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04.01.2023

Kreislaufwirtschaft: Es könnte alles so einfach sein... oder auch nicht

Interview mit Henning Wehland & Robert Kapferer, Circularity Germany

Ich bin von Natur aus ein sehr neugieriger Typ. Deshalb hatte ich mich in diesem Jahr bei einer bekannten Münsteraner Hotdog-Station als Aushilfe angeboten, um auf die Personalnot in der Gastronomie aufmerksam zu machen. Darüber schrieb ich einen Artikel auf LinkedIn, auf den wiederum Ines Chucholowius reagierte.
Aus ihrem Profil konnte ich entnehmen, dass sie als Unternehmensberaterin im Bereich der Textilindustrie tätig ist. Nicht ganz ernst gemeint, bot sie mir eine Stelle in ihrem Büro an. Auf Knopfdruck sprang mein Kopfkino an: Textilindustrie, spannend! Merchandising, Kontakte in die Industrie, Kooperationen und ich ließ mich auf einen kurzen Chat ein, an dessen Ende wir telefonierten und uns auf ein Gespräch verabredeten.

Interview mit Henning Wehland & Robert Kapferer, Circularity Germany

Ich bin von Natur aus ein sehr neugieriger Typ. Deshalb hatte ich mich in diesem Jahr bei einer bekannten Münsteraner Hotdog-Station als Aushilfe angeboten, um auf die Personalnot in der Gastronomie aufmerksam zu machen. Darüber schrieb ich einen Artikel auf LinkedIn, auf den wiederum Ines Chucholowius reagierte.
Aus ihrem Profil konnte ich entnehmen, dass sie als Unternehmensberaterin im Bereich der Textilindustrie tätig ist. Nicht ganz ernst gemeint, bot sie mir eine Stelle in ihrem Büro an. Auf Knopfdruck sprang mein Kopfkino an: Textilindustrie, spannend! Merchandising, Kontakte in die Industrie, Kooperationen und ich ließ mich auf einen kurzen Chat ein, an dessen Ende wir telefonierten und uns auf ein Gespräch verabredeten.

Sie erzählte mir von ihrer Internetseite TEXTINATION.de. Und schon waren wir drin in einem spannenden, hitzigen Austausch über Wahrnehmung und Wahrheit der Textilbranche. Ohne Weiteres zu verabreden, ließen wir es dabei und ich ging mit einem Batzen neuer Informationen über einen spannenden Bereich nach Hause. Unser Dialog über Social Media ging weiter und schließlich bot Ines mir an, mit Unterstützung von TEXTINATION.de meine „Die-Sendung-mit-der-Maus-Neugierde“ zu stillen. Ich könne einen Blog auf der Seite schreiben, über Menschen, Produkte, Dienstleister, Produzenten, Startups oder Trends, die mich interessieren, um so mein Halbwissen über die Textilindustrie zu ergänzen. Das erste Ergebnis dieser Zusammenarbeit liegt hier vor.

Vorne textiler Abfall rein … hinten neues T-Shirt raus
Während unseres Austauschs und einem langen Brainstorming kitzelten immer wieder bestimmte Begriffe meine Aufmerksamkeit:
Kreislaufwirtschaft, Circular Economy, Recycling, Wertstoffkreisläufe. Auch wenn es viele verschiedene Definitionen gibt und einige sogar zwischen Kreislaufwirtschaft und Circular Economy unterscheiden: ersteres von der Abfallseite gedacht, Abfall, der als Sekundärrohstoff wieder in die Produktion einfließt, Circular Economy, die die Abfälle bereits in der Produktion vermeidet, besteht allgemeiner Konsens eigentlich nur darüber, dass es sich bei der Kreislaufwirtschaft um einen Kreislauf handelt, in dem Abfälle als Quelle für etwas Neues verwendet werden.

Klingt für mich beides nach sinnvollen Ergänzungen für alle Bereiche der produzierenden Güterwirtschaft. Ines stellte mir Robert Kapferer vor: Er betreibt ein Startup namens Circularity Germany in Hamburg. Seine 2021 gegründete Firma, die aus Robert und einem weiteren Partner besteht, ist ein Ableger der in Holland ansässigen Firma Circularity B.V. Deren Gründer Han Hamers, studierter Kinderpsychologe, aus der Textilfärbeindustrie kommend, hatte vor fünf Jahren die Idee für eine Produktionsstätte, die ausnahmslos aus textilen Produktionsabfällen und Alttextilien neues Garn spinnt und es zu T-, Polo- und Sweatshirts verarbeitet.

Ob das funktioniert und wenn ja, wie, das wollte ich herausfinden, und Ines und ich haben uns mit Robert zu einem 90-minütigen Onlinegespräch getroffen.

Robert, von Haus aus Wirtschaftsingenieur, kommt aus dem wenig nachhaltigen Handel mit Arbeitskleidung. Er hat 11 Jahre als Geschäftsführer für die AVECO Material und Service GmbH gearbeitet, wo er für die Arbeitskleidung von mehr als 50.000 Mitarbeitern zuständig war.
Eingangs unseres Gesprächs betont er, dass ein Moment im Januar 2021 sein Leben verändert habe und er sich von da an mit Haut und Haaren dem Thema Kreislaufwirtschaft widmen wollte. Damals lernte er Han Hamers kennen, der ihn dazu inspirierte, Circularity Germany zu gründen. Seine Begeisterung und Leidenschaft für das Thema klingen glaubwürdig, und er beginnt, die Unterschiede zwischen chemischer und mechanischer Recyclingmethode zu beschreiben. Zusammengefasst werden beim mechanischen Verfahren des Schredderns und des anschließenden Spinnens die Fasern verkürzt und insbesondere im Wiederholungsfall deren Eigenschaften für die Weiterverarbeitung eingeschränkt. Der Vorteil liegt vor allem in dem vergleichsweise unkomplizierten, schnellen und kostengünstigeren Verfahren. Bei der chemischen Variante bleibt zwar chemischer Abfall zurück, aber die verarbeiteten Materialien werden wieder so in ihre Grundbausteine zerlegt, dass sie fast alle Eigenschaften wie ein sogenannter jungfräulicher (virgin) Rohstoff haben. Circularity steht für das mechanische Verfahren.

Und dann fällt der Satz, der unsere ganze Aufmerksamkeit bekommt: „Wir haben eine Spinntechnologie so stark weiterentwickelt, dass sie ausschließlich auf abfallbasierten Rohstoffen aufsetzt.“
Dieser Satz fällt fast nicht auf, weil Robert noch – durchaus spannend – darüber berichtet, dass sie eine Produktions- und Fertigungsstätte aufbauen, wo vom Strickgarn bis zum relativ feinen Faden alles gesponnen werden kann, um diesen dann zu Stoff weiterzuverarbeiten. Und hier fragen Ines und ich intensiv nach: Wesentliche Voraussetzungen, die eine industrielle Fertigung benötig, scheinen noch ungelöst, notwendige Prozesse noch in der Planung zu sein. Beispielweise die Frage, ob mit Pre- oder Post-Consumer-Abfällen gearbeitet wird. Pre-Consumer-Abfälle sind Schnittabfälle aus der Produktion von Kleidungsstücken, das entspricht etwa 10% des insgesamt verarbeiteten Materials. Post-Consumer-Abfälle kennen wir als Altkleider.

Solange noch in Indien produziert wird, nutzt Circularity hauptsächlich Pre-Consumer Abfälle. Diese kommen ausschließlich aus den umliegenden Nähfabriken aus der Region Tirupur im Süden von Indien. Beim Einsatz von Alttextilien, die es in Deutschland in großen Mengen gibt (laut einer Studie werden 28-40% aller hergestellten Kleidungsstücke ungetragen weggeworfen), produziert Circularity Mischgarne aus Baumwolle und Polyester. Reine Baumwollgarne bietet das Unternehmen nicht an.

Textilien werden in unterschiedlichem Ausmaß mit Chemikalien behandelt – insbesondere Arbeitsbekleidung kommt ohne sie nicht aus. Die Tatsache, dass auch Han Hamers gerade die textilen Altbestände der niederländischen Armee auffängt, um sie renewed wieder in den Konsumkreislauf einzubringen, beruhigt deshalb nicht. Denn Militärbekleidung muss mit allerlei Zusätzen ausgerüstet werden.

Deshalb frage ich nun nach, wie er bei einem Konsumenten wie mir, mit gesundem Halbwissen über Maskendeals und Greenwashing, die Zweifel ausräumen kann, dass einer gut gemeinten Vision ein dunkles Erwachen folgt. Diese Sorge kann nach dem Gespräch noch nicht ausgeräumt werden.

Wir beschränken uns auf das, was geplant ist: Robert hat den Traum, den globalisierten Prozess der Textilherstellung umzukehren. Er will die Entkopplung von Baumwollanbau und weit entfernter Produktion wie z.B. in Asien mit anschließender Verschiffung fertig konfektionierter Ware nach Europa. Vorhandene Altkleider und/oder Schnittabfälle sollen künftig vor Ort gesammelt, recycelt und lokal zu neuen Textilien verarbeitet werden.

Ich nehme ihm diesen Traum ab. Allerdings bleiben einige meiner Fragen zur Nachhaltigkeit offen – deshalb habe ich meine Zweifel, ob die Idee aktuell leistungs- und konkurrenzfähig ist.
Woran liegt das? Zum einen ist es meiner Meinung nach immer schwierig, notwendige Pionierarbeit zu leisten. Vor allem, wenn mir am Stammtisch die schlauen Kommentare um die Ohren fliegen, dass große Firmen ja schon intensiv an dem Prinzip Kreislaufwirtschaft arbeiten. Doch manchmal bleibt außer dem Begriff Kreislaufwirtschaft und einem unbestimmten Commitment dazu nicht viel übrig.

Circularity schreibt sich auf die Fahne, eine Technologie zu entwickeln, die ausschließlich auf Abfällen aufbaut. Das Gespräch macht deutlich, dass darin auch enthalten ist, dass die Produktion umweltverträglicher ist und Transportwege wegfallen, was die Umwelt weiter entlastet. Wenn alle Vorrausetzungen für die Umsetzung dieses Traums geschaffen sind und ein qualitativ, wie preislich konkurrenzfähiges Produkt auf den Markt gebracht werden kann, dann muss der Konsument entscheiden. Hier hätte man dann das glaubwürdige Argument der Nachhaltigkeit und eines sozial-, wie umwelttechnisch fairen Verfahrens. Um die PR müsste Circularity sich dann keine Sorgen machen.

Man muss der Sache Zeit und vor allem Aufmerksamkeit geben. Aber vielleicht sollte die Industrie sich genau hier und jetzt engagieren und in solche Startups investieren und dafür sorgen, dass Probleme aus dem Weg geräumt werden, denn eines ist uns in diesem Gespräch klargeworden:
Es könnte alles so einfach sein. Kreislaufwirtschaft ist machbar, aber der Weg dorthin noch kostspielig und steinig. Deshalb wünschen wir Robert und seinem Team viel Erfolg und vor allem Durchhaltevermögen. Danke für das Gespräch.

Kurz und knapp: das Profil des Unternehmens im beigefügten Factsheet zum Download.

 

 

Foto: pixabay
06.07.2021

»Waste4Future«: Vom Abfall zum Rohstoff - Kunstoff-Recycling

Fraunhofer Institute ebnen neue Wege

Eine nachhaltige Gesellschaft mit klimaneutralen Prozessen benötigt erhebliche Anpassungen in den Wertschöpfungsketten, die nur durch Innovationen möglich werden. Sieben Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft bündeln im Leitprojekt »Waste4Future« ihre Kompetenzen, um neue Lösungen für dieses Ziel zu entwickeln, von der Rohstoffbasis über die Stoffströme und Verfahrenstechnik bis zum Ende des Lebenszyklus eines Produkts. Insbesondere wollen sie die Energie- und Ressourceneffizienz beim Einsatz von Kunststoffen erhöhen und somit den Weg ebnen für eine Chemieindustrie, die weniger fossile Rohstoffe benötigt und weniger Emissionen verursacht.

Fraunhofer Institute ebnen neue Wege

Eine nachhaltige Gesellschaft mit klimaneutralen Prozessen benötigt erhebliche Anpassungen in den Wertschöpfungsketten, die nur durch Innovationen möglich werden. Sieben Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft bündeln im Leitprojekt »Waste4Future« ihre Kompetenzen, um neue Lösungen für dieses Ziel zu entwickeln, von der Rohstoffbasis über die Stoffströme und Verfahrenstechnik bis zum Ende des Lebenszyklus eines Produkts. Insbesondere wollen sie die Energie- und Ressourceneffizienz beim Einsatz von Kunststoffen erhöhen und somit den Weg ebnen für eine Chemieindustrie, die weniger fossile Rohstoffe benötigt und weniger Emissionen verursacht.

Ohne Kunststoffe wie Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) oder Polystyrol (PS), die derzeit fast durchweg aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden, wären viele Alltagsprodukte und moderne Technologien undenkbar. Der im Kunststoff enthaltene Kohlenstoff ist dabei eine wichtige Ressource für die chemische Industrie. Wenn es gelingt, solche kohlenstoffhaltigen Bestandteile in Abfällen besser zu erkennen, besser zu verwerten und daraus wieder hochwertige Ausgangsmaterialien für die Industrie herzustellen, kann der Kohlenstoff im Kreislauf gehalten werden. Das reduziert nicht nur den Bedarf an fossilen Ressourcen, sondern auch die Umweltverschmutzung mit CO2-Emissionen und Plastikmüll. Zugleich verbessert sich die Versorgungssicherheit der Industrie, weil eine zusätzliche Kohlenstoffquelle erschlossen wird.

Im Leitprojekt »Waste4Future« sollen deshalb neue Möglichkeiten für das Recycling von Kunststoffen geschaffen werden, um den darin enthaltenen Kohlenstoff als »grüne« Ressource für die Chemieindustrie bereitzustellen. »Wir bahnen somit den Weg für eine Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft, in der aus Kunststoffabfällen wertvolle neue Basismoleküle gewonnen und Emissionen weitgehend vermieden werden: Der Abfall von heute wird zur Ressource von morgen«, sagt Dr.-Ing. Sylvia Schattauer, stellvertretende Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, das die Federführung für das Projekt hat. »Mit dem Know-how der beteiligten Institute wollen wir zeigen, wie das umfassende Recycling von kunststoffhaltigen Abfällen ohne Verlust von Kohlenstoff durch ineinandergreifende, vernetzte Prozesse möglich und schlussendlich auch wirtschaftlich ist.« Ergebnis des bis Ende 2023 laufenden Projekts sollen innovative Recyclingtechnologien für komplexe Abfälle sein, mit denen sich hochwertige Rezyklate gewinnen lassen.

Konkret geplant ist die Entwicklung eines ganzheitlichen, entropiebasierten Bewertungsmodells, das die bis dato prozessgeführte Recyclingkette zu einer stoffgeführten Kette reorganisiert (Entropie = Maß für die Unordnung eines Systems). Eine neuartig geführte Sortierung erkennt, welche Materialien und insbesondere welche Kunststofffraktionen im Abfall enthalten sind. Aufbauend auf dieser Analyse wird der Gesamtstrom getrennt und für die entstehenden Teilströme dann zielgerichtet entschieden, welcher Weg des Recyclings für diese spezifische Abfallmenge der technisch, ökologisch und ökonomisch sinnvollste ist. Was mittels werkstofflichen Recyclings nicht weitergenutzt werden kann, steht für chemisches Recycling zur Verfügung, stets mit dem Ziel des maximal möglichen Erhalts von Kohlenstoffverbindungen. Die thermische Verwertung kunststoffhaltiger Abfälle am Ende der Kette ist damit eliminiert.

Die Herausforderungen für Forschung und Entwicklung sind beträchtlich. Dazu gehören die komplexe Bewertung sowohl von Inputmaterialien als auch von Rezyklaten nach ökologischen, ökonomischen und technischen Kriterien. Das werkstoffliche Recycling gilt es zu optimieren, Verfahren und Technologien für die Schlüsselstellen der stofflichen Nutzung von Kunststofffraktionen müssen etabliert werden. Außerdem ist geeignete Sensorik zu entwickeln, die Materialien im Sortiersystem zuverlässig identifizieren kann. Dabei kommen auch Methoden des maschinellen Lernens zum Einsatz, und es wird eine Verknüpfung mit einem digitalen Zwilling angestrebt, der die Eigenschaften der prozessierten Materialien repräsentiert.

Für die Entwicklung der entsprechenden Lösungen stehen die beteiligten Institute im engen Austausch mit Unternehmen aus der chemischen Industrie und Kunststoffverarbeitung, der Abfallwirtschaft, dem Recycling-Anlagenbau und dem Recycling-Anlagenbetrieb, um zielgerichtet den Bedarf der Industrie zu berücksichtigen und somit die Chancen auf eine schnelle Umsetzung der erzielten Ergebnisse zu erhöhen.

Am Fraunhofer-Leitprojekt »Waste4Future« sind folgende Einrichtungen beteiligt:

  • Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS (Federführung)
  • Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP
  • Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS
  • Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB
  • Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR
  • Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF
  • Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV