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Berufsbekleidung: Nordische Zusammenarbeit bei Kreislaufinnovationen Foto: Sven, pixabay
16.04.2024

Berufsbekleidung: Nordische Zusammenarbeit bei Kreislaufwirtschaft

Die University of Borås, die Aalborg University Business School und das Circular Innovation Lab haben jüngst das Projekt „North-South Circular Value Chains Within Textiles“ gestartet - ein Forschungsprojekt mit einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit, das darauf abzielt, Textilmarken in den nordischen Ländern mit innovativen Produzenten im Süden zusammenzubringen.
 
Schwerpunktbereiche sind Kreislauf-Wertschöpfungsketten (CVCs), Kreislaufwirtschaft und ressourceneffiziente Textilwirtschaft, Berufsbekleidung und technische Kleidung, Sektoren wie Bau, Energie, Elektronik und IT, Kunststoffe, Textilien, Einzelhandel und Metalle.

Die University of Borås, die Aalborg University Business School und das Circular Innovation Lab haben jüngst das Projekt „North-South Circular Value Chains Within Textiles“ gestartet - ein Forschungsprojekt mit einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit, das darauf abzielt, Textilmarken in den nordischen Ländern mit innovativen Produzenten im Süden zusammenzubringen.
 
Schwerpunktbereiche sind Kreislauf-Wertschöpfungsketten (CVCs), Kreislaufwirtschaft und ressourceneffiziente Textilwirtschaft, Berufsbekleidung und technische Kleidung, Sektoren wie Bau, Energie, Elektronik und IT, Kunststoffe, Textilien, Einzelhandel und Metalle.

Ermöglicht durch einen Zuschuss aus dem Interreg-ÖKS-Programm besteht der erste Schritt darin, einen spezifischen wirtschaftlichen, rechtlichen und technologischen Rahmen zu schaffen, der es skandinavischen Berufsbekleidungsunternehmen ermöglicht, eine enge Zusammenarbeit bei Kreislauflösungen in der gesamten textilen Wertschöpfungskette einzugehen und ihre globalen Wertschöpfungsketten auf die bevorstehenden EU-Verordnungen zur Kreislaufwirtschaft vorzubereiten und anzupassen.

Kürzlich trafen sich die Partner des Konsortiums zu einem ersten Treffen an der Swedish School of Textiles, um den Projektrahmen zu erörtern. Dabei handelt es sich um eine Machbarkeitsstudie, die in ein mehrjähriges Projekt münden soll, an dem Berufsbekleidungsunternehmen in der Region Öresund-Kattegat-Skagerrak (ÖKS) einschließlich ihrer Lieferketten in Asien beteiligt sind.
Kim Hjerrild, Leiterin für strategische Partnerschaften bei der dänischen Denkfabrik Circular Innovation Lab in Kopenhagen, erklärte: „Ziel ist es, Berufsbekleidungshersteller in Dänemark, Schweden und Norwegen dabei zu unterstützen, durch kreislauforientierte Produktdesign-, Produktions- und Dienstleistungskonzepte nachhaltiger zu werden. Wir freuen uns, dass die Swedish School of Textiles das Projekt leitet, da sie eine lange Tradition in der Zusammenarbeit mit Textilunternehmen hat.“
 
Komplexe Branche
Die Entscheidung, sich speziell auf Berufsbekleidung zu konzentrieren, rührt daher, dass es sich um einen komplexen Bereich der Textilindustrie handelt, der strenge Normen, Zertifizierungen, Sicherheitsaspekte und spezifische Funktionen je nach Anwendungsbereich erfordert, z. B. in speziellen Hochleistungsumgebungen, im Gesundheitswesen und im Gastgewerbe. „Um ihre Betriebe zukunftssicher zu machen, müssen Unternehmen ressourceneffizienter und zirkulärer werden, indem sie haltbare und langlebige Arbeitskleidung herstellen, die repariert und wiederverwendet werden kann. Außerdem müssen sie ihren CO2-Fußabdruck pro Produkt reduzieren, den Einsatz problematischer Chemikalien minimieren und zunehmend recycelte Materialien verwenden“, erklärt Kim Hjerrild.

Unternehmen mit Hilfsmitteln und Wissen versorgen
Apoorva Arya, Gründerin und CEO von Circular Innovation Lab, führt aus: „Unser erstes und wichtigstes Ziel ist es, skandinavische Berufsbekleidungsunternehmen mit Hilfsmitteln und Wissen auszustatten, damit sie die kommenden EU-Richtlinien und -Politik einhalten können. Dazu gehören Vorschriften über produktspezifische Designanforderungen, Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer und Menschenrechte, von der Produktion bis hin zu Drittlieferanten. Wir stellen sicher, dass diese Unternehmen, insbesondere ihre Zulieferer, zu einer kreislauforientierten Lieferkette übergehen und sich in der gesetzlichen Landschaft zurechtfinden können, während sie gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt gewährleisten.“

Neue Strukturen im Fokus
Rudrajeet Pal, Professor für Textilmanagement an der Swedish School of Textiles, freut sich, dass die Universität das Projekt koordinieren kann. „Aus der Sicht meiner Forschungsgruppe ist dies unglaublich interessant, da der Schwerpunkt auf der Untersuchung und Entwicklung 'neuer' Lieferketten- und Geschäftsmodellstrukturen liegt, die eine nachhaltige Wertschöpfung in Textilunternehmen, in der Industrie sowie für die Umwelt und die Gesellschaft insgesamt ermöglichen würden. Wir haben bereits mehrere Projekte durchgeführt, bei denen ein solcher globaler Nord-Süd-Fokus der Wertschöpfungskette im Vordergrund stand, und dieses Mal insbesondere die Wertschöpfungskette von Berufsbekleidungsunternehmen zwischen Skandinavien und Asien. Wir freuen uns, unser Fachwissen und unsere Erfahrung in der internationalen Arbeit einbringen zu können."
 
Über das Vorprojekt North-South Circular Value Chains Within Textiles, NSCirTex
Das Projekt zielt darauf ab, den zirkulären Übergang in den nordischen Ländern zu unterstützen, indem ein gemeinsames Governance-Modell eingerichtet wird, das eine vorwettbewerbliche Zusammenarbeit und die Gestaltung zirkulärer Wertschöpfungsketten zwischen skandinavischen Berufsbekleidungsunternehmen in der ÖKS-Region und Produzenten in Indien, Bangladesch, Vietnam und der Türkei ermöglicht.

Der nächste Schritt ist ein mehrjähriges Hauptprojekt, in dem Berufsbekleidungsunternehmen mit ihren Zulieferern in asiatischen Ländern maßgeschneiderte Modelle für eine gemeinsame Unternehmensführung testen können, um praktische zirkuläre Lösungen zu entwickeln, wie z. B. Post-Consumer-Recycling, zirkuläre Materialbeschaffung, Entwicklung sicherer und ressourceneffizienter zirkulärer Produkte, Verbesserung der sozialen Nachhaltigkeit und der Sorgfaltspflicht usw. Das Hauptprojekt wird somit Lösungen zur Verringerung des materiellen Fußabdrucks und der Ressourcennutzung entwickeln und dabei sowohl wirtschaftliche Rentabilität schaffen als auch neue Vorschriften, Berichterstattung und Rechenschaftspflicht vorbereiten.

Partner in dieser Machbarkeitsstudie: Universität Borås, Aalborg University Business School und Circular Innovation Lab. Die Durchführbarkeitsstudie wird von der EU über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung Interreg Öresund-Kattegat-Skagerrak finanziert.

Quelle:

University of Borås, Solveig Klug

CO2 in stabile Kohlenstoff-Nanofasern umwandeln (c) Zhenhua Xie/Brookhaven National Laboratory und Columbia University; Erwei Huang/Brookhaven National Laboratory
22.01.2024

CO2 in stabile Kohlenstoff-Nanofasern umwandeln

Die elektrokatalytisch-thermokatalytische Mehrfachumwandlung könnte dazu beitragen, die Emissionen eines starken Treibhausgases auszugleichen, indem Kohlenstoff in einem nützlichen Material eingeschlossen wird.

Die elektrokatalytisch-thermokatalytische Mehrfachumwandlung könnte dazu beitragen, die Emissionen eines starken Treibhausgases auszugleichen, indem Kohlenstoff in einem nützlichen Material eingeschlossen wird.

Wissenschaftler des Brookhaven National Laboratory des US-Energieministeriums (DOE) und der Columbia University haben eine Methode entwickelt, um Kohlendioxid (CO2), ein starkes Treibhausgas, in Kohlenstoff-Nanofasern umzuwandeln, Materialien mit einer breiten Palette einzigartiger Eigenschaften und vielen potenziellen langfristigen Einsatzmöglichkeiten. Ihre Strategie beruht auf einem Zusammenspiel von elektrochemischen und thermochemischen Reaktionen, die bei relativ niedrigen Temperaturen und Umgebungsdruck ablaufen. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Nature Catalysis beschreiben, könnte es mit diesem Ansatz gelingen, Kohlenstoff in einer nützlichen festen Form zu binden, um Kohlenstoffemissionen auszugleichen oder sogar negativ zu gestalten.

„Man kann die Kohlenstoff-Nanofasern in Zement einarbeiten, um ihn zu verstärken“, so Jingguang Chen, Professor für Chemieingenieurwesen an der Columbia University mit einer gleichzeitigen Anstellung am Brookhaven Lab, der die Forschungsarbeiten leitete. "Damit wäre der Kohlenstoff für mindestens 50 Jahre, möglicherweise sogar länger, im Beton eingeschlossen. Bis dahin sollte die Welt hauptsächlich auf erneuerbare Energiequellen umgestellt sein, die keinen Kohlenstoff freisetzen.

Als Bonus produziert das Verfahren auch Wasserstoffgas (H2), einen vielversprechenden alternativen Kraftstoff, der bei seiner Verwendung keine Emissionen verursacht.

Bindung oder Umwandlung von Kohlenstoff?
Die Idee, CO2 zu binden oder es in andere Stoffe umzuwandeln, um den Klimawandel zu bekämpfen, ist nicht neu. Aber die einfache Lagerung von CO2-Gas kann zu Lecks führen. Und bei vielen CO2-Umwandlungen werden Chemikalien oder Kraftstoffe auf Kohlenstoffbasis hergestellt, die sofort verwendet werden, wodurch das CO2 wieder in die Atmosphäre gelangt.

„Das Neue an dieser Arbeit ist, dass wir versuchen, CO2 in etwas umzuwandeln, das einen Mehrwert bietet, und zwar in einer festen, sinnvollen Form“, so Chen.

Solch feste Kohlenstoffmaterialien - einschließlich Kohlenstoff-Nanoröhren und Nanofasern mit Abmessungen im Milliardstel-Meter-Bereich - haben viele ansprechende Eigenschaften, darunter Festigkeit sowie thermische und elektrische Leitfähigkeit. Es ist jedoch keine einfache Angelegenheit, Kohlenstoff aus Kohlendioxid zu extrahieren und ihn zu diesen feinen Strukturen zusammenzufügen. Ein direkter, hitzegetriebener Prozess erfordert Temperaturen von über 1.000 Grad Celsius.

„Das ist für die CO2-Reduzierung in großem Maßstab sehr unrealistisch“, sagte Chen. „Im Gegensatz dazu haben wir einen Prozess gefunden, der bei etwa 400 Grad Celsius abläuft, was eine viel praktikablere, industriell erreichbare Temperatur ist.“

Der zweistufige Tandemprozess
Der Trick bestand darin, die Reaktion in mehrere Schritte aufzuteilen und zwei verschiedene Arten von Katalysatoren zu verwenden - Materialien, die es den Molekülen leichter machen, zusammenzukommen und zu reagieren.

„Wenn man die Reaktion in mehrere Teilschritte aufteilt, kann man verschiedene Arten von Energiezufuhr und Katalysatoren in Betracht ziehen, um jeden Teil der Reaktion zum Laufen zu bringen“, so Zhenhua Xie, Forscher am Brookhaven Lab und an der Columbia University, Hauptautor der Studie.

Die Wissenschaftler stellten zunächst fest, dass Kohlenmonoxid (CO) ein viel besseres Ausgangsmaterial als CO2 für die Herstellung von Kohlenstoff-Nanofasern (CNF) ist. Dann machten sie sich auf die Suche nach dem effizientesten Weg, um CO aus CO2 zu erzeugen.

Frühere Arbeiten ihrer Gruppe veranlassten sie, einen handelsüblichen Elektrokatalysator aus Palladium auf Kohlenstoffträgern zu verwenden. Elektrokatalysatoren treiben chemische Reaktionen mit Hilfe eines elektrischen Stroms an. In Gegenwart von fließenden Elektronen und Protonen spaltet der Katalysator sowohl CO2 als auch Wasser (H2O) in CO und H2 auf.

Für den zweiten Schritt wählten die Wissenschaftler einen hitzeaktivierten Thermokatalysator aus einer Eisen-Kobalt-Legierung. Er arbeitet bei Temperaturen um 400 Grad Celsius, also deutlich schonender als es eine direkte Umwandlung von CO2 in CNF erfordern würde. Sie entdeckten außerdem, dass die Zugabe von etwas zusätzlichem metallischem Kobalt die Bildung der Kohlenstoff-Nanofasern stark fördert.

„Durch die Kopplung von Elektrokatalyse und Thermokatalyse können wir mit diesem Tandemverfahren Dinge erreichen, die mit einem der beiden Verfahren allein nicht möglich sind“, so Chen.

Katalysator-Charakterisierung
Um herauszufinden, wie diese Katalysatoren im Detail funktionieren, führten die Wissenschaftler eine Vielzahl von Experimenten durch. Dazu gehörten computergestützte Modellierungsstudien, physikalische und chemische Charakterisierungsstudien an der Nationalen Synchrotronlichtquelle II (NSLS-II) des Brookhaven Labs - unter Verwendung der Quick X-ray Absorption and Scattering (QAS)- und Inner-Shell Spectroscopy (ISS)-Strahlführungen - sowie mikroskopische Aufnahmen in der Elektronenmikroskopie-Anlage des Center for Functional Nanomaterials (CFN) des Labs.

Bei der Modellierung verwendeten die Wissenschaftler Berechnungen der Dichtefunktionaltheorie (DFT), um die atomaren Anordnungen und andere Eigenschaften der Katalysatoren bei der Wechselwirkung mit der aktiven chemischen Umgebung zu analysieren.

"Wir untersuchen die Strukturen, um festzustellen, welches die stabilen Phasen des Katalysators unter den Reaktionsbedingungen sind", erklärte Studienmitautor Ping Liu von der Chemieabteilung in Brookhaven, der diese Berechnungen leitete. "Wir untersuchen die aktiven Stellen und wie sich diese Stellen mit den Reaktionszwischenprodukten verbinden. Indem wir die Barrieren oder Übergangszustände von einem Schritt zum anderen bestimmen, erfahren wir genau, wie der Katalysator während der Reaktion funktioniert."

Röntgenbeugungs- und Röntgenabsorptionsexperimente an der NSLS-II verfolgten, wie sich die Katalysatoren während der Reaktionen physikalisch und chemisch verändern. Die Synchrotron-Röntgenstrahlen zeigten beispielsweise, wie sich das metallische Palladium im Katalysator durch elektrischen Strom in Palladiumhydrid umwandelt, ein Metall, das für die Produktion von H2 und CO in der ersten Reaktionsstufe entscheidend ist.

Für die zweite Stufe „wollten wir wissen, wie die Struktur des Eisen-Kobalt-Systems unter den Reaktionsbedingungen aussieht und wie man den Eisen-Kobalt-Katalysator optimieren kann“, so Xie. Die Röntgenexperimente bestätigten, dass sowohl eine Legierung aus Eisen und Kobalt als auch zusätzliches metallisches Kobalt vorhanden sind und benötigt werden, um CO in Kohlenstoff-Nanofasern umzuwandeln.

„Die beiden arbeiten nacheinander zusammen“, sagte Liu, deren DFT-Berechnungen zur Erklärung des Prozesses beitrugen.

„Unserer Studie zufolge tragen die Kobalt-Eisen-Stellen in der Legierung dazu bei, die C-O-Bindungen des Kohlenmonoxids zu brechen. Dadurch wird atomarer Kohlenstoff verfügbar, der als Quelle für den Aufbau von Kohlenstoff-Nanofasern dient. Das zusätzliche Kobalt erleichtert dann die Bildung der C-C-Bindungen, die die Kohlenstoffatome miteinander verbinden", erklärte sie.

Recyclingfähig, kohlenstoffnegativ
„Die am CFN durchgeführten Analysen mit dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) zeigten die Morphologie, die Kristallstrukturen und die Elementverteilung in den Kohlenstoff-Nanofasern sowohl mit als auch ohne Katalysator“, sagt Sooyeon Hwang, Wissenschaftlerin am CFN und Mitautorin der Studie.

Die Bilder zeigen, dass der Katalysator beim Wachsen der Kohlenstoff-Nanofasern nach oben und von der Oberfläche weggeschoben wird. Das macht es einfach, das katalytische Metall zu recyceln, so Chen.

„Wir verwenden Säure, um das Metall auszulaugen, ohne die Kohlenstoff-Nanofaser zu zerstören, so dass wir die Metalle konzentrieren und recyceln können, um sie erneut als Katalysator zu verwenden“, führte er aus.

Diese einfache Wiederverwertung des Katalysators, die kommerzielle Verfügbarkeit der Katalysatoren und die relativ moderaten Reaktionsbedingungen für die zweite Reaktion tragen nach Ansicht der Forscher zu einer günstigen Bewertung der mit dem Verfahren verbundenen Energie- und sonstigen Kosten bei.

„Für praktische Anwendungen ist beides sehr wichtig - die Analyse des CO2-Fußabdrucks und die Wiederverwertbarkeit des Katalysators“, so Chen. „Unsere technischen Ergebnisse und diese anderen Analysen zeigen, dass diese Tandemstrategie eine Tür für die Dekarbonisierung von CO2 in wertvolle feste Kohlenstoffprodukte bei gleichzeitiger Erzeugung von erneuerbarem H2 öffnet."

Wenn diese Prozesse durch erneuerbare Energie angetrieben werden, wären die Ergebnisse wirklich kohlenstoffnegativ, was neue Möglichkeiten zur CO2-Minderung eröffnet.

Quelle:

Brookhaven National Laboratory
Übersetzung: Textination

Point of View: Let’s end fast fashion, Prof Minna Halme. Foto: Veera Konsti / Aalto University
18.08.2023

Standpunkt: Schluss mit Fast Fashion!

Sich auf kurzfristige Gewinne zu fokussieren, ist nicht nachhaltig. Was können wir also tun, um in die richtige Richtung zu gehen? In allen Branchen die Widerstandsfähigkeit der Effizienz vorziehen.

Sich auf kurzfristige Gewinne zu fokussieren, ist nicht nachhaltig. Was können wir also tun, um in die richtige Richtung zu gehen? In allen Branchen die Widerstandsfähigkeit der Effizienz vorziehen.

Wir kaufen billige Produkte im Wissen, dass wir sie bald ersetzen müssen. Wir werfen gebrauchte Gegenstände weg, anstatt sie zu reparieren oder wiederzuverwenden. Arbeitgeber planen in Bezug auf finanzielle Quartale, obwohl sie hoffen, längerfristig bedeutend und stabil zu bleiben. Sogar Länder geben der kurzfristigen Wirtschaftsleistung den Vorrang und stellen das Bruttoinlandsprodukt (BIP) über jeden anderen Indikator.
 
Unsere globale Besessenheit von kurzfristiger wirtschaftlicher Effizienz - und die Frage, wie man sie überwinden kann - ist ein großes Rätsel, über das Minna Halme, Professorin für Nachhaltigkeitsmanagement, die meiste Zeit ihrer Karriere nachgedacht hat. Schon als Studentin an der Wirtschaftshochschule war sie irritiert, wie sehr sich ihr Unterricht auf kurzfristige Ziele konzentrierte.

„Es ging darum, mehr zu verkaufen, die Gewinne der Aktionäre zu maximieren, ökologisch zu wachsen - aber nicht wirklich zu fragen: Warum? Was ist der Zweck von all dem?“, so Halme.
„Selbst mir als 20-Jähriger kam das irgendwie seltsam vor.“

„Was versuchen wir hier zu tun? Versuchen wir, eine bessere Wirtschaft für alle oder für die meisten Menschen zu schaffen? Wessen Leben versuchen wir zu verbessern, wenn wir mehr unterschiedlich verpackte Joghurtsorten oder Kleidung verkaufen, die schnell unmodern ist?“

Halme hat ihre Karriere der Untersuchung dieser Fragen gewidmet. Heute ist sie eine Vordenkerin im Bereich innovativer Geschäftspraktiken und wurde unter anderem als Mitglied des finnischen Expertengremiums für nachhaltige Entwicklung und des Gremiums für globale Nachhaltigkeit der Vereinten Nationen anerkannt.

Ihr oberstes Ziel? Pionierarbeit zu leisten, zu forschen und für alternative Denkweisen einzutreten, die Werte wie langfristige wirtschaftliche Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit in den Vordergrund stellen - Alternativen, von denen sie und andere Experten glauben, dass sie allen einen dauerhaften, weitreichenden Nutzen bringen würden.
 
Wie traditionelle Indikatoren versagt haben
Ein Weg, in der unsere Vorliebe für wirtschaftliche Effizienz die Art und Weise prägt, wie wir den allgemeinen Wohlstand oder Status eines Landes messen, ist das BIP. Das ist nicht die Schuld des Erfinders des modernen Konzepts des BIP, der in den 1930er Jahren ausdrücklich davor warnte, es auf diese Weise zu verwenden.

„Das BIP war nie dazu gedacht, uns etwas über das Wohlergehen der Bürger eines Landes zu sagen", sagt Halme. Vor fünfundsiebzig Jahren war es jedoch leicht, beides miteinander zu verwechseln. Viele Länder waren eher bestrebt, ihren Wohlstand unter ihren Bürgern umzuverteilen, und Bevölkerungsumfragen zeigen, dass das BIP bis in die 1970er Jahre häufig mit dem allgemeinen Wohlstand korrelierte.

Doch mit dem Aufkommen eines zunehmend rücksichtsloseren Kapitalismus der freien Marktwirtschaft wurde dies immer weniger der Fall - und die Unzulänglichkeiten des BIP wurden umso deutlicher. „Wir befinden uns in einer Situation, in der die Verteilung des Reichtums mehr und mehr zu denjenigen wandert, die bereits über Kapital verfügen. Diejenigen, die es nicht haben, befinden sich in einer rückläufigen wirtschaftlichen Position", sagt Halme. Tatsächlich besitzen die reichsten 1 % der Weltbevölkerung heute fast die Hälfte des weltweiten Vermögens.

„Einige Regierungen, wie die finnische, berücksichtigen zwar Indikatoren für den ökologischen und sozialen Fortschritt. Aber keiner wird als so wichtig für die Entscheidungsfindung angesehen wie das BIP", sagt Halme - und das BIP gilt auch als Maßstab für den Erfolg einer Regierung. Diese Einstellung versucht Halme durch ihre Arbeit als Beraterin der finnischen Regierung zu Nachhaltigkeitspraktiken sowie durch ihre eigene Forschung zu ändern.

Wo die Industrie versagt hat
Unsere oft ausschließliche Konzentration auf die Ökonomie - und insbesondere darauf, so schnell und effizient wie möglich Gewinne zu erzielen - vermittelt kein klares Bild davon, wie es allen in einer Gesellschaft geht. Schlimmer noch, es hat die Industrie ermutigt, mit einer kurzfristigen Perspektive zu handeln, die zu längerfristigen Problemen führt.
 
Fast Fashion ist ein Beispiel dafür. Gegenwärtig sind die Lieferketten für Bekleidung - wie die der meisten Waren - linear. Die Rohstoffe kommen von einem Standort und werden Schritt für Schritt verarbeitet, in der Regel in verschiedenen Produktionsstätten auf der ganzen Welt, wobei Materialien, Energie und Transportmittel verwendet werden, die „billig“ sind, weil ihre hohen Umweltkosten nicht berücksichtigt werden.

Schließlich werden sie von einem Verbraucher gekauft, der das Produkt vorübergehend trägt, bevor er es wegwirft. Um die Gewinnspannen zu erhöhen, setzt die Branche auf schnell wechselnde Trends. Eine erschreckende Menge dieser Kleidungsstücke landet auf der Mülldeponie - einige davon, bevor sie überhaupt getragen worden sind.

Wie der COVID Lockdown gezeigt haben, ist diese Art linearer Lieferketten nicht belastbar. Und sie sind auch nicht nachhaltig.

Schätzungen zufolge ist die Modebranche derzeit die zweitgrößte Umweltverschmutzungsbranche der Welt und für bis zu 10 % aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Forscher der Aalto-Universität haben festgestellt, dass die Branche jährlich mehr als 92 Millionen Tonnen Deponieabfälle produziert. Bis 2030 wird ein Anstieg auf 134 Millionen Tonnen erwartet.
„Die Verringerung des CO2-Fußabdrucks der Modebranche ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die langfristigen Aussichten der Branche selbst. Mit dieser Art von falschem Effizienzdenken untergräbt man die Grundlage unserer langfristigen Widerstandsfähigkeit sowohl für die Ökologie als auch für die Gesellschaft", sagt Halme.

Um aus dieser Falle herauszukommen, sagen sie und andere Forscher, ist ein kompletter Paradigmenwechsel erforderlich. „Es ist wirklich schwierig, nur an den Rändern zu feilen", sagt sie.
Auf dem Weg zur Resilienz

Mehrere Jahre lang erforschte und studierte Halme die ökologische Effizienz und suchte nach Möglichkeiten, wie Unternehmen mehr Produkte mit weniger Umweltbelastungen herstellen könnten. Doch allmählich wurde ihr klar, dass dies nicht die Antwort ist. Obwohl die Unternehmen durch Innovationen effizientere Produkte und Technologien entwickeln konnten, stieg ihr absoluter Verbrauch an natürlichen Ressourcen weiter an.

„Ich begann zu denken: Wenn nicht Effizienz, was dann?", sagt Halme. Sie erkannte, dass die Lösung in der Resilienz liegt, d. h. in der Förderung von Möglichkeiten, wie Systeme, einschließlich der Umwelt, in der Zukunft fortbestehen und sich sogar regenerieren können, anstatt sie in der Gegenwart weiter zu schädigen.
Die Lösung ist nicht „mehr von allem“, auch nicht von „nachhaltigen“ Materialien. Es ist weniger.

„Die einzige Möglichkeit, Fast Fashion zu verbessern, ist, sie zu beenden“, schreiben Halme und ihre Mitautoren. Das bedeutet, dass Kleidung so gestaltet werden muss, dass sie lange hält, dass Geschäftsmodelle die Wiederverwendung und Reparatur erleichtern und dass dem Upcycling Vorrang eingeräumt wird. Auch die Recyclingsysteme müssen überarbeitet werden, um festzustellen, wann ein Kleidungsstück wirklich ausgedient hat - insbesondere im Hinblick auf synthetische Mischfasern, die schwer zu trennen und abzubauen sind.

Dies würde die derzeitige Konzentration auf kurzfristige Einnahmen über den Haufen werfen. Und, so Halme, dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir bessere Möglichkeiten brauchen, um den Erfolg dieser Branchen zu messen, indem wir Faktoren wie Belastbarkeit und Nachhaltigkeit berücksichtigen - und nicht nur kurzfristige Gewinne.
Und obwohl jeder Einzelne etwas bewirken kann, müssen diese Veränderungen letztlich von der Industrie ausgehen.

„Textilien sind ein gutes Beispiel, denn wenn sie schnell kaputt gehen und man keine Reparaturwerkstatt in der Nähe hat oder wenn die Stoffe von so schlechter Qualität sind, dass es keinen Sinn macht, sie zu reparieren, dann ist das für die meisten Menschen ein zu großer Aufwand“, sagt Halme. Die meisten Lösungen sollten also von der Unternehmensseite kommen. Und das Ziel sollte sein, es den Verbrauchern sowohl modisch als auch einfach zu machen, ökologisch und sozial nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
 
Was ist erforderlich?
Die ultimative Herausforderung, sagt Lauri Saarinen, Assistenzprofessor an der Aalto der Aalto-Universität für Wirtschaftsingenieurwesen, ist die Frage, wie man zu einem nachhaltigeren Modell gelangt und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhält. Aber er glaubt, dass es Möglichkeiten gibt.

„Eine Möglichkeit besteht darin, die Produktion lokal zu halten. Wenn wir mit der kostengünstigen Offshore-Fertigung konkurrieren, indem wir die Dinge vor Ort und in einem geschlossenen Kreislauf herstellen, dann haben wir den doppelten Vorteil, indem wir lokal Arbeitsplätze schaffen und uns in Richtung einer nachhaltigeren Lieferkette bewegen“, sagt Saarinen. Wenn beispielsweise Kleidung näher am Verbraucher produziert würde, wäre es einfacher, Kleidungsstücke zur Reparatur zurückzuschicken oder gebrauchte Artikel zurückzunehmen und weiterzuverkaufen.

Lokale Produktion ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir die Methode, mit der wir den gesellschaftlichen Erfolg messen, neu überdenken müssen. Schließlich scheinen Outsourcing und Offshoring zugunsten einer billigeren Produktion kurzfristig die Kosten zu senken, aber dies geschieht zu Lasten dessen, was nach Ansicht von Halme und anderen Experten wirklich wichtig ist: eine längerfristige wirtschaftliche Tragfähigkeit, Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit. Es ist nicht einfach, zu dieser Art von Denken überzugehen. Dennoch sehen Saarinen und Halme vielversprechende Signale.
 
Für Finnland verweist Halme beispielsweise auf das Start-up-Unternehmen Menddie, das es leicht und bequem macht, Kleidungsstücke zum Reparieren oder Ändern wegzuschicken. Sie hebt auch die Bekleidungs- und Lifestyle-Marke Marimekko hervor, die ihre gebrauchten Kleidungsstücke in einem Online-Secondhand-Shop weiterverkauft, sowie das Label Anna Ruohonen, ein Konzept für Maßanfertigungen und Kunden auf Abruf, bei dem keine überschüssigen Kleidungsstücke entstehen.

Genau diese Art von Projekten findet Halme interessant - und sie hofft, mit ihrer Arbeit sowohl für diese zu werben als auch Pionierarbeit zu leisten.
„Momentan haben diese Veränderungen noch nicht zu einer echten Transformation geführt“, sagt sie. Auf globaler Ebene sind wir noch weit von einem echten Wandel hin zu längerfristiger Resilienz entfernt. Aber das könne sich, wie sie betont, schnell ändern. Schließlich hat sich das in der Vergangenheit auch bereits geändert: „Man muss sich nur ansehen, was uns hierhergebracht hat.“

„Das Streben nach Wirtschaftswachstum wurde in relativ kurzer Zeit - nur über etwa sieben Jahrzehnte - zu einem so dominanten Schwerpunkt“, sagt sie. Der Wandel hin zu einer längerfristigen Resilienz ist durchaus möglich. Wissenschaftler und Entscheidungsträger müssen nur ihr Hauptziel auf langfristige Widerstandsfähigkeit umstellen. Die Kernfrage ist, ob unsere mächtigsten Wirtschaftsakteure klug genug sind, dies zu tun.
 
Im Rahmen ihrer Forschung hat Halme Projekte geleitet, die Pionierarbeit für die Art von Veränderungen leisten, die die Modeindustrie vornehmen könnte. Gemeinsam mit ihrer Aalto-Kollegin Linda Turunen hat sie beispielsweise kürzlich ein Messverfahren entwickelt, mit dem die Modeindustrie die Nachhaltigkeit eines Produkts klassifizieren könnte. Dabei wird gemessen, wie haltbar das Produkt ist, wie leicht es recycelt werden kann und ob bei der Herstellung gefährliche Chemikalien verwendet werden - was den Verbrauchern bei der Kaufentscheidung helfen könnte. Ihre Kollegen haben vor kurzem eine Ausstellung kuratiert, in der gezeigt wurde, was wir in einer nachhaltigen Zukunft tragen könnten, z. B. eine Lederalternative, die aus weggeworfenen Blumenstecklingen hergestellt wird, oder modulare Designs, mit denen ein und dasselbe Kleidungsstück mehrfach verwendet werden kann, indem z. B. ein Rock in ein Hemd verwandelt wird.

Da all dies längerfristiges Denken, Innovation und Investitionen erfordert, ist die Industrie zurückhaltend, diese Veränderungen vorzunehmen, sagt Halme. Eine Möglichkeit, die Industrie zu einem schnelleren Wandel zu bewegen, ist die Regulierung. In der Europäischen Union beispielsweise müssen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern aufgrund einer aktualisierten Reihe von Richtlinien nun über eine Reihe von Faktoren der Unternehmensverantwortung Bericht erstatten, die von den Auswirkungen auf die Umwelt bis zur Behandlung der Mitarbeiter reichen. Diese Vorschriften werden nicht nur dazu beitragen, Verbraucher, Investoren und andere Interessengruppen über die Rolle eines Unternehmens bei globalen Herausforderungen zu informieren. Sie werden auch dazu beitragen, Investitionsrisiken zu bewerten und abzuwägen, ob ein Unternehmen die notwendigen Maßnahmen ergreift, um langfristig finanziell stabil zu sein.

Quelle:

Aalto University, Amanda Ruggeri. Übersetzung Textination

Foto: Performance Days
18.10.2022

Eco Award & Performance Award für innovative Winterstoffe 24/25

  • Jury vergibt zwei Awards für herausragende Stoff-Innovationen

Die nächsten PERFORMANCE DAYS finden vom 3. bis 4. November 2022 im MOC Ordercenter in München statt. Besucher können die Veranstaltung auch digital verfolgen. Dank der neuen Plattform The Loop stehen Interessenten ganzjährig online alle wichtigen Informationen, aktuelle Trends, die neuen Materialinnovationen und erweiterte Tools zur Verfügung. Im Fokus des kuratierten PERFORMANCE FORUMs stehen auch im Winter die Gewinner der beiden Awards. In diesem Jahr vergab die Jury neben einem PERFORMANCE AWARD auch einen ECO PERFORMANCE AWARD.
 
Nachhaltig & innovativ: die Award-Gewinner der Saison Winter 2024/25
Im Rahmen der Winterausgabe der PERFORMANCE DAYS werden in den einzelnen Kategorien die Stoff-Highlights plus Accessoire-Trends für die Wintersaison 2024/25 im PERFORMANCE FORUM gezeigt.

  • Jury vergibt zwei Awards für herausragende Stoff-Innovationen

Die nächsten PERFORMANCE DAYS finden vom 3. bis 4. November 2022 im MOC Ordercenter in München statt. Besucher können die Veranstaltung auch digital verfolgen. Dank der neuen Plattform The Loop stehen Interessenten ganzjährig online alle wichtigen Informationen, aktuelle Trends, die neuen Materialinnovationen und erweiterte Tools zur Verfügung. Im Fokus des kuratierten PERFORMANCE FORUMs stehen auch im Winter die Gewinner der beiden Awards. In diesem Jahr vergab die Jury neben einem PERFORMANCE AWARD auch einen ECO PERFORMANCE AWARD.
 
Nachhaltig & innovativ: die Award-Gewinner der Saison Winter 2024/25
Im Rahmen der Winterausgabe der PERFORMANCE DAYS werden in den einzelnen Kategorien die Stoff-Highlights plus Accessoire-Trends für die Wintersaison 2024/25 im PERFORMANCE FORUM gezeigt.
Besonders auffällig war in diesem Jahr einerseits der hohe Innovations- und Qualitätsgrad vieler eingereichter Stoffe, anderseits, nicht zuletzt aufgrund des diesjährigen Focus Topics, die nachhaltige Komponente. „Wir wollen es unseren Besuchern ermöglichen, die beste Entscheidung in punkto Materialauswahl zu treffen, auch in Bezug auf CO2-Neutralität und am Ende auch in puncto textiler Kreislauffähigkeit,“ so Marco Weichert, CEO PERFORMANCE DAYS.  
 
Der Weg zur CO2-Neutralität bleibt dennoch ein weiter. Generell setzen Hersteller, wenn möglich, vermehrt auf den Einsatz von Naturfasern, wie Tencel™ oder andere Pflanzenfasern – die meisten von ihnen weisen auch bei der Herstellung eine niedrige CO2-Bilanz auf. Das Thema Recycling zeigt viele neue Facetten und weist spannende Strömungen auf. Das Portfolio reicht vom Recycling von marinem Abfall, wie u.a. alte Bojen, Plastikmüll oder Fischernetzen, bis hin zum Wiederverwerten von Abfällen aus der Automobil- und Computerbranche, wie u.a. alte Autoreifen oder Computerchips. Natürliche Färbemethoden gewinnen zudem immer mehr an Bedeutung, ebenso wie das Zurückführen von Stoffen in den textilen Kreislauf.

Im Marketplace haben Besucher die Möglichkeit, über 19.000 Produkte der Aussteller zu sichten, darunter auch die Stoff-Highlights der einzelnen Kategorien des PERFORMANCE FORUMs. Um dem Besucher die Stoffe in Haptik, Design und Struktur so realitätsgetreu wie möglich digital präsentieren zu können, wurde das PERFORMANCE FORUM mit neuartiger 3D-Technik ausgestattet, darunter innovative Tools wie 3D Bilder, Videoanimationen und U3MA Dateien zum Download.

Auch für die Wintersaison 2024/25 hat die Jury zwei Awards für herausragende Stoffe vergeben – so präsentiert sich neben dem PERFORMANCE AWARD WINNER, der an Long Advance Int. Co Ltd. geht, auch ein ECO PERFORMANCE AWARD WINNER, der an Pontetorto Spa vergeben wurde.

ECO AWARD WINNER geht an „9203M“ von Pontetorto Spa: High-Performance trotz maximaler Nachhaltigkeit
Der Stoff ist eine Mischung aus 23 % Hanf, 69 % recyceltem Polyester und 9 % recyceltem Elasthan. Zudem weist das Material bei der Herstellung einen geringen CO2 -Fußabdruck auf und setzt auf eine geringe Ausschüttung an Mikroplastik in die Umwelt. „9203M“ gehört zur Tecnostretch-Bio-Reihe von Pontetorto, der einen hervorragenden 4-Wege-Stretch mit bester Elastizität vorweist. Zudem garantiert er schnelles Trocknen und optimale Atmungsaktivität. Das Polyestergarn wird durch mechanisches Recycling von Plastikflaschen hergestellt. Hanf, die wasserabweisendste unter den Naturfasern, ermöglicht ein schnelles Trocknen und bietet optimalen Komfort. Hanf gilt als extrem nachhaltige Naturfaser, da sie von einer antibakteriellen Pflanze stammt, die während ihres Wachstums keine Pestizide oder chemischen Düngemittel benötigt und zudem extrem wenig Wasser zum Wachstum verbraucht.

PERFORMANCE AWARD für “LPD22015-Y4E” von Long Advanced Int. Co. Ltd.: Perfektes Recycling für optimale Performance
Der Mono-Componenten 2 Lagen Stoff ist eine Mischung aus 45 % Polyester mechanical stretch und 55 % recyceltem Polyester aus recycleten Textilien, laminiert mit einer PET Membran und einem Gewicht von 147 Gramm. Das Besondere am „LPD 22015-Y4E“ ist das Wiederverwerten von Stoffresten und Schnittabfällen. Müll wird damit wieder in den textilen Kreislauf zurückgeführt, um neues Garn zu spinnen. Hersteller müssen in Zukunft darauf achten, dass Stoff recycelt werden kann. Das Produzieren von Müll wird damit um 30% reduziert im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren. Zudem lobte die Jury den Griff und die außergewöhnliche Optik des Materials.  

Das gesamte PERFORMANCE FORUM inklusive der beiden Awards kann am 26. und 27. Oktober live in Portland, Oregon auf der Messe gesichtet werden und am 3. und 4. November in München auf der PERFORMANCE DAYS Messe. Ab sofort sind alle innovativen Materialien auch online im Marketplace des PERFORMANCE DAYS Loop zu finden mit der Möglichkeit, direkt beim Aussteller kostenfreie Samples zu bestellen.

Foto: Unsplash
05.09.2022

McKinsey zum Strommix 2030: Deutschland auf Erdgas angewiesen

  • Erneuerbaren-Ausbau ist Herkulesaufgabe
  • Geschwindigkeit muss zur Erreichung der Ziele massiv zunehmen
  • Indikatoren zum Status der Energiewende in Deutschland verbessern sich leicht: Anteil Erneuerbarer am Bruttostromverbrauch im ersten Halbjahr 2022 bei 49%

Die Rahmenbedingungen für die Energiewende in Deutschland haben sich durch den russischen Angriff auf die Ukraine dramatisch verändert. Die neuen geopolitischen Realitäten und die EU-Entscheidung, zukünftig auf russisches Gas zu verzichten, treffen auch den Stromsektor – denn flexible Gaskraftwerke sollen helfen, die Volatilität erneuerbarer Energien auszugleichen. Vom massiven Ausbau der Erneuerbaren, über eine stärkere Nutzung des Stroms aus Europa bis hin zu weitgehender Selbstversorgung auf Basis von Kohle und Kernkraft – eine Analyse dreier Szenarien für den Strommix im Jahr 2030 zeigt: Deutschland bleibt weiterhin auf Erdgas angewiesen.

  • Erneuerbaren-Ausbau ist Herkulesaufgabe
  • Geschwindigkeit muss zur Erreichung der Ziele massiv zunehmen
  • Indikatoren zum Status der Energiewende in Deutschland verbessern sich leicht: Anteil Erneuerbarer am Bruttostromverbrauch im ersten Halbjahr 2022 bei 49%

Die Rahmenbedingungen für die Energiewende in Deutschland haben sich durch den russischen Angriff auf die Ukraine dramatisch verändert. Die neuen geopolitischen Realitäten und die EU-Entscheidung, zukünftig auf russisches Gas zu verzichten, treffen auch den Stromsektor – denn flexible Gaskraftwerke sollen helfen, die Volatilität erneuerbarer Energien auszugleichen. Vom massiven Ausbau der Erneuerbaren, über eine stärkere Nutzung des Stroms aus Europa bis hin zu weitgehender Selbstversorgung auf Basis von Kohle und Kernkraft – eine Analyse dreier Szenarien für den Strommix im Jahr 2030 zeigt: Deutschland bleibt weiterhin auf Erdgas angewiesen. Diese Zahlen liefert der aktuelle Energiewende-Index (EWI) von McKinsey. Aktuelles Fazit – und eine Verbesserung im Vergleich zum vorherigen EWI aus dem März 2022: 6 der 15 untersuchten Indikatoren  zum Status der Energiewende in Deutschland sind in ihrer Zielerreichung stabil realistisch – 6 stehen auf der Kippe, drei sind unrealistisch. Positiv entwickelte sich vor allem der Indikator Anteil Erneuerbarer am Bruttostromverbrauch, der wegen des guten Wetters im ersten Halbjahr von 41% auf fast 49% zulegte.

Erneuerbaren-Ausbau ist Herkulesaufgabe
„Deutschlands Energiewende steht vor der größten Bewährungsprobe ihrer Geschichte“, sagt Thomas Vahlenkamp, Senior Partner von McKinsey. „Unsere Szenarienanalyse zeigt: Erdgas wird auch zukünftig eine Rolle im Strommix spielen müssen. Wichtig ist es daher, die Importabhängigkeit durch Streuung von Lieferanten zu verringern. Teil der Strategie muss es außerdem sein, vermehrt grünen Wasserstoff für die Verstromung verfügbar zu machen.“

Wo Deutschland im Jahr 2030 bei der Energiewende stehen wird, kommt demzufolge entscheidend auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) und die Situation am Gasmarkt an. Mit ihrer neuen Ambition, den EE-Anteil in Deutschland bis zum Ende dieses Jahrzehnts auf 80 % zu erhöhen, hat sich die Bundesregierung viel vorgenommen. Vahlenkamp: „Dieses Ziel zu erreichen, ist eine Herkulesaufgabe. Dafür muss die komplette Wertschöpfungskette rund um den EE-Ausbau befähigt werden: angefangen bei der Aufstockung der Produktionskapazitäten über schnellere Genehmigungsverfahren bis hin zur Anwerbung bzw. Weiterqualifikation ausreichend vieler Fachkräfte für den Bau und Betrieb der Anlagen.“ Um das 80%-Ziel zu erreichen, müssten jährlich PV-Anlagen mit einer Kapazität von 18 GW errichtet werden; in der Onshore-Windkraft müssten pro Jahr 1.800 Anlagen in Betrieb gehen – umgerechnet fünf pro Tag – und in der Offshore-Windkraft müsste sich die Kapazität nahezu vervierfachen. Auch Erdgas wird weiter eine Rolle spielen. Eine Entspannung der Lage aufgrund der breiteren Streuung von Lieferanten erscheint ebenso denkbar wie eine Fortschreibung der aktuell angespannten Situation. Die Folgen von letzterem wurden im aktuellen EWI modelliert. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass Politik und Energiewirtschaft danach streben, dass alle neuen Gaskraftwerke zugleich alternativ auch mit grünem Wasserstoff betrieben werden können.

Jedes der im aktuellen EWI modellierten Szenarien geht davon aus, dass der Strombedarf wie von der Bundesregierung prognostiziert bis 2030 auf 750 TWh ansteigt und der CO2-Preis bei 100 €/t liegt.

Im Basisszenario werden alle Vorgaben der  Bundesregierung zum EE-Ausbau bis 2030 erreicht (215 GW Solar PV, 115 GW Onshore- und 30 GW Offshore-Windkraft). Der Atomausstieg 2022 und der Kohleausstieg bis 2038 finden wie geplant statt; 17 GW Kohlekraftwerke sind 2030 noch in Betrieb. In diesem Szenario steigt 2030 die Produktion aus Erneuerbaren inklusive Biomasse, Wasserkraft und Geothermie auf 751 TWh – das entspricht einem EE-Anteil von 84 % an der deutschen Bruttostromproduktion (Netzverluste und Exporte eingeschlossen). Trotzdem – und ungeachtet der hohen Gaspreise – werden noch immer 68 TWh aus Erdgas erzeugt. Wasserstoff wiederum trägt mit 48 TWh zur Deckung der Stromnachfrage bei, umgerechnet rund 3 Mio. t. Zur Sicherstellung einer lückenlosen Versorgung bleibt Kohlestrom mit 63 TWh weiterhin ein wichtiger Energieträger, wenngleich die Stromproduktion aus Kohle gegenüber 2021 um mehr als 61 % sinken würde. In diesem Szenario würde Deutschland in Phasen hohen EE-Ertrags sogar mehr Strom produzieren als für den Eigenbedarf nötig (rund 91 TWh) und somit zum Netto-Stromexporteur.

Im Szenario „Strom aus Europa“ strebt Deutschland die europäische Integration im Stromsektor an und wird zum Netto- Stromimporteur. Der Grund: Es wird davon ausgegangen, dass Deutschland zwar den EE-Ausbau beschleunigt, aber seine ambitionierten Ziele nicht vollständig erreicht, weil nicht jedes Jahr Zubaurekorde zu erzielen sind. Vielmehr wird angenommen, dass die Ausbauraten einen Mittelwert aus historischem Durchschnitt und historischer Bestleistung bilden. 2030 werden nach diesem Szenario 112 GW Solar PV, 93 GW Onshore- und 23 GW Offshore-Windkraft installiert sein. Die stärkste Abweichung gegenüber dem ersten Szenario weist dabei Solar PV auf, da die Ausbauziele der Bundesregierung für diese Technologie im Vergleich die mit Abstand ambitioniertesten sind. In dem Szenario „Strom aus Europa“ wird simuliert, was passiert, wenn Deutschland hinter die ambitionierten EE-Ausbauziele zurückfällt. Stattdessen werden 33 TWh aus anderen europäischen Ländern importiert, hauptsächlich aus Dänemark, Norwegen und Schweden. Auf eine vermehrt CO2-intensive Stromproduktion wird damit verzichtet. Die Produktion aus Kohle allerdings ist in diesem Szenario trotz der Importe mit 88 TWh deutlich höher als im Basisszenario. Die Erzeugung aus Erdgas liegt mit 69 TWh auf einem vergleichbaren Niveau.

Im Szenario „Weitgehende Selbstversorgung“ versucht Deutschland, seine Energieabhängigkeit von anderen Ländern zu reduzieren und – falls keine Eigenproduktion möglich ist – seine Lieferanten breiter zu streuen. Zur Sicherstellung der Energieversorgung wird zum einen der Kohleausstieg nicht vollständig umgesetzt, so dass 2030 weiterhin Kohlekraftwerke mit einer Leistung von rund 34 GW zur Verfügung stehen. Zum anderen wird die Kapazität von Biomassekraftwerken von rund 9 auf 14 GW erhöht, indem die existierenden Anlagen am Netz gehalten und die jährlich geplanten Ausschreibungsmengen von 600 MW als Neuanlagen hinzugefügt werden. Hierzu müssten ausreichende Flächen für den Anbau von Energiepflanzen bereitgestellt werden, die dann allerdings weder für die Produktion von Nahrungsmitteln oder Biokraftstoff zur Verfügung stünden noch renaturiert werden könnten. Der EE-Ausbau vollzieht sich wie im Szenario „Strom aus Europa“, während sich Stromimport und -export hier in etwa die Waage halten. Hinsichtlich der Nutzung von Atomkraft werden zwei Varianten modelliert: Weiterbetrieb der Atommeiler bis mindestens 2030 und Abschaltung wie geplant. In diesem Szenario „Weitgehende Selbstversorgung“ werden die ambitionierten EE-Ausbauziele 2030 ebenfalls unterschritten und nur rund 520 TWh aus Erneuerbaren erzeugt – rund ein Drittel weniger als im Basisszenario. Stattdessen geht das Szenario von einer weit gehenden Ausnutzung der inländischen Ressourcen aus: Da der Kohleausstieg nicht wie geplant vollzogen worden ist, kann mehr Kohlestrom die Lücke schließen (+91 TWh bzw. +145 % im Vergleich zum Basisszenario). Gleichzeitig rechnet das Szenario mit einer teilweisen Kompensierung durch eine deutlich höhere Produktion von Biomasse (80 TWh gegenüber 49 TWh im Basisszenario). Erdgas- und wasserstoffbasierte Stromerzeugung gehen auf 65 bzw. 38 TWh zurück, denn Kohle ist trotz der CO2-Kosten immer noch günstiger. Die Werte ändern sich leicht, wenn Atomkraftwerke bis 2030 weiterlaufen: In diesem Fall wird die CO2-intensive Kohle- und Gasstromproduktion durch rund 30 TWh Atomstrom zumindest teilweise substituiert, so dass nur noch 143 TWh aus Kohle (-7 %) und 64 TWh (-1 %) aus Gas erzeugt werden. Der EE-Anteil liegt in diesem Szenario (sowohl mit als auch ohne Atomkraft) bei knapp über 67 % und damit unter dem Zielwert von 80 %.

Energiewende-Index September 2022: die 15 Indikatoren im Überblick
Die jüngste Entwicklung der 15 Indikatoren liefert ein gemischtes Bild. Gegenüber dem letzten Energiewende-Index vom März sinkt die Zahl der Indikatoren mit unrealistischer Zielerreichung von fünf auf drei und die mit stabil realistischer Zielerreichung steigt von drei auf sechs. Weitere sechs Indikatoren stehen auf der Kippe.

Der EE-Anteil am Bruttostromverbrauch steigt von 41 % in 2021 auf 49 % in der  ersten Jahreshälfte 2022. Die Verbesserung ist vor allem auf deutlich günstigere Witterungsverhältnisse zurückzuführen. Obwohl der Ausbau der Erneuerbaren weiterhin stockt, bewegt sich die Zielerreichung des Indikators weiter im stabil realistischen Bereich und steigt von 111 % auf 133 %. Allerdings dürfte es mit dem neuen Ziel der Bundesregierung, den EE-Anteil bis 2030 auf 80 % zu erhöhen, zunehmend schwieriger werden, auf dem Zielpfad zu bleiben. Der EE-Anteil am Bruttoendenergieverbrauch stieg um 0,4 Prozentpunkte auf 19,7 %. Hauptgrund ist die wirtschaftliche Erholung in 2021 und der damit einhergehende gestiegene Energiebedarf. Da die Zielmarke jedoch um 1,2 Prozentpunkte angehoben worden ist, sinkt die Zielerreichung des Indikators deutlich von 121 % auf 107 %. Sowohl Haushaltsstrompreis als auch Industriestrompreis haben sich trotz gestiegener Stromkosten deutlich verbessert. Das mag auf den ersten Blick überraschen, liegt aber in der Berechnungsmethodik des Indikators begründet, der die deutsche Strompreisentwicklung im Vergleich zum europäischen Durchschnitt abbildet: Steigen also die Preise im europäischen Ausland stärker als in Deutschland, verbessert sich der Indikator. Beim Haushaltsstrompreis betrug die Differenz zwischen Deutschland und dem europäischen Durchschnitt 2021 noch 22,7 %, im Juni 2022 dagegen nur mehr 16,2 %. Verbessert hat sich der Indikator vor allem deshalb, weil die Preise im europäischen Ausland schneller steigen als in Deutschland. Die Zielerreichung steigt von 111 % auf 137 %. Ob der Trend anhält, ist jedoch fraglich – steigende Großhandelspreise werden wahrscheinlich mit Verzögerung an die Endkunden weitergereicht. Andererseits wiederum dürfte der Wegfall der EEG-Umlage im Juli 2022 auf die hiesigen Haushaltsstrompreise mittelfristig entlastend wirken. Auch der Industriestrompreis ist zuletzt in Deutschland deutlich geringer gestiegen als im Ausland und liegt jetzt nur noch 16 % über dem europäischen Durchschnitt (Vorhalbjahr: 32 %). Der Indikator springt dadurch von 56 % auf jetzt 128 % Zielerreichung und wechselt damit in den realistischen Bereich. Auch hier bedeutet die Verbesserung des Indikators lediglich, dass die Preissteigerungen im Ausland (+33 %) höher ausgefallen sind als in Deutschland (+17 %). Verantwortlich ist dafür vor allem der höhere Anteil an Gebühren und Entgelten am deutschen Industriestrompreis, die durch die steigenden Energiepreise nicht beeinflusst werden. Für den Indikator Ausfall Stromversorgung wurden keine neuen Daten veröffentlicht. Er verharrt deshalb bei einer Zielerreichung von 117 %. Gleiches gilt für die Verfügbare Kapazität für Import aus Nachbarländern. Damit verbleibt auch dieser Indikator mit einer Zielerreichung von 208 % im realistischen Bereich.

Sechs Indikatoren auf der Kippe
Die aktuellen Hochrechnungen für den CO2e-Ausstoß und den Primärenergieverbrauch sehen beide Indikatoren auf der Kippe. Die Emissionen belaufen sich wie schon im Halbjahr zuvor auf 762 Mio. t CO2e; damit verharrt der Zielerreichungsgrad hier bei 84 %. Der Primärenergieverbrauch wiederum liegt nach wie vor bei 12.265 PJ – das entspricht einer Zielerreichung von 70 %. Für den Indikator Sektorkopplung Wärme wurden neue Hochrechnungen veröffentlicht. Der EE-Anteil am Endenergieverbrauch im Bereich Wärme und Kälte liegt danach aktuell bei 16,5 % und damit 0,9 Prozentpunkte über dem Wert des Vorhalbjahres. Damit bewegt sich der Indikator im Zielkorridor, steht aber auf der Kippe. Um dort auch in Zukunft zu bleiben, müsste der EE-Anteil bis Ende dieses Jahres auf 20,2 % steigen. Der Anteil der Gesamtenergiekosten Haushalte am Warenkorb der Verbraucher stieg zuletzt von 10,3 % auf 11,2 %. Damit sinkt die Zielerreichung erneut von 96 % auf jetzt 78 % und der Indikator bewegt sich in der Kategorie „auf der Kippe“ weiter nach unten. Grund hierfür sind die gestiegenen Preise für Benzin und Diesel, aber auch für Erdgas, wo sich die Neukundenpreise für Haushalte innerhalb eines Jahres vervielfacht haben. Für den Indikator Arbeitsplätze in erneuerbaren Energien liegen weiterhin keine neuen Daten vor. Er verharrt deshalb bei seiner bisherigen Zielerreichung von 96 %. Die gesicherte Reservemarge wird seit 2019 nicht mehr von den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) veröffentlicht. Deshalb wird ab dieser Index-Ausgabe die Reservemarge basierend auf der Methodik und den Kernannahmen der ÜNB sowie öffentlich zugänglichen Daten neu berechnet. Im Ergebnis steht die Reservemarge aktuell mit 0,2 % nur knapp über Null und damit stärker denn je auf der Kippe. Der Rückgang gegenüber dem letzten von den ÜNB veröffentlichten Stand (2,3 %) erklärt sich aus der Stilllegung einiger fossiler Kraftwerke. Werden dann Ende dieses Jahres noch Kernkraftwerke mit einer Gesamtleistung von rund 4 GW heruntergefahren, fällt die Reservemarge aller Voraussicht nach bereits in den negativen Bereich. Bei einem Kohleausstieg bis 2030 wären es sogar mehr als 40 GW, die noch in diesem Jahrzehnt vom Netz gehen würden. Das würde die gesicherte Reservemarge massiv unter Druck setzen und fordert Anpassungen im Strommarktdesign, um die Versorgungssicherheit auch in Zukunft jederzeit zu gewährleisten.

Zielerreichung für drei Indikatoren unrealistisch
Der Indikator Sektorkopplung Verkehr sinkt leicht von 44 % auf 43 %. 2021 waren insgesamt 1,3 Mio. E-Fahrzeuge zugelassen, doch es wären 2,8 Mio. nötig, um im Plan zu bleiben. Ganz unerreichbar ist das 2030er-Ziel dennoch nicht, da die E-Mobilität derzeit überproportional wächst, während der Energiewende-Index in seiner Berechnung von einer linearen Entwicklung ausgeht. Die Kosten für Netzeingriffe sind mit aktuell 8,1 € pro MWh weiterhin weit vom Startwert (1 € pro MWh) entfernt. Gegenüber der ersten Jahreshälfte hat sich dieser Wert aufgrund geringerer Aufwendungen für das Einspeisemanagement allerdings leicht verbessert. Der Zielerreichungsgrad steigt von 39 % auf 50 % . Kaum Fortschritte gibt es beim Indikator Ausbau Transportnetze: Zwar wurden in den vergangenen beiden Quartalen rund 160 km fertiggestellt; die Gesamtlänge beträgt jetzt 2.005 km. Allerdings bleibt der Ausbau weiter deutlich hinter dem Zielwert von 4.977 km insgesamt und knapp 500 km pro Halbjahr zurück. Die Zielerreichung des Indikators beträgt 37 %.

Quelle:

McKinsey & Company, Deutschland

(c) A3/Christian Strohmayr
10.05.2022

Fraunhofer reduziert CO2-Footprint und recycelt Trendleichtbauwerkstoff Carbon

Neo-Ökologie mittels innovativer Papiertechnik

Neo-Ökologie mittels innovativer Papiertechnik

Carbonfaserverbundwerkstoffe sind u. a. aufgrund ihres Leichtbaupotenzials überall im Einsatz, z. B. in der Luftfahrtindustrie, in Windkraftenergieanlagen, im Automotive-Bereich und bei der Herstellung von Sportgeräten. Entlang der Prozesskette und am Ende der Nutzungsphase entstehen verschiedene Arten von Abfällen, die man eigentlich wiederverwenden kann. Mit einer hochmodernen Nassvliesanlage forscht das Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV in Augsburg nun an der Rückführung rezyklierter Carbonfasern. Die Anlagenprozesse ähneln der einer Papierherstellungsanlage. Der entscheidende Unterschied: nicht Papierfasern werden zu Papier, sondern recycelte Carbonfasern werden zu Vliesstoff-Rollwaren verarbeitet. Die Carbonfaser bekommt somit ein zweites Leben und findet sich umweltfreundlich in Form von Vliesstoffen z. B. in Türverkleidungen, Motorhauben, Dachstrukturen, als Unterbodenschutz (Automobil), Hitzeschilder (Helikopter-Heckausleger) sowie im Flugzeug-Interieur wieder.

»Die Nassvliestechnologie für die Verarbeitung technischer Fasern erfährt derzeit eine Revolution, die auf eine jahrhundertealte Tradition der Papierherstellung zurückgeht.«
Michael Sauer; Forscher am Fraunhofer IGCV

Die angewendete Technologie, die Nassvliestechnologie, ist eines der ältesten Vliesbildungsverfahren (um 140 v. Chr. bis 100 n. Chr.). Als bedeutender Industriezweig mit vielseitigen Anwendungsfeldern finden sich Nassvliesstoffe längst nicht mehr nur in klassischem Papier. Vielmehr erstrecken sich die Anwendungsfelder beispielsweise von Klebstoff-Trägerfilmen über Verpackungsmaterial bis hin zu Banknoten sowie deren prozessintegrierten Wasserzeichen und Sicherheitsmerkmalen. Zukünftig kommen besonders nachhaltige Technologiefelder rund um Batteriekomponenten, Brennstoffzellenelemente, Filtrations-Schichten, bis hin zu funktionsintegrierten Werkstofflösungen z. B. mit EMI-Abschirmfunktion hinzu.

Die Nassvliesanlage am Augsburger Standort kann jegliche Fasermaterialien wie Natur-, Regenerat- und Synthetikfasern – vor allem recycelte Carbonfasern – zu innovativen und neuartigen Vliesstoffen verarbeiten. Dabei ist die Anlage gezielt als Pilot-Linie im Technikums-Maßstab ausgelegt und bietet größtmögliche Flexibilität hinsichtlich Materialvarianten und Prozessparametern. Zudem wird eine ausreichend hohe Produktivität gewährleistet, um nachfolgend skalierte Verarbeitungsversuche (z. B. Demonstrator-Fertigung) zu ermöglichen.

Der Hauptarbeitsbereich der Nassvliesanlage bezieht sich auf folgende Kenngrößen:

  • Prozessgeschwindigkeit bis zu 30 m/min
  • Rollenbreite von 610 mm
  • Flächengewichte realisierbar zwischen 20 und 300 gsm
  • Gesamtanlage in der Schutzklasse ≥ IP65 für die Verarbeitung z. B. leitfähiger Faserwerkstoffe
  • Anlagen-Design auf Basis einer Schrägsieb-Anordnung mit hoher Entwässerungsleistung (u. a. für die Verarbeitung stark verdünnter Faser-suspensionen oder für Materialvarianten mit hohem Wasserrückhaltevermögen)
  • Modulares Anlagendesign mit höchstmöglicher Flexibilität für schnellen Wechsel der Materialvariante oder der Prozessparameter

Forschungsschwerpunkt: Carbonrecycling am Ende des Lebenszyklus
Im Bereich technischer Stapelfasern wird an der Verarbeitung recycelter Carbonfasern geforscht. Weitere aktuelle Forschungsinhalte umfassen in diesem Zusammenhang die Erforschung, Optimierung und Weiterentwicklung von Bindermittelsystemen, Faserlängen bzw. Faserlängenverteilungen, Faserorientierung sowie Vliesstoffhomogenität. Zudem steht die Integration von digitalen sowie KI-gestützten Methoden im Rahmen eines Online-Prozess-Monitorings im Fokus. Weitere Forschungsthemen, wie die Herstellung von Gasdiffusionsschichten für Brennstoffzellenkomponenten, die Weiterentwicklung von Batterieelementen sowie Filtrationsanwendungen (Medizintechnik) befinden sich derzeit im Aufbau.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Giesserei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV

Foto: pixabay
03.05.2022

Auf dem Weg zur CO2-Neutralität: Reduktionstechnologien und Messwerkzeuge

Immer mehr Sport- und Modemarken setzen sich zum Ziel, in den nächsten Jahren klimaneutral zu werden, auf Firmen- wie Produktebene. Die CO2-Bilanz dient dabei als Ausgangspunkt für nachhaltige Bekleidung und mehr Verbrauchertransparenz.

Dieser Prozess beginnt bei den Materialien, die Textilproduzenten liefern, und erfordert Kenntnisse über die Menge an CO2, die während der Produktion emittiert wird. Durch die Bewertung und Quantifizierung der CO2-Emissionen gewinnt die Industrie an Transparenz und kann nachhaltigere Optionen wählen.

Immer mehr Sport- und Modemarken setzen sich zum Ziel, in den nächsten Jahren klimaneutral zu werden, auf Firmen- wie Produktebene. Die CO2-Bilanz dient dabei als Ausgangspunkt für nachhaltige Bekleidung und mehr Verbrauchertransparenz.

Dieser Prozess beginnt bei den Materialien, die Textilproduzenten liefern, und erfordert Kenntnisse über die Menge an CO2, die während der Produktion emittiert wird. Durch die Bewertung und Quantifizierung der CO2-Emissionen gewinnt die Industrie an Transparenz und kann nachhaltigere Optionen wählen.

Die PERFORMANCE DAYS München und Functional Fabric Fair by PERFORMANCE DAYS Portland suchen über drei Messen hinweg gezielt Antworten auf die Frage „Wie lassen sich zukünftig CO2-Emissionen einsparen?“. Der Schwerpunkt „Auf dem Weg zur CO2-Neutralität“ rückt deswegen ab der Frühjahrsmesse, die Anfang April in Portland, Oregon stattfand, sowie vom 27. bis 28. April 2022 auf dem Messegelände München, über die Wintermesse im Oktober/November, bis zur Messe im Frühjahr 2023 Stoffe und Fasern in den Mittelpunkt, die Lösungen bereitstellen, wie man in Zukunft klimaneutral Materialien herstellen und wiederverarbeiten kann.

Wenn heute von Umweltschutz und Klimawandel die Rede ist, fällt immer wieder im Zusammenhang mit CO2-Emissionen, CO2-Reduzierung auch der Begriff CO2-Neutralität. Doch was genau bedeutet CO2-Neutralität eigentlich? Klimaneutralität bedeutet, ein Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffemissionen und der Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre in Kohlenstoffsenken herzustellen. Um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen alle Treibhausgasemissionen weltweit durch Kohlenstoffbindung ausgeglichen werden. Zu den Branchen, die weltweit mit am meisten CO2-Emissionen verursachen, zählt auch die Mode- und Sportbekleidungsindustrie.

Will man ihre Emissionen über alle Stufen der Wertschöpfung hinweg betrachten, so lohnt es sich, über Rohstoffe, Produktion, Logistik und Handel hinaus zu blicken. Auch das Verhalten der Konsumenten kann die Emissionen beeinflussen: Laut dem von der Global Fashion Agenda und McKinsey Ende August 2020 „Fashion on Climate“- Report liegt ein noch größerer Hebel bei den Produkten: 61 Prozent der Emissionsverringerung könnten durch CO2-Reduzierung in der Materialproduktion und -verarbeitung, die Minimierung von Produktions- und Herstellungsabfällen und bei der Bekleidungsherstellung erreicht werden. Bis 2030 wären das etwa 1 Milliarde Tonnen jährlich. Und schließlich ist es auch das Verbraucherverhalten, das sich auf die Klimabilanz der Modebranche auswirkt. Wenn noch mehr auf nachhaltige Bekleidung geachtet und wieder- und länger verwendet wird, kann dies laut dem Report zu einer Emissionsverringerung von 347 Millionen Tonnen führen.

Ein deutliches Beispiel auf dem Weg in Richtung Nachhaltigkeit war die Entscheidung der PERFORMANCE DAYS, ab der Messeveranstaltung im November 2019 nur noch nachhaltige Materialien im PERFORMANCE FORUM zu zeigen. Nun wird der nachhaltige Ansatz noch zusätzlich verstärkt. Im Rahmen einer Roadmap will man mit dem neuen Focus Topic über drei Messen hinweg, Aussteller auf ihrem Weg zur Klimaneutralität begleiten. Dabei verfolgen die PERFORMANCE DAYS und Functional Fabric Fair einen 3 Stufen Plan.  

  • Schritt 1, April 2022: Der Fokus der letzten Messe lag auf CO2-reduzierenden Technologien und der Messung des CO2-Fußabdrucks eines Produkts.
  • Schritt 2, November 2022: In der gesamten Produktkategorie des Focus Topics werden ausschließlich Produkte gezeigt, die die bei der Herstellung verursachten CO2-Emissionen angeben und so zu mehr Transparenz und Vergleichbarkeit in der Branche beitragen.
  • Schritt 3, April 2023: Im PERFORMANCE FORUM soll die Menge des emittierten CO2 jedes einzelnen Produkts dargestellt werden. Darüber hinaus werden Lösungsansätze gezeigt, wie CO2, das bei der Herstellung von Materialien freigesetzt wird, kompensiert und weiter reduziert werden kann.

Zur bestmöglichen Umsetzung und Präsentation des neuen Focus Topics arbeiten die PERFORMANCE DAYS und Functional Fabric Fair mit verschiedenen Partnern zusammen: Higg und Climate Partner werden die drei Messen begleiten. Der Higg Materials Sustainability Index (Higg MSI) gilt als führendes Instrument zur Bewertung der Umweltauswirkungen von Materialien in der Bekleidungs-, Schuh- und Textilindustrie. Der Higg MSI kann die Umweltauswirkungen von Millionen möglicher Materialherstellungsvarianten berechnen. Auch eine Verpackungsbibliothek wurde hinzugefügt, mit der nachhaltige Entscheidungen im Verpackungsbereich getroffen werden können. Demnach ist der Higg Index kein Zertifikat oder Label, sondern ein wichtiges Self-Assessment-Tool, das textile Firmen intern einsetzen können, um ökologische und soziale Probleme in ihrer gesamten Wertschöpfungskette identifizieren und verbessern zu können.

Climate Partner wiederum sucht Lösungen für Klimaschutz: Dabei werden CO2-Emissionen bilanziert – diese wiederum sollen die Emissionen von Unternehmen mit anerkannten Klimaschutzprojekten ausgleichen, um Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen klimaneutral zu stellen. Climate Partner sieht sich zudem als Berater von Unternehmen bei ihren Klimaschutzstrategien. Zusammen will man daran arbeiten, CO2-Emissionen zu reduzieren und Klimaschutzprojekte unterstützen, die immer auch den Alltag der Menschen in Entwicklungsländern fördern. 

Weitere Informationen:
Performance Days CO2 Sportbekleidung Messe
Quelle:

PERFORMANCE DAYS

(c) nova-Institut GmbH
07.12.2021

Finalisten für „Cellulose Fibre Innovation of the Year 2022” stehen fest

Zellulosefaser-Innovation des Jahres 2022: Zellulosefaser-Lösungen erweitern sich von Hygieneartikeln und Textilien sowie Vliesstoffen bis hin zu Alternativen für Carbonfasern für Leichtbauanwendungen.

Die Auswahl der Finalisten für den Innovationspreis war aufgrund der hochklassigen Einreichungen eine Herausforderung: Alle bieten vielversprechende nachhaltige Lösungen für die Wertschöpfungskette von Zellulosefasern. Sechs von ihnen erhalten die Chance, ihr Potenzial einem breiten Publikum vor Ort in Köln und Online zu demonstrieren.

Zellulosefaser-Innovation des Jahres 2022: Zellulosefaser-Lösungen erweitern sich von Hygieneartikeln und Textilien sowie Vliesstoffen bis hin zu Alternativen für Carbonfasern für Leichtbauanwendungen.

Die Auswahl der Finalisten für den Innovationspreis war aufgrund der hochklassigen Einreichungen eine Herausforderung: Alle bieten vielversprechende nachhaltige Lösungen für die Wertschöpfungskette von Zellulosefasern. Sechs von ihnen erhalten die Chance, ihr Potenzial einem breiten Publikum vor Ort in Köln und Online zu demonstrieren.

Das nova-Institut kürt zum zweiten Mal die „Cellulose Fibre Innovation of the Year“ im Rahmen der „International Conference on Cellulose Fibres 2022“ (2.-3. Februar 2022). Der Konferenzbeirat hat sechs Produkte nominiert, von Zellulose aus Orangen- und Holzzellstoff bis hin zu einer neuartigen Technologie zur Zellulosefaserherstellung. Die Präsentationen der Kandidaten, die Wahl des Gewinners durch das Konferenzpublikum und die Preisverleihung finden am ersten Tag der Konferenz statt.

Zellulosefasern weisen ein immer breiteres Anwendungsspektrum auf, während die Märkte gleichzeitig durch technologische Entwicklungen und politische Rahmenbedingungen, insbesondere Verbote und Beschränkungen für Kunststoffe und steigende Nachhaltigkeitsanforderungen, bewegt werden. Die Konferenz bietet einen ausführlichen Überblick über die Perspektiven für Zellulosefasern durch eine Einschätzung der politischen Rahmenbedingungen, eine Session zu Nachhaltigkeit, Recycling und alternativen Rohstoffen sowie Informationen zu den neuesten Entwicklungen in Zellstoff, Zellulosefasern und Garne. Dazu gehören Anwendungen wie Vliesstoffe, Verpackungen und Verbundwerkstoffe.

Das sind die Nominierten:
Kohlenstofffasern aus Holz - Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf (Deutschland)
Die HighPerCellCarbon®-Technologie ist ein nachhaltiges und alternatives Verfahren zur Herstellung von Kohlenstofffasern aus Holz. Die Technologie beginnt mit dem Nassspinnen von Zellulosefasern unter Verwendung ionischer Flüssigkeiten (IL) als direktes Lösungsmittel in einem umweltfreundlichen, geschlossenen Filamentspinnverfahren (HighPerCell®-Technologie). Diese Filamente werden durch einen Niederdruck-Stabilisierungsprozess direkt in Kohlenstofffasern umgewandelt, gefolgt von einem geeigneten Karbonisierungsprozess. Während des gesamten Prozesses entstehen keine Abgase oder giftige Nebenprodukte. Darüber hinaus ermöglicht das Verfahren ein vollständiges Recycling von Lösungsmittel und Vorläuferfasern, wodurch ein einzigartiger und umweltfreundlicher Prozess entsteht. Kohlenstofffasern werden in vielen Leichtbauanwendungen eingesetzt und sind eine nachhaltige Alternative zu Fasern auf fossiler Basis.

Fibers365, Wirklich kohlenstoffnegative Frischfasern aus Stroh – Fibers365 (Deutschland)
Fibers365 sind die ersten kohlenstoffnegativen Fasern aus frischem Stroh auf dem Markt. Das Fibers365-Konzept basiert auf einem einzigartigen, hochmodernen Verfahren zur Herstellung funktioneller, kohlenstoffnegativer und wettbewerbsfähiger Nichtholz-Biomasseprodukte wie Frischfasern für Papier- Verpackungs- und Textilzwecke sowie hochwertige Prozessenergie-, Biopolymer- und Düngemittel-Nebenströme. Die Produkte werden aus den Stängeln einjähriger Nahrungspflanzen wie Stroh durch eine chemikalienfreie, regionale, bäuerliche Dampfexplosionsauflösungstechnologie gewonnen, die eine einfache Trennung der Fasern von Zucker, Lignin, organischer Säure und Mineralien ermöglicht. Bei einjährigen Pflanzen werden die CO2-Emissionen innerhalb von 12 Monaten nach dem Produktionsdatum zurückgewonnen, so dass ein sofortiger jährlicher Ausgleich der entsprechenden Emissionen möglich ist.

Iroony® Hanf- und Flachszellulose – RBX Créations (Frankreich)
Iroony® ist eine Marken-Zellulose, die von RBX Créations aus Hanf hergestellt wird. Die widerstandsfähige Hanfpflanze wächst schnell innerhalb weniger Monate, bindet massiv Kohlenstoff und weist einen hohen Zellulosegehalt auf. Die Biomasse wird direkt von französischen Landwirten geerntet, die sie ohne Chemikalien und Bewässerung in ausgedehnten Rotationszyklen anbauen und so zur Regeneration des Bodens und zur Artenvielfalt beitragen. Für ein diversifiziertes Angebot kann der Hanf mit biologisch angebautem Flachs kombiniert werden. Durch sein patentiertes Verfahren gewinnt RBX Créations hochreine Zellulose, die sich perfekt für Spinntechnologien wie HighPerCell® des DITF-Forschungszentrums eignet. Die daraus gewonnenen Fasern weisen vielseitige Eigenschaften wie Feinheit, Festigkeit und Dehnbarkeit auf und eignen sich für Anwendungen wie Bekleidung oder technische Textilien. Iroony® vereint geringe Umweltauswirkungen, Nachverfolgbarkeit und Leistung.

SPINNOVA, Nachhaltige Textilfasern ohne schädliche Chemikalien – Spinnova (Finnland)
Die innovative Technologie von Spinnova ermöglicht die Herstellung nachhaltiger Textilfasern in einem mechanischen Verfahren, ohne Auflösen oder schädliche Chemikalien. Das Verfahren umfasst die Verwendung von Zellstoff in Papierqualität und die mechanische Raffination zur Herstellung mikrofibrillierter Zellulose (MFC). Die aus MFC bestehende Fasersuspension wird ohne Regenerationsverfahren zu Textilfasern extrudiert. Beim Spinnova-Verfahren fallen keine Nebenabfälle an, und der ökologische Fußabdruck von SPINNOVA® umfasst 65 % weniger CO2-Emissionen und 99 % weniger Wasser im Vergleich zur Baumwollproduktion. Die Lösung von Spinnova ist außerdem skalierbar: Spinnova strebt an, in den nächsten 10 bis 12 Jahren eine jährliche Produktionskapazität von 1 Million Tonnen zu erreichen.

Nachhaltige Menstruationsunterwäsche: Anwendungsorientierte Funktionalisierung von Fasern – Kelheim Fibres (Deutschland)
Die pflanzlichen und biologisch abbaubaren Fasern von Kelheim leisten einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Zukunft im Bereich der wiederverwendbaren Hygienetextilien. Durch innovative Funktionalisierung werden sie gezielt auf die Anforderungen der einzelnen Lagen abgestimmt und erreichen dadurch eine vergleichbare Leistungsfähigkeit wie synthetische Fasern. Es entsteht eine einzigartige Dualität in der Fasertechnologie: nachhaltig hergestellte Zellulosefasern, die einen hohen Tragekomfort und Wiederverwendbarkeit bei außergewöhnlicher, langlebiger Leistung ermöglichen. Die Faserkonzepte umfassen Celliant® Viscose, eine faserinterne Infrarotlösung und Danufil®-Fasern in der Oberschicht, Galaxy, eine trilobale Faser für die ADL, Bramante, eine Viskosehohlfaser, im absorbierenden Kern und ein wasserabweisendes Gewebe, eine biologisch abbaubare PLA-Folie oder eine nachhaltige Beschichtung als Unterschicht.

Lyocellfaser der Marke TENCEL™ aus Orangen- und Holzzellstoff – Orange Fiber (Italien)
Orange Fiber ist das weltweit erste Unternehmen, das eine nachhaltige Textilfaser aus einem patentierten Verfahren zur Gewinnung von Zellulose herstellt, die aus den Resten von Zitrusfrüchten gesponnen wird, von denen allein in Italien mehr als 1 Million Tonnen pro Jahr anfallen. Das Ergebnis der Partnerschaft mit der Lenzing Gruppe, dem weltweit führenden Hersteller von Spezialfasern auf Holzbasis, ist die erste Lyocellfaser der Marke TENCEL™, die aus Orangen- und Holzzellstoff hergestellt wird. Eine neuartige Zellulosefaser, die die Nachhaltigkeit in der gesamten Wertschöpfungskette weiter vorantreibt und die Grenzen der Innovation verschiebt. Diese Faser, die Teil der TENCEL™ Limited Edition Initiative ist, zeichnet sich durch eine weiche Anmutung und eine hohe Feuchtigkeitsaufnahme aus. Sie hat bereits das OEKO-TEX Standard 100 Zertifikat erhalten und wird derzeit einer Reihe weiterer Nachhaltigkeitsbewertungen unterzogen.

(c) Checkpoint Systems
28.09.2021

Checkpoint Systems: Retail Technology Solutions – zum Erfolg gehört ein Team

Checkpoint Systems, ein Unternehmen von CCL Industries, ist ein weltweit führender Hersteller von Lösungen für den Einzelhandel. Das Portfolio reicht von der elektronischen Artikelüberwachung über Diebstahl- und Verlustprävention bis zu RFID-Hardware und -Software sowie Etikettierungslösungen. Zielsetzung ist, Einzelhändlern eine genaue Echtzeit-Inventarisierung zu ermöglichen, den Nachschubzyklus zu beschleunigen, Fehlbestände zu verhindern und Diebstähle zu reduzieren, um die Warenverfügbarkeit und das Einkaufserlebnis der Kunden zu verbessern.

Checkpoint Systems, ein Unternehmen von CCL Industries, ist ein weltweit führender Hersteller von Lösungen für den Einzelhandel. Das Portfolio reicht von der elektronischen Artikelüberwachung über Diebstahl- und Verlustprävention bis zu RFID-Hardware und -Software sowie Etikettierungslösungen. Zielsetzung ist, Einzelhändlern eine genaue Echtzeit-Inventarisierung zu ermöglichen, den Nachschubzyklus zu beschleunigen, Fehlbestände zu verhindern und Diebstähle zu reduzieren, um die Warenverfügbarkeit und das Einkaufserlebnis der Kunden zu verbessern.

Textination sprach mit Miguel Garcia Manso, Business Unit Director Germany bei Checkpoint Systems, wo der 44-jährige Diplom-Wirtschaftsingenieur seit 2018 tätig ist. Mit vielen Jahren internationaler Retail-Erfahrung kennt er die Bedürfnisse des Einzelhandels genau. Zuvor lebte Miguel Garcia Manso knapp 15 Jahre in Madrid und war dort für den spanischen Lebensmitteleinzelhändler DIA tätig. Auch dort begleitete er die Einführung und den Roll-out von Warensicherungsprojekten.

 

Wenn Sie das Unternehmen Checkpoint Systems und sein Portfolio jemandem präsentieren müssten, der kein Einzelhandelsprofi ist – was würden Sie sagen?

Wir sind der Partner des Handels und unser Job ist es, Einzelhändlern dabei zu helfen, das Einkaufen für ihre Kunden so angenehm wie möglich zu gestalten. Vereinfacht gesagt, sorgen wir mit unseren Lösungen dafür, dass das richtige Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, wenn Endverbraucher es kaufen möchten, statt im schlimmsten Fall vor einem leeren Regal zu stehen. Unser Portfolio reicht dabei von einzelnen Produkten zur Diebstahlsicherung bis hin zu Lösungen, welche die gesamte Lieferkette umfassen und größtmögliche Transparenz über den Warenbestand schaffen.

 

Das war ein langer Weg von den 1960er Jahren, als ein kleines Team in den USA eine Methode entwickelte, um den Diebstahl von Büchern aus öffentlichen Bibliotheken zu verhindern, bis zum internationalen, in 35 Ländern tätigen Marktführer in der Warensicherung im 21. Jahrhundert. Welches Erbe ist Ihnen bis heute wichtig, und wie würden Sie den Spirit im Unternehmen Checkpoint Systems beschreiben?
 
Beide Fragen haben die gleiche Antwort: Zum einen die Innovationskraft und zum anderen der konsequente Austausch mit dem Einzelhandel. Beides stand von Anfang an im Fokus bei Checkpoint Systems. Wir entwickeln unsere Produkte und Systeme in engem Austausch mit dem Handel, suchen aktiv das Gespräch, hören uns an, was im Alltag gebraucht wird etc. Das ist uns sehr wichtig und wird auch regelmäßig als Kaufargument für Checkpoint Systems an uns herangetragen. Das wollen wir auf jeden Fall so weiterführen.

 

Sie bieten Hard- und Software-Technologien für den Einzelhandel an, der als Markt ja nun sehr komplex ist. Inwiefern unterscheiden sich die Anforderungen von Händlern aus dem Fashion-, Outdoor- und Textil-Sektor von denen anderer Branchen?
Die Gründe, weshalb sich Einzelhandelsunternehmen bei uns melden, sind über alle Branchen hinweg ähnlich. Sie alle möchten ihre Kunden begeistern, langfristig an sich binden und mehr Umsatz machen. Die Wege dahin sind dann mitunter unterschiedlich: Von Omnichannel-Strategien für den Fashionsektor über Warensicherungslösungen für hochpreisige Elektro- oder Kosmetikprodukte bis hin zur RFID-basierten Fresh-Food-Solution für den Lebensmitteleinzelhandel, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.
Besonders bei den Etiketten unterscheiden sich die Anforderungen der Branchen. Je nach Größe und Preis des Produkts sowie der gewünschten Technologie empfehlen wir andere Etiketten – oder entwickeln diese in enger Abstimmung mit dem Kunden. Für das polnische Fashionunternehmen LPP haben wir zum Beispiel gerade einen speziellen dualen RF- und RFID-Tag entwickelt, der sich harmonisch in das Design der Filialen einfügt.

 

Zauberwort RFID – das berührungslose und automatisierte Lesen und Speichern von Daten auf Basis elek-tromagnetischer Wellen ist das Herzstück Ihrer Technologien. Sie ermuntern Ihre Kunden sogar, eine eigene RFID-Strategie zu entwickeln. Was ist darunter zu verstehen und sind Sie sicher, dass alle Handelsunternehmen das aus eigener Kraft stemmen können?

Wir entwickeln die Strategie mit unseren Kunden gemeinsam, zumeist im Rahmen eines Pilotprojekts. Bis vor einigen Jahren war die Einführung von RFID-Technologie tatsächlich noch aufwendiger und meist mit einem mehrjährigen Projekt verbunden. Heute können wir aber im Rahmen eines kleinen Piloten schnell für jeden Einzelhändler berechnen, wie viel rentabler er durch RFID arbeiten kann und wie hoch seine Investitionsrendite ist. Wir starten meist mit einem Store-Scan, dann kommt der Pilotversuch in ausgewählten Filialen inklusive individuellen Schulungen und Vor-Ort-Support. Und bis zur Implementierung in allen Filialen sind die Kunden selbst Experten für RFID und haben ein Verständnis dafür, was sie mit den Echtzeit-Daten alles machen können.   

 

Was bedeutet das Stichwort „customized“ für Checkpoint Systems? Inwiefern sind die individuellen Bedarfe des jeweiligen Kunden von Ihnen abbildbar? Oder können Sie jedes Handelsunternehmen – ob Kette oder Boutique – „glücklich“ machen?

Personalisierte Lösungen nehmen bei uns einen hohen Stellenwert ein. Das betrifft zum einen das Produkt an sich und zum anderen die Unternehmensgröße. Wie Sie schon andeuten, haben große Einzelhandelsketten natürlich andere Bedürfnisse als kleine Boutiquen. Für O₂, die Kernmarke von Telefónica Deutschland, haben wir zum Beispiel gerade unsere AutoPeg Tags zur Diebstahlsicherung speziell angepasst. Statt standardmäßig gelb sind die Tags für O₂ weiß mit blauer Schrift, passend zum Ladendesign.
Das zeigt auch generell die Entwicklung im Bereich Warensicherung auf: Als die Warensicherung noch in den Kinderschuhen steckte, waren Antennen und Etiketten hauptsächlich funktional. Heutzutage fügen sie sich harmonisch in das Gesamtbild des Ladendesigns ein. Händler müssen sich nicht mehr zwischen Design und Funktionalität entscheiden.

 

Wie wird Innovationsmanagement in Ihrem Unternehmen gelebt und auf welche Entwicklungen, an denen Checkpoint in der letzten Zeit gearbeitet hat, sind Sie besonders stolz?

Wir haben in den letzten Monaten – gemeinsam mit der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik – intensiv an der Prüfung und Zertifizierung unserer Warensicherungssysteme gearbeitet und können heute mit Stolz sagen: Wir sind der erste Hersteller in Deutschland, dessen EAS-Systeme von der CSA Group, einem international anerkannten und akkreditierten Anbieter von Prüf- und Zertifizierungsdienstleistungen, geprüft wurden. Die CSA Group hat uns bestätigt, dass unsere radiofrequenzbasierten EAS-Systeme alle in Deutschland geltenden Normen und Richtlinien in Bezug auf die Belastung durch elektromagnetische Felder einhalten. Es müssen keine Sicherheitsabstände eingehalten werden.
Der Hintergrund ist folgender: Einzelhändler sind in Deutschland verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen, wenn sie ein EAS-System nutzen. Die CE-Konformitätserklärung, welche sie beim Kauf eines EAS-Systems vom Hersteller erhalten, ist dafür nicht ausreichend. Durch die Prüfung unserer Systeme haben wir für unsere Kunden beste Voraussetzungen für eine solche Beurteilung geschaffen. Der Berufsgenossenschaft liegen auch entsprechende Unterlagen von uns vor.

Stolz sind wir auch auf die Tatsache, dass wir es geschafft haben, die Durchgangsbreiten unserer NEO Antennen zur Warensicherung von zwei Metern auf 2,70 Meter zu erhöhen. Das gibt Einzelhändlern deutlich mehr Spielraum beim Store Design. Ganz allgemein ist Store Design an dieser Stelle auch ein gutes Stichwort: Wir haben mit unseren freistehenden Antennen, dem Design der NS40 oder auch der Möglichkeit, Antennen in Kassensysteme zu verbauen, viel dazu beigetragen, dass Warensicherung ästhetisch ansprechend wird und sich harmonisch in das Ganze einfügt.

 

Die Covid19-Zeit war insbesondere für den stationären Einzelhandel eine Katastrophe. Unternehmen haben sich in den zurückliegenden Monaten verstärkt in Richtung eCommerce bewegt – sei es über individuelle Shoplösungen oder Marktplätze, um zumindest einen Teil des Umsatzrückgangs zu kompensieren. Was raten Sie Händlern: Können heute und in Zukunft nur noch Omnichannel-Geschäfte erfolgreich sein?

Ja, das ist auf jeden Fall unser Rat an den Einzelhandel. Omnichannel-Lösungen werden nicht mehr verschwinden, sondern sich weiter verbreiten und bald nicht mehr wegzudenken sein. Einzelhändler sind gut beraten, sich auf diese neue Situation – auch unabhängig von Corona – einzustellen und in den Ausbau funktionierender Omnichannel-Lösungen zu investieren. Kunden erwarten, dass das von ihnen gewünschte Produkt verfügbar ist, wenn sie einen Laden betreten. Und falls nicht, dass sie es unkompliziert in die gleiche Filiale liefern lassen können oder es zu ihnen nach Hause geschickt wird. Das funktioniert nur mit einer sehr hohen Bestandstransparenz, zum Beispiel durch unsere RFID-Lösungen.

 

Stichwort: Wirtschaftlichkeit. Das vielbeschworene personalisierte perfekte Shoppingerlebnis für den Kunden zu schaffen kostet, oder nicht? Lagerverfügbarkeit, Bestände senken durch Abverkauf, Regalmanagement, Logistik und Retourenabwicklung – inwiefern können Sie den Handel darin unterstützen, seine Rentabilität zu steigern?

Das perfekte Shoppingerlebnis NICHT zu schaffen, kostet viel mehr – unzufriedene Kunden, die nicht das Gewünschte gefunden haben, kommen nicht wieder. Um mit der Kundennachfrage Schritt halten zu können, lagern viele Einzelhändler daher viel zu viel Ware ein. Unserer Erfahrung nach sind es im Durchschnitt 42.000 Artikel. Das kostet. Diese Einzelhändler zahlen hohe Kosten für Lagerfläche, brauchen viel Zeit für Inventurprozesse und müssen die Produkte am Ende deutlich reduzieren, um die Bestände zu senken.
Der Schlüssel für mehr Rentabilität liegt in der Bestandsgenauigkeit. Mithilfe von RFID-Technologie können wir diese auf bis zu 99 Prozent erhöhen. So vermeiden wir Unter- oder Überbestände, können die benötigte Lagerfläche reduzieren und die Abläufe optimieren, zum Beispiel auch bei der Inventur. RFID kann Hunderte Tags gleichzeitig lesen und ist genauer und schneller als das manuelle Zählen. Erfahrungsgemäß können Einzelhändler mit unserer RFID-Technologie ihren Umsatz um durchschnittlich drei Prozent steigern.

 

Auch wenn sich die Situation im Handel durch die Impfungen teilweise entspannt hat, erfordert die Einkaufssituation im Geschäft vor Ort – optimistisch betrachtet – zumindest auch für die nächsten Monate besondere Vorkehrungen. Sie bieten dafür mit „safer shopping“ ein Paket aus verschiedenen Komponenten an. Was deckt das ab?
 
SmartOccupancy ist unsere einfache Lösung zur Kontrolle der Personenzahl in Verkaufsräumen in Echtzeit. Das System zählt die Anzahl der ein- und ausgehenden Personen mithilfe von Visiplus 3D, einem Overhead-Personenzählsensor. Ist die maximale Kapazität fast erreicht, sendet SmartOccupancy eine Warnung an das Personal. Dadurch können die Mitarbeiter in Echtzeit auf die gegenwärtigen Belegungszahlen reagieren und so zu einer sichereren Umgebung für Angestellte und Kunden beitragen. Verantwortliche können mit SmartOccupancy behördliche Anweisungen zur maximalen Personenanzahl sicher und zuverlässig umsetzen, manuelles Zählen entfällt. Eine visuelle Kapazitätsanzeige weist die Kunden an der Tür deutlich sichtbar darauf hin, ob das Geschäft gerade betreten werden darf oder nicht.
Die zweite Lösung ist vor allen Dingen für den Textil- und Bekleidungshandel sowie den Schuhmarkt interessant: Inventory Quarantine ist eine Softwarelösung zur sicheren, automatischen Rückgabe (SaaS-basiert). Sie ermöglicht es Einzelhändlern, zurückgegebene Ware für einige Stunden in einer automatisierten Quarantäne-Warteschlange zu parken. Nach Ablauf der zuvor definierten Zeit informiert Inventory Quarantine die Mitarbeiter per Push-Nachricht, dass das Kleidungsstück oder der Schuh wieder auf die Fläche geräumt oder im Onlineshop erneut als verfügbar gekennzeichnet werden kann. So werden Artikel nur dann freigegeben, wenn sie für den Wiederverkauf als sicher gelten – und gleichzeitig wird sichergestellt, dass Artikel umgehend wieder in den Verkauf genommen werden. Die Lösung hilft Einzelhändlern, den Überblick über retournierte Ware zu behalten und die Zeit zu minimieren, in der die Produkte nicht im Verkauf verfügbar sind.

 

„Ethischer Konsum ist endgültig zur Haltung geworden und in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, kommentierte Trendforscher Peter Wippermann die Ergebnisse der letzten Trendstudie „Bewusster leben“ der Otto Group. Was heißt Nachhaltigkeit für Checkpoint Systems als Unternehmen, wie bilden Sie diese Erkenntnis in Ihrem Produktportfolio ab und wie unterstützen Sie Ihre Kunden in der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen?

Nachhaltigkeit ist für uns bei Checkpoint Systems definitiv ein wichtiges Thema. Wir prüfen unsere Produkte und Prozesse regelmäßig dahingehend, wie wir noch ressourcenschonender arbeiten, Produktionsabfälle reduzieren und unsere CO2-Emissionen senken können. Dabei geht es auch darum, wie wir den Stromverbrauch unserer Antennen noch weiter senken können. Wir entwickeln und vertreiben nur RF-Antennen. Diese Technologie ist nicht nur hinsichtlich der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern sicherer, sondern auch umweltschonender: RF-Antennen brauchen 40 bis 70 Prozent weniger Energie als andere Technologien.

Quelle:

Das Interview führte Ines Chucholowius, Geschäftsführerin der Textination GmbH.

Foto: pixabay
11.05.2021

Wenn Ananasblätter zur nachhaltigen Alternative für Leder werden

  • Spanische Unternehmerin Carmen Hijosa für den Preis Europäischer Erfinderpreis 2021 des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert
  • Entwicklung eines Verfahrens, das Ananasblätter in eine weiche, haltbare und vielseitige Textilie verwandelt
  • Umweltfreundliche Alternative unterstützt die Landwirtschaft und ist bei führenden internationalen Modefirmen gefragt

Wie das Europäische Patentamt (EPA) mitteilte, ist spanische Unternehmerin Carmen Hijosa für den Europäischen Erfinderpreise 2021 als Finalistin in der Kategorie „KMU“ (Kleine und mittlere Unternehmen) nominiert worden. Sie hat eine Lederalternative und gleichermaßen innovative Textilie aus den Fasern von Ananasblättern entwickelt, die aus einer Abfallressource hergestellt wird und im Vergleich zur Herstellung von Rindsleder die Umwelt weniger belastet.

  • Spanische Unternehmerin Carmen Hijosa für den Preis Europäischer Erfinderpreis 2021 des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert
  • Entwicklung eines Verfahrens, das Ananasblätter in eine weiche, haltbare und vielseitige Textilie verwandelt
  • Umweltfreundliche Alternative unterstützt die Landwirtschaft und ist bei führenden internationalen Modefirmen gefragt

Wie das Europäische Patentamt (EPA) mitteilte, ist spanische Unternehmerin Carmen Hijosa für den Europäischen Erfinderpreise 2021 als Finalistin in der Kategorie „KMU“ (Kleine und mittlere Unternehmen) nominiert worden. Sie hat eine Lederalternative und gleichermaßen innovative Textilie aus den Fasern von Ananasblättern entwickelt, die aus einer Abfallressource hergestellt wird und im Vergleich zur Herstellung von Rindsleder die Umwelt weniger belastet. Ihre natürliche Lederalternative unterstützt Landwirte und Genossenschaften auf den Philippinen und ist auch bei großen internationalen Modemarken gefragt.

Die Gewinner des jährlichen Innovationspreises des EPA werden am 17. Juni 2021 ab 19 Uhr im Rahmen einer Galaveranstaltung bekannt gegeben, die in diesem Jahr als digitales Event für ein weltweites Publikum neu konzipiert wurde.

Vom Ananasblattabfall zur natürlichen Textilie
Konventionelle Lederproduktion ist umstritten: Für die Aufzucht von Schlachtvieh werden erhebliche Ressourcen verbraucht, der chemikalienlastige Gerbungsprozess birgt das Risiko der Umweltverschmutzung, und die Arbeitsbedingungen in den Gerbereien sind oft nicht gut. Auch synthetische Lederalternativen wie PVC (Polyvinylchlorid) seien mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Umwelt und Gesundheitsrisiken für Menschen verbunden, so das Europäische Patentamt.

Hijosa erlebte die Realität der globalen Lederproduktion aus erster Hand, als sie 1993 als Textildesign-Beraterin für die Weltbank auf den Philippinen arbeitete. Die negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen der lokalen Lederproduktion brachten sie dazu, eine nachhaltige Textilie zu entwickeln, die für den Export geeignet ist und die Rohstoffe auf den Philippinen sowie die traditionellen Fähigkeiten der Menschen dort besser nutzt. „Ananasblattfasern sind sehr stark, fein und biegsam und werden auf den Philippinen seit 300 Jahren in traditionell handgewebten Textilien verwendet“, erklärt Hijosa. „Ich überlegte also, was wäre, wenn ich aus diesen Ananasblattfasern ein Gewebe herstellen würde, das Ähnlichkeit mit Leder hat – ein Gewebe aus Fasern?'“

Im Rahmen eines zwölfjährigen Forschungs- und Entwicklungsprozesses arbeitete sie daran, das Geflecht der Kollagenfasern von Leder nachzubilden. Während dieser Zeit schloss sie mehrere Textilstudiengänge ab, gründete 2013 in London ein Unternehmen und refinanzierte ihr Haus, um weiter zu forschen und ihre Promotion abzuschließen. Am Ende dieses Prozesses stand die erfolgreiche Entwicklung und Perfektionierung einer Textilie namens Piñatex. Das Material wird produziert, indem die Zellulosefasern von den Blättern abgezogen und zunächst Fasern in Textilqualität hergestellt werden. Diese werden dann zu einer nicht gewebten Netztextilie verarbeitet, die weiter veredelt und zu einer Lederalternative erweicht wird.

Das Rohmaterial, das die Grundlage für Hijosas Textilie bildet, ist ein Nebenprodukt der Ananasernte auf den Philippinen. Die Nutzung einer Ressource, die ansonsten weggeworfen würde, bietet den Landwirten ein zusätzliches Einkommen. Diese Abfallressource hat erhebliches Potenzial, da die zehn größten Ananas produzierenden Länder der Welt genug Blätter erzeugen, um potenziell mehr als 50 Prozent der weltweiten Lederproduktion durch das Material von Hijosa zu ersetzen. Piñatex benötigt zudem viel weniger Wasser als Textilien wie Baumwolle, die mehr als 20.000 Liter Wasser pro Kilogramm beansprucht. Zudem werden bei der Herstellung weniger Chemikalien und weniger CO2 verbraucht als bei der Lederproduktion.

Innovation bietet Verbrauchern mehr nachhaltige Optionen
2011 meldete Hijosa ein Patent für das Material und seine Herstellung an, bevor sie 2013 Ananas Anam als Start-up gründete, um Piñatex kommerziell zu vermarkten. Dieser Teil des Prozesses war für sie entscheidend: „Das geistige Eigentum spielte eine zentrale Rolle dabei, die Finanzierung sowie Zukunft des Produkts und seines Marktpotenzials zu sichern.“ Hijosa ist weiterhin Chief Creative & Innovation Officer ihres Unternehmens und federführend für Neuentwicklungen im Bereich pflanzlicher, abfallbasierter Textilien verantwortlich. Ihre Pionierarbeit hat das Unternehmen als Marktführer zu einem Zeitpunkt positioniert, wo es seitens der Verbraucher immer mehr Bedarf für nachhaltigere Angebote gibt.

Von 2013 bis 2019 hat sich der Umsatz von Hijosas Unternehmen jedes Jahr in etwa verdoppelt und ist 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent gewachsen. Die Firma beschäftigt an ihrem Londoner Standort rund zehn Mitarbeiter und arbeitet mit Fabriken auf den Philippinen und in Spanien sowie mit dem größten philippinischen Ananasanbaukollektiv zusammen, zu dem 700 Familien gehören, die durch die Lieferung von Abfallblättern von einem zusätzlichen Einkommen profitieren. Piñatex wird derzeit von fast 3.000 Marken in 80 Ländern genutzt. Es findet sich in unterschiedlichen Produkten – von Turnschuhen über Jacken, Autoinnenausstattungen und Handtaschen bis zum Bestandteil einer rein veganen Hotelsuite der Welt.

Weitere pflanzliche Alternativen zu Leder, die bereits existieren oder in der Entwicklung sind, basieren auf den unterschiedlichsten Rohstoffen von Apfelkernen bis hin zu Pilzen und unterstreichen den Trend zu Textilien auf Pflanzen- und Abfallbasis. Der kombinierte globale Ledermarkt (tierisch und synthetisch) wurde 2017 auf 374 Milliarden Euro geschätzt. Obwohl echtes Leder immer knapper und damit teurer wird, zeigt die Prognose für den Gesamtmarkt bis 2025 ein jährliches Wachstum von 5,40 Prozent. Die jüngsten Vulkanausbrüche in der Nähe ihrer Fabriken auf den Philippinen und pandemiebedingte Einschränkungen haben Hijosas Produktion vorübergehend verlangsamt. Dennoch sagt die Unternehmerin, dass die Aussichten für das Unternehmen weiterhin positiv bleiben, da immer mehr Verbraucher nachhaltiger konsumieren möchten.

 

Dr. Carmen Hijosa
… wurde am 17. März 1952 in Salas in der spanischen Region Asturien geboren. Mit 19 Jahren zog sie nach Irland und war dort 1977 Mitbegründerin der Luxusledermanufaktur Chesneau Leather Goods. Als Designdirektorin gehörten High-End-Abnehmer wie Harrods zu ihren Kunden. Nachdem sie das Unternehmen 15 Jahre lang geleitet hatte, begann sie in den 1990er-Jahren als Beraterin im Bereich Textilien für die Weltbank sowie an Forschungsinstituten in Deutschland und Irland an EU-finanzierten Projekten zu arbeiten und brachte ihr Fachwissen im Bereich Textildesign so in Entwicklungsmärkte. 1993 wurde sie von der Weltbank als Beraterin für die philippinische Lederindustrie beauftragt. Die negativen Auswirkungen dieser Industrie auf Umwelt und Gesellschaft veranlassten sie, eine nachhaltige Alternative zu entwickeln – einen Lederersatz aus Ananasblättern. Von 2009 bis 2014 promovierte Hijosa im Bereich Textilien am Royal College of Art in London und entwickelte ihren Textilprototyp weiter. Im Jahr 2013 gründete sie das Unternehmen Ananas Anam Ltd., um die Lederalternative zu kommerzialisieren. Carmen Hijosa ist Inhaberin eines europäischen Patentes (EP2576881), das 2018 erteilt wurde.

Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis gilt als einer der renommiertesten Innovationspreise Europas. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und zeichnet einzelne Erfinder und Erfinderteams aus, deren wegweisende Innovationen Antworten auf einige der größten Herausforderungen unserer Zeit geben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury bestehend aus internationalen Experten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Akademie und Forschung ausgewählt. Sie prüft die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur gesellschaftlichen Entwicklung, zum wirtschaftlichen Wohlstand und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa. Der Preis wird in fünf Kategorien (Industrie, Forschung, KMU, Nicht-EPO Staaten und Lebenswerk) verliehen. Der Gewinner des Publikumspreises wird von der Öffentlichkeit aus den 15 Finalisten über ein Online-Voting ermittelt.

Grafik: Pixabay
12.01.2021

Ostdeutsche Textil- und Bekleidungsbranche verzeichnet 2020 deutliches Umsatzminus

  • vti fordert Beschaffer von Gesundheitstextilien zu verstärkter Order bei heimischen Herstellern auf
  • Ostdeutsche Textil- und Bekleidungsbranche begegnet Corona-Krise mit neuen Ideen und Produkten
  • Bekleidungssektor stärker betroffen als Textilsparte

Der Verband der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie e. V. (vti) fordert Entscheider in Politik und Behörden sowie in Klinik und Pflege auf, künftig weit mehr Gesundheitsschutz-Textilien bei heimischen Herstellern zu ordern als bisher. „Das wäre ein folgerichtiger Schritt zu zukunftsorientiertem, nachhaltigem Wirtschaften – und dies zudem in einer außergewöhnlich harten Krisensituation. Wir vermitteln gern entsprechende Kontakte zu unseren Firmen“, betonte Dr.-Ing. Jenz Otto, Hauptgeschäftsführer des in Chemnitz ansässigen Branchenverbandes, während einer Online-Pressekonferenz am 8.

  • vti fordert Beschaffer von Gesundheitstextilien zu verstärkter Order bei heimischen Herstellern auf
  • Ostdeutsche Textil- und Bekleidungsbranche begegnet Corona-Krise mit neuen Ideen und Produkten
  • Bekleidungssektor stärker betroffen als Textilsparte

Der Verband der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie e. V. (vti) fordert Entscheider in Politik und Behörden sowie in Klinik und Pflege auf, künftig weit mehr Gesundheitsschutz-Textilien bei heimischen Herstellern zu ordern als bisher. „Das wäre ein folgerichtiger Schritt zu zukunftsorientiertem, nachhaltigem Wirtschaften – und dies zudem in einer außergewöhnlich harten Krisensituation. Wir vermitteln gern entsprechende Kontakte zu unseren Firmen“, betonte Dr.-Ing. Jenz Otto, Hauptgeschäftsführer des in Chemnitz ansässigen Branchenverbandes, während einer Online-Pressekonferenz am 8. Januar 2021.  „Wir verstehen die Kaufzurückhaltung bei Gesundheitstextilien nicht, obwohl der Bedarf riesig ist. Ebenso unverständlich ist, weshalb noch immer keine nennenswerten Aufträge aus Behörden eingehen. Die Bundesregierung hatte bereits mit ihrem Konjunkturpaket im Frühjahr angekündigt, 1 Milliarde Euro für eine nationale Epidemie-Reserve für persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung zu stellen. Auch die Länder sollten diesbezüglich aktiv werden und sich bevorraten. Wir erwarten dringend die seit langem angekündigten Ausschreibungen für die Ausstattung der Pandemie-Reservelager. Wichtig ist, dass nicht allein der Einkaufspreis zum Maß der Dinge erhoben wird. Entscheidend für die Sicherheit der Bevölkerung sind vielmehr Kriterien wie normgerechte Qualität, nachvollziehbare Lieferketten, die Möglichkeit bedarfsgerechter Nachorder und die Mehrfachnutzung von Textilien.“

Als zu Jahresbeginn 2020 weltweit Lieferketten zusammenbrachen, hatten sich sowohl Behörden als auch viele Pflege- und Gesundheitseinrichtungen mit der Bitte um Hilfe an Textilfirmen gewandt. Viele Hersteller brachten kurzfristig sowohl Alltagsmasken als auch im Gesundheitswesen verwendbare Schutztextilien auf den Markt. „Dazu gehören hoch wirksame bakterien- und virenabweisende Mehrweg-Erzeugnisse, die ein effektives Textilmanagement im Gesundheitswesen ermöglichen und zugleich dem Anwachsen der dortigen Einweg-Müllberge vorbeugen“, erläuterte vti-Vorstandsvorsitzender Thomas Lindner, Geschäftsführer der Strumpfwerk Lindner GmbH, Hohenstein-Ernstthal: „Als später die Billigimporte aus Asien wieder einsetzten, ließ das Interesse jedoch deutlich nach. Dennoch haben zahlreiche Unternehmen weiter in neue Technik investiert und ihre Produktion entsprechend ausgerichtet. Beispielsweise sind an mehreren Standorten vollkommen neue Linien für die Produktion von sterilem Mund-Nasen-Schutz entstanden. Nicht zu vergessen: Die sehr teuren Prüfprozeduren für Medizin- und Gesundheitstextilien stellen für uns Mittelständler eine große Herausforderung dar; außerdem gibt es in Deutschland nach wie vor zu wenige akkreditierte Test- und Zertifizierungsstellen.“ Dass sich die Unternehmen in diesem rasanten Tempo auf die neuen Anforderungen einstellen konnten, sei vor allem möglich gewesen, da rund 30 heimische Firmen und Forschungsinstitute bereits seit mehreren Jahren in dem vom vti gesteuerten und vom Freistaat Sachsen unterstützten Gesundheitstextilien-Netzwerk „health.textil“ zusammenwirken. Dieser Verbund kooperiere eng mit Praxispartnern wie dem Universitätsklinikum Dresden und den Elblandkliniken Meißen. Mittlerweile habe er seine vielfältigen Aktivitäten auf Industrie-, Forschungs- und Anwendungspartner im benachbarten Tschechien ausgedehnt. www.healthtextil.de

CO2-Besteuerung bringt mittelständischen Firmen Wettbewerbsnachteile
Zum permanent aktuellen Thema Energiewende in Deutschland verwies vti-Hauptgeschäftsführer Dr.-Ing. Jenz Otto darauf, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für mittelständische Produzenten mit Einführung der CO2-Besteuerung inmitten der gegenwärtigen Krise weiter massiv verschlechtern: „Die dafür aufzuwendenden finanziellen Mittel fehlen dann für Investitionen in innovative Produkte und umweltfreundliche Herstellungsverfahren. Außerdem erleiden unsere Firmen erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber ihrer ausländischen Konkurrenz.“ Björn-Olaf Dröge, Geschäftsführer des rund 100 Mitarbeiter zählenden Textilveredlungsunternehmens pro4tex GmbH, Niederfrohna, berichtete, dass sich die von seiner Firma zu entrichtende Abgabe für Erneuerbare Energien auf jährlich rund eine Viertelmillion EUR summiert: „Nun kommt die CO2-Abgabe für unseren Erdgasverbrauch noch obendrauf. Für 2021 rechnen wir mit nahezu 70.000 Euro Mehrbelastung.“

vti zur aktuellen Situation in der ostdeutschen Branche
Die ostdeutsche Textil- und Bekleidungsindustrie verzeichnete bereits 2019 einen deutlich rückläufigen Umsatz. Dieser Trend setzte sich 2020 fort und wurde durch die beginnende Corona-Krise verstärkt. Der vti geht auf Basis vorläufiger Schätzungen davon aus, dass der Gesamtumsatz der Branche per Jahresende 2020 um über 11 Prozent unter dem des Vorjahres liegt, wobei der Bekleidungssektor mit einem Rückgang um 35 Prozent weit stärker betroffen ist als die Textilsparte. In ähnlicher Größenordnung schrumpften die für die Branche außerordentlich wichtigen Exporte. Der Beschäftigungsabbau fiel bislang relativ moderat aus, da viele Firmen die Kurzarbeiterregelungen nutzen und versuchen, ihre Stammbelegschaften zu erhalten. Lichtblicke für 2021 sieht der vti bei den Technischen Textilien, die in den vergangenen Wochen - insbesondere aus der Fahrzeugindustrie - wieder stärker nachgefragt wurden.

Von den rund 16.000 Beschäftigten sind 12.000 in Sachsen und 2.500 in Thüringen tätig. Damit gehört diese Region neben NRW, Baden-Württemberg und Bayern zu den vier großen deutschen Textilstandorten. Sie verfügt über moderne Spinnereien, Webereien, Strickereien, Wirkereien, Vliesstoffhersteller, Stickereien, Veredelungsbetriebe und Konfektionäre sowie über leistungsfähige Forschungs- und Bildungseinrichtungen.  

Weit mehr als die Hälfte des Umsatzes der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsbranche entfiel bislang auf die Technischen Textilien, gefolgt von den Heimtextilien mit rund 30 Prozent und dem Bekleidungssektor mit zirka 10 Prozent.  Der vti wirkt als Interessenvertreter auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene, als Tarif- und Sozialpartner sowie als Dienstleister für seine rund 160 Mitgliedsunternehmen.

(c) Pixabay
15.12.2020

Schutz vor Corona: Fortschritte in der Materialforschung an Instituten der Zuse-Gemeinschaft

Mit dem Jahresende wachsen die Erwartungen an einen baldigen Impfschutz gegen COVID-19. Bis es für weite Teile der Bevölkerung so weit ist, bieten 2020 in Forschung und Industrie erzielte Erfolge zum Schutz vor dem Virus eine gute Ausgangsbasis im Kampf gegen Corona und darüber hinaus. An Instituten der Zuse-Gemeinschaft wurden Fortschritte nicht nur in der Medizin-, sondern auch in der Materialforschung erzielt.

Mit dem Jahresende wachsen die Erwartungen an einen baldigen Impfschutz gegen COVID-19. Bis es für weite Teile der Bevölkerung so weit ist, bieten 2020 in Forschung und Industrie erzielte Erfolge zum Schutz vor dem Virus eine gute Ausgangsbasis im Kampf gegen Corona und darüber hinaus. An Instituten der Zuse-Gemeinschaft wurden Fortschritte nicht nur in der Medizin-, sondern auch in der Materialforschung erzielt.

Zu diesen Erfolgen in der der Materialforschung gehören Neuerungen in der Beschichtung von Oberflächen. „Im Zuge der Pandemie ist die Nachfrage nach antiviral und antimikrobiell ausgestatteten Oberflächen stark gestiegen, und wir haben unsere Forschung in diesem Bereich erfolgreich intensiviert“, erklärt Dr. Sebastian Spange, Bereichsleiter Oberflächentechnik beim Jenaer Forschungsinstitut INNOVENT. Er rechnet künftig zunehmend mit Produkten, die über antiviral ausgestattete Oberflächen verfügen „Unsere Tests mit Modellorganismen zeigen, dass eine entsprechende Beschichtung von Oberflächen wirkt“, betont Spange. Zum Spektrum der von INNOVENT genutzten Techniken gehören Beflammung, Plasmabeschichtung und das sogenannte Sol-Gel-Verfahren, bei dem organische und anorganische Stoffe bei relativ niedrigen Temperaturen in einer Schicht verbunden werden können. Als Material für die Beschichtungen kommen laut Spange antibakteriell wirkende Metallverbindungen ebenso infrage wie Naturstoffe mit antiviralem Potenzial.

Vliesstoffe für Maskenhersteller produziert
Die textile Expertise zahlreicher Institute der Zuse-Gemeinschaft hat 2020 dafür gesorgt, dass anwendungsnahe Forschung sich in der Praxis der Pandemiebekämpfung bewähren konnte. Nach der in Deutschland zu Beginn der Pandemie aufgetretenen Knappheit bei der Versorgung mit Masken reagierten Textilforschungseinrichtungen, um in die Bresche zu springen. So stellte das Sächsische Textilforschungsinstitut (STFI) seine Forschungsanlagen auf die Produktion von Vliesstoff zur Belieferung deutscher und europäischer Hersteller von partikelfilternden Schutzmasken um. „Von März bis November 2020 haben wir Vliesstoff an verschiedene Hersteller geliefert, um die Maskenproduktion bestmöglich zu unterstützen und somit zur Eindämmung der Pandemie beizutragen. In einer für Industrie und Bevölkerung kritischen Zeit konnten wir zur Entlastung kritischer Produktionskapazität beitragen - für ein Forschungsinstitut eine ungewohnte Rolle, die wir aber in ähnlichen Situationen erneut annehmen würden“, erklärt Andreas Berthel, Geschäfts-führender Kaufmännischer Direktor des STFI.

Entwicklung wiederverwendbarer medizinischer Gesichtsmasken
Zur Verbesserung von Alltags- wie auch medizinischen Gesichtsmasken arbeiten die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF). In Kooperation mit einem Industriepartner entwickelt man in Denkendorf aktuell u.a. wiederverwendbare, medizinische Gesichtsmasken aus leistungsfähigem Präzisionsgewebe in Jacquard-Webtechnik. Die Mehrfachnutzung vermeidet Abfall und etwaige Lieferengpässe.
Für alle Arten von Masken gibt es Regularien, nun auch für Alltagsmasken. Bei Hohenstein wird die Einhaltung von Standards für Masken überprüft. Ein neuer europäischer Leitfaden legt Mindestanforderungen für Konstruktion, Leistungsbeurteilung, Kennzeichnung und Verpackung von Alltagsmasken fest. „Als Prüflabor für Medizinprodukte testen wir die Funktionalität medizinischer Gesichtsmasken unter mikrobiologisch-hygienischen und physikalischen Gesichtspunkten“, erläutert Hohenstein-Geschäftsführer Prof. Dr. Stefan Mecheels. Hohenstein unterstützt damit Hersteller u.a. bei der technischen Dokumentation zum Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit.
Atemschutzmasken (FFP 1, FFP 2 und FFP 3) werden seit Mitte dieses Jahres am Kunststoff-Zentrum (SKZ) in Würzburg geprüft. Getestet werden u.a. Einatem- und Ausatemwiderstand und der Durchlass von Partikeln. Zudem ist das SKZ selbst in die Maskenforschung eingestiegen. In Zusammenarbeