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20.07.2021

Pilotprojekt zum Closed-Loop-Recycling von Einweg-Gesichtsmasken

  • Kunststoffe im Kreislauf halten: Fraunhofer, SABIC und Procter & Gamble kooperieren

Der Fraunhofer Cluster of Excellence Circular Plastics Economy CCPE und das Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT haben ein innovatives Recyclingverfahren für Altkunststoffe entwickelt. Das Pilotprojekt, an dem auch SABIC und Procter & Gamble beteiligt sind, soll zeigen, dass Einweg-Gesichtsmasken für das sogenannte Closed-Loop-Recycling geeignet sind.

Der Übergang von einer Linear- zu einer Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffproduktion kann dann gelingen, wenn die beteiligten Akteure und Akteurinnen zusammenarbeiten. Der Fraunhofer Cluster of Excellence Circular Plastics Economy CCPE bündelt die Kompetenzen von sechs Fraunhofer-Instituten und setzt auf eine enge Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie.

  • Kunststoffe im Kreislauf halten: Fraunhofer, SABIC und Procter & Gamble kooperieren

Der Fraunhofer Cluster of Excellence Circular Plastics Economy CCPE und das Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT haben ein innovatives Recyclingverfahren für Altkunststoffe entwickelt. Das Pilotprojekt, an dem auch SABIC und Procter & Gamble beteiligt sind, soll zeigen, dass Einweg-Gesichtsmasken für das sogenannte Closed-Loop-Recycling geeignet sind.

Der Übergang von einer Linear- zu einer Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffproduktion kann dann gelingen, wenn die beteiligten Akteure und Akteurinnen zusammenarbeiten. Der Fraunhofer Cluster of Excellence Circular Plastics Economy CCPE bündelt die Kompetenzen von sechs Fraunhofer-Instituten und setzt auf eine enge Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie.

Durch den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zählt das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT zu den Vorreitern beim nachhaltigen Umgang mit Energieträgern und Rohstoffen. Gemeinsam mit verschiedenen Partnern und Partnerinnen erforschen und entwickeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer UMSICHT spannende Produkte, Prozesse und Dienstleistungen zum Thema Nachhaltigkeit.  

Das Fraunhofer-Institut UMSICHT, SABIC und Procter & Gamble (P&G) arbeiten im Rahmen eines innovativen Pilotprojekts zur Kreislaufwirtschaft zusammen, das die Möglichkeiten zur Rückführung von Einweg-Gesichtsmasken in den Verwertungskreislauf aufzeigen soll.

Die milliardenfache Verwendung von Einweg-Gesichtsmasken zum Schutz vor dem Coronavirus birgt große Gefahren für die Umwelt, insbesondere wenn die Masken in der Öffentlichkeit, z.B. in Parks, bei Open-Air-Veranstaltungen oder an Stränden, gedankenlos weggeworfen werden. Neben der Herausforderung, eine nachhaltige Lösung für derart große Mengen unverzichtbarer Hygieneartikel zu finden, bedeutet die bloße Entsorgung der gebrauchten Masken auf Mülldeponien oder in Verbrennungsanlagen einen Verlust an wertvollem Rohstoff, mit dem sich neue Materialien herstellen ließen.

»Vor diesem Hintergrund haben wir untersucht, wie gebrauchte Gesichtsmasken wieder zurück in die Wertschöpfungskette der Maskenproduktion gelangen könnten«, so Dr. Peter Dziezok, Director R&D Open Innovation bei P&G. »Doch für eine echte Kreislauflösung, die sowohl nachhaltige als auch wirtschaftliche Kriterien erfüllt, braucht es Partner. Deshalb haben wir uns mit den Expertinnen und Experten vom Fraunhofer CCPE und Fraunhofer UMSICHT sowie den Technologie- und Innovations-Fachleuten von SABIC zusammengetan, um Lösungen zu finden.«

Im Rahmen des Pilotprojekts sammelte P&G an seinen Produktions- und Forschungsstandorten in Deutschland gebrauchte Gesichtsmasken von Mitarbeitenden und Besuchenden ein. Auch wenn diese Masken immer ordnungsgemäß entsorgt werden, fehlte es doch an Möglichkeiten, diese effizient zu recyceln. Um hierbei alternative Herangehensweisen aufzuzeigen, wurden extra dafür vorgesehene Sammelbehälter aufgestellt und die eingesammelten Altmasken an Fraunhofer zur Weiterverarbeitung in einer speziellen Forschungspyrolyseanlage geschickt.

»Einmal-Medizinprodukte wie Gesichtsmasken haben hohe Hygieneanforderungen, sowohl in Bezug auf die Entsorgung als auch hinsichtlich der Produktion. Mechanisches Recycling wäre hier keine Lösung«, erklärt Dr. Alexander Hofmann, Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft am Fraunhofer UMSICHT. »Unser Konzept sieht zunächst die automatische Zerkleinerung und anschließend die thermochemische Umwandlung in Pyrolyseöl vor.

Unter Druck und Hitze wird der Kunststoff bei der Pyrolyse in molekulare Fragmente zerlegt, wodurch unter anderem Rückstände von Schadstoffen oder Krankheitserregern wie dem Coronavirus zerstört werden. Im Anschluss können daraus neuwertige Rohstoffe für die Kunststoffproduktion gewonnen werden, die zudem die Anforderungen an Medizinprodukte erfüllen«, ergänzt Hofmann, der auch Leiter der Forschungsabteilung Advanced Recycling am Fraunhofer CCPE ist.

Das Pyrolyseöl wurde im nächsten Schritt an SABIC weitergereicht, wo es als Ausgangsmaterial für die Herstellung von neuwertigem Polypropylen (PP) zum Einsatz kam. Das Polymer wurde nach dem allgemein anerkannten Massenbilanz-Prinzip hergestellt, bei dem das alternative Ausgangsmaterial im Produktionsprozess mit fossilen Rohstoffen kombiniert wird. Das Massenbilanz-Prinzip gilt als wichtige Brückenlösung zwischen der heutigen Linearwirtschaft und der nachhaltigeren Kreislaufwirtschaft der Zukunft.

»Das in diesem Pilotprojekt gewonnene, hochwertige zirkuläre PP-Polymer zeigt deutlich, dass Closed-Loop-Recycling durch die aktive Zusammenarbeit von Akteuren aus der gesamten Wertschöpfungskette erreicht werden kann«, betont Mark Vester, Global Circular Economy Leader bei SABIC. »Das Kreislaufmaterial ist Teil unseres TRUCIRCLE™-Portfolios, mit dem wertvolle Altkunststoffe wiederverwertet und fossile Ressourcen eingespart werden sollen.«

Mit der abschließenden Lieferung des PP-Polymers an P&G, das dort zu Faservliesstoffen verarbeitet wurde, schloss sich der Kreis. »Durch dieses Pilotprojekt konnten wir besser beurteilen, ob der Kreislaufansatz auch für Kunststoffe, die bei der Herstellung von Hygiene- und Medizinprodukten zum Einsatz kommen, geeignet wäre«, so Hansjörg Reick, Senior Director Open Innovation bei P&G. »Natürlich muss das Verfahren noch verbessert werden. Die bisherigen Ergebnisse sind jedoch durchaus vielversprechend.«

Das gesamte Kreislaufprojekt – von der Einsammlung der Gesichtsmasken bis hin zur Produktion – wurde innerhalb von nur sieben Monaten entwickelt und umgesetzt. Der Einsatz innovativer Recyclingverfahren bei der Verarbeitung anderer Materialien und chemischer Produkte wird im Fraunhofer CCPE weiter erforscht.

(c) CHT Group
22.06.2021

CHT: „We are hiring.“ Personalpolitik in Zeiten der Pandemie und des Fachkräftemangels

Die CHT Gruppe ist eine weltweit operierende Unternehmensgruppe für Spezialitätenchemie. Seit mehr als 65 Jahren ist sie in verschiedensten Industriebereichen und Märkten tätig. Innovative und hochwertige Spezialchemikalien neben überzeugenden Serviceleistungen gehören ebenso zum Portfolio wie chemische Hilfsmittel und Additive.

Textination sprach mit Kurt Speckle [Head of Technischer Service Dyestuffs] und Ursula Häberli [Head of Human Resources] speziell für den Bereich Textile Solutions über die Herausforderungen einer erfolgreichen Personalpolitik in so besonderen Zeiten wie einer Pandemie und des Fachkräftemangels.

Die CHT Gruppe ist eine weltweit operierende Unternehmensgruppe für Spezialitätenchemie. Seit mehr als 65 Jahren ist sie in verschiedensten Industriebereichen und Märkten tätig. Innovative und hochwertige Spezialchemikalien neben überzeugenden Serviceleistungen gehören ebenso zum Portfolio wie chemische Hilfsmittel und Additive.

Textination sprach mit Kurt Speckle [Head of Technischer Service Dyestuffs] und Ursula Häberli [Head of Human Resources] speziell für den Bereich Textile Solutions über die Herausforderungen einer erfolgreichen Personalpolitik in so besonderen Zeiten wie einer Pandemie und des Fachkräftemangels.

Die Abteilung Technischer Service Farbstoffe, die der seit 32 Jahren für CHT tätige Kurt Speckle leitet, umfasst gegenwärtig 16 Personen. Sie besteht aus einem Technikerstab, der Kunden weltweit in Form von technischer Beratung, Betriebsversuchen vor Ort, Vorträgen und bei der Erstellung von Präsentationen betreut, sowie einem Laborteam, das Anfragen zu Farbeinstellungen, Problemlösungen, Echtheiten etc. bearbeitet. Je nach Kundenanfrage sind beide Abteilungen Hand in Hand gemeinsam tätig.

Das Know-how und das Herz des Technikerstabes bilden sechs Personen, alle 50+, die Kurt Speckle mit einem Schmunzeln auch als „textile Dinosaurier“ bezeichnet. Parallel werden junge Techniker mit Betriebserfahrung aufgebaut, um an größere Aufgaben herangeführt zu werden. Unterstützend wirkt dabei die Lehrlingsausbildung für Textillaboranten in der CHT SWITZERLAND AG.

Als weltweit operierende Unternehmensgruppe für Spezialitätenchemie ist die CHT Gruppe seit über 65 Jahren in zahlreichen Industriebereichen und Märkten von 20 Ländern unterwegs. Die CHT Switzerland AG wird dieses Jahr 50 Jahre alt und ist weltweit das Kompetenzzentrum für Farbstoffe. Wie kommt es, dass eine so gute Marktstellung bei den Farbstoffen aufgebaut und erhalten werden konnte?

Kurt Speckle: Neben dem qualitativen Niveau unserer Produkte und der breiten Range mit mehr als 700 Produkten, die die unterschiedlichsten qualitativen Anforderungen der heutigen Kunden abdecken, bietet die CHT Switzerland auch einen ausgezeichneten technischen Service für die Produktanwendung. Dieser weltweit bekannte Zusatz-Service macht uns für Kunden interessant und bringt uns weltweit Anfragen. Kundenspezifische Problemlösungen aus unserem Labor in die Produktion zu übertragen, ist einer der Schlüssel zu unserem Erfolg.

Im Unternehmensbereich Textile Solutions haben Sie verschie¬denste Spezialchemikalien und Farbstoffe für die Textilproduk¬tion im Portfolio. In welche Richtung der Farbstoffchemie bewegt sich aus Ihrer Sicht aktuell die Textilindustrie - welche Trends sehen Sie? Was bedeutet das für Ihr Produktangebot?

Kurt Speckle: Eine der Herausforderungen ist, heute die richtige Farbstoffgamme für den gewünschten Einsatzzweck zu finden. Wir haben in den letzten Jahren das Sortiment stetig den neuen Bedürfnissen und Anforderungen angepasst. Neben diesen technischen Spezifikationen wird die gesamte textilveredelnde Industrie auch laufend mit neuen ökologischen und toxikologischen Gesetzesanforderungen konfrontiert. Das Textil und auch technische Textilien müssen nicht nur bestimmte Echtheiten erfüllen, sondern auch den unzähligen Label-Anforderungen entsprechen. REACH und viele Labels führen zu stetigen Anpassungen im Farbstoff-Finish, damit die Produkte dem neuesten Stand der Technik entsprechen.

Wie funktioniert eine optimale Teamarbeit im Farbstoff-Team, und wie können Sie sicherstellen, dass das langjährige erarbeitete Wissen und die viele Jahre umfassende Erfahrung weitergegeben werden?

Kurt Speckle: Erfahrungsaustausch funktioniert bei Personen mit praktischer Erfahrung. Nur darauf kann aufgebaut und neue Informationen dahingehend abgespeichert werden. Wir bedienen uns und kommunizieren auf einem gemeinsamen Laufwerk. Auch eine rege verbale Kommunikation ist hierfür unumgänglich. Eigene Versuche im Labor und auch in der Produktion bei Kunden bilden den eigentlichen Erfahrungsschatz unserer Mitarbeiter.

Wir beobachten verschiedene Megatrends, die durch die Pandemie eine neue Wendung genommen haben und die auch Ihre Kunden in der Textilindustrie unmittelbar berühren: Neo-Ökologie, Konnektivität und Digitalisierung, Gesundheit - um nur einige zu nennen. Inwiefern fordert Sie das als Dienstleister für Ihre Kunden und als Arbeitgeber? Gibt es ein verändertes Anforderungsprofil an Ihre Mitarbeiter?
 
Kurt Speckle: Durch den Wegfall der Reisen und den direkten Kundenkontakte hat sich das Arbeitsbild natürlich geändert. Aufgrund der Erfahrungspotentials können aber viele Problemanfragen über die verschiedensten Kommunikationsmöglichkeiten bearbeitet und gelöst werden. Als nachhaltiges und auf Dauer eingeführtes System ist das aber nicht zu sehen. Erfahrung und Weiterentwicklung können nur durch Praxisversuche auf den unterschiedlichsten Maschinen zu unterschiedlichsten Bedingungen und mit unseren Farbstoffen erfolgen.

In welchen Ausbildungsbereichen – gleich ob Studium oder Berufsausbildung – sehen Sie Nachbesserungsbedarf in den Lehrplänen? Bringen Berufseinsteiger für Ihr Unternehmen das nötige Rüstzeug mit, oder müssen Sie in grundlegenden Anforderungsbereichen nachqualifizieren?

Ursula Häberli: Wir bilden unseren zukünftigen Fachkräftepool intern aus. Dazu haben wir jedes Jahr einige Lernende als Textile- und Chemielaboranten, denen wir im Anschluss eine fixe Anstellung anbieten. Die Ausbildung an der Berufsschule und in den Vertiefungskursen ist hervorragend. Die Lernenden werden in vielen verschiedenen Bereichen gefordert. Die Textillaboranten machen genau dieselbe Ausbildung wie die Chemielaboranten, haben aber zusätzlich noch 240 Lektionen Textilunterricht und Textilkurse. Textillaboranten benötigen inzwischen ein sehr umfangreiches, fundiertes und breites Fachwissen. Die Textilindustrie entwickelt sich rasant und so kommen stetig - zu dem bereits sehr breiten Basisfachwissen - neue, komplexe Inhalte dazu. Auch unterstützen wir tatkräftig bei Weiterbildungen zum Beispiel zum BSc Design & Technology an der Schweizerischen Textilfachschule. Diese Ausbildung ist breit fundiert und verschafft den Mitarbeitenden gutes Fachwissen und verschiedene zusätzliche essenzielle Kompetenzen.

Was sagen Sie zur Personalsituation bei CHT im Allgemeinen? Können Sie alle Stellen besetzen? Wen suchen Sie aktuell besonders dringend?

Ursula Häberli: Unsere langjährige Marktpräsenz und der gute Ruf, den wir mit unserem Ansatz „Customer First“ über 50 Jahre aufgebaut haben, hilft uns immer wieder, Talente anzusprechen. Zurzeit suchen wir eine Person als Textiltechniker/in Farbstoff für das BU Dyestuffs. Hier planen wir frühzeitig die Nachfolgeregelung eines Textil-Dinosaurier, der im 2022 in Pension gehen darf. Und für das Garment Team suchen wir ebenfalls einen/eine Textiltechniker/in.

Der Garment-Bereich ist ein textiles Spezialgebiet, das in den letzten 10 Jahren vermehrt in Ost-Länder verlagert wurde. Deshalb wird die Suche sicher eine Herausforderung sein.

Sie haben für CHT unter https://career-switzerland.cht.com ein Karriereportal für das Unternehmen aufgebaut. Darin sprechen Sie direkt verschiedene Zielgruppen an: Lernende, Studierende, Berufseinsteiger und Berufserfahrene. Welche Rolle spielen in der Unternehmensgruppe die „alten Hasen“?

Ursula Häberli: Die alten Hasen heißen bei uns ab und an auch einmal „Dinosaurier“ – Textiler wie sie, mit einer oftmals lebenslangen Karriere in der textilen Welt, sind rar, pessimistisch gesehen: am Aussterben. Doch Spaß beiseite: Die alten Hasen sind enorm wichtig. Es liegt an ihnen, ihr Wissen aktiv an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Das funktioniert schon sehr gut im Alltag. Das Farbstoff-Team – inklusive Chef - sitzt bewusst gemeinsam in einem großen Raum, damit viel mitgehört und ausgetauscht werden kann. Kürzlich hat das Team die „Textile Lunches“ gestartet. Das sind kurze knappe Learning Nuggets, um Wissen und Erfahrung weiterzugeben.

Employer Branding scheint seit einiger Zeit das Zauberwort zu sein. Man schaffe eine attraktive Arbeitgebermarke, stelle Stärken wie offene Unternehmenskultur, transparente Kommunikation, Verantwortung für den eigenen Bereich und Mitarbeiterbenefits ins Zentrum – und alle Stellen sind schnellstens besetzt. Was hält CHT von Employer Branding, welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht, und welche speziellen Angebote bieten Sie Interessenten an?

Ursula Häberli: Mit der Karriereseite https://career-switzerland.cht.com haben wir bewusst ein nach außen gerichtetes modernes Tool gewählt, um unseren Employer Brand zu stärken. CHT Ambassadors erzählen ihre Stories und machen damit Stellensuchenden Lust – oder auf Schweizerisch „gluschtig“, bei uns mitanzupacken und die Zukunft zu gestalten. Was ebenfalls ein großes Plus ist: Der Arbeitsort liegt in einer wunderbaren Landschaft mit hohem Freizeitwert, nah dem Bodensee und einer beeindruckenden Berglandschaft, wo sich unsere Mitarbeiter gerne bewegen.

Seit einiger Zeit tritt die CHT Unternehmensgruppe unter einem neuen Claim auf: Chemistry with Character. Entstanden ist diese Aussage für Marketingzwecke, aber sie sagt sicherlich auch etwas über das Unternehmen aus. Was bedeutet dieser Claim konkret für Ihre Personalpolitik? Wer ist bereits bei Ihnen im Team? Wen suchen Sie? Und wie sehr dürfen Mitarbeiter Ecken und Kanten haben?

Ursula Häberli: Wir suchen Macher mit hohen Teamplayer-Qualitäten. Das zeichnet uns aus und macht uns fit für die Zukunft. Wir bieten ein äußerst spannendes Aufgabengebiet, welches ein hohes Maß an Eigenverantwortung, Initiative und Kreativität verlangt. Wir sind stolz am Standort Montlingen das Kompetenzzentrum für Farbstoffe zu sein – einer der wenigen Betriebe im geografischen Raum Ostschweiz / Vorarlberg / Süddeutschland, den es noch gibt und noch lange geben wird.


Das Interview führte Ines Chucholowius, Geschäftsführerin der Textination GmbH

Volker Nienstedt, Coco Ruch, Frithjof Rödel (c) Marcel Krummrich. Volker Nienstedt, Coco Ruch, Frithjof Rödel
01.06.2021

TextilKunst: Mensch braucht Kunst - Kunst braucht Mensch

Mit ihrem textilen Projekt „kunst.werke“ macht die Künstlerin Britta Schatton, auf die vielfältige Kunst- und Kulturlandschaft Thüringens aufmerksam. Gemeinsam mit dem Fotografen Marcel Krummrich setzt sie neun Akteure aus der Thüringer Kunstwelt in Szene. Entscheidendes und verbindendes Accessoire ist dabei ein individuell für jeden Künstler gefertigter handgefärbter und -bedruckter Schal aus Merinowolle-Seiden-Filz - jedes Unikat gestaltet aus der persönlichen Wahrnehmung heraus der jeweiligen Trägerin und des Trägers.

Pandemie-Zeiten haben viele Kunstschaffende aufgrund der Einschränkungen dazu gezwungen, sich ein anderes, ein virtuelles Publikum zu suchen. Nicht immer konnte das gelingen. Deshalb ist es Teil des Projektes, allen Portraitierten ein Sprachrohr zu ihrer persönlichen Situation in der von Corona bestimmten Zeit, geben. Diese Statements sollen auf virtuellen Bühnen Gehör finden.

Mit ihrem textilen Projekt „kunst.werke“ macht die Künstlerin Britta Schatton, auf die vielfältige Kunst- und Kulturlandschaft Thüringens aufmerksam. Gemeinsam mit dem Fotografen Marcel Krummrich setzt sie neun Akteure aus der Thüringer Kunstwelt in Szene. Entscheidendes und verbindendes Accessoire ist dabei ein individuell für jeden Künstler gefertigter handgefärbter und -bedruckter Schal aus Merinowolle-Seiden-Filz - jedes Unikat gestaltet aus der persönlichen Wahrnehmung heraus der jeweiligen Trägerin und des Trägers.

Pandemie-Zeiten haben viele Kunstschaffende aufgrund der Einschränkungen dazu gezwungen, sich ein anderes, ein virtuelles Publikum zu suchen. Nicht immer konnte das gelingen. Deshalb ist es Teil des Projektes, allen Portraitierten ein Sprachrohr zu ihrer persönlichen Situation in der von Corona bestimmten Zeit, geben. Diese Statements sollen auf virtuellen Bühnen Gehör finden.

Britta Schatton betont: „Wir alle teilen das Grundbedürfnis, Kunst und Kultur als festen Bestandteil des Lebens - auch in Pandemiezeiten - regelmäßig zu erfahren und zu gestalten. Mensch braucht Kunst - Kunst braucht Mensch. Erst recht in pandemischen Zeiten, in denen Kunst und Kultur zunehmend existenziell bedroht sind.“
          
Die freischaffende Künstlerin Britta Schatton arbeitet bevorzugt mit Filz und hat dazu eine Ausbildung an der baden-württembergischen Filzschule Oberrot bei Inge Bauer, Beatriz Schaaf-Giesser und Lyda Rump absolviert. Seit 2012 erfolgten Qualifizierungen bei nationalen und internationalen Textilkünstlerinnen wie Liz Clay (GB), Pam de Groot (AU), Britta Ankenbauer (DE), Ricarda Aßmann (DE) und Ute Herre (DE). 2014 wurde sie Mitglied der Künstlergruppe TAT Textil Art Thüringen.

2021 erhielt sie ein Sonderstipendium des Freistaates Thüringen für das Projekt „kunst.werke“ und wurde für die Gestaltung der Ehrenpreise zur Bundesgartenschau, die 2021 in Erfurt stattfindet, verpflichtet.

