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Berufsbekleidung: Nordische Zusammenarbeit bei Kreislaufinnovationen Foto: Sven, pixabay
16.04.2024

Berufsbekleidung: Nordische Zusammenarbeit bei Kreislaufwirtschaft

Die University of Borås, die Aalborg University Business School und das Circular Innovation Lab haben jüngst das Projekt „North-South Circular Value Chains Within Textiles“ gestartet - ein Forschungsprojekt mit einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit, das darauf abzielt, Textilmarken in den nordischen Ländern mit innovativen Produzenten im Süden zusammenzubringen.
 
Schwerpunktbereiche sind Kreislauf-Wertschöpfungsketten (CVCs), Kreislaufwirtschaft und ressourceneffiziente Textilwirtschaft, Berufsbekleidung und technische Kleidung, Sektoren wie Bau, Energie, Elektronik und IT, Kunststoffe, Textilien, Einzelhandel und Metalle.

Die University of Borås, die Aalborg University Business School und das Circular Innovation Lab haben jüngst das Projekt „North-South Circular Value Chains Within Textiles“ gestartet - ein Forschungsprojekt mit einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit, das darauf abzielt, Textilmarken in den nordischen Ländern mit innovativen Produzenten im Süden zusammenzubringen.
 
Schwerpunktbereiche sind Kreislauf-Wertschöpfungsketten (CVCs), Kreislaufwirtschaft und ressourceneffiziente Textilwirtschaft, Berufsbekleidung und technische Kleidung, Sektoren wie Bau, Energie, Elektronik und IT, Kunststoffe, Textilien, Einzelhandel und Metalle.

Ermöglicht durch einen Zuschuss aus dem Interreg-ÖKS-Programm besteht der erste Schritt darin, einen spezifischen wirtschaftlichen, rechtlichen und technologischen Rahmen zu schaffen, der es skandinavischen Berufsbekleidungsunternehmen ermöglicht, eine enge Zusammenarbeit bei Kreislauflösungen in der gesamten textilen Wertschöpfungskette einzugehen und ihre globalen Wertschöpfungsketten auf die bevorstehenden EU-Verordnungen zur Kreislaufwirtschaft vorzubereiten und anzupassen.

Kürzlich trafen sich die Partner des Konsortiums zu einem ersten Treffen an der Swedish School of Textiles, um den Projektrahmen zu erörtern. Dabei handelt es sich um eine Machbarkeitsstudie, die in ein mehrjähriges Projekt münden soll, an dem Berufsbekleidungsunternehmen in der Region Öresund-Kattegat-Skagerrak (ÖKS) einschließlich ihrer Lieferketten in Asien beteiligt sind.
Kim Hjerrild, Leiterin für strategische Partnerschaften bei der dänischen Denkfabrik Circular Innovation Lab in Kopenhagen, erklärte: „Ziel ist es, Berufsbekleidungshersteller in Dänemark, Schweden und Norwegen dabei zu unterstützen, durch kreislauforientierte Produktdesign-, Produktions- und Dienstleistungskonzepte nachhaltiger zu werden. Wir freuen uns, dass die Swedish School of Textiles das Projekt leitet, da sie eine lange Tradition in der Zusammenarbeit mit Textilunternehmen hat.“
 
Komplexe Branche
Die Entscheidung, sich speziell auf Berufsbekleidung zu konzentrieren, rührt daher, dass es sich um einen komplexen Bereich der Textilindustrie handelt, der strenge Normen, Zertifizierungen, Sicherheitsaspekte und spezifische Funktionen je nach Anwendungsbereich erfordert, z. B. in speziellen Hochleistungsumgebungen, im Gesundheitswesen und im Gastgewerbe. „Um ihre Betriebe zukunftssicher zu machen, müssen Unternehmen ressourceneffizienter und zirkulärer werden, indem sie haltbare und langlebige Arbeitskleidung herstellen, die repariert und wiederverwendet werden kann. Außerdem müssen sie ihren CO2-Fußabdruck pro Produkt reduzieren, den Einsatz problematischer Chemikalien minimieren und zunehmend recycelte Materialien verwenden“, erklärt Kim Hjerrild.

Unternehmen mit Hilfsmitteln und Wissen versorgen
Apoorva Arya, Gründerin und CEO von Circular Innovation Lab, führt aus: „Unser erstes und wichtigstes Ziel ist es, skandinavische Berufsbekleidungsunternehmen mit Hilfsmitteln und Wissen auszustatten, damit sie die kommenden EU-Richtlinien und -Politik einhalten können. Dazu gehören Vorschriften über produktspezifische Designanforderungen, Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer und Menschenrechte, von der Produktion bis hin zu Drittlieferanten. Wir stellen sicher, dass diese Unternehmen, insbesondere ihre Zulieferer, zu einer kreislauforientierten Lieferkette übergehen und sich in der gesetzlichen Landschaft zurechtfinden können, während sie gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt gewährleisten.“

Neue Strukturen im Fokus
Rudrajeet Pal, Professor für Textilmanagement an der Swedish School of Textiles, freut sich, dass die Universität das Projekt koordinieren kann. „Aus der Sicht meiner Forschungsgruppe ist dies unglaublich interessant, da der Schwerpunkt auf der Untersuchung und Entwicklung 'neuer' Lieferketten- und Geschäftsmodellstrukturen liegt, die eine nachhaltige Wertschöpfung in Textilunternehmen, in der Industrie sowie für die Umwelt und die Gesellschaft insgesamt ermöglichen würden. Wir haben bereits mehrere Projekte durchgeführt, bei denen ein solcher globaler Nord-Süd-Fokus der Wertschöpfungskette im Vordergrund stand, und dieses Mal insbesondere die Wertschöpfungskette von Berufsbekleidungsunternehmen zwischen Skandinavien und Asien. Wir freuen uns, unser Fachwissen und unsere Erfahrung in der internationalen Arbeit einbringen zu können."
 
Über das Vorprojekt North-South Circular Value Chains Within Textiles, NSCirTex
Das Projekt zielt darauf ab, den zirkulären Übergang in den nordischen Ländern zu unterstützen, indem ein gemeinsames Governance-Modell eingerichtet wird, das eine vorwettbewerbliche Zusammenarbeit und die Gestaltung zirkulärer Wertschöpfungsketten zwischen skandinavischen Berufsbekleidungsunternehmen in der ÖKS-Region und Produzenten in Indien, Bangladesch, Vietnam und der Türkei ermöglicht.

Der nächste Schritt ist ein mehrjähriges Hauptprojekt, in dem Berufsbekleidungsunternehmen mit ihren Zulieferern in asiatischen Ländern maßgeschneiderte Modelle für eine gemeinsame Unternehmensführung testen können, um praktische zirkuläre Lösungen zu entwickeln, wie z. B. Post-Consumer-Recycling, zirkuläre Materialbeschaffung, Entwicklung sicherer und ressourceneffizienter zirkulärer Produkte, Verbesserung der sozialen Nachhaltigkeit und der Sorgfaltspflicht usw. Das Hauptprojekt wird somit Lösungen zur Verringerung des materiellen Fußabdrucks und der Ressourcennutzung entwickeln und dabei sowohl wirtschaftliche Rentabilität schaffen als auch neue Vorschriften, Berichterstattung und Rechenschaftspflicht vorbereiten.

Partner in dieser Machbarkeitsstudie: Universität Borås, Aalborg University Business School und Circular Innovation Lab. Die Durchführbarkeitsstudie wird von der EU über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung Interreg Öresund-Kattegat-Skagerrak finanziert.

Quelle:

University of Borås, Solveig Klug

Textilabfall Ki generiertes Bild: Pete Linforth, Pixabay
02.04.2024

Die Zukunft zirkulärer Textilien: „New Cotton“-Projekt abgeschlossen

Als Weltpremiere für die Modeindustrie hatten sich im Oktober 2020 zwölf Pionierunternehmen zusammengefunden, um neue Wege zu beschreiten und ein Kreislaufmodell für die kommerzielle Bekleidungsproduktion zu entwickeln. Mehr als drei Jahre lang wurden Textilabfälle gesammelt und sortiert und mithilfe der Technologie zur Wiederherstellung von Textilfasern der Infinited Fiber Company zu einer neuen, künstlichen Zellulosefaser recycelt, die aussieht und sich anfühlt wie Baumwolle - eine „neue Baumwolle“.

Als Weltpremiere für die Modeindustrie hatten sich im Oktober 2020 zwölf Pionierunternehmen zusammengefunden, um neue Wege zu beschreiten und ein Kreislaufmodell für die kommerzielle Bekleidungsproduktion zu entwickeln. Mehr als drei Jahre lang wurden Textilabfälle gesammelt und sortiert und mithilfe der Technologie zur Wiederherstellung von Textilfasern der Infinited Fiber Company zu einer neuen, künstlichen Zellulosefaser recycelt, die aussieht und sich anfühlt wie Baumwolle - eine „neue Baumwolle“.

Das zukunftsweisende New Cotton Project startete im Oktober 2020 mit dem Ziel, eine zirkuläre Wertschöpfungskette für die kommerzielle Bekleidungsproduktion aufzuzeigen. Während des gesamten Projekts arbeitete das Konsortium daran, Alttextilien zu sammeln und zu sortieren, die mithilfe der innovativen Infinited Fiber-Technologie zu einer neuen zellulosehaltigen Chemiefaser namens Infinna™ recycelt werden konnten, die genauso aussieht und sich anfühlt wie neue Baumwolle. Die Fasern wurden zu Garnen gesponnen und zu verschiedenen Geweben verarbeitet, die von adidas und H&M entworfen, produziert und verkauft wurden. Der adidas by Stella McCartney-Trainingsanzug sowie eine bedruckte Jacke und Jeans von H&M sind damit die ersten Produkte, die von einem kreislauforientierten Konsortium dieser Größenordnung hergestellt wurden und damit einen innovativen und kreislauforientierten Ansatz für die Modeindustrie aufzeigt.
 
Da das Projekt im März 2024 abgeschlossen wurde, stellt das Konsortium acht Schlüsselfaktoren in den Fokus, die es als grundlegend für die erfolgreiche Skalierung des Faser-zu-Faser-Recyclings erachtet.

Die breite Einführung zirkulärer Wertschöpfungsketten ist entscheidend für den Erfolg
Die Kreislaufwirtschaft im Textilbereich erfordert neue Formen der Zusammenarbeit und des offenen Wissensaustauschs zwischen verschiedenen Akteuren in Kreislaufökosystemen. Diese Ökosysteme müssen Akteure einbeziehen, die über die traditionellen Lieferketten hinausgehen und bisher voneinander getrennte Industrien und Sektoren wie die Textil- und Modebranche, die Abfallsammlung und -sortierung und die Recyclingindustrie sowie digitale Technologien, Forschungsorganisationen und politische Entscheidungsträger einbeziehen. Damit das Ökosystem effektiv funktionieren kann, müssen die verschiedenen Akteure an der Abstimmung von Prioritäten, Zielen und Arbeitsmethoden beteiligt sein und die Bedürfnisse, Anforderungen und technisch-wirtschaftlichen Möglichkeiten der anderen kennenlernen. Aus einer breiteren Perspektive betrachtet, ist auch ein grundlegenderer Wandel in den Denkweisen und Geschäftsmodellen im Hinblick auf einen systemischen Übergang zur Kreislaufwirtschaft erforderlich, z. B. die Abkehr von den linearen Geschäftsmodellen der Fast Fashion. Neben dem offenen Wissensaustausch innerhalb solcher Ökosysteme ist es ebenfalls wichtig, gelernte Lektionen und Erkenntnisse öffentlich zu machen, um andere Marktteilnehmer bei der Umstellung auf die Kreislaufwirtschaft zu unterstützen und zu inspirieren.
     
Kreislaufwirtschaft beginnt mit dem Designprozess
Bei der Entwicklung neuer Styles ist es wichtig, von Anfang an ein End-of-Life-Szenario im Auge zu behalten. Denn davon hängt ab, welche Verzierungen, Drucke und Accessoires verwendet werden können. Wenn Designer es dem Recyclingprozess so einfach wie möglich machen, ist die Chance größer, dass die Kleidung tatsächlich wieder als Rohstoff verwendet wird. Darüber hinaus ist es wichtig, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die es ermöglichen, Produkte so lange wie möglich zu nutzen, einschließlich Reparatur-, Miet-, Wiederverkaufs- und Sharing-Dienste.

Aufbau und Ausbau von Sortier- und Recyclinginfrastrukturen sind entscheidend
Um die kreislauforientierte Bekleidungsproduktion auszubauen, bedarf es technologischer Innovationen und der Entwicklung von Infrastrukturen für die Sammlung und Sortierung von Alttextilien sowie für die mechanische Vorverarbeitung des Ausgangsmaterials. Derzeit erfolgt ein Großteil der Textilsortierung manuell, und die verfügbaren optischen Sortier- und Identifizierungstechnologien sind nicht in der Lage, Kleidungsschichten und komplexe Fasermischungen zu erkennen oder Abweichungen in der Qualität des Ausgangsmaterials für das Faser-zu-Faser-Recycling festzustellen. Die Vorbehandlung des Ausgangsmaterials ist ein entscheidender Schritt im Textil-zu-Textil-Recycling, der jedoch außerhalb derjenigen, die ihn tatsächlich ausführen, nicht gut verstanden wird. Dies erfordert eine Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, und es bedarf eingehender Kenntnisse und Fähigkeiten, um dies richtig zu tun. Dies ist ein Bereich, der mehr Aufmerksamkeit und stärkere wirtschaftliche Anreize braucht, wenn das Textil-zu-Textil-Recycling ausgebaut wird.

Die Verbesserung von Qualität und Datenlage ist entscheidend
Es besteht immer noch ein erheblicher Mangel an verfügbaren Daten, die den Übergang zu einer Kreislauftextilindustrie unterstützen. Dies bremst die Entwicklung von Systemlösungen und wirtschaftlichen Anreizen für den Textilkreislauf. So werden beispielsweise die Mengen der auf den Markt gebrachten Textilien oft als Ersatz für die Mengen an Post-Consumer-Textilien herangezogen, aber die verfügbaren Daten sind mindestens zwei Jahre alt und oft unvollständig. Auch auf nationaler Ebene kann es unterschiedliche Zahlen zu Textilabfällen geben, die aufgrund unterschiedlicher Methoden oder Datenjahre nicht übereinstimmen. Dies zeigt sich in den Berichten der niederländischen Massenbilanzstudie 2018 und des Überwachungsberichts zur Kreislaufwirtschaftspolitik für Textilien 2020, wo es einen Unterschied von 20 % zwischen den auf den Markt gebrachten Zahlen und den gemessenen Mengen an separat gesammelten und im gemischten Restmüll enthaltenen Post-Consumer-Textilien gibt. Abgesehen von einigen guten Studien wie Sorting for Circularity Europe und der jüngsten Charakterisierungsstudie von ReFashion gibt es auch fast keine zuverlässigen Informationen über die Faserzusammensetzung im Post-Consumer-Textilstrom. Textil-zu-Textil-Recycler würden von einer besseren Verfügbarkeit zuverlässigerer Daten profitieren. Die politische Überwachung von Systemen der erweiterten Herstellerverantwortung sollte sich darauf konzentrieren, die Anforderungen an die Berichterstattung in ganz Europa von der Sammlung von Post-Consumer-Textilien bis zu ihrem endgültigen Endpunkt zu standardisieren und Anreize für die Digitalisierung zu schaffen, damit die Berichterstattung automatisiert werden kann und hochwertige Textildaten nahezu in Echtzeit zur Verfügung stehen.

Die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Forschung und Entwicklung über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg
Insgesamt deuten die Ergebnisse des New Cotton Project darauf hin, dass Stoffe, die Infinna™-Fasern enthalten, eine nachhaltigere Alternative zu herkömmlichen Baumwoll- und Viskosegeweben darstellen, wobei sie ähnliche Leistungsmerkmale und ästhetische Qualitäten aufweisen. Dies könnte erhebliche Auswirkungen auf die Textilindustrie im Hinblick auf Nachhaltigkeit und umweltfreundlichere Produktionsverfahren haben. Das Projekt hat jedoch auch gezeigt, dass die Skalierung des Faser-zu-Faser-Recyclings weiterhin kontinuierliche Forschung und Entwicklung in der gesamten Wertschöpfungskette erfordert. So ist beispielsweise der Bedarf an Forschung und Entwicklung im Bereich der Sortiersysteme von entscheidender Bedeutung. Im Rahmen des chemischen Recyclings ist es ebenfalls erforderlich, eine hohe Rückgewinnungsrate und den Kreislauf der verwendeten Chemikalien sicherzustellen, um die Umweltauswirkungen des Prozesses zu begrenzen. Bei den Herstellungsprozessen wurde überdies hervorgehoben, dass eine kontinuierliche Innovation bei der Verarbeitungsmethode von Vorteil ist und dass Technologien und Marken eng mit den Herstellern zusammenarbeiten müssen, um die weitere Entwicklung in diesem Bereich zu unterstützen.

Über weniger umweltbelastende Fasern hinaus denken
Die von Dritten geprüfte Ökobilanz der Wertschöpfungskette des New Cotton Project zeigt, dass die Cellulosecarbamatfaser, insbesondere wenn sie mit einer erneuerbaren Stromquelle hergestellt wird, im Vergleich zu herkömmlicher Baumwolle und Viskose potenziell geringere Umweltauswirkungen aufweist. Es ist jedoch zu beachten, dass dieser Vergleich auf der Grundlage von durchschnittlichen globalen Datensätzen von Ecoinvent für Baumwoll- und Viskosefasern durchgeführt wurde und dass die Umweltleistung der auf dem Markt erhältlichen Primärfasern unterschiedlich ist. Die Analyse verdeutlicht jedoch auch, wie wichtig der Rest der Zuliefererkette für die Verringerung der Umweltauswirkungen ist. Die Ergebnisse zeigen, dass selbst bei einer Verringerung der Umweltauswirkungen durch die Verwendung von Recyclingfasern in anderen Phasen des Lebenszyklus noch einiges zu tun ist. So sind zum Beispiel die Qualität der Kleidungsstücke und ihre Nutzung während ihrer gesamten Lebensdauer entscheidend für die Verringerung der Umweltauswirkungen pro Kleidungsstück.
          
Einbeziehung der Verbraucher
Die EU hat die Kultur als eines der Haupthindernisse für die Einführung der Kreislaufwirtschaft in Europa identifiziert. Eine quantitative Verbraucherbefragung von adidas, die während des Projekts in drei wichtigen Märkten durchgeführt wurde, ergab, dass es immer noch Verwirrung über die Kreislaufwirtschaft bei Textilien gibt, was die Bedeutung einer effektiven Kommunikation mit den Verbrauchern und von Aktivitäten zur Einbindung der Öffentlichkeit verdeutlicht hat.
     
Einheitliche Rechtsvorschriften
Die Gesetzgebung ist ein wirksames Instrument, um die Einführung nachhaltigerer und kreislauforientierter Praktiken in der Textilindustrie voranzutreiben. Da allein in der EU mehrere neue Gesetzesvorhaben anstehen, ist ein kohärenter und harmonisierter Ansatz für die erfolgreiche Umsetzung der Politik in der Textilindustrie unerlässlich. Die Betrachtung des Zusammenhangs zwischen unterschiedlichen Rechtsvorschriften wie der erweiterten Herstellerverantwortung und der Verordnung über das Ökodesign für nachhaltige Produkte sowie der entsprechenden Umsetzungsfristen wird den Akteuren in der gesamten Wertschöpfungskette helfen, sich effektiv auf die Annahme dieser neuen Vorschriften vorzubereiten.

Die hohe und ständig wachsende Nachfrage nach recycelten Materialien setzt voraus, dass alle denkbaren End-of-Use-Textilien gesammelt und sortiert werden müssen. Um die Nachfrage zu befriedigen, werden sowohl mechanische als auch chemische Recyclinglösungen benötigt. Außerdem sollten wir beide Wege, den geschlossenen Kreislauf (Faser-zu-Faser) und den offenen Kreislauf (Faser zu anderen Sektoren), effektiv umsetzen. Der Export von minderwertigen wiederverwendbaren Textilien in Länder außerhalb der EU muss dringend überdacht werden. Es wäre vorteilhafter, sie in Europa wiederzuverwenden oder, wenn sie das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, diese Textilien im europäischen Binnenmarkt zu recyceln, anstatt sie in Länder zu exportieren, in denen die Nachfrage oft nicht gesichert und die Abfallwirtschaft unzureichend ist.

Insgesamt verdeutlichen die Erkenntnisse die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes und eines grundlegenden Umdenkens in den Arbeitsweisen der Textilindustrie. Eine vertiefte Zusammenarbeit und ein Wissensaustausch sind von zentraler Bedeutung für die Entwicklung effektiver Kreislauf-Wertschöpfungsketten, die dazu beitragen, die Skalierung innovativer Recyclingtechnologien zu unterstützen und die Verfügbarkeit von Recyclingfasern auf dem Markt zu erhöhen. Die Weiterentwicklung und Skalierung des Sammelns und Sortierens sowie die Behebung der erheblichen Lücken bei der Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Daten über die Textilströme sollten dringend Vorrang haben. Das New-Cotton-Projekt hat auch gezeigt, dass Recycling-Fasern wie Infinna™ eine nachhaltigere Alternative zu einigen anderen traditionellen Fasern darstellen, gleichzeitig aber auch verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Wertschöpfungskette als Ganzes zu betrachten, um die Umweltauswirkungen zu verringern. Kontinuierliche Forschung und Entwicklung über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass wir in Zukunft recycelte Textilien in großem Maßstab anbieten können.

Das New Cotton Project wurde mit Mitteln aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union unter der Finanzhilfevereinbarung Nr. 101000559 gefördert.

Quelle:

Fashion for Good

Federn und Daunen von Wassergeflügel (c) Daunen- und Federnverbände Mainz
05.03.2024

Klebstoffe: Federn statt Erdöl

Klebstoffe beruhen fast immer auf fossilen Rohstoffen wie Erdöl. Fraunhofer-Forschende haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem der biobasierte Rohstoff Keratin erschlossen wird. Die leistungsfähige Protein-Verbindung ist beispielsweise in Hühnerfedern enthalten. Damit kann man nicht nur eine Vielzahl unterschiedlicher Klebstoffe für verschiedene Anwendungsbereiche herstellen. Die Verfahren und Endprodukte sind vielmehr nachhaltig und orientieren sich am Grundprinzip einer bioinspirierten Kreislaufwirtschaft. Das gemeinsame Projekt mit der Henkel AG & Co. KGaA adressiert einen Milliardenmarkt.

Klebstoffe beruhen fast immer auf fossilen Rohstoffen wie Erdöl. Fraunhofer-Forschende haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem der biobasierte Rohstoff Keratin erschlossen wird. Die leistungsfähige Protein-Verbindung ist beispielsweise in Hühnerfedern enthalten. Damit kann man nicht nur eine Vielzahl unterschiedlicher Klebstoffe für verschiedene Anwendungsbereiche herstellen. Die Verfahren und Endprodukte sind vielmehr nachhaltig und orientieren sich am Grundprinzip einer bioinspirierten Kreislaufwirtschaft. Das gemeinsame Projekt mit der Henkel AG & Co. KGaA adressiert einen Milliardenmarkt.

Klebstoffe sind fast überall: in Sportschuhen, im Smartphone, im Bodenbelag, in Möbeln, in Textilien oder in Verpackungen. Sogar die Frontscheiben von Autos werden eingeklebt. Experten kennen mehr als 1000 unterschiedliche Klebstoff-Varianten. Diese verbinden fast alle denkbaren Materialien miteinander. Klebstoffe wiegen nicht viel und sind deshalb für den Leichtbau geeignet. Zudem verziehen sich geklebte Flächen nicht, da der Druck anders als bei Schraubverbindungen gleichmäßig verteilt wird. Klebstoff rostet nicht und dichtet gegen Feuchtigkeit ab. Zudem sind mit Klebstoff verbundene Flächen weniger empfindlich gegen Schwingungen. Und Klebstoffe sind preiswert und relativ einfach zu verarbeiten.

Federn aus der Geflügelfleischproduktion
Bisher werden Klebstoffe fast immer aus fossilen Rohstoffen wie Erdöl hergestellt. Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB geht nun einen anderen Weg. Die Forscherinnen und Forscher nutzen Federn als Ausgangsmaterial statt Erdöl. Federn fallen bei der Geflügelfleischherstellung als Abfälle an. Sie werden vernichtet oder in Tierfutter gemischt. Doch für Abfall sind die Federn viel zu schade, denn Federn enthalten das Strukturprotein Keratin. Dieses Biopolymer wird von Tieren für Krallen, Klauen, Hufe oder eben Federn gebildet. Seine Faserstruktur verleiht hohe Festigkeit.

Warum Keratin ideal für die Klebstoff-Herstellung ist
Keratin ist ein umweltfreundlicher, weil biologisch abbaubarer Stoff, der darüber hinaus durch seine Struktur jene Eigenschaften besitzt, die ihn für die Herstellung von Klebstoffen besonders geeignet machen. Die Polymer-Struktur, also die besonders langkettigen Moleküle, in Verbindung mit der Eigenschaft, über seine funktionellen Gruppen Vernetzungsreaktionen einzugehen, prädestiniert Keratin für die Herstellung von Klebstoffen aller Art. »Die für Klebstoffe erforderlichen Merkmale sind im Ausgangsmaterial gewissermaßen schon angelegt und müssen nur freigelegt, modifiziert und formuliert werden«, erklärt Projektleiter Dr. Michael Richter.

Plattform-Chemikalie und Spezialklebstoffe
Beim Projekt KERAbond »Spezialchemikalien aus maßgeschneiderten funktionalen Keratin-Proteinen« – Kera steht für Keratin, das englische Wort bond für Kleben – hat das Fraunhofer IGB in den letzten drei Jahren mit der Henkel AG & Co. KGaA zusammengearbeitet. Das Unternehmen ist Weltmarktführer im Klebstoff-Bereich.

Dabei haben die Projektpartner ein neues Verfahren entwickelt und optimiert. Im ersten Schritt werden die vom Schlachtbetrieb angelieferten Federn sterilisiert, gewaschen und mechanisch zerkleinert. Anschließend erfolgt ein enzymatischer Prozess, bei dem die langkettigen Polymere bzw. Protein-Ketten via Hydrolyse in kurzkettige Polymere gespalten werden.

Im Ergebnis soll eine Plattform-Chemikalie entstehen, die als Ausgangsstoff für die Weiterentwicklung speziell formulierter Klebstoffe dienen kann. „Wir nutzen das Verfahren und die Plattform-Chemikalie wie eine Toolbox, mit der wir die gewünschten Merkmale des Endprodukts herstellen“, sagt Richter. Auf diese Weise könnte man Parameter wie Aushärtezeit, Elastizität, Temperaturverhalten oder Festigkeit des gewünschten Spezialklebers festlegen. Daneben lassen sich nicht nur einfach Klebstoffe, sondern auch verwandte Substanzen wie Härter, Beschichtungen oder Grundierungen produzieren.

Im nächsten Schritt peilte das Fraunhofer-Team die Konversion der Federn im Großmaßstab an. Diese Hochskalierung fand am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna statt. Ziel war es zu beweisen, dass die Herstellung der Plattform-Chemikalien auf Keratin-Basis auch im industriellen Maßstab kostengünstig realisierbar ist. Dabei wurden mehrere Kilogramm Hühnerfedern verarbeitet, und das dabei produzierte Material konnte für erste vielversprechende Materialtests am Fraunhofer IGB und bei Henkel eingesetzt werden.

Baustein für eine bioinspirierte Ökonomie
Für die Fraunhofer-Gesellschaft hat diese bioinspirierte Verfahrenstechnik eine besondere Bedeutung. Biotechnologie zählt zu den zentralen Forschungsfeldern der Fraunhofer-Gesellschaft: „Wir lassen uns von Funktionen oder Eigenschaften inspirieren, die in der Natur oder in natürlichen Rohstoffen bereits vorhanden sind. Und wir versuchen, diese Eigenschaften durch innovative Herstellungsprozesse in die Produkte zu übersetzen. So entsteht ein bioinspirierter Kreislauf der wertvollen Rohstoffe,“ so Richter.

Ökonomisch hat das Projekt Gewicht. Nach Angaben von Statista wurden allein in Deutschland im Jahr 2019 rund eine Million Tonnen Klebstoffe produziert. Deren Gesamtwert beträgt etwa 1,87 Milliarden Euro.

Zum neuen Verfahren wurde eine Patentanmeldung eingereicht sowie eine Veröffentlichung in einem wissenschaftlichen Fachjournal publiziert. Zwei Doktoranden, die bei Henkel und Fraunhofer intensiv an dem Projekt forschten, werden ihre Doktorarbeiten voraussichtlich im ersten Quartal 2024 abschließen können. Mit der neuen Technologie auf Keratin-Basis werden sich viele Plattform-Chemikalien nachhaltig und bioinspiriert produzieren lassen.

Das KERAbond-Projekt wurde über drei Jahre von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) in Gülzow im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aus dem Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“ gefördert und unterstützt (Förderkennzeichen 22014218).

Quelle:

Fraunhofer IBG

Bakterien, die Kunststoff essen und vielseitige Spinnenseide produzieren Foto: Kareni, Pixabay
05.02.2024

Plastikfressende Bakterien, die Spinnenseide produzieren

Wissenschaftler haben zum ersten Mal Bakterien eingesetzt, um Polyethylenabfälle „upzucyceln“: Mach Platz Spider-Man: Wissenschaftler des Rensselaer Polytechnic Institute haben einen Bakterienstamm entwickelt, der Plastikabfälle in biologisch abbaubare Spinnenseide mit vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten verwandeln kann.

In ihrer neuen Studie haben Wissenschaftler zum ersten Mal Bakterien eingesetzt, um Polyethylen-Kunststoff - wie er in vielen Einwegartikeln verwendet wird - in ein hochwertiges Proteinprodukt umzuwandeln.

Dieses Produkt, das die Wissenschaftler aufgrund seiner Ähnlichkeit mit der Seide, mit der Spinnen ihre Netze spinnen, als "bio-inspirierte Spinnenseide" bezeichnen, kann in Textilien, Kosmetika und sogar in der Medizin eingesetzt werden.

Wissenschaftler haben zum ersten Mal Bakterien eingesetzt, um Polyethylenabfälle „upzucyceln“: Mach Platz Spider-Man: Wissenschaftler des Rensselaer Polytechnic Institute haben einen Bakterienstamm entwickelt, der Plastikabfälle in biologisch abbaubare Spinnenseide mit vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten verwandeln kann.

In ihrer neuen Studie haben Wissenschaftler zum ersten Mal Bakterien eingesetzt, um Polyethylen-Kunststoff - wie er in vielen Einwegartikeln verwendet wird - in ein hochwertiges Proteinprodukt umzuwandeln.

Dieses Produkt, das die Wissenschaftler aufgrund seiner Ähnlichkeit mit der Seide, mit der Spinnen ihre Netze spinnen, als "bio-inspirierte Spinnenseide" bezeichnen, kann in Textilien, Kosmetika und sogar in der Medizin eingesetzt werden.

„Spinnenseide ist das Kevlar der Natur", sagte Helen Zha, Ph.D., Assistenzprofessorin für Chemie- und Bioingenieurwesen und eine der RPI-Forschenden, die das Projekt leiteten. „Sie kann unter Spannung fast so stark sein wie Stahl. Es hat jedoch eine sechsmal geringere Dichte als Stahl und ist daher sehr leicht. Als Biokunststoff ist es dehnbar, zäh, ungiftig und biologisch abbaubar.“

All diese Eigenschaften machen es zu einem großartigen Material für eine Zukunft, in der erneuerbare Ressourcen und die Vermeidung von anhaltender Plastikverschmutzung die Norm sind, so Zha.

Polyethylen-Kunststoffe, die in Produkten wie Plastiktüten, Wasserflaschen und Lebensmittelverpackungen enthalten sind, tragen weltweit am stärksten zur Plastikverschmutzung bei und brauchen bis zu 1.000 Jahre, um sich natürlich abzubauen. Nur ein kleiner Teil des Polyethylen-Kunststoffs wird recycelt, so dass die in der Studie verwendeten Bakterien dazu beitragen könnten, einen Teil des verbleibenden Abfalls „upzucyceln“.

Pseudomonas aeruginosa, das in der Studie verwendete Bakterium, kann auf natürliche Weise Polyethylen als Nahrungsquelle aufnehmen. Das RPI-Team stellte sich der Herausforderung, dieses Bakterium so zu steuern, dass es die Kohlenstoffatome des Polyethylens in ein genetisch kodiertes Seidenprotein umwandelt. Überraschenderweise stellten sie fest, dass ihre neu entwickelten Bakterien das Seidenprotein mit einer Effizienz herstellen konnten, die mit der einiger, üblicherweise in der Bioproduktion verwendeten Bakterienstämmen vergleichbar ist. Der biologische Prozess, der dieser Innovation zugrunde liegt, ist etwas, das die Menschen seit Jahrtausenden nutzen.

„Im Grunde genommen fermentieren die Bakterien den Kunststoff. Die Fermentierung wird zur Herstellung und Konservierung aller Arten von Lebensmitteln wie Käse, Brot und Wein verwendet, und in der biochemischen Industrie wird sie zur Herstellung von Antibiotika, Aminosäuren und organischen Säuren genutzt“, sagte Mattheos Koffas, Ph.D., Dorothy and Fred Chau ʼ71 Career Development Constellation Professor in Biocatalysis and Metabolic Engineering und der andere Wissenschaftler, der das Projekt leitet und zusammen mit Zha Mitglied des Center for Biotechnology and Interdisciplinary Studies in Rensselaer ist.

Damit die Bakterien Polyethylen fermentieren können, muss der Kunststoff zunächst „vorverdaut“ werden, so Zha. Genau wie wir Menschen unsere Nahrung in kleinere Stücke schneiden und kauen müssen, bevor unser Körper sie verwerten kann, haben die Bakterien Schwierigkeiten, die langen Molekülketten oder Polymere zu essen, aus denen Polyethylen besteht.

In der Studie arbeiteten Zha und Koffas mit Wissenschaftlern des Argonne National Laboratory zusammen, die den Kunststoff durch Erhitzen unter Druck depolymerisierten, wodurch eine weiche, wachsartige Substanz entstand. Anschließend trug das Team eine Schicht des aus dem Kunststoff gewonnenen Wachses auf die Böden der Kolben auf, die als Nährstoffquelle für die Bakterienkultur dienten. Dies unterscheidet sich von der üblichen Fermentation, bei der Zucker als Nährstoffquelle dient.

„Es ist, als würden wir die Bakterien nicht mit Kuchen füttern, sondern mit den Kerzen auf dem Kuchen“, so Zha.

Als dann der Inhalt der Kolben auf einer Wärmeplatte sanft umgewälzt wurde, gingen die Bakterien an die Arbeit. Nach 72 Stunden ließen die Wissenschaftler die Bakterien aus der flüssigen Kultur abtropfen, reinigten das Seidenprotein und gefriergetrockneten es. In diesem Stadium könnte das Protein, das zerrissenen Wattebällchen ähnelte, potenziell zu Garn gesponnen oder in andere nützliche Formen weiterverarbeitet werden.

„Das wirklich Spannende an diesem Prozess ist, dass er im Gegensatz zur heutigen Kunststoffproduktion wenig Energie verbraucht und keine giftigen Chemikalien benötigt“, so Zha. „Die besten Chemiker der Welt könnten Polyethylen nicht in Spinnenseide umwandeln, aber diese Bakterien können es. Wir machen uns wirklich zunutze, was die Natur entwickelt hat, um die Herstellung für uns zu übernehmen.“

Bevor jedoch Produkte aus recycelter Spinnenseide zur Realität werden, müssen die Wissenschaftler zunächst Wege finden, um das Seidenprotein effizienter herzustellen.
 
„Diese Studie zeigt, dass wir diese Bakterien verwenden können, um Plastik in Spinnenseide umzuwandeln. In unserer künftigen Arbeit werden wir untersuchen, ob wir die Bakterien oder andere Aspekte des Prozesses optimieren können, um die Produktion zu steigern“, sagte Koffas.

„Die Professoren Zha und Koffas repräsentieren die neue Generation von Chemie- und Bioingenieuren, die biologisches Engineering mit Materialwissenschaften zur Herstellung umweltfreundlicher Produkte verbinden. Ihre Arbeit ist ein neuartiger Ansatz zum Schutz der Umwelt und zur Verringerung unserer Abhängigkeit von nicht erneuerbaren Ressourcen“, sagte Shekhar Garde, Ph.D., Dekan der RPI School of Engineering.

Die Studie, die vom Erstautor Alexander Connor, der 2023 am RPI promoviert, und den Co-Autoren Jessica Lamb und Massimiliano Delferro vom Argonne National Laboratory durchgeführt wurde, wurde in der Zeitschrift „Microbial Cell Factories“ veröffentlicht.

Quelle:

Samantha Murray, Rensselaer

CO2 in stabile Kohlenstoff-Nanofasern umwandeln (c) Zhenhua Xie/Brookhaven National Laboratory und Columbia University; Erwei Huang/Brookhaven National Laboratory
22.01.2024

CO2 in stabile Kohlenstoff-Nanofasern umwandeln

Die elektrokatalytisch-thermokatalytische Mehrfachumwandlung könnte dazu beitragen, die Emissionen eines starken Treibhausgases auszugleichen, indem Kohlenstoff in einem nützlichen Material eingeschlossen wird.

Die elektrokatalytisch-thermokatalytische Mehrfachumwandlung könnte dazu beitragen, die Emissionen eines starken Treibhausgases auszugleichen, indem Kohlenstoff in einem nützlichen Material eingeschlossen wird.

Wissenschaftler des Brookhaven National Laboratory des US-Energieministeriums (DOE) und der Columbia University haben eine Methode entwickelt, um Kohlendioxid (CO2), ein starkes Treibhausgas, in Kohlenstoff-Nanofasern umzuwandeln, Materialien mit einer breiten Palette einzigartiger Eigenschaften und vielen potenziellen langfristigen Einsatzmöglichkeiten. Ihre Strategie beruht auf einem Zusammenspiel von elektrochemischen und thermochemischen Reaktionen, die bei relativ niedrigen Temperaturen und Umgebungsdruck ablaufen. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Nature Catalysis beschreiben, könnte es mit diesem Ansatz gelingen, Kohlenstoff in einer nützlichen festen Form zu binden, um Kohlenstoffemissionen auszugleichen oder sogar negativ zu gestalten.

„Man kann die Kohlenstoff-Nanofasern in Zement einarbeiten, um ihn zu verstärken“, so Jingguang Chen, Professor für Chemieingenieurwesen an der Columbia University mit einer gleichzeitigen Anstellung am Brookhaven Lab, der die Forschungsarbeiten leitete. "Damit wäre der Kohlenstoff für mindestens 50 Jahre, möglicherweise sogar länger, im Beton eingeschlossen. Bis dahin sollte die Welt hauptsächlich auf erneuerbare Energiequellen umgestellt sein, die keinen Kohlenstoff freisetzen.

Als Bonus produziert das Verfahren auch Wasserstoffgas (H2), einen vielversprechenden alternativen Kraftstoff, der bei seiner Verwendung keine Emissionen verursacht.

Bindung oder Umwandlung von Kohlenstoff?
Die Idee, CO2 zu binden oder es in andere Stoffe umzuwandeln, um den Klimawandel zu bekämpfen, ist nicht neu. Aber die einfache Lagerung von CO2-Gas kann zu Lecks führen. Und bei vielen CO2-Umwandlungen werden Chemikalien oder Kraftstoffe auf Kohlenstoffbasis hergestellt, die sofort verwendet werden, wodurch das CO2 wieder in die Atmosphäre gelangt.

„Das Neue an dieser Arbeit ist, dass wir versuchen, CO2 in etwas umzuwandeln, das einen Mehrwert bietet, und zwar in einer festen, sinnvollen Form“, so Chen.

Solch feste Kohlenstoffmaterialien - einschließlich Kohlenstoff-Nanoröhren und Nanofasern mit Abmessungen im Milliardstel-Meter-Bereich - haben viele ansprechende Eigenschaften, darunter Festigkeit sowie thermische und elektrische Leitfähigkeit. Es ist jedoch keine einfache Angelegenheit, Kohlenstoff aus Kohlendioxid zu extrahieren und ihn zu diesen feinen Strukturen zusammenzufügen. Ein direkter, hitzegetriebener Prozess erfordert Temperaturen von über 1.000 Grad Celsius.

„Das ist für die CO2-Reduzierung in großem Maßstab sehr unrealistisch“, sagte Chen. „Im Gegensatz dazu haben wir einen Prozess gefunden, der bei etwa 400 Grad Celsius abläuft, was eine viel praktikablere, industriell erreichbare Temperatur ist.“

Der zweistufige Tandemprozess
Der Trick bestand darin, die Reaktion in mehrere Schritte aufzuteilen und zwei verschiedene Arten von Katalysatoren zu verwenden - Materialien, die es den Molekülen leichter machen, zusammenzukommen und zu reagieren.

„Wenn man die Reaktion in mehrere Teilschritte aufteilt, kann man verschiedene Arten von Energiezufuhr und Katalysatoren in Betracht ziehen, um jeden Teil der Reaktion zum Laufen zu bringen“, so Zhenhua Xie, Forscher am Brookhaven Lab und an der Columbia University, Hauptautor der Studie.

Die Wissenschaftler stellten zunächst fest, dass Kohlenmonoxid (CO) ein viel besseres Ausgangsmaterial als CO2 für die Herstellung von Kohlenstoff-Nanofasern (CNF) ist. Dann machten sie sich auf die Suche nach dem effizientesten Weg, um CO aus CO2 zu erzeugen.

Frühere Arbeiten ihrer Gruppe veranlassten sie, einen handelsüblichen Elektrokatalysator aus Palladium auf Kohlenstoffträgern zu verwenden. Elektrokatalysatoren treiben chemische Reaktionen mit Hilfe eines elektrischen Stroms an. In Gegenwart von fließenden Elektronen und Protonen spaltet der Katalysator sowohl CO2 als auch Wasser (H2O) in CO und H2 auf.

Für den zweiten Schritt wählten die Wissenschaftler einen hitzeaktivierten Thermokatalysator aus einer Eisen-Kobalt-Legierung. Er arbeitet bei Temperaturen um 400 Grad Celsius, also deutlich schonender als es eine direkte Umwandlung von CO2 in CNF erfordern würde. Sie entdeckten außerdem, dass die Zugabe von etwas zusätzlichem metallischem Kobalt die Bildung der Kohlenstoff-Nanofasern stark fördert.

„Durch die Kopplung von Elektrokatalyse und Thermokatalyse können wir mit diesem Tandemverfahren Dinge erreichen, die mit einem der beiden Verfahren allein nicht möglich sind“, so Chen.

Katalysator-Charakterisierung
Um herauszufinden, wie diese Katalysatoren im Detail funktionieren, führten die Wissenschaftler eine Vielzahl von Experimenten durch. Dazu gehörten computergestützte Modellierungsstudien, physikalische und chemische Charakterisierungsstudien an der Nationalen Synchrotronlichtquelle II (NSLS-II) des Brookhaven Labs - unter Verwendung der Quick X-ray Absorption and Scattering (QAS)- und Inner-Shell Spectroscopy (ISS)-Strahlführungen - sowie mikroskopische Aufnahmen in der Elektronenmikroskopie-Anlage des Center for Functional Nanomaterials (CFN) des Labs.

Bei der Modellierung verwendeten die Wissenschaftler Berechnungen der Dichtefunktionaltheorie (DFT), um die atomaren Anordnungen und andere Eigenschaften der Katalysatoren bei der Wechselwirkung mit der aktiven chemischen Umgebung zu analysieren.

"Wir untersuchen die Strukturen, um festzustellen, welches die stabilen Phasen des Katalysators unter den Reaktionsbedingungen sind", erklärte Studienmitautor Ping Liu von der Chemieabteilung in Brookhaven, der diese Berechnungen leitete. "Wir untersuchen die aktiven Stellen und wie sich diese Stellen mit den Reaktionszwischenprodukten verbinden. Indem wir die Barrieren oder Übergangszustände von einem Schritt zum anderen bestimmen, erfahren wir genau, wie der Katalysator während der Reaktion funktioniert."

Röntgenbeugungs- und Röntgenabsorptionsexperimente an der NSLS-II verfolgten, wie sich die Katalysatoren während der Reaktionen physikalisch und chemisch verändern. Die Synchrotron-Röntgenstrahlen zeigten beispielsweise, wie sich das metallische Palladium im Katalysator durch elektrischen Strom in Palladiumhydrid umwandelt, ein Metall, das für die Produktion von H2 und CO in der ersten Reaktionsstufe entscheidend ist.

Für die zweite Stufe „wollten wir wissen, wie die Struktur des Eisen-Kobalt-Systems unter den Reaktionsbedingungen aussieht und wie man den Eisen-Kobalt-Katalysator optimieren kann“, so Xie. Die Röntgenexperimente bestätigten, dass sowohl eine Legierung aus Eisen und Kobalt als auch zusätzliches metallisches Kobalt vorhanden sind und benötigt werden, um CO in Kohlenstoff-Nanofasern umzuwandeln.

„Die beiden arbeiten nacheinander zusammen“, sagte Liu, deren DFT-Berechnungen zur Erklärung des Prozesses beitrugen.

„Unserer Studie zufolge tragen die Kobalt-Eisen-Stellen in der Legierung dazu bei, die C-O-Bindungen des Kohlenmonoxids zu brechen. Dadurch wird atomarer Kohlenstoff verfügbar, der als Quelle für den Aufbau von Kohlenstoff-Nanofasern dient. Das zusätzliche Kobalt erleichtert dann die Bildung der C-C-Bindungen, die die Kohlenstoffatome miteinander verbinden", erklärte sie.

Recyclingfähig, kohlenstoffnegativ
„Die am CFN durchgeführten Analysen mit dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) zeigten die Morphologie, die Kristallstrukturen und die Elementverteilung in den Kohlenstoff-Nanofasern sowohl mit als auch ohne Katalysator“, sagt Sooyeon Hwang, Wissenschaftlerin am CFN und Mitautorin der Studie.

Die Bilder zeigen, dass der Katalysator beim Wachsen der Kohlenstoff-Nanofasern nach oben und von der Oberfläche weggeschoben wird. Das macht es einfach, das katalytische Metall zu recyceln, so Chen.

„Wir verwenden Säure, um das Metall auszulaugen, ohne die Kohlenstoff-Nanofaser zu zerstören, so dass wir die Metalle konzentrieren und recyceln können, um sie erneut als Katalysator zu verwenden“, führte er aus.

Diese einfache Wiederverwertung des Katalysators, die kommerzielle Verfügbarkeit der Katalysatoren und die relativ moderaten Reaktionsbedingungen für die zweite Reaktion tragen nach Ansicht der Forscher zu einer günstigen Bewertung der mit dem Verfahren verbundenen Energie- und sonstigen Kosten bei.

„Für praktische Anwendungen ist beides sehr wichtig - die Analyse des CO2-Fußabdrucks und die Wiederverwertbarkeit des Katalysators“, so Chen. „Unsere technischen Ergebnisse und diese anderen Analysen zeigen, dass diese Tandemstrategie eine Tür für die Dekarbonisierung von CO2 in wertvolle feste Kohlenstoffprodukte bei gleichzeitiger Erzeugung von erneuerbarem H2 öffnet."

Wenn diese Prozesse durch erneuerbare Energie angetrieben werden, wären die Ergebnisse wirklich kohlenstoffnegativ, was neue Möglichkeiten zur CO2-Minderung eröffnet.

Quelle:

Brookhaven National Laboratory
Übersetzung: Textination

Neue leitfähige Faser auf Baumwollbasis für Smart Textiles entwickelt Foto: Dean Hare, WSU Photo Services
29.12.2023

Neue leitfähige Faser auf Baumwollbasis für Smart Textiles entwickelt

Ein einzelner Faserstrang, der an der Washington State University entwickelt wurde, hat die Flexibilität von Baumwolle und die elektrische Leitfähigkeit eines Polymers namens Polyanilin.

Das neu entwickelte Material zeigt gutes Potenzial für tragbare E-Textiles. Die WSU-Forscher testeten die Fasern mit einem System, das eine LED-Lampe mit Strom versorgte, und einem anderen, das Ammoniakgas aufspürte. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Zeitschrift „Carbohydrate Polymers“.

„Wir haben eine Faser aus zwei Schichten: eine Schicht ist die herkömmliche Baumwolle, die flexibel und stark genug für den täglichen Gebrauch ist, und die andere Seite ist das leitfähige Material", sagt Hang Liu, Textilwissenschaftlerin an der WSU und Autorin der Studie.

„Die Baumwolle kann das leitfähige Material tragen, das die gewünschte Funktion erfüllen kann.“

Ein einzelner Faserstrang, der an der Washington State University entwickelt wurde, hat die Flexibilität von Baumwolle und die elektrische Leitfähigkeit eines Polymers namens Polyanilin.

Das neu entwickelte Material zeigt gutes Potenzial für tragbare E-Textiles. Die WSU-Forscher testeten die Fasern mit einem System, das eine LED-Lampe mit Strom versorgte, und einem anderen, das Ammoniakgas aufspürte. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Zeitschrift „Carbohydrate Polymers“.

„Wir haben eine Faser aus zwei Schichten: eine Schicht ist die herkömmliche Baumwolle, die flexibel und stark genug für den täglichen Gebrauch ist, und die andere Seite ist das leitfähige Material", sagt Hang Liu, Textilwissenschaftlerin an der WSU und Autorin der Studie.

„Die Baumwolle kann das leitfähige Material tragen, das die gewünschte Funktion erfüllen kann.“

Die Idee ist, solche Fasern als Sensoraufnäher mit flexiblen Schaltkreisen in die Kleidung zu integrieren, auch wenn es noch weiterer Entwicklung bedarf. Diese Aufnäher könnten Teil der Uniformen von Feuerwehrleuten, Soldaten oder Arbeitern sein, die mit Chemikalien umgehen, um gefährliche Expositionen zu erkennen. Andere Anwendungen sind Gesundheitsüberwachungen oder Sporthemden, die mehr können als die derzeitigen Fitnessmonitore.

„Es gibt bereits einige intelligente Wearables, wie z. B. intelligente Uhren, die die Bewegung und die menschlichen Vitalparameter überwachen können, aber wir hoffen, dass in Zukunft auch die Alltagskleidung diese Funktionen erfüllen kann“, so Liu. „Mode ist nicht nur Farbe und Stil, wie viele Leute denken: Mode ist Wissenschaft.“

In dieser Studie arbeitete das WSU-Team daran, die Herausforderungen beim Mischen des leitfähigen Polymers mit Baumwollzellulose zu meistern. Polymere sind Stoffe mit sehr großen Molekülen, die ein sich wiederholendes Muster aufweisen. In diesem Fall verwendeten die Forscher Polyanilin, auch bekannt als PANI, ein synthetisches Polymer mit leitenden Eigenschaften, das bereits in Anwendungen wie der Herstellung von Leiterplatten verwendet wird.

Polyanilin ist zwar von Natur aus leitfähig, aber spröde und kann daher nicht zu einer Faser für Textilien verarbeitet werden. Um dieses Problem zu bewältigen, lösten die WSU-Forscher Baumwollzellulose aus recycelten T-Shirts in einer Lösung und das leitfähige Polymer in einer anderen Lösung auf. Diese beiden Lösungen wurden dann zusammengeführt, und das Material wurde zu einer Faser extrudiert.

Das Ergebnis zeigte eine gute Grenzflächenbindung, was wiederum bedeutet, dass die Moleküle der verschiedenen Materialien durch Dehnung und Biegung zusammenbleiben würden.

Die richtige Mischung an der Schnittstelle zwischen Baumwollzellulose und Polyanilin zu erzielen, sei ein schwieriger Balanceakt, so Liu.

„Wir wollten, dass diese beiden Lösungen so zusammenwirken, dass sich die Baumwolle und das leitfähige Polymer bei Kontakt bis zu einem gewissen Grad vermischen und sozusagen zusammenkleben, aber wir wollten nicht, dass sie sich zu sehr vermischen, da sonst die Leitfähigkeit beeinträchtigt würde“, sagte sie.

Weitere WSU-Autoren dieser Studie waren der Hauptautor Wangcheng Liu sowie Zihui Zhao, Dan Liang, Wei-Hong Zhong und Jinwen Zhang. Diese Forschung wurde von der National Science Foundation und dem Walmart Foundation Project unterstützt.

Quelle:

Sara Zaske, WSU News & Media Relations

Feuerwehr Foto: 12019 at Pixabay
11.12.2023

Studie testet Feuerwehrschutzkleidung mit und ohne PFAS

Die Abwendung von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), die wasser- und ölabweisende Eigenschaften auf den Außenhüllen von Feuerwehrausrüstungen bieten, könnte laut einer neuen Studie der North Carolina State University zu Leistungseinbußen führen.

Die Studie zeigte, dass Schutzkleidung ohne PFAS-Außenbeschichtungen nicht ölabweisend ist, was eine potenzielle Entflammbarkeitsgefahr für Feuerwehrleute darstellt, wenn sie Öl und Flammen ausgesetzt sind, sagte Bryan Ormond, Assistenzprofessor für Textiltechnik, Chemie und Wissenschaft an der NC State University und korrespondierender Autor einer Publikation, das die Forschung erläutert.

Die Abwendung von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), die wasser- und ölabweisende Eigenschaften auf den Außenhüllen von Feuerwehrausrüstungen bieten, könnte laut einer neuen Studie der North Carolina State University zu Leistungseinbußen führen.

Die Studie zeigte, dass Schutzkleidung ohne PFAS-Außenbeschichtungen nicht ölabweisend ist, was eine potenzielle Entflammbarkeitsgefahr für Feuerwehrleute darstellt, wenn sie Öl und Flammen ausgesetzt sind, sagte Bryan Ormond, Assistenzprofessor für Textiltechnik, Chemie und Wissenschaft an der NC State University und korrespondierender Autor einer Publikation, das die Forschung erläutert.

„Alle ölabweisenden Mittel können auch Wasser abweisen, aber nicht alle wasserabweisenden Mittel weisen zwangsläufig auch Öl ab“, so Ormond. „Dieselkraftstoff ist wirklich schwer abzustoßen, ebenso wie Hydraulikflüssigkeit; in unseren Tests stoßen PFAS-behandelte Materialien beides ab. So wies Schutzkleidung ohne PFAS in unseren Tests zwar Wasser ab, nicht aber Öl oder Hydraulikflüssigkeit.“

„Außerdem scheinen sich die Öle auf den PFAS-freien Kleidungsstücken noch mehr zu verteilen, was die Gefahr potenziell erhöht.“

PFAS-Chemikalien - wegen ihrer Langlebigkeit in der Umwelt als „Ewigkeits-Chemikalien“ bekannt - werden unter anderem in Lebensmittelverpackungen, Kochgeschirr und Kosmetika verwendet, wurden aber in letzter Zeit mit einem höheren Krebsrisiko, höheren Cholesterinwerten und einem geschwächten Immunsystem beim Menschen in Verbindung gebracht. Als Reaktion darauf haben Feuerwehrleute nach alternativen chemischen Verbindungen - wie der in der Studie verwendeten Kohlenwasserstoffwachsbeschichtung - für Schutzkleidung gesucht, die Wasser und Öl abweisen.

Die Forschenden der NC State University testeten nicht nur die öl- und wasserabweisenden Eigenschaften von PFAS-behandelter und PFAS-freier Oberbekleidung, sondern verglichen auch, wie die Oberteile bei berufsbedingten Belastungen wie Witterungseinflüssen, großer Hitze und wiederholtem Waschen alterten, und ob die Kleidungsstücke strapazierfähig blieben und Reißen und Zerreißen widerstanden.

Die Studie zeigte, dass mit PFAS behandelte und PFAS-freie Außenschalen nach der Einwirkung von UV-Strahlen und verschiedenen Wärme- und Feuchtigkeitsstufen sowie nach dem Durchlaufen von Heizgeräten - ähnlich wie bei einem Pizzaofen - und Waschmaschinen ähnlich abschnitten.

„Das Waschen der Ausrüstung ist aufgrund der Bewegung der Waschmaschine und der verwendeten Reinigungsmittel sehr schädlich für die Schutzkleidung“, so Ormond.

„Wir haben auch chemische Analysen durchgeführt, um zu sehen, was während des Verwitterungsprozesses passiert“, sagte Nur Mazumder, eine NC State-Doktorand in Faser- und Polymerwissenschaften und Hauptautor der Studie. „Verlieren wir die PFAS-Chemikalien, die PFAS-freien Chemikalien oder beides, wenn wir die Kleidungsstücke altern? Es stellte sich heraus, dass wir nach den Alterungstests erhebliche Mengen beider Ausrüstungen verloren haben.“

Beide Arten von Kleidungsstücken schnitten bei der Prüfung der Reißfestigkeit des Außenmaterials ähnlich ab. Die Forschenden sagen, dass die PFAS- und PFAS-freien Beschichtungen dieses Attribut nicht zu beeinflussen schienen.

Ormond sagte, dass künftige Forschungen untersuchen werden, wie viel Ölabweisungsvermögen die Feuerwehrleute im Einsatz benötigen.

„Selbst bei einer PFAS-Behandlung besteht ein Unterschied zwischen einem Flüssigkeitsspritzer und einer eingedrungenen Flüssigkeit“, so Ormond. „Trotz aller Vorteile ist mit PFAS behandelte Ausrüstung, wenn sie durchtränkt ist, für Feuerwehrleute gefährlich. Wir müssen uns also wirklich fragen: ,Was brauchen die Feuerwehrleute?‘ Wenn Sie keinen Bedarf an ölabweisender Ausrüstung haben, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, auf PFAS-freie Ausrüstung umzusteigen. Aber die Feuerwehrleute müssen wissen, dass die Nicht-PFAS-Ausrüstung Öl absorbiert, unabhängig davon, um welche Öle es sich handelt.“

Andrew Hall, ein weiterer NC State-Doktorand der Faser- und Polymerwissenschaften und Mitverfasser der Studie, testet auch die dermale Absorption, d. h. er nimmt die gealterten Außenhüllenmaterialien und legt sie ein oder zwei Tage lang auf ein Hautsurrogat. Werden die Chemikalien der Außenhülle nach diesen zugegebenermaßen extremen Expositionszeiten vom Hautsurrogat absorbiert?

„Die Feuerwehrtätigkeit ist als krebserregend eingestuft, aber das sollte nicht so sein“, sagte Ormond. „Wie können wir bessere Ausrüstung für sie herstellen? Wie können wir bessere Beschichtungen und Strategien für sie entwickeln?“

„Das sind nicht einfach nur Textilien“, sagte Ormond. „Es sind hochentwickelte Materialien, die nicht einfach ersetzt werden können.“

Die Studie wurde im Journal of Industrial Textiles veröffentlicht. Finanziert wurde die Forschung durch das "Assistance to Firefighters Grants Program" der Federal Emergency Management Agency.

Quelle:

North Carolina State University, Mick Kulikowski

06.11.2023

Wandlungsfähige Stoffe aus formverändernden Fasern

Die kostengünstige FibeRobo, die mit bestehenden Textilherstellungstechniken kompatibel ist, könnte für adaptive Funktionsbekleidung oder Kompressionskleidung verwendet werden.

Forscher des MIT und der Northeastern University haben eine Flüssigkristall-Elastomerfaser entwickelt, die ihre Form als Reaktion auf thermische Reize verändern kann. Die Faser, die mit bestehenden Textilherstellungsmaschinen vollständig kompatibel ist, könnte zur Herstellung von sich wandelnden Textilien verwendet werden, z. B. für eine Jacke, die bei sinkenden Temperaturen stärker isoliert, um den Träger warm zu halten.

Stellen Sie sich vor, Sie bräuchten nicht mehr für jede Jahreszeit einen Mantel, sondern eine Jacke, die ihre Form dynamisch verändert, so dass sie bei sinkenden Temperaturen isolierender wird und Sie warmhält.

Die kostengünstige FibeRobo, die mit bestehenden Textilherstellungstechniken kompatibel ist, könnte für adaptive Funktionsbekleidung oder Kompressionskleidung verwendet werden.

Forscher des MIT und der Northeastern University haben eine Flüssigkristall-Elastomerfaser entwickelt, die ihre Form als Reaktion auf thermische Reize verändern kann. Die Faser, die mit bestehenden Textilherstellungsmaschinen vollständig kompatibel ist, könnte zur Herstellung von sich wandelnden Textilien verwendet werden, z. B. für eine Jacke, die bei sinkenden Temperaturen stärker isoliert, um den Träger warm zu halten.

Stellen Sie sich vor, Sie bräuchten nicht mehr für jede Jahreszeit einen Mantel, sondern eine Jacke, die ihre Form dynamisch verändert, so dass sie bei sinkenden Temperaturen isolierender wird und Sie warmhält.

Eine von einem interdisziplinären Team von MIT-Forschern entwickelte programmierbare Antriebsfaser könnte diese Vision eines Tages Wirklichkeit werden lassen. Die als FibeRobo bezeichnete Faser zieht sich bei einem Temperaturanstieg zusammen und kehrt sich dann selbst um, wenn die Temperatur sinkt - ohne eingebettete Sensoren oder andere feste Komponenten.

Die kostengünstige Faser ist voll kompatibel mit Textilherstellungstechniken, einschließlich Webmaschinen, Stickereien und industriellen Strickmaschinen, und kann kontinuierlich kilometerweise produziert werden. Dies könnte es Designern ermöglichen, eine breite Palette von Stoffen für unzählige Anwendungen mit Antriebs- und Sensorfunktionen auszustatten.

Die Fasern können auch mit einem leitfähigen Faden kombiniert werden, der als Heizelement wirkt, wenn elektrischer Strom durch ihn fließt. Auf diese Weise werden die Fasern durch Elektrizität aktiviert, was dem Nutzer eine digitale Kontrolle über die Form des Textils ermöglicht. So könnte ein Stoff beispielsweise seine Form auf der Grundlage digitaler Informationen, wie den Messwerten eines Herzfrequenzsensors, verändern.

„Wir verwenden Textilien für alles. Wir bauen Flugzeuge aus Faserverbundwerkstoffen, wir kleiden die Internationale Raumstation mit einem Strahlenschutzgewebe aus, wir verwenden sie für individuelle Bekleidung und Funktionsbekleidung. Vieles in unserer Umwelt ist anpassungsfähig und reaktionsfähig, aber das, was am anpassungsfähigsten und reaktionsfähigsten sein muss - Textilien - ist völlig träge“, sagt Jack Forman, Doktorand in der Tangible Media Group des MIT Media Lab, der auch am Center for Bits and Atoms tätig ist, und Hauptautor einer Arbeit über die aktivierende Faser.

An dem Papier arbeiten 11 weitere Forscher des MIT und der Northeastern University mit, darunter seine Berater Professor Neil Gershenfeld, der das Center for Bits and Atoms leitet, und Hiroshi Ishii, der Jerome B. Wiesner Professor of Media Arts and Sciences und Leiter der Tangible Media Group. Die Forschungsergebnisse werden auf dem ACM Symposium on User Interface Software and Technology vorgestellt.

Sich verwandelnde Materialien
Die MIT-Forscher wollten eine Faser, die sich geräuschlos bewegen und ihre Form drastisch verändern kann und gleichzeitig mit den üblichen Textilherstellungsverfahren kompatibel ist. Um dies zu erreichen, verwendeten sie ein Material, das als Flüssigkristall-Elastomer (LCE) bekannt ist.

Ein Flüssigkristall besteht aus einer Reihe von Molekülen, die wie eine Flüssigkeit fließen können, aber wenn sie sich absetzen, stapeln sie sich zu einer periodischen Kristallanordnung. Die Forscher bauen diese Kristallstrukturen in ein Elastomernetzwerk ein, das dehnbar ist wie ein Gummiband.

Wenn sich das LCE-Material erwärmt, geraten die Kristallmoleküle aus ihrer Ausrichtung und ziehen das Elastomernetzwerk zusammen, wodurch sich die Faser zusammenzieht. Wenn die Hitze weggenommen wird, kehren die Moleküle in ihre ursprüngliche Ausrichtung zurück und das Material erhält seine ursprüngliche Länge, erklärt Forman.

Durch sorgfältiges Mischen von Chemikalien zur Synthese der LCE können die Forscher die endgültigen Eigenschaften der Faser steuern, z. B. ihre Dicke oder die Temperatur, bei der sie aktiviert wird.

Sie perfektionierten eine Präparationstechnik, mit der LCE-Fasern hergestellt werden können, die bei hautverträglichen Temperaturen aktiviert werden können, so dass sie sich für tragbare Stoffe eignen.

"Es gibt viele Knöpfe, an denen wir drehen können. Es war eine Menge Arbeit, dieses Verfahren von Grund auf neu zu entwickeln, aber letztendlich gibt es uns viel Freiheit für die entstehende Faser", fügt er hinzu.

Die Forscher stellten jedoch fest, dass die Herstellung von Fasern aus LCE-Harz ein heikler Prozess ist. Bestehende Techniken führen oft zu einer verschmolzenen Masse, die sich nicht abspulen lässt.

Die Forscher untersuchen auch andere Möglichkeiten zur Herstellung funktioneller Fasern, wie z. B. die Einarbeitung von Hunderten von mikroskopisch kleinen digitalen Chips in ein Polymer, die Verwendung eines aktivierten Fluidiksystems oder die Einbeziehung von piezoelektrischem Material, das Schallschwingungen in elektrische Signale umwandeln kann.

Faserherstellung
Forman baute eine Maschine mit 3D-gedruckten und lasergeschnittenen Teilen und einfacher Elektronik, um die Herausforderungen bei der Herstellung zu meistern. Er baute die Maschine zunächst im Rahmen des Graduiertenkurses MAS.865 (Rapid-Prototyping of Rapid-Prototyping Machines: How to Make Something that Makes [almost] Anything).

Zu Beginn wird das dicke und zähflüssige LCE-Harz erhitzt und dann langsam durch eine Düse wie bei einer Klebepistole gepresst. Wenn das Harz austritt, wird es sorgfältig mit UV-Lichtern ausgehärtet, die auf beide Seiten der langsam extrudierenden Faser leuchten. Ist das Licht zu schwach, trennt sich das Material und tropft aus der Maschine, ist es jedoch zu hell, können sich Klumpen bilden, was zu unebenen Fasern führt.

Dann wird die Faser in Öl getaucht, um ihr eine gleitfähige Beschichtung zu verleihen, und erneut ausgehärtet, diesmal mit voll aufgedrehtem UV-Licht, wodurch eine starke und glatte Faser entsteht. Schließlich wird die Faser auf eine Spule aufgewickelt und in Pulver getaucht, damit sie leicht in die Maschinen für die Textilherstellung gleiten kann.

Von der chemischen Synthese bis zur fertigen Spule dauert der Prozess etwa einen Tag und ergibt etwa einen Kilometer gebrauchsfertige Faser. „Am Ende des Tages will man keine Diva-Faser. Man möchte eine Faser, die sich bei der Arbeit mit ihr in das Ensemble der Materialien einfügt - eine Faser, mit der man wie mit jedem anderen Fasermaterial arbeiten kann, die aber eine Menge aufregender neuer Möglichkeiten bietet“, sagt Forman.

Die Entwicklung einer solchen Faser erforderte eine Menge „trial and error“ sowie die Zusammenarbeit von Forschern mit Fachwissen in vielen Disziplinen, von der Chemie über den Maschinenbau und die Elektronik bis hin zum Design. Die so entstandene Faser mit dem Namen FibeRobo kann sich um bis zu 40 Prozent zusammenziehen, ohne sich zu krümmen, sie kann bei hautverträglichen Temperaturen aktiviert werden (die hautverträgliche Version der Faser zieht sich um bis zu 25 Prozent zusammen) und sie kann mit einer kostengünstigen Anlage für 20 Cent pro Meter hergestellt werden, was etwa 60-mal billiger ist als handelsübliche formverändernde Fasern. Die Faser kann sowohl in industrielle Näh- und Strickmaschinen als auch in nicht-industrielle Verfahren wie Handwebstühle oder manuelles Häkeln integriert werden, ohne dass eine Prozessänderung erforderlich ist.

Die MIT-Forscher haben mit FibeRobo mehrere Anwendungen demonstriert, darunter einen adaptiven Sport-BH, der durch Stickerei hergestellt wird und sich strafft, wenn die Trägerin mit dem Training beginnt. Sie verwendeten auch eine industrielle Strickmaschine, um eine Kompressionsweste für den Hund von Forman, der Professor heißt, herzustellen. Die Jacke wird über ein Bluetooth-Signal von Formans Smartphone aktiviert und „umarmt“ den Hund. Kompressionswesten werden üblicherweise verwendet, um die Trennungsangst eines Hundes zu lindern, wenn sein Besitzer nicht zu Hause ist.

In Zukunft wollen die Forscher die chemischen Komponenten der Faser so anpassen, dass sie recycelbar oder biologisch abbaubar ist. Darüber hinaus wollen sie den Prozess der Polymersynthese vereinfachen, so dass auch Nutzer ohne Nasslaborerfahrung ihn selbst durchführen können.

Forman ist gespannt auf die FibeRobo-Anwendungen, die andere Forschungsgruppen auf der Grundlage dieser frühen Ergebnisse entwickeln. Langfristig hofft er, dass FibeRobo zu einem Produkt wird, das man wie ein Garnknäuel im Bastelladen kaufen kann und mit dem sich leicht veränderliche Stoffe herstellen lassen.

„LCE-Fasern erwachen zum Leben, wenn sie in Funktionstextilien integriert werden. Es ist besonders faszinierend zu beobachten, wie die Autoren kreative Textildesigns mit einer Vielzahl von Web- und Strickmustern entwickelt haben“, sagt Lining Yao, der Cooper-Siegel Associate Professor of Human Computer Interaction an der Carnegie Mellon University, der jedoch nicht an dieser Arbeit beteiligt war.

Diese Forschungsarbeit wurde zum Teil durch das William Asbjornsen Albert Memorial Fellowship, das Dr. Martin Luther King Jr. Visiting Professor Program, Toppan Printing Co., Honda Research, Chinese Scholarship Council und Shima Seiki unterstützt. Zum Team gehörten Ozgun Kilic Afsar, Sarah Nicita, Rosalie (Hsin-Ju) Lin, Liu Yang, Akshay Kothakonda, Zachary Gordon und Cedric Honnet am MIT sowie Megan Hofmann und Kristen Dorsey an der Northeastern University.

Quelle:

MIT und Northeastern University

Point of View: Let’s end fast fashion, Prof Minna Halme. Foto: Veera Konsti / Aalto University
18.08.2023

Standpunkt: Schluss mit Fast Fashion!

Sich auf kurzfristige Gewinne zu fokussieren, ist nicht nachhaltig. Was können wir also tun, um in die richtige Richtung zu gehen? In allen Branchen die Widerstandsfähigkeit der Effizienz vorziehen.

Sich auf kurzfristige Gewinne zu fokussieren, ist nicht nachhaltig. Was können wir also tun, um in die richtige Richtung zu gehen? In allen Branchen die Widerstandsfähigkeit der Effizienz vorziehen.

Wir kaufen billige Produkte im Wissen, dass wir sie bald ersetzen müssen. Wir werfen gebrauchte Gegenstände weg, anstatt sie zu reparieren oder wiederzuverwenden. Arbeitgeber planen in Bezug auf finanzielle Quartale, obwohl sie hoffen, längerfristig bedeutend und stabil zu bleiben. Sogar Länder geben der kurzfristigen Wirtschaftsleistung den Vorrang und stellen das Bruttoinlandsprodukt (BIP) über jeden anderen Indikator.
 
Unsere globale Besessenheit von kurzfristiger wirtschaftlicher Effizienz - und die Frage, wie man sie überwinden kann - ist ein großes Rätsel, über das Minna Halme, Professorin für Nachhaltigkeitsmanagement, die meiste Zeit ihrer Karriere nachgedacht hat. Schon als Studentin an der Wirtschaftshochschule war sie irritiert, wie sehr sich ihr Unterricht auf kurzfristige Ziele konzentrierte.

„Es ging darum, mehr zu verkaufen, die Gewinne der Aktionäre zu maximieren, ökologisch zu wachsen - aber nicht wirklich zu fragen: Warum? Was ist der Zweck von all dem?“, so Halme.
„Selbst mir als 20-Jähriger kam das irgendwie seltsam vor.“

„Was versuchen wir hier zu tun? Versuchen wir, eine bessere Wirtschaft für alle oder für die meisten Menschen zu schaffen? Wessen Leben versuchen wir zu verbessern, wenn wir mehr unterschiedlich verpackte Joghurtsorten oder Kleidung verkaufen, die schnell unmodern ist?“

Halme hat ihre Karriere der Untersuchung dieser Fragen gewidmet. Heute ist sie eine Vordenkerin im Bereich innovativer Geschäftspraktiken und wurde unter anderem als Mitglied des finnischen Expertengremiums für nachhaltige Entwicklung und des Gremiums für globale Nachhaltigkeit der Vereinten Nationen anerkannt.

Ihr oberstes Ziel? Pionierarbeit zu leisten, zu forschen und für alternative Denkweisen einzutreten, die Werte wie langfristige wirtschaftliche Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit in den Vordergrund stellen - Alternativen, von denen sie und andere Experten glauben, dass sie allen einen dauerhaften, weitreichenden Nutzen bringen würden.
 
Wie traditionelle Indikatoren versagt haben
Ein Weg, in der unsere Vorliebe für wirtschaftliche Effizienz die Art und Weise prägt, wie wir den allgemeinen Wohlstand oder Status eines Landes messen, ist das BIP. Das ist nicht die Schuld des Erfinders des modernen Konzepts des BIP, der in den 1930er Jahren ausdrücklich davor warnte, es auf diese Weise zu verwenden.

„Das BIP war nie dazu gedacht, uns etwas über das Wohlergehen der Bürger eines Landes zu sagen", sagt Halme. Vor fünfundsiebzig Jahren war es jedoch leicht, beides miteinander zu verwechseln. Viele Länder waren eher bestrebt, ihren Wohlstand unter ihren Bürgern umzuverteilen, und Bevölkerungsumfragen zeigen, dass das BIP bis in die 1970er Jahre häufig mit dem allgemeinen Wohlstand korrelierte.

Doch mit dem Aufkommen eines zunehmend rücksichtsloseren Kapitalismus der freien Marktwirtschaft wurde dies immer weniger der Fall - und die Unzulänglichkeiten des BIP wurden umso deutlicher. „Wir befinden uns in einer Situation, in der die Verteilung des Reichtums mehr und mehr zu denjenigen wandert, die bereits über Kapital verfügen. Diejenigen, die es nicht haben, befinden sich in einer rückläufigen wirtschaftlichen Position", sagt Halme. Tatsächlich besitzen die reichsten 1 % der Weltbevölkerung heute fast die Hälfte des weltweiten Vermögens.

„Einige Regierungen, wie die finnische, berücksichtigen zwar Indikatoren für den ökologischen und sozialen Fortschritt. Aber keiner wird als so wichtig für die Entscheidungsfindung angesehen wie das BIP", sagt Halme - und das BIP gilt auch als Maßstab für den Erfolg einer Regierung. Diese Einstellung versucht Halme durch ihre Arbeit als Beraterin der finnischen Regierung zu Nachhaltigkeitspraktiken sowie durch ihre eigene Forschung zu ändern.

Wo die Industrie versagt hat
Unsere oft ausschließliche Konzentration auf die Ökonomie - und insbesondere darauf, so schnell und effizient wie möglich Gewinne zu erzielen - vermittelt kein klares Bild davon, wie es allen in einer Gesellschaft geht. Schlimmer noch, es hat die Industrie ermutigt, mit einer kurzfristigen Perspektive zu handeln, die zu längerfristigen Problemen führt.
 
Fast Fashion ist ein Beispiel dafür. Gegenwärtig sind die Lieferketten für Bekleidung - wie die der meisten Waren - linear. Die Rohstoffe kommen von einem Standort und werden Schritt für Schritt verarbeitet, in der Regel in verschiedenen Produktionsstätten auf der ganzen Welt, wobei Materialien, Energie und Transportmittel verwendet werden, die „billig“ sind, weil ihre hohen Umweltkosten nicht berücksichtigt werden.

Schließlich werden sie von einem Verbraucher gekauft, der das Produkt vorübergehend trägt, bevor er es wegwirft. Um die Gewinnspannen zu erhöhen, setzt die Branche auf schnell wechselnde Trends. Eine erschreckende Menge dieser Kleidungsstücke landet auf der Mülldeponie - einige davon, bevor sie überhaupt getragen worden sind.

Wie der COVID Lockdown gezeigt haben, ist diese Art linearer Lieferketten nicht belastbar. Und sie sind auch nicht nachhaltig.

Schätzungen zufolge ist die Modebranche derzeit die zweitgrößte Umweltverschmutzungsbranche der Welt und für bis zu 10 % aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Forscher der Aalto-Universität haben festgestellt, dass die Branche jährlich mehr als 92 Millionen Tonnen Deponieabfälle produziert. Bis 2030 wird ein Anstieg auf 134 Millionen Tonnen erwartet.
„Die Verringerung des CO2-Fußabdrucks der Modebranche ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die langfristigen Aussichten der Branche selbst. Mit dieser Art von falschem Effizienzdenken untergräbt man die Grundlage unserer langfristigen Widerstandsfähigkeit sowohl für die Ökologie als auch für die Gesellschaft", sagt Halme.

Um aus dieser Falle herauszukommen, sagen sie und andere Forscher, ist ein kompletter Paradigmenwechsel erforderlich. „Es ist wirklich schwierig, nur an den Rändern zu feilen", sagt sie.
Auf dem Weg zur Resilienz

Mehrere Jahre lang erforschte und studierte Halme die ökologische Effizienz und suchte nach Möglichkeiten, wie Unternehmen mehr Produkte mit weniger Umweltbelastungen herstellen könnten. Doch allmählich wurde ihr klar, dass dies nicht die Antwort ist. Obwohl die Unternehmen durch Innovationen effizientere Produkte und Technologien entwickeln konnten, stieg ihr absoluter Verbrauch an natürlichen Ressourcen weiter an.

„Ich begann zu denken: Wenn nicht Effizienz, was dann?", sagt Halme. Sie erkannte, dass die Lösung in der Resilienz liegt, d. h. in der Förderung von Möglichkeiten, wie Systeme, einschließlich der Umwelt, in der Zukunft fortbestehen und sich sogar regenerieren können, anstatt sie in der Gegenwart weiter zu schädigen.
Die Lösung ist nicht „mehr von allem“, auch nicht von „nachhaltigen“ Materialien. Es ist weniger.

„Die einzige Möglichkeit, Fast Fashion zu verbessern, ist, sie zu beenden“, schreiben Halme und ihre Mitautoren. Das bedeutet, dass Kleidung so gestaltet werden muss, dass sie lange hält, dass Geschäftsmodelle die Wiederverwendung und Reparatur erleichtern und dass dem Upcycling Vorrang eingeräumt wird. Auch die Recyclingsysteme müssen überarbeitet werden, um festzustellen, wann ein Kleidungsstück wirklich ausgedient hat - insbesondere im Hinblick auf synthetische Mischfasern, die schwer zu trennen und abzubauen sind.

Dies würde die derzeitige Konzentration auf kurzfristige Einnahmen über den Haufen werfen. Und, so Halme, dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir bessere Möglichkeiten brauchen, um den Erfolg dieser Branchen zu messen, indem wir Faktoren wie Belastbarkeit und Nachhaltigkeit berücksichtigen - und nicht nur kurzfristige Gewinne.
Und obwohl jeder Einzelne etwas bewirken kann, müssen diese Veränderungen letztlich von der Industrie ausgehen.

„Textilien sind ein gutes Beispiel, denn wenn sie schnell kaputt gehen und man keine Reparaturwerkstatt in der Nähe hat oder wenn die Stoffe von so schlechter Qualität sind, dass es keinen Sinn macht, sie zu reparieren, dann ist das für die meisten Menschen ein zu großer Aufwand“, sagt Halme. Die meisten Lösungen sollten also von der Unternehmensseite kommen. Und das Ziel sollte sein, es den Verbrauchern sowohl modisch als auch einfach zu machen, ökologisch und sozial nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
 
Was ist erforderlich?
Die ultimative Herausforderung, sagt Lauri Saarinen, Assistenzprofessor an der Aalto der Aalto-Universität für Wirtschaftsingenieurwesen, ist die Frage, wie man zu einem nachhaltigeren Modell gelangt und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhält. Aber er glaubt, dass es Möglichkeiten gibt.

„Eine Möglichkeit besteht darin, die Produktion lokal zu halten. Wenn wir mit der kostengünstigen Offshore-Fertigung konkurrieren, indem wir die Dinge vor Ort und in einem geschlossenen Kreislauf herstellen, dann haben wir den doppelten Vorteil, indem wir lokal Arbeitsplätze schaffen und uns in Richtung einer nachhaltigeren Lieferkette bewegen“, sagt Saarinen. Wenn beispielsweise Kleidung näher am Verbraucher produziert würde, wäre es einfacher, Kleidungsstücke zur Reparatur zurückzuschicken oder gebrauchte Artikel zurückzunehmen und weiterzuverkaufen.

Lokale Produktion ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir die Methode, mit der wir den gesellschaftlichen Erfolg messen, neu überdenken müssen. Schließlich scheinen Outsourcing und Offshoring zugunsten einer billigeren Produktion kurzfristig die Kosten zu senken, aber dies geschieht zu Lasten dessen, was nach Ansicht von Halme und anderen Experten wirklich wichtig ist: eine längerfristige wirtschaftliche Tragfähigkeit, Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit. Es ist nicht einfach, zu dieser Art von Denken überzugehen. Dennoch sehen Saarinen und Halme vielversprechende Signale.
 
Für Finnland verweist Halme beispielsweise auf das Start-up-Unternehmen Menddie, das es leicht und bequem macht, Kleidungsstücke zum Reparieren oder Ändern wegzuschicken. Sie hebt auch die Bekleidungs- und Lifestyle-Marke Marimekko hervor, die ihre gebrauchten Kleidungsstücke in einem Online-Secondhand-Shop weiterverkauft, sowie das Label Anna Ruohonen, ein Konzept für Maßanfertigungen und Kunden auf Abruf, bei dem keine überschüssigen Kleidungsstücke entstehen.

Genau diese Art von Projekten findet Halme interessant - und sie hofft, mit ihrer Arbeit sowohl für diese zu werben als auch Pionierarbeit zu leisten.
„Momentan haben diese Veränderungen noch nicht zu einer echten Transformation geführt“, sagt sie. Auf globaler Ebene sind wir noch weit von einem echten Wandel hin zu längerfristiger Resilienz entfernt. Aber das könne sich, wie sie betont, schnell ändern. Schließlich hat sich das in der Vergangenheit auch bereits geändert: „Man muss sich nur ansehen, was uns hierhergebracht hat.“

„Das Streben nach Wirtschaftswachstum wurde in relativ kurzer Zeit - nur über etwa sieben Jahrzehnte - zu einem so dominanten Schwerpunkt“, sagt sie. Der Wandel hin zu einer längerfristigen Resilienz ist durchaus möglich. Wissenschaftler und Entscheidungsträger müssen nur ihr Hauptziel auf langfristige Widerstandsfähigkeit umstellen. Die Kernfrage ist, ob unsere mächtigsten Wirtschaftsakteure klug genug sind, dies zu tun.
 
Im Rahmen ihrer Forschung hat Halme Projekte geleitet, die Pionierarbeit für die Art von Veränderungen leisten, die die Modeindustrie vornehmen könnte. Gemeinsam mit ihrer Aalto-Kollegin Linda Turunen hat sie beispielsweise kürzlich ein Messverfahren entwickelt, mit dem die Modeindustrie die Nachhaltigkeit eines Produkts klassifizieren könnte. Dabei wird gemessen, wie haltbar das Produkt ist, wie leicht es recycelt werden kann und ob bei der Herstellung gefährliche Chemikalien verwendet werden - was den Verbrauchern bei der Kaufentscheidung helfen könnte. Ihre Kollegen haben vor kurzem eine Ausstellung kuratiert, in der gezeigt wurde, was wir in einer nachhaltigen Zukunft tragen könnten, z. B. eine Lederalternative, die aus weggeworfenen Blumenstecklingen hergestellt wird, oder modulare Designs, mit denen ein und dasselbe Kleidungsstück mehrfach verwendet werden kann, indem z. B. ein Rock in ein Hemd verwandelt wird.

Da all dies längerfristiges Denken, Innovation und Investitionen erfordert, ist die Industrie zurückhaltend, diese Veränderungen vorzunehmen, sagt Halme. Eine Möglichkeit, die Industrie zu einem schnelleren Wandel zu bewegen, ist die Regulierung. In der Europäischen Union beispielsweise müssen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern aufgrund einer aktualisierten Reihe von Richtlinien nun über eine Reihe von Faktoren der Unternehmensverantwortung Bericht erstatten, die von den Auswirkungen auf die Umwelt bis zur Behandlung der Mitarbeiter reichen. Diese Vorschriften werden nicht nur dazu beitragen, Verbraucher, Investoren und andere Interessengruppen über die Rolle eines Unternehmens bei globalen Herausforderungen zu informieren. Sie werden auch dazu beitragen, Investitionsrisiken zu bewerten und abzuwägen, ob ein Unternehmen die notwendigen Maßnahmen ergreift, um langfristig finanziell stabil zu sein.

Quelle:

Aalto University, Amanda Ruggeri. Übersetzung Textination

Funktionelle Textilien - eine Alternative zu Antibiotika University of Borås
04.07.2023

Funktionelle Textilien - eine Alternative zu Antibiotika

Tuser Biswas forscht mit dem Ziel, moderne medizinische Textilien zu entwickeln, die sowohl der Umwelt als auch der menschlichen Gesundheit zugutekommen. Textilien mit antimikrobiellen Eigenschaften könnten den Einsatz von Antibiotika verringern.

Tuser Biswas forscht mit dem Ziel, moderne medizinische Textilien zu entwickeln, die sowohl der Umwelt als auch der menschlichen Gesundheit zugutekommen. Textilien mit antimikrobiellen Eigenschaften könnten den Einsatz von Antibiotika verringern.

Seine Arbeit umfasst Forschungs- und Lehrtätigkeiten auf dem Gebiet der textilen Materialtechnologie. Das aktuelle Forschungsvorhaben befasst sich mit dem ressourceneffizienten Tintenstrahldruck von Funktionsmaterialien auf verschiedenen textilen Oberflächen für fortschrittliche Anwendungen.
 
Die konventionelle Textilindustrie verschlingt natürliche Ressourcen in Form von Wasser, Energie und Chemikalien. Eine ressourceneffizientere Art, Textilien herzustellen, ist der Tintenstrahldruck. Tuser Biswas, der vor kurzem seine Doktorarbeit im Fachbereich Textile Materialtechnologie verteidigt hat, versucht, Methoden für funktionelle Textilien zu entwickeln. Er hat gezeigt, dass es möglich ist, Enzyme auf Textilien zu drucken. Enzyme sind Proteine, die im Körper als Katalysatoren fungieren, da sie chemische Prozesse in Gang setzen, ohne sich selbst zu verändern. Sie könnten zum Beispiel in Medizintextilien mit antimikrobiellen Eigenschaften oder zur Messung biologischer oder chemischer Reaktionen eingesetzt werden.

„Seit der industriellen Revolution verwendet unsere Gesellschaft eine Fülle von synthetischen und aggressiven Chemikalien. Unsere Forschung zielt darauf ab, diese Chemikalien durch umweltfreundliche und biobasierte Materialien zu ersetzen“, so Tuser Biswas.
 
Vielversprechende Ergebnisse mit Enzymen auf Textilien
Es war nicht ganz einfach, eine gute Enzymtinte zu entwickeln, und es bedurfte mehrerer Versuche, bis er schließlich zu seiner großen Freude erfolgreiche Ergebnisse erzielte. Tuser Biswas erklärte, das wichtigste Ergebnis sei der Nachweis, dass ein gedrucktes Enzym ein anderes Enzym an die Oberfläche eines Stoffes binden könne. Obwohl die Aktivität der Enzyme nach dem Druck um 20-30 Prozent abnahm, sind die Ergebnisse dennoch vielversprechend für zukünftige Anwendungen. Gleichzeitig hat die Arbeit neue Erkenntnisse zu vielen grundlegenden Fragen des Druckens von Biomaterialien auf Gewebe geliefert.

„Bevor wir mit dem Projekt begannen, fanden wir mehrere ähnliche Studien, die sich auf die Herstellung eines fertigen Produkts konzentrierten. Aber wir wollten die grundlegenden Herausforderungen dieses Themas untersuchen, und jetzt wissen wir, wie es funktionieren kann“, so Tuser Biswas.
Er bemüht sich nun um eine Finanzierung, um seine Forschungen fortzusetzen, und hat bisher einen Zuschuss von der Sjuhärad-Sparkassen-Stiftung erhalten. Während der Tage des Wissens im April 2023 präsentierte er seine Forschungsergebnisse vor Vertretern der Stadt Borås und der Wirtschaft, der Sjuhärad-Sparkassen-Stiftung und der Universität Borås.
     
Medizintextilien statt Antibiotika
Tuser Biswas hofft, dass die weitere Forschung im Bereich der Textiltechnologie Alternativen zum Einsatz von Antibiotika bieten kann. Angesichts der zunehmenden Antibiotikaresistenz ist dies nicht nur lokal, sondern weltweit ein wichtiges Thema.

„Anstatt den Patienten mit Antibiotika zu behandeln, kann man präventiv und effektiver handeln, indem man die Bakterien an der Oberfläche schädigt, wo sie zu wachsen beginnen. Zum Beispiel in einem Wundverband. Antimikrobielle Mittel auf Nanopartikelbasis können das Wachstum wirksam reduzieren. Dies ist möglich, da Nanopartikel besser mit der Bakterienmembran interagieren können und das Ziel leichter erreichen als herkömmliche Antimikrobiotika."

Quelle:

Lina Färm. University of Borås. Übersetzung ins Deutsche Textination.

Foto: Unsplash
13.06.2023

Umweltauswirkungen von Textilproduktion und -abfällen

  • Mit „Fast Fashion“ hat die Menge der produzierten und weggeworfenen Kleidungsstücke stark zugenommen.

„Fast Fashion“ ist das ständige Angebot an neuer Mode zu sehr niedrigen Preisen. Um die Auswirkungen auf die Umwelt anzugehen, will die EU Textilabfälle reduzieren und den Lebenszyklus und das Recycling von Textilien verbessern. Dies ist Teil des Plans, bis 2050 eine Kreislaufwirtschaft verwirklichen.

  • Mit „Fast Fashion“ hat die Menge der produzierten und weggeworfenen Kleidungsstücke stark zugenommen.

„Fast Fashion“ ist das ständige Angebot an neuer Mode zu sehr niedrigen Preisen. Um die Auswirkungen auf die Umwelt anzugehen, will die EU Textilabfälle reduzieren und den Lebenszyklus und das Recycling von Textilien verbessern. Dies ist Teil des Plans, bis 2050 eine Kreislaufwirtschaft verwirklichen.

Übermäßiger Verbrauch von natürlichen Ressourcen
Für die Herstellung von Textilien werden große Mengen Wasser sowie Flächen zum Anbau von Baumwolle und anderen Fasern benötigt. Schätzungen zufolge wurden in der weltweiten Textil- und Bekleidungsindustrie im Jahr 2015 79 Milliarden Kubikmeter Wasser verbraucht, während sich der Wasserverbrauch in der gesamten Wirtschaft der EU im Jahr 2017 auf 266 Milliarden Kubikmeter belief. Für die Herstellung eines einzigen Baumwoll-T-Shirts werden schätzungsweise 2.700 Liter Süßwasser benötigt, was der Menge entspricht, die eine Person in 2,5 Jahren trinkt.

Der Textilsektor war im Jahr 2020 die drittgrößte Quelle für Wasserverschmutzung und Flächenverbrauch. In diesem Jahr wurden im Durchschnitt neun Kubikmeter Wasser, 400 Quadratmeter Land und 391 Kilogramm Rohstoffe benötigt, um Kleidung und Schuhe für jeden EU-Bürger herzustellen.

Wasserverschmutzung
Durch die Färbung und Veredelung von Textilien im Rahmen ihrer Herstellung werden schätzungsweise rund 20 Prozent der weltweiten Wasserverschmutzung verursacht.

Etwa 35 Prozent des primären Mikroplastiks, das in die Umwelt gelangt, hat seinen Ursprung im Waschen von synthetischen Textilien. Bei einer einzigen Wäsche von Polyesterkleidung können 700.000 Mikroplastikfasern freigesetzt werden, die in die Nahrungskette gelangen können.

Der größte Teil des Mikroplastiks aus Textilien wird bei den ersten Waschgängen freigesetzt. „Fast Fashion“ basiert auf Massenproduktion, niedrigen Preisen und hohen Verkaufszahlen, was viele erste Waschgänge begünstigt.

Das Waschen synthetischer Produkte hat dazu geführt, dass sich mehr als 14 Millionen Tonnen Mikroplastik auf dem Grund der Ozeane angesammelt haben. Zusätzlich zu diesem globalen Problem hat die durch die Bekleidungsproduktion verursachte Umweltverschmutzung verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, Tiere und Ökosysteme vor Ort, wo die Fabriken angesiedelt sind.

Treibhausgasemissionen
Schätzungen zufolge verursacht die Modebranche 10 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen – mehr als internationale Luftfahrt und Seeschifffahrt zusammen.

Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur wurden durch den Kauf von Textilien in der EU im Jahr 2020 pro Person rund 270 Kilogramm CO₂-Emissionen verursacht. Das bedeutet, dass die in der EU verbrauchten Textilerzeugnisse Treibhausgasemissionen in Höhe von 121 Millionen Tonnen verursachten.

Textilabfälle auf Deponien
Auch die Art und Weise, wie sich die Menschen nicht mehr erwünschter Kleidung entledigen, hat sich geändert: Die Kleidungsstücke werden heute eher weggeworfen als gespendet. Weniger als die Hälfte der Altkleider wird zur Wiederverwendung oder zum Recycling gesammelt, und nur ein Prozent wird zu neuer Kleidung recycelt, da Technologien, die das Recycling von Kleidung zu neuen Fasern ermöglichen würden, erst jetzt aufkommen.

Zwischen 2000 und 2015 hat sich die Bekleidungsproduktion verdoppelt, während die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Kleidungsstücks gesunken ist.

Die Europäer kaufen jedes Jahr fast 26 Kilogramm Textilien und werfen etwa elf Kilogramm davon weg. Altkleider können in Länder außerhalb der EU exportiert werden, werden aber größtenteils (87 Prozent) verbrannt oder landet auf Deponien.

Ausschlaggebend für den Anstieg des Verbrauchs ist das Aufkommen von „Fast Fashion“, das zum Teil durch die sozialen Medien und die Industrie vorangetrieben wird, die Modetrends schneller als in der Vergangenheit an mehr Verbraucher weitergibt.

Zu den neuen Strategien zur Bewältigung dieses Problems gehören die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle für den Verleih von Kleidung, die Gestaltung von Produkten, die die Wiederverwendung und das Recycling erleichtern (Kreislaufmode), die Überzeugung der Verbraucher, weniger Kleidung von besserer Qualität zu kaufen („Slow Fashion“) und die allgemeine Lenkung des Verbraucherverhaltens in Richtung nachhaltigerer Optionen.

Die EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien
Im Rahmen des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft stellte die Europäische Kommission im März 2022 eine neue Strategie vor, um Textilien haltbarer, reparierbarer, wiederverwendbar und recycelbar zu machen, gegen „Fast Fashion“ vorzugehen und Innovationen innerhalb des Sektors zu fördern.

Die neue Strategie umfasst neue Ökodesign-Anforderungen für Textilien, klarere Informationen, einen digitalen Produktpass und eine Aufforderung an die Unternehmen, Verantwortung zu übernehmen und Maßnahmen zu ergreifen, um ihren ökologischen Fußabdruck zu minimieren.

Am 1. Juni 2023 legten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments Vorschläge für strengere EU-Maßnahmen zur Eindämmung der übermäßigen Produktion und des Verbrauchs von Textilien vor. In dem Bericht des Parlaments wird gefordert, dass bei der Herstellung von Textilien die Menschen-, Sozial- und Arbeitsrechte sowie der Umwelt- und Tierschutz beachtet werden müssen.

Bestehende EU-Maßnahmen für Textilabfälle
Gemäß der Abfallrichtlinie, die vom Europäischen Parlament im Jahr 2018 angenommen wurde, müssen die EU-Mitgliedstaaten Textilabfälle ab 2025 getrennt sammeln. Die neue Strategie der Kommission umfasst auch Maßnahmen gegen gefährliche Chemikalien und zur Unterstützung der Verbraucher bei der Wahl nachhaltiger Textilien. Zudem werden Hersteller dazu aufgefordert, die Verantwortung für ihre Produkte entlang der Wertschöpfungskette zu übernehmen, auch wenn diese zu Abfall werden.

Mit dem EU-Umweltzeichen, das Hersteller, die ökologische Kriterien beachten, verwenden können, werden ein begrenzter Schadstoffeinsatz und geringere Wasser- und Luftverschmutzung sichergestellt.

Die EU hat auch Maßnahmen eingeführt, um die Umweltauswirkungen von Textilabfällen zu mindern. Mit dem Programm Horizont 2020 wird das Projekt RESYNTEX zur Anwendung von chemischem Recycling gefördert, das ein kreislauforientiertes Geschäftsmodell für die Textilindustrie sein könnte.

Ein nachhaltigeres Modell der Textilproduktion hat auch das Potenzial, die Wirtschaft anzukurbeln. „Europa befindet sich in einer beispiellosen Gesundheits- und Wirtschaftskrise, die zeigt, wie instabil die globalen Lieferketten sind“, sagte der federführende Europaabgeordnete Huitema. „Die Förderung neuer innovativer Geschäftsmodelle wiederum wird neues Wirtschaftswachstum und neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen, die Europa für den Aufbau benötigt.“

Quelle:

Europäisches Parlament

Die Plasma-Atmosphäre wird im Reaktor durch das charakteristische Leuchten und das Entladen von Blitzen deutlich sichtbar. © Fraunhofer IGB Die Plasma-Atmosphäre wird im Reaktor durch das charakteristische Leuchten und das Entladen von Blitzen deutlich sichtbar.
16.05.2023

Abwasserreinigung: Plasma gegen toxische PFAS-Chemikalien

Die gesundheitsschädlichen Chemikalien PFAS sind mittlerweile in vielen Böden und Gewässern nachweisbar. Die Beseitigung mit herkömmlichen Filtertechniken ist sehr aufwendig und kaum realisierbar. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB setzen im Verbundprojekt AtWaPlas erfolgreich auf eine plasmabasierte Technologie. Kontaminiertes Wasser wird in einen kombinierten Glas- und Edelstahlzylinder eingeleitet und dort mit ionisiertem Gas – dem Plasma – behandelt. Das reduziert die Molekülketten von PFAS und ermöglicht so eine kostengünstige Beseitigung der toxischen Substanz.

Die gesundheitsschädlichen Chemikalien PFAS sind mittlerweile in vielen Böden und Gewässern nachweisbar. Die Beseitigung mit herkömmlichen Filtertechniken ist sehr aufwendig und kaum realisierbar. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB setzen im Verbundprojekt AtWaPlas erfolgreich auf eine plasmabasierte Technologie. Kontaminiertes Wasser wird in einen kombinierten Glas- und Edelstahlzylinder eingeleitet und dort mit ionisiertem Gas – dem Plasma – behandelt. Das reduziert die Molekülketten von PFAS und ermöglicht so eine kostengünstige Beseitigung der toxischen Substanz.

Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz: PFAS (engl.: per- and polyfluoroalkyl substances), haben viele Talente. Sie sind thermisch und chemisch stabil, dabei wasser-, fett- und schmutzabweisend. Dementsprechend findet man sie in vielen alltäglichen Produkten: Pizzakartons und Backpapier sind damit beschichtet, auch Shampoos und Cremes enthalten PFAS. In der Industrie finden sie Verwendung als Lösch- und Netzmittel. In der Landwirtschaft werden sie in Pflanzenschutzmitteln verwendet. Mittlerweile lassen sich Spuren von PFAS auch da nachweisen, wo sie nicht hingehören: im Boden, in Flüssen und im Grundwasser, in Lebensmitteln und im Trinkwasser. So gelangen die schädlichen Stoffe am Ende auch in den menschlichen Körper. Wegen ihrer chemischen Stabilität ist die Beseitigung dieser auch als »Ewigkeitschemikalien« bezeichneten Substanzen bisher mit vertretbarem Aufwand kaum möglich.

Das Verbundprojekt AtWaPlas soll das ändern. Das Akronym steht für Atmosphären-Wasserplasma-Behandlung. Das innovative Projekt wird derzeit am Fraunhofer IGB in Stuttgart gemeinsam mit dem Industriepartner HYDR.O. Geologen und Ingenieure GbR aus Aachen vorangetrieben. Ziel ist die Aufbereitung und Rückgewinnung PFAS-belasteter Wässer mittels Plasma-Behandlung.
Das Forschenden-Team um Dr. Georg Umlauf, Experte für funktionale Oberflächen und Materialien, macht sich dabei die Fähigkeit von Plasma zu Nutze, die Molekülketten von Substanzen anzugreifen. Erzeugt wird das elektrisch leitfähige Gas aus Elektronen und Ionen durch Anlegen von Hochspannung. »In unseren Versuchen mit Plasma ist es gelungen, die Molekülketten von PFAS im Wasser zu verkürzen. Das ist ein wichtiger Schritt hin zu einer effizienten Beseitigung dieser hartnäckigen Schadstoffe«, freut sich Umlauf.

Wasserkreislauf im Edelstahlzylinder
Für das Verfahren nutzen die Fraunhofer-Forschenden einen zylinderförmigen Aufbau. Im Inneren befindet sich ein Edelstahlrohr und dieses dient als Masse-Elektrode des Stromkreises. Ein äußeres Kupfernetz fungiert als Hochspannungselektrode und wird zur Innenseite hin durch ein Dielektrikum aus Glas abgeschirmt. Dazwischen bleibt ein winziger Spalt, der mit einem Luft-Gemisch gefüllt ist. Durch Anlegen von mehreren Kilovolt Spannung verwandelt sich dieses Luft-Gemisch in Plasma. Für das menschliche Auge wird es durch das charakteristische Leuchten und das Entladen in Form von Blitzen sichtbar.

Im Reinigungsprozess wird das mit PFAS kontaminierte Wasser am Boden des Stahltanks eingeleitet und nach oben gepumpt. Im Spalt zwischen den Elektroden fließt es nach unten und durchquert dabei die elektrisch aktive Plasma-Atmosphäre. Beim Entladen bricht das Plasma die PFAS-Molekülketten auf und verkürzt sie. Das Wasser wird in einem geschlossenen Kreislauf immer wieder durch den stählernen Reaktor und die Plasma-Entladezone im Spalt gepumpt, jedes Mal werden die PFAS-Molekülketten weiter reduziert bis zu einer vollständigen Mineralisierung. »Im Idealfall werden die schädlichen PFAS-Stoffe so gründlich beseitigt, dass sie in massenspektrometischen Messungen nicht mehr nachweisbar sind. Damit werden auch die strengen Regularien der Trinkwasserverordnung in Bezug auf die PFAS-Konzentration erfüllt«, sagt Umlauf.

Gegenüber herkömmlichen Methoden wie beispielsweise der Filterung mit Aktivkohle weist die am Fraunhofer IGB entwickelte Technologie einen entscheidenden Vorteil auf: »Aktivkohlefilter können die schädlichen Stoffe zwar binden, sie aber nicht beseitigen. Somit müssen die Filter regelmäßig ausgetauscht und entsorgt werden. Die AtWaPlas-Technologie dagegen kann die schädlichen Substanzen rückstandsfrei eliminieren und arbeitet dabei sehr effizient und wartungsarm«, erläutert Fraunhofer-Experte Umlauf.

Echte Wasserproben statt synthetischer Laborprobe
Um echte Praxisnähe zu gewährleisten, testen die Fraunhofer-Forschenden die Plasma-Reinigung gewissermaßen unter erschwerten Bedingungen. Konventionelle Testverfahren arbeiten mit perfekt sauberem Wasser und im Labor synthetisch angerührten PFAS-Lösungen. Das Forschenden-Team in Stuttgart dagegen verwendet echte Wasserproben, die aus PFAS-kontaminierten Gebieten stammen. Die Proben werden vom Projektpartner HYDR.O. Geologen und Ingenieure GbR aus Aachen zugeliefert. Das Unternehmen hat sich auf Altlastensanierung spezialisiert und führt daneben hydrodynamische Simulationen durch.

Die realen Wasserproben, mit denen Umlauf und sein Team arbeiten, enthalten daher neben PFAS auch weitere Partikel, Schwebstoffe und organische Trübungen. »Auf diese Weise stellen wir sicher, dass AtWaPlas seinen Reinigungseffekt nicht nur mit synthetischen Laborproben, sondern auch unter realen Bedingungen mit wechselnden Wasserqualitäten unter Beweis stellt. Zugleich können wir die Prozessparameter laufend anpassen und weiterentwickeln«, erklärt Umlauf.

Die Plasma-Methode lässt sich auch für den Abbau anderer schädlicher Substanzen einsetzen. Darunter fallen etwa Rückstände von Medikamenten im Abwasser, Pestizide und Herbizide, aber auch Industriechemikalien wie Cyanide. Daneben kommt AtWaPlas auch für die umweltschonende und kostengünstige Aufbereitung von Trinkwasser in mobilen Anwendungen infrage.

Das Verbundprojekt AtWaPlas startete im JuIi 2021. Nach den erfolgreichen Versuchsreihen im Technikums-Maßstab mit einem 5-Liter-Reaktor arbeitet das Fraunhofer-Team gemeinsam mit dem Verbundpartner daran, das Verfahren weiter zu optimieren. Georg Umlauf sagt: »Unser Ziel ist es jetzt, toxische PFAS durch verlängerte Prozesszeiten und mehr Umläufe im Tank vollständig zu eliminieren und die AtWaPlas-Technologie auch für die praktische Anwendung im größeren Maßstab verfügbar zu machen.« Zukünftig könnten entsprechende Anlagen auch als eigenständige Reinigungsstufe in Klärwerken aufgestellt werden oder in transportablen Containern auf kontaminierten Freilandflächen zum Einsatz kommen.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB

Ein blau gefärbtes Baumwollgestrick, das zehnmal gewaschen wurde, um getragene Kleidungsstücke zu simulieren, wird enzymatisch zu einem Schlamm aus feinen Fasern und „blauem Glukosesirup“ abgebaut, der durch Filtration getrennt wird - beide separierten Anteile haben einen potenziellen Wiederverwendungswert. Ein blau gefärbtes Baumwollgestrick, das zehnmal gewaschen wurde, um getragene Kleidungsstücke zu simulieren, wird enzymatisch zu einem Schlamm aus feinen Fasern und „blauem Glukosesirup“ abgebaut, der durch Filtration getrennt wird - beide separierten Anteile haben einen potenziellen Wiederverwendungswert. Foto: Sonja Salmon.
11.04.2023

Enzymatische Trennung von Baumwolle und Polyester in Mischgeweben

In einer neuen Studie haben Forscher der North Carolina State University nachgewiesen, dass sie Mischgewebe aus Baumwolle und Polyester mithilfe von Enzymen - natürlichen Werkzeugen zur Beschleunigung chemischer Reaktionen – voneinander trennen können. Die Forschenden hoffen, dass ihre Ergebnisse letztlich zu einer effizienteren Wiederverwertung der Stoffbestandteile und damit zur Verringerung des Textilabfalls führen werden. Sie stellten jedoch auch fest, dass der Prozess mehr Arbeitsschritte erfordert, wenn das Mischgewebe gefärbt oder mit Chemikalien behandelt wurde, die die Knitterfestigkeit erhöhen.

In einer neuen Studie haben Forscher der North Carolina State University nachgewiesen, dass sie Mischgewebe aus Baumwolle und Polyester mithilfe von Enzymen - natürlichen Werkzeugen zur Beschleunigung chemischer Reaktionen – voneinander trennen können. Die Forschenden hoffen, dass ihre Ergebnisse letztlich zu einer effizienteren Wiederverwertung der Stoffbestandteile und damit zur Verringerung des Textilabfalls führen werden. Sie stellten jedoch auch fest, dass der Prozess mehr Arbeitsschritte erfordert, wenn das Mischgewebe gefärbt oder mit Chemikalien behandelt wurde, die die Knitterfestigkeit erhöhen.

„Wir können die gesamte Baumwolle aus einer Baumwoll-Polyester-Mischung herauslösen, was bedeutet, dass wir anschließend sauberes Polyester haben, das recycelt werden kann“, so die korrespondierende Autorin der Studie, Sonja Salmon, außerordentliche Professorin für Textilingenieurwesen, Chemie und Wissenschaft an der NC State. „Auf einer Mülldeponie wird sich das Polyester nicht abbauen, und die Baumwolle kann mehrere Monate oder länger brauchen, um sich zu zersetzen. Mit unserer Methode können wir die Baumwolle in weniger als 48 Stunden vom Polyester trennen.“

Nach Angaben der US-Umweltschutzbehörde werfen Verbraucher jedes Jahr etwa 11 Millionen Tonnen Textilabfälle auf US-Mülldeponien. Die Forscher wollten eine Methode entwickeln, um die Baumwolle vom Polyester zu trennen, so dass die einzelnen Bestandteile recycelt werden können.

In der Studie verwendeten die Forscher einen „Cocktail“ von Enzymen in einer leicht sauren Lösung, um die Zellulose in der Baumwolle zu zersetzen. Zellulose ist das Material, das den Zellwänden der Pflanzen Struktur verleiht. Die Idee ist, die Zellulose so zu zerkleinern, dass sie aus der gemischten Gewebestruktur „herausfällt“ und einige winzige Baumwollfaserfragmente zusammen mit Glukose zurückbleiben. Glukose ist das biologisch abbaubare Nebenprodukt der abgebauten Zellulose. Anschließend wird die Glukose weggewaschen und die Baumwollfaserfragmente herausgefiltert, so dass reines Polyester übrig bleibt.
 
Assoc. Professor Sonja Salmon    „Dies ist ein mildes Verfahren - die Behandlung ist leicht sauer, wie bei Essig“, sagte Salmon. „Wir haben es auch bei 50 Grad Celsius laufen lassen, was der Temperatur einer heißen Waschmaschine entspricht. Es ist wirklich vielversprechend, dass wir das Polyester bis zu einem sauberen Niveau trennen können", fügte Salmon hinzu.
"Wir müssen noch einiges tun, um die Eigenschaften des Polyesters zu bestimmen, aber wir glauben, dass sie sehr gut sein werden, weil die Bedingungen so mild sind. Wir fügen lediglich Enzyme hinzu, die das Polyester ignorieren."

Sie verglichen den Abbau von Stoffen aus 100 % Baumwolle mit dem von Baumwoll- und Polyestermischungen und testeten außerdem Stoffe, die mit roten und blauen Reaktivfarbstoffen gefärbt und mit haltbaren Presschemikalien behandelt worden waren. Um die gefärbten Stoffe abzubauen, mussten die Forscher den Zeitaufwand und den Einsatz von Enzymen erhöhen. Bei Stoffen, die mit Chemikalien knitterfrei ausgerüstet wurden, mussten sie vor der Zugabe der Enzyme eine chemische Vorbehandlung durchführen.

„Der gewählte Farbstoff hat einen großen Einfluss auf die potenzielle Schädigung des Gewebes", sagte die Leiterin der Studie, Jeannie Egan, Doktorandin an der NC State. "Außerdem haben wir festgestellt, dass das größte Hindernis bisher die knitterfreie Ausrüstung ist. Die Chemie dahinter blockiert den Zugang des Enzyms zur Zellulose erheblich. Ohne Vorbehandlung erreichten wir einen Abbau von weniger als 10 %, aber nach zwei Enzymdosen konnten wir die Zellulose vollständig abbauen, was ein wirklich beeindruckendes Ergebnis ist.“

Den Forschenden zufolge wäre das Polyester recycelbar, während die Aufschlämmung der Baumwollfragmente als Zusatzstoff für Papier oder als nützliche Ergänzung für Verbundwerkstoffe wertvoll sein könnte. Sie untersuchen ebenfalls, ob eine Verwendung der Glukose für die Herstellung von Biokraftstoffen möglich wäre.

„Die Aufschlämmung besteht aus Baumwollresten, die einem sehr starken enzymatischen Abbau widerstehen“, so Salmon. „Sie kann als Verstärkungsstoff verwendet werden. Was den Glukosesirup betrifft, so arbeiten wir an einem Projekt, um herauszufinden, ob wir ihn in einen anaeroben Fermenter einspeisen können, um Biokraftstoff herzustellen. Wir würden Abfälle in Bioenergie umwandeln, was viel besser wäre, als sie auf eine Mülldeponie zu werfen.“

Die Studie mit dem Titel „Enzymatische Textilfasertrennung für nachhaltige Abfallverarbeitung“ wurde in der Zeitschrift Resources, Environment and Sustainability veröffentlicht. Zu den Koautoren gehören Siyan Wang, Jialong Shen, Oliver Baars und Geoffrey Moxley. Finanziert wurde die Studie von der Environmental Research and Education Foundation, der Kaneka Corporation und dem Department of Textile Engineering, Chemistry and Science an der NC State.

Quelle:

North Carolina State University, Laura Oleniacz

(c) nova-Institut GmbH
14.03.2023

Bakterien statt Bäume, Textil- und Agrarabfälle

Zum dritten Mal verlieh das nova-Institut im Rahmen der „Cellulose Fibres Conference 2023“ in Köln, 8. bis 9. März 2023, den Preis „Cellulose Fibre Innovation of the Year“.  

Die jährlich stattfindende Konferenz ist Treffpunkt der globalen Cellulosefaser-Industrie. 42 Referierende aus zwölf Ländern zeigten das Innovationspotenzial von Cellulosefasern auf und präsentierten die neuesten Markteinblicke und Trends vor mehr als 220 Teilnehmenden aus 30 Ländern.

Führende internationale Expertinnen und Experten stellten neue Technologien für das Recycling Cellulose-reicher Rohstoffe und innovative Praktiken der Kreislaufwirtschaft in den Bereichen Textilien, Verpackung und Hygiene vor, die unter aktiver Publikumsbeteiligung in sieben Podiumsdiskussionen erörtert wurden.    

Zum dritten Mal verlieh das nova-Institut im Rahmen der „Cellulose Fibres Conference 2023“ in Köln, 8. bis 9. März 2023, den Preis „Cellulose Fibre Innovation of the Year“.  

Die jährlich stattfindende Konferenz ist Treffpunkt der globalen Cellulosefaser-Industrie. 42 Referierende aus zwölf Ländern zeigten das Innovationspotenzial von Cellulosefasern auf und präsentierten die neuesten Markteinblicke und Trends vor mehr als 220 Teilnehmenden aus 30 Ländern.

Führende internationale Expertinnen und Experten stellten neue Technologien für das Recycling Cellulose-reicher Rohstoffe und innovative Praktiken der Kreislaufwirtschaft in den Bereichen Textilien, Verpackung und Hygiene vor, die unter aktiver Publikumsbeteiligung in sieben Podiumsdiskussionen erörtert wurden.    

Im Vorfeld der Konferenz hatte der Konferenzbeirat sechs bemerkenswerte Innovationen nominiert. Die Gewinner wurden am ersten Veranstaltungstag in einem Kopf-an-Kopf-Rennen im Rahmen eines Live-Votings durch das Konferenzpublikum gewählt.

Die Zusammenarbeit zwischen Nanollose (AU) und Birla Cellulose (IN) mit baumfreiem Lyocell aus bakterieller Cellulose namens Nullarbor™ wurde die siegreiche Cellulosefaser-Innovation 2023, gefolgt von Renewcell (SE) Cellulosefasern aus 100 % Textilabfällen, und Vybrana – die neue Generation von Bananenfasern von Gencrest Bio Products (IN) belegt den dritten Platz.    

Sieger: Nullarbor™ – Nanollose und Birla Cellulose (AU/IN)
Im Jahr 2020 begannen Nanollose und Birla Cellulose eine Reise zur Entwicklung und Vermarktung von baumfreiem Lyocell aus bakterieller Cellulose, genannt Nullarbor™. Der Name leitet sich vom lateinischen „nulla arbor“ ab, was „keine Bäume“ bedeutet. Erste Laborforschungen auf beiden Seiten führten zu einer gemeinsamen Patentanmeldung „Herstellung von hochfesten Lyocellfasern aus bakterieller Cellulose“.  

Nullarbor ist deutlich fester als Lyocell aus holzbasiertem Zellstoff; selbst die Zugabe geringer Mengen von Bakteriencellulose zu Holz-
zellstoff erhöht die Faserzähigkeit. Im Jahr 2022 wurde die erste Pilotcharge von 260 kg mit einem Anteil von 20 % Bakterienzellstoff hergestellt. Mit dieser Faser wurden mehrere hochwertige Stoffe und Kleidungsstücke hergestellt. Die Zusammenarbeit zwischen Nanollose und Birla Cellulose konzentriert sich nun auf eine Erhöhung der Produktionsmenge und des Anteils an bakterieller Zellulose in der Faser.

Zweiter Platz: Circulose® – Macht Mode rund – Renewcell (SE)
Circulose® von Renewcell ist ein Markenzellstoff, der zu 100 % aus Textilabfällen wie Altkleidern und Produktionsabfällen gewonnen wird. Es handelt sich um ein einzigartiges Material für Mode, das zu 100 % recycelt, wiederverwertbar, biologisch abbaubar und von gleichwertiger Qualität wie Neuware ist. Es wird von Faserherstellern zur Herstellung von Stapelfasern oder Filamenten wie Viskose, Lyocell, Modal, Acetat oder anderen Arten von cellulosischen Chemiefasern verwendet. Im Jahr 2022 eröffnete Renewcell in Sundsvall, Schweden, die weltweit erste Anlage für das chemische Recycling von Textilien zu Textilien – Renewcell 1. Die Anlage wird eine jährliche Kapazität von 120.000 Tonnen erreichen.

Dritter Platz: Vybrana – Die Bananenfaser der neuen Generation – Gencrest Bio Products (IN)
Vybrana ist eine nachhaltige, aus Agrarabfällen gewonnene Cellulosefaser von Gencrest. Die Rohfasern werden aus dem Stamm der Banane am Ende des Lebenszyklus der Pflanze extrahiert. Die Biomasseabfälle werden anschließend mit der von Gencrest Bio Products patentierten Fiberzyme-Technologie behandelt. Mithilfe von Cocktail-Enzymformulierungen werden hierbei der hohe Ligningehalt und andere Verunreinigungen entfernt und die Faserfibrillierung unterstützt. Das firmeneigene Kotonisierung liefert feine, spinnbare Zellulosestapelfasern, die sich zum Mischen mit anderen Stapelfasern eignen und auf allen herkömmlichen Spinnsystemen zu Garnen für nachhaltige Bekleidung versponnen werden können. Vybrana wird ohne den Einsatz schädlicher Chemikalien und mit minimalem Wasserverbrauch in einem abfallfreien Verfahren hergestellt, bei dem die Restbiomasse in die Bio-Stimulanzien Agrosatva und bio-basiertem Dünger sowie organischen Dünger umgewandelt werden.

Die nächste Cellulose Fibres Conference findet am 13. und 14. März 2024 statt.

Quelle:

nova-Institut GmbH / Textination

Vadim Zharkov: https://youtu.be/x9gCrhIPaPM
28.02.2023

Intelligente Beschichtung könnte Textilien zu Schutzkleidung machen

Präzise angewandte metall-organische Technologie erkennt und bindet giftige Gase aus der Luft

Eine dauerhafte Beschichtung auf Kupferbasis, die von Forschenden in Dartmouth entwickelt wurde, kann präzise in Gewebe integriert werden, um reaktionsfähige und wiederverwendbare Materialien wie Schutzausrüstungen, Umweltsensoren und intelligente Filter herzustellen, so eine aktuelle Studie.
 
Die Beschichtung reagiert auf das Vorhandensein giftiger Gase in der Luft, indem sie diese in weniger giftige Substanzen umwandelt, die im Gewebe eingeschlossen werden, berichtet das Team im Journal of the American Chemical Society.

Präzise angewandte metall-organische Technologie erkennt und bindet giftige Gase aus der Luft

Eine dauerhafte Beschichtung auf Kupferbasis, die von Forschenden in Dartmouth entwickelt wurde, kann präzise in Gewebe integriert werden, um reaktionsfähige und wiederverwendbare Materialien wie Schutzausrüstungen, Umweltsensoren und intelligente Filter herzustellen, so eine aktuelle Studie.
 
Die Beschichtung reagiert auf das Vorhandensein giftiger Gase in der Luft, indem sie diese in weniger giftige Substanzen umwandelt, die im Gewebe eingeschlossen werden, berichtet das Team im Journal of the American Chemical Society.

Die Ergebnisse beruhen auf einer leitfähigen metallorganischen Technologie bzw. einem Modell, das im Labor der korrespondierenden Autorin Katherine Mirica, außerordentliche Professorin für Chemie, entwickelt wurde. Dabei handelte es sich um eine einfache Beschichtung, die auf Baumwolle und Polyester aufgetragen werden konnte, um intelligente Textilien zu schaffen, die die Forscher SOFT = Self-Organized Framework on Textiles nannten (JACS 2017). In ihrer Arbeit zeigten sie, dass die SOFT-Smart-Stoffe giftige Substanzen in der Umgebung erkennen und binden können.

In der neuesten Studie fanden die Forscher heraus, dass sie - anstelle der einfachen Beschichtung, über die 2017 berichtet wurde - die Struktur mithilfe eines Kupfervorläufers präzise in Gewebe einbetten können, wodurch sie spezifische Muster erstellen und die winzigen Lücken und Löcher zwischen den Fäden effektiver ausfüllen können.

Die Forschenden stellten fest, dass die Modelltechnologie das Toxin Stickoxid effektiv in Nitrit und Nitrat sowie das giftige, brennbare Gas Schwefelwasserstoff in Kupfersulfid umwandelt. Wie sie weiter berichten, hält die Fähigkeit, giftige Stoffe abzufangen und umzuwandeln sowohl der Abnutzung oder dem normalen Abrieb wie auch Wasch- und Bügelvorgängen stand.
Die Vielseitigkeit und Haltbarkeit, die das neue Verfahren bietet, würde es ermöglichen, das Verfahren für spezifische Zwecke und an präziseren Stellen einzusetzen, beispielsweise als Sensor auf Schutzkleidung oder als Filter in einer bestimmten Umgebung, so Mirica.
 
„Die neue Abscheidungsmethode bedeutet, dass die elektronischen Textilien aufgrund ihrer Robustheit potenziell mit einer breiteren Palette von Systemen verbunden werden könnten“, sagte sie. „Dieser technologische Fortschritt ebnet den Weg für weitere Anwendungen der kombinierten Filtrations- und Sensorfähigkeiten des Gerüsts, die in biomedizinischen Bereichen und bei der Umweltsanierung von Nutzen sein könnten.“

Die Technik könnte auch eine kostengünstige Alternative zu Technologien sein, die teuer und nur begrenzt einsetzbar sind, da sie eine Energiequelle oder - wie etwa Katalysatoren in Autos - seltene Metalle benötigen, so Mirica.
 
„Hier verlassen wir uns auf eine in der Erde reichlich vorhandene Materie, um giftige Chemikalien zu ‚ent‘-giften, und zwar ohne Energiezufuhr von außen, so dass wir keine hohen Temperaturen oder elektrischen Strom benötigen, um diese Funktion zu erreichen“, sagte Mirica.

Co-Erstautor Michael Ko, beobachtete den neuen Prozess zunächst im Jahr 2018, als er versuchte, das metallorganische Gerüst auf kupferbasierten Dünnfilmelektroden abzuscheiden. Aber die Kupferelektroden wurden durch das Gerüst ersetzt.

„Er wollte es oben auf den Elektroden haben und nicht als deren Ersatz“, sagte Mirica. „Wir haben vier Jahre gebraucht, um herauszufinden, was passiert und welchen Nutzen es hat. Es ist ein sehr einfacher Prozess, aber die Chemie dahinter ist es nicht, und wir benötigten einige Zeit und zusätzliche Studierende und Mitarbeitende, um das zu verstehen.“

Das Team entdeckte, dass das metallorganische Gerüst über Kupfer „wächst“ und dieses durch ein Material ersetzt, das in der Lage ist, giftige Gase zu filtern und umzuwandeln. Ko und Co-Autor Lukasz Mendecki, ein Postdoktorand in der Mirica-Gruppe von 2017-18, untersuchten Methoden, um das Gerüstmaterial in bestimmten Designs und Mustern auf Gewebe aufzubringen.

Co-Erstautorin Aileen Eagleton, die ebenfalls der Mirica-Gruppe angehört, hat die Technik durch die Optimierung des Verfahrens zum Aufdrucken des metallorganischen Gerüsts auf Stoff fertiggestellt und untersucht, wie seine Struktur und Eigenschaften durch chemische Exposition und Reaktionsbedingungen beeinflusst werden.

Zukünftige Arbeiten werden sich auf die Entwicklung neuer multifunktionaler Gerüstmaterialien und die Skalierung des Verfahrens zur Einbettung der metallorganischen Beschichtungen in Gewebe konzentrieren, so Mirica.

Quelle:

Dartmouth / Textination

04.01.2023

Kreislaufwirtschaft: Es könnte alles so einfach sein... oder auch nicht

Interview mit Henning Wehland & Robert Kapferer, Circularity Germany

Ich bin von Natur aus ein sehr neugieriger Typ. Deshalb hatte ich mich in diesem Jahr bei einer bekannten Münsteraner Hotdog-Station als Aushilfe angeboten, um auf die Personalnot in der Gastronomie aufmerksam zu machen. Darüber schrieb ich einen Artikel auf LinkedIn, auf den wiederum Ines Chucholowius reagierte.
Aus ihrem Profil konnte ich entnehmen, dass sie als Unternehmensberaterin im Bereich der Textilindustrie tätig ist. Nicht ganz ernst gemeint, bot sie mir eine Stelle in ihrem Büro an. Auf Knopfdruck sprang mein Kopfkino an: Textilindustrie, spannend! Merchandising, Kontakte in die Industrie, Kooperationen und ich ließ mich auf einen kurzen Chat ein, an dessen Ende wir telefonierten und uns auf ein Gespräch verabredeten.

Interview mit Henning Wehland & Robert Kapferer, Circularity Germany

Ich bin von Natur aus ein sehr neugieriger Typ. Deshalb hatte ich mich in diesem Jahr bei einer bekannten Münsteraner Hotdog-Station als Aushilfe angeboten, um auf die Personalnot in der Gastronomie aufmerksam zu machen. Darüber schrieb ich einen Artikel auf LinkedIn, auf den wiederum Ines Chucholowius reagierte.
Aus ihrem Profil konnte ich entnehmen, dass sie als Unternehmensberaterin im Bereich der Textilindustrie tätig ist. Nicht ganz ernst gemeint, bot sie mir eine Stelle in ihrem Büro an. Auf Knopfdruck sprang mein Kopfkino an: Textilindustrie, spannend! Merchandising, Kontakte in die Industrie, Kooperationen und ich ließ mich auf einen kurzen Chat ein, an dessen Ende wir telefonierten und uns auf ein Gespräch verabredeten.

Sie erzählte mir von ihrer Internetseite TEXTINATION.de. Und schon waren wir drin in einem spannenden, hitzigen Austausch über Wahrnehmung und Wahrheit der Textilbranche. Ohne Weiteres zu verabreden, ließen wir es dabei und ich ging mit einem Batzen neuer Informationen über einen spannenden Bereich nach Hause. Unser Dialog über Social Media ging weiter und schließlich bot Ines mir an, mit Unterstützung von TEXTINATION.de meine „Die-Sendung-mit-der-Maus-Neugierde“ zu stillen. Ich könne einen Blog auf der Seite schreiben, über Menschen, Produkte, Dienstleister, Produzenten, Startups oder Trends, die mich interessieren, um so mein Halbwissen über die Textilindustrie zu ergänzen. Das erste Ergebnis dieser Zusammenarbeit liegt hier vor.

Vorne textiler Abfall rein … hinten neues T-Shirt raus
Während unseres Austauschs und einem langen Brainstorming kitzelten immer wieder bestimmte Begriffe meine Aufmerksamkeit:
Kreislaufwirtschaft, Circular Economy, Recycling, Wertstoffkreisläufe. Auch wenn es viele verschiedene Definitionen gibt und einige sogar zwischen Kreislaufwirtschaft und Circular Economy unterscheiden: ersteres von der Abfallseite gedacht, Abfall, der als Sekundärrohstoff wieder in die Produktion einfließt, Circular Economy, die die Abfälle bereits in der Produktion vermeidet, besteht allgemeiner Konsens eigentlich nur darüber, dass es sich bei der Kreislaufwirtschaft um einen Kreislauf handelt, in dem Abfälle als Quelle für etwas Neues verwendet werden.

Klingt für mich beides nach sinnvollen Ergänzungen für alle Bereiche der produzierenden Güterwirtschaft. Ines stellte mir Robert Kapferer vor: Er betreibt ein Startup namens Circularity Germany in Hamburg. Seine 2021 gegründete Firma, die aus Robert und einem weiteren Partner besteht, ist ein Ableger der in Holland ansässigen Firma Circularity B.V. Deren Gründer Han Hamers, studierter Kinderpsychologe, aus der Textilfärbeindustrie kommend, hatte vor fünf Jahren die Idee für eine Produktionsstätte, die ausnahmslos aus textilen Produktionsabfällen und Alttextilien neues Garn spinnt und es zu T-, Polo- und Sweatshirts verarbeitet.

Ob das funktioniert und wenn ja, wie, das wollte ich herausfinden, und Ines und ich haben uns mit Robert zu einem 90-minütigen Onlinegespräch getroffen.

Robert, von Haus aus Wirtschaftsingenieur, kommt aus dem wenig nachhaltigen Handel mit Arbeitskleidung. Er hat 11 Jahre als Geschäftsführer für die AVECO Material und Service GmbH gearbeitet, wo er für die Arbeitskleidung von mehr als 50.000 Mitarbeitern zuständig war.
Eingangs unseres Gesprächs betont er, dass ein Moment im Januar 2021 sein Leben verändert habe und er sich von da an mit Haut und Haaren dem Thema Kreislaufwirtschaft widmen wollte. Damals lernte er Han Hamers kennen, der ihn dazu inspirierte, Circularity Germany zu gründen. Seine Begeisterung und Leidenschaft für das Thema klingen glaubwürdig, und er beginnt, die Unterschiede zwischen chemischer und mechanischer Recyclingmethode zu beschreiben. Zusammengefasst werden beim mechanischen Verfahren des Schredderns und des anschließenden Spinnens die Fasern verkürzt und insbesondere im Wiederholungsfall deren Eigenschaften für die Weiterverarbeitung eingeschränkt. Der Vorteil liegt vor allem in dem vergleichsweise unkomplizierten, schnellen und kostengünstigeren Verfahren. Bei der chemischen Variante bleibt zwar chemischer Abfall zurück, aber die verarbeiteten Materialien werden wieder so in ihre Grundbausteine zerlegt, dass sie fast alle Eigenschaften wie ein sogenannter jungfräulicher (virgin) Rohstoff haben. Circularity steht für das mechanische Verfahren.

Und dann fällt der Satz, der unsere ganze Aufmerksamkeit bekommt: „Wir haben eine Spinntechnologie so stark weiterentwickelt, dass sie ausschließlich auf abfallbasierten Rohstoffen aufsetzt.“
Dieser Satz fällt fast nicht auf, weil Robert noch – durchaus spannend – darüber berichtet, dass sie eine Produktions- und Fertigungsstätte aufbauen, wo vom Strickgarn bis zum relativ feinen Faden alles gesponnen werden kann, um diesen dann zu Stoff weiterzuverarbeiten. Und hier fragen Ines und ich intensiv nach: Wesentliche Voraussetzungen, die eine industrielle Fertigung benötig, scheinen noch ungelöst, notwendige Prozesse noch in der Planung zu sein. Beispielweise die Frage, ob mit Pre- oder Post-Consumer-Abfällen gearbeitet wird. Pre-Consumer-Abfälle sind Schnittabfälle aus der Produktion von Kleidungsstücken, das entspricht etwa 10% des insgesamt verarbeiteten Materials. Post-Consumer-Abfälle kennen wir als Altkleider.

Solange noch in Indien produziert wird, nutzt Circularity hauptsächlich Pre-Consumer Abfälle. Diese kommen ausschließlich aus den umliegenden Nähfabriken aus der Region Tirupur im Süden von Indien. Beim Einsatz von Alttextilien, die es in Deutschland in großen Mengen gibt (laut einer Studie werden 28-40% aller hergestellten Kleidungsstücke ungetragen weggeworfen), produziert Circularity Mischgarne aus Baumwolle und Polyester. Reine Baumwollgarne bietet das Unternehmen nicht an.

Textilien werden in unterschiedlichem Ausmaß mit Chemikalien behandelt – insbesondere Arbeitsbekleidung kommt ohne sie nicht aus. Die Tatsache, dass auch Han Hamers gerade die textilen Altbestände der niederländischen Armee auffängt, um sie renewed wieder in den Konsumkreislauf einzubringen, beruhigt deshalb nicht. Denn Militärbekleidung muss mit allerlei Zusätzen ausgerüstet werden.

Deshalb frage ich nun nach, wie er bei einem Konsumenten wie mir, mit gesundem Halbwissen über Maskendeals und Greenwashing, die Zweifel ausräumen kann, dass einer gut gemeinten Vision ein dunkles Erwachen folgt. Diese Sorge kann nach dem Gespräch noch nicht ausgeräumt werden.

Wir beschränken uns auf das, was geplant ist: Robert hat den Traum, den globalisierten Prozess der Textilherstellung umzukehren. Er will die Entkopplung von Baumwollanbau und weit entfernter Produktion wie z.B. in Asien mit anschließender Verschiffung fertig konfektionierter Ware nach Europa. Vorhandene Altkleider und/oder Schnittabfälle sollen künftig vor Ort gesammelt, recycelt und lokal zu neuen Textilien verarbeitet werden.

Ich nehme ihm diesen Traum ab. Allerdings bleiben einige meiner Fragen zur Nachhaltigkeit offen – deshalb habe ich meine Zweifel, ob die Idee aktuell leistungs- und konkurrenzfähig ist.
Woran liegt das? Zum einen ist es meiner Meinung nach immer schwierig, notwendige Pionierarbeit zu leisten. Vor allem, wenn mir am Stammtisch die schlauen Kommentare um die Ohren fliegen, dass große Firmen ja schon intensiv an dem Prinzip Kreislaufwirtschaft arbeiten. Doch manchmal bleibt außer dem Begriff Kreislaufwirtschaft und einem unbestimmten Commitment dazu nicht viel übrig.

Circularity schreibt sich auf die Fahne, eine Technologie zu entwickeln, die ausschließlich auf Abfällen aufbaut. Das Gespräch macht deutlich, dass darin auch enthalten ist, dass die Produktion umweltverträglicher ist und Transportwege wegfallen, was die Umwelt weiter entlastet. Wenn alle Vorrausetzungen für die Umsetzung dieses Traums geschaffen sind und ein qualitativ, wie preislich konkurrenzfähiges Produkt auf den Markt gebracht werden kann, dann muss der Konsument entscheiden. Hier hätte man dann das glaubwürdige Argument der Nachhaltigkeit und eines sozial-, wie umwelttechnisch fairen Verfahrens. Um die PR müsste Circularity sich dann keine Sorgen machen.

Man muss der Sache Zeit und vor allem Aufmerksamkeit geben. Aber vielleicht sollte die Industrie sich genau hier und jetzt engagieren und in solche Startups investieren und dafür sorgen, dass Probleme aus dem Weg geräumt werden, denn eines ist uns in diesem Gespräch klargeworden:
Es könnte alles so einfach sein. Kreislaufwirtschaft ist machbar, aber der Weg dorthin noch kostspielig und steinig. Deshalb wünschen wir Robert und seinem Team viel Erfolg und vor allem Durchhaltevermögen. Danke für das Gespräch.

Kurz und knapp: das Profil des Unternehmens im beigefügten Factsheet zum Download.

 

 

Foto: Bcomp
22.11.2022

Made in Switzerland: Ist Flachs das neue Carbon?

  • Bcomp gewinnt BMW Group Supplier Innovation Award in der Kategorie "Newcomer des Jahres"

Am 17. November 2022 wurden in der BMW Welt in München die sechsten BMW Group Supplier Innovation Awards in sechs Kategorien vergeben: "Powertrain & E-Mobility", "Sustainability", "Digitalisation", "Customer Experience", "Newcomer of the Year" und "Exceptional Team Performance".

Bcomp gewann den BMW Group Supplier Innovation Award in der Kategorie Newcomer of the Year. Nach der erfolgreichen Zusammenarbeit mit BMW M Motorsport für den neuen BMW M4 GT4, bei dem die Naturfaserlösungen powerRibs™ und ampliTex™ von Bcomp in großem Umfang zum Einsatz kommen, und der kürzlich erfolgten Beteiligung von BMW iVentures an Bcomp als Lead-Investor in der Series-B-Runde ist diese Auszeichnung ein weiterer wichtiger Schritt und eine Anerkennung auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Mobilität.

  • Bcomp gewinnt BMW Group Supplier Innovation Award in der Kategorie "Newcomer des Jahres"

Am 17. November 2022 wurden in der BMW Welt in München die sechsten BMW Group Supplier Innovation Awards in sechs Kategorien vergeben: "Powertrain & E-Mobility", "Sustainability", "Digitalisation", "Customer Experience", "Newcomer of the Year" und "Exceptional Team Performance".

Bcomp gewann den BMW Group Supplier Innovation Award in der Kategorie Newcomer of the Year. Nach der erfolgreichen Zusammenarbeit mit BMW M Motorsport für den neuen BMW M4 GT4, bei dem die Naturfaserlösungen powerRibs™ und ampliTex™ von Bcomp in großem Umfang zum Einsatz kommen, und der kürzlich erfolgten Beteiligung von BMW iVentures an Bcomp als Lead-Investor in der Series-B-Runde ist diese Auszeichnung ein weiterer wichtiger Schritt und eine Anerkennung auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Mobilität.

„Innovationen sind der Schlüssel zum Erfolg unserer Transformation hin zu Elektromobilität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Mit unserer Preisverleihung würdigen wir Innovation und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten - gerade in herausfordernden Zeiten“, sagte Joachim Post, Mitglied des Vorstands der BMW AG, verantwortlich für Einkauf und Lieferantennetzwerk, bei der Preisverleihung in der BMW Welt in München.

BMW begann 2019 erstmals mit den Materialien von Bcomp zu arbeiten, als sie Hochleistungs-Naturfaserverbundwerkstoffe im BMW iFE.20 Formel-E-Auto einsetzten. Aus dem mit Flachsfasern verstärkten Kühlschacht entwickelte sich die Zusammenarbeit, und bald darauf wurden die proprietären ampliTex™- und powerRibs™-Naturfaserlösungen erfolgreich als Ersatz für ausgewählte Kohlefaserkomponenten in DTM-Tourenwagen von BMW M Motorsport eingesetzt. Solche Entwicklungen, die auch in andere Fahrzeugprogramme einfließen, unterstreichen die wichtige Rolle, die BMW M Motorsport als Technologielabor für die gesamte BMW Group spielt. Die jüngste Zusammenarbeit mit Bcomp zur Erhöhung des Anteils nachwachsender Rohstoffe beim Nachfolger des BMW M4 GT4 setzt dies fort.

Mit der Markteinführung des neuen BMW M4 GT4 wird er das Serien-GT-Fahrzeug mit dem höchsten Anteil an Naturfaser-Komponenten sein. Die Flachsfaserlösungen ampliTex™ und powerRibs™ von Bcomp finden sich im gesamten Innenraum auf dem Armaturenbrett und der Mittelkonsole sowie auf Karosserieteilen wie Motorhaube, Frontsplitter, Türen, Kofferraum und Heckflügel. Abgesehen vom Dach gibt es fast keine Bauteile aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK), die nicht durch die nachwachsenden Hochleistungsflachsmaterialien ersetzt wurden. "Produktnachhaltigkeit gewinnt auch im Motorsport zunehmend an Bedeutung", sagt Franciscus van Meel, Vorsitzender der Geschäftsführung der BMW M GmbH.

Bcomp ist ein führender Anbieter von Lösungen für Naturfaser-Verstärkungen in Hochleistungsanwendungen vom Rennsport bis zur Raumfahrt.

Das Unternehmen begann 2011 als Garagenprojekt mit dem Ziel, leichte und dennoch leistungsstarke Skier zu entwickeln. Die bCores™ wurden eingeführt und erfolgreich von einigen der größten Namen im Freeride-Skisport übernommen. Die Gründer, promovierte Materialwissenschaftler der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL), verwendeten Flachsfasern zur Verstärkung des Balsakerns und zur Verbesserung der Schersteifigkeit. Beeindruckt von den hervorragenden mechanischen Eigenschaften der Flachsfasern begann die Entwicklung nachhaltiger Leichtbaulösungen für den breiteren Mobilitätsmarkt.

Flachs ist eine einheimische Pflanze, die in Europa natürlich wächst und seit Jahrhunderten Teil der Agrargeschichte ist. Sie benötigt sehr wenig Wasser und Nährstoffe, um erfolgreich zu wachsen. Zudem fungiert sie als Fruchtfolgepflanze und verbessert so die Ernteerträge auf bestehenden Anbauflächen. Weder beim Anbau noch bei der Verarbeitung der Flachspflanzen werden Chemikalien eingesetzt, die das Grundwasser verunreinigen könnten, die Ernte ist ein rein mechanischer Prozess. Nach der Ernte kann die gesamte Flachspflanze als Futtermittel oder zur Ölherstellung verwendet werden, und ihre Fasern werden vor allem für Heimtextilien und Kleidung genutzt. Die langen Fasern der Flachspflanze besitzen sehr gute mechanische Eigenschaften und ein hervorragendes Dämpfungsverhalten im Verhältnis zu ihrer Dichte, wodurch sie sich besonders gut als natürliche Faserverstärkung für alle Arten von Polymeren eignen.

Die Ernte und Verarbeitung des Flachses erfolgen lokal in den ländlichen Gebieten, in denen er angebaut wurde. Die Verwendung von europäischem Flachs, den Bcomp über seine gut etablierte und transparente Lieferkette bezieht, ermöglicht es, die wirtschaftliche und soziale Struktur in den ländlichen Gebieten zu unterstützen, da für die Aufrechterhaltung der Flachsproduktion zahlreiche qualifizierte Arbeitskräfte erforderlich sind. Bei der Herstellung der technischen Produkte wie dem powerRibs™-Bewehrungsnetz investiert Bcomp in lokale Produktionskapazitäten in der Nähe seines Hauptsitzes in Freiburg, Schweiz, schafft so neue Arbeitsplätze und erhält das technische Know-how in der Region. Die Produktion ist so effizient wie möglich und mit minimalen Umweltauswirkungen und Abfällen aufgebaut.

Zur weiteren Stärkung der lokalen Wirtschaft ist Bcomp bestrebt, regionale Unternehmen für Aufträge zu engagieren. Da sich der Hauptsitz im Freiburger Stadtviertel "Blaue Fabrik" befindet, kann Bcomp sowohl von der Entwicklung eines nachhaltigen und vielfältigen Viertels profitieren als auch dazu beitragen.

Quelle:

Bcomp; BMW Group

Nicolas Meletiou, Pixabay
01.03.2022

Textilien und die Umwelt: die Rolle des Designs in Europas Kreislaufwirtschaft

Aus der Sicht des europäischen Verbrauchs haben Textilien im Durchschnitt die viertgrößten negativen Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel, nach Lebensmitteln, Wohnraum und Mobilität. Eine Umstellung auf ein zirkuläres Produktions- und Verbrauchssystem für Textilien mit längerer Nutzungsdauer und mehr Wiederverwendung und Recycling könnte diese Auswirkungen zusammen mit einer Reduzierung des Gesamtverbrauchs verringern. Eine wichtige Maßnahme ist ein kreislauffähiges Design (Circular Design) von Textilien, um die Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwertbarkeit von Produkten zu verbessern und die Verwendung von Sekundärrohstoffen in neuen Produkten zu gewährleisten.

Aus der Sicht des europäischen Verbrauchs haben Textilien im Durchschnitt die viertgrößten negativen Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel, nach Lebensmitteln, Wohnraum und Mobilität. Eine Umstellung auf ein zirkuläres Produktions- und Verbrauchssystem für Textilien mit längerer Nutzungsdauer und mehr Wiederverwendung und Recycling könnte diese Auswirkungen zusammen mit einer Reduzierung des Gesamtverbrauchs verringern. Eine wichtige Maßnahme ist ein kreislauffähiges Design (Circular Design) von Textilien, um die Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwertbarkeit von Produkten zu verbessern und die Verwendung von Sekundärrohstoffen in neuen Produkten zu gewährleisten.

Kernaussagen
Im Jahr 2019 erzielte der Textil- und Bekleidungssektor der EU einen Umsatz von 162 Mrd. EUR und beschäftigte über 1,5 Millionen Menschen in 160 000 Unternehmen. Wie in vielen anderen Branchen hat die COVID-19-Krise zwischen 2019 und 2020 zu einem Umsatzrückgang von 9 % für Textilien insgesamt und von 17 % für Bekleidung geführt.

  • Im Jahr 2020 hatte der Textilkonsum in Europa im Durchschnitt die vierthöchsten Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel aus einer globalen Lebenszyklusperspektive. Er war der Verbrauchsbereich mit den dritthöchsten Auswirkungen auf Wasser- und Landnutzung und den fünfthöchsten in Bezug auf den Rohstoffverbrauch und die Treibhausgasemissionen.
  • Um die Umweltauswirkungen von Textilien zu verringern, ist eine Umstellung auf zirkuläre Geschäftsmodellen, einschließlich kreislauffähigen Designs (Circular Design), entscheidend. Dazu sind technische, soziale und geschäftsmodellbezogene Innovationen erforderlich, aber auch Verhaltensänderungen und politische Unterstützung.
  • Kreislauffähiges Design (Circular Design) ist ein wichtiger Wegbereiter für den Übergang zu einer nachhaltigen Produktion und einem nachhaltigen Verbrauch von Textilien durch Kreislaufgeschäftsmodellen. Die Entwurfsphase spielt bei jedem der vier Wege zur Verwirklichung einer kreislauffähigen Textilbranche eine entscheidende Rolle: Langlebigkeit und Haltbarkeit, optimierte Ressourcennutzung, Sammlung und Wiederverwendung sowie Recycling und Materialnutzung.

Textilien werden im EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft als eine der wichtigsten Wertschöpfungsketten bezeichnet und in der bevorstehenden EU-Strategie 2022 der Europäischen Kommission für nachhaltige und kreislauffähige Textilien und der EU-Initiative für nachhaltige Produkte behandelt. Dieses Briefing zielt darauf ab, das Verständnis der Umwelt- und Klimaauswirkungen von Textilien aus einer europäischen Perspektive zu verbessern und Gestaltungsprinzipien und Maßnahmen zur Erhöhung der Kreislauffähigkeit von Textilien zu identifizieren. Es stützt sich auf einen Bericht des „European Topic Centre on Circular Economy and Resource Use“ der EUA, der hier (auf Englisch) verfügbar ist.

1. Produktion, Handel und Verbrauch von Textilien
Textilien sind ein wichtiger Wirtschaftszweig in der EU. Im Jahr 2019 erwirtschaftete der Textil- und Bekleidungssektor der EU einen Umsatz von 162 Mrd. EUR und beschäftigte über 1,5 Millionen Menschen in 160.000 Unternehmen. Wie in vielen anderen Branchen ging der Umsatz zwischen 2019 und 2020 aufgrund der Gesundheits- und Wirtschaftskrise COVID-19 bei Textilien insgesamt um 9 % und bei Bekleidung um 17 % zurück (Euratex, 2021).

Verbrauch
Die europäischen Haushalte verbrauchen große Mengen an Textilwaren. Im Jahr 2019 gaben die Europäerinnen und Europäer wie schon 2018 im Durchschnitt 600 EUR für Bekleidung, 150 EUR für Schuhe und 70 EUR für Heimtextilien aus (Köhler et al., 2021; Eurostat, 2021b).

Die Reaktion auf die COVID-19-Pandemie, die mit Maßnahmen zum zu Hause bleiben und der Schließung von Unternehmen sowie Geschäften einherging, führte insgesamt zu einem Rückgang der Textilproduktion und der Nachfrage (Euratex, 2021). Infolgedessen ging der Pro-Kopf-Verbrauch von Bekleidung und Schuhen im Jahr 2020 gegenüber 2019 zurück, während der Verbrauch von Heimtextilien leicht anstieg. Der durchschnittliche Textilverbrauch pro Person belief sich im Jahr 2020 auf 6,0 kg Bekleidung, 6,1 kg Heimtextilien und 2,7 kg Schuhe (siehe Abbildung 1).

Abgesehen von diesem COVID-bedingten Rückgang des Verbrauchs im Jahr 2020 blieb der geschätzte Verbrauch von Bekleidung und Schuhen in den letzten zehn Jahren relativ konstant, mit leichten Schwankungen zwischen den Jahren (siehe Abbildung 2). Gleiches gilt für den Verbrauch von Heimtextilien, mit einem leichten Anstieg im Laufe des Jahrzehnts.

Bei der Berechnung des "geschätzten Verbrauchs" auf der Grundlage von Produktions- und Handelsdaten aus dem Jahr 2020, ausgenommen sind industrielle/technische Textilien und Teppiche, liegt der Gesamttextilverbrauch bei 15 kg pro Person und Jahr, die sich im Durchschnitt wie folgt zusammensetzen:

  • 6,0 kg Bekleidung
  • 6,1 kg Heimtextilien
  • 2,7 kg Schuhe.

2. Umwelt- und Klimaauswirkungen von Textilien
Die Produktion und der Konsum von Textilien haben erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel. Umweltauswirkungen in der Produktionsphase ergeben sich aus dem Anbau und der Produktion von Naturfasern wie Baumwolle, Hanf und Leinen (z. B. Nutzung von Land und Wasser, Düngemittel und Pestizide) und aus der Produktion von Kunstfasern wie Polyester und Elastan (z. B. Energieverbrauch, chemische Ausgangsstoffe) (ETC/WMGE, 2021b). Die Herstellung von Textilien erfordert große Mengen an Energie und Wasser und verwendet eine Vielzahl von Chemikalien in verschiedenen Produktionsprozessen. Vertrieb und Einzelhandel sind für Transportemissionen und Verpackungsabfälle verantwortlich.

Bei der Nutzung und Pflege - Waschen, Trocknen und Bügeln - werden Strom, Wasser und Waschmittel benötigt. Auch Chemikalien und Mikrofasern werden in das Abwasser abgegeben. Gleichzeitig tragen Textilien mit erheblichen Mengen zu Textilabfällen bei. Am Ende ihrer Lebensdauer landen Textilien oft im allgemeinen Abfall und werden verbrannt oder deponiert. Bei der getrennten Sammlung von Textilabfällen werden die Textilien je nach ihrer Qualität und Materialzusammensetzung sortiert und wiederverwendet, recycelt oder entsorgt. Im Jahr 2017 wurde geschätzt, dass weniger als 1 % aller Textilien weltweit zu neuen Produkten recycelt werden (Ellen MacArthur Foundation, 2017).

Um das Ausmaß der Auswirkungen des Textilverbrauchs auf den Rohstoffverbrauch, die Wasser- und Flächennutzung und die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu anderen Verbrauchskategorien zu veranschaulichen, hat die Europäische Umweltagentur ihre Berechnungen der Umwelt- und Klimaauswirkungen des Lebenszyklus in der EU aktualisiert. Verwendet wurden Input-Output-Modelle auf der Grundlage von Daten aus der Exiobase-Datenbank und von Eurostat. Im Einklang mit dem geringeren Textilverbrauchsniveau im Jahr 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie sind die Umweltauswirkungen von 2019 auf 2020 zurückgegangen.

Verwendung von Rohstoffen
Für die Textilproduktion werden große Mengen an Rohstoffen eingesetzt. Für die Herstellung aller von den EU-Haushalten im Jahr 2020 gekauften Bekleidung, Schuhe und Heimtextilien wurden schätzungsweise 175 Millionen Tonnen Primärrohstoffe verwendet, was rund 391 kg pro Person entspricht. Etwa 40 % davon entfallen auf Kleidung, 30 % auf Heimtextilien und 30 % auf Schuhe. Damit sind Textilien die fünftgrößte Verbrauchskategorie in Europa in Bezug auf den Primärrohstoffverbrauch (siehe Abbildung 3).

Zu den Rohstoffen gehören alle Arten von Materialien, die bei der Herstellung von Natur- und Kunstfasern verwendet werden, wie fossile Brennstoffe, Chemikalien und Düngemittel. Dazu gehören auch alle Baumaterialien, Mineralien und Metalle, die für den Bau von Produktionsanlagen verwendet werden. Auch der Transport und der Handel mit den Textilwaren sind eingeschlossen. Nur 20 % dieser Primärrohstoffe werden in Europa hergestellt oder gewonnen, der Rest wird außerhalb Europas gewonnen.

Dies zeigt den globalen Charakter der textilen Wertschöpfungskette und die hohe Ab-hängigkeit des europäischen Verbrauchs von Importen. Dies bedeutet, dass 80 % der durch den europäischen Textilkonsum verursachten Umweltauswirkungen außerhalb Europas stattfinden. So finden beispielsweise der Baumwollanbau, die Faserproduktion und die Bekleidungsherstellung hauptsächlich in Asien statt (ETC/WMGE, 2019).

Wasserverbrauch
Für die Herstellung und Verarbeitung von Textilien werden große Mengen an Wasser benötigt. Bei der Wassernutzung wird zwischen "blauem" Wasser (Oberflächenwasser oder Grundwasser, das bei der Bewässerung, bei industriellen Prozessen oder im Haushalt verbraucht wird oder verdunstet) und "grünem" Wasser (im Boden gespeichertes Regenwasser, das in der Regel zum Anbau von Pflanzen verwendet wird) unterschieden (Hoekstra et al., 2012).
 
Für die Herstellung aller von den EU-Haushalten im Jahr 2020 gekauften Bekleidung, Schuhe und Heimtextilien wurden etwa 4.000 Millionen m³ blaues Wasser benötigt, das sind 9 m³ pro Person, womit der Wasserverbrauch für Textilien an dritter Stelle nach Lebensmitteln sowie Freizeit und Kultur steht (siehe Ab-bildung 4).

Zusätzlich wurden etwa 20.000 Millionen m³ grünes Wasser verwendet, hauptsächlich für die Baumwollproduktion, was 44 m³ pro Person entspricht. Blaues Wasser wird zu etwa gleichem Anteil für die Herstellung von Kleidung (40 %), Schuhen (30 %) sowie Heim- und anderen Textilien (30 %) verwendet. Grünes Wasser wird hauptsächlich für die Herstellung von Kleidung (fast 50 %) und Heimtextilien (30 %) ver-braucht, wobei die Baumwollproduktion den größten Anteil hat.

Der Wasserverbrauch für in Europa verbrauchte Textilien findet größtenteils außerhalb Europas statt. Es wird geschätzt, dass für die Herstellung von 1 kg Baumwolle etwa 10 m³ Wasser benötigt werden, in der Regel außerhalb Europas (Chapagain et al., 2006).

Landnutzung
Die Herstellung von Textilien, insbesondere von Naturtextilien, erfordert große Mengen an Land. Der Flächenverbrauch in der Lieferkette für Textilien, die von europäischen Haushalten im Jahr 2020 gekauft werden, wird auf 180.000 km² geschätzt, das sind 400 m² pro Person. Nur 8 % der verbrauchten Flächen befinden sich in Europa. Über 90 % der Auswirkungen auf die Flächennutzung finden außerhalb Europas statt, hauptsächlich im Zusammenhang mit der (Baumwoll-)Faserproduktion in China und Indien (ETC/WMGE, 2019). Fasern auf Tierbasis, wie Wolle, haben ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf die Landnutzung (Lehmann et al., 2018). Damit ist der Textilsektor der Sektor mit den dritthöchsten Auswirkungen auf die Flächennutzung, nach Nahrungsmitteln und Wohnraum (siehe Abbildung 5). Davon fallen 43 % auf Kleidung, 35 % auf Schuhe (einschließlich Lederschuhen, die aufgrund des Bedarfs an Viehweiden eine hohe Auswirkung auf die Landnutzung haben) und 23 % auf Heim- und andere Textilien.

Treibhausgasemissionen
Die Herstellung und der Verbrauch von Textilien verursachen Treibhausgasemissionen, insbesondere durch die Gewinnung von Ressourcen, die Produktion, das Waschen und Trocknen sowie die Abfallverbrennung. Im Jahr 2020 verursachte die Herstellung von Textilwaren, die in der EU konsumiert wurden, Treibhausgasemissionen von insgesamt 121 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent (CO2e), was 270 kg CO2e pro Person entspricht. Damit sind Textilien der Verbrauchsbereich der Haushalte, der für die fünftgrößten Auswirkungen auf den Klimawandel verantwortlich ist, nach Wohnen, Ernährung, Verkehr und Mobilität sowie Freizeit und Kultur (siehe Abbildung 6). Davon entfallen 50 % auf Kleidung, 30 % auf Haushalts- und andere Textilien und 20 % auf Schuhe. Die Treibhausgasemissionen wirken sich zwar weltweit aus, aber fast 75 % werden außerhalb Europas freigesetzt, vor allem in den wichtigen textilproduzierenden Regionen in Asien (ETC/WMGE, 2019).

Etwa 80 % der gesamten Klimaauswirkungen von Textilien entstehen in der Produktionsphase. Weitere 3 % entstehen im Vertrieb und Einzelhandel, 14 % in der Nutzungsphase (Waschen, Trocknen und Bügeln) und 3 % am Ende des Lebenszyklus (Sammlung, Sortierung, Recycling, Verbrennung und Entsorgung) (ECOS, 2021; Östlund et al., 2020).

Textilien aus Naturfasern, wie z. B. Baumwolle, haben im Allgemeinen die geringsten Klimaauswirkungen. Textilien aus synthetischen Fasern (insbesondere Nylon und Acryl) haben im Allgemeinen eine höhere Klimabelastung, da sie aus fossilen Brennstoffen hergestellt werden und bei der Produktion Energie verbraucht wird (ETC/WMGE, 2021b; Beton et al., 2014).

3. Design als Wegbereiter für zirkuläre Geschäftsmodelle für Textilien
Um die Auswirkungen von Textilien auf die Umwelt und den Klimawandel zu verringern, ist die Umstellung auf zirkuläre Geschäftsmodelle von entscheidender Bedeutung, um Rohstoffe, Energie, Wasser und Landnutzung, Emissionen und Abfall einzusparen (ETC/WMGE, 2019). Die Umsetzung und Skalierung von Kreislaufwirtschaftsmodellen erfordert technische, soziale und geschäftsmodellbezogene Innovationen sowie die Förderung von Politik, Konsum und Bildung (EUA, 2021).

Kreislauffähiges Design ist ein wichtiger Bestandteil von zirkulären Geschäftsmodellen für Textilien. Es kann eine höhere Qualität, eine längere Lebensdauer, eine bessere Nutzung von Materialien und bessere Optionen für Wiederverwendung und Recycling gewährleisten. Während es wichtig ist, das Recycling und die Wiederverwendung von Materialien zu ermöglichen, sollten lebensverlängernde Strategien, wie z. B. Design für Langlebigkeit, einfache Wiederverwendung, Reparatur und Wiederaufbereitung, Vorrang haben. Die Vermeidung der Verwendung gefährlicher Chemikalien und die Begrenzung der Schadstoffemissionen und der Freisetzung von Mikroplastik in allen Phasen des Lebenszyklus sollten in die Produktgestaltung einbezogen werden.

Das Design für Kreislaufwirtschaft ist die jüngste Entwicklung im Design für Nachhaltigkeit. Die Ausweitung eines technischen und produktorientierten Fokus auf Veränderungen auf Systemebene (unter Berück-sichtigung von Produktions- und Verbrauchssystemen) zeigt, dass diese jüngste Entwicklung viel mehr Disziplinen erfordert als das traditionelle technische Design. Das Produktdesign als Bestandteil eines kreislauforientierten Geschäftsmodells hängt vom Verbraucherverhalten und den Richtlinien ab, um sein Potenzial auszuschöpfen und seine Umsetzung zu ermöglichen. Abbildung 7 zeigt die Zusammenhänge zwischen dem Kreislaufwirtschaftsmodell, dem Produktdesign, dem Verbraucherverhalten und den Richtlinien. Sie alle sind notwendig, um den Zyklus zu verlangsamen und zu schließen, damit er kreislauffähig wird.

Quelle:

Europäische Umweltagentur
Übersetzung durch Textination

Foto: pixabay, Hilary Clark
01.02.2022

Baumwollfasern 2.0: Feuerfest und anschmiegsam

Ein an der Empa entwickeltes chemisches Verfahren macht aus Baumwolle ein schwer entflammbares Gewebe, das trotzdem die hautfreundlichen Eigenschaften von Baumwolle behält.

Herkömmliche flammhemmende Baumwolltextilien enthalten oft Rückstände von Formaldehyd und sind zudem unangenehm auf der Haut. Empa-Wissenschaftlern ist es gelungen, dieses Problem zu umgehen, indem sie ein physikalisch und chemisch unabhängiges Netzwerk im Inneren der Fasern schufen. So bleiben die positiven Eigenschaften der Baumwollfaser erhalten, die drei Viertel des weltweiten Bedarfs an Naturfasern in Kleidung und Heimtextilien ausmachen: Baumwolle ist hautfreundlich, weil sie erhebliche Mengen an Wasser aufnehmen kann und ein günstiges Mikroklima auf der Haut gewährleistet.

Ein an der Empa entwickeltes chemisches Verfahren macht aus Baumwolle ein schwer entflammbares Gewebe, das trotzdem die hautfreundlichen Eigenschaften von Baumwolle behält.

Herkömmliche flammhemmende Baumwolltextilien enthalten oft Rückstände von Formaldehyd und sind zudem unangenehm auf der Haut. Empa-Wissenschaftlern ist es gelungen, dieses Problem zu umgehen, indem sie ein physikalisch und chemisch unabhängiges Netzwerk im Inneren der Fasern schufen. So bleiben die positiven Eigenschaften der Baumwollfaser erhalten, die drei Viertel des weltweiten Bedarfs an Naturfasern in Kleidung und Heimtextilien ausmachen: Baumwolle ist hautfreundlich, weil sie erhebliche Mengen an Wasser aufnehmen kann und ein günstiges Mikroklima auf der Haut gewährleistet.

Für Feuerwehrleute und andere Einsatzkräfte ist die Schutzkleidung die wichtigste Barriere. Für solche Zwecke wird hauptsächlich Baumwolle als innere Textilschicht verwendet, die jedoch zusätzliche Eigenschaften benötigt: Sie muss etwa feuerfest sein oder vor biologischen Schadstoffen schützen. Dennoch sollte sie nicht wasserabweisend sein, weil dies ein unangenehmes Mikroklima schaffen würde. Diese zusätzlichen Eigenschaften können durch geeignete chemische Modifikationen in die Baumwollfasern «eingebaut» werden.

Dauerhaft aber toxisch
«Bislang war es immer ein Kompromiss, Baumwolle feuerfest zu machen», sagt der Chemiker und Polymerexperte Sabyasachi Gaan aus der Empa-Abteilung «Advanced Fibers». Waschbeständige, flammhemmende Baumwolle wird in der Industrie durch die Behandlung des Gewebes mit Flammschutzmitteln hergestellt, die sich chemisch mit der Zellulose in der Baumwolle verbinden. Derzeit hat die Textilindustrie keine andere Wahl, als auf Formaldehyd basierende Chemikalien zu verwenden – und Formaldehyd gilt als krebserregend. Ein jahrzehntealtes Problem. Formaldehyd-basierte Flammschutzmittel sind zwar langlebig, haben aber weitere Nachteile: Die OH-Gruppen der Zellulose werden chemisch blockiert, was die Fähigkeit der Baumwolle, Wasser aufzunehmen, erheblich mindert, und zu einem unangenehmen Tragegefühl der Textilien führt.

Gaan hat an der Empa viele Jahre lang Flammschutzmittel auf Basis der Phosphorchemie entwickelt, die bereits in vielen industriellen Anwendungen eingesetzt werden. 2021 ist es ihm gelungen, einen eleganten und einfachen Weg zu finden, Phosphor in Form eines unabhängigen Netzwerks in der Baumwolle zu verankern.

Chemisches Netzwerk zwischen den Baumwollfasern
Gaan und seine Forscherkollegen Rashid Nazir, Dambarudhar Parida und Joel Borgstädt, nutzten eine tri-funktionale Phosphorverbindung (Trivinylphosphinoxid), die die Fähigkeit besitzt, nur mit bestimmten zugesetzten Molekülen (Stickstoffverbindungen wie Piperazin) zu reagieren und ein eigenes Netzwerk im Inneren der Baumwolle zu bilden. Dadurch wird die Baumwolle dauerhaft feuerbeständig, ohne die günstigen OH-Gruppen zu blockieren. Darüber hinaus ist das physikalische Phosphinoxid-Netzwerk auch noch hydrophil und nimmt zusätzlich Feuchtigkeit auf. Diese flammhemmende Ausrüstung enthält kein krebserregendes Formaldehyd, das vor allem die Textilarbeiter bei der Herstellung gefährden würde, und die Phosphinoxid-Netzwerke waschen sich auch nicht aus: Nach 50 Wäschen sind noch 95 Prozent des Flammschutznetzwerks im Gewebe vorhanden.

Um der an der Empa entwickelten flammhemmenden Baumwolle zusätzliche Schutzfunktionen zu verleihen, brachten die Forscher Silber-Nanopartikel in das Gewebe ein. Dies funktioniert in einem einstufigen Prozess zusammen mit der Erzeugung der Phosphinoxid-Netzwerke. Die Silber-Nanopartikel verleihen der Faser antimikrobielle Eigenschaften und überleben selbst 50 Waschgänge.

Eine Hightech-Lösung aus dem Schnellkochtopf
«Wir haben einen einfachen Ansatz verwendet, um die Phosphinoxid-Netzwerke im Inneren der Zellulose zu fixieren», sagt Gaan. «Für unsere Laborexperimente haben wir die Baumwolle zunächst mit einer wässrigen Lösung von Phosphor- und Stickstoffverbindungen behandelt und anschliessend in einem handelsüblichen Schnellkochtopf gedämpft, um die Vernetzungsreaktion der Phosphor- und Stickstoffmoleküle zu erleichtern.» Der Anwendungsprozess ist mit den in der Textilindustrie bereits eingesetzten Behandlungsmaschinen kompatibel. «Das Dämpfen von Textilien nach dem Färben, Bedrucken und Veredeln ist ein normaler Schritt in der Textilindustrie. Es ist also keine zusätzliche Investition nötig, um unser Verfahren anzuwenden», so der Empa-Chemiker.

Inzwischen sind diese neu entwickelte Phosphorchemie und ihre Anwendung durch eine Patentanmeldung geschützt. «Es bleiben noch zwei wichtige Hürden», so Gaan. «Für die zukünftige Kommerzialisierung müssen wir einen geeigneten Chemikalienhersteller finden, der Trivinylphosphinoxid herstellen und liefern kann. Außerdem muss Trivinylphosphinoxid noch in der EU-Chemikaliendatenbank REACH registriert werden, damit sie problemlos gehandelt und transportiert werden kann.»

Kontakt:
Dr. Sabyasachi Gaan
Advanced Fibers
Tel. +41 58 765 7611
sabyasachi.gaan@empa.ch

Kontakt:
Prof. Dr. Manfred Heuberger
Advanced Fibers
Tel: +41 58 765 7878
manfred.heuberger@empa.ch

Ein Gel, das Medikamente freisetzt
Die neuartige Phosphorchemie kann auch für die Entwicklung anderer Materialien genutzt werden, etwa für die Herstellung von Hydrogelen, die bei wechselndem pH-Wert gezielt Medikamente freisetzen können. Solche Gele könnten Anwendung bei der Behandlung von Wunden finden, die nur langsam heilen. Bei solchen Wunden steigt der pH-Wert der Hautoberfläche an, und die neuen phosphorbasierten Gele können so getriggert werden, dass sie gezielt Medikamente auf die Wunde dosieren oder einen Farbstoff freisetzen, der Ärzte und Pflegepersonal auf das Problem aufmerksam macht. Die Empa hat auch die Herstellung solcher Hydrogele patentiert.

Quelle:

EMPA, Rainer Klose

(c) nova-Institut GmbH
07.12.2021

Finalisten für „Cellulose Fibre Innovation of the Year 2022” stehen fest

Zellulosefaser-Innovation des Jahres 2022: Zellulosefaser-Lösungen erweitern sich von Hygieneartikeln und Textilien sowie Vliesstoffen bis hin zu Alternativen für Carbonfasern für Leichtbauanwendungen.

Die Auswahl der Finalisten für den Innovationspreis war aufgrund der hochklassigen Einreichungen eine Herausforderung: Alle bieten vielversprechende nachhaltige Lösungen für die Wertschöpfungskette von Zellulosefasern. Sechs von ihnen erhalten die Chance, ihr Potenzial einem breiten Publikum vor Ort in Köln und Online zu demonstrieren.

Zellulosefaser-Innovation des Jahres 2022: Zellulosefaser-Lösungen erweitern sich von Hygieneartikeln und Textilien sowie Vliesstoffen bis hin zu Alternativen für Carbonfasern für Leichtbauanwendungen.

Die Auswahl der Finalisten für den Innovationspreis war aufgrund der hochklassigen Einreichungen eine Herausforderung: Alle bieten vielversprechende nachhaltige Lösungen für die Wertschöpfungskette von Zellulosefasern. Sechs von ihnen erhalten die Chance, ihr Potenzial einem breiten Publikum vor Ort in Köln und Online zu demonstrieren.

Das nova-Institut kürt zum zweiten Mal die „Cellulose Fibre Innovation of the Year“ im Rahmen der „International Conference on Cellulose Fibres 2022“ (2.-3. Februar 2022). Der Konferenzbeirat hat sechs Produkte nominiert, von Zellulose aus Orangen- und Holzzellstoff bis hin zu einer neuartigen Technologie zur Zellulosefaserherstellung. Die Präsentationen der Kandidaten, die Wahl des Gewinners durch das Konferenzpublikum und die Preisverleihung finden am ersten Tag der Konferenz statt.

Zellulosefasern weisen ein immer breiteres Anwendungsspektrum auf, während die Märkte gleichzeitig durch technologische Entwicklungen und politische Rahmenbedingungen, insbesondere Verbote und Beschränkungen für Kunststoffe und steigende Nachhaltigkeitsanforderungen, bewegt werden. Die Konferenz bietet einen ausführlichen Überblick über die Perspektiven für Zellulosefasern durch eine Einschätzung der politischen Rahmenbedingungen, eine Session zu Nachhaltigkeit, Recycling und alternativen Rohstoffen sowie Informationen zu den neuesten Entwicklungen in Zellstoff, Zellulosefasern und Garne. Dazu gehören Anwendungen wie Vliesstoffe, Verpackungen und Verbundwerkstoffe.

Das sind die Nominierten:
Kohlenstofffasern aus Holz - Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf (Deutschland)
Die HighPerCellCarbon®-Technologie ist ein nachhaltiges und alternatives Verfahren zur Herstellung von Kohlenstofffasern aus Holz. Die Technologie beginnt mit dem Nassspinnen von Zellulosefasern unter Verwendung ionischer Flüssigkeiten (IL) als direktes Lösungsmittel in einem umweltfreundlichen, geschlossenen Filamentspinnverfahren (HighPerCell®-Technologie). Diese Filamente werden durch einen Niederdruck-Stabilisierungsprozess direkt in Kohlenstofffasern umgewandelt, gefolgt von einem geeigneten Karbonisierungsprozess. Während des gesamten Prozesses entstehen keine Abgase oder giftige Nebenprodukte. Darüber hinaus ermöglicht das Verfahren ein vollständiges Recycling von Lösungsmittel und Vorläuferfasern, wodurch ein einzigartiger und umweltfreundlicher Prozess entsteht. Kohlenstofffasern werden in vielen Leichtbauanwendungen eingesetzt und sind eine nachhaltige Alternative zu Fasern auf fossiler Basis.

Fibers365, Wirklich kohlenstoffnegative Frischfasern aus Stroh – Fibers365 (Deutschland)
Fibers365 sind die ersten kohlenstoffnegativen Fasern aus frischem Stroh auf dem Markt. Das Fibers365-Konzept basiert auf einem einzigartigen, hochmodernen Verfahren zur Herstellung funktioneller, kohlenstoffnegativer und wettbewerbsfähiger Nichtholz-Biomasseprodukte wie Frischfasern für Papier- Verpackungs- und Textilzwecke sowie hochwertige Prozessenergie-, Biopolymer- und Düngemittel-Nebenströme. Die Produkte werden aus den Stängeln einjähriger Nahrungspflanzen wie Stroh durch eine chemikalienfreie, regionale, bäuerliche Dampfexplosionsauflösungstechnologie gewonnen, die eine einfache Trennung der Fasern von Zucker, Lignin, organischer Säure und Mineralien ermöglicht. Bei einjährigen Pflanzen werden die CO2-Emissionen innerhalb von 12 Monaten nach dem Produktionsdatum zurückgewonnen, so dass ein sofortiger jährlicher Ausgleich der entsprechenden Emissionen möglich ist.

Iroony® Hanf- und Flachszellulose – RBX Créations (Frankreich)
Iroony® ist eine Marken-Zellulose, die von RBX Créations aus Hanf hergestellt wird. Die widerstandsfähige Hanfpflanze wächst schnell innerhalb weniger Monate, bindet massiv Kohlenstoff und weist einen hohen Zellulosegehalt auf. Die Biomasse wird direkt von französischen Landwirten geerntet, die sie ohne Chemikalien und Bewässerung in ausgedehnten Rotationszyklen anbauen und so zur Regeneration des Bodens und zur Artenvielfalt beitragen. Für ein diversifiziertes Angebot kann der Hanf mit biologisch angebautem Flachs kombiniert werden. Durch sein patentiertes Verfahren gewinnt RBX Créations hochreine Zellulose, die sich perfekt für Spinntechnologien wie HighPerCell® des DITF-Forschungszentrums eignet. Die daraus gewonnenen Fasern weisen vielseitige Eigenschaften wie Feinheit, Festigkeit und Dehnbarkeit auf und eignen sich für Anwendungen wie Bekleidung oder technische Textilien. Iroony® vereint geringe Umweltauswirkungen, Nachverfolgbarkeit und Leistung.

SPINNOVA, Nachhaltige Textilfasern ohne schädliche Chemikalien – Spinnova (Finnland)
Die innovative Technologie von Spinnova ermöglicht die Herstellung nachhaltiger Textilfasern in einem mechanischen Verfahren, ohne Auflösen oder schädliche Chemikalien. Das Verfahren umfasst die Verwendung von Zellstoff in Papierqualität und die mechanische Raffination zur Herstellung mikrofibrillierter Zellulose (MFC). Die aus MFC bestehende Fasersuspension wird ohne Regenerationsverfahren zu Textilfasern extrudiert. Beim Spinnova-Verfahren fallen keine Nebenabfälle an, und der ökologische Fußabdruck von SPINNOVA® umfasst 65 % weniger CO2-Emissionen und 99 % weniger Wasser im Vergleich zur Baumwollproduktion. Die Lösung von Spinnova ist außerdem skalierbar: Spinnova strebt an, in den nächsten 10 bis 12 Jahren eine jährliche Produktionskapazität von 1 Million Tonnen zu erreichen.

Nachhaltige Menstruationsunterwäsche: Anwendungsorientierte Funktionalisierung von Fasern – Kelheim Fibres (Deutschland)
Die pflanzlichen und biologisch abbaubaren Fasern von Kelheim leisten einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Zukunft im Bereich der wiederverwendbaren Hygienetextilien. Durch innovative Funktionalisierung werden sie gezielt auf die Anforderungen der einzelnen Lagen abgestimmt und erreichen dadurch eine vergleichbare Leistungsfähigkeit wie synthetische Fasern. Es entsteht eine einzigartige Dualität in der Fasertechnologie: nachhaltig hergestellte Zellulosefasern, die einen hohen Tragekomfort und Wiederverwendbarkeit bei außergewöhnlicher, langlebiger Leistung ermöglichen. Die Faserkonzepte umfassen Celliant® Viscose, eine faserinterne Infrarotlösung und Danufil®-Fasern in der Oberschicht, Galaxy, eine trilobale Faser für die ADL, Bramante, eine Viskosehohlfaser, im absorbierenden Kern und ein wasserabweisendes Gewebe, eine biologisch abbaubare PLA-Folie oder eine nachhaltige Beschichtung als Unterschicht.

Lyocellfaser der Marke TENCEL™ aus Orangen- und Holzzellstoff – Orange Fiber (Italien)
Orange Fiber ist das weltweit erste Unternehmen, das eine nachhaltige Textilfaser aus einem patentierten Verfahren zur Gewinnung von Zellulose herstellt, die aus den Resten von Zitrusfrüchten gesponnen wird, von denen allein in Italien mehr als 1 Million Tonnen pro Jahr anfallen. Das Ergebnis der Partnerschaft mit der Lenzing Gruppe, dem weltweit führenden Hersteller von Spezialfasern auf Holzbasis, ist die erste Lyocellfaser der Marke TENCEL™, die aus Orangen- und Holzzellstoff hergestellt wird. Eine neuartige Zellulosefaser, die die Nachhaltigkeit in der gesamten Wertschöpfungskette weiter vorantreibt und die Grenzen der Innovation verschiebt. Diese Faser, die Teil der TENCEL™ Limited Edition Initiative ist, zeichnet sich durch eine weiche Anmutung und eine hohe Feuchtigkeitsaufnahme aus. Sie hat bereits das OEKO-TEX Standard 100 Zertifikat erhalten und wird derzeit einer Reihe weiterer Nachhaltigkeitsbewertungen unterzogen.