Textile Leadership

Zurücksetzen
4 Ergebnisse
Firefighter Foto Andrea auf Pixabay
20.09.2023

Intelligente Textilien als Schutz vor PAK-Giftstoffen

Fraunhofer IWS unterstützt Industriepartner bei der Entwicklung neuer Feuerwehrschutzanzüge.
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) gelten als gesundheitsschädlich, insbesondere auch als potenzielle Krebserreger. Entstehen können die molekularen Verbindungen aus Kohlen- und Wasserstoffatomen beispielsweise bei Hausbränden, wenn etwa Matratzen, Vorhänge, Holzbalken, Kunststoff oder andere Gegenstände aus organischen Materialien brennen.

Fraunhofer IWS unterstützt Industriepartner bei der Entwicklung neuer Feuerwehrschutzanzüge.
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) gelten als gesundheitsschädlich, insbesondere auch als potenzielle Krebserreger. Entstehen können die molekularen Verbindungen aus Kohlen- und Wasserstoffatomen beispielsweise bei Hausbränden, wenn etwa Matratzen, Vorhänge, Holzbalken, Kunststoff oder andere Gegenstände aus organischen Materialien brennen.

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe PAK gelangen über die Haut in den Körper und lagern sich im Fettgewebe ab. Weil die menschlichen Abwehrsysteme die ringförmigen Kohlenstoffverbindungen nicht kennen, baut der Körper diese Schadstoffe nicht ab – sie akkumulieren und konzentrieren sich. Dadurch steigt über die Jahre hinweg die Karzinom-Gefahr. Bei korrekt angelegter Schutzkleidung ist dieses Risiko laut Untersuchungen der »Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung« (DGUV) zwar begrenzt. Wenn Feuerwehrkräfte jedoch über Jahrzehnte im Einsatz sind, können kleine Unachtsamkeiten zu problematischen Belastungen führen.

Um die Feuerwehr vor diesen Risiken besser zu schützen, hat das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft die Basis für die Entwicklung neuartiger Anti-PAK-Schutzanzüge gelegt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Vorhaben im Rahmen des Programms »Forschung für die zivile Sicherheit« bis Dezember 2023 mit 1,24 Millionen Euro.
 
Das innovative Schutzkonzept der neuen Anzüge umfasst High-Materialien und intelligente Überwachung: Moderne Vliese als zentraler Bestandteil der Schutzanzüge verhindern wirkungsvoll den Kontakt der Haut mit den Schadstoffen. In die Gewebe werden außerdem Ultraviolett-Sensoren integriert, die feststellen, wann der textile Schutzschild mit PAK gesättigt ist und ausgetauscht werden muss. Das bedeutet eine doppelte Sicherheit für das Rettungspersonal. Die ersten Feuerproben in Brandcontainern hat die neue Schutzkleidung bereits bestanden.

PAK-Anreicherung über ein ganzes Berufsleben hinweg erhöht Krebsrisiko
»Bei einem einzelnen Einsatz mögen es womöglich nur wenige Mikrogramm PAK sein, die durch Öffnungen im Schutzanzug auf die Haut gelangen«, erklärt Felix Spranger, Gruppenleiter Gas- und Partikelfiltration am Fraunhofer IWS. »Das Gefährliche an den PAK besteht darin, dass sie sich bei Feuerwehrleuten über ein ganzes Berufsleben hinweg immer weiter im Körper anreichern können. Studien aus Deutschland und den USA belegen verstärkt auftretende Krebserkrankungen in dieser Berufsgruppe. Daher war es so wichtig, Lösungen zu finden, die neue technologische Ansätze wie intelligente Textilien einbeziehen.« Dafür hat sich das Fraunhofer IWS im Jahr 2020 mit vier weiteren Partnern zum Projekt »3D-Funktionsvliesstoffe mit integrierter Gassensorik für die Schutzbekleidung von Einsatzkräften« (3D-PAKtex) zusammengetan. Um Feuerwehrleute künftig vor den schädlichen PAK in Rauchgasen und Rußwirbeln in brennenden Häusern zu schützen, verfolgten die Verbundpartner ein zweigleisiges Konzept: Einerseits stand die Entwicklung von vliesbasierten neuen Filtern im Fokus, andererseits ein Sensorkonzept, um deren Funktionsfähigkeit zu überwachen.
 
Aktivkohle-Vliese filtern Ringmoleküle aus dem Rauchgas
Das Fraunhofer IWS identifizierte zunächst passende poröse Aktivkohlen, die PAK besonders gut binden. Diese Adsorbentien fixierte der Projektpartner Norafin mit speziellen Bindern in für Brandeinsätze optimierte Vliesstoffe. Die neuen Zusatzvliese integrierte der Partner S-GARD in einen Demonstrationsanzug: An Ärmelöffnungen, Bünden und anderen Stellen ergänzte der Hersteller kleine Verschlusstaschen, die per Druckknopf die neuen Zusatzfilter an jenen Punkten aufnehmen können, an denen die Rauchgase im ungünstigsten Falle trotz aller Isolierungen dennoch in den Schutzanzug gelangen könnten. Strömt dort Rauchgas vorbei, bindet das Vlies die Giftstoffe.

Zudem versah Projektpartner JLM Innovation die neuen Filtervliese mit eigens entwickelten Überwachungssensoren, die auf dem Prinzip der Fluoreszenz-Spektroskopie basieren. Diese Mini-Spektrometer senden Ultraviolettlicht einer genau definierten Wellenlänge aus. Treffen diese UV-Strahlen auf PAK, absorbieren die Ringmoleküle zunächst deren Energie und senden dann auf einer leicht veränderten Wellenlänge andere UV-Strahlen zurück. Die Sensoren messen das zurückgesandte Licht aus: Je intensiver es ist, umso höher ist die PAK-Konzentration im Vlies. Eine elektronische Kontrolleinheit in der Brusttasche der Feuerwehrkraft wertet diese Daten aus und sendet sie per Bluetooth-Funk an ein Smartphone. Die Entwicklung und Implementierung einer maßgeschneiderten Software übernahm ATS Elektronik. Damit können die Retter in Uniform in Echtzeit sehen, wie sich ihre PAK-Filter füllen und wann sie ausgetauscht werden müssen.

In Labortests haben die neuen Vlies-Aktivkohle-Filter die PAK-Last im Rauchgas bereits erheblich gesenkt. Daran schlossen sich praxisnahe Simulationen in Brandcontainern an: Erfahrene Tester streiften die Anzug-Prototypen über, zündeten in einem abgeschirmten Container zunächst Matratzen, dann Gummireifen und weitere Testobjekte an, um die neue Schutzkleidung in unterschiedlichen Brandszenarien auszuprobieren.

»Wir werden diese Befunde gründlich auswerten und weiter den Markt beobachten, um fundiert über eine mögliche Serienproduktion entscheiden zu können«, kündigte Jonas Kuschnir von S-GARD an. Freilich sei der neue Schutzansatz gegen PAK auch mit gewissen Mehrkosten verbunden, doch die Projektergebnisse seien vielversprechend.
 
Hohes Marktpotenzial für intelligente Textilien erwartet
Wie auch immer diese Entscheidung ausgehen wird, »3D-PAKtex« hat in jedem Fall zu einem erheblichen Expertise-Zugewinn der Verbundpartner geführt. Das Thema wird auch das Fraunhofer IWS weiter beschäftigen. Felix Spranger: »Wir sehen noch einige Ansätze, um beispielsweise die Sensoren und die Schnittstellen der neuen Schutztechnik weiter zu verbessern. Aus Rückmeldungen wissen wir, dass die Industriepartner noch großes Potenzial in derartigen smarten Textilien sehen, auch jenseits von Feuerwehrschutzkleidung.«

Das deckt sich auch mit den Befunden internationaler Beobachter. So gehen die Analysten des britischen Marktforschungs-Unternehmens »IDTechEx« davon aus, dass der Markt für elektronisch aufgewertete beziehungsweise »intelligente« Textilien bis 2033 auf umgerechnet rund 713 Millionen Euro wachsen wird. Zu erwarten seien jährliche Zuwachsraten von durchschnittlich 3,8 Prozent.

Projektpartner »3D-PAKtex«

  • Das Fraunhofer IWS bringt seine Expertise bei der Auswahl von Filtermaterialien und in der Analytik ein
  • Norafin Industries aus Mildenau im Erzgebirge stellt technische Textilien her
  • Die Hubert Schmitz GmbH (»S-GARD«) aus Heinsberg produziert Feuerwehr-Schutzkleidung
  • Der Sensorik in den intelligenten Textilien widmete sich die JLM Innovation GmbH aus Tübingen
  • Die benötigte Software entwickelt die ATS Elektronik aus Wunstorf
Quelle:

Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS

Komponenten der ConText-Infrastruktur im Berlin Open Lab. Komponenten der ConText-Infrastruktur im Berlin Open Lab. © DFKI
15.03.2023

Smart Home: Textilbasierte Lösung zur nahtlosen Integration von IoT-Geräten

Immer mehr Menschen statten ihre Wohnung mit intelligenten, vernetzten Geräten aus. Doch nicht immer befinden sich die benötigten Anschlüsse dort, wo sie gebraucht werden. Die Lösung sind smarte Textiloberflächen, die Wände und Böden im Wohnbereich für kabelbasierte Stromversorgung und Kommunikation nutzbar machen. Entwickelt wurde die innovative Technologie von einem Konsortium unter Koordination des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt ConText.
 

Immer mehr Menschen statten ihre Wohnung mit intelligenten, vernetzten Geräten aus. Doch nicht immer befinden sich die benötigten Anschlüsse dort, wo sie gebraucht werden. Die Lösung sind smarte Textiloberflächen, die Wände und Böden im Wohnbereich für kabelbasierte Stromversorgung und Kommunikation nutzbar machen. Entwickelt wurde die innovative Technologie von einem Konsortium unter Koordination des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt ConText.
 
Die Möglichkeiten, Wohnumgebungen intelligent zu gestalten, sind vielfältig. Dank des sogenannten Internets der Dinge (Internet of Things, IoT) lassen sich Wohngegenstände heute so miteinander vernetzen, dass sie den Alltag in vielerlei Hinsicht erleichtern. Allerdings fehlt es in privaten Haushalten in der Regel an flächendeckenden Niederspannungs- und Kommunikationsanschlüssen, um IoT-Komponenten wie Temperatursensoren, Mikrofone oder Lichtsignale an den gewünschten Orten zu installieren. Daher funktionieren die Geräte meist mit Batterien und Funktechnologien, was sie anfällig für Störungen und Ausfälle macht.

Textilbasierte Stromversorgung, Kommunikation und Interaktion
Doch wie kann dem Wunsch nach Gestaltungsfreiheit und Flexibilität beim Einsatz von Smart-Home-Systemen bei gleichzeitigem Verzicht auf unvorteilhafte Energieversorgung und Datenkommunikation entsprochen werden? Mit dieser Frage beschäftige sich seit Juli 2019 ein Verbund aus Industrie- und Forschungspartnern in dem nun abgeschlossenen Projekt ConText („Connecting Textiles“). Inspiriert von den Möglichkeiten intelligenter textiler Materialien, wie sie bereits heute bei der Herstellung smarter Kleidung zum Einsatz kommen, untersuchten die Partner das Potenzial elektronischer Textilien für die kabelbasierte Niederspannungsversorgung und Kommunikation in Rauminnenflächen. In einem explorativen und nutzungsorientierten Prozess entwickelten sie eine Infrastruktur, die die Vorteile kabelgebundener Verbindungen nutzt und sich zugleich unsichtbar in Textiloberflächen integrieren lässt. Die sogenannten Connecting Textiles ermöglichen nicht nur die flexible Anbringung von Aktoren und Sensoren im Wohnbereich mittels frei positionierbarer Patches, sondern auch die Stromversorgung und die Kommunikation mit Smart-Home-Systemen. Zudem stellt die entwickelte Infrastruktur haptische Interaktionsmodalitäten zur intuitiven Steuerung von IoT-Geräten bereit.
 
Demonstratoren stellen Infrastruktur über textile Tapete bereit
Im Projekt gefertigte Demonstratoren setzen die Connecting Textiles beispielhaft anhand einer Tapete um. Diese besteht aus mehreren Schichten: einer magnetischen Rückschicht, die die Haftung zwischen den Patches und der Tapete erhöht, einer Funktionsschicht mit eingewebten Leiterbahnen, die den Strom vertikal durch die Tapete verteilen, und einer dekorativen Deckschicht. Zur Realisierung der Leiterbahnen untersuchten die Partner verschiedene gewebte und nicht-gewebte Materialien, wie sie heute für Standardtapeten verwendet werden, sowie unterschiedliche Verarbeitungstechniken, darunter Siebdruck und Weben. Dabei erwiesen sich die gewebten Proben aufgrund ihrer vergleichsweisen hohen Leitfähigkeit als für die Funktionsschicht am geeignetsten. Die elektrische Kontaktierung einer Tapetenbahn erfolgt über die Sockelleiste, die auch benachbarte Tapetenbahnen miteinander verbindet, um großflächige Anwendungen zu ermöglichen. Die Leiste enthält zudem die notwendige Elektronik sowie Funktionen, die den Stromfluss überwachen, um mögliche Schäden an der Tapete oder falsch angebrachte Bahnen zu erkennen.

Nutzerorientierte Entwicklung intuitiver Interaktionselemente
Als zentrale Interaktionselemente der Connecting Textiles dienen funktionale Patches, die sich entweder mithilfe von Magneten oder mittels an der Rückseite befestigter Mikronadeln flexibel an der Tapete anbringen lassen. Die Patches können entweder eine IoT-Funktionalität enthalten, z.B. einen Sensor, oder ein oder mehrere IoT-Geräte miteinander verbinden, um sie in das Smart-Home-System zu integrieren. Die Steuerung und Konfiguration der Geräte kann auch direkt auf der Tapete über ein zusätzliches, mittels Siebdruck auf Textil konfektioniertes Interaktionsfeld erfolgen. Eine Mustererkennungssoftware erfasst die Grundmuster von Gesteninteraktionen und ermöglicht es, Steuerungsgesten und Interaktionsfolgen selbst zu definieren. Das Interaktionskonzept wurde im Projekt partizipativ unter direkter Beteiligung von Nutzenden entwickelt und evaluiert.
 
Dr. Serge Autexier, ConText-Projektleiter am DFKI-Forschungsbereich Cyber-Physical Systems: „Dank des Engagements und der sehr guten Zusammenarbeit der Projektpartner ist es uns gelungen, die Umsetzbarkeit von Connecting Textiles als flexibles, adaptierbares und leicht konfigurierbares Interaktionsmedium zu demonstrieren, das sich nahtlos in Smart Homes integrieren lässt. Damit eröffnen sich nicht nur neue Möglichkeiten für die Konfektion funktionaler Textiloberflächen, sondern auch für die Entwicklung neuartiger IoT-Anwendungen und die kreative Gestaltung personalisierter Mensch-Umgebungs-Interaktionen über den Anwendungskontext von Wohnumgebungen hinaus.“

Einer der im Rahmen des Projekts entwickelten Demonstratoren ist als Teil der Smart-Home-Umgebung in die Infrastruktur des Bremen Ambient Assisted Living Lab (BAALL) des DFKI integriert.
ConText wurde vom 1. Juli 2019 bis 31.12.2022 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Zu den Projektpartnern gehörten:

  • DFKI – Forschungsbereich Cyber-Physical Systems, Bremen
  • DFKI – Forschungsbereich Interaktive Textilien, Berlin
  • Robert Bosch GmbH, Renningen
  • Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF), Denkendorf
  • Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM), Bremen
  • Norafin Industries (Germany) GmbH, Mildenau
  • Peppermint Holding GmbH, Berlin
  • Innovative Living Institute GmbH & Co.KG, Mülheim an der Ruhr (im Unterauftrag)
Weitere Informationen:
Smart Home Tapeten Stromversorgung KI
Quelle:

Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz

(c) Gestamp
23.08.2022

Grüne Faserverbundwerkstoffe statt Stahl bei Fahrwerksteilen

Gestamp, das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT und weiteren Projektpartner stellen sich der wissenschaftlichen Herausforderung, Fahrwerksteile aus grünem Faserverbundwerkstoffen für Serienfertigungen zu entwickeln. Das breit aufgestellte Eco Dynamic SMC-Konsortium bündelt Expertise aus der Luft- und Raumfahrt sowie Automobilindustrie und Wissenschaft.

Mobilitätsanforderungen unterliegen einem ständigen Wandel. Aufgrund neuer Abgasvorschriften und der zunehmenden Elektromobilität bleiben Leichtbau und Sicherheit Treiber für zukunftsfähige Automobil- und Mobilitätsanwendungen. Der nachhaltige Umgang mit begrenzten Ressourcen und die verpflichtende Reduktion der CO2-Emissionen während des Produktionsprozesses und der Fahrzeuglebensdauer stehen nun neben der Performance einzelner Fahrzeugteile im Fokus.

Gestamp, das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT und weiteren Projektpartner stellen sich der wissenschaftlichen Herausforderung, Fahrwerksteile aus grünem Faserverbundwerkstoffen für Serienfertigungen zu entwickeln. Das breit aufgestellte Eco Dynamic SMC-Konsortium bündelt Expertise aus der Luft- und Raumfahrt sowie Automobilindustrie und Wissenschaft.

Mobilitätsanforderungen unterliegen einem ständigen Wandel. Aufgrund neuer Abgasvorschriften und der zunehmenden Elektromobilität bleiben Leichtbau und Sicherheit Treiber für zukunftsfähige Automobil- und Mobilitätsanwendungen. Der nachhaltige Umgang mit begrenzten Ressourcen und die verpflichtende Reduktion der CO2-Emissionen während des Produktionsprozesses und der Fahrzeuglebensdauer stehen nun neben der Performance einzelner Fahrzeugteile im Fokus.

Gestamp arbeitet für ein umweltfreundlicheres und sichereres Fahrzeug, um so seinen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels zu leisten. Hierbei spielt Gewichtsreduktion ein zentrales Thema, da ein leichteres Auto bei seinem Einsatz weniger Emissionen ausstößt. Aus diesem Grund beteiligen sich Gestamp, das Fraunhofer-Institut für chemische Technologie ICT und weitere Konsortialpartner an dem ECO Dynamic SMC-Projekt.

Aufgrund seiner guten Materialeigenschaften, Recyclingfähigkeit und weltweiten Verfügbarkeit ist Stahl in der Automobil- und Mobilitätsindustrie nach wie vor häufig das Material der Wahl und wird dies sicherlich auch in Zukunft bleiben. Der Trend geht aber zu neuen Materialien, die das Spektrum erweitern und das Motto „das richtige Material am richtigen Ort“ erfüllen. Faserverbundwerkstoffe bieten exzellentes Leichtbaupotenzial und hervorragende Sicherheitsmerkmale. Der Einsatz von recycelbaren Materialien führt zu einer guten Balance zwischen Energieverbrauch, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit.

Faserverbundwerkstoffe werden aktuell bereits bei Großserienfertigungen von Karosserieteilen eingesetzt, jedoch nicht bei Fahrwerkskomponenten in der Automobilindustrie sowie Luft- und Raumfahrt. Das Eco-Dynamic-SMC-Projekt stellt sich dieser Herausforderung, indem es einen geschlossenen Entwicklungskreislauf für einen automobilen Fahrwerks-Querlenker in Serienfertigung sowie ein Aufhängungsteil eines Motorseglers entwickelt. In beiden Fällen wird Stahl durch Faserverbundwerkstoff ersetzt, um die „CF-SMC“-Technologie für fahrdynamische und sicherheitsrelevante Fahrwerkskomponenten in Großserienfertigung zu implementieren.

Das im Oktober 2021 eingeführte und vom Bundesministerium für Energie und Klimaschutz geförderte Projekt Eco Dynamic SMC (Förderkennzeichen: 03LB3023A) befasst sich mit der wissenschaftlichen Problemstellung der Entwicklung eines umfassenden kontinuierlichen Entwicklungsprozesses für Faserverbund-Bauteile, die die OEM-Zulassungsverfahren erfüllen. Die Zusammenarbeit zwischen Universitäten, akademischen Instituten und Unternehmen aus verschiedenen relevanten Branchen im Rahmen des Eco Dynamic SMC Projekts fördert den Technologie- und Erfahrungstransfer über Branchengrenzen hinweg. Gestamp ist Leiter des Konsortiums.

Heutzutage sind kontinuierliche Entwicklungsprozesse für Metalle etabliert und es existiert eine definierte Vorgehensweise auf Basis verfügbarer Werkstoffdaten zur Fertigung, Produktsimulationen und spezifischer Werkstoffkennwerte, wie Umformbarkeit, Dauerfestigkeit, Steifigkeit, Dehnratenverhalten oder Schweißbarkeit.

Begonnen wird mit der Entwicklung eines digitalen Schattens aus der Rohmaterialherstellung, um Fasergehalt und Gewicht des Materialstapels vor der Übertragung in das Werkzeug zu kennen. Eine umfassende Materialcharakterisierung bildet die Grundlage für die Integration der Materialeigenschaften und der Faserorientierung aus dem Herstellungsprozess in die Produktentwicklungssimulation. Am Ende der Entwicklungsphase wird ein Prototyp gefertigt und als Bauteil an einem Versuchsfahrzeug getestet, um das mechanische und akustische Verhalten zu bewerten.

Im zweiten Projektstrang wird ein Aufhängungsteil für einen Motorsegler entwickelt, indem die gleiche Strategie des geschlossenen Kreislaufs von Prozess- und Produktentwicklung verfolgt wird.

Neben der Erstellung des Entwicklungskreislaufs widmet sich das Projekt Eco Dynamic SMC weiteren Kernaspekten wie einer guten CO2-Bilanz, einem Recyclingkonzept, optimiertem Materialeinsatz, reduziertem Energieverbrauch sowie dem schonenden Umgang mit Ressourcen.

Eco Dynamic SMC Konsortium
Die Mitglieder des Projektkonsortiums: Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT, Karlsruher Institut für Technologie, DG Flugzeugbau GmbH, Koller Formenbau GmbH, Schmidt & Heinzmann GmbH & Co.KG, Toray Industries Europe GmbH, Vibracoustic SE, Gestamp Autotech Engineering Deutschland GmbH.

Verbundene Partner: BMW AG, Premium Aerotec GmbH

Gestamp
Gestamp ist ein multinationaler Konzern spezialisiert auf das Design, die Entwicklung und die Fertigung hochentwickelter Metallkomponenten für nahezu alle internationalen Automobilbauer. Das Unternehmen entwickelt Produkte mit einem innovativen Design, um Fahrzeuge sicherer und leichter zu machen und gleichzeitig durch einen geringeren Energieverbrauch und niedrigere CO2-Emissionen die Umwelt zu schonen. Gestamp produziert Karosserie-, Fahrwerks- und Mechanikteile.

Weltweit arbeiten rund 40.000 Mitarbeitende an mehr als 100 Produktionsstandorten und 13 F&E Zentren in 24 Ländern für Gestamp. Der Unternehmensumsatz 2021 betrug 8.093 Millionen Euro. Gestamp ist an der spanischen Börse (Ticker „GEST) gelistet.

Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT
Der Hauptcampus beherbergt mehr als 100 Laboratorien, Pilot Werke und Testzentren auf einer Gesamtfläche von 21 Hektar. Die Forschungsausrichtung ermöglicht es, Forschung- und Entwicklungs-Tätigkeiten in diesem Bereich mit großen Demonstrationsanlagen zu verbinden. Bei Forschungen liegt der Fokus auf der Skalierbarkeit von Prozessen, darüber hinaus auf den Transfer von Forschungsergebnissen aus dem Labor auf den Technikumsmaßstab, und in manchen Fällen auf Vorserien-Anwendung.

Kunden und Projektpartner sind Unternehmen der Chemie- und Verfahrenstechnik, Automobilhersteller und deren Zulieferer, die kunststoffverarbeitende Industrie, Materialhersteller, Recyclingunternehmen, Unternehmen aus dem Bereich Energie und Umwelt, Kunden aus Sicherheitsbranche, die Bauindustrie und dem Luftfahrtsektor.

Quelle:

Gestamp; Fraunhofer ICT

(c) Photographer & visual artist Patrick Klein Meuleman
09.08.2022

Zweite Haut: e-Textiles neu definiert

Im Rahmen des Europäischen STARTS Projektes Re-FREAM forschten Designer, Technologen und Wissenschaftler gemeinsam an zukünftigen sowie nachhaltigen Technologien für die Textilindustrie. Im Forschungsschwerpunkt e-Textiles arbeitete die Fashion Tech Expertin Malou Beemer aus den Niederlanden mit einem internationalen Team bestehend aus Profactor, EMPA, Wear It Berlin und dem Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM an adaptiven Kleidungsstücken, die sich praktischen und sozialen Bedürfnissen der Nutzer anpassen können.

Im Rahmen des Europäischen STARTS Projektes Re-FREAM forschten Designer, Technologen und Wissenschaftler gemeinsam an zukünftigen sowie nachhaltigen Technologien für die Textilindustrie. Im Forschungsschwerpunkt e-Textiles arbeitete die Fashion Tech Expertin Malou Beemer aus den Niederlanden mit einem internationalen Team bestehend aus Profactor, EMPA, Wear It Berlin und dem Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM an adaptiven Kleidungsstücken, die sich praktischen und sozialen Bedürfnissen der Nutzer anpassen können.

Malou Beemer nähert sich der Nachhaltigkeit von Kleidungsstücken durch ihr Verständnis für die soziale Funktionalität von Kleidungsstücken. Ihre Forschungen gehen der Frage nach, wie Design die Art und Weise verändern kann, wie wir Mode wollen, tragen und entsorgen. Könnten intelligente Kleidungsstücke so ausgestattet werden, dass sie ihre Begehrlichkeit verbessern und erhalten? Ihr modulares Bekleidungssystem Second Skins kombiniert anpassungsfähige Teile, die eine persönliche Lichtsinfonie erzeugen. Seine Zusammensetzung entspricht dem ästhetischen Bedürfnis nach Neuheit, nach Interaktion und nach Auffallen.

Beemer begann damit, die Idee des Kleidungsstücks selbst zu dekonstruieren. Zunächst, so erklärt sie, „haben wir uns von der Vorstellung verabschiedet, dass ein Kleidungsstück immer zwei Beine oder zwei Ärmel hat“. Stattdessen beschloss das Team, es als Komponenten zu visualisieren. Der nächste Schritt war die Erforschung der Aktivierung von reaktionsfähigen und reaktiven Textilelementen, die moduliert werden können, um Neues zu schaffen.

Mit dem Hauptaugenmerk auf Abend- und Partykleidung, einer Kategorie mit hohem Einmalgebrauchsverhalten, fiel die Wahl auf Farbwechsel auf der Grundlage von LED-Mustern. Gemeinsam mit ihren Re-FREAM-Partnern entwickelte sie ein Kleidungsstück, das aus einer Basisschicht mit integrierten LED-Leuchten (IZM Fraunhofer), einer diffusen Schicht, die das Licht mit Profactor verändert, und einer oberen Schicht besteht, die dem Kleidungsstück eine endgültige Form verleiht und weitere Aktualisierungen ermöglicht. Der Träger kann LED-Farbmuster hochladen und diese dann mit einem Tap-Sensor modulieren. Durch die Konstruktion und die modulare Verbindungstechnik kann das Kleidungsstück bei Bedarf repariert oder am Ende seiner Lebensdauer sogar komplett zerlegt werden.

Beemer nutzt die individuelle Anpassung von Farben, Mustern und Strukturen, um die Lebensdauer von Kleidungsstücken zu verlängern. Sie definiert Nachhaltigkeit durch Langlebigkeit: Das Ziel sind Kleidungsstücke, die sich aktualisieren lassen, vielleicht sogar für Jahrzehnte. Ihre Wearable-Tech-Designs sollen auch die soziale Interaktion mit anderen verbessern. Ein besonders innovativer Aspekt ihres Konzepts ist das Streben nach einer neuen Ebene der Handlungsfähigkeit von Kleidungsstücken. Sie stellt sich Kleidung vor, die sich um uns kümmert, je nach unseren sozialen und ästhetischen Bedürfnissen. Statt passiver und verschmutzender Kleidungsstücke wird Mode zur zweiten Haut mit verschiedenen Schichten, die ihre Eigenschaften verändern können. Durch diese eingebaute Vielseitigkeit erhalten Kleidungsstücke eine aktive Rolle für ihr Überleben und das unsere.

Zusammen mit dem Fraunhofer-Team entwickelte Beemer zwei Unterkleider, in die PCBs (printed circuit boards = gedruckte Schaltungen) und LEDs integriert sind: eines, das sich mehr um den Hals und eines, das sich mehr um den Brustkorb, unterhalb der Büste, schmiegt. In dem Projekt Second Skins kommen die vom IZM entwickelten Hardware Module zum Einsatz. Das IZM entwickelte eine auf Arduino-basierende modulare Hardware Plattform, mit denen sich e-Textile Prototypen und Kleinserien einfacher, flexibler und zuverlässiger in Textilien integrieren lassen. Zu den bereits verfügbaren Modulen gehören diverse Sensoren (Temperatur, Nähe, Pulse, IMU) sowie Aktoren, RGB LEDs, ADC, µC, Bluetooth und mehr. Neben dem konventionellen Annähen der Module mittels elektrisch leitfähigen Garns bieten alle Module auch die Möglichkeit, diese durch die am IZM entwickelte, proprietäre e-Textile Bond Technologie mechanisch und elektrisch in einem Arbeitsschritt zu integrieren.

Hier erfassen z.B. Smart IMU Module die Körpersprache und Bewegungsdaten der Trägerin, darüber hinaus sind Näherungssensoren integriert. Mit den gewonnenen Sensordaten sind individuelle Lichteffekte des RGB-LED Displays steuerbar, durch die die Trägerin mit ihrer Umgebung nonverbal kommuniziert. Alle Module können dabei im Gestaltungsprozess frei auf dem Kleidungsstück platziert werden. Zur Energieversorgung und Kommunikation mit der Prozesseinheit wird ein textiler 4-adriger IIC Busleiter aus einem thermoplastisch isolierten Hybridleiter aus Litzenmaterial und verstärkenden Textilfasern auf das Unterkleid gestickt und so die Module miteinander verbunden. Die elektrische Verbindung zwischen Modul und textilem Bus erfolgt dann über die beschriebene e-Textile Bonding Technologie, die eine zuverlässige aber auch reparierfähige Kontaktierung ohne zusätzliche Additive wie Pasten, Flussmittel o.Ä. bietet. Aufgrund der Wiederaufschmelzbarkeit des thermoplastischen Klebstoffes kann das Modul auch wieder thermisch vom Träger entfernt werden. In der Innenlage zwischen Ober- und Unterkleid befinden sich dünne Textillagen, die mittels 3-D Druck oder Lamination eine Maskierung der Leuchteffekte ermöglichen und so der Nutzerin eine individuell anpassbare Lichtgestaltung gestattet.

Weiterführende Links:
https://www.maloubeemer.com/project/second-skins-re-fream/
https://re-fream.eu/pioneers/second-skins/
https://www.izm.fraunhofer.de/