Eine Ausstellung der Portraits ist in der Ladengalerie ARTenVielfalt von Britta Schatton in Erfurt zu sehen. Mit einem Teil des Verkaufserlöses der Schals und Loops aus der limitierten Serie wird einer Einrichtung zur Jugendkunstförderung unterstützt.

Foto: pixabay
18.05.2021

ECO PERFORMANCE AWARD und PERFORMANCE AWARD für innovative Sommerstoffe 2023

Vom 17. bis 21. Mai 2021 findet die digitale Messewoche der Performance Days statt und sorgt Online für ein Mehr an Informationen, aktuellen Trends und Materialinnovationen. So hat die Branche die Möglichkeit, mit Ausstellern in Kontakt zu treten.

Im Fokus des zukunftsweisenden PERFORMANCE FORUMS stehen im Sommer die Gewinner der beiden Awards. Auch in diesem Jahr vergibt die Jury neben einem PERFORMANCE AWARD einen ECO PERFORMANCE AWARD.

Funktion neu gedacht: Herausragende Stoffinnovationen für die Saison Sommer 2023
Pflanzenfasern wie Hanf, Biobaumwolle, Bambus, Wolle, Kapok oder Coconutshell bleiben gefragt, zudem verzichten Hersteller vermehrt auf umweltschädliche Chemikalien, vermeiden Mikroplastik, befürworten natürliches Färben und versuchen Stoffe entweder wieder in den Kreislauf zurückzuführen, Plastik und anderen Abfall zu recyceln oder Fasern so herzustellen, dass sie biologisch abbaubar sind.

Vom 17. bis 21. Mai 2021 findet die digitale Messewoche der Performance Days statt und sorgt Online für ein Mehr an Informationen, aktuellen Trends und Materialinnovationen. So hat die Branche die Möglichkeit, mit Ausstellern in Kontakt zu treten.

Im Fokus des zukunftsweisenden PERFORMANCE FORUMS stehen im Sommer die Gewinner der beiden Awards. Auch in diesem Jahr vergibt die Jury neben einem PERFORMANCE AWARD einen ECO PERFORMANCE AWARD.

Funktion neu gedacht: Herausragende Stoffinnovationen für die Saison Sommer 2023
Pflanzenfasern wie Hanf, Biobaumwolle, Bambus, Wolle, Kapok oder Coconutshell bleiben gefragt, zudem verzichten Hersteller vermehrt auf umweltschädliche Chemikalien, vermeiden Mikroplastik, befürworten natürliches Färben und versuchen Stoffe entweder wieder in den Kreislauf zurückzuführen, Plastik und anderen Abfall zu recyceln oder Fasern so herzustellen, dass sie biologisch abbaubar sind.

Im Marketplace haben Besucher die Möglichkeit, über 9.000 Produkte der Aussteller zu sichten, darunter auch die Stoff-Highlights der einzelnen Kategorien des PERFORMANCE FORUMS. Um dem Besucher die Stoffe in Haptik, Design und Struktur so realitätsgetreu wie möglich digital präsentieren zu können, wurde das PERFORMANCE FORUM mit neuartiger 3D-Technik ausgestattet, darunter innovative Tools wie 3D Bilder, Videoanimationen und U3M Dateien zum Download.

Einzigartig: PERFORMANCE AWARD & ECO PERFORMANCE AWARD Winner
Auch für die Frühjahr/Sommersaison 2023 hat die Jury zwei Awards für herausragende Neuentwicklungen vergeben – so präsentiert sich neben dem PERFORMANCE AWARD Winner, der an Trenchant Textiles geht, auch ein ECO PERFORMANCE AWARD Winner, verliehen an Utenos Trikotazas.

Nachhaltigkeit auf höchster Ebene, Wellbeing für Körper & Seele:
Mit einem vollständig biologisch abbaubaren, gebürsteten Fleece-Material aus 11% Hanf, 63% Organic Cotton und 26 % Tencel überzeugte Utenos Trikotazas die Jury und holte sich für nachhaltigen Komfort den ECO PERFORMANCE AWARD. Das extrem flauschige Material liegt angenehm auf der Haut und besticht mit einer unfassbar weichen Haptik. Hanf ist bekannt für seine natürliche antibakterielle Wirkung und natürlichen UV-Schutz. In Kombination mit Bio-Baumwolle und Tencel garantiert dieser Stoff eine perfekte Wärme- und Geruchsregulierung.

Funktion neue gedacht, Grenzen aufbrechen und Raum für Neues schaffen: Passend zum Focus Topic der digitalen Messewoche „Still Physical – Your Success Story of 2020“ wurden in der neuen Stoffkonstruktion von Trenchant Textiles funktionelle Features mit modischem Design verbunden, die den PERFORMANCE AWARD verdient. Die Membran auf der Außenseite, SlickrB, besteht aus ungiftigem, nachhaltigen Polypropylen-Membran. Durch das Drucken von Punktmustern auf die Oberfläche der Membran, erhält der Stoff eine bessere Abriebfestigkeit bei gleichzeitiger Beibehaltung der Atmungsaktivität. Revolutionär: Muster und Farben können je nach Belieben individuell geändert werden. Der Innenliner aus N15DW (15D gewebtes Polyamid) sorgt ebenfalls für Reißfestigkeit sowie für ausreichend, aber nicht zu viel Dehnung.

Foto: pixabay
11.05.2021

Wenn Ananasblätter zur nachhaltigen Alternative für Leder werden

  • Spanische Unternehmerin Carmen Hijosa für den Preis Europäischer Erfinderpreis 2021 des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert
  • Entwicklung eines Verfahrens, das Ananasblätter in eine weiche, haltbare und vielseitige Textilie verwandelt
  • Umweltfreundliche Alternative unterstützt die Landwirtschaft und ist bei führenden internationalen Modefirmen gefragt

Wie das Europäische Patentamt (EPA) mitteilte, ist spanische Unternehmerin Carmen Hijosa für den Europäischen Erfinderpreise 2021 als Finalistin in der Kategorie „KMU“ (Kleine und mittlere Unternehmen) nominiert worden. Sie hat eine Lederalternative und gleichermaßen innovative Textilie aus den Fasern von Ananasblättern entwickelt, die aus einer Abfallressource hergestellt wird und im Vergleich zur Herstellung von Rindsleder die Umwelt weniger belastet.

  • Spanische Unternehmerin Carmen Hijosa für den Preis Europäischer Erfinderpreis 2021 des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert
  • Entwicklung eines Verfahrens, das Ananasblätter in eine weiche, haltbare und vielseitige Textilie verwandelt
  • Umweltfreundliche Alternative unterstützt die Landwirtschaft und ist bei führenden internationalen Modefirmen gefragt

Wie das Europäische Patentamt (EPA) mitteilte, ist spanische Unternehmerin Carmen Hijosa für den Europäischen Erfinderpreise 2021 als Finalistin in der Kategorie „KMU“ (Kleine und mittlere Unternehmen) nominiert worden. Sie hat eine Lederalternative und gleichermaßen innovative Textilie aus den Fasern von Ananasblättern entwickelt, die aus einer Abfallressource hergestellt wird und im Vergleich zur Herstellung von Rindsleder die Umwelt weniger belastet. Ihre natürliche Lederalternative unterstützt Landwirte und Genossenschaften auf den Philippinen und ist auch bei großen internationalen Modemarken gefragt.

Die Gewinner des jährlichen Innovationspreises des EPA werden am 17. Juni 2021 ab 19 Uhr im Rahmen einer Galaveranstaltung bekannt gegeben, die in diesem Jahr als digitales Event für ein weltweites Publikum neu konzipiert wurde.

Vom Ananasblattabfall zur natürlichen Textilie
Konventionelle Lederproduktion ist umstritten: Für die Aufzucht von Schlachtvieh werden erhebliche Ressourcen verbraucht, der chemikalienlastige Gerbungsprozess birgt das Risiko der Umweltverschmutzung, und die Arbeitsbedingungen in den Gerbereien sind oft nicht gut. Auch synthetische Lederalternativen wie PVC (Polyvinylchlorid) seien mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Umwelt und Gesundheitsrisiken für Menschen verbunden, so das Europäische Patentamt.

Hijosa erlebte die Realität der globalen Lederproduktion aus erster Hand, als sie 1993 als Textildesign-Beraterin für die Weltbank auf den Philippinen arbeitete. Die negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen der lokalen Lederproduktion brachten sie dazu, eine nachhaltige Textilie zu entwickeln, die für den Export geeignet ist und die Rohstoffe auf den Philippinen sowie die traditionellen Fähigkeiten der Menschen dort besser nutzt. „Ananasblattfasern sind sehr stark, fein und biegsam und werden auf den Philippinen seit 300 Jahren in traditionell handgewebten Textilien verwendet“, erklärt Hijosa. „Ich überlegte also, was wäre, wenn ich aus diesen Ananasblattfasern ein Gewebe herstellen würde, das Ähnlichkeit mit Leder hat – ein Gewebe aus Fasern?'“

Im Rahmen eines zwölfjährigen Forschungs- und Entwicklungsprozesses arbeitete sie daran, das Geflecht der Kollagenfasern von Leder nachzubilden. Während dieser Zeit schloss sie mehrere Textilstudiengänge ab, gründete 2013 in London ein Unternehmen und refinanzierte ihr Haus, um weiter zu forschen und ihre Promotion abzuschließen. Am Ende dieses Prozesses stand die erfolgreiche Entwicklung und Perfektionierung einer Textilie namens Piñatex. Das Material wird produziert, indem die Zellulosefasern von den Blättern abgezogen und zunächst Fasern in Textilqualität hergestellt werden. Diese werden dann zu einer nicht gewebten Netztextilie verarbeitet, die weiter veredelt und zu einer Lederalternative erweicht wird.

Das Rohmaterial, das die Grundlage für Hijosas Textilie bildet, ist ein Nebenprodukt der Ananasernte auf den Philippinen. Die Nutzung einer Ressource, die ansonsten weggeworfen würde, bietet den Landwirten ein zusätzliches Einkommen. Diese Abfallressource hat erhebliches Potenzial, da die zehn größten Ananas produzierenden Länder der Welt genug Blätter erzeugen, um potenziell mehr als 50 Prozent der weltweiten Lederproduktion durch das Material von Hijosa zu ersetzen. Piñatex benötigt zudem viel weniger Wasser als Textilien wie Baumwolle, die mehr als 20.000 Liter Wasser pro Kilogramm beansprucht. Zudem werden bei der Herstellung weniger Chemikalien und weniger CO2 verbraucht als bei der Lederproduktion.

Innovation bietet Verbrauchern mehr nachhaltige Optionen
2011 meldete Hijosa ein Patent für das Material und seine Herstellung an, bevor sie 2013 Ananas Anam als Start-up gründete, um Piñatex kommerziell zu vermarkten. Dieser Teil des Prozesses war für sie entscheidend: „Das geistige Eigentum spielte eine zentrale Rolle dabei, die Finanzierung sowie Zukunft des Produkts und seines Marktpotenzials zu sichern.“ Hijosa ist weiterhin Chief Creative & Innovation Officer ihres Unternehmens und federführend für Neuentwicklungen im Bereich pflanzlicher, abfallbasierter Textilien verantwortlich. Ihre Pionierarbeit hat das Unternehmen als Marktführer zu einem Zeitpunkt positioniert, wo es seitens der Verbraucher immer mehr Bedarf für nachhaltigere Angebote gibt.

Von 2013 bis 2019 hat sich der Umsatz von Hijosas Unternehmen jedes Jahr in etwa verdoppelt und ist 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent gewachsen. Die Firma beschäftigt an ihrem Londoner Standort rund zehn Mitarbeiter und arbeitet mit Fabriken auf den Philippinen und in Spanien sowie mit dem größten philippinischen Ananasanbaukollektiv zusammen, zu dem 700 Familien gehören, die durch die Lieferung von Abfallblättern von einem zusätzlichen Einkommen profitieren. Piñatex wird derzeit von fast 3.000 Marken in 80 Ländern genutzt. Es findet sich in unterschiedlichen Produkten – von Turnschuhen über Jacken, Autoinnenausstattungen und Handtaschen bis zum Bestandteil einer rein veganen Hotelsuite der Welt.

Weitere pflanzliche Alternativen zu Leder, die bereits existieren oder in der Entwicklung sind, basieren auf den unterschiedlichsten Rohstoffen von Apfelkernen bis hin zu Pilzen und unterstreichen den Trend zu Textilien auf Pflanzen- und Abfallbasis. Der kombinierte globale Ledermarkt (tierisch und synthetisch) wurde 2017 auf 374 Milliarden Euro geschätzt. Obwohl echtes Leder immer knapper und damit teurer wird, zeigt die Prognose für den Gesamtmarkt bis 2025 ein jährliches Wachstum von 5,40 Prozent. Die jüngsten Vulkanausbrüche in der Nähe ihrer Fabriken auf den Philippinen und pandemiebedingte Einschränkungen haben Hijosas Produktion vorübergehend verlangsamt. Dennoch sagt die Unternehmerin, dass die Aussichten für das Unternehmen weiterhin positiv bleiben, da immer mehr Verbraucher nachhaltiger konsumieren möchten.

 

Dr. Carmen Hijosa
… wurde am 17. März 1952 in Salas in der spanischen Region Asturien geboren. Mit 19 Jahren zog sie nach Irland und war dort 1977 Mitbegründerin der Luxusledermanufaktur Chesneau Leather Goods. Als Designdirektorin gehörten High-End-Abnehmer wie Harrods zu ihren Kunden. Nachdem sie das Unternehmen 15 Jahre lang geleitet hatte, begann sie in den 1990er-Jahren als Beraterin im Bereich Textilien für die Weltbank sowie an Forschungsinstituten in Deutschland und Irland an EU-finanzierten Projekten zu arbeiten und brachte ihr Fachwissen im Bereich Textildesign so in Entwicklungsmärkte. 1993 wurde sie von der Weltbank als Beraterin für die philippinische Lederindustrie beauftragt. Die negativen Auswirkungen dieser Industrie auf Umwelt und Gesellschaft veranlassten sie, eine nachhaltige Alternative zu entwickeln – einen Lederersatz aus Ananasblättern. Von 2009 bis 2014 promovierte Hijosa im Bereich Textilien am Royal College of Art in London und entwickelte ihren Textilprototyp weiter. Im Jahr 2013 gründete sie das Unternehmen Ananas Anam Ltd., um die Lederalternative zu kommerzialisieren. Carmen Hijosa ist Inhaberin eines europäischen Patentes (EP2576881), das 2018 erteilt wurde.

Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis gilt als einer der renommiertesten Innovationspreise Europas. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und zeichnet einzelne Erfinder und Erfinderteams aus, deren wegweisende Innovationen Antworten auf einige der größten Herausforderungen unserer Zeit geben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury bestehend aus internationalen Experten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Akademie und Forschung ausgewählt. Sie prüft die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur gesellschaftlichen Entwicklung, zum wirtschaftlichen Wohlstand und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa. Der Preis wird in fünf Kategorien (Industrie, Forschung, KMU, Nicht-EPO Staaten und Lebenswerk) verliehen. Der Gewinner des Publikumspreises wird von der Öffentlichkeit aus den 15 Finalisten über ein Online-Voting ermittelt.

(c) Hochschule Niederrhein
06.04.2021

120 Jahre Textile Ausbildung in Mönchengladbach

Der Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik der Hochschule Niederrhein feiert in diesem Jahr ein zweifaches Jubiläum: Zum einen wird die Hochschule Niederrhein 50 Jahre alt. Zum anderen wurde vor 120 Jahren die Preußische Höhere Schule für Textilindustrie gegründet. Aus ihr entstand später die Textilingenieurschule, die 1971 in den Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik der Hochschule Niederrhein überführt wurde.
 
Der diesjährige Masterkongress am 23. April 2021 nimmt dieses doppelte Jubiläum auf. Er läuft unter dem Titel: NOW AND THEN – MG CREATES CAREERS (Gestern, heute, morgen: Mönchengladbach macht Karrieren).

Der Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik der Hochschule Niederrhein feiert in diesem Jahr ein zweifaches Jubiläum: Zum einen wird die Hochschule Niederrhein 50 Jahre alt. Zum anderen wurde vor 120 Jahren die Preußische Höhere Schule für Textilindustrie gegründet. Aus ihr entstand später die Textilingenieurschule, die 1971 in den Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik der Hochschule Niederrhein überführt wurde.
 
Der diesjährige Masterkongress am 23. April 2021 nimmt dieses doppelte Jubiläum auf. Er läuft unter dem Titel: NOW AND THEN – MG CREATES CAREERS (Gestern, heute, morgen: Mönchengladbach macht Karrieren).

„Die textile Ausbildung in Mönchengladbach hat ein bedeutsames historisches Erbe, auf welches wir sehr stolz sind“, sagt Professor Dr. Lutz Vossebein, Dekan des Fachbereichs Textil- und Bekleidungstechnik. Mit über 2000 Studierenden und mehr als 30 Professorinnen und Professoren gehört der Fachbereich heute zu den größten Ausbildungsstätten im Bereich Textil und Bekleidung – und das europaweit.

„Der Masterkongress richtet sich an Studierende und Partner des Fachbereichs sowie des Forschungsinstituts für Textil und Bekleidung aus Wirtschaft, Forschung und Lehre sowie Politik. Wie immer werden aktuelle Themen von den angehenden Ingenieurinnen und Ingenieuren auf hohem Niveau präsentiert“, sagt Prof. Dr. Maike Rabe, die den Master Kongress vor fünf Jahren ins Leben gerufen hat. Keynote-Speaker in diesem Jahr ist Dr. Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. in Berlin. Eines seiner Themen: die unternehmerische Sorgfaltspflicht oder kurz gesagt: das Lieferkettengesetz. „Damit müssen sich die angehenden und gestandenen Fachleute der Branche auseinandersetzen“, erklärt das Planungsteam mit Oliver Heß, Dr. Esther Rohleder und Iris Siebgens.

Am 15. April 1901 fiel der Startschuss für die textile Ausbildung in Mönchengladbach. An diesem Tag nahm die an der Stadtgrenze Mönchengladbach / Rheydt gelegene Höhere Fachschule ihren Lehrbetrieb auf. Vorausgegangen war ein durch die Entwicklung industriell nutzbarer Spinn-, Web- und Veredlungsmaschinen im 19. Jahrhundert forciertes Wachstum der Textilindustrie, das gerade in Mönchengladbach und Umgebung den Bedarf an Fach- und Führungskräften ansteigen ließ.

Das Besondere an der Mönchengladbacher Schule war, dass sie mehrere Abteilungen unter einem Dach vereinte. Neben der Textilproduktion gab es ab 1912 eine Konfektionsabteilung, die sukzessive ausgebaut wurde. Es folgten Damenoberbekleidung, Wäsche, Berufs- und Sportbekleidung als Unterrichtsinhalte. Somit bündelte die „Preußische Höhere Schule für Textilindustrie“, zu diesem Zeitpunkt in Deutschland einzigartig, eine breite Palette im Bereich der textil- und bekleidungstechnischen Ausbildung.

Bedingt durch die hohen Schülerzahlen in den Konfektionsabteilungen erfolgte 1932 die Umbenennung in „Höhere Bekleidungsfachschule“. Als erste Lehranstalt in Deutschland war sie berechtigt, Bekleidungsingenieure auszubilden. Damit wurde die Schule zur Ingenieurschule aufgewertet, Fächer wie Kostenrechnen, Betriebsorganisation, Leistungs- und Arbeitsplanung kamen hinzu.

Der Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik, der mit der Gründung der Fachhochschule Niederrhein im Jahr 1971 entstand, bündelte die Kompetenzen der ehemaligen Textilingenieurschule in Mönchengladbach – aber auch die der Schulen in Köln, Bielefeld, Aachen, Wuppertal und natürlich Krefeld. Krefeld, ebenfalls ein traditionsreicher Textilstandort der Region, wurde für den Weggang der textilen Ausbildung nach Mönchengladbach übrigens dadurch entschädigt, dass die Verwaltung der neuen Fachhochschule nach Krefeld kam.

Einer der Wegbereiter der FH-Gründung war Prof. Dr. Rolf Klinke. Er war vor 50 Jahren Vorsitzender des Planungsausschusses und danach als Prorektor der jungen Fachhochschule und in Personalunion als erster Dekan des Fachbereichs Textil- und Bekleidungstechnik eine zentrale Figur der Gründungsjahre. Anlässlich des Digitalen Masterkongress 2021 wird er als Ehrengast über diese Zeit berichten. Der kostenlose Masterkongress findet am Freitag, 23. April 2021, 9.00 bis 16.15 Uhr, statt. Das komplette Programm und Anmeldeformular: www.hs-niederrhein.de/ftb/#c129082

 

(c) Neonyt/Messe Frankfurt GmbH
30.03.2021

Circularity und Fashion: Interview zur Business- und Kommunikationsplattform Neonyt

Kreislauf- statt Wegwerfwirtschaft – von Fast Fashion zur Zero-Waste-Philosophie. Die Eckpfeiler der Circular Economy im Modebusiness lauten: Vermeidung von Abfällen und Verschmutzung durch neue Verfahren, kontinuierliche Wiederverwertung von Produkten und Materialien und Regeneration der natürlichen Systeme. Textination sprach mit Olaf Schmidt, Vice President Textiles & Textile Technologies, und Thimo Schwenzfeier, Show Director Neonyt, von der Messe Frankfurt über das Messeformat Neonyt als Business- und Kommunikationsplattform für Circularity & Fashion.
 
Es ist rund 10 Jahre her, dass sich die Messe Frankfurt auf das „nachhaltige“ Fashion-Messeparkett wagte. Zunächst mit der Ethical Fashion Show, dann mit dem Greenshowroom gab es zwei Messeformate in Berlin, die sich dem Thema grüne Mode widmeten. Was hat Sie als Messeveranstalter damals zum Launch eines solchen Spezialformats in Deutschland bewogen?

Kreislauf- statt Wegwerfwirtschaft – von Fast Fashion zur Zero-Waste-Philosophie. Die Eckpfeiler der Circular Economy im Modebusiness lauten: Vermeidung von Abfällen und Verschmutzung durch neue Verfahren, kontinuierliche Wiederverwertung von Produkten und Materialien und Regeneration der natürlichen Systeme. Textination sprach mit Olaf Schmidt, Vice President Textiles & Textile Technologies, und Thimo Schwenzfeier, Show Director Neonyt, von der Messe Frankfurt über das Messeformat Neonyt als Business- und Kommunikationsplattform für Circularity & Fashion.
 
Es ist rund 10 Jahre her, dass sich die Messe Frankfurt auf das „nachhaltige“ Fashion-Messeparkett wagte. Zunächst mit der Ethical Fashion Show, dann mit dem Greenshowroom gab es zwei Messeformate in Berlin, die sich dem Thema grüne Mode widmeten. Was hat Sie als Messeveranstalter damals zum Launch eines solchen Spezialformats in Deutschland bewogen?

Olaf Schmidt: Das Texpertise Network der Messe Frankfurt vereint die international bedeutendsten Textilmessen – auf rund 60 Veranstaltungen weltweit zeigen wir, was die Textil- und Modebranche bewegt. Wir bilden die aktuellen Themen und Trends ab und setzen Impulse für die gesamte textile Wertschöpfungskette. Die Messe Frankfurt hat früh den Bedarf an einer geeigneten Plattform für das Zukunftsthema Nachhaltigkeit erkannt und es war daher naheliegend, unsere Expertise im Bereich Fashion zu erweitern und der Nachfrage aus diesem Segment entgegenzukommen. Dafür haben wir bestehende Formate adaptiert und neu ausgerichtet: Nach dem Start der Ethical Fashion Show in Paris im Jahr 2004 übernahm die Messe Frankfurt France die Veranstaltung im Jahr 2010. Zwei Jahre später gründete die Messe Frankfurt in Deutschland die Ethical Fashion Show Berlin und fand mit dem Umzug des Events in die polarisierende Hauptstadt die richtige Location für die kommenden Jahre. Die Messe Frankfurt legte den dort bereits bestehenden Greenshowroom mit der Ethical Fashion Show zusammen und ab Januar 2015 fanden die beiden Messen in einer gemeinsamer Venue statt. Die Ausrichtung dieser Veranstaltungen war für die Messe Frankfurt der nächste logische Schritt auf unserem Weg in eine nachhaltige Modezukunft – das Konzept ist inzwischen am Markt für Sustainable Fashion etabliert und besitzt ungebrochenes Wachstumspotential. Der Zusammenschluss des Messeduos 2019 unter dem aktuellen Namen Neonyt ermöglichte uns, unseren Aussteller*innen und Besucher*innen eine neue inhaltliche Ausrichtung und einen holistischen Ansatz beim Thema Nachhaltigkeit sowie einen direkteren Zugang zum konventionellen Modemarkt, insbesondere was den Handel angeht. Im Sommer 2021 findet die Neonyt erstmals am neuen Fashion Hotspot Frankfurt im Rahmen der neuen Frankfurt Fashion Week statt.

 
2019 wurden beide Veranstaltungsformate verschmolzen, die neue Messe Neonyt war geboren und aus 1 + 1 wurde was? Welche Komponenten bietet die Neonyt zusätzlich zu den vorherigen Messekonzepten, was ist so „neu-neu“ und wie kamen Sie eigentlich auf den Namen?

Thimo Schwenzfeier: Aus eins plus eins, wie Sie so schön sagen, wurde mit der Neonyt nämlich nicht einfach nur zwei. Aus eins plus ein wurde einzigartig, neoneu, international relevant: Das Messe-Business wurde unter anderem um das internationale Konferenzformat Fashionsustain und einen Showcase ergänzt, um das Thema Nachhaltigkeit schrittweise mit den Themen Technologie, Innovation und Vorstufe zusammenzuführen. Für den nötigen Lifestyle sorgt unser Content Creator-Format Prepeek und den Glamour der Modewelt bringt die Fashionshow. Neonyt vereint die wichtigsten Elemente der internationalen Textil- und Modebranche – Style, Business, Inspiration, Innovation, Wissen, Spaß und Community. Und genau das ist es auch, was Neonyt so „neu-neu“ macht. Progressiv und polarisierend – das Kunstwort Neonyt leitet sich ab vom altgriechischen Wort „neo“ (dt. neu, revolutionär) und dem skandinavischen Wort „nytt“ (dt. neu). „Das erneuerte Neu“ – Neonyt ist unser Synonym für den fundamentalen Transformationsprozess der Textil- und Modebranche, eine Neuinterpretation dessen, was bereits da gewesen ist und unseren Anspruch, nicht stillzustehen und gemeinsam positive Veränderungen voranzutreiben.

 
Für das Neonyt-Messeformat haben Sie sich mit Partnern - beispielsweise für Konferenzkomponenten und im Designbereich - verstärkt.
Welche Expertise bringen diese ein, und worin liegt der Mehrwert für Aussteller und Besucher?

Thimo Schwenzfeier: Wir wissen, mit welchen Zukunftsthemen sich unsere Brands und die Community gerade befassen und schaffen dafür die richtige Plattform – für persönliche Begegnungen und Austausch, für Networking und erfolgreiche Geschäftsabschlüsse. Schlicht gesagt: Wir machen Messen, wir veranstalten Events, wir sorgen für die richtigen Rahmenbindungen, wir connecten Menschen und Business. Die Neonyt bildet somit die globale Schnittstelle zwischen den unterschiedlichen Akteur*innen der Textil- und Modebranche – zwischen Industrie, Handel, Politik, Dienstleistung und Konsum. Und damit ein lebendiger, transparenter und vor allem authentischer Dialog zwischen allen Counterparts entstehen kann, greifen wir natürlich auf das Wissen von Branchenexpert*innen zurück und gehen starke Partnerschaften ein, um Fashion und Sustainability weiter nach vorne zu bringen. Denn nur gemeinsam können wir wirkliche Veränderungen erreichen und garantieren, dass unsere Community mit ausreichend und vor allem der richtigen Information versorgt ist, um eigenbestimmte Entscheidungen treffen zu können.
 

In den letzten Jahren trifft man allerorten in der Modeindustrie auf das Schlagwort Zirkularität – oder vielmehr auf Circularity und Closing the Loop. Ob Stella McCartney, die Ellen MacArthur Foundation, große Handelskonzerne – viele Akteure und Entscheider sind der Ansicht, dass nur in einer Kreislaufwirtschaft und nicht in einem – wie auch immer gearteten – Downcycling die Zukunft für die Modewelt liegt. Wie sieht das die Neonyt?
         
Thimo Schwenzfeier: Richtig, das Konzept der Circular Economy ist kein neues und auch nicht nur auf die Textil- und Modeindustrie begrenzt. Circularity – eigentlich das Nonplusultra für jedes Produkt, jede Indus–trie, für unsere globale Gesellschaft. Das Konzept ist vermeintlich einfach: Alle Materialien und Produkte werden in einem geschlossenen Kreislauf gehalten, die Nutzungsdauer erhöht und am Ende des Produktlebenszyklus wird alles wieder zurückgeführt. Viele nachhaltige Modelabels zeigen bereits, wie’s gemacht wird. Neonyt-Brands sind ganz vorne mit dabei und setzen jetzt schon Praktiken um, die schnellstmöglich zum Standard werden sollten: angefangen bei T-Shirts oder Schuhen aus recycelten Materialien und Rücknahmesysteme für Kollektionsteile über kompostierbare Kleidung, die sich am Ende des Produktlebenszyklus „auflöst“ und in ihre natürlichen Bestandteile zerfällt, bis hin zu Repair-Services und Leasing-Modellen für Denim und Co. – ganzheitlich denken, nachhaltig handeln und zirkulär produzieren, das sind definitiv die Trends der kommenden Modesaisons und mindestens ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Bestandteil der zukünftigen Modewelt.

 
Damit der Gedanke einer Kreislaufwirtschaft erfolgreich implementiert werden kann, bedarf es eines Zusammenspiels von Technologie, Produktion, Design und Vertrieb. Welche Präsentationsoptionen und Kommunikationsformen hält die Neonyt für die verschiedenen Komponenten bereit?  

Thimo Schwenzfeier: Die kombinierte Innovationskraft aus den Bereichen Technologie, Nachhaltigkeit und Digitalisierung ist ein wichtiger Treiber für die aktuellen Entwicklungen in der Textil- und Modebranche – auch beim Thema Circularity. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette verändern sich Prozesse und Produktionsabläufe – die Branche muss sich größtenteils neu erfinden. Die Neonyt zeigt, wie dies nachhaltig erfolgreich funktioniert, mit dem international etablierten Konferenzformat Fashionsustain – mit Spin-offs in China, Europa und den USA –sowie dem ergänzenden Showcase. Diese beiden Formate bieten gemeinsam die ideale Mischung aus Orientierung und Inspiration, um die Branche für die Zukunft zu wappnen. Virtuelle Mode, authentische Marken und textile Wertschöpfungsketten, Wissenschaft und Innovation sowie Retail, Business Models und Impact Investment – bei der Fashionsustain tauschen sich hochkarätige Expert*innen mit einem interessierten Fachpublikum aus und diskutieren den Wandel und neue Lösungen der Textil- und Modebranche. Der Neonyt Showcase vertieft die Themen und Innovationen, die auf der Bühne der Fashionsustain präsentiert und diskutiert werden. Expert*innenwissen on-demand sozusagen: ob Microfactories oder Installationen – Neonyt-Brands aber auch Brands aus dem restlichen Texpertise Network der Messe Frankfurt, wie zum Beispiel Aussteller*innen der Texprocess, bekommen so die Chance, nachhaltige Innovationen, neue Technologien und Materialien, Initiativen, Change-Maker-Kampagnen oder Forschungsprojekte zu präsentieren und in den direkten und praxisnahen Austausch mit der internationalen Cross Sector-Community der Neonyt zu treten.
 

Das letzte Jahr war aufgrund der Pandemie-Situation für Messeunternehmen eine bisher ungesehene Herausforderung. Auch die Neonyt hat es getroffen – und Präsenzveranstaltungen mussten abgesagt werden. Mit einem digitalen Format „Neonyt on Air“ haben Sie versucht, Ausstellern und Besuchern eine alternative Plattform zu bieten. Wie sind Ihre Erfahrungen: Haben der Messefokus und dessen Community vielleicht sogar dazu beigetragen, eine solche virtuelle Veranstaltung einfacher zu platzieren?  

Olaf Schmidt: Corona hat bereits vieles verändert und wird das sicherlich auch weiterhin auf die eine oder andere Art tun. Dennoch wird es weiterhin unsere Aufgabe als Messeveranstalter sein, der Industrie die bestmöglichen Begegnungsplattformen anzubieten, um ihre neuen Produkte weltweit zu präsentieren. Wir sind fest davon überzeugt, dass sich auch in Zukunft Menschen persönlich begegnen möchten, um sich über neue Produkte und Dienstleistungen auszutauschen. Das gilt ganz besonders für den Bereich Textil, in dem Haptik eine ganz entscheidende Rolle spielt. Wir gehen davon aus, dass sich nach der Krise sogar ein gewisser Nachholeffekt einstellt. Denn was die letzten beiden sehr erfolgreichen digitalen Saisons der Neonyt on Air beispielsweise dennoch deutlich gemacht haben: Mode lebt von Persönlichkeiten, von Inszenierung und Inspiration. Da können digitale Formate begleiten, aber keinen vollen Ersatz bieten.
 
Thimo Schwenzfeier: Die digitale Neonyt on Air war bei Weitem kein voller Ersatz für die ausgefallenen physischen Saisons, aber dennoch ein voller Erfolg. Eine Woche lang diskutierten Fashion-, Lifestyle- und Digitalexpert*innen in zahlreichen Keynotes, Interviews und Panel Discussions über mehr Authentizität, Unmittelbarkeit und Transparenz in der Textil- und Modebranche. Mit mehr als 24.000 internationalen Follower*innen auf Instagram generierten wir mit unseren „Presenting Partners“ Grüner Knopf, Hessnatur und Oeko-Tex in nur fünf Tagen rund 50.000 Impressionen und mehr als 4.700 Content-Interaktionen. Diese Zahlen zeigen, dass das Thema Nachhaltigkeit in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und branchenübergreifend diskutiert wird. Ich denke, dass die Polarisierung und vor allem die vorherrschenden Einschränkungen, was Handel und Commerce angehen, sicherlich dazu beigetragen haben, ein erfolgreiches digitales Format abzuhalten. Digitalisierung war in dem Fall wirklich der Booster für die Modeindustrie: Statt den persönlichen Austausch zu ersetzen, hilft sie gerade in der aktuellen Zeit dabei, die Geschäftstätigkeit von Brands aufrecht zu erhalten und auszubauen. Und ganz klar, der Bedarf an Austausch in der Fashion-Branche und die Motivation, gemeinsam einen Wandel einzuleiten, sind weiterhin enorm. Das hat uns Neonyt on Air nochmals deutlich gezeigt. Aber wir freuen uns bereits jetzt auf die nächste physische Ausgabe der Neonyt.
 

Die COVID19-Pandemie hat auch in der Textil- und Bekleidungsbranche deutliche Spuren hinterlassen. Wenn Sie auf ein knappes Jahr „Ausnahmezustand“ zurückblicken – was nehmen Sie an positiven Erfahrungen mit, wo sehen Sie Nachbesserungsbedarf, für welche Unterstützung sind Sie dankbar und wo haben Sie sich allein gelassen gefühlt?  

Olaf Schmidt: Ein Jahr wie kein anderes – das lässt sich über das letzte wohl eindeutig sagen. Die Corona-Pandemie traf alle unvorbereitet, uns als Messeveranstalter, aber natürlich auch unsere Austeller*innen, Besucher*innen und Partner*innen. Vor allem in unmittelbarer Zukunft müssen wir weiterhin damit rechnen, dass Messen zunächst erst einmal nur unter strengeren Sicherheits- und Gesundheitsvorgaben stattfinden können. Die Messe Frankfurt hat hier schnell reagiert und dazu ein umfangreiches Schutz- und Hygienekonzept erarbeitet. Klar war: Wir alle müssen uns umstellen und mit einer neuen Situation umgehen. Und das haben wir bisher gemeinsam super gemeistert, das Teamverständnis untereinander, der enge Kontakt – zwar physisch auf Abstand, aber global vernetzt – zwischen allen Involvierten, lässt mich positiv gestimmt in die Zukunft blicken. Für mich ist eine wichtige Erkenntnis dieser globalen Pandemie, ein Credo schon fast, offen für neue Wege und Chancen zu sein und eher Möglichkeiten zu finden, Dinge zu kombinieren als sie zu trennen: Hybride Lösungen sozusagen.    

Thimo Schwenzfeier: Für die Neonyt gab es gab keinen Masterplan und stellenweise trat auch das Gefühl in den Vordergrund, man müsse jetzt für „das Rad neu erfinden“: Wie funktioniert Zusammenarbeit, wenn persönliche Treffen nicht stattfinden können? Kann digitalisierte Nähe die aktuell auferlegte soziale Distanzierung auffangen und ermöglichen, trotzdem eng zusammenzuarbeiten? Wie können Geschäftsbeziehungen gepflegt werden, während Läden geschlossen haben? Wie können Prioritäten gesetzt werden, wenn erprobte Lösungen und etablierte Jahrespläne ihre Gültigkeit verlieren? Wer bin ich selbst, wer sind ‚die anderen‘ und was macht Gemeinschaft aus? Nie waren Fragen zu unserem Schaffen und Dasein, zu dem, was uns ausmacht und dazu, wer oder was wir sein wollen, relevanter als jetzt gerade. Etwas, das ich aus der aktuellen Zeit mitnehme und das mich trotz schwieriger Umstände weiter positiv nach vorne blicken lässt, ist die Tatsache, dass der Zusammenhalt untereinander und die Solidarität miteinander – privat wie beruflich – enorm an Bedeutung gewonnen haben. Die Krise hat wie eine Lupe bestehende Chancen, aber auch Herausforderungen vergrößert und das Essenzielle in den Fokus gerückt. Ich denke, wenn wir weiterhin versuchen, Dinge bewusster zu erleben und nicht als selbstverständlich ansehen, solidarisch handeln und koopetitiv arbeiten, schaffen wir es gemeinsam, ein „New Normal“ zu definieren und gestärkt aus dieser Krise hervorzukommen.
 

Wie früher in Berlin, so ist die Neonyt aktuell auch in Frankfurt im Umfeld der Fashion Week zusammen mit konventionellen Messe-Angeboten platziert. Können Sie sich vorstellen, dass ein besonderes Veranstaltungskonzept wie die Neonyt in einigen Jahren unnötig sein wird, da sich weltweit in der Bekleidungsindustrie das Circularity-Konzept durchgesetzt hat?

Olaf Schmidt: Klares Nein. Nachhaltigkeit per se ist schon jetzt kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Wichtig ist, am Zahn der Zeit zu bleiben, sich an Trends zu orientieren oder besser noch neue Trends selbst aufzuspüren und sie weiterzuentwickeln. Dinge, Strategien, Konzepte werden sich immer ändern – wenn uns das letzte Jahr eines gezeigt, dann sicherlich das. Es ist mehr als wünschenswert, dass wir alle aus dieser Krise lernen und uns auf die wirklich wichtigen Werte besinnen, auf die Solidarität zwischen Partner*innen, auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Möglicherweise werden genau deshalb Unternehmen, die besonders viel Wert auf Nachhaltigkeit legen, noch stärker aus dieser Krise hervorgehen. Sie können also sicher sein, dass wir als internationaler Leitmesse-Veranstalter für die Textilwirtschaft auch weiterhin auf Nachhaltigkeit setzen und zukunftsorientierte Unternehmen und Lösungen unterstützen werden. Obsolet werden unsere Formate durch die Etablierung und Normalisierung von ganzheitlichen Geschäftspraktiken im Textilsegment dadurch aber nicht. Eine exakte Prognose für die kommenden Dekaden abzugeben, ist aber unmöglich. Über die letzten Monate haben wir selbst alle im persönlichen Alltag oder im Berufsleben gemerkt, wie unsicher und volatil die Zukunft ist. Was jedoch klar ist, ist, dass sich die Modebranche – die Welt allgemein – noch schneller verändern wird als bisher. Und darin liegt dann wiederrum die Chance für Formate wie die Neonyt. Die zehnjährige Geschichte zeigt, in wie vielen Richtungen sich die Neonyt schon weiterentwickelt hat, inhaltliche Fokuspunkte geshiftet sind und sie sich neoneu erfunden hat – das wird auch in Zukunft so bleiben.
 

Herr Schwenzfeier, seit 2018 sind Sie neben Ihrer Aufgabe als Leiter Marketing-Kommunikation der Textilmessen der Messe Frankfurt auch Show Director der Neonyt. Sie haben mit vielen Ausstellern und Besuchern gesprochen – welche Ideen oder Kreationen haben Sie besonders beeindruckt?

Thimo Schwenzfeier: Ich glaube, es sind weniger die einzelnen Innovationen oder Kreationen der Aussteller*innen unserer Messen. Und ich wähle hier bewusst den Plural. Denn in meiner Funktion als Leiter der Marketingkommunikation im Bereich Textiles & Textile Technologies der Messe Frankfurt ist die Neonyt nur eine „meiner“ Veranstaltungen. Ich glaube, es ist mehr die Fülle an modischen, technischen und fachlichen Neuheiten, die Brands, Labels, Unternehmen, Start-Ups und Designer*innen jährlich präsentieren. Aber müsste ich wirklich eine Innovation wählen, dann wären das wohl die veganen „Currywurst“ Sneaker aus rotem Pfeffer und recycelten PET-Flaschen – beim selben Label gibt es auch Schuhe aus Holz, Stein, Kaffee und Pilzen oder mittlerweile sogar Meteoritenteilchen. Es ist beeindruckend, in jeder Saison aufs Neue erleben zu können, wie kreativ die Textil- und Modebranche ist.
 

Neue Wege zu gehen, bedeutet Entscheidungsfreudigkeit, Überwindung von Ängsten – und damit auch Mut zum Scheitern. Nicht jedes Projekt kann gelingen. Über welche unternehmerische Entscheidung der Messe Frankfurt sind Sie im Nachhinein besonders froh, dass sie so getroffen wurde?
 
Olaf Schmidt: Eindeutig die Entscheidung, die Neonyt zu gründen. Ein eigenes Messeformat für Mode, Nachhaltigkeit und Innovation zu schaffen und die Freiheiten und den Lifestyle, die dieses Thema mit sich bringen in unser Event zu integrieren. Nach mehr als einer Dekade verabschieden wir uns 2021 zwar vom Standort Berlin, aber nicht von unserer Community und unseren Spirit. Gemeinsam blicken wir zurück auf viele modische Saisons und tolle Locations in der Hauptstadt: angefangen im Hotel Adlon Kempinski über das Ewerk, den Postbahnhof, den Kronprinzenpalais, das Funkhaus und das Kraftwerk bis zur letzten physischen Veranstaltung im Tempelhof. Mit dem Jahreswechsel und im Rahmen der Frankfurt Fashion Week steht für die Neonyt der Umzug in die Metropole am Main ins Haus. In Frankfurt prallen Welten aufeinander: Wolkenkratzer und Gründerzeitvillen. Bausünden und architektonische Meisterwerke. Business und Bürgerlichkeit. Rotlichtmilieu und Luxusmeile. In diesem Spannungsfeld setzt die Frankfurt Fashion Week neue Impulse. Und mitten drin die Neonyt. Die Zeichen stehen auf Neuanfang – ein Restart für die gesamte Fashion-Szene, gemeinsam heben wir Nachhaltigkeit auf das nächste Level – die Fokusthemen Applied Sustainability und Applied Digitisation lassen ein vollkommen neues Fashion Week-Ecosytem in Mainmetropole entstehen.
 

Wenn alles klappt, kann die Neonyt im Juli 2021 erstmals wieder als Face-to-Face-Veranstaltung durchgeführt werden. Wie sehen Ihre Planungen aus? Auf was und wen dürfen sich Besucher freuen? Und welches Backup für ein Worst-Case-Szenario gibt es?

Thimo Schwenzfeier: Natürlich ist es aufgrund der derzeit immer noch angespannten Lage rund um Covid-19 schwierig, verbindliche Aussagen zur nächsten physischen Veranstaltung zu treffen. Derzeit gehen wir aber davon aus, dass sich die Situation in den Sommer hinein entspannt und wir die Neonyt wie geplant und in einem sicheren, positiv gestimmten und nach vorne blickendem Umfeld in unserer Homebase Frankfurt veranstalten können. Die anhaltend volatile Lage macht es für uns alle notwendig, weiterhin mit Einschränkungen bei großen Veranstaltungen zu rechnen. Im Mittelpunkt unserer Planungen für die Neonyt im Sommer 2021 steht daher die Gesund aller – der Aussteller*innen, Besucher*innen, Partner*innen und Mitarbeiter*innen der Neonyt. Die Messe Frankfurt hat ein Konzept erarbeitet, das detaillierte hygienische Maßnahmen umfasst: Hygiene, Abstand und Frischluftzufuhr sind wichtige Faktoren, die wir mit den zuständigen Behörden in Frankfurt und den Verantwortlichen der Frankfurt Fashion Week abstimmen. Die Neonyt-Community bekommt zu gegebener Zeit Hinweise und Empfehlungen für den Messeauftritt und -besuch, die den aktuellen Bestimmungen entsprechen. Über ein konkretes Backup für ein Worst-Case-Szenario haben wir uns noch keine Gedanken gemacht, da wir Stand heute von einem physischen B2B-Event ausgehen – die letzten beiden Saisons haben aber bewiesen, sollte es nicht möglich sein, die Neonyt face-to-face zu veranstalten, dass wir mit der digitalen Neonyt on Air durchaus gut aufgestellt sind und das Format sicherlich noch ein weiteres Mal zur Sommerveranstaltung adaptieren könnten. Wir tauschen uns regelmäßig mit allen Marktteilnehmer*innen aus und versuchen auch von unserer Community mittels Umfragen ein Gefühl zu deren Einschätzungen und Wünschen zu bekommen. Abwarten und Tee trinken, würde man auch sagen – am Ende müssen wir uns auch danach richten, was die aktuelle gesundheitliche Lage erlaubt und welche Entscheidungen seitens Politik getroffen werden.

Das Interview führte Ines Chucholowius,
Geschäftsführerin der Textination GmbH

(c) Schweizerische Textilfachschule STF
23.02.2021

Sustainability Management in Textiles - Interview mit Sonja Amport, Direktorin der STF

Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, Homeoffice: Das Coronavirus hat unseren Alltag auf den Kopf gestellt und das öffentliche Leben nahezu auf Null reduziert. Durch die Auswirkungen der Pandemie hat sich der bestehende Handlungsdruck zur Erreichung der Sustainable Development Goals noch weiter erhöht. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Themenkomplexe Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Digitalisierung im Bewusstsein von Industrie und Konsumenten an Boden gewinnen. Neue Managementqualitäten sind gefordert.

Textination sprach mit Sonja Amport, der Direktorin der Schweizerischen Textilfachschule über den neuen Ausbildungsgang Sustainability Management in Textiles. Nach Stationen in der Industrie und im Verbandswesen bringt die Betriebsökonomin mit Master im International Management ihr Wissen aus Textil, Bildung, Betriebswirtschaft sowie Marketing und Sales mit Elan und Herzblut seit 2015 bei der STF ein.

Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, Homeoffice: Das Coronavirus hat unseren Alltag auf den Kopf gestellt und das öffentliche Leben nahezu auf Null reduziert. Durch die Auswirkungen der Pandemie hat sich der bestehende Handlungsdruck zur Erreichung der Sustainable Development Goals noch weiter erhöht. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Themenkomplexe Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Digitalisierung im Bewusstsein von Industrie und Konsumenten an Boden gewinnen. Neue Managementqualitäten sind gefordert.

Textination sprach mit Sonja Amport, der Direktorin der Schweizerischen Textilfachschule über den neuen Ausbildungsgang Sustainability Management in Textiles. Nach Stationen in der Industrie und im Verbandswesen bringt die Betriebsökonomin mit Master im International Management ihr Wissen aus Textil, Bildung, Betriebswirtschaft sowie Marketing und Sales mit Elan und Herzblut seit 2015 bei der STF ein.

Die Geschichte der STF Schweizerische Textilfachschule hat 1881 begonnen. In diesem Jahr wurden Pablo Picasso geboren und Billy the Kid erschossen. Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach erlebten ihre Uraufführung und Thomas Alva Edison baute das erste Elektrizitätswerk der Welt. Am Stuttgarter Marktplatz öffnete das Warenhaus Breuninger und in Wismar das erste Geschäft von Rudolph Karstadt.
Was führte in dieser Zeit parallel zur Gründung der STF und welchen Werten fühlen Sie sich bis heute verpflichtet?

1881 blühte die Textilindustrie in der Schweiz. Unternehmen im Bereich Spinnerei, Weberei, Veredlung und weitere keimten auf. Jedoch fehlten ausgebildete Fachkräfte, welche die Maschinen hätten bedienen oder reparieren können. So kam es, dass die Unternehmen sich zusammentaten und die Schweizerische Textilfachschule gründeten. Ein Ort zur Aus- und Weiterbildung von Fachkräften für die Schweizer Textil- und Bekleidungsindustrie. Aus diesem Grund ist die STF auch heute noch genossenschaftlich organisiert. Entsprechend fühlen wir uns den Werten Kompetenz, Kundenorientierung, Innovation, Inspiration und Passion bis heute verpflichtet.

Wenn Sie jemandem, der die Schweizerische Textilfachschule nicht kennt, Ihre Bildungseinrichtung in 100 Worten vorstellen müssten: Wie definiert sich die Schule heute und auf welche Betätigungsfelder konzentriert sie sich?
Die STF Schweizerische Textilfachschule steht für eine nachhaltige Bildungskompetenz rund um den gesamten Lebenszyklus eines Textil-, Fashion oder Lifestyleproduktes. Mit dem «STF-LAB» positioniert sich die STF als Bildungsdienstleisterin mit drei Businessfeldern. Das Kernfeld ist die «Education», wo die STF zahlreiche Aus- und Weiterbildungen, von der Grundbildung über Bachelordiplome bis hin zum Master-Abschluss anbietet. Im «Incubator & Makerspace» (STF Studio) liegt der Hauptfokus auf der geteilten Infrastruktur, gegenseitiger Inspiration und damit dem gemeinsamen Vorwärtskommen. Im dritten Businessfeld dem «ThinkTank & Consulting» steht die Schule als Denkfabrik zur Verfügung, Fachexperten können «gemietet» werden und es wird Management auf Zeit angeboten.

Stichwort lebenslanges Lernen: Welche Weiterbildungsangebote hält die STF für die Textil- und Bekleidungsindustrie auch nach einem erfolgreichen Studienabschluss bereit?
Welche Branchenbereiche und welche Länder haben Sie im Fokus?

Einerseits bieten wir der Textil- und Bekleidungsindustrie und dem Handel vielseitige informelle Modulkurse, in welchen man sich innerhalb von 45 Lektionen einen guten Überblick zu einem speziellen Fachthema bilden kann. Beispiele dafür sind: Welding & Bonding, Smart & Functional Textiles, Start-up in Fashion oder das Steiger Stitch Modul, bei welchem man lernt, eigene Strickdesigns zu programmieren und diese anschließend an der STF an einer „Shared Machine“ ausstricken kann. Auch bieten wir jeweils zweiwöchige Intensiv-Sommerkurse an, wie beispielsweise in Sustainable Fashion Design. In der formalen Bildung kann ich unseren Master in Product Management Fashion & Textile in Deutsch oder unsere beiden CAS in Sustainability Management in Textiles empfehlen. Einmal mit Präsenzunterricht in deutscher Sprache und einmal per E-Learning in englischer Sprache. Derzeit fokussieren wir unsere Angebote auf die DACH-Region. Unsere Internationalisierungsstrategie wurde wegen Covid-19 jäh gestoppt. Dabei hatten wir mit englischen Masterangeboten insbesondere die Märkte Indien und China im Fokus. Wir stellen uns nun mit englischsprachigen Angeboten strategisch neu auf und starten ab 2022 wieder mit der Vermarktung. Das Ziel sind flexible, modulare Masterangebote mit einem hohen E-Learning-Anteil, so dass die Kosten moderat bleiben und das Reisen reduziert stattfinden kann.

Nachhaltigkeit – oder Sustainability – hat sich von einem Buzzword zu einer Selbstverständlichkeit gewandelt: Die jüngste OTTO Trendstudie sagt sogar, nachhaltiger Konsum ist im Mainstream der Gesellschaft angekommen. Was bedeutet das für die Textil- und Bekleidungsindustrie? Sind die Unternehmen personalseitig so aufgestellt, dass sie diesen Themenkomplex professionell in ihrem Leistungsportfolio verankert haben?
Die Schweizer Unternehmen haben erkannt, dass sie gegenüber den Mitbewerbern im Ausland nur eine Chance haben, wenn sie innovationsfähig sind, konsequent in einer Nische agieren und sich durch eine nachhaltige Produktion abheben können. Die Nachhaltigkeit ist somit ein absolut zentraler USP. In diesem Sinne beschäftigen sich viele Firmen damit und entsenden ihre Mitarbeitenden natürlich auch zu uns in die Weiterbildung.

Die STF bietet - im deutschsprachigen Raum bisher einzigartig - eine international anerkannte Weiterbildung im Bereich des textilen Sustainability Managements als Certificate of Advanced Studies CAS an.
Welche Teilbereiche von Design, Produktion, Prozessoptimierung bis zur Vermarktung bildet das Zertifikat ab?

Die STF bietet das international anerkannt Fachhoch-schulzertifikat in Zusammenarbeit mit SUPSI, der Scuola Universitaria Professionale della Svizzera Italiana im Tessin, an.

Im Studiengang betrachten wir aus ganzheitlicher Sicht und rund um die gesamte Wertschöpfungskette eines Textils, d.h. vom Design über die Produktion bis hin zur Vermarktung, die globalen Herausforderungen, wo Nachhaltigkeit als multilaterales Lösungskonzept fungiert. Zudem werden das normative und strategische Management der Nachhaltigkeit, Themen rund um die soziale Verantwortung sowie Initiativen und Standards für den Textilbereich beleuchtet. Ein wichtiger Bestandteil des CAS bilden Rohstoffe und Produkte, d.h. nebst nachhaltigen Fasern auch Stoffe oder der Einsatz von chemischen Mitteln. Nicht zuletzt werden auch Aspekte rund um Biodiversität, Animal Welfare, das Marketing, Labeling sowie mögliche Zukunftsszenarien und Best Practice Beispiele beleuchtet.

Für wen könnte das CAS Sustainability Management in Textiles spannend sein und warum? Welchen Push kann das Zertifikat im Berufsleben bewirken?
Das CAS ist einerseits für Führungspersonen interessant, die sich generell Gedanken über die strategische Ausrichtung eines Unternehmens machen, wie auch für Fach-Mitarbeitende in Design, Produktentwicklung, Einkauf, Verkauf oder im Qualitätsmanagement, wenn diese die Operationalisierung der Nachhaltigkeitsstrategie verantworten. Und selbstverständlich begrüßen wir jederzeit gerne junge Designer/innen mit eigenen Labels, die neue, nachhaltige Wege gehen und sich von anderen dadurch abheben möchten. Der Push im Berufsleben hängt stark mit der eigenen Persönlichkeit zusammen. Bisher haben jedoch alle Absolvierenden den Besuch der Weiterbildung als äußerst fruchtbar für den eigenen Karriereweg empfunden.

Wie steht es um die formalen Aspekte des CAS? Gibt es beispielsweise Auswahlkriterien, bis wann muss man sich anmelden, wie sieht der Stundenplan aus, auf welche Kosten müssen sich Interessenten einstellen?
Wir starten jeweils Ende August mit den Bildungsgängen. Eine frühzeitige Anmeldung, möglichst bis Mitte Mai, ist zu empfehlen, um sich einen Platz zu sichern. Im Präsenzlehrgang finden 120 Lektionen in Zürich und im Tessin statt, und es ist mit Kosten von CHF 5‘900.-, inkl. Lehrmittel und Prüfungsgebühren, zu rechnen. Im E-Learning-Kurs, mit einigen wenigen Präsenztagen vor Ort, werden die Inhalte synchron per MS-Teams durch i.d.R. dieselben Dozenten vermittelt. Hier beträgt der Studienpreis CHF 5‘600.-.

In diesen Kosten sind die persönlichen Auslagen sowie die Reise- und Übernachtungskosten noch nicht inkludiert. Interessierte entnehmen die Facts & Figures unserer Homepage:
(www.stf.ch/kurse/cas oder www.stf.ch/kurse/cas-online)

Die COVID19-Pandemie hat uns die Grenzen der Mobilität deutlich aufgezeigt. Wie haben Sie als Bildungseinrichtung darauf reagiert?
Die physischen Grenzen kann man mit E-Learning leicht überwinden. Unter anderem ein Grund, weshalb unser Unterricht während der gesamten Pandemie-Zeit ganz normal weiterlief. Für die Zeit nach Covid-19 planen wir, nebst Präsenz-Studienmodulen, auch weitere reine Online-Seminare, wie unseren CAS-Online. Diese werden vermehrt auch in englischer Sprache angeboten werden. Derzeit testen wir zudem mögliche Formen des hybriden Unterrichts. Dies bedeutet, während die einen vor Ort in Zürich beschult werden, können Personen mit langem Anfahrtsweg, wie z.B. aus der DACH-Region, dem Unterricht virtuell und live aus der Ferne beiwohnen.

Das letzte Jahr hat in der Textil- und Bekleidungsbranche deutliche Spuren hinterlassen. Wenn Sie auf ein Jahr „Ausnahmezustand“ zurückblicken – was nehmen Sie an positiven Erfahrungen mit, wo sehen Sie Nachbesserungsbedarf?
Es war definitiv ein Jahr des Ausnahmezustands! Positiv zu werten ist, dass wir an der STF bereit waren und ab Tag eins des Lockdowns online unterrichten konnten. Die Lernenden, Studierenden und mein Team zeig-ten alle größtes Verständnis und höchste Flexibilität. Doch als Institut im Textil-, Fashion- und Lifestyle-Bereich lebt der Unterricht auch von Anschauungsmaterialien. Die Garne und Stoffe fühlen und riechen zu können sowie über die Erfahrungen und das Erlebte persönlich zu diskutieren, sind wichtige Lernerfahrungen. Es ist definitiv eine Herausforderung, solche zentralen Lernelemente online umzusetzen. Alles in allem hat uns Covid-19 als Institution, rund um das Thema Digitalisierung, um gefühlte zwei Jahre nach vorne katapultiert. Dankbar wäre ich nun allerdings, wenn wir baldmöglichst zu einer Normalität zurückfinden könnten und zu einem Alltag mit „weniger Distanz“.

Neue Wege zu gehen, bedeutet Entscheidungsfreudigkeit, Überwindung von Ängsten - und damit auch Mut zum Scheitern. Nicht jedes Projekt kann gelingen. Über welche Entscheidung, die Sie für das Profil der STF getroffen haben, sind Sie im Nachhinein besonders froh?
Ich bin stolz sagen zu dürfen, dass die meisten in Angriff genommenen Projekte gelingen. Es gibt fast immer einen Weg. Manchmal muss man während dem Voranschreiten einfach etwas die Richtung anpassen, um ans Ziel zu gelangen. Eine wegweisende Neuerung war sicherlich die Modularisierung (fast) aller Studiengänge. Studierende haben so die Möglichkeit, von einer vielseitigen Wahlmöglichkeit zu profitieren und sich ihr eigenes Curriculum zusammenzustellen.

Eine zweite Entscheidung, über die ich dankbar bin, war, dass wir als kleines Institut bereits sehr früh sehr viel in den Ausbau unserer digitalen Fähigkeiten und in die Infrastruktur investiert haben. Das kommt uns nun zu Gute. Mit sehr gut ausgebildeten Dozierenden und einer Lernplattform, einer VM-Plattform und mo-dernster 3D-Software in verschiedenen Themenbereichen, zählen wir uns europaweit zu einem Vorreiter in Sachen E-Learning und Digitalisierung. Fähigkeiten, die zudem auch auf das Thema Nachhaltigkeit einzahlen.

Das Interview führte Ines Chucholowius, Geschäftsführerin der Textination GmbH

 

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16.02.2021

Kohlenstoff mit mehreren Leben: Innovationen beim Recycling von Carbonfasern an den Markt bringen

Geht es um die Zukunft der motorisierten Mobilität, reden alle vom Antrieb: Wie viel E-Auto, wie viel Verbrenner verträgt die Umwelt und braucht der Mensch? Zugleich stellen neue Antriebe erhöhte Anforderungen nicht nur an den Motor, sondern auch an dessen Gehäuse und die Karosse: Für solch anspruchsvolle Anwendungen kommen häufig Carbonfasern zum Einsatz. Wie der Antrieb der Zukunft, sollten auch die Werkstoffe am Fahrzeug umweltfreundlich sein. Deshalb ist Recycling von Carbonfasern gefragt. Lösungen dafür haben Institute der Zuse-Gemeinschaft entwickelt.

Geht es um die Zukunft der motorisierten Mobilität, reden alle vom Antrieb: Wie viel E-Auto, wie viel Verbrenner verträgt die Umwelt und braucht der Mensch? Zugleich stellen neue Antriebe erhöhte Anforderungen nicht nur an den Motor, sondern auch an dessen Gehäuse und die Karosse: Für solch anspruchsvolle Anwendungen kommen häufig Carbonfasern zum Einsatz. Wie der Antrieb der Zukunft, sollten auch die Werkstoffe am Fahrzeug umweltfreundlich sein. Deshalb ist Recycling von Carbonfasern gefragt. Lösungen dafür haben Institute der Zuse-Gemeinschaft entwickelt.

Carbonfasern, auch als Kohlenstofffasern oder verkürzt als Kohlefasern bekannt, bestehen fast vollständig aus reinem Kohlenstoff. Sehr energieaufwändig wird er  bei 1.300 Grad Celsius aus dem Kunststoff Polyacrylnitril gewonnen. Die Vorteile der Carbonfasern: Sie haben kaum Eigengewicht, sind enorm bruchfest und stabil. Solche Eigenschaften benötigt man z.B. am Batteriekasten von E-Mobilen oder in Strukturbauteilen der Karosserie. So arbeitet das Sächsische Textilforschungsinstitut e.V. (STFI) aktuell gemeinsam mit Industriepartnern daran, statisch-mechanische Stärken der Carbonfasern mit Eigenschaften zur Schwingungsdämpfung zu verknüpfen, um die Gehäuse von E-Motoren im Auto zu verbessern. Angedacht ist in dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt die Entwicklung sogenannter Hybridvliesstoffe, die neben der Carbonfaser als Verstärkung weitere Faserstoffe enthalten. „Wir wollen, die Vorteile unterschiedlicher Faserstoffe verbinden und so ein optimal auf die Anforderungen abgestimmtes Produkt entwickeln“, erläutert Marcel Hofmann, STFI-Abteilungsleiter Textiler Leichtbau.

Damit würden die Chemnitzer Forschenden bisherige Vliesstoff-Lösungen ergänzen. Sie blicken auf eine 15-jährige Geschichte in der Arbeit mit recycelten Carbonfasern zurück. Der globale Jahresbedarf der hochwertigen Fasern hat sich im vergangenen Jahrzehnt fast vervierfacht, laut Angaben der Industrievereinigung AVK auf zuletzt rd. 142.000 t. „Die steigende Nachfrage hat das Recycling immer stärker in den Fokus gerückt“, betont Hofmann. Carbonfaserabfälle sind ihm zufolge für etwa ein Zehntel bis ein Fünftel des Preises von Primärfasern erhältlich, müssen aber  noch aufbereitet werden. Dreh- und Angelpunkt für den Forschungserfolg der recycelten Fasern sind konkurrenzfähige Anwendungen. Die hat das STFI nicht nur am Auto, sondern auch im Sport-Freizeitsektor sowie in der Medizintechnik gefunden, so in Komponenten für Computertomographen. "Während Metalle oder Glasfasern als potenzielle Konkurrenzprodukte Schatten werfen, stört Carbon die Bilddarstellung nicht und kann seine Vorteile voll ausspielen“, erläutert Hofmann.

Papier-Knowhow nutzen
Können recycelte Carbonfasern nochmals den Produktkreislauf durchlaufen, verbessert das ihre CO2-Bilanz deutlich. Zugleich gilt: Je kürzer die Carbonfasern, desto unattraktiver sind sie für die weitere Verwertung. Vor diesem Hintergrund entwickelten das Forschungsinstitut Cetex und die Papiertechnische Stiftung (PTS), beide Mitglieder der Zuse-Gemeinschaft, im Rahmen eines Forschungsvorhabens ein neues Verfahren, das bislang wenig geeignet erscheinende Recycling-Carbonfasern ein zweites Produktleben gibt. „Während klassische Textilverfahren die ohnehin sehr spröden Recycling-Carbonfasern in Faserlängen von mind. 80 mm trocken verarbeiten, beschäftigten wir uns mit einem Verfahren aus der Papierindustrie, welches die Materialien nass verarbeitet. Am Ende des Prozesses erhielten wir, stark vereinfacht gesprochen, eine flächige Matte aus recycelten Carbonfasern und Kunststofffasern“, erläutert Cetex-Projektingenieur Johannes Tietze das Verfahren, mit dem auch 40 mm kurze Carbonfasern zu attraktiven Zwischenprodukten recycelt werden können. Das danach in einem Heißpressprozess entstandene Erzeugnis dient als Grundmaterial für hochbelastbare Strukturbauteile. Zusätzlich wurden die mechanischen Eigenschaften der Halbzeuge durch die Kombination mit endlosfaserverstärkten Tapes verbessert. Das Recyclingprodukt soll, so die Erwartung der Forschenden, glasfaserverstärkten Kunststoffen, Konkurrenz machen, z.B. bei Anwendungen im Schienen- und Fahrzeugbau. Die Ergebnisse fließen nun in weiterführende Forschung und Entwicklung im Kooperationsnetzwerk Ressourcetex ein, einem geförderten Verbund von 18 Partnern aus Industrie und Wissenschaft.

Erfolgreiche Umsetzung in der Autoindustrie
Industriereife Lösungen für die Verwertung von Carbonfaser-Produktionsab-fällen werden im Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung Rudolstadt (TITK) entwickelt. Mehrere dieser Entwicklungen wurden mit Partnern beim Unternehmen SGL Composites in Wackersdorf industriell umgesetzt. Die Aufbereitung der so genannten trockenen Abfälle, hauptsächlich aus Verschnittresten, erfolgt nach einem eigenen Verfahren. „Dabei  führen wir die geöffneten Fasern verschiedenen Prozessen zur Vliesherstellung zu“, sagt die zuständige Abteilungsleiterin im TITK, Dr. Renate Lützkendorf1).  Neben den Entwicklungen für den Einsatz  z.B. im BMW i3 in Dach oder Hintersitzschale  wurden im TITK spezielle Vliesstoffe und Verfahren für die Herstellung von Sheet Molding Compounds (SMC) etabliert, das sind duroplastische Werkstoffe, die aus Reaktionsharzen und Verstärkungsfasern bestehen und zum Pressen von Faser-Kunststoff-Verbunden verwendet werden. Eingang fand dies z.B. in einem Bauteil für die C-Säule des 7er BMW. „In seinen Projekten setzt das TITK vor allem auf die Entwicklung leistungsfähigerer Prozesse und kombinierter Verfahren, um den Carbonfaser-Recyclingmaterialien auch von den Kosten her bessere Chancen in Leichtbauanwendungen einzuräumen“, betont Lützkendorf.  So liege der Fokus gegenwärtig auf dem Einsatz von CF-Recyclingfasern in thermoplastischen Prozessen zur Platten- und Profilextrusion. „Ziel ist es, die Kombination von Kurz- und Endlosfaserverstärkung in einem einzigen, leistungsfähigen Prozessschritt  zu realisieren.“

1) Seit 01.02.2021 hat Dr.-Ing. Thomas Reußmann die Nachfolge von Frau Dr.-Ing. Renate Lützkendorf angetreten, die am 31.01. in den Ruhestand verabschiedet wurde.

Quelle:

Zuse-Gemeinschaft

(c) PERFORMANCE DAYS functional fabric fair
29.12.2020

PERFORMANCE DAYS: Positives Feedback für Online-Messe und sustain&innovate Konferenz

Corona-bedingt konnte die PERFORMANCE DAYS Messe am 9.+10. Dezember und die in die Messe integrierte Nachhaltigkeitskonferenz sustain&innovate am 10. Dezember nur digital stattfinden.
Dennoch: Aussteller, Besucher und Partner blicken auf ein erfolgreiches Event zurück. Auch das Focus Topic „Nothing to Waste – Closing the Loop“ zum Thema textile Kreislaufwirtschaft während der sustain&innovate Konferenz sorgte für Diskussionsstoff und viel positive Resonanz.  

Corona-bedingt konnte die PERFORMANCE DAYS Messe am 9.+10. Dezember und die in die Messe integrierte Nachhaltigkeitskonferenz sustain&innovate am 10. Dezember nur digital stattfinden.
Dennoch: Aussteller, Besucher und Partner blicken auf ein erfolgreiches Event zurück. Auch das Focus Topic „Nothing to Waste – Closing the Loop“ zum Thema textile Kreislaufwirtschaft während der sustain&innovate Konferenz sorgte für Diskussionsstoff und viel positive Resonanz.  

Das Team der PERFORMANCE DAYS zeigt sich zufrieden. Denn trotz eines rein digitalen Events am 9. und 10. Dezember 2020 hatten rund 15.000 Teilnehmer das umfangreiche Online-Angebot der 191 digitalen Aussteller, darunter drirelease/OPTIMER, Merryson, Stotz, HeiQ, Schoeller Textil, Long Advance, Dry-Tex, Utenos, Fidlock, Cifra, dekoGraphics und Jia Meir, in der Messewoche intensiv genutzt. Die beliebte „Contact Supplier“ Funktion wurde durch ein neues Onlinetool ergänzt, mit dem Aussteller direkt per Chat, Anruf oder Video kontaktiert werden konnten. Insgesamt gingen 3.250 Stoff-Sample-Bestellungen bei den Ausstellern ein. Zur Auswahl standen neben den Stoffinnovationen für Herbst/Winter 2022/2023, das hochwertige PERFORMANCE FORUM sowie ein umfangreiches digitales Rahmenprogramm per Live-stream mit informativen Webinaren, Vorträgen und Diskussionsrunden. Die Videos werden zum Abruf auf der Website der PERFORMANCE DAYS kostenfrei zur Verfügung stehen.  
 
Endlich Standard: PERFORMANCE FORUM mit nachhaltigen Materialien
Innovativ, nachhaltig und top-aktuell: Die 240 Stoffe plus Accessoire-Trends im diesjährigen PERFORMANCE FORUM überzeugten durchwegs mit spannenden umweltbewussten Lösungen. Naturfasern wie Hanf, Biobaumwolle, Bambus, Wolle oder Coconutshell bleiben gefragt, zudem verzichten Hersteller vermehrt auf umweltschädliche Chemikalien, vermeiden Mikroplastik, befürworten natürliches Färben und versuchen Stoffe entweder wieder in den Kreislauf zurückzuführen, Plastik und anderen Abfall zu recyceln oder Fasern so herzustellen, dass sie biologisch abbaubar sind. Dieses Umweltbewusstsein spiegelt sich auch im diesjährigen FOCUS TOPIC wider – so punkten hier die 24 besten Stoffe nicht nur in Sachen Nachhaltigkeit, sondern zeigen auch, dass sie funktionell sind und sogar getreu dem Motto „Nothing to Waste – Closing the Loop“ in den textilen Kreislauf zurückgeführt werden können.  

Im Marketplace haben Besucher die Möglichkeit über 9.500 Produkte der Aussteller zu sichten, darunter auch die Stoff-Highlights der einzelnen Kategorien des PERFORMANCE FORUMS. Um dem Besucher die Stoffe in Haptik, Design und Struktur so realitätsgetreu wie möglich digital präsentieren zu können, wurde das Forum mit neuartiger 3D-Technik ausgestattet, darunter innovative Tools wie 3D Bilder, Videoanimationen und U3M Dateien zum Download.   

Von der Faser zur Faser: erfolgreiche sustain&innovate Konferenz sorgt für Diskussionsstoff  
Textile Kreislaufwirtschaft gilt als Teil der Lösung für das globale Müllproblem, bremst den Ressourcenverbrauch und reduziert klimaschädliche Treibhausgase. Doch was genau ist Kreislaufwirtschaft und wie kann sie gelingen? Vor allem, wie weit sind Faserhersteller in der Entwicklung von mono-component Stoffen, die am Ende wieder in den textilen Kreislauf zurückgeführt werden können?     
Das Focus Topic der diesjährigen Nachhaltigkeitskonferenz, die in Kooperation mit der SPORTSFASHION by SAZ an den Start ging, bot Raum für Diskussion und versuchte mit spannenden Vorträgen, Diskussionsrunden und Webinaren aufzuklären. Schon zu Beginn der Expertentalks am zweiten Messetag brachte es Christiane Dolva, Head of Sustainability bei Fjällräven, auf den Punkt. Sie zeigte, wie wichtig emotionale Beständigkeit für die Marke selbst und am Ende auch für den Konsumenten ist – vor allem beim Thema textile Kreislaufwirtschaft. Langlebigkeit, gute Qualität, in Kombination mit zeitlosem Design seien heute und in Zukunft wichtiger denn je, wenn es um nachhaltiges Handeln geht. Dazu kommt die Möglichkeit, Produkte durch einen Reparaturservice wieder in Schwung zu bringen. Ebenso spannend: die Entwicklung neuer Technologien in puncto Recycling. Erik Bang von er H&M Foundation gab einen ersten Einblick in die neue Greenmachine, die es bereits 2021 möglich machen soll, Mischgewebe wie Baumwolle und Polyester voneinander zu trennen. Oder man schafft es alte Kleidung in neue Fasern umzuwandeln, dank Unternehmen wie WornAgain, Re:newcell, Spinnova oder Infinited Fiber schon bald nicht nur reine Vision. Wer Einblick in die Lieferkette seines gekauften Kleidungsstücks erhalten möchte, das Start-up Know your stuff lässt Kunden über den einfachen Scan eines QR Codes am Kleidungsstück im Laden oder online die Reise des jeweiligen Kleidungsstücks nachvollziehen.
 
Kostenfreier und umfassender Rückblick
Die nächste Ausgabe der PERFORMANCE DAYS ist als hybride Messe geplant und wird am 19. und 20. Mai 2021 in München sowie Online stattfinden. Bis dahin steht die PERFORMANCE DAYS Plattform zur Verfügung u.a. mit dem Marketplace und inspirierenden Themen der (Video) Material Stories, um Online Sourcen noch einfacher zu gestalten. Auch die Vorträge des ersten Messetages sowie der Konferenz können kostenlos auf der Messe-Website verfolgt werden.

Die wichtigsten Links:
Highlights der Experten-Talks & Webinare
https://www.performancedays.com/digital-fair/expert-talk-webinar.html

Marketplace:
https://www.performancedays.com/marketplace.html

3D-Forum:
https://www.performancedays.com/digital-fair/forum-highlights/3d-forum.html

PERFORMANCE COLORS by Nora Kühner
https://www.performancedays.com/digital-fair/color-trends.html

Weitere Informationen:
Performance Days
Quelle:

PERFORMANCE DAYS functional fabric fair

(c) Pixabay
15.12.2020

Schutz vor Corona: Fortschritte in der Materialforschung an Instituten der Zuse-Gemeinschaft

Mit dem Jahresende wachsen die Erwartungen an einen baldigen Impfschutz gegen COVID-19. Bis es für weite Teile der Bevölkerung so weit ist, bieten 2020 in Forschung und Industrie erzielte Erfolge zum Schutz vor dem Virus eine gute Ausgangsbasis im Kampf gegen Corona und darüber hinaus. An Instituten der Zuse-Gemeinschaft wurden Fortschritte nicht nur in der Medizin-, sondern auch in der Materialforschung erzielt.

Mit dem Jahresende wachsen die Erwartungen an einen baldigen Impfschutz gegen COVID-19. Bis es für weite Teile der Bevölkerung so weit ist, bieten 2020 in Forschung und Industrie erzielte Erfolge zum Schutz vor dem Virus eine gute Ausgangsbasis im Kampf gegen Corona und darüber hinaus. An Instituten der Zuse-Gemeinschaft wurden Fortschritte nicht nur in der Medizin-, sondern auch in der Materialforschung erzielt.

Zu diesen Erfolgen in der der Materialforschung gehören Neuerungen in der Beschichtung von Oberflächen. „Im Zuge der Pandemie ist die Nachfrage nach antiviral und antimikrobiell ausgestatteten Oberflächen stark gestiegen, und wir haben unsere Forschung in diesem Bereich erfolgreich intensiviert“, erklärt Dr. Sebastian Spange, Bereichsleiter Oberflächentechnik beim Jenaer Forschungsinstitut INNOVENT. Er rechnet künftig zunehmend mit Produkten, die über antiviral ausgestattete Oberflächen verfügen „Unsere Tests mit Modellorganismen zeigen, dass eine entsprechende Beschichtung von Oberflächen wirkt“, betont Spange. Zum Spektrum der von INNOVENT genutzten Techniken gehören Beflammung, Plasmabeschichtung und das sogenannte Sol-Gel-Verfahren, bei dem organische und anorganische Stoffe bei relativ niedrigen Temperaturen in einer Schicht verbunden werden können. Als Material für die Beschichtungen kommen laut Spange antibakteriell wirkende Metallverbindungen ebenso infrage wie Naturstoffe mit antiviralem Potenzial.

Vliesstoffe für Maskenhersteller produziert
Die textile Expertise zahlreicher Institute der Zuse-Gemeinschaft hat 2020 dafür gesorgt, dass anwendungsnahe Forschung sich in der Praxis der Pandemiebekämpfung bewähren konnte. Nach der in Deutschland zu Beginn der Pandemie aufgetretenen Knappheit bei der Versorgung mit Masken reagierten Textilforschungseinrichtungen, um in die Bresche zu springen. So stellte das Sächsische Textilforschungsinstitut (STFI) seine Forschungsanlagen auf die Produktion von Vliesstoff zur Belieferung deutscher und europäischer Hersteller von partikelfilternden Schutzmasken um. „Von März bis November 2020 haben wir Vliesstoff an verschiedene Hersteller geliefert, um die Maskenproduktion bestmöglich zu unterstützen und somit zur Eindämmung der Pandemie beizutragen. In einer für Industrie und Bevölkerung kritischen Zeit konnten wir zur Entlastung kritischer Produktionskapazität beitragen - für ein Forschungsinstitut eine ungewohnte Rolle, die wir aber in ähnlichen Situationen erneut annehmen würden“, erklärt Andreas Berthel, Geschäfts-führender Kaufmännischer Direktor des STFI.

Entwicklung wiederverwendbarer medizinischer Gesichtsmasken
Zur Verbesserung von Alltags- wie auch medizinischen Gesichtsmasken arbeiten die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF). In Kooperation mit einem Industriepartner entwickelt man in Denkendorf aktuell u.a. wiederverwendbare, medizinische Gesichtsmasken aus leistungsfähigem Präzisionsgewebe in Jacquard-Webtechnik. Die Mehrfachnutzung vermeidet Abfall und etwaige Lieferengpässe.
Für alle Arten von Masken gibt es Regularien, nun auch für Alltagsmasken. Bei Hohenstein wird die Einhaltung von Standards für Masken überprüft. Ein neuer europäischer Leitfaden legt Mindestanforderungen für Konstruktion, Leistungsbeurteilung, Kennzeichnung und Verpackung von Alltagsmasken fest. „Als Prüflabor für Medizinprodukte testen wir die Funktionalität medizinischer Gesichtsmasken unter mikrobiologisch-hygienischen und physikalischen Gesichtspunkten“, erläutert Hohenstein-Geschäftsführer Prof. Dr. Stefan Mecheels. Hohenstein unterstützt damit Hersteller u.a. bei der technischen Dokumentation zum Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit.
Atemschutzmasken (FFP 1, FFP 2 und FFP 3) werden seit Mitte dieses Jahres am Kunststoff-Zentrum (SKZ) in Würzburg geprüft. Getestet werden u.a. Einatem- und Ausatemwiderstand und der Durchlass von Partikeln. Zudem ist das SKZ selbst in die Maskenforschung eingestiegen. In Zusammenarbeit mit einem Medizintechnikspezialisten entwickelt das SKZ eine innovative Maske, die aus einem reinig- und sterilisierbaren Maskenträger und austauschbaren Filterelementen besteht.

ILK-Tests: Bei „Nase raus“ gelangen 90 Prozent der Partikel in die Umgebung
Der Kampf gegen Corona wird durch die Beiträge der Menschen gewonnen: Von Forschenden in Laboren, von Entwicklern und Herstellern in der Industrie sowie von den Bürgerinnen und Bürgern auf der Straße. Das Institut für Luft- und Kältetechnik (ILK) in Dresden hat vor diesem Hintergrund Untersuchungen zur Durchlässigkeit des Mund-Nasenschutzes (MNS) durchgeführt, und zwar zu   möglichen Beeinträchtigungen beim Atmen durch die Maske ebenso wie zur Schutzfunktion von Alltagsmasken.
Ergebnis: Obwohl die eingesetzten Materialien des Mund-Nasenschutzes rund 95 Prozent der ausgeatmeten Tröpfchen zurückhalten können ist „unter praktischen Gesichtspunkten und Berücksichtigung von Leckagen“ davon auszugehen, dass etwa 50 Prozent bis 70 Prozent der Tröpfchen in den Raum gelangen, so das ILK. Werde die Maske nur unterhalb der Nase getragen, so sei aufgrund des großen Anteils der Nasenatmung sogar davon auszugehen, dass ca. 90 Prozent der abgeatmeten Partikel in den Raum gelangen. Das verdeutlicht die Bedeutung des eng anliegenden und richtig getragenen Mund- und Nasenschutzes. „Hingegen sprechen aus physikalischer Sicht keine Gründe gegen das Tragen einer Maske“, betont ILK-Geschäftsführer Prof. Dr. Uwe Franzke. Die Forschenden untersuchten den CO2-Gehalt in der Atemluft ebenso wie den höheren Aufwand für die Atmung und legten dafür das Überwinden des Druckverlustes als Kriterium zugrunde. „Die Untersuchungen zum Druckverlust zeigten einen geringen, praktisch aber nicht relevanten Anstieg“, erläutert Franzke.

Der komplette ILK-Bericht „Untersuchungen zur Wirkung des Mund- und Nasenschutzes (MNS)“ ist hier abrufbar.

 

Fraunhofer IZM: Jessica Smarsch (c) Jessica Smarsch
01.12.2020

Fraunhofer IZM: High-Tech Fashion – Kunst und Wissenschaft für die Kleidung von morgen

Das Wort „Mode“ weckt in den meisten Gedanken an Schnitte, Farben und Muster – warum aber eigentlich nicht an Live-Auswertungen von Vitalfunktionen oder Trainingseinheiten für Rehabilitationspatient*innen? Bislang sind Produkte der Modebranche weitestgehend analog. Um jedoch Kleidung in der Ära des Digitalen smart zu gestalten, wurde das Projekt Re-FREAM ins Leben gerufen. Forschende und Künstler*innen arbeiten hier Seite an Seite, entwickeln innovative und nachhaltige Ideen sowie Umsetzungsvarianten für den Mode-Bereich und setzen Impulse für Nutzer*innen-orientierte Synergien aus Textil und Technik.

Das Wort „Mode“ weckt in den meisten Gedanken an Schnitte, Farben und Muster – warum aber eigentlich nicht an Live-Auswertungen von Vitalfunktionen oder Trainingseinheiten für Rehabilitationspatient*innen? Bislang sind Produkte der Modebranche weitestgehend analog. Um jedoch Kleidung in der Ära des Digitalen smart zu gestalten, wurde das Projekt Re-FREAM ins Leben gerufen. Forschende und Künstler*innen arbeiten hier Seite an Seite, entwickeln innovative und nachhaltige Ideen sowie Umsetzungsvarianten für den Mode-Bereich und setzen Impulse für Nutzer*innen-orientierte Synergien aus Textil und Technik.

Der Schriftsteller Maxim Gorki brachte die Verbundenheit zweier lange unvereinbar geglaubter Gesellschaftsbereiche auf den Punkt: „Die Wissenschaft ist der Verstand der Welt, die Kunst ihre Seele“. Im Projekt Re-FREAM werden sie verbunden, denn Mode beschränkt sich nicht nur auf die Entscheidung des Äußerlichen, sie ist unmittelbar mit soziologischen, technologischen und ökologischen Weltanschauungen behaftet. Immer weniger reicht es aus, nur das Schöne zu präsentieren, denn auch die Schattenseiten der Fashion-Industrie müssen aufgedeckt und ihnen muss mit nachhaltigen Produktionszyklen und fairen Arbeitsbedingungen entgegengewirkt werden. Genau dieses Umdenken und Neugestalten der Prozesse, Produktionsmethoden, aber auch der Funktionalität und Traditionen in der Modewelt ist Teil des Projekts Re-FREAM.

Ziel ist es, eine Interaktion zwischen Mode, Design, Wissenschaft und Urban Manufacturing entstehen zu lassen, um kreative Visionen mit nachhaltigen technologischen Lösungen zu verbinden. In Teams entwickelten Künstler*innen und Wissenschaftler*innen gemeinsam Projekte und präsentierten ihre innovative Ästhetik anschließend auf dem virtuellen Ars Electronica Festival 2020.

Durch den Einbezug der Wissenschaftler*innen vom Fraunhofer IZM stehen den Kunstschaffenden gänzlich neue technologische Möglichkeiten offen: Die Mikroelektronik wird nicht nur zum modischen Accessoire, sondern verleiht Kleidungstücken auch neue Funktionen. Mit Hilfe von Integrationstechnologien kann Kleidung vernetzt und textilintegrierte Sensorik verwendet werden, was Perspektiven von tragbaren Anwendungen im Bereich E-Health eröffnet.

Eine Schwierigkeit, die die Fraunhofer-Forschenden dabei lösen müssen, sind die elektronischen Kontaktstellen zwischen Elektronik und Textilien, denn diese müssen im industriellen Maßstab fertigbar und bei textiltypischer mechanischer Belastung sowie Waschreinigung zuverlässig funktionieren, ohne an Leistungsfähigkeit einzubüßen. Eine weitere Herausforderung sind die elektronischen Module. Am Fraunhofer IZM werden die elektronischen Komponenten so stark miniaturisiert, dass sie im Kleidungsstück nicht auffallen. Die verbindenden Leiterbahnen werden schließlich auf die Stoffe laminiert oder gestickt.

So vielseitig die Kooperationspartner*innen in Re-FREAM sind, so ist auch jedes Teilprojekt eine unikale Gemeinschaftsleistung. Die italienische Designerin Giulia Tomasello möchte zum Beispiel in ihrem Vorhaben „Alma“ Tabus rund um die weibliche Gesundheit aufdecken und ein Monitoring der vaginalen Flora realisieren. Das Team aus Designer*innen, einer Anthropologin und Fraunhofer-Forschenden entwickelt Unterwäsche mit integriertem pH-Sensor: Somit sollen eine nicht invasive Diagnose von bakterieller Vaginose sowie fungaler Erkrankungen im Alltag ermöglicht und schwerwiegende Entzündungen verhindert werden.

Im Zwickel der Unterwäsche sammelt der wiederverwendbare Biosensor Daten und leitet diese an ein circa 1 Quadratzentimeter kleines Modul. Dank eines modularen Aufbaus kann der Mikrocontroller problemfrei von den Textilien gelöst werden. Auch der textile Sensor kann aus der Unterwäsche entnommen werden. Neben der technologischen Lösung stehen die ästhetischen Ansprüche im Vordergrund. Weitere Anwendungsmöglichkeiten wären das Monitoring von anormalen Gebärmutterblutungen sowie der Wechseljahre. „Durch die enge Kooperation mit den Künstlerinnen und Künstlern haben wir ganz besondere Einblicke in die Nutzerperspektive erhalten und sie wiederum in die der anwendungsorientierten Technologien. Wir haben uns gegenseitig stets gefordert und nun eine Lösung gefunden, die Medizintechnik, Wearables und eine zirkuläre Produktionsweise vereint, um Frauen zu stärken“, so Max Marwede, der „Alma“ am Fraunhofer IZM technisch begleitet hat.

Auch im Vorhaben „Connextyle“ rund um Designerin und Produktentwicklerin Jessica Smarsch liegt dem Team daran, nutzerorientierte Kleidungsstücke zu entwickeln: Die mit textilen Leiterplatten und laminierten EMG-Sensoren versehenen Oberteile messen Muskelaktivitäten und optimieren damit Rehabilitationsprozesse von Patient*innen. Eine App liefert visuelles Feedback aus den gesammelten Daten, generiert Berichte über den Heilungsprozess und erleichtert es Therapeut*innen, die Maßnahmen ideal anzupassen.

Soft Robotics sind wiederum der springende Punkt im Vorhaben „Lovewear“, denn hier wurde inklusive Unterwäsche entwickelt, die besonders Menschen mit körperlichen Einschränkungen dabei helfen soll, die eigene Intimität zu erforschen und ein stärkeres Bewusstsein für den eigenen Körper zu entwickeln. Durch Interaktionen mit einem angeschlossenen Kissen, das als Interface fungiert, werden Drucklufteinlagen im Spitzenstoff aktiviert. Anstelle der üblicherweise genutzten silikonbasierten Materialien werden die Soft Robotics hier aus Textilien und thermoplastischen Materialien hergestellt. Somit vermeiden die Forschenden den langen Aushärtungsprozess bei silikonbasierten Ansätzen und ermöglichen eine schnellere und kostengünstigere Massenfertigung mit verfügbaren Textilmaschinen.

Besonders herausfordernd und gleichzeitig fruchtbar ist die Kollaboration in der Gestaltung nachhaltiger und zirkulärer Produktionsdesigns in der Mode. Bereits beim Design werden ökologische Prinzipien berücksichtigt, so dass negative Auswirkungen auf die Umwelt entlang des Produktlebenszyklus‘ minimiert werden. Dazu zählt, wie zuverlässig die Ankontaktierungen der Komponenten sind, wie lang die Sensoren auf dem Textil haften, die Materialauswahl und der modulare Aufbau, um die Mikrocontroller wiederverwenden zu können. Die Teams erstellen jedoch keine Einzelstücke – sie wollen zeigen, dass der Weg zu High-Tech Fashion auch ein umweltfreundlicher sein kann. Hier wurde auch an zirkulären Geschäftsmodellen gearbeitet, die zur nachhaltigen Mission der Projekte passen.

Somit stellt die Expertise des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in den Bereichen der E-Textiles und des zirkulären Designs einen hohen Mehrwert im Projekt Re-FREAM dar. Mit weiterführenden Untersuchungen zu geeigneten leitfähigen Materialien entwickeln die Forscher*innen aktuell sensorische Textilien und Textil geeignete Kontaktierungstechnologien. Zudem arbeiten sie an thermoplastischen Substraten, die in so gut wie jedes Textil integriert werden können.

Re-FREAM ist Teil des Programms STARTS (Science + Technology + Arts), welches als Initiative der Europäischen Kommission im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 gefördert wird.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM

Emma4Drive (c) Fraunhofer ITWM
03.11.2020

EMMA4Drive – Dynamisches Menschmodell für mehr Sicherheit und Komfort in autonomen Fahrzeugen

  • DFG und Fraunhofer fördern trilaterales Projekt zum autonomen Fahren

Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist es eine einladende Zukunftsvision: Mit dem eigenen Auto zur Arbeit fahren und die Fahrtzeit trotzdem sinnvoll nutzen: Nachrichten lesen, E-Mails checken oder entspannen und den ersten Kaffee des Tages genießen. In Zukunft werden Insassen von autonomen Fahrzeugen neuen Tätigkeiten nachgehen können. Dazu werden jedoch neue (Software-)Werkzeuge benötigt, um die Erwartungen der Kundinnen und Kunden zu verstehen, das Vertrauen zu stärken und die Sicherheit nachzuweisen. Mit dem Projekt EMMA4Drive fördern die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) und die Fraunhofer-Gesellschaft die Entwicklung eines dynamischen Menschmodells für die Entwicklung (teil)autonom fahrender Fahrzeuge.

  • DFG und Fraunhofer fördern trilaterales Projekt zum autonomen Fahren

Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist es eine einladende Zukunftsvision: Mit dem eigenen Auto zur Arbeit fahren und die Fahrtzeit trotzdem sinnvoll nutzen: Nachrichten lesen, E-Mails checken oder entspannen und den ersten Kaffee des Tages genießen. In Zukunft werden Insassen von autonomen Fahrzeugen neuen Tätigkeiten nachgehen können. Dazu werden jedoch neue (Software-)Werkzeuge benötigt, um die Erwartungen der Kundinnen und Kunden zu verstehen, das Vertrauen zu stärken und die Sicherheit nachzuweisen. Mit dem Projekt EMMA4Drive fördern die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) und die Fraunhofer-Gesellschaft die Entwicklung eines dynamischen Menschmodells für die Entwicklung (teil)autonom fahrender Fahrzeuge.

Forschende des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM und der Firma fleXstructures entwickeln gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Institut für Technische und Numerische Mechanik (ITM) der Universität Stuttgart ein muskelaktiviertes Menschmodell.

Dieses simuliert dynamisch die Wechselwirkungen von menschlichen Körperteilen und dem Fahrzeugsitz bei Fahrmanövern. Der daraus entstehende Software-Prototyp EMMA4Drive wird als digitales Abbild des Insassen, dessen Sicherheit und Ergonomie bei Fahrmanövern analysieren und bewerten.

Realistische Bewegungen statt quasistatischer Untersuchungen
Bisher werden Menschmodelle entweder in Crash-Simulationen zur Abschätzung des Verletzungsrisikos oder in Ergonomie-Analysen verwendet. Bei Crash-Analysen werden detaillierte, rechenzeitintensive Modelle für Berechnungen im Millisekunden-Bereich eingesetzt, die für die Simulation dynamischer Fahrmanöver nicht geeignet sind, da hier längere Vorgänge simuliert werden müssen. Konträr dazu basieren Menschmodelle zur Ergonomie-Analyse auf der vereinfachten Kinematik eines Mehrkörpermodells und ermöglichen bisher ausschließlich quasistatische Untersuchungen. Realistische Haltungen und Bewegungen bei neuen Tätigkeiten lassen sich mit diesen Modellen nur mit viel Aufwand modellieren.

»Das von uns entwickelte prototypische Menschmodell EMMA berechnet hingegen mit einem Optimierungsalgorithmus automatisch neue Körperhaltungen und Bewegungsabläufe mit den dazugehörigen Muskelaktivitäten«, erklärt Dr. Joachim Linn, Abteilungsleiter »Mathematik für die digitale Fabrik« am Fraunhofer ITWM, die Besonderheit von EMMA. »Damit werden die neuen Bewegungsabläufe für das (teil)autonome Fahren vergleichsweise einfach im Simulationsmodell umgesetzt und untersucht – beispielsweise bei der Übernahme des Lenkrads durch den Fahrenden.«

EMMA4Drive ermöglicht somit eine vergleichsweise einfache Umsetzung neuer Bewegungsmuster und eine effiziente virtuelle Untersuchung von Sicherheit, Komfort und Ergonomie beim (teil )autonomen Fahren. »Unser Ziel ist es, am Ende des Projekts einen weiter entwickelten Prototypen unseres digitalen Menschmodells EMMA zur Verfügung zu haben, den wir zur Untersuchung und Verbesserung von Sitz- und Bedienkonzepten beim Fahren teil- oder vollautonomer Fahrzeuge einsetzen können«, erklärt Joachim Linn.

DFG und Fraunhofer fördern sechs trilaterale Projekte mit 5 Millionen Euro
In das trilaterale Projekt EMMA4Drive bringt die Universität Stuttgart umfassende Erfahrung in den Bereichen aktive Menschmodellierung, Fahrzeugsicherheit und Modellreduktion ein. Das Fraunhofer ITWM steuert Fachwissen über mehrkörperbasierte Menschmodellierung und Bewegungsoptimierung mittels Optimalsteuerung bei. Die Firma fleXstructures entwickelt, vertreibt und wartet die Softwarefamilie IPS inklusive des digitalen Menschmodells IPS IMMA, das Bewegungsabläufe bei Montagearbeiten simuliert.

»EMMA4Drive – Dynamisches Menschmodell für das autonome Fahren« ist eins der sechs von der DFG und von Fraunhofer geförderten Projekte. Ziel der Förderung von fünf Millionen Euro ist es, Unternehmen frühzeitig an Innovationen aus der Forschung zu beteiligen. Jeweils drei Projektpartner von Hochschulen, Fraunhofer-Instituten und aus der Wirtschaft kooperieren auf Grundlage eines gemeinsamen Arbeitsprogramms. Dabei übernehmen die Fraunhofer-Expertinnen und -Experten die Federführung bei der Verwertung der Projektergebnisse gegenüber den Anwendungspartnern oder bei weiteren Interessenten aus der Industrie.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM

Foto: Jakob Jost GmbH
25.08.2020

Steffen Jost: „Wir müssen schneller werden, besser werden in den Sortimenten und strategischer vorgehen.“

Interview mit Steffen Jost, Präsident des BTE e.V. und Geschäftsführer der Jakob Jost GmbH
 
Am 31. Juli diesen Jahres meldete der Handelsverband Deutschland - HDE e.V. begleitend zu den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten aktuellen Umsatzzahlen: „Viele Bekleidungshändler nach wie vor in Existenzgefahr.“ Eine HDE-Umfrage unter 500 Händlern zeigte, dass rund zwei Drittel der befragten Nicht-Lebensmittelhändler in der laufenden Woche mindestens 75 Prozent des Umsatzes der Vergleichswoche des Vorjahres erreichen. Hauptgrund dafür seien die langsam ansteigenden Kundenfrequenzen.

Interview mit Steffen Jost, Präsident des BTE e.V. und Geschäftsführer der Jakob Jost GmbH
 
Am 31. Juli diesen Jahres meldete der Handelsverband Deutschland - HDE e.V. begleitend zu den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten aktuellen Umsatzzahlen: „Viele Bekleidungshändler nach wie vor in Existenzgefahr.“ Eine HDE-Umfrage unter 500 Händlern zeigte, dass rund zwei Drittel der befragten Nicht-Lebensmittelhändler in der laufenden Woche mindestens 75 Prozent des Umsatzes der Vergleichswoche des Vorjahres erreichen. Hauptgrund dafür seien die langsam ansteigenden Kundenfrequenzen.

Bei 27 Prozent der Händler sei die Lage allerdings nach wie vor sehr ernst: Sie sehen ihre unternehmerische Existenz aufgrund der Coronakrise bedroht. Den meisten Handelsunternehmen werde es nicht gelingen, in den letzten Monaten aufgelaufene Umsatzverluste aufzuholen. Dementsprechend kalkulierten zwei Drittel der Nicht-Lebensmittelhändler auch im zweiten Halbjahr mit einem Umsatzminus. Viele Bekleidungshändler durchlebten nach wie vor schwere Zeiten.
 
Textination sprach darüber mit Steffen Jost, langjähriger Präsident des BTE Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels e.V., Inhaber und Geschäftsführer der Jakob Jost GmbH. Das 1892 gegründete Familienunternehmen betreibt fünf Bekleidungshäuser in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg im mittleren bis gehobenen Preissegment mit mehr als 300 Mitarbeitern und einer Verkaufsfläche von rund 20.900 qm.

Wie haben Sie die Coronazeit bisher empfunden – gerne als Unternehmen und persönlich? Was möchten Sie auf keinen Fall wieder erleben, was aber vielleicht sogar in den Alltag mitnehmen?
Die Coronazeit war für das Unternehmen und die Mitarbeiter eine herausfordernde Zeit. Man erlebt sehr deutlich, welche Mitarbeiter sich loyal und mit Engagement den Herausforderungen stellen und welche nicht. Erschreckend ist das Auftreten von Maskenverweigerern unter den Kunden, die für sich in Anspruch nehmen, ohne Maske im Handel einkaufen zu können und für sich eine Freiheit fordern und gleichzeitig damit die Opferbereitschaft der Mitarbeiter voraussetzen. Der Ton, die Unverschämtheiten als auch die Aggressivität sind erschreckend, es handelt sich hierbei häufig um Egoismus pur. Mit Freiheit ist hier immer nur die eigene gemeint.   

Was bedeutet die Pandemie bisher wirtschaftlich für Ihr eigenes Unternehmen, wie schätzen Sie die Konsequenzen für die gesamte Branche ein?
Die wirtschaftlichen Auswirkungen insbesondere im Bereich Rentabilität sind immens. Nachdem es die gesamte Branche trifft und damit auch viele Unternehmen, die ohne eine solide Eigenkapital-Basis in die Krise hineingegangen sind, ist eine große Bereinigung zu befürchten. Insbesondere deshalb, weil auch noch nicht abzusehen ist, wie lange die Krise noch dauern wird.
 
Zu welchen Anpassungen oder Neuerungen haben Sie sich für Ihr Sortiment veranlasst gesehen?
Durch die Krise bedingt sind Anlass- und elegante Bekleidung eher rückläufig, sportive Bekleidung im Durchschnitt etwas erfolgreicher, so dass hier vermehrt Schwerpunkte gelegt werden. Der stationäre Handel als auch die Industrie haben große Probleme, trotzdem gibt es mit vielen Lieferanten nach intensivem Austausch akzeptable Lösungen. Einige wenige Lieferanten versuchen ausschließlich ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Dies wird natürlich entsprechende Konsequenzen für die Zusammenarbeit haben.

Wie sehen Sie künftig auf Lieferanten, welche Erfahrungen haben Sie gemacht und werden Sie für Ihre Beschaffungspolitik Konsequenzen ziehen?
Die gute Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie ist wesentlich für den wirtschaftlichen Erfolg. Ist diese Basis nicht gegeben (sie hat durch Corona erheblich gelitten), vermutet man auch, dass die wirtschaftlichen Erfolge der Zukunft schlechter werden. Eine ertragsorientierte Unternehmensführung muss dies entsprechend in der Beschaffungspolitik konsequent berücksichtigen.
          
Welche Initiativen oder Instrumente auf wirtschaftspolitischer Ebene haben Sie für die Branche begrüßt, welche Kritik haben Sie anzubringen?
Das Kurzarbeitergeld als auch die KfW-Kredite sind für viele Unternehmen, auch für unseres, wesentliche Bausteine zur Unternehmenssicherung. Der Handel ist zum ersten Mal bei Kurzarbeit dabei. Kritisch sehen wir die mangelnde Bereitschaft der Politik, die Maskenpflicht durchzusetzen und Verstöße dagegen entsprechend zu ahnden. Dies wird auf den Handel und andere Wirtschaftsbereiche abgewälzt mit entsprechenden Problemen in der Kundenbeziehung.
Die Überbrückungshilfen waren für viele kleine Unternehmen eine große Hilfe, mittelgroße Unternehmen konnten davon leider nicht partizipieren. Mit Sicherheit hat Corona die Strukturprozesse und Entwicklungen im Handel massiv beschleunigt, wobei die einseitige Betrachtung des Online-Vertriebs, wie zurzeit festzustellen ist, sicher zu kurz greift. Es geht auch um die Fähigkeit, in Normalzeiten rentable Umsätze zu generieren um Unternehmenssubstanz zu bilden und darüber hinaus auch die nötigen Investitionen zu finanzieren.

Hat die Coronazeit auch positiv gewirkt, indem die Branche ohnehin erforderliche Neuerungen vorgezogen hat?
Dies mag in dem einen oder anderen Fall durchaus der Fall sein. Insbesondere Unternehmen, die digital noch nicht ausreichend aufgestellt waren, mussten hier vielleicht schnell agieren. In der Breite allerdings sind Krisenzeiten selten auch große Investitionszeiten.

Welche Bedürfnisse muss der stationäre Einzelhandel künftig erfüllen, welche Leistungen anbieten, um eine stabile Zukunft zu haben?
Der Handel muss mehr sein als ein Ort, wo Ware in größerer Anzahl bevorratet wird. Dies kann das Internet in viel größerem Umfang. Ein echter Service am Kunden wird eine zunehmende Rolle spielen als auch die Aufenthaltsdauer und Gestaltungsqualität der Handelsflächen. Gleichzeitig gilt es, die digitalen Möglichkeiten optimal auszuschöpfen. Darüber hinaus gilt es die Sortimente so zu kuratieren, dass dem jeweiligen Anspruch der Kunden ein Sortiment gegenübergestellt wird, das seinen Vorstellungen entspricht. Im Grunde ist das die ureigenste Aufgabe des Einkaufs schon seit Jahrzehnten.    

Welche Initiativen oder Ansätze durch oder für Ihre Branche wünschen Sie sich als Unter-stützung für eine solche Zukunft?
Die Zusammenarbeit von Industrie und Multilabel-Handel muss unbedingt intensiver werden und, vor allen Dingen, schneller. Bisher werden die Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung im gegenseitigen Informationsfluss viel zu wenig ausgenutzt und die entsprechenden Konsequenzen daraus nicht gezogen. Des Weiteren sind die Beschaffungszeiten zu reduzieren. Die Order- und Liefertermine sind deutlich später zu legen, auch bei der Order die Möglichkeit der digitalen Welt zu nutzen, um die großen systemischen Vorteile des vertikalen Handels etwas auszugleichen und damit auch die Abschriften- und Retourenquoten deutlich zu senken.

Bisher waren die großen Themen Globalisierung, Nachhaltigkeit / Klimawandel / Umweltschutz, Digitalisierung, Arbeitsmarktsituation … ?
Wie sind diese großen Themen vor dem Hintergrund der Covid-19 Pandemie zu bewerten?

An den großen Themen wird sich auch durch Covid 19 nichts Gravierendes ändern, sie werden uns erhalten bleiben. Eventuell kann die negative Arbeitsmarktsituation, die zu befürchten ist, diese etwas in den Hintergrund drängen, denn wenn existenzielle Nöte zu lösen sind, hat man für die anderen Probleme, aus der Erfahrung heraus, deutlich weniger Aufmerksamkeit.
 
Was sind die Lehren für den textilen Einzelhandel hinsichtlich dieser Ziele für die Zeit nach Corona?
Die langen Vorlaufzeiten zwischen Bestellung und Lieferung müssen endlich verkürzt werden. Wir müssen schneller werden, besser werden in den Sortimenten und strategischer vorgehen. Wir dürfen nicht durch die Vorgaben einzelner Lieferanten die eigenen Interessen und die Gesamtstrategie eines Unternehmens aus den Augen verlieren.
Das strategische Ziel kann nur heißen, dauerhaft rentable Umsätze anzustreben und dafür alle nötigen Maßnahmen konsequent umzusetzen.

Das Interview führte Ines Chucholowius,
Geschäftsführerin der Textination GmbH

 

Foto: Wilhelm-Lorch-Stiftung.
11.08.2020

Fordern und Fördern - Nachwuchsqualifizierung im Namen der Wilhelm-Lorch-Stiftung

  • Interview mit Klaus Kottmeier, Elke Giese, Markus Gotta, Prof. Dr.-Ing. habil. Maike Rabe

Im Juni 1988 stellten Gesellschafter und Geschäftsführung des Deutschen Fachverlages der Branche die Wilhelm-Lorch-Stiftung vor. Ihr Zweck ist die Förderung der Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe sowie die Förderung von Wissenschaft und Forschung.

Bei ihrer Gründung mit einem Vermögensstock von 300.000 DM ausgestattet, beträgt das Stiftungsvermögen inzwischen mehr als 2,85 Millionen Euro (Stand Dezember 2019). Seit 1988 wurden bis heute Förderpreise von rund 1.933.564 Euro (Stand Juni 2020) verliehen, um so die Aus- und Fortbildung junger Menschen aus allen Bereichen der Textilwirtschaft zu unterstützen, wobei insbesondere begabte Nachwuchskräfte im Fokus stehen.

  • Interview mit Klaus Kottmeier, Elke Giese, Markus Gotta, Prof. Dr.-Ing. habil. Maike Rabe

Im Juni 1988 stellten Gesellschafter und Geschäftsführung des Deutschen Fachverlages der Branche die Wilhelm-Lorch-Stiftung vor. Ihr Zweck ist die Förderung der Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe sowie die Förderung von Wissenschaft und Forschung.

Bei ihrer Gründung mit einem Vermögensstock von 300.000 DM ausgestattet, beträgt das Stiftungsvermögen inzwischen mehr als 2,85 Millionen Euro (Stand Dezember 2019). Seit 1988 wurden bis heute Förderpreise von rund 1.933.564 Euro (Stand Juni 2020) verliehen, um so die Aus- und Fortbildung junger Menschen aus allen Bereichen der Textilwirtschaft zu unterstützen, wobei insbesondere begabte Nachwuchskräfte im Fokus stehen.

Textination sprach mit dem ehemaligen Aufsichtsrat der Deutscher Fachverlag GmbH, dem aktuellen Vorstand und Gründungsmitglied der Stiftung, Klaus Kottmeier, sowie drei Kuratoriumsmitgliedern: Frau Elke Giese – Trendanalystin und Modejournalistin, Markus Gotta, Geschäftsführer der Deutscher Fachverlag GmbH, sowie Frau Prof. Dr.-Ing. habil. Maike Rabe, die zum 1. September 2020 den Vorsitz des Stiftungsrates übernimmt, über die herausfordernde Aufgabe, in einem von der Pandemie geprägten Umfeld die Stiftungsarbeit erfolgreich weiterzuführen..

Die Zahl 3 scheint eine ganz besondere Rolle für die Wilhelm-Lorch-Stiftung (WLS) zu spielen. 1988 wurde sie anlässlich des 30. Forums der TextilWirtschaft vorgestellt und bei ihrer Gründung mit einem Vermögen von 300.000 DM ausgestattet. 2019 jährte sich die Verleihung der Förderpreise zum 30. Mal. Wenn Sie jemandem, der die Stiftung nicht kennt, die WLS in 100 Worten vorstellen müssten: Welche 3 Aspekte haben sie besonders in der Entwicklung beeinflusst und einzigartig gemacht?

Klaus Kottmeier: In den nunmehr als 30 Jahren hat die WLS von Beginn an eine großartige Unterstützung der Branche erfahren, die bis heute anhält und sich nicht nur in der finanziellen Förderung durch großzügige Zuwendungen, sondern vor allem auch durch tatkräftiges Engagement vieler Branchengrößen in Stiftungsrat und Kuratorium zeigt. Ein zweiter Aspekt ist die einzigartige Bandbreite in den Themen der Förderung, die sich über Design, Wirtschaft und Technik erstreckt und dabei junge Talente im Handel als auch Hochschulabsolventen erfasst und zudem aber auch Bildungseinrichtungen selbst einbezieht. Und Drittens, die Motivation der vielen Bewerber, die wir jedes Jahr erleben und die mit unglaublichem Fleiß ihre Bewerbungsarbeiten erstellen und damit eindrucksvoll ihre Leistungsbereitschaft unter Beweis stellen.

 

Der Name der Stiftung ist eine Hommage an den 1966 verstorbenen Verleger und Gründer der Fachzeitschrift TextilWirtschaft und damit des Deutschen Fachverlags, Wilhelm Lorch. Welche seiner Eigenschaften und Charakterzüge sehen Sie noch heute als beispielgebend für den Nachwuchs in unserer Branche?   

Klaus Kottmeier: Wir sind ein verlegerisches Medienhaus, in dem professioneller Journalismus auf fundierten Recherchegrundlagen immer die Basis darstellt. Damit verbunden sind klassische Werte wie unternehmerischer Mut und Wille, Fleiß und Disziplin, aber auch Verantwortungsbewußtsein und Teamgeist, die von unserem Gründer vorgelebt wurden und auch heute die Kultur unseres Hauses ausmachen. Alles Eigenschaften, die junge Menschen beherzigen sollten und die gepaart mit Leidenschaft für den Beruf den weiteren Weg fördern.

 

Laut Satzung liegt der Stiftungszweck primär in der Vergabe „…von Auszeichnungen und Preisen an Absolventen der Fortbildungsschulen des deutschen Textileinzelhandels, der textiltechnischen Ausbildungsstätten sowie […] für Studienabschluss- oder Doktorarbeiten aus dem Hochschulbereich, soweit sich diese mit Textilthemen beschäftigen.“ Wie national beziehungsweise international arbeitet die WLS?

Prof. Maike Rabe: Die Preise gehen vorwiegend an Absolventen und Bewerber aus Deutschland und dem deutschsprachigen Raum, aber es sind auch immer wieder Talente aus Europa dabei, die in enger Verbindung zum deutschen Markt stehen.

Markus Gotta: Der Fokus liegt eindeutig auf den Kernmarkt Deutschland bzw. DACH, den wir mit der TW publizistisch abdecken – entsprechend machen wir keine internationale Ausschreibung, aber es gibt auch keinen Ausschluss für ausländische Bewerber, einzige Voraussetzung, die eingereichten Arbeiten und Gutachten müssen in Deutsch oder Englisch abgefasst sein.

 

In den jetzt 31 Jahren, in denen die Stiftung Menschen, Projekte und Arbeiten auszeichnet,  haben Sie viele junge Nachwuchskräfte getroffen, die unsere Branche bewegt haben oder sicherlich bewegen werden. Gibt es ungewöhnliche Geschichten oder besondere Preisträger, die Ihnen im Gedächtnis geblieben sind? Und wie schätzen Sie die Entwicklung des Ausbildungsniveaus der Bewerber im Laufe der Jahre ein?

Elke Giese: Die Bewerber(innen) kommen aus ganz unterschiedlichen Schulen bzw. Hochschulen, die sich in ihrer Profilierung und ihren Schwerpunkten deutlich unterscheiden. Insbesondere durch die zunehmende Digitalisierung sind die Anforderungen an die Lehre enorm gewachsen. Da sich die Berufsbilder im Modebusiness zudem ständig verändern und auch in Zukunft einem starken Wandel unterworfen sein werden, bleiben die Herausforderungen an Schulen und an Studierende sehr hoch.
Aus jedem Jahrgang bleiben einem besonders talentierte und kreative Persönlichkeiten in Erinnerung. Um eine zu nennen, Elisa Paulina Herrmann aus Pforzheim, die 2017 und 2019 mit Bachelor- bzw. dann Masterarbeit gleich zweimal zu den Preisträgerinnen gehörte. Ihr Können und ihre Originalität waren für das Kuratorium überwältigend. Mittlerweile erstellt sie für Gucci ausgewählte Strick-Kollektionen. Unter den jungen Männern ist Niels Holger Wien zu nennen, der bereits 1995 die Förderung der WLS erhalten hat. Er ist seit vielen Jahren der Spezialist für Farbtrends und Zeitgeist des Deutschen Mode Instituts und aktuell Präsident des weltweit wichtigsten Farbgremiums INTERCOLOR.

Klaus Kottmeier: Es gibt viele Preisträger, die anschließend eine große Karriere genommen haben, um nur einen beispielhaft zu nennen, Dr. Oliver Pabst, heutiger CEO der Mammut Sports Group AG und WLS-Preisträger im Jahr 1994.

 

Durch die Nähe zur TextilWirtschaft assoziiert man die Stiftung primär mit Fashiondesign und Themen aus der Bekleidungsproduktion oder -vermarktung. 2020 haben Sie mit zwei Projektförderungen Smart Textiles ins virtuelle Scheinwerferlicht gestellt. Wie sehen Sie künftig Themen aus dem Bereich technische Textilien? Können Sie sich dort einen neuen Schwerpunkt vorstellen?

Prof. Maike Rabe: Vorweg, die WLS fördert begabte junge Persönlichkeiten, die aufgrund ihrer Ausbildung in der gesamten Textil- und Bekleidungswirtschaft beruflich tätig werden können. Dazu gehört natürlich auch der Bereich technische Textilien, der in Deutschland in Bezug auf die Produktion eine sehr hohe Bedeutung hat und dabei als Standort technologisch führend ist. Hier sind die Grenzen zur Bekleidung fließend, denken Sie nur an Outdoor- oder Sportartikel.     „    

Klaus Kottmeier: Unser hervorragend besetztes Kuratorium ist offen für sämtliche innovativen Themen der Branche. Dabei sind gerade Innovationen aus dem Bereich technischer Textilien wichtige Zukunftsthemen. So ging 2017 der Förderpreis an die Anna-Siemsen-Schule, berufsbildende Schule für Textiltechnik und Bekleidung in Hannover, über den wir die Beschaffung einer  Schnittkonstruktionssoftware unterstützt haben.

 

Die Wilhelm-Lorch-Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, qualifizierten Branchennachwuchs in der Textil- und Modebranche zu fördern. Eine Förderung zur Existenzgründung schließen Sie jedoch aus. In Zeiten, in denen Start-ups nicht nur durch entsprechende TV-Formate, sondern auch durch Branchenverbände zunehmend Aufmerksamkeit erfahren, muss das Gründe haben. Worin liegen diese und wie schätzen Sie die künftigen Perspektiven ein?

Klaus Kottmeier: Eine Förderung zur Existenzgründung schließt sich durch §2 unserer Satzung aus, in dem der Stiftungszweck festgelegt ist. Die WLS hat sich ausschließlich dem gemeinnützigen Zweck verschrieben. Eine Förderung von Start-ups und Existenzgründungen würde dem widersprechen. Wir konzentrieren uns daher voll und ganz auf die Weiterbildung des Branchennachwuchses bzw. der Förderung von Bildungsinstitutionen, wovon wiederum die gesamte Branche profitiert.

Prof. Maike Rabe: Die Förderung der WLS zielt darauf ab, die Fähigkeit von Absolventen und    jungen Talenten aus der Branche weiter zu entwickeln. Diese sollen sich spezifisch fortbilden, eventuell einen weiteren akademischen Abschluss erringen und auch fachübergreifend dazu lernen. All dies kommt der Branche insgesamt zugute und das ist unser striktes Ziel.


          
Die Stiftung fördert ebenfalls die Aus- und Weiterbildung von jungen begabten Nachwuchskräften, die bereits im Textileinzelhandel tätig sind. Fördermittel stehen zur Abdeckung von Kurs- oder Studiengebühren für eine Weiterqualifizierung zur Verfügung. Die durch den Lockdown während der Pandemie erforderliche Schließung der Geschäfte hat den stationären Einzelhandel schwer getroffen, und auch heute sind wir von einem regulären Geschäftsbetrieb noch Meilen entfernt. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund gezielte Fördermöglichkeiten für Weiterbildungen im E-Commerce-Bereich?

Markus Gotta: Die Themen stationärer Einzelhandel und E-Commerce lassen sich doch nicht wirklich trennen, beides gehört heute längst zu den grundsätzlichen Anforderungen im Modevertrieb und damit auch zu den Themen der Aus- und Weiterbildung insgesamt.
 
Prof. Maike Rabe: E-Commerce ist aus unserer Branche nicht wegzudenken und spiegelt sich natürlich in vielen Förderungen wider. Die Nachwuchskräfte dürfen selber Vorschläge machen, wo und wie sie sich fortbilden möchten. Wir unterstützen das. Ganz besonders möchten wir aber auch die Verbindung von stationärem und digitalen Handel stärken, zu beiden Absatzkanälen gibt es wunderbare Konzepte unserer Preisträgerinnen und Preisträger, natürlich auch in der Kombination.

 

Neue Wege zu gehen bedeutet Entscheidungsfreudigkeit, Überwindung von Ängsten - und damit auch Mut zum Scheitern. Nicht jedes Projekt kann gelingen. Über welche Entscheidungen sind Sie bei Ihrer Stiftungsarbeit im Nachhinein besonders froh, sie getroffen zu haben?

Markus Gotta: Dass wir das Projekt der Summer School im vergangenen Jahr durchgeführt haben. Damit haben wir quasi Neuland mit der Stiftung betreten, und dies in Kooperation mit der Hochschule Niederrhein sehr erfolgreich.

Elke Giese: Gerade im Bereich Design und Kreation kommt es darauf an, aus der vorliegenden Arbeit und den Informationen eines Bewerbers auch dessen künftiges kreatives Potential zu erkennen. Ich freue mich daher immer besonders, wenn das Kuratorium mutige und progressive Entscheidungen getroffen hat.   

 

Die Wilhelm-Lorch-Stiftung bietet Hochschulen und Bildungseinrichtungen Projektförderungen in Höhe von 10.000 €. Sie machen da keine thematischen Einschränkungen, sondern verlangen lediglich, dass ein deutlicher Bezug zur nachhaltigen Weiterbildung des jungen Nachwuchses der Textil- und Modebranche bestehen muss. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie abschließend, welches Projekt gefördert wird?

Elke Giese: Ein Kriterium ist die Relevanz für die zukünftigen Entwicklungen in der Textil- und Modebranche. Projekte der letzten Jahre ermöglichten Schulen und Bildungseinrichtungen beispielsweise die Ausbildung an Lasercuttern, 3-D-Druckern, aber auch die Anschaffung moderner Strickmaschinen bzw. Softwareprogramme.

Prof. Maike Rabe: Alle eingereichten Projekte werden von den Fachexperten der Jury sehr streng in einem Punktesystem bewertet. Daraus entsteht eine engere Auswahl, die dem Kuratorium vorgestellt und von diesem intensiv diskutiert wird. Wichtigste Kriterien sind nachhaltige Vermittlung innovativer Lerninhalte, praxisnahe Ausbildung und die Umsetzbarkeit des eingereichten Projektes.

 

Für Nachhaltigkeit gibt es die verschiedensten Definitionen. Kunden erwarten unter diesem Begriff alles – von Klimaschutz bis Ökologie, von Vor-Ort-Produktion in der Region bis zum Ausschluss von Kinderarbeit usw. Das öffentliche Beschaffungswesen stellt zunehmend auf nachhaltige Textilien um. Was bedeutet das für die WLS, und was tun Sie, um nachhaltiges Denken und Agieren nicht nur bei Nachwuchskräften zu fördern?

Prof. Maike Rabe: In der Stiftung orientieren wir uns bei dem Begriff „Nachhaltigkeit“ am Bericht der Vereinten Nationen, Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, der so genannten Brundtland-Kommission von 1987: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ Die Textil- und Bekleidungswirtschaft spielt als global enorm vernetzte Branche mit komplexen Lieferketten eine Vorreiterrolle, die auf jeden Fall auch eine Vorbildrolle einnehmen sollte. Wir legen deshalb bei allen Preisträgern darauf wert, dass sie diese Kriterien beachten, und versuchen zugleich, Personen, die mit ihren Arbeiten und ihrem Handeln Verbesserungsvorschläge bieten oder gar Verbesserungen schon durchführen, eine Plattform zu geben.

 

Virtuell statt Red Carpet: Üblicherweise werden die Förderpreise im festlichen Rahmen des Forums der TextilWirtschaft verliehen. 2020 konnte es aufgrund der Covid-19 „nur“ eine digitale Version in Form eines Kurzfilms geben. Für wie wichtig erachten Sie Vernetzungsmöglichkeiten, die sich in der Begegnung mit einflussreichen Persönlichkeiten ergeben? Oder hat sich ein solches Format in Zeiten der Videokonferenzen überholt?

Prof. Maike Rabe: Es ist sicherlich beachtlich, was digitale Veranstaltungsformate leisten können. Eines funktioniert dabei aber nicht: Spontanität, persönlicher Kontakt und Nähe. So ist es wirklich schade, dass das Forum in diesem Jahr coronabedingt ausfallen musste. Gerade für Berufseinsteiger ist die Chance auf direkte Vernetzung von großem Wert.

Markus Gotta: Das Bedürfnis nach persönlichem Austausch und Treffen wird auch in Zukunft von großer Bedeutung und Nachfrage sein. Und ich kann an dieser Stelle sagen: Schon jetzt arbeiten wir an den Planungen für das TW Forum 2021 als Live- und Begegnungs-Event mit den Top-Entscheidern der Branche.

 

Auf welchen gesellschaftlich relevanten Themenfeldern sehen Sie in den nächsten fünf Jahren besonders großen Innovations- und Handlungsbedarf? Wie ist Ihre Einschätzung, dass Förderungen – beispielsweise durch die Wilhelm-Lorch-Stiftung - dabei gezielt Lösungsansätze unterstützen können? Und welche Rolle spielen bei dieser Einschätzung die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie?

Prof. Maike Rabe: Wir denken nicht in Fünfjahreszeiträumen, die heutige Zeit erfordert eine viel größere Agilität – das gilt für die Stiftung genauso wie für die gesamte Branche. Wir richten uns da-her mit jeder Preisvergabe wieder neu an aktuellen Themen aus. Dabei werden Themen wie Ästhetik, Funktion, Innovation weiterhin eine große Rolle spielen, ebenso Qualität statt Quantität, ökosoziale Gerechtigkeit und Kundenbindung. Wichtig ist aber auch, dass unsere stark vom Mittel-stand getragene Wirtschaft in der Öffentlichkeit und in der Politik deutlich wahrgenommen wird, da-ran müssen wir noch arbeiten.

Klaus Kottmeier: Dem Schluss-Statement von Frau Prof. Rabe schließe ich mich gerne an. Agilität ist auch in einem Medienhaus wie unserem von großer Bedeutung. Wir leben in einem ständigen Transformationsprozess mit steten Veränderungen, denen es zu begegnen gilt. Die Corona-Pandemie hat uns sehr eindrucksvoll vor Augen geführt, wie schnell ursprüngliche Planungen zur Makulatur werden können. Heute und auch in Zukunft mehr als jemals zuvor ist ständige Verände-rungsbereitschaft gefordert, das gilt für uns aber auch für unsere hoffnungsvollen Nachwuchskräfte.

Das Interview führte Ines Chucholowius,
Geschäftsführerin der Textination GmbH

Mit Hilfe von Zellkulturen oder Mikroorganismen lassen sich bereits viele Tierversuche vermeiden. Noch besser gelingt dies, wenn die Technologien in geeignete Datenmodelle integriert werden. Bild: EMPA
04.08.2020

Nanosicherheitsforschung ohne Tierversuche

  • Risikoanalysen für Nanopartikel

Um die Zahl der Tierversuche in der Forschung weiter zu senken, suchen Forschende nach alternativen Methoden. Will man die Unbedenklichkeit von Substanzen, die noch wenig erforscht sind, sicherstellen, ist dies allerdings eine große Herausforderung. Das gilt besonders für Nanomaterialien. Ein Empa-Team entwickelt nun Prozesse, mit denen dies gelingen kann; sie kombinieren dazu Experimente im Reagenzglas mit mathematischen Modellen.

  • Risikoanalysen für Nanopartikel

Um die Zahl der Tierversuche in der Forschung weiter zu senken, suchen Forschende nach alternativen Methoden. Will man die Unbedenklichkeit von Substanzen, die noch wenig erforscht sind, sicherstellen, ist dies allerdings eine große Herausforderung. Das gilt besonders für Nanomaterialien. Ein Empa-Team entwickelt nun Prozesse, mit denen dies gelingen kann; sie kombinieren dazu Experimente im Reagenzglas mit mathematischen Modellen.

In der Kosmetik und der Textilindustrie sind sie bereits im Einsatz: Nanopartikel in Sonnencremes sollen uns vor Sonnenbrand schützen und Kleidung mit Nanosilber bremst Bakterien aus. Der Einsatz der winzigen Inhaltstoffe ist aber auch an die Verantwortung gebunden, mögliche negative Folgen für die Gesundheit und die Umwelt ausschließen zu können. Dabei gehören die Substanzen in Kosmetika oder Textilien zu der noch wenig charakterisierten Stoffklasse der Nanomaterialien, die zwischen einem und 100 Nanometer klein sind und ein breites Anwendungsspektrum haben, etwa in Abgaskatalysatoren, Wandfarben, Kunststoffen und in der Nanomedizin. Und so neu und ungewöhnlich die Nanomaterialien sind, so wenig klar ist bisher, ob ihnen Risiken für Mensch und Umwelt innewohnen.
 
Hier kommen Risikoanalysen und Ökobilanzen zum Tragen, die sich früher stark auf Tierversuche abstützten, wenn es darum ging, schädliche Auswirkungen einer neuen Substanz bis hin zur Giftigkeit zu ermitteln. Heute ist die Forschung angehalten, Tierversuche wenn immer möglich zu reduzieren beziehungsweise zu ersetzen. Diese Haltung hat in den vergangenen 30 Jahren zu einem starken Rückgang namentlich bei sogenannten toxikologischen Tests geführt. Nur lassen sich die Erfahrungen mit konventionellen Chemikalien nicht einfach auf neuartige Substanzen wie Nanopartikel übertragen. Damit sich Tierversuche auch in der Nanomaterialforschung reduzieren lassen, entwickeln Empa-Forschende nun neue Ansätze, die dieses Ziel verfolgen und gleichzeitig die unbedenkliche Verwendung von Nanomaterialien ermöglichen.

«Wir entwickeln derzeit einen neuen, integrativen Weg, mit dem die Risiken von Nanopartikeln analysiert und die Ökobilanzen ermittelt werden können», sagt Empa-Forscherin Beatrice Salieri von der Abteilung «Technologie und Gesellschaft» in St. Gallen. Neu und anders als bei den herkömmlichen Analysen ist hierbei unter anderem, dass neben der Wirkungsweise einer Substanz weitere Daten einbezogen werden, wie die Exposition und das Schicksal eines Partikels im Körper, so dass eine ganzheitliche Betrachtung in die Risikobewertung einfließt.

Grundlage der Risikoanalysen sind die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Nanopartikeln, deren biologische Auswirkungen, welche mit Zellkulturen experimentell bestimmt wurden. Damit sich die Ergebnisse aus dem Reagenzglas («in vitro») auf die Situation im menschlichen Körper («in vivo») übertragen lassen, nutzen die Forschenden mathematische Modelle («in silico»), die zum Beispiel auf die Schädlichkeit einer Vergleichssubstanz zurückgreifen. «Wirken zwei Substanzen, wie etwa Silber-Nanopartikel und Silber-Ionen auf die gleiche Weise, lässt sich die Gefährlichkeit der Nanopartikel aus jener der Ionen rechnerisch abschätzen», so Salieri.

Damit die Laborstudien für Nanopartikel aber auch aufschlussreich sind, muss für jede Expositionsart zunächst ein geeignetes Modellsystem entwickelt werden. «Substanzen, die inhaliert werden, untersuchen wir beispielsweise in Experimenten mit menschlichen Lungenzellen», erklärt Empa-Forscher Peter Wick, Leiter des Labors für «Particles-Biology Interactions» in St. Gallen. Um die Verdauung im Körper zu simulieren, werden hingegen Darmzellen verwendet.

Dabei wird nicht nur die schädigende Dosis eines Nanopartikels in Zellkulturversuchen ermittelt, sondern es Fließen auch sämtliche Nanomaterialeigenschaften in die Risikoanalyse ein, etwa Form, Größe, Transportgeschwindigkeit und Bindung an andere Moleküle. So ist beispielsweise gelöstes Silber in einer Zellkulturflüssigkeit rund 100-mal giftiger als das Äquivalent als Silber-Nanopartikel. Derartig umfassende Laboranalysen finden Eingang in sogenannte kinetische Modelle, die statt einer Momentaufnahme einer Situation im Reagenzglas das komplette Geschehen der Partikelwirkung abbilden können.

Und schließlich lassen sich aus all diesen Daten mithilfe komplexer Algorithmen die zu erwartenden biologischen Phänomene abschätzen. «Anstatt ein Tierexperiment dazwischen zu schalten, können wir anhand von Parallelitäten zu bekannten Substanzen, neuen Daten aus Laboranalysen und mathematischen Modellen die möglichen Risiken von Nanopartikeln ermitteln», sagt Empa-Forscher Mathias Rösslein. Künftig könnten so auch die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Nanopartikeln im menschlichen Körper sowie die Eigenschaften bestimmter Populationsgruppen, wie ältere Menschen oder Patienten mit mehreren Krankheiten, realitätsnah dargestellt werden, meint der Wissenschaftler.

Als Folge dieser neuartigen Risikoanalysen für Nanopartikel könnten zudem die Entwicklung und Marktzulassung neuer Nanomaterialien beschleunigen, hoffen die Forschenden. Konkrete Anwendung gibt es bereits im «Safegraph»-Projekt, eines der Projekte im Rahmen der «Graphene Flagship»-Initiative der EU, an der die Empa als Partner mitwirkt. Risikoanalysen und Ökobilanzen für das neue «Wundermaterial» Graphen sind derzeit noch Mangelware. Erste Sicherheitsanalysen zu Graphen- und Graphen-verwandten Materialien konnten die Empa-Forscher nun unlängst in grundlegenden in vitro-Studien aufzeigen. Auf diese Weise können nun auch Projekte wie Safegraph potenzielle Gesundheitsrisiken und Umweltfolgen von Graphen besser ermitteln und gleichzeitig die Zahl der Tierversuche senken.

Weitere Informationen:
Empa Tierversuche Nanopartikel
Quelle:

EMPA

Risiken in der Versorgungskette kostengünstig minimieren Foto: Pixabay
28.07.2020

Fraunhofer ITWM: Risiken in der Versorgungskette kostengünstig minimieren

  • Algorithmen für optimierte Supply Chains

Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft hart getroffen. Was lässt sich daraus lernen? Wie können sich Unternehmen künftig vor solchen Krisen möglichst gut schützen? Sicher braucht es dazu verschiedene Ansätze. Ein vielversprechendes Puzzlestück liefern neue mathematische Methoden vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM: Mit ihnen lässt sich berechnen, wie mit wenig Mehrkosten das Risiko für Lieferengpässe deutlich gesenkt werden kann.

  • Algorithmen für optimierte Supply Chains

Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft hart getroffen. Was lässt sich daraus lernen? Wie können sich Unternehmen künftig vor solchen Krisen möglichst gut schützen? Sicher braucht es dazu verschiedene Ansätze. Ein vielversprechendes Puzzlestück liefern neue mathematische Methoden vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM: Mit ihnen lässt sich berechnen, wie mit wenig Mehrkosten das Risiko für Lieferengpässe deutlich gesenkt werden kann.

Niemand hat damit gerechnet, schließlich lief die Versorgung der Krankenhäuser mit Atemmasken und anderen Hygieneartikeln bis dato reibungslos: Doch in der Corona-Krise kam es immer wieder zu Engpässen bei diesen Artikeln. Denn manche Versorgungsketten – auch Supply Chains genannt – die zuvor funktionierten, brachen aufgrund der notwendigen Einschränkungen im globalisierten Warenaustausch zusammen. Beispielsweise konnten chinesische Zuliefererfirmen oftmals bereits nicht mehr liefern, als hierzulande die Fabriken noch wie gewohnt produzierten – was daher auch die Herstellung von Gütern in Deutschland in Mitleidenschaft zog. Auch andere Unwägbarkeiten können internationale Zulieferer lahmlegen: Seien es Naturkatastrophen wie Tsunamis, Erdbeben, Stürme oder Hochwasser, seien es Streiks oder auch unvorhersehbare politische Veränderungen. Hängt die Produktion einer Firma an nur einem Zulieferer, um zunächst einmal Kosten zu sparen, kann das fatale Folgen bis hin zum Produktionsstillstand haben. Denn bis andere Zulieferer ihre Produktion entsprechend hochgefahren haben und die benötigten Produkte geliefert werden können, kann es durchaus eine ganze Weile dauern.
 
Versorgungsketten analysieren und absichern
Hier setzen mathematische Methoden aus dem Fraunhofer ITWM an. »Die Algorithmen analysieren, wie divers die Supply Chains in den verschiedenen Bereichen des Unternehmens aufgestellt sind, und wie groß dementsprechend das Risiko ist, sich im Ernstfall – also bei regionalen oder globalen Ausfällen – ein drastisches Lieferproblem einzuhandeln«, sagt Dr. Heiner Ackermann, stellvertretender Abteilungsleiter am Fraunhofer ITWM in Kaiserslautern. »Wie lässt sich eine mögliche Versorgungslücke klein halten, und zwar bei nur wenig erhöhten Kosten?« Das ist ähnlich wie bei einem Hauskauf: Setzt man auf möglichst geringe Zinsen, geht dafür aber das Risiko ein, eine deutlich schlechtere Anschlussfinanzierung abschließen zu müssen? Oder geht man auf Nummer sicher, zahlt etwas höhere Zinsen, hat die dennoch günstige Finanzierung dafür aber bis zum Schluss gesichert?
 
Auch für Unternehmen gilt es, zwischen Risiko und Kosten abzuwägen: Setzen die Firmen alleinig auf den kostengünstigsten Anbieter, gehen sie damit ein hohes Risiko ein. Beziehen sie einen Rohstoff dagegen von mehreren verschiedenen Anbietern, sinkt das Risiko erheblich. »Die Differenz in den Kosten ist dabei deutlich geringer als die Differenz im Risiko«, sagt Ackermann. Das heißt: Die Risiken sinken bereits bei einem moderaten Anstieg der Kosten von weniger Prozent immens – mit einem kleinen Kostenanstieg lässt sich also bereits viel Risiko umgehen. Wie das individuelle Optimum für eine Firma aussieht, lässt sich mittels der Algorithmen herausfinden. »Über diese können die Unternehmen ihre Supply Chains multikriteriell optimieren – sprich eine für sie optimale Balance zwischen Kosten und Risiken finden«, erläutert Ackermann. »Für die Algorithmen, die dahinter liegen, ist es egal, ob die Lieferausfälle durch ein Erdbeben oder einen Virus bedingt sind. Wir machen daher im Gegensatz zu bestehenden Software-Lösungen keine Annahmen, wie wahrscheinlich das Eintreten eines bestimmten Szenarios ist.« Die Unternehmer geben zunächst einmal verschiedene Parameter ein, etwa in welchem Gebiet sie einen Ausfall für wahrscheinlich halten, und wie lange dieser dauern könnte. Die Algorithmen errechnen dann für eben diesen Rohstoff verschiedene Kosten-Risiko-Werte samt den zugehörigen möglichen Lieferanten-Aufteilungen. Auch Optionen wie eine Lagerhaltung von kritischen Produkten, um kurzzeitige Lieferengpässe abfedern zu können, werden dabei berücksichtigt.
 
Rohstoffe bei Lieferengpässen ersetzen    
Eine weitere Möglichkeit, die die Algorithmen in Betracht ziehen: Lässt sich ein Rohstoff bei Lieferengpässen eventuell durch andere Materialien ersetzen? Wenn ja, kann dies von vornherein mit berücksichtigt werden. Die Methode errechnet also Kosten und Risiken für verschiedene Wege, die ein Unternehmen in punkto Zulieferer einschlagen kann. Bei der Firma Procter & Gamble ist bereits eine speziell auf die Bedürfnisse zugeschnittene Variante der Methodik im Einsatz – in Form einer Software.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM

Doppelgreifer-Webmaschine des Fraunhofer WKI mit dem Jacquardaufsatz © Fraunhofer WKI | Melina Ruhr. Doppelgreifer-Webmaschine des Fraunhofer WKI mit dem Jacquardaufsatz
02.06.2020

Fraunhofer WKI: Klimafreundliche Hybridfaserwerkstoffe auf Basis nachwachsender Naturfasern

Durch die am Fraunhofer WKI erzielten neuen Kombinationsmöglichkeiten von biobasierten Hybridfaserwerkstoffen erweitern sich die industriellen Einsatzmöglichkeiten für nachwachsende Rohstoffe – beispielsweise beim Fahrzeugbau, aber auch bei Gebrauchsgegenständen wie Helmen oder Skiern.

Mit der Erhöhung des Flachsfaseranteils in Hybridfaserwerkstoffen auf bis zu 50 Prozent zeigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass es möglich ist, den biogenen Anteil in Verbundwerkstoffen deutlich zu steigern. Das Besondere an den getesteten Verfahren: Die Gewebe können mit Hilfe einer Webmaschine individuell zusammengestellt werden. Auf diese Weise lassen sich in der industriellen Produktion Prozessschritte einsparen, in denen Materialien erst zusammengefügt werden müssten. Über den gesamten Produktionsprozess gesehen, würden so Energie- und CO2-Reduktionen erreicht.

Durch die am Fraunhofer WKI erzielten neuen Kombinationsmöglichkeiten von biobasierten Hybridfaserwerkstoffen erweitern sich die industriellen Einsatzmöglichkeiten für nachwachsende Rohstoffe – beispielsweise beim Fahrzeugbau, aber auch bei Gebrauchsgegenständen wie Helmen oder Skiern.

Mit der Erhöhung des Flachsfaseranteils in Hybridfaserwerkstoffen auf bis zu 50 Prozent zeigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass es möglich ist, den biogenen Anteil in Verbundwerkstoffen deutlich zu steigern. Das Besondere an den getesteten Verfahren: Die Gewebe können mit Hilfe einer Webmaschine individuell zusammengestellt werden. Auf diese Weise lassen sich in der industriellen Produktion Prozessschritte einsparen, in denen Materialien erst zusammengefügt werden müssten. Über den gesamten Produktionsprozess gesehen, würden so Energie- und CO2-Reduktionen erreicht.

Erfolgreich verwebt: Unterschiedliche Hybridgewebe
Angesichts der gestiegenen Anforderungen an den Umwelt- und Klimaschutz suchen Wissenschaft und Industrie in sämtlichen Produktionszweigen nach nachhaltigen Alternativen zu herkömmlichen Materialien. Bei Werkstoffen bietet die Verwendung von Naturfasern eine nachhaltige Lösungsmöglichkeit. Aufgrund ihrer geringen Dichte bei gleichzeitig hoher Stabilität können aus Naturfasern hoch belastbare Leichtbaumaterialien erzeugt werden, die sich gut recyceln lassen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer WKI haben sich im Projekt »ProBio« daher die Frage gestellt, wie der Anteil an Naturfasern in biobasierten Hybridfaserwerkstoffen möglichst weit gesteigert werden kann. Zum Einsatz kam dabei eine Doppelgreifer-Webmaschine mit Jacquardaufsatz, um die biobasierten Hybridfaserwerkstoffe herzustellen.

Ganz gezielt haben sich die Forschenden mit biobasierten Hybridfaserverbundwerkstoffen (Bio-HFW) beschäftigt. Bio-HFW bestehen aus einer Kombination von Fasern auf Cellulosebasis wie Flachsfasern und synthetischen Hochleistungsfasern wie Carbon- oder Glasfasern zur Verstärkung. Bio-HFW können beispielsweise im Fahrzeugbau zum Einsatz kommen. Als Neuheit haben die Forscherinnen und Forscher im Projekt »ProBio« verschiedene Fasermaterialienkombinationen, Verstärkungsfasern und auch Matrixfasern mit Hilfe der Doppelgreifer-Webmaschine ineinander verwebt. Dieses Vorgehen unterscheidet sich von Verfahren, in denen fertige Gewebe übereinandergeschichtet werden.

»Wir haben die vorteilhaften Eigenschaften der Fasermaterialien in einem Verbundwerkstoff so kombiniert, dass wir Schwachstellen einzelner Komponenten ausgleichen konnten und so teilweise auch neue Eigenschaften erzielt haben. Außerdem ist es uns gelungen, den Anteil von biobasierten Fasern auf bis zu 50 Prozent Flachsfasern zu erhöhen, die wir mit 50 Prozent Verstärkungsfasern kombiniert haben«, beschreibt Projektmitarbeiterin Jana Winkelmann das Vorgehen. Die Bio-Hybrid-Textilien aus jeweils 50 Gewichtsprozent Carbon- und Flachsgewebe werden in eine biobasierte Kunststoffmatrix eingesetzt. Der Verbundwerkstoff verfügt über eine Biegefestigkeit, die mehr als doppelt so hoch ist wie die des entsprechenden Verbundwerkstoffs aus flachsbewehrtem Epoxidharz. Diese mechanische Leistungsfähigkeit kann den Einsatzbereich von nachwachsenden Rohstoffen für technische Anwendungen signifikant erweitern.
 
Mit der Webmaschine haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfolgreich innovative Leichtbau-Verbundmaterialien mit komplexen anwendungsspezifischen Gewebestrukturen und integrierten Funktionen kombiniert. Verstärkungsfasern wie Carbon- und Naturfasern sowie mehrlagige Gewebe und dreidimensionale Strukturen können in einem Arbeitsschritt miteinander verwebt werden. Das bietet für die industrielle Produktion Vorteile, denn auf diese Weise können Produktionsschritte eingespart werden, in denen Materialien erst zusammengefügt werden müssten. »Es ist uns gelungen, beispielsweise leitfähige Garne oder Drähte als Sensoren oder Leiterbahnen direkt im Webprozess einzusetzen und so Gewebe mit integrierten Funktionen herzustellen. Die Einführung von synthetischen Fasern als Schussfaden ermöglicht also die Herstellung von Bio-Hybrid-Verbundwerkstoffen mit isotropen mechanischen Eigenschaften«, erläutert Winkelmann.

Die Webtechnik macht es möglich, neue Produkte mit einem großen Anteil an biobasierten Komponenten im Pilotmaßstab zu erzeugen. Mit dem Projekt »ProBio« demonstriert das Fraunhofer WKI die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten von Natur- und Verstärkungsfasern und zeigt Möglichkeiten für den Einsatz im Fahrzeugbau auf, aber auch für Gebrauchsgegenstände wie zum Beispiel Helme oder Skier. Die Resultate wurden im Rahmen der 4. Internationalen Konferenz zu Naturfasern (ICNF) in Porto im Juli 2019 vorgestellt. Das Projekt »ProBio«, mit einer Laufzeit vom 1. Juli 2014 bis zum 30. Juni 2019, wurde vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) gefördert.

Zum Hintergrund
Nachhaltigkeit durch Nutzung nachwachsender Rohstoffe steht seit über 70 Jahren im Fokus des Fraunhofer WKI. Das Institut mit Standorten in Braunschweig, Hannover und Wolfsburg ist spezialisiert auf Verfahrenstechnik, Naturfaser-Verbundkunststoffe, Holz- und Emissionsschutz, Qualitätssicherung von Holzprodukten, Werkstoff- und Produktprüfungen, Recyclingverfahren sowie den Einsatz von organischen Baustoffen und Holz im Bau. Nahezu alle Verfahren und Werkstoffe, die aus der Forschungstätigkeit hervorgehen, werden industriell genutzt.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Holzforschung WKI

TÜV Rheinland testet Corona-Schutzmaterialien und Arbeitsschutzprojekte (c) TÜV Rheinland
26.05.2020

TÜV Rheinland testet Corona-Schutzmaterialien und Arbeitsschutzprojekte

Seit dem Ausbruch der weltweiten Corona- Pandemie sind die Herstellung und der Handel mit geeigneten Schutzmaterialien wie Atemschutzmasken zu einem Hochrisikobereich für alle Beteiligten geworden.

„Die Qualität und Sicherheit der angebotenen Schutzmaterialien ist aktuell nicht nur erheblichen Schwankungen ausgesetzt, sondern immer häufiger stammen Waren aus zweifelhaften Quellen, sind hygienisch hoch bedenklich, teilweise völlig unbrauchbar“, erklärt Dipl.-Ing. Ralf Scheller, Mit-glied des Vorstands der TÜV Rheinland AG. „Wir stehen weltweit im direkten Kontakt zu Regierungen, Ministerien, kommunalen Behörden oder Unternehmen aus dem Gesundheitssektor und er-fahren immer häufiger von Fällen und Vorkommnissen, in denen Lieferketten schlicht kollabieren und überteuerte Waren nicht ankommen.“

Seit dem Ausbruch der weltweiten Corona- Pandemie sind die Herstellung und der Handel mit geeigneten Schutzmaterialien wie Atemschutzmasken zu einem Hochrisikobereich für alle Beteiligten geworden.

„Die Qualität und Sicherheit der angebotenen Schutzmaterialien ist aktuell nicht nur erheblichen Schwankungen ausgesetzt, sondern immer häufiger stammen Waren aus zweifelhaften Quellen, sind hygienisch hoch bedenklich, teilweise völlig unbrauchbar“, erklärt Dipl.-Ing. Ralf Scheller, Mit-glied des Vorstands der TÜV Rheinland AG. „Wir stehen weltweit im direkten Kontakt zu Regierungen, Ministerien, kommunalen Behörden oder Unternehmen aus dem Gesundheitssektor und er-fahren immer häufiger von Fällen und Vorkommnissen, in denen Lieferketten schlicht kollabieren und überteuerte Waren nicht ankommen.“

Teilweise steckt dahinter kriminelles Treiben, wenn bespielweise Zertifikate gefälscht oder Waren mehrfach verkauft werden. Die Experten von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) bei TÜV Rheinland werden daher immer häufiger zu Einsätzen vor Ort in den Herstellungsländern gerufen. Sie testen die Schutzmaterialien in ihrem weltweiten Labor-Netzwerk direkt vor Ort, überprüfen Dokumente oder überwachen den Transport der Waren vom Hersteller bis zum Kunden.

Unterstützung und Begleitung von multinationalen Hilfsprojekten
„Seit Beginn der Pandemie unterstützen wir viele multinationale Hilfsprojekte und engagieren uns selbst wie im Kreis Heinsberg, wo wir 9.000 FFP3-Schutzmasken für den intensiv-medizinischen Bereich gespendet haben“, erklärt Scheller. „Auch unsere Kolleginnen und Kollegen in China haben kürzlich durch qualitätssichernde Maßnahmen in der Lieferkette eine Hilfssendung von mehreren Millionen Schutzmasken, Schutzbekleidung und Hand-schuhen sowie vieler Beatmungsgeräte unterstützt, die von einem privaten Spender nach Großbritannien verschickt wurde.“

Bei persönlicher Schutzausrüstung stehen für TÜV Rheinland die Sicherheit und Qualität im Vordergrund. Umso wichtiger ist es, dass Sicherheitskleidung die entsprechenden Anforderungen er-füllen, sodass ihre Schutzfunktion sichergestellt werden kann.

„Unsere Experten führen alle relevanten Prüfungen und Zertifizierungen an persönlichen Schutz-ausrüstungen gemäß PSA Verordnung 2016/425 durch. Durch die langjährige und aktive Gremienarbeit im Bereich PSA sind wir nah am Marktgeschehen und besitzen ein umfangreiches Know-how“, weiß Dr.-Ing. Kristina Fuhrmann, Abteilungsleiterin Textil und PSA bei TÜV Rheinland. „Die so gewonnene Fachexpertise fließt in unsere tägliche Arbeit mit ein und spiegelt sich in umfangreichen Dienstleistungen wider.“ So werden beispielsweise sogenannte „Community Masken“ zahlreichen chemischen und physikalischen Prüfungen nach einer eigenen Prüfgrundlage (2PFG S 0193/04.20) unterzogen und können zusätzlich mit einem TÜV Rheinland-Prüfzeichen (Schad-stoffgeprüft) versehen werden. Community Masken werden überwiegend aus textilen Stoffen gefertigt und dienen als Barriere. Medizinische Masken sowie OP-Masken können hingegen über TÜV Rheinland Greater China getestet beziehungsweise kontrolliert werden. „Unsere Dienstleistungen erstrecken sich auf viele Arten von Schutzkleidung“, so Fuhrmann. Hinzu kommt der große Bereich an Medizinprodukten, wie beispielsweise Beatmungsgeräte.

TÜV Rheinland begleitet auch Arbeitsschutzprojekte in Corona-Zeiten
Geschäfte, Möbelhäuser und Elektromärkte dürfen wieder öffnen, Betriebe nehmen die Produktion wie-der auf – für sie alle gilt: Der Infektionsschutz für die Beschäftigten muss erhöhten Ansprüchen genügen und der normale Arbeits- und Gesundheitsschutz weiterhin erfüllt werden. Den Rahmen für die erweiterten Schutzmaßnahmen steckt der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des Bundesarbeitsministeriums ab. Arbeitgeber sind verpflichtet, für ihr Unternehmen geeignete Maßnahmen festzulegen, umzusetzen und die Kontrolle zu überwachen. Dabei sind die Lösungen so individuell wie die Unternehmen: Gilt es in einem Produktionsbetrieb die Schichtpläne zu entzerren und den Kontakt der Mitarbeitenden zu minimieren, stellen sich in einem Verkaufshaus andere Herausforderungen: Wie können beispielsweise die Kundenströme geleitet werden, um den Mindestabstand zu wahren? Wie werden Kundenberaterinnen und -berater, Kassiererinnen oder Kassierer und Lieferanten geschützt?

„Unsere Experten haben für den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales einen detaillierten Leitfaden entwickelt, um Unter-nehmen bei der aufwändigen Implementierung der strengen Auflagen zu beraten und zu unterstützen“, erklärt Dipl.-Ing. Norbert Wieneke, Geschäftsfeldleiter Betriebliches Gesundheitsmanagement, Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit bei TÜV Rheinland. Die Vorgaben des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards umfassen persönliche, organisatorische und bauliche Hygienemaßnahmen sowie die dazugehörigen Unterweisungen. Sie gehen mit Angeboten für die betriebsärztliche und psychologische Beratung der Mitarbeitenden sowie von Risikogruppen einher und noch deutlich dar-über hinaus. Es liegt in der Verantwortung des Arbeitgebers, Corona-Verdachtsfälle unter Mitarbeitenden zu identifizieren und im Falle einer erkannten Infektion eine Routine zur Pandemievorsorge im Unternehmen zu etablieren. Um dieser umfassenden Aufgabenstellung gerecht zu werden, sind Fachkenntnisse von Arbeitsmedizinerinnen und -medizinern, Fachkräften für Arbeitssicherheit, Betriebspsychologinnen und -psychologen sowie Gesundheitsexperten notwendig. In den interdisziplinären Teams von TÜV Rheinland arbeiten diese Fachleute bereits erfolgreich zusammen und setzen branchenübergreifende Projekte für ihre Kunden um.

Quelle:

TÜV Rheinland

Foto: Pixabay
28.04.2020

Meltblown Productive: Fraunhofer ITWM vs. Corona - Mit Mathematik gegen die Krise

  • Meltblown produktiv – ITWM-Software unterstützt bei Vliesstoffproduktion für Infektionsschutz

Simulationen des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM machen Prozesse bei der Herstellung von Vliesstoffen effizienter. So wird im Rahmen des Anti-Corona-Programms von Fraunhofer die Produktion von Infektionsschutz optimiert.
 
Die Vliesstoffproduktion hat in der breiten Öffentlichkeit zurzeit so viel Aufmerksamkeit wie selten, denn Vlies ist in Zeiten der Corona-Pandemie lebenswichtig für den Infektionsschutz im medizinischen Bereich und auch für den Schutz der Gesamtbevölkerung. Einmal-Bettwäsche in Krankenhäusern, OP-Kittel, Mundschutz, Wundschutzauflagen und Kompressen sind einige Beispiele für Vliesstoffprodukte.

  • Meltblown produktiv – ITWM-Software unterstützt bei Vliesstoffproduktion für Infektionsschutz

Simulationen des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM machen Prozesse bei der Herstellung von Vliesstoffen effizienter. So wird im Rahmen des Anti-Corona-Programms von Fraunhofer die Produktion von Infektionsschutz optimiert.
 
Die Vliesstoffproduktion hat in der breiten Öffentlichkeit zurzeit so viel Aufmerksamkeit wie selten, denn Vlies ist in Zeiten der Corona-Pandemie lebenswichtig für den Infektionsschutz im medizinischen Bereich und auch für den Schutz der Gesamtbevölkerung. Einmal-Bettwäsche in Krankenhäusern, OP-Kittel, Mundschutz, Wundschutzauflagen und Kompressen sind einige Beispiele für Vliesstoffprodukte.

Insbesondere in der Intensiv- und Altenpflege werden aufgrund der besonderen Hygieneanforderungen dazu Einmal-Produkte verwendet, die aus Vliesstoffen gefertigt sind. Momentan sind deutliche Engpässe bei der Produktion dieser Materialien zu beobachten. Für die Klasse der Meltblown-Vliesstoffe gestaltet sich eine Effizienzsteigerung der Produktion jedoch schwierig, weil Meltblown-Prozesse hochsensitiv auf Prozessschwankungen und Materialunreinheiten reagieren.  
 
Vlies ist zwar nicht gleich Vlies, aber allen industriell gefertigten Vliesstoffen verhältnismäßig gleich ist das grobe Prinzip ihrer Produktion: Geschmolzenes Polymer wird durch viele feine Düsen gepresst, in einem Luftstrom stark verstreckt und abgekühlt und so zu den typischen weißen Bahnen abgelegt. »Meltblown« heißt der FeinstfaserProzess, dessen Vliesstoffe dafür verantwortlich sind, dass in Gesichtsmasken die entscheidende Filterfunktion gegeben ist.  
 
Bei der Meltblown-Technologie werden nichtgewebte Stoffe direkt aus Granulat hergestellt. Ein spezielles Spinnverfahren in Kombination mit Hochgeschwindigkeits-Heißluft kommt zum Einsatz, um feinfaserige Vliesstoffe mit unterschiedlichen Strukturen zu produzieren. Die Fäden werden durch die turbulente Luftströmung hochgradig verstreckt. Dabei verwirbeln sie in der Luft, verschlingen sich und fallen mehr oder weniger zufällig auf ein Transportband, wo sie weiter verfestigt werden – ein sehr komplexer Prozess. Weltweit bemühen sich Vliesstoffhersteller, ihre Produktionskapazitäten massiv zu steigern.  
 
Digitaler Zwilling optimiert Meltblown-Prozess     
Hier kommt die Software des ITWM ins Spiel. »Mit unserem Fiber Dynamics Simulation Tool FIDYST werden die Bewegungen der Fasern, ihr Fallen und die Ausrichtung, mit der sie auf einem Transportband landen, vorausgesagt. Je nach Prozesseinstellungen entstehen spezifische Turbulenzen und damit Vliesqualitäten, die sich in Struktur, Faserdichte und Festigkeit unterscheiden«, erklärt Dr. Walter Arne vom Fraunhofer ITWM. Er beschäftigt sich am Institut schon seit Jahren mit der Simulation von verschiedenen Prozessen rund um Fäden, Fasern und Filamente.

Die Methodik ist gut übertragbar auf Meltblown-Prozesse. Bei diesen liegt eine der Besonderheiten auf der Simulation der Filamentverstreckung im turbulenten Luftstrom – wie die Verstreckung verläuft, die Dynamik der Filamente und die Durchmesserverteilung. Das sind alles komplexe Aspekte, die mit einbezogen werden müssen, aber auch das Strömungsfeld oder die Temperaturverteilung. Die Simulationen der Forschenden am Fraunhofer ITWM ermöglichen dann einen qualitativen und quantitativen Einblick in die Faserentstehung in solchen Meltblown-Prozessen – weltweit einzigartig in dieser Form, wenn es um die Abbildung eines turbulenten Spinnprozesses (Meltblown) geht.

Vliesstoffhersteller profitieren von Simulation
Was heißt das für die Industrie? Die Produktion von technischen Textilien kann so nicht nur deutlich effizienter werden, sondern die Vliesstoffe lassen sich entwickeln, ohne dies vorab in einer Versuchsstätte zu realisieren. Denn die Simulationen helfen, die Prozesse anhand eines digitalen Zwillings zu prognostizieren und dann zu optimieren. So können Produktionskapazitäten bei gleichbleibender Produktqualität gesteigert werden. Simulationen sparen Experimente, erlauben neue Einblicke, ermöglichen systematische Parametervariationen und lösen Upscaling-Probleme, die zu Fehlinvestitionen beim Übergang von der Laboranlage zur Industrieanlage führen können.

Mit langjähriger Expertise einen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten
»Exemplarisch wollen wir dies im Projekt an einer typischen Meltblown-Anlage demonstrieren – hierzu stehen wir mit Partnerunternehmen in Kontakt«, so Dr. Dietmar Hietel, Abteilungsleiter »Transportvorgänge« am Fraunhofer ITWM. »Im Rahmen des Anti-Corona-Programms von Fraunhofer wollen wir so mit unserer gewachsenen Expertise und unserem Netzwerk einen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten«, berichtet Hietel. In seiner Abteilung am Fraunhofer ITWM wird die Forschung im Bereich der technischen Textilien seit rund 20 Jahren verfolgt. Das Projekt ist aufgrund der aktuellen Relevanz nicht nur schnell gestartet, sondern auch mit der Umsetzung und Ergebnissen soll es jetzt schnell gehen: Die Laufzeit ist vom 15.04.2020 bis 14.08.2020 angesetzt. Das Kickoff-Meeting fand am 17.04.2020 per Videokonferenz statt.
 
Das Projekt »Meltblown produktiv« und die Ergebnisse sind sicher interessant für Vliesstoffproduzenten. Die Produktion vieler Massenprodukte wurde in den vergangenen Jahrzehnten vielfach nach Asien ausgelagert; die in Deutschland und Europa verbliebenen Vliesstoffhersteller fokussieren sich eher auf hochwertige technische Textilien. Mittel- und längerfristig sind dies auch wissenschaftliche Vorarbeiten, falls Produktionskapazitäten in Deutschland und Europa durch neue Anlagen ausgebaut werden. Denn eine Lehre aus der Krise wird auch sein, die Abhängigkeit von Produzenten in Asien insbesondere als Vorsorge für Krisenszenarien einzudämmen.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM