BEWERTUNG VON PRODUKTIONSTECHNOLOGIEN FÜR SMART TEXTILES MIT DEM POTENZIAL EINER MATERIALTRENNUNGN FÜR RECYCLING
Abstract
In dieser Untersuchung wird der aktuelle Stand der Technik und Forschung der Produktionstechnologien von Smart Textiles unter Berücksichtigung des Recycling-Aspekts dargestellt. Es wird ein Überblick zu den Produktionstechnologien von Smart Textiles gegeben, und anhand der gefundenen Ergebnisse wird ein geeigneter Herstellungsprozess vorgeschlagen.
Die Ergebnisse zeigen, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, Smart Textile herzustellen. Das 3D-Druckverfahren stellt eine vielversprechende Möglichkeit für eine effiziente und ressourcenschonende Produktion mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten dar. Bisher wird das 3D-Druckverfahren größtenteils zur Erzeugung von Verbindungen zwischen elektronischen Komponenten und dem Aufdrucken von Halterungen untersucht. Damit das Potenzial dieser Technologie vollständig ausgeschöpft werden kann, ist weitere Forschung zur Herstellung von Sensoren und anderen elektronischen Geräten, sowie die Untersuchung der Waschbarkeit der Textilien notwendig. Abschließend wird ein Prozessablauf vorgeschlagen, um Smart Textiles nachhaltig herzustellen unter Berücksichtigung des Aspektes von Recycling.
In zukünftigen Untersuchungen sollten spezifische leitfähige oder abbaubare Materialien sowie ihre elektrischen Eigenschaften in Kombination mit dem 3D-Druckverfahren weiter untersucht werden. Zudem ist es wichtig, umfassende Analysen zum gesamten Herstellungsprozess von der Faser bis zum Smart Textiles durchzuführen. Hinsichtlich des 3D-Druckverfahrens fehlt es aktuell an Forschung bezüglich des großflächigen Bedruckens von Smart Textiles.
Report
Abstract
Einleitung
Smart Textiles, auch bekannt als intelligente Textilien, vereinen Textilien und Elektronik und schaffen multifunktionale Textilien. Ihre Fähigkeit, mit ihrer Umgebung und ihren Benutzern interagieren zu können, hat das Potenzial, unseren Alltag sowie verschiedene Industriezweige zu revolutionieren. Smart Textiles werden in Bereichen wie der Automobilindustrie, dem Bauwesen, dem Sportsektor oder der Medizin eingesetzt und können beispielsweise die Überwachung von Vitalparametern übernehmen. Durch die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung der Welt spielen Smart Textiles eine immer größere Rolle.
Allerdings ist die Herstellung vom Smart Textiles ein komplexer Prozess, der verschiedene Technologien und Materialien erfordert. Häufig eingesetzte Verfahren, wie beispielsweise das Löten, sind nicht sehr nachhaltig und können aufgrund der hohen Temperaturen während der Bearbeitung zur Beschädigung der Textilsubstrate führen. [AS17]
Methode
Anhand einer strukturierten Literaturrecherche (Abbildung 1) werden Datenbanken durchsucht, Ergebnisse gesichtet und anschließen bewertet. Anschließend werden vergangene Forschungsarbeiten zusammengefasst und ein Überblick geschaffen. Die Suche wird in drei Phasen eingeteilt: Planung der Suche, Durchführung der Suche und Dokumentation. Damit wird eine umfassende und erfolgreiche Suche sichergestellt. Um möglichst viele und relevante Quellen zu erfassen, werden mehrere Datenbanken abgedeckt und eine Vorwärts- und Rückwärtsrecherche durchgeführt. Abschließend werden die Ergebnisse hinsichtlich Zukunftspotential, Wirtschaftlichkeit und Automatisierbarkeit bewertet.
s. Abbildung 1: Ablauf systematischer Literaturrecherche. Quelle: [BSN+19; XW19]
Ergebnisse
Auswertung bestehender Produktionsverfahren
Folgende Produktionsprozesse für Smart Textiles wurden in die Analyse mit einbezogen.
- Direktes Löten
- Roboterunterstütztes Ultraschalllöten
- Nd: YAG-Laserlöten
- Ultraschallplastikschweißen
- 3D-Druckverfahren
- Flüssiger Metalldruck
- Dampfbeschichten
- Nanobeschichten
- Siebdruckverfahren
- Transfersiebdruckverfahren
- Integration faserbasierter Elektronik
- Nahtlose Integration
Einige Produktionsverfahren für Smart Textiles haben sich bereits in anderen Industriezweigen bewährt und zeigen sich als effiziente Option für die Herstellung Smart Textiles.
Das „direkte Lötverfahren“, „roboterunterstützte Ultraschallöten“, „Transfersiebdruck- bzw. Siebdruckverfahren“, „Nanobeschichtungsverfahren“ und das „Ultraschallplastikschweißen“ sind bereits etablierte Verfahren. Sie sind in der Lage große Produktionsmengen effizient zu verarbeiten oder in Rolle-zu-Rolle Produktionen integriert zu werden. Zudem bieten die Verfahren „direktes Löten“ und „Siebdruckverfahren“ kurze Prozesszeiten und geringe Kosten.
Verfahren wie das „Nd: YAG-Laserlöten“, die „Integration faserbasierter Elektronik“, „Dampfbeschichtungsverfahren“ und „flüssig Metall-Druckverfahren“ sind wiederum weniger gut geeignet, um große Mengen herzustellen. Obwohl sie vielversprechende Ansätze darstellen, erfordern sie aktuell noch weitere Forschung und technologische Fortschritte. Bei den Verfahren „roboterunterstütztes Ultraschalllöten“ und der „faserbasierte Integration“ ist außerdem mit hohen Anschaffungs- und Materialkosten zu rechnen.
Nachhaltigkeit
In Bezug auf Nachhaltigkeit stellt der Einsatz von Silber in Verfahren wie dem „direkten Löten“ und dem „roboterunterstützten Ultraschallöten“ Bedenken dar. Silber ist eine begrenzte Ressource und braucht für seine Gewinnung einen hohen Energie- und Wasserverbrauch. Zudem kann die Wiederverwendung von Silber sehr anspruchsvoll werden und spezielle Verfahren erfordern, die ebenfalls mit sehr hohem Energieverbrauch und Kosten verbunden werden. Auch besteht die Gefahr, dass während des Lötens die Textilsubstrate beschädigt werden, wodurch zusätzlicher Abfall entsteht. Ebenfalls stellt das Trennen von Lot und Textil eine Herausforderung dar, wodurch Reparaturen oder der Austausch kaputter Komponenten, ohne Beschädigung des Textils, sehr schwer durchführbar sind.
Analoges Verhalten gilt für die Verfahren „roboterunterstütztes Ultraschallöten“, „Nd: YAG-Laserlöten“ und dem „Siebdruckverfahren“, die ebenfalls silberhaltige Lote und Lösungen verwenden. Auch nahtlose „Integrationsverfahren für faserbasierte Elektronik“ erweisen sich nicht als sehr nachhaltige Verfahren, obwohl sie stark im Fokus der Forschung stehen. Es sind aufwendige Verfahren, die aus mehreren Prozessschritten bestehen, beginnend mit der Herstellung der faserbasierten Elektronikgarne, über die Einarbeitung ins Gewebe bis hin zur Erstellung leitfähigen Verbindung. [MHG20; HHY19]
Im Gegensatz dazu zeigen das „Dampfbeschichtungsverfahren“ und das „Nanobeschichtungsverfahren“ nachhaltigere Merkmale, da sie umweltfreundliche und organische Gemische verwenden. Ebenfalls zeichnet sich das „3D-Druckverfahren“ durch seinen genauen Materialverbrauch als ressourcenschonendes Verfahren aus, mit der Abfall vermieden und Ressourceneffizienz gesteigert wird. [AZC+18; FHB+16] Im Vergleich zu den anderen Fertigungsverfahren verwendet das „3D-Druckverfahren“ weniger Rohmaterial, Wasser, Energie und Chemikalien. Defekte Komponenten können leicht ausgetauscht und repariert werden. Darüber hinaus können recyclebare Materialien sowie verschiedenen Materialkombinationen eingesetzt werden, um verschieden Eigenschaften zu erreichten.
Das „3D-Druckverfahren“ ermöglicht die Erstellung komplexer Formen und individueller Strukturen, die aufgeschmolzen und erneut für den Druck wiederverwendet werden können. Es kann sowohl zum Verbinden von Komponenten eingesetzt werden als auch zur Erstellung von Halterungen für SMD-Komponenten oder zur Einkapselung der Elektronik. Im Vergleich zu den anderen Verfahren kann auch mit deutlich weniger Anschaffungs- und Materialkosten gerechnet werden. Laufende Textilherstellungsprozesse müssen bei ihrer Integration nicht unterbrochen werden, sondern können als Add-On-Verfahren nach der Textilherstellung in die Prozesskette integriert werden. Zudem können durch die Auswahl der Filamente, Belastbarkeit und Flexibilität entsprechend kundenspezifische Anforderungen ausgesucht werden. Auch können einzelnen Komponenten problemlos entfernt und recycelt werden, was mit unlöslichen Verbindungen wie dem „direkten Lötverfahren“ oder der „faserbasierten Integration“ nicht möglich ist. Durch den Einsatz von Kunststoffmaterialien wird zudem auf begrenzte Ressourcen verzichtet und mit alternativen Materialien wie biobasierte Kunststoffe besteht die Möglichkeit den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. [Gon23; GGY+22; KGK22]
Recycling
Aktuell fehlen konkrete Recyclingverfahren, wie es sie für die Textil- oder Elektronikindustrie gibt. Allerdings gibt es zwei Ansätze zum Recyclen von Smart Textiles Komponenten.
Es besteht zum einen die Möglichkeit, recycelte SMD-Komponenten aus anderen Einsatzbereichen in Smart Textiles einzusetzen. Hierbei sollen die zu recycelten SMD-Komponenten mittels eines UV-härtenden, nicht leitenden Acrylklebstoff auf das elektrisch leitfähige Textilband angebracht und ausgehärtet werden. Folgende Schritte werden bei diesem Ansatz durchlaufen:
- Sammeln der Produkte am Ende ihrer Lebensdauer.
- Entfernen der Textilbänder.
- Band auf Oberfläche mit Aceton für 20 Minuten mit Komponenten nach oben platzieren.
- Band aus Aceton nehmen und Komponenten manuell mit Pinzette oder automatisch mit industriellem Roboterarm entnehmen.
- Umweltfreundliche Entsorgung von gebrauchten Band- und Kleberückständen.
- Visuelle und funktionelle Kontrolle der entfernten Komponenten und in drei Gruppen einsortieren: Perfekt Komponenten, Komponenten mit geringfügigen mechanischen Schäden ohne Beeinträchtigung ihrer Funktion und beschädigte Komponenten.
- Reinigung der Komponenten und Rückstände mit Isopropylalkohol.
- Herstellung neuer Proben mit den neuen Bändern und gebrauchten Komponenten.
- Funktionstest der neuen Proben und einsortieren in zwei Qualitätskategorien: perfekt, und zweite Qualität. [HBN+23]
Zum anderen besteht die Möglichkeit, das Textilsubstart des Smart Textiles zu recyclen und wieder zu verwendeten. Dafür müssen die Webstühle angepasst werden, sodass eine vollständige Entwirrung des Garns am Ende seiner Lebenszeit möglich wird und diese gewaschen und wiederverwendet werden kann. Diese Methode kann erweitert werden, indem ein Smart Textile aus verschiedenen unabhängigen Modulen zusammengesetzt wird, die individuell aufgelöst und verändert werden können. Dies ermöglicht eine hohe Anpassbarkeit an individuelle Bedürfnisse sowie eine einfache Austauschbarkeit defekter Komponenten, ohne das gesamte Produkt wegwerfen zu müssen [WD20]
Bewertung der Produktionsprozesse
Auf Basis der Auswertung der Produktionsverfahren und der diskutierten Nachhaltigkeits- sowie Recycling-Aspekte werden die Verfahren anhand einer Skala von 1 bis 3 bewertet (Tabelle 1).
Verfahren | Skalierbarkeit | Nachhaltigkeit | Wirtschaftslichkeit |
---|---|---|---|
Direktes Löten | 3 | 1 | 2 |
Roboterunterstütztes Ultraschalllöten | 3 | 1 | 2 |
ND: Yag-Laserlöten | 1 | 1 | 2 |
Ultraschallplastikschweißen | 2 | 2 | 2 |
3D-Druckverfahren | 2 | 3 | 2 |
Flüssiger Metalldruck | 1 | 1 | 1 |
Dampfbeschichten | 2 | 2 | 2 |
Nanobeschichten | 2 | 2 | 2 |
Siebdruckverfahren | 3 | 1 | 2 |
Transfersiebdruckverfahren | 1 | 1 | 2 |
Integration faserbasierter Elektronik | 3 | 1 | 1 |
Nahtlose Integration | 1 | 1 | 1 |
s. Abbildung 2: Prozessablauf mit 3D-Drucker
Das Textilsubstrat wird entwirrt und zu weiteren Produkte verarbeitet.
Dieser Prozessablauf kann einen ersten Ansatz einer Kreislaufwirtschaft darstellen, um Smart Textiles nachhaltig zu produziert.
Diskussion
Im Rahmen dieser Untersuchung wird deutlich, dass es Produktionsverfahren gibt, die das Potenzial der Skalierbarkeit besitzen. Obwohl die faserbasierte Integration von Elektronikkomponenten stark im Fokus der Forschung steht, ist es kein nachhaltiges und ressourcenschonendes Verfahren. Das 3D-Druckverfahren stellt dagegen eine attraktive Alternative dar, da es den Recycling-Aspekt mitberücksichtigt. Zudem ist erkennbar, dass es aktuell an Recyclingverfahren für Smart Textiles fehlt, wie es sie in der Textil- oder Elektronikindustrie gibt und Recyclingansätze nur begrenzt vorhanden sind.
Literaturverzeichnis
[XW19] Xiao, Y.; Watson, M.:
Guidance on Conducting a Systematic Literature Review
Journal of Planning Education and Research. 39 (2019
Contact: robin.oberle@ita.rwth-aachen.de
1 RWTH Aachen – Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University (Germany)
Arbeitsgruppenleiter: Robert Boich – Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen Univer-sity (Germany)
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