet unterirdische Metallstrukturen detektieren und Landvermessungen wie teilautonome Geo-Exploration in schwer zugänglichen Bereichen (z. B. Überwachung im Tunnelbau) durchführen.
 
Technisch funktioniert das so: Den Robotern wird eine textile, feuchtedurchlässige und damit druckneutrale Haut verpasst, die darin integrierte Mikroelektronik ermöglicht wiederum die Funktionen von Berührungs-, Positionierungs-, Strömungs- und Bewegungssensorik. Diese Textilhaut wird wie ein Strumpf über die Flügel des Roboters gezogen, sodass diese im Stil der Soft Robotics empfindlich werden. Die Forschungsteams am Fraunhofer IZM sind dabei für die elektronische Hardware zuständig: Sie bauen unterwasserfeste Sensorknoten auf, die die vom Manta gesammelten Daten vorverarbeiten. Diese Sensorknoten müssen nicht nur funktional, sondern auch extrem miniaturisiert sein, um direkt unter der dünnen Textilhaut angebracht und mit elektrischen Leitungen versehen zu werden. Im laufenden Betrieb messen die Sensoren dann Größen wie Beschleunigung, Druck und Feuchtedurchlässigkeit. Zudem haben die Forschenden Leuchtdioden/LEDs im Leiterplattendesign integriert: Durch Aktivieren der Lämpchen kann der Roboter künftig unter Wasser mit Taucher*innen kommunizieren und beispielsweise durch Blinken zeigen, dass er in Kürze abbiegt.

Diese Komponenten und Sensorpackages wurden mit Hilfe einer stark miniaturisierten Einbetttechnologie integriert und mit einem robusten Modulgehäuse von Außeneinwirkungen wie Kälte und Flüssigkeit geschützt. Der sogenannte Footprint des eingebetteten Moduls ist mit 23 x 10,5 x 1,6 mm³ platziert auf einer Dicke von weniger als einer Schlüsselbreite ein komplettes Sensorpackage mit Mikrocontroller, Treiber, Beschleunigungssensor und übernimmt die Vorauswertung der Daten. Gleichzeitig dient das Gehäuse als Vermittler, indem es die mechanische und elektrische Kontaktierung zur Sensorhaut bietet. Bereits beim Designentwurf entschieden sich die Forschenden für einen modularen, zweiteiligen Aufbau: Das Embedding-Modul vereint die einzelnen elektronischen Bauteile auf nur wenigen Millimetern und sorgt für die Höchstintegration; das Sensormodulgehäuse bildet die mechanische Schnittstelle zur Textilhaut und sorgt für die notwendige Robustheit des Aufbaus. Das Verbindungskonzept zwischen Modul und Gehäuse funktioniert nach dem Clip-Prinzip: Durch kleine Pins, die auf der Connector-Boardhälfte der Haut angebracht wurden, und winzige Schnapphaken auf dem Sensormodul wird eine schnell lösbare Schnittstelle geschaffen. Die Modularität des Gesamtsystems ermöglicht eine aufwandfreie Neukonfiguration des Moduls.

Als nächste Schritte folgen erste Testdurchläufe mit dem Robo-Manta. Die Erkenntnisse und Ergebnisse aus Bionic RoboSkin lassen sich in weiteren Projekten einsetzen, um die maritime Sensorik, aber auch andere flexible und mobile Serviceroboter durch druckneutrale und zuverlässige Packaging-Lösungen voranzutreiben und noch smarter zu machen.

Das Projekt Bionic RoboSkin mit dem Förderkennzeichen 16ES0914 wird gefördert vom BMBF via VDI/VDE-IT im Rahmenprogramm der Bundesregierung für Forschung und Innovation 2016-2020 „Mikroelektronik aus Deutschland – Innovationstreiber der Digitalisierung“.

Quelle:

Fraunhofer – Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM

Erste Versuche mit gedruckten Freiformkacheln aus Holzkurzfaserfilament. (Foto: LZH) Foto: LZH. Erste Versuche mit gedruckten Freiformkacheln aus Holzkurzfaserfilament.
19.09.2022

Nachhaltiger 3D-Druck: Bauelemente aus Naturfasern

Der 3D-Druck ist in der Architektur längst angekommen, jetzt soll er auch ökologisch nachhaltig werden: Das LZH forscht zusammen mit Partnern daran, wie man individuelle Bauelemente aus Naturfasern mittels Additiver Fertigung herstellen kann.

Im Projekt 3DNaturDruck sollen aus naturfaserverstärkten Biopolymeren im 3D-Druck architektonische Bauteile, wie etwa Fassadenelemente entstehen. Dafür werden die Wissenschaftler:innen die entsprechenden Kompositmaterialien aus Biopolymeren sowohl mit Naturkurzfasern, als auch mit Naturendlosfasern entwickeln und für die Verarbeitung mit dem additiven Fertigungsverfahren FDM (Fused Deposition Modeling) optimieren. Das Ziel der Projektpartner: Smarte und innovative Designs ermöglichen, die gleichzeitig ökologisch und nachhaltig sind.

Der 3D-Druck ist in der Architektur längst angekommen, jetzt soll er auch ökologisch nachhaltig werden: Das LZH forscht zusammen mit Partnern daran, wie man individuelle Bauelemente aus Naturfasern mittels Additiver Fertigung herstellen kann.

Im Projekt 3DNaturDruck sollen aus naturfaserverstärkten Biopolymeren im 3D-Druck architektonische Bauteile, wie etwa Fassadenelemente entstehen. Dafür werden die Wissenschaftler:innen die entsprechenden Kompositmaterialien aus Biopolymeren sowohl mit Naturkurzfasern, als auch mit Naturendlosfasern entwickeln und für die Verarbeitung mit dem additiven Fertigungsverfahren FDM (Fused Deposition Modeling) optimieren. Das Ziel der Projektpartner: Smarte und innovative Designs ermöglichen, die gleichzeitig ökologisch und nachhaltig sind.

Das Ziel: Hochentwickelte Bauteile aus nachhaltigen Materialien
Innerhalb des Projektes werden unterschiedliche naturfaserverstärkte Biopolymer-Komposite untersucht. Die Partner forschen sowohl an Verarbeitungsverfahren mit sehr kurzen Naturfasern, etwa aus Holz und Stroh, als auch an einem Verfahren für den Druck von Endlosfasern aus Hanf und Flachs in Kombination mit Biopolymeren. Das LZH entwickelt dann Prozesse für diese neuen Materialien und passt Werkzeuge und Düsengeometrien des FDM-Druckers an. Als Demonstrator soll ein Pavillon mit den 3D-gedruckten Fassadenelementen auf dem Campus der Universität Stuttgart entstehen.
 
Die Projektpartner wollen erforschen, wie mit der Additiven Fertigung Herstellungsverfahren für architektonische Bauteile vereinfacht werden können. Naturfaserverstärkte Biopolymere sind dabei besonders geeignet, um Bauteile mit komplexen Geometrien mit wenigen Arbeitsschritten und geringem Material- und Kostenaufwand zu realisieren. Mit ihrer Forschung arbeiten die Partner außerdem an gänzlich neuen Ausgangsbedingungen für die Fabrikation von neu entwickelten architektonischen Bauteilen: So lässt sich etwa die Topologieoptimierung von Bauteilen entsprechend ihrer tragwerkstechnischen Beanspruchung mit der Additiven Fertigung gut umsetzen.

Naturfaser-Trend in der Architektur auch mittels Additiver Fertigung ermöglichen
Interesse am Einsatz von Naturfasern in strukturellen Bauteilen in Architektur und Bauwesen ist groß, denn Naturfasern haben gleich mehrere Vorteile. Sie verfügen über gute mechanische Eigenschaften bei gleichzeitig geringem Gewicht und sind in hohem Maß verfügbar. Als nachwachsende Ressource mit teilweise sehr kurzen Erneuerungszyklen sind sie außerdem ökologisch klar die bessere Alternative als synthetische Fasern.

In der Additiven Fertigung werden großformatige Elemente für den Architekturbereich bisher meist mit Polymeren auf Basis fossiler Rohstoffe gefertigt. Die Forschung im Projekt 3DNaturDruck soll die Verwendung von Naturfasern in der Architektur nun auch für die Additive Fertigung möglich machen.

Über 3DNaturDruck
Im Projekt 3DNaturDruck geht es um das Design und die Fabrikation von 3D-gedruckten Bauteilen aus Biokompositen unter Verwendung von Filamenten mit Endlos- und Kurznaturfasern.

Koordiniert wird das Projekt von der Abteilung Biobasierte Materialien und Stoffkreisläufe in der Architektur (BioMat) am Institut für Tragkonstruktion und Konstruktives Entwerfen (ITKE) der Universität Stuttgart. Projektpartner sind neben dem LZH das Fraunhofer-Institut für Holzforschung Wilhelm-Klauditz-Institut (WKI) sowie die Industrieunternehmen Rapid Prototyping Technologie GmbH (Gifhorn), ETS Extrusionstechnik (Mücheln), 3dk.berlin (Berlin) und ATMAT Sp. Z o.o. (Krakau, Polen).

Das Projekt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. unter dem Förderkennzeichen 2220NR295C gefördert.

Quelle:

Laser Zentrum Hannover e.V.

Foto: Unsplash
05.09.2022

McKinsey zum Strommix 2030: Deutschland auf Erdgas angewiesen

  • Erneuerbaren-Ausbau ist Herkulesaufgabe
  • Geschwindigkeit muss zur Erreichung der Ziele massiv zunehmen
  • Indikatoren zum Status der Energiewende in Deutschland verbessern sich leicht: Anteil Erneuerbarer am Bruttostromverbrauch im ersten Halbjahr 2022 bei 49%

Die Rahmenbedingungen für die Energiewende in Deutschland haben sich durch den russischen Angriff auf die Ukraine dramatisch verändert. Die neuen geopolitischen Realitäten und die EU-Entscheidung, zukünftig auf russisches Gas zu verzichten, treffen auch den Stromsektor – denn flexible Gaskraftwerke sollen helfen, die Volatilität erneuerbarer Energien auszugleichen. Vom massiven Ausbau der Erneuerbaren, über eine stärkere Nutzung des Stroms aus Europa bis hin zu weitgehender Selbstversorgung auf Basis von Kohle und Kernkraft – eine Analyse dreier Szenarien für den Strommix im Jahr 2030 zeigt: Deutschland bleibt weiterhin auf Erdgas angewiesen.

  • Erneuerbaren-Ausbau ist Herkulesaufgabe
  • Geschwindigkeit muss zur Erreichung der Ziele massiv zunehmen
  • Indikatoren zum Status der Energiewende in Deutschland verbessern sich leicht: Anteil Erneuerbarer am Bruttostromverbrauch im ersten Halbjahr 2022 bei 49%

Die Rahmenbedingungen für die Energiewende in Deutschland haben sich durch den russischen Angriff auf die Ukraine dramatisch verändert. Die neuen geopolitischen Realitäten und die EU-Entscheidung, zukünftig auf russisches Gas zu verzichten, treffen auch den Stromsektor – denn flexible Gaskraftwerke sollen helfen, die Volatilität erneuerbarer Energien auszugleichen. Vom massiven Ausbau der Erneuerbaren, über eine stärkere Nutzung des Stroms aus Europa bis hin zu weitgehender Selbstversorgung auf Basis von Kohle und Kernkraft – eine Analyse dreier Szenarien für den Strommix im Jahr 2030 zeigt: Deutschland bleibt weiterhin auf Erdgas angewiesen. Diese Zahlen liefert der aktuelle Energiewende-Index (EWI) von McKinsey. Aktuelles Fazit – und eine Verbesserung im Vergleich zum vorherigen EWI aus dem März 2022: 6 der 15 untersuchten Indikatoren  zum Status der Energiewende in Deutschland sind in ihrer Zielerreichung stabil realistisch – 6 stehen auf der Kippe, drei sind unrealistisch. Positiv entwickelte sich vor allem der Indikator Anteil Erneuerbarer am Bruttostromverbrauch, der wegen des guten Wetters im ersten Halbjahr von 41% auf fast 49% zulegte.

Erneuerbaren-Ausbau ist Herkulesaufgabe
„Deutschlands Energiewende steht vor der größten Bewährungsprobe ihrer Geschichte“, sagt Thomas Vahlenkamp, Senior Partner von McKinsey. „Unsere Szenarienanalyse zeigt: Erdgas wird auch zukünftig eine Rolle im Strommix spielen müssen. Wichtig ist es daher, die Importabhängigkeit durch Streuung von Lieferanten zu verringern. Teil der Strategie muss es außerdem sein, vermehrt grünen Wasserstoff für die Verstromung verfügbar zu machen.“

Wo Deutschland im Jahr 2030 bei der Energiewende stehen wird, kommt demzufolge entscheidend auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) und die Situation am Gasmarkt an. Mit ihrer neuen Ambition, den EE-Anteil in Deutschland bis zum Ende dieses Jahrzehnts auf 80 % zu erhöhen, hat sich die Bundesregierung viel vorgenommen. Vahlenkamp: „Dieses Ziel zu erreichen, ist eine Herkulesaufgabe. Dafür muss die komplette Wertschöpfungskette rund um den EE-Ausbau befähigt werden: angefangen bei der Aufstockung der Produktionskapazitäten über schnellere Genehmigungsverfahren bis hin zur Anwerbung bzw. Weiterqualifikation ausreichend vieler Fachkräfte für den Bau und Betrieb der Anlagen.“ Um das 80%-Ziel zu erreichen, müssten jährlich PV-Anlagen mit einer Kapazität von 18 GW errichtet werden; in der Onshore-Windkraft müssten pro Jahr 1.800 Anlagen in Betrieb gehen – umgerechnet fünf pro Tag – und in der Offshore-Windkraft müsste sich die Kapazität nahezu vervierfachen. Auch Erdgas wird weiter eine Rolle spielen. Eine Entspannung der Lage aufgrund der breiteren Streuung von Lieferanten erscheint ebenso denkbar wie eine Fortschreibung der aktuell angespannten Situation. Die Folgen von letzterem wurden im aktuellen EWI modelliert. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass Politik und Energiewirtschaft danach streben, dass alle neuen Gaskraftwerke zugleich alternativ auch mit grünem Wasserstoff betrieben werden können.

Jedes der im aktuellen EWI modellierten Szenarien geht davon aus, dass der Strombedarf wie von der Bundesregierung prognostiziert bis 2030 auf 750 TWh ansteigt und der CO2-Preis bei 100 €/t liegt.

Im Basisszenario werden alle Vorgaben der  Bundesregierung zum EE-Ausbau bis 2030 erreicht (215 GW Solar PV, 115 GW Onshore- und 30 GW Offshore-Windkraft). Der Atomausstieg 2022 und der Kohleausstieg bis 2038 finden wie geplant statt; 17 GW Kohlekraftwerke sind 2030 noch in Betrieb. In diesem Szenario steigt 2030 die Produktion aus Erneuerbaren inklusive Biomasse, Wasserkraft und Geothermie auf 751 TWh – das entspricht einem EE-Anteil von 84 % an der deutschen Bruttostromproduktion (Netzverluste und Exporte eingeschlossen). Trotzdem – und ungeachtet der hohen Gaspreise – werden noch immer 68 TWh aus Erdgas erzeugt. Wasserstoff wiederum trägt mit 48 TWh zur Deckung der Stromnachfrage bei, umgerechnet rund 3 Mio. t. Zur Sicherstellung einer lückenlosen Versorgung bleibt Kohlestrom mit 63 TWh weiterhin ein wichtiger Energieträger, wenngleich die Stromproduktion aus Kohle gegenüber 2021 um mehr als 61 % sinken würde. In diesem Szenario würde Deutschland in Phasen hohen EE-Ertrags sogar mehr Strom produzieren als für den Eigenbedarf nötig (rund 91 TWh) und somit zum Netto-Stromexporteur.

Im Szenario „Strom aus Europa“ strebt Deutschland die europäische Integration im Stromsektor an und wird zum Netto- Stromimporteur. Der Grund: Es wird davon ausgegangen, dass Deutschland zwar den EE-Ausbau beschleunigt, aber seine ambitionierten Ziele nicht vollständig erreicht, weil nicht jedes Jahr Zubaurekorde zu erzielen sind. Vielmehr wird angenommen, dass die Ausbauraten einen Mittelwert aus historischem Durchschnitt und historischer Bestleistung bilden. 2030 werden nach diesem Szenario 112 GW Solar PV, 93 GW Onshore- und 23 GW Offshore-Windkraft installiert sein. Die stärkste Abweichung gegenüber dem ersten Szenario weist dabei Solar PV auf, da die Ausbauziele der Bundesregierung für diese Technologie im Vergleich die mit Abstand ambitioniertesten sind. In dem Szenario „Strom aus Europa“ wird simuliert, was passiert, wenn Deutschland hinter die ambitionierten EE-Ausbauziele zurückfällt. Stattdessen werden 33 TWh aus anderen europäischen Ländern importiert, hauptsächlich aus Dänemark, Norwegen und Schweden. Auf eine vermehrt CO2-intensive Stromproduktion wird damit verzichtet. Die Produktion aus Kohle allerdings ist in diesem Szenario trotz der Importe mit 88 TWh deutlich höher als im Basisszenario. Die Erzeugung aus Erdgas liegt mit 69 TWh auf einem vergleichbaren Niveau.

Im Szenario „Weitgehende Selbstversorgung“ versucht Deutschland, seine Energieabhängigkeit von anderen Ländern zu reduzieren und – falls keine Eigenproduktion möglich ist – seine Lieferanten breiter zu streuen. Zur Sicherstellung der Energieversorgung wird zum einen der Kohleausstieg nicht vollständig umgesetzt, so dass 2030 weiterhin Kohlekraftwerke mit einer Leistung von rund 34 GW zur Verfügung stehen. Zum anderen wird die Kapazität von Biomassekraftwerken von rund 9 auf 14 GW erhöht, indem die existierenden Anlagen am Netz gehalten und die jährlich geplanten Ausschreibungsmengen von 600 MW als Neuanlagen hinzugefügt werden. Hierzu müssten ausreichende Flächen für den Anbau von Energiepflanzen bereitgestellt werden, die dann allerdings weder für die Produktion von Nahrungsmitteln oder Biokraftstoff zur Verfügung stünden noch renaturiert werden könnten. Der EE-Ausbau vollzieht sich wie im Szenario „Strom aus Europa“, während sich Stromimport und -export hier in etwa die Waage halten. Hinsichtlich der Nutzung von Atomkraft werden zwei Varianten modelliert: Weiterbetrieb der Atommeiler bis mindestens 2030 und Abschaltung wie geplant. In diesem Szenario „Weitgehende Selbstversorgung“ werden die ambitionierten EE-Ausbauziele 2030 ebenfalls unterschritten und nur rund 520 TWh aus Erneuerbaren erzeugt – rund ein Drittel weniger als im Basisszenario. Stattdessen geht das Szenario von einer weit gehenden Ausnutzung der inländischen Ressourcen aus: Da der Kohleausstieg nicht wie geplant vollzogen worden ist, kann mehr Kohlestrom die Lücke schließen (+91 TWh bzw. +145 % im Vergleich zum Basisszenario). Gleichzeitig rechnet das Szenario mit einer teilweisen Kompensierung durch eine deutlich höhere Produktion von Biomasse (80 TWh gegenüber 49 TWh im Basisszenario). Erdgas- und wasserstoffbasierte Stromerzeugung gehen auf 65 bzw. 38 TWh zurück, denn Kohle ist trotz der CO2-Kosten immer noch günstiger. Die Werte ändern sich leicht, wenn Atomkraftwerke bis 2030 weiterlaufen: In diesem Fall wird die CO2-intensive Kohle- und Gasstromproduktion durch rund 30 TWh Atomstrom zumindest teilweise substituiert, so dass nur noch 143 TWh aus Kohle (-7 %) und 64 TWh (-1 %) aus Gas erzeugt werden. Der EE-Anteil liegt in diesem Szenario (sowohl mit als auch ohne Atomkraft) bei knapp über 67 % und damit unter dem Zielwert von 80 %.

Energiewende-Index September 2022: die 15 Indikatoren im Überblick
Die jüngste Entwicklung der 15 Indikatoren liefert ein gemischtes Bild. Gegenüber dem letzten Energiewende-Index vom März sinkt die Zahl der Indikatoren mit unrealistischer Zielerreichung von fünf auf drei und die mit stabil realistischer Zielerreichung steigt von drei auf sechs. Weitere sechs Indikatoren stehen auf der Kippe.

Der EE-Anteil am Bruttostromverbrauch steigt von 41 % in 2021 auf 49 % in der  ersten Jahreshälfte 2022. Die Verbesserung ist vor allem auf deutlich günstigere Witterungsverhältnisse zurückzuführen. Obwohl der Ausbau der Erneuerbaren weiterhin stockt, bewegt sich die Zielerreichung des Indikators weiter im stabil realistischen Bereich und steigt von 111 % auf 133 %. Allerdings dürfte es mit dem neuen Ziel der Bundesregierung, den EE-Anteil bis 2030 auf 80 % zu erhöhen, zunehmend schwieriger werden, auf dem Zielpfad zu bleiben. Der EE-Anteil am Bruttoendenergieverbrauch stieg um 0,4 Prozentpunkte auf 19,7 %. Hauptgrund ist die wirtschaftliche Erholung in 2021 und der damit einhergehende gestiegene Energiebedarf. Da die Zielmarke jedoch um 1,2 Prozentpunkte angehoben worden ist, sinkt die Zielerreichung des Indikators deutlich von 121 % auf 107 %. Sowohl Haushaltsstrompreis als auch Industriestrompreis haben sich trotz gestiegener Stromkosten deutlich verbessert. Das mag auf den ersten Blick überraschen, liegt aber in der Berechnungsmethodik des Indikators begründet, der die deutsche Strompreisentwicklung im Vergleich zum europäischen Durchschnitt abbildet: Steigen also die Preise im europäischen Ausland stärker als in Deutschland, verbessert sich der Indikator. Beim Haushaltsstrompreis betrug die Differenz zwischen Deutschland und dem europäischen Durchschnitt 2021 noch 22,7 %, im Juni 2022 dagegen nur mehr 16,2 %. Verbessert hat sich der Indikator vor allem deshalb, weil die Preise im europäischen Ausland schneller steigen als in Deutschland. Die Zielerreichung steigt von 111 % auf 137 %. Ob der Trend anhält, ist jedoch fraglich – steigende Großhandelspreise werden wahrscheinlich mit Verzögerung an die Endkunden weitergereicht. Andererseits wiederum dürfte der Wegfall der EEG-Umlage im Juli 2022 auf die hiesigen Haushaltsstrompreise mittelfristig entlastend wirken. Auch der Industriestrompreis ist zuletzt in Deutschland deutlich geringer gestiegen als im Ausland und liegt jetzt nur noch 16 % über dem europäischen Durchschnitt (Vorhalbjahr: 32 %). Der Indikator springt dadurch von 56 % auf jetzt 128 % Zielerreichung und wechselt damit in den realistischen Bereich. Auch hier bedeutet die Verbesserung des Indikators lediglich, dass die Preissteigerungen im Ausland (+33 %) höher ausgefallen sind als in Deutschland (+17 %). Verantwortlich ist dafür vor allem der höhere Anteil an Gebühren und Entgelten am deutschen Industriestrompreis, die durch die steigenden Energiepreise nicht beeinflusst werden. Für den Indikator Ausfall Stromversorgung wurden keine neuen Daten veröffentlicht. Er verharrt deshalb bei einer Zielerreichung von 117 %. Gleiches gilt für die Verfügbare Kapazität für Import aus Nachbarländern. Damit verbleibt auch dieser Indikator mit einer Zielerreichung von 208 % im realistischen Bereich.

Sechs Indikatoren auf der Kippe
Die aktuellen Hochrechnungen für den CO2e-Ausstoß und den Primärenergieverbrauch sehen beide Indikatoren auf der Kippe. Die Emissionen belaufen sich wie schon im Halbjahr zuvor auf 762 Mio. t CO2e; damit verharrt der Zielerreichungsgrad hier bei 84 %. Der Primärenergieverbrauch wiederum liegt nach wie vor bei 12.265 PJ – das entspricht einer Zielerreichung von 70 %. Für den Indikator Sektorkopplung Wärme wurden neue Hochrechnungen veröffentlicht. Der EE-Anteil am Endenergieverbrauch im Bereich Wärme und Kälte liegt danach aktuell bei 16,5 % und damit 0,9 Prozentpunkte über dem Wert des Vorhalbjahres. Damit bewegt sich der Indikator im Zielkorridor, steht aber auf der Kippe. Um dort auch in Zukunft zu bleiben, müsste der EE-Anteil bis Ende dieses Jahres auf 20,2 % steigen. Der Anteil der Gesamtenergiekosten Haushalte am Warenkorb der Verbraucher stieg zuletzt von 10,3 % auf 11,2 %. Damit sinkt die Zielerreichung erneut von 96 % auf jetzt 78 % und der Indikator bewegt sich in der Kategorie „auf der Kippe“ weiter nach unten. Grund hierfür sind die gestiegenen Preise für Benzin und Diesel, aber auch für Erdgas, wo sich die Neukundenpreise für Haushalte innerhalb eines Jahres vervielfacht haben. Für den Indikator Arbeitsplätze in erneuerbaren Energien liegen weiterhin keine neuen Daten vor. Er verharrt deshalb bei seiner bisherigen Zielerreichung von 96 %. Die gesicherte Reservemarge wird seit 2019 nicht mehr von den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) veröffentlicht. Deshalb wird ab dieser Index-Ausgabe die Reservemarge basierend auf der Methodik und den Kernannahmen der ÜNB sowie öffentlich zugänglichen Daten neu berechnet. Im Ergebnis steht die Reservemarge aktuell mit 0,2 % nur knapp über Null und damit stärker denn je auf der Kippe. Der Rückgang gegenüber dem letzten von den ÜNB veröffentlichten Stand (2,3 %) erklärt sich aus der Stilllegung einiger fossiler Kraftwerke. Werden dann Ende dieses Jahres noch Kernkraftwerke mit einer Gesamtleistung von rund 4 GW heruntergefahren, fällt die Reservemarge aller Voraussicht nach bereits in den negativen Bereich. Bei einem Kohleausstieg bis 2030 wären es sogar mehr als 40 GW, die noch in diesem Jahrzehnt vom Netz gehen würden. Das würde die gesicherte Reservemarge massiv unter Druck setzen und fordert Anpassungen im Strommarktdesign, um die Versorgungssicherheit auch in Zukunft jederzeit zu gewährleisten.

Zielerreichung für drei Indikatoren unrealistisch
Der Indikator Sektorkopplung Verkehr sinkt leicht von 44 % auf 43 %. 2021 waren insgesamt 1,3 Mio. E-Fahrzeuge zugelassen, doch es wären 2,8 Mio. nötig, um im Plan zu bleiben. Ganz unerreichbar ist das 2030er-Ziel dennoch nicht, da die E-Mobilität derzeit überproportional wächst, während der Energiewende-Index in seiner Berechnung von einer linearen Entwicklung ausgeht. Die Kosten für Netzeingriffe sind mit aktuell 8,1 € pro MWh weiterhin weit vom Startwert (1 € pro MWh) entfernt. Gegenüber der ersten Jahreshälfte hat sich dieser Wert aufgrund geringerer Aufwendungen für das Einspeisemanagement allerdings leicht verbessert. Der Zielerreichungsgrad steigt von 39 % auf 50 % . Kaum Fortschritte gibt es beim Indikator Ausbau Transportnetze: Zwar wurden in den vergangenen beiden Quartalen rund 160 km fertiggestellt; die Gesamtlänge beträgt jetzt 2.005 km. Allerdings bleibt der Ausbau weiter deutlich hinter dem Zielwert von 4.977 km insgesamt und knapp 500 km pro Halbjahr zurück. Die Zielerreichung des Indikators beträgt 37 %.

Quelle:

McKinsey & Company, Deutschland

(c) Messe München GmbH
16.08.2022

ISPO Shanghai: Besucherrekord in neuer Location

Mit einem Rekord von knapp 21.000 Fachbesucher:innen sowie 350 Marken von 200 ausstellenden Unternehmen fand vom 29. bis 31. Juli 2022 die ISPO Shanghai einmalig im Nanjing International Exhibition Center (NIEC) statt.

Im Nanjing International Exhibition Center (NIEC) wurden im Rahmen der ISPO Shanghai neueste Trends und innovative Produkte aus den Bereichen Camping Lifestyle, Outdoor, Running sowie Health & Fitness, Wassersport, Klettern, Surfing, Boxen und Yoga präsentiert. Neu integriert wurden die Themenbereiche Textil & Technologie, Sportdesign und E-Commerce, wodurch die Positionierung der ISPO Shanghai als eine der wichtigsten Sport-Lifestyle-Messen im asiatisch-pazifischen Raum weiter gestärkt wurde.

Mit einem Rekord von knapp 21.000 Fachbesucher:innen sowie 350 Marken von 200 ausstellenden Unternehmen fand vom 29. bis 31. Juli 2022 die ISPO Shanghai einmalig im Nanjing International Exhibition Center (NIEC) statt.

Im Nanjing International Exhibition Center (NIEC) wurden im Rahmen der ISPO Shanghai neueste Trends und innovative Produkte aus den Bereichen Camping Lifestyle, Outdoor, Running sowie Health & Fitness, Wassersport, Klettern, Surfing, Boxen und Yoga präsentiert. Neu integriert wurden die Themenbereiche Textil & Technologie, Sportdesign und E-Commerce, wodurch die Positionierung der ISPO Shanghai als eine der wichtigsten Sport-Lifestyle-Messen im asiatisch-pazifischen Raum weiter gestärkt wurde.

Das Treffen der asiatischen Sport- und Outdoor-Community auf der ISPO Shanghai 2022 fand aufgrund der angespannten Covid Lage einmalig in Nanjing statt und verzeichnete mit knapp 21.000 Fachbesucher:innen einen neuen Rekord, der die Entschlossenheit der Branche widerspiegelt, Sportartikel und verwandte Industrien gerade in schwierigen Zeiten gemeinsam zu präsentieren und weiter zu entwickeln. Zum Vergleich: 2020 kamen 17.800, im Jahr darauf 19.000 Besucher:innen. Viele Sport-Professionals und Sportbegeisterte sowie aufstrebende Sportarten und Freizeittrends wie Camping, Surfen und Frisbee zeigten die zahlreichen Möglichkeiten des Sportmarktes und unterstrichen, dass gerade die Outdoor-Branche seit der Corona-Pandemie boomt.

Auf fünf großen Themenforen - nämlich dem Gipfel für nachhaltige Entwicklung der Outdoor-Industrie im asiatisch-pazifischen Raum, dem Trendforum für Sportmode, dem Innovationssalon der Outdoor-Sportindustrie, dem Gipfel für grenzüberschreitenden E-Commerce in der chinesischen Sportartikelindustrie sowie zu Fitness und Rehabilitation - diskutierte die Branche über Innovationen und neue Möglichkeiten.

Das Thema Nachhaltigkeit stand dabei im Mittelpunkt. Die ISPO forciert dieses Thema schon seit Jahren: beginnend mit der "Brands for Good"-Initiative im Jahr 2018 bietet ISPO nicht nur eine Plattform für Initiativen der Marken zu nachhaltiger Entwicklung, sondern beteiligt sich auch ganz aktiv an der Diskussion über nachhaltige Produkte und ihre Produktion.

Tobias Gröber, Executive Director Business Unit Consumergoods der Messe München und Leiter der ISPO Group: "Der urbane Sportstil, den wir in diesem Jahr auf der ISPO Shanghai gezeigt haben, einschließlich Frisbee, Surfen und Klettern, entwickelt sich weiter. Dabei verschwimmen die Jahreszeiten und Kategorien immer mehr, weshalb wir die Produktsegmente auf unseren chinesischen Plattformen weiter ausbauen und einen kategorienübergreifenden Ansatz verfolgen werden. Künftig wird sich die ISPO auf die Erweiterung ihres Angebotes konzentrieren und auch neue Sport- und Outdoor-Themen wie Radfahren und Geländefahrzeuge aufnehmen.“

Die nächste ISPO Shanghai wird im Juni 2023 wieder im Shanghai New International Expo Center (SNIEC) stattfinden, während die ISPO Beijing 2022 vom 9. bis 11. Dezember 2022 im National Convention Center in Peking abgehalten wird.

Quelle:

Messe München GmbH

(c) Fraunhofer IKTS
02.08.2022

Fraunhofer-Technologie: Hightech-Weste überwacht Lungenfunktion

Patienten mit schweren Atemwegs- oder Lungenerkrankungen benötigen intensive Behandlung und ständige Kontrolle der Lungenfunktionen. Fraunhofer-Forschende haben im Projekt »Pneumo.Vest« eine Technologie entwickelt, bei der Akustiksensoren in einer Textilweste die Lungengeräusche erfassen. Eine Software setzt die Signale in eine visuelle Darstellung um. Auf diese Weise können Patientinnen und Patienten auch außerhalb von Intensivstationen fortlaufend überwacht werden. Die Technologie erweitert die Diagnosemöglichkeiten und verbessert die Lebensqualität der Betroffenen.

Das Stethoskop gehört seit mehr als 200 Jahren zum täglichen Arbeitswerkzeug von Medizinern und gilt als Symbol für die ärztliche Kunst schlechthin. In TV-Krankenhaus-Serien eilen Ärzte mit Stethoskop um den Hals über die Flure. Tatsächlich können erfahrene Ärztinnen oder Ärzte damit erstaunlich genau Herztöne und Lungengeräusche abhören und dementsprechend Krankheiten diagnostizieren.

Patienten mit schweren Atemwegs- oder Lungenerkrankungen benötigen intensive Behandlung und ständige Kontrolle der Lungenfunktionen. Fraunhofer-Forschende haben im Projekt »Pneumo.Vest« eine Technologie entwickelt, bei der Akustiksensoren in einer Textilweste die Lungengeräusche erfassen. Eine Software setzt die Signale in eine visuelle Darstellung um. Auf diese Weise können Patientinnen und Patienten auch außerhalb von Intensivstationen fortlaufend überwacht werden. Die Technologie erweitert die Diagnosemöglichkeiten und verbessert die Lebensqualität der Betroffenen.

Das Stethoskop gehört seit mehr als 200 Jahren zum täglichen Arbeitswerkzeug von Medizinern und gilt als Symbol für die ärztliche Kunst schlechthin. In TV-Krankenhaus-Serien eilen Ärzte mit Stethoskop um den Hals über die Flure. Tatsächlich können erfahrene Ärztinnen oder Ärzte damit erstaunlich genau Herztöne und Lungengeräusche abhören und dementsprechend Krankheiten diagnostizieren.

Doch nun bekommt das Stethoskop Verstärkung. Forschende am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS am Standort Berlin haben im Projekt Pneumo.Vest eine Textilweste mit integrierten Akustiksensoren entwickelt, die eine leistungsfähige Ergänzung zum klassischen Stethoskop darstellt. In der Vorder- und Rückseite der Weste sind Akustiksensoren auf Piezokeramik-Basis eingearbeitet. Diese registrieren rund um den Thorax jedes noch so leise Geräusch, das die Lunge produziert. Eine Software nimmt die Signale auf und gibt diese elektrisch verstärkt aus. Zusätzlich erscheint eine visuelle Darstellung der Lunge auf einem Display. Da die Software die Position jedes einzelnen Sensors kennt, platziert sie dessen Daten gleich an der entsprechenden Stelle. So entsteht ein detailreiches akustisches wie optisches Szenario der Belüftungssituation aller Lungenbereiche. Das Besondere daran: Da das System die Daten permanent erfasst und speichert, kann die Untersuchung zu jedem beliebigen Zeitpunkt ohne Beisein des Krankenhauspersonals erfolgen. Außerdem zeigt Pneumo.Vest den Status der Lunge im zeitlichen Verlauf an, also beispielsweise über die vergangenen 24 Stunden. Auch die klassische Auskultation direkt am Patienten ist selbstverständlich möglich. Doch anstelle der manuellen und punktuellen Auskultation mit dem Stethoskop kommen viele Sensoren gleichzeitig zum Einsatz.

»Pneumo.Vest will das Stethoskop nicht überflüssig machen und ist auch kein Ersatz für die Fähigkeiten erfahrener Pneumologen. Doch eine Auskultation oder auch ein Lungen-CT stellen immer nur eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt der Untersuchung dar. Der Mehrwert unserer Technik besteht darin, dass sie ähnlich wie ein Langzeit-EKG die kontinuierliche Überwachung der Lunge erlaubt, und zwar auch dann, wenn der Patient oder die Patientin nicht an Geräten auf der Intensivstation angeschlossen, sondern auf der Normalstation untergebracht ist«, erläutert Ralf Schallert, Projektleiter am Fraunhofer IKTS.

Machine-Learning-Algorithmen unterstützen die Diagnose
Herzstück der Weste ist neben den Akustiksensoren die Software. Sie ist für die Speicherung, Darstellung und Analyse der Daten zuständig. Mit ihr kann der Arzt oder die Ärztin das akustische Geschehen in einzelnen Lungenbereichen gezielt auf dem Display betrachten. Der Einsatz von Algorithmen der digitalen Signalverarbeitung ermöglicht eine gezielte Bewertung akustischer Signale. So ist es beispielsweise möglich, den Herzschlag herauszufiltern oder charakteristische Frequenzbereiche zu verstärken. Lungengeräusche wie Rascheln oder Röcheln sind dann viel deutlicher hörbar.

Die Forschenden am Fraunhofer IKTS entwickeln darüber hinaus Machine-Learning-Algorithmen. Diese sind zukünftig in der Lage, die komplexe Geräuschkulisse im Thorax zu strukturieren und zu klassifizieren. Die endgültige Bewertung und Diagnose nimmt dann die Pneumologin oder der Pneumologe vor.

Entlastung von Intensivstationen
Auch die Patientinnen und Patienten profitieren von der digitalen Sensor-Alternative. Mit angelegter Weste können sie ohne ständige Beobachtung durch das medizinische Personal genesen. Sie können auf die Normalstation verlegt und vielleicht sogar nach Hause geschickt werden und sich weitgehend frei bewegen. Die Lunge wird trotzdem fortlaufend kontrolliert und eine plötzlich eintretende Verschlechterung sofort an das medizinische Personal gemeldet.

Erste Tests mit Personal an der Klinik für Intensivmedizin der Universität Magdeburg zeigen, dass das Konzept in der Praxis aufgeht. »Das Feedback von Ärztinnen und Ärzten war überaus positiv. Die Kombination aus Akustiksensoren, Visualisierung und Machine-Learning-Algorithmen wird in der Lage sein, eine Reihe von unterschiedlichen Lungengeräuschen zuverlässig zu charakterisieren«, erläutert Schallert. Auf die Technik freut sich auch Dr. Alexander Uhrig von der Universitätsmedizin Berlin. Der Spezialist für Infektiologie und Pneumologie an der renommierten Charité war einer der Initiatoren der Idee: »Pneumo.Vest adressiert genau das, was wir brauchen. Wir bekommen damit ein Instrument, das die Diagnosemöglichkeiten erweitert, unser Klinikpersonal entlastet und den Klinikaufenthalt für die Patientinnen und Patienten angenehmer gestaltet.«  

Die Technologie ist in erster Linie für Beatmungspatienten konzipiert, doch sie eignet sich genauso gut für Menschen in Pflegeeinrichtungen oder auch für den Einsatz im Schlaflabor. Eine weitere Anwendung ist das Training junger Ärztinnen und Ärzte für die Auskultation.

Bedarf für Clinical Grade Wearables steigt
Die Forschenden am Fraunhofer IKTS haben mit Pneumo.Vest ein Produkt konzipiert, das wie gemacht ist für die zunehmend angespannte Situation in Krankenhäusern. So müssen in Deutschland jährlich 385 000 Patienten mit Atemwegs- oder Lungenerkrankungen in stationäre Behandlung. Über 60 Prozent sind länger als 24 Stunden ans Beatmungsgerät angeschlossen. Der aktuelle Anstieg bei Beatmungspatienten während der Corona-Pandemie ist dabei nicht mitgerechnet. Durch die steigende Lebenserwartung rechnet die Medizinbranche auch mit einer Zunahme an älteren Patientinnen und Patienten mit Atemproblemen. Mithilfe der Technik aus dem Fraunhofer IKTS könnten die Krankenhäuser und insbesondere die teuren Intensivstationen entlastet werden, da die Betten nicht mehr so lange belegt werden.

Hinzu kommt, dass der Markt für sogenannte Clinical Grade Wearables (CGW) rapide wächst. Darunter versteht man kompakte medizinische Geräte, die man direkt am Körper trägt und die Vitalfunktionen wie etwa Herzschlag, Sauerstoffsättigung des Blutes, Atemfrequenz oder Hauttemperatur messen. Als flexibel einsetzbares medizinisches Gerät passt Pneumo.Vest bestens zu dieser Entwicklung. Ihr geliebtes Stethoskop werden die Ärztinnen und Ärzte aber auch in Zukunft noch benutzen.

Fraunhofer-Clusterprojekt »M³ Infekt«
Pneumo.Vest ist ein Teil des Clusterprojekts M³ Infekt. Ziel ist es, Monitoringsysteme zur dezentralen Überwachung von Patientinnen und Patienten zu entwickeln. Durch die laufende Überwachung der Vitalfunktionen wird eine Verschlechterung des Zustands schnell erkannt und Maßnahmen zur Behandlung werden veranlasst. M3 Infekt lässt sich auch für viele Krankheitsbilder und Szenarien einsetzen. Die Systeme sind modular und multimodal aufgebaut, sodass Biosignale wie Herzrate, EKG, Sauerstoffsättigung oder Atemfrequenz und -volumen gemessen werden können.

An dem Clusterprojekt unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS in Dresden arbeiten zehn Fraunhofer-Institute. Als medizinische Partner sind das Klinikum Magdeburg, die Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie die Universitätskliniken Erlangen und Dresden eingebunden.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS

Foto: pixabay
26.07.2022

Composites Germany - Ergebnisse der 19. Markterhebung

  • Aktuelle Krisen belasten Stimmung in der Composites-Industrie
  • Zukunftserwartungen pessimistisch
  • Investitionsklima trübt sich ein
  • Erwartungen an Anwendungsindustrien unterschiedlich
  • GFK bleibt Wachstumstreiber
  • Composites-Index rutscht ab

Zum 19. Mal hat Composites Germany aktuelle Kennzahlen zum Markt für faserverstärkte Kunststoffe erhoben. Befragt wurden alle Mitgliedsunternehmen der drei großen Trägerverbände von Composites Germany: AVK, Leichtbau Baden-Württemberg und VDMA-Arbeitsgemeinschaft Hybride Leichtbau Technologien.

Um die problemlose Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Erhebungen zu gewährleisten, wurden auch in diesem Halbjahr keine Änderungen bei der Befragung durchgeführt. Erhoben wurden erneut überwiegend qualitative Daten in Bezug auf die aktuelle und zukünftige Marktentwicklung.

  • Aktuelle Krisen belasten Stimmung in der Composites-Industrie
  • Zukunftserwartungen pessimistisch
  • Investitionsklima trübt sich ein
  • Erwartungen an Anwendungsindustrien unterschiedlich
  • GFK bleibt Wachstumstreiber
  • Composites-Index rutscht ab

Zum 19. Mal hat Composites Germany aktuelle Kennzahlen zum Markt für faserverstärkte Kunststoffe erhoben. Befragt wurden alle Mitgliedsunternehmen der drei großen Trägerverbände von Composites Germany: AVK, Leichtbau Baden-Württemberg und VDMA-Arbeitsgemeinschaft Hybride Leichtbau Technologien.

Um die problemlose Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Erhebungen zu gewährleisten, wurden auch in diesem Halbjahr keine Änderungen bei der Befragung durchgeführt. Erhoben wurden erneut überwiegend qualitative Daten in Bezug auf die aktuelle und zukünftige Marktentwicklung.

Aktuelle Krisen belasten Stimmung in der Composites-Industrie
Die Wirtschaft generell, aber auch die Industrie im Speziellen hat derzeit mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen. Die mittlerweile über 2 Jahre andauernden negativen Effekte der Corona-Pandemie treffen nach wie vor einzelne Teilsegmente der Composites-Industrie. Von entsprechenden Rückgängen war und ist der Mobilitätsbereich besonders betroffen. Hinzu kommen in jüngster Zeit stark steigende Energiekosten, die eine enorme Belastung darstellen. Vor allem entsprechende Aufschläge auf Kraftstoff und Gas dürften ein zentrales Thema in den nächsten Monaten werden. Hinzu kommen weiterhin Probleme in den internationalen Lieferketten und teils stark steigende Rohstoffpreise bei teilweise mangelnder Verfügbarkeit. Der Krieg in der Ukraine hat viele Bereiche, vor allem in den Zulieferketten zusätzlich belastet.

Insgesamt haben diese und weitere Effekte die Stimmung in der Composites-Industrie bei der aktuellen Befragung stark belastet.

Der entsprechende Index für die Bewertung der aktuellen generellen Geschäftslage gibt deutlich nach.

Die Bewertung der eigenen Geschäftslage der Unternehmen gibt im Vergleich zur letzten Befragung deutlich nach und sackt erstmals seit eineinhalb Jahren wieder deutlich ab. Die Massivität des Rückganges ist allerdings deutlich weniger stark als im Rahmen der einsetzenden Corona-Pandemie.

Zukunftserwartungen pessimistisch
Auch die Erwartungen an die zukünftige Marktentwicklung ziehen deutlich nach unten. Die entsprechenden Kennwerte für die generelle Geschäftslage sind stark rückläufig und rutschen auf einen historischen Tiefstand seit Beginn der Erhebung. Auch für das eigene Unternehmen zeigen sich die Befragten hinsichtlich ihrer Zukunftserwartungen weniger optimistisch.

Hier zeigt sich die Bewertung der Geschäftslage des eigenen Unternehmens weniger drastisch. Die Kurve verläuft trotz negativer Ausschläge deutlich weniger steil. Die Effekte auf das eigene Unternehmen werden damit weniger massiv erwartet als auf die Industrie insgesamt.

Investitionsklima trübt sich ein
Erwartungsgemäß trübt sich auch das Investitionsklima ein. Es lässt sich jedoch feststellen, dass die Werte insgesamt relativ hoch bleiben. 70 % der Befragten halten Maschineninvestitionen für möglich oder planen diese. Dieser Wert sackt im Vergleich zur vorherigen Markterhebung etwas ab, zeigt aber eine deutlich weniger dramatische Entwicklung als die vorgenannten Faktoren.

Erwartungen an Anwendungsindustrien unterschiedlich
Die starke Heterogenität der Anwendungen im Composites-Bereich wurde bereits angesprochen. In der Befragung werden die Teilnehmer gebeten, ihre Einschätzung hinsichtlich der Marktentwicklung unterschiedlicher Kernbereiche zu geben.

Die Erwartungen zeigen sich äußerst unterschiedlich.

Generell steigt über alle Anwendungsfelder der Anteil der pessimistischen Erwartungen. Liegt dieser fast durchweg im einstelligen Bereich, so nimmt der Anteil der derjenigen, die eine Verschlechterung der Marktsituation in den jeweiligen Anwendungsindustrien annehmen deutlich zu. Größere Rückgänge werden, analog zu den letzten Erhebungen, vor allem für die Bereiche Automobil, Luftfahrt und Maschinenbau erwartet. Erstmals zeigt sich aber auch der Bereich Infrastruktur/Bau mit stärkeren negativen Erwartungen. Speziell dieses Segment reagiert oftmals eher langsam auf entsprechende kurzfristige, wirtschaftliche Schwankungen und zeigte sich bislang relativ robust gegenüber den oben genannten Krisen. Es bleibt abzuwarten, ob sich entsprechende Vorahnungen erfüllen, oder sich die Bauindustrie weiterhin gegen entsprechend negative Einflussfaktoren behaupten kann.

Wachstumstreiber bleiben unverändert
Regional bleiben in der aktuellen Erhebung Deutschland, Europa und Asien die Weltregionen, aus denen die wesentlichen Wachstumsimpulse für das Composites-Segment erwartet werden.

Werkstoffseitig setzt sich der Paradigmenwechsel weiter fort. Wurde von den Befragten in den ersten 13 Erhebungen stets CFK als Material genannt, aus dessen Umfeld die wesentlichen Wachstumsimpulse für den Composites-Bereich zu erwarten sind, so werden die wesentlichen Impulse mittlerweile durchweg von GFK, oder materialübergreifend erwartet.

Composites-Index rutscht ab
Die Industrie befindet sich derzeit in einem äußerst schwierigen Spannungsfeld aus steigenden Kosten, Problemen in den Lieferketten, mangelnder Verfügbarkeit bestimmter Halbzeuge und Rohstoffe, zunehmender politischer Instabilität und sehr pessimistischer Zukunftserwartungen. Alle relevanten Indikatoren der aktuellen Composites-Erhebung zeigen derzeit nach unten. Der Composites-Index gibt daher, nach einer leichten Erholung über die letzten 1 ½ Jahre diesmal deutlich nach und fällt, vor allem im Hinblick auf die Zukunftserwartungen auf neue Tiefststände ab.

Die Industrie generell, aber vor allem auch die Composites-Industrie in Deutschland hat sich in der Vergangenheit gegenüber Krisen stets als sehr stabil gezeigt und war vielfach in der Lage entsprechende Negativentwicklungen schnell wieder aufzufangen. Die gesamte Produktionsmenge für Composites in Europa konnte im letzten Jahr bereits wieder das Vorkrisennievau von 2019 erreichen. Deutschland bleibt weiterhin das wichtigste Herstellungsland in Europa mit einem Marktanteil von fast 20 %. Es bleibt zu hoffen, dass die Rückgänge in den kommenden Monaten weniger stark werden als erwartet und die Composites-Industrie weiter auf Wachstumskurs bleiben kann. Wir bleiben optimistisch, denn Composites sind in ihrer Vielfältigkeit ein zentraler Werkstoff der Zukunft.

Die nächste Composites-Markterhebung erscheint im Januar 2023.

Quelle:

Composites Germany

Foto: Pixabay
19.07.2022

Die Zukunft der Mode: Revolution zwischen Fast und Slow Fashion

Die Modebranche wird massiv vom gesellschaftlichen Wertewandel beeinflusst. Welche Trends zu beobachten sind und in welche Richtung sich die Fashion-Zukunft entwickelt – ein Auszug aus dem Retail Report 20231 von Theresa Schleicher.

Die Modebranche wird massiv vom gesellschaftlichen Wertewandel beeinflusst. Welche Trends zu beobachten sind und in welche Richtung sich die Fashion-Zukunft entwickelt – ein Auszug aus dem Retail Report 20231 von Theresa Schleicher.

Die Modeindustrie wurde durch die globale Gesundheitspandemie ausgebremst und durch die Maßnahmen infolge des Ukraine-Kriegs weiter in Mitleidenschaft gezogen: Fragile Lieferketten, erhöhte Transport- und Energiekosten sowie steigende Preise setzen der globalisierten Modebranche zu. Diejenigen, die am schnellsten unterwegs waren, erwischt es am härtesten. Fast Fashion nach dem Prinzip „immer schneller, immer günstiger, immer mehr“ – seit Jahren auf der Überholspur – erlebt nun einen Crash ohnegleichen. Dabei wäre das System Fashion auch ohne diese folgenreichen Ereignisse an seine Grenzen gestoßen. Was sich noch hätte evolutionär entwickeln können, wird jetzt revolutioniert. Jetzt und in Zukunft wird es besonders für Marken und Handelsunternehmen schwierig, die kein scharfes Profil haben oder die bei dem Versuch, Massenware zu immer noch günstigeren Preisen anzubieten als die Konkurrenz, viele Kunden verloren haben.

Neues Wert-Paradigma in der Gesellschaft – auch bei Mode
Während sich Modehändler und Fashion Brands auf die Expansion ins Netz fokussieren und spätestens seit der Coronapandemie den Fuß aufs Gaspedal setzen, findet parallel in der Gesellschaft ein Wertewandel statt. Denn viele Verhaltensweisen, die über Monate eingeübt, erprobt und gelebt wurden bzw. werden mussten, werden auch künftig unser Konsumverhalten und unsere Lebensstile prägen. Die Verunsicherung in der Gesellschaft sowie eine schrumpfende Wirtschaft und steigende Verbraucherpreise in Folge des Ukrainekriegs werden weiter zu dieser Verschiebung der Werte beitragen.

Das alte Paradigma war „vor allem von pragmatischen Faktoren wie Preis, Quantität, Sicherheit und Convenience geprägt, das Konsumverhalten orientierte sich also überwiegend an relativ simplen Kosten-Nutzen-Rechnungen.“ Das neue Wert-Paradigma werde hingegen stärker von „weichen Faktoren“ beeinflusst. So wird die Qualität eines Produkts ganzheitlicher definiert. Es gehe neben dem Preis eben auch „um ökologische, […] ethische und soziale Aspekte. Um positive oder negative Erfahrungen, die man mit Produzentinnen gemacht hat, und um die Visionen, die diese mit ihren Unternehmen verfolgen“. Dieses neue Wert-Paradigma zwingt vor allem die großen Filialisten zu einem Umdenken. Sie müssen ihre Geschäftsmodelle in Richtung Nachhaltigkeit, Transparenz und Verantwortung weiterentwickeln – und Haltung zeigen. Der Einfluss des Megatrends Neo-Ökologie in Kombination mit dem Push in Richtung Sinnökonomie mischt die Karten in der Modebranche neu.

Wichtigster Treiber für das veränderte Konsumverhalten ist der Klimaschutz, der immer mehr Menschen auch persönlich wichtiger wird, weil sie die Auswirkungen des Klimawandels selbst im Alltag spüren. Der Übergang zu einer nachhaltigen, biobasierten und zirkulären Wirtschaft geht dabei mit grundlegenden Veränderungen im technischen, wirtschaftlichen und sozialen Umfeld einher.

Circular Fashion als Chance für Fast Fashion
Die Entwicklung der Modebranche – vor allem der Fast-Fashion- Industrie – hin zu einer kreislauforientierteren Wirtschaft ist kein kurzfristiger, sondern einer der langfristigsten und zugleich zukunftsweisendsten Trends im Handel überhaupt.
 
Bereits vor der Pandemie legte ein größer werdender Teil der Konsumierenden Wert auf nachhaltig produzierte Kleidung, statt immer die neuesten Trends zu shoppen. Ein Reset ist nötig, doch die Modeindustrie steht vor einer schwierigen Frage: Wie kann sie auf die Nachfrage nach neuen Trends reagieren, ohne ihre Verantwortung für die Umwelt zu vernachlässigen?

Die Lösung, wie Emissionen vermindert sowie Rohstoffe und Ressourcen geschont werden können, scheint auf der Hand zu liegen: weniger produzieren. Für die Herstellung eines T-Shirts werden im Schnitt 2.700 Liter Wasser benötigt – so viel Trinkwasser würde einer Person zweieinhalb Jahre lang reichen. In Europa kauft im Durchschnitt jede Person pro Jahr 26 Kilogramm Textilien – und entsorgt elf Kilogramm. Davon werden wiederum fast 90 Prozent verbrannt oder landen auf Deponien. Überproduktion, prekäre Arbeitsbedingungen bei der Herstellung und die Verwendung nicht nachhaltiger Materialien sind die großen Probleme der Fast-Fashion-Industrie. Es ist an der Zeit, Fast Fashion zu verlangsamen.

Mode-Recycling by Design & Recycling as a Service
Ein erster Schritt, Mode und Textilien länger im Kreislauf zu halten, ist ein sachgemäßes Recycling der Materialien. Dafür muss künftig Recycling schon beim Design mitgedacht werden – und das nicht nur bei nachhaltig produzierter Mode, sondern vor allem auch bei Fast Fashion. Hierfür entwickelte etwa die H&M Group den Circulator: Das digitale Bewertungstool führt die Designerin oder den Designer durch Materialien, Komponenten und Designstrategien, die für das Produkt je nach Zweck am besten geeignet sind, und bewertet diese hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen, Haltbarkeit und Recyclingfähigkeit.

Aber vor allem immer mehr junge Unternehmen spezialisieren sich darauf, Recycling für Textilien als Serviceleistung anzubieten. Sie arbeiten direkt mit Modehändlern oder Fashion Brands zusammen, um die bestmögliche Wiederverwertung, das Wieder-in-den-Kreislauf-Bringen oder sogar ein Upcycling zu ermöglichen. Bisher hat es sich für große Textilunternehmen nicht gelohnt, in eigene Recyclingsysteme zu investieren. Doch Recycling as a Service ist ein Zukunftsmarkt, der von innovativen Start-ups wie beispielsweise Resortecs angeführt wird, die bisherige Hürden in unserem Recyclingsystem angehen. In Zukunft werden immer mehr neue Dienstleister rund um Retouren und Recycling aufpoppen und Fashion-Retailern helfen, ihre Materialkreisläufe nachhaltiger auszurichten.

Secondhand erobert den Fast-Fashion-Markt
Eine andere Art, die Lebensdauer von Kleidungsstücken zu verlängern, ist die Weitergabe an neue Nutzerinnen und Nutzer. Wir erleben den Siegeszug von Vintage, Retro und Co. – schicke Secondhandshops und -ketten wie Resales und Humana sprießen überall aus dem Boden. Auch das Renaming von Secondhand hin zu Pre-owned oder pre-loved verdeutlicht die gestiegene Wertschätzung getragener Kleidung. Der Trend zu Secondhand lohnt sich auch wirtschaftlich für Unternehmen: Die Anzahl von Plattformen, deren Businessmodell sich um den Wiederverkauf von Kleidung dreht, steigt und Secondhand-Mode kommt in der Mitte der Gesellschaft an. Das Luxussegment und vor allem Vintage-Mode sind preisstabil, da die Verfügbarkeit dieser Einzelstücke endlich ist. Fast Fashion dagegen ist ausreichend vorhanden und besonders für preissensible Kunden und Kundinnen interessant, da Secondhand als eine der nachhaltigsten Formen des Konsums gilt – somit Mode mit gutem Gewissen geshoppt werden kann – und in der Regel sogar günstiger als Neuware angeboten wird. Der Secondhand-Markt wird sich weiter professionalisieren und gesellschaftsfähiger werden. In Folge wird auch die Fast-Fashion-Industrie gezwungen sein, höherwertige Kleidung zu produzieren, um überhaupt Teil des zirkulären Systems werden bzw. bleiben zu können.

Slow Fashion gewinnt dank Technologie an Fahrt
Die Entwicklung und Orientierung von Fast Fashion in Richtung zirkulärer Prozesse verändert auch die nachhaltige Mode. In Zukunft können Fast Fashion und Slow Fashion voneinander lernen, um ihre Potenziale voll auszuschöpfen: Fast Fashion wird nachhaltiger, während Slow Fashion den Fokus auf schnellere Verfügbarkeit und Lieferung legt und die Customer Experience so angenehm wie möglich gestaltet. Fast und Slow Fashion sind nicht mehr zwingende Gegensätze –
denn auch die nachhaltige Modebewegung kann von technologischen Neuerungen, die vor allem von den Fashion-Plattformen etabliert werden, profitieren und Slow Fashion auf eine neue Stufe heben.

Zugleich ist Sustainable Luxury eine neue Form des Luxuskonsums – vor allem im Bereich der Designermode wird Nachhaltigkeit zum alles entscheidenden Kriterium. Nachhaltigkeit als Distinktionsmittel für wahren Luxus und Nachhaltigkeit als Grundvoraussetzung für eine funktionierende Fashion-Industrie nähern sich immer mehr an. Hier findet der Übergang zwischen einer Verlangsamung von Fast Fashion und einer Beschleunigung von Slow Fashion statt.

Trend Sustainable Luxury
Luxus definiert sich immer weniger über das Objekt und dessen Besitz und wird immer mehr zum Ausdruck des eigenen Lebensstils und der Werthaltung. Das Premium- und Luxusverständnis der Konsumentinnen und Konsumenten hat sich – nicht zuletzt getrieben durch den Megatrend Neo-Ökologie – gewandelt. Künftig geht es nicht mehr nur darum, etwas möglichst Teures und Protziges zu besitzen. Was als Rebellion gegen einen achtlosen Konsum von Luxusmarken begann, die zwar High-End-Produkte versprechen, aber dabei unfaire und umweltschädliche Herstellungsbedingungen in Kauf nehmen, hat sich mehr und mehr als Werthaltung durchgesetzt. Luxusartikel haben keinen geringeren Anspruch, als die Welt zu verbessern.

Nachhaltige und ethische Produkte und Dienstleistungen aus innovativen Materialien, die die Kraft haben, Probleme zu lösen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Zugleich wandelt sich diese höchst ethisch und moralisch aufgeladene Form der Nachhaltigkeit zum Distinktionsmittel: Denn die Materialien sind so neu, die Herstellungsprozesse noch so experimentell, dass die Produkte einzigartig und häufig nur in geringsten Mengen oder auf Bestellung verfügbar sind. Und diese exklusive Nachhaltigkeit hat natürlich auch ihren Preis. Denn wer als Unternehmen eine Mission verfolgt, dem geht es nicht um schlichte Kostenreduktion – erst recht nicht auf Kosten anderer oder der Umwelt. Statt Leder und Pelz besteht Luxusmode inzwischen aus Orangen, Ananas, Hanf, Kakteen: Es gibt immer mehr neue, innovative und nachhaltige Materialien, aus denen einzigartige Kleidungsstücke und Accessoires hergestellt werden können.

Predictive, Pre-Order & Made-to-Order
Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und der Auswertung von Big Data kann der Bedarf an Mode besser vorausgesagt werden. Fast-Fashion-Leader wie Shein zeichnen sich durch eine agile Produktion aus, die von KI-Algorithmen zur Trendvorhersage unterstützt wird, welche mit Daten aus TikTok und anderen Social-Media-Diensten gespeist werden. Damit könnten in Zukunft Überproduktion und unverkäufliche Ware nachhaltig vermindert werden. So kritisch die Praktiken von Shein gesehen werden müssen, bietet die Automatisierung der Prozesse dennoch auch immense Chancen für eine nachhaltigere Modeindustrie, indem die Herstellung erst dann startet, wenn Waren auch nachgefragt werden.

Die Unterstützung durch KI im Designprozess kann dazu genutzt werden, nachhaltigere Mode zu produzieren – und diese schneller verfügbar zu machen. In einer kommenden Avatar-Economy und in der Welt virtueller Influencer und Influencerinnen kann möglicherweise sogar auf einen Teil der Produktion verzichtet werden: Mode bleibt virtuell – und damit ressourcenschonender. Digitale Mode wird mit dem Aufbau des Metaversums zunehmend an Bedeutung gewinnen.

5 Key Takeaways zur Zukunft der Mode

  1. Die aktuelle Krise in der Modeindustrie ist eine Chance, sich stärker in Richtung Circular Fashion zu entwickeln. Vor allem das neue Wert-Paradigma in der Gesellschaft, Qualität ganzheitlicher zu verstehen und achtsamer zu konsumieren, sorgt für einen Schub in Richtung fairere, ökologischere und sozialere Mode. Fast Fashion und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus.
  2. Erste Ansätze, Fast Fashion länger im Kreislauf zu halten oder sie in diesen zurückzuführen, gibt es bereits. Eine wichtige Entwicklung ist es, das Recycling bzw. die Weiternutzung bereits beim Design- und Herstellungsprozess – Recycling by Design genannt – zu berücksichtigen. Hinzu kommt eine wachsende Anzahl an Start-ups, die sich auf das optimierte Recycling von Textilien spezialisieren und mit großen Fashion-Playern kooperieren.
  3. Vor allem der boomende Online-Handel für gebrauchte Mode, oft als Pre-Loved- oder Pre-Owned-Kategorie kommuniziert, macht Secondhand für den Mainstream salonfähig. Diese Mode mit einer Geschichte und der Aura von Einzigartigkeit stellt eine ebenfalls kostengünstige, aber nachhaltigere Alternative zu Fast Fashion dar.
  4. Doch auch Slow Fashion wandelt sich, vor allem durch die Dominanz neuer Technologien. So kann auch Slow Fashion von Prozessen profitieren, die sich gerade im Online-Fashion-Markt manifestieren, wie schnelle Delivery- oder Pre-Order-Services. Slow Fashion wird damit convenient, besser und schneller verfügbar. Den nachhaltig orientierten Modebegeisterten wird es leichter gemacht, auch nach ihren Werten und Haltungen zu konsumieren.
  5. Der Trend zu Sustainable Luxury setzt sich weiter fort: Nachhaltigkeit als Distinktionsmittel für eine neue Form des Luxus ermöglicht im Luxusmodemarkt alternative Herstellungsprozesse und innovative Materialien. Diese werden von einer Avantgarde zur Schau getragen und, wenn sie sich bewähren, von Fast Fashion adaptiert.

1 https://onlineshop.zukunftsinstitut.de/shop/retail-report-2023/

Quelle:

Retail Report 2023 | Theresa Schleicher, Janine Seitz | Juni 2022

(c) MAI Carbon
24.05.2022

Vom Abfall zum Sekundärrohstoff – Nassvliese aus recycelten Carbonfasern

MAI Scrap SeRO | From Scrap to Secondary Ressources – Highly Orientated Wet-Laid-Nonwovens from CFRP-Waste

Das Projekt »Scrap SeRO« ist als internationales Verbundvorhaben im Themengebiet »Recycling von Carbonfasern« angesiedelt.

Als technisches Projektziel ist die Demonstration einer durchgehenden Prozessroute zur Verarbeitung von pyrolytisch recycelten Carbonfasern (rCF) in leistungsfähigen Second-Life-Bauteilstrukturen definiert. Neben der technologischen Ebene steht insbesondere der internationale Transfer-Charakter im Fokus des Projekts, im Sinne einer Cross-Cluster Initiative zwischen Spitzencluster MAI Carbon (Deutschland) und CVC (Südkorea).    

MAI Scrap SeRO | From Scrap to Secondary Ressources – Highly Orientated Wet-Laid-Nonwovens from CFRP-Waste

Das Projekt »Scrap SeRO« ist als internationales Verbundvorhaben im Themengebiet »Recycling von Carbonfasern« angesiedelt.

Als technisches Projektziel ist die Demonstration einer durchgehenden Prozessroute zur Verarbeitung von pyrolytisch recycelten Carbonfasern (rCF) in leistungsfähigen Second-Life-Bauteilstrukturen definiert. Neben der technologischen Ebene steht insbesondere der internationale Transfer-Charakter im Fokus des Projekts, im Sinne einer Cross-Cluster Initiative zwischen Spitzencluster MAI Carbon (Deutschland) und CVC (Südkorea).    

Durch eine direkte Zusammenarbeit marktführender Unternehmen und Forschungseinrichtungen der teilnehmenden Cluster-Mitglieder erfolgt die technische Projektbearbeitung im Kontext der global geprägten Herausforderung des Recyclings, sowie der Notwendigkeit zu erhöhter Ressourceneffizienz, mit Bezug auf den wirtschaftsstrategischen Werkstoff Carbonfasern.

Effiziente Verarbeitung von recycelten Carbonfasern
Die technologische Prozessroute innerhalb des Projektes verläuft entlang der industriellen Nassvliestechnologie, die mit der klassischen Papierherstellung vergleichbar ist. Diese ermöglicht eine robuste Herstellung von hochqualitativen rCF-Vliesstoffen, die sich u.a. durch besonders hohe Homogenität und Kennwertstabilität auszeichnen.

Besonderer Entwicklungsfokus liegt auf einer spezifischen Prozessführung, welche die Erzeugung einer Orientierung der Einzelfaserfilamente im Vlieswerkstoff erlaubt.

Die gegebene Faservorzugsrichtung der diskontinuierlichen Faserstruktur eröffnet neben einer lastpfadgerechten Mechanik zusätzlich starke Synergieeffekte in Bezug auf erhöhte Packungsdichten, d.h. Faservolumengehalte, sowie ein deutlich optimiertes Verarbeitungsverhalten in Bezug auf Imprägnierung, Umformung und Konsolidierung.

Die innovativen Nassvliesstoffe werden im Folgenden unter Einsatz großserienfähiger Imprägnierverfahren jeweils zu duromeren sowie thermoplastischen Halbzeugen, d.h. Prepregs bzw. Organoblechen, weiterverarbeitet. Durch einen Slitting-Zwischenschritt werden hieraus rCF-Tapes hergestellt. Mittels automatisiertem Fibre-Placement können somit lastpfadoptimierte Preforms abgelegt werden, die abschließend zu komplexen Demonstrator-Bauteilen konsolidiert werden.

Die Prozesskette wird an entscheidenden Schnittstellen von innovativer zerstörungsfreier Messtechnik überwacht und durch umfangreiche Charakterisierungsmethodik ergänzt.

Explizit für die Verarbeitung von pyrolytisch recycelten Carbonfasern, die beispielsweise aus End-of-Life-Abfällen oder PrePreg-Verschnittresten zurückgewonnen wurden, ergeben sich für die hier dargestellte Gesamt-Prozessroute vollkommen neue Potentiale mit signifikantem Mehrwert gegenüber dem aktuellen Stand der Technik.

Internationaler Transfer
Die grundlegend global ausgerichtete Herausforderung des Recyclings bzw. das Bestreben nach gesteigerter Nachhaltigkeit wird stark durch nationale Verwertungsstrategien infolge länderspezifischer Rahmenbedingungen beeinflusst. Die globalisierte Handlungsweise von Unternehmen im Umgang mit hochvolumigen Materialströmen stellt zusätzliche Anforderungen an eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Nur auf Basis und unter Beachtung der jeweiligen Richtlinien und Strukturfaktoren kann eine vernetzte Lösung entstehen.

Im Falle des Hochleistungswerkstoffes Carbonfaser besteht ein besonders hoher technischer Anspruch für eine ökologisch wie ökonomisch tragfähige Recyclingwirtschaft. Gleichzeitig eröffnet die spezifische Marktgröße bereits interessante Skalierungseffekte und Potentiale zur Marktdurchdringung.

Das Projekt ScrapSeRO verbindet dabei zwei der weltweit führenden Spitzencluster im Bereich Carbon Composites aus den Ländern Südkorea und Deutschland auf Basis einer Cross-Cluster Initiative. Im Rahmen dieses ersten aussichtsreichen Technologieprojekts soll dabei der Grundstein für eine zukünftige Zusammenarbeit entstehen, die ein effektives Recycling von Carbonfasern unterstützt.
 
Das Projekt leistet hierbei einen wichtigen Beitrag zur Schließung des Stoffkreislaufs für Carbonfasern und ebnet damit den Weg für einen erneuten Einsatz im Rahmen weiterer Lebenszyklen dieses hochwertigen und energieintensiven Werkstoffs.

Info »Scrap SeRO«

  • Laufzeit: 05/2019 – 10/2022
  • Förderung: BMBF
  • Fördersumme: 2.557.000 €

Konsortium:

  • Fraunhofer Institut für Gießerei-,
  • Composites- und Verarbeitungstechnik IGCV
  • ELG Carbon Fibre
  • J.M. Voith SE & Co. KG
  • Neenah Gessner
  • SURAGUS GmbH
  • LAMILUX Composites GmbH
  • Covestro Deutschland AG
  • BA Composites GmbH
  • SGL Carbon
  • ELG Carbon Fibre
  • Procotex
  • Gen2Carbon
  • KCarbon
  • Hyundai
  • Sangmyung University
  • TERA Engineering
Quelle:

Fraunhofer Institut für Gießerei-, Composites- und Verarbeitungstechnik IGCV

(c) A3/Christian Strohmayr
10.05.2022

Fraunhofer reduziert CO2-Footprint und recycelt Trendleichtbauwerkstoff Carbon

Neo-Ökologie mittels innovativer Papiertechnik

Neo-Ökologie mittels innovativer Papiertechnik

Carbonfaserverbundwerkstoffe sind u. a. aufgrund ihres Leichtbaupotenzials überall im Einsatz, z. B. in der Luftfahrtindustrie, in Windkraftenergieanlagen, im Automotive-Bereich und bei der Herstellung von Sportgeräten. Entlang der Prozesskette und am Ende der Nutzungsphase entstehen verschiedene Arten von Abfällen, die man eigentlich wiederverwenden kann. Mit einer hochmodernen Nassvliesanlage forscht das Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV in Augsburg nun an der Rückführung rezyklierter Carbonfasern. Die Anlagenprozesse ähneln der einer Papierherstellungsanlage. Der entscheidende Unterschied: nicht Papierfasern werden zu Papier, sondern recycelte Carbonfasern werden zu Vliesstoff-Rollwaren verarbeitet. Die Carbonfaser bekommt somit ein zweites Leben und findet sich umweltfreundlich in Form von Vliesstoffen z. B. in Türverkleidungen, Motorhauben, Dachstrukturen, als Unterbodenschutz (Automobil), Hitzeschilder (Helikopter-Heckausleger) sowie im Flugzeug-Interieur wieder.

»Die Nassvliestechnologie für die Verarbeitung technischer Fasern erfährt derzeit eine Revolution, die auf eine jahrhundertealte Tradition der Papierherstellung zurückgeht.«
Michael Sauer; Forscher am Fraunhofer IGCV

Die angewendete Technologie, die Nassvliestechnologie, ist eines der ältesten Vliesbildungsverfahren (um 140 v. Chr. bis 100 n. Chr.). Als bedeutender Industriezweig mit vielseitigen Anwendungsfeldern finden sich Nassvliesstoffe längst nicht mehr nur in klassischem Papier. Vielmehr erstrecken sich die Anwendungsfelder beispielsweise von Klebstoff-Trägerfilmen über Verpackungsmaterial bis hin zu Banknoten sowie deren prozessintegrierten Wasserzeichen und Sicherheitsmerkmalen. Zukünftig kommen besonders nachhaltige Technologiefelder rund um Batteriekomponenten, Brennstoffzellenelemente, Filtrations-Schichten, bis hin zu funktionsintegrierten Werkstofflösungen z. B. mit EMI-Abschirmfunktion hinzu.

Die Nassvliesanlage am Augsburger Standort kann jegliche Fasermaterialien wie Natur-, Regenerat- und Synthetikfasern – vor allem recycelte Carbonfasern – zu innovativen und neuartigen Vliesstoffen verarbeiten. Dabei ist die Anlage gezielt als Pilot-Linie im Technikums-Maßstab ausgelegt und bietet größtmögliche Flexibilität hinsichtlich Materialvarianten und Prozessparametern. Zudem wird eine ausreichend hohe Produktivität gewährleistet, um nachfolgend skalierte Verarbeitungsversuche (z. B. Demonstrator-Fertigung) zu ermöglichen.

Der Hauptarbeitsbereich der Nassvliesanlage bezieht sich auf folgende Kenngrößen:

  • Prozessgeschwindigkeit bis zu 30 m/min
  • Rollenbreite von 610 mm
  • Flächengewichte realisierbar zwischen 20 und 300 gsm
  • Gesamtanlage in der Schutzklasse ≥ IP65 für die Verarbeitung z. B. leitfähiger Faserwerkstoffe
  • Anlagen-Design auf Basis einer Schrägsieb-Anordnung mit hoher Entwässerungsleistung (u. a. für die Verarbeitung stark verdünnter Faser-suspensionen oder für Materialvarianten mit hohem Wasserrückhaltevermögen)
  • Modulares Anlagendesign mit höchstmöglicher Flexibilität für schnellen Wechsel der Materialvariante oder der Prozessparameter

Forschungsschwerpunkt: Carbonrecycling am Ende des Lebenszyklus
Im Bereich technischer Stapelfasern wird an der Verarbeitung recycelter Carbonfasern geforscht. Weitere aktuelle Forschungsinhalte umfassen in diesem Zusammenhang die Erforschung, Optimierung und Weiterentwicklung von Bindermittelsystemen, Faserlängen bzw. Faserlängenverteilungen, Faserorientierung sowie Vliesstoffhomogenität. Zudem steht die Integration von digitalen sowie KI-gestützten Methoden im Rahmen eines Online-Prozess-Monitorings im Fokus. Weitere Forschungsthemen, wie die Herstellung von Gasdiffusionsschichten für Brennstoffzellenkomponenten, die Weiterentwicklung von Batterieelementen sowie Filtrationsanwendungen (Medizintechnik) befinden sich derzeit im Aufbau.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Giesserei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV

Foto: pixabay
03.05.2022

Auf dem Weg zur CO2-Neutralität: Reduktionstechnologien und Messwerkzeuge

Immer mehr Sport- und Modemarken setzen sich zum Ziel, in den nächsten Jahren klimaneutral zu werden, auf Firmen- wie Produktebene. Die CO2-Bilanz dient dabei als Ausgangspunkt für nachhaltige Bekleidung und mehr Verbrauchertransparenz.

Dieser Prozess beginnt bei den Materialien, die Textilproduzenten liefern, und erfordert Kenntnisse über die Menge an CO2, die während der Produktion emittiert wird. Durch die Bewertung und Quantifizierung der CO2-Emissionen gewinnt die Industrie an Transparenz und kann nachhaltigere Optionen wählen.

Immer mehr Sport- und Modemarken setzen sich zum Ziel, in den nächsten Jahren klimaneutral zu werden, auf Firmen- wie Produktebene. Die CO2-Bilanz dient dabei als Ausgangspunkt für nachhaltige Bekleidung und mehr Verbrauchertransparenz.

Dieser Prozess beginnt bei den Materialien, die Textilproduzenten liefern, und erfordert Kenntnisse über die Menge an CO2, die während der Produktion emittiert wird. Durch die Bewertung und Quantifizierung der CO2-Emissionen gewinnt die Industrie an Transparenz und kann nachhaltigere Optionen wählen.

Die PERFORMANCE DAYS München und Functional Fabric Fair by PERFORMANCE DAYS Portland suchen über drei Messen hinweg gezielt Antworten auf die Frage „Wie lassen sich zukünftig CO2-Emissionen einsparen?“. Der Schwerpunkt „Auf dem Weg zur CO2-Neutralität“ rückt deswegen ab der Frühjahrsmesse, die Anfang April in Portland, Oregon stattfand, sowie vom 27. bis 28. April 2022 auf dem Messegelände München, über die Wintermesse im Oktober/November, bis zur Messe im Frühjahr 2023 Stoffe und Fasern in den Mittelpunkt, die Lösungen bereitstellen, wie man in Zukunft klimaneutral Materialien herstellen und wiederverarbeiten kann.

Wenn heute von Umweltschutz und Klimawandel die Rede ist, fällt immer wieder im Zusammenhang mit CO2-Emissionen, CO2-Reduzierung auch der Begriff CO2-Neutralität. Doch was genau bedeutet CO2-Neutralität eigentlich? Klimaneutralität bedeutet, ein Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffemissionen und der Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre in Kohlenstoffsenken herzustellen. Um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen alle Treibhausgasemissionen weltweit durch Kohlenstoffbindung ausgeglichen werden. Zu den Branchen, die weltweit mit am meisten CO2-Emissionen verursachen, zählt auch die Mode- und Sportbekleidungsindustrie.

Will man ihre Emissionen über alle Stufen der Wertschöpfung hinweg betrachten, so lohnt es sich, über Rohstoffe, Produktion, Logistik und Handel hinaus zu blicken. Auch das Verhalten der Konsumenten kann die Emissionen beeinflussen: Laut dem von der Global Fashion Agenda und McKinsey Ende August 2020 „Fashion on Climate“- Report liegt ein noch größerer Hebel bei den Produkten: 61 Prozent der Emissionsverringerung könnten durch CO2-Reduzierung in der Materialproduktion und -verarbeitung, die Minimierung von Produktions- und Herstellungsabfällen und bei der Bekleidungsherstellung erreicht werden. Bis 2030 wären das etwa 1 Milliarde Tonnen jährlich. Und schließlich ist es auch das Verbraucherverhalten, das sich auf die Klimabilanz der Modebranche auswirkt. Wenn noch mehr auf nachhaltige Bekleidung geachtet und wieder- und länger verwendet wird, kann dies laut dem Report zu einer Emissionsverringerung von 347 Millionen Tonnen führen.

Ein deutliches Beispiel auf dem Weg in Richtung Nachhaltigkeit war die Entscheidung der PERFORMANCE DAYS, ab der Messeveranstaltung im November 2019 nur noch nachhaltige Materialien im PERFORMANCE FORUM zu zeigen. Nun wird der nachhaltige Ansatz noch zusätzlich verstärkt. Im Rahmen einer Roadmap will man mit dem neuen Focus Topic über drei Messen hinweg, Aussteller auf ihrem Weg zur Klimaneutralität begleiten. Dabei verfolgen die PERFORMANCE DAYS und Functional Fabric Fair einen 3 Stufen Plan.  

  • Schritt 1, April 2022: Der Fokus der letzten Messe lag auf CO2-reduzierenden Technologien und der Messung des CO2-Fußabdrucks eines Produkts.
  • Schritt 2, November 2022: In der gesamten Produktkategorie des Focus Topics werden ausschließlich Produkte gezeigt, die die bei der Herstellung verursachten CO2-Emissionen angeben und so zu mehr Transparenz und Vergleichbarkeit in der Branche beitragen.
  • Schritt 3, April 2023: Im PERFORMANCE FORUM soll die Menge des emittierten CO2 jedes einzelnen Produkts dargestellt werden. Darüber hinaus werden Lösungsansätze gezeigt, wie CO2, das bei der Herstellung von Materialien freigesetzt wird, kompensiert und weiter reduziert werden kann.

Zur bestmöglichen Umsetzung und Präsentation des neuen Focus Topics arbeiten die PERFORMANCE DAYS und Functional Fabric Fair mit verschiedenen Partnern zusammen: Higg und Climate Partner werden die drei Messen begleiten. Der Higg Materials Sustainability Index (Higg MSI) gilt als führendes Instrument zur Bewertung der Umweltauswirkungen von Materialien in der Bekleidungs-, Schuh- und Textilindustrie. Der Higg MSI kann die Umweltauswirkungen von Millionen möglicher Materialherstellungsvarianten berechnen. Auch eine Verpackungsbibliothek wurde hinzugefügt, mit der nachhaltige Entscheidungen im Verpackungsbereich getroffen werden können. Demnach ist der Higg Index kein Zertifikat oder Label, sondern ein wichtiges Self-Assessment-Tool, das textile Firmen intern einsetzen können, um ökologische und soziale Probleme in ihrer gesamten Wertschöpfungskette identifizieren und verbessern zu können.

Climate Partner wiederum sucht Lösungen für Klimaschutz: Dabei werden CO2-Emissionen bilanziert – diese wiederum sollen die Emissionen von Unternehmen mit anerkannten Klimaschutzprojekten ausgleichen, um Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen klimaneutral zu stellen. Climate Partner sieht sich zudem als Berater von Unternehmen bei ihren Klimaschutzstrategien. Zusammen will man daran arbeiten, CO2-Emissionen zu reduzieren und Klimaschutzprojekte unterstützen, die immer auch den Alltag der Menschen in Entwicklungsländern fördern. 

Weitere Informationen:
Performance Days CO2 Sportbekleidung Messe
Quelle:

PERFORMANCE DAYS

Foto: Pixabay
12.04.2022

Gestörte Lieferketten: Langfristig helfen nur Nearshoring und digitale Technologien

  • McKinsey-Umfrage: Weltweit investieren zwar über 90 Prozent aller Supply Chain Manager während der Corona-Krise in die Widerstandsfähigkeit ihrer Lieferketten.
  • Doch öfter als geplant erhöhen sie nur die Lagerbestände, statt auf langfristig effektive Maßnahmen wie die Regionalisierung von Zulieferern zu setzen.
  • Nur Gesundheitsbranche setzt bislang konsequent auf Nearshoring und Regionalisierung der Zulieferer

Lieferketten-Manager stehen weltweit unter Druck: Über 90 Prozent investierten zwar während der Corona-Krise, um ihre Lieferketten widerstandsfähiger gegen externe Störungen zu machen. Öfter als geplant jedoch griffen Supply Chain Manager zur Adhoc-Maßnahme, nur die Lagerbestände zu erhöhen. Und auch weniger häufig als geplant setzten sie auf Langfrist-Effekte, indem sie ihre Zuliefererbasis regionalisierten.

  • McKinsey-Umfrage: Weltweit investieren zwar über 90 Prozent aller Supply Chain Manager während der Corona-Krise in die Widerstandsfähigkeit ihrer Lieferketten.
  • Doch öfter als geplant erhöhen sie nur die Lagerbestände, statt auf langfristig effektive Maßnahmen wie die Regionalisierung von Zulieferern zu setzen.
  • Nur Gesundheitsbranche setzt bislang konsequent auf Nearshoring und Regionalisierung der Zulieferer

Lieferketten-Manager stehen weltweit unter Druck: Über 90 Prozent investierten zwar während der Corona-Krise, um ihre Lieferketten widerstandsfähiger gegen externe Störungen zu machen. Öfter als geplant jedoch griffen Supply Chain Manager zur Adhoc-Maßnahme, nur die Lagerbestände zu erhöhen. Und auch weniger häufig als geplant setzten sie auf Langfrist-Effekte, indem sie ihre Zuliefererbasis regionalisierten. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Vergleichsstudie, für welche die Unternehmensberatung McKinsey & Company weltweit über 70 Supply Chain Manager führender Unternehmen befragt hat – 2020 zum ersten Mal und in diesem Jahr erneut. Weitere Ergebnisse: Digitale Technologien kommen heute deutlich häufiger zum Einsatz als zu Beginn der Pandemie, zum Beispiel Echtzeit-Monitoring oder auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Analytik.

Die Umfrage beziffert auch den eklatanten Mangel an IT-Fachkräften im Bereich Supply Management: 2021 verfügten nur ein Prozent der befragten Unternehmen über genügend IT-Fachkräfte. „Im Zuge des Digitalisierungsschubs wird der Bedarf an IT-Qualifikationen noch mehr zum Flaschenhals, als er es ohnehin schon gewesen ist“, berichtet Vera Trautwein, McKinsey-Expertin für Supply Chain Management und Mitautorin der Studie. „Damit nehmen auch die Handlungsspielräume dramatisch ab.“ 2020 hatten immerhin noch zehn Prozent der befragten Supply Chain Manager auf ausreichend Expert:innen mit entsprechendem IT-Know-how in ihren Abteilungen zurückgreifen können. Wie haben die Supply Chain Manager in der Krise konkret agiert? Fast alle Befragten (92 Prozent) haben in die Widerstandsfähigkeit ihrer Lieferketten investiert, 80 Prozent zudem in digitale Supply-Chain-Technologien. Aber während 40 Prozent der Befragten 2020 im ersten „Supply Chain Pulse“ von McKinsey noch ein Nearshoring und den Ausbau ihrer Lieferantenbasis geplant hatten, haben dies schließlich doch nur 15 Prozent auch in die Tat umgesetzt. Stattdessen bauten deutlich mehr Manager als erwartet, 42 gegenüber 27 Prozent, ihre Lagerbestände aus.

Die Vergleichsstudie 2020/21 zeigt auch: Supply Chain Manager haben je nach Branche sehr unterschiedlich in der Krise agiert. Healthcare darf als Vorreiter bei der Regionalisierung der Lieferkette gelten: 60 Prozent der Befragten in der Branche haben, wie von ihnen auch angekündigt, tatsächlich Beschaffung, Produktion und Vertrieb auf eine Region wie Europa oder Nordamerika konzentriert. Dies hatten 2020 auch 33 Prozent der Unternehmen aus der Automobil-, Luft- und Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie angekündigt. Umgesetzt haben dies letztlich nach eigenen Angaben aber nur 22 Prozent. Und das, obwohl mehr als drei Viertel der Supply Chain Manager dieser Maßnahme Priorität eingeräumt hatten. Die Branchen Chemie und Rohstoffe nahmen die wenigsten Veränderungen an ihren Lieferketten vor.

Nach der Krise ist vor der Krise
Über Jahre haben sich die Lieferketten zu einem hochfrequenten sensiblen Organismus entwickelt. Konsequent globalisiert, auf die Schwankungen der Verbraucherwünsche optimiert und mit möglichst geringer Lagerhaltung, um Kosten zu sparen. „Diese Strategie hat die Unternehmen verwundbar gemacht“, stellt McKinsey-Partner Knut Alicke fest. „Und in der Krise wurden eher kurzfristig wirksame Maßnahmen ergriffen.“ Die Folge: Die Lieferketten sind noch nicht widerstandsfähig genug sind, um künftige Störungen zu verhindern. „Für Unternehmen bleibt das Nearshoring der Lieferanten mittel- bis langfristig ein Schlüsselfaktor, um ihre Krisenfestigkeit zu erhöhen.“. Daneben seien Ausbau und Nutzung digitaler Technologien aber die zentralen Faktoren für resiliente Lieferketten.

Der Handlungsdruck ist groß: Massive Störungen der Lieferkette treten durchschnittlich alle 3,7 Jahre und bringen Lieferketten mindestens einen Monat lang aus dem Tritt. Zu diesem Ergebnis kam bereits 2020 eine andere McKinsey-Studie zum Thema Supply Chains mit dem Titel „Risk, resilience, and rebalancing in global value chains“.

Quelle:

McKinsey & Company [Düsseldorf, Deutschland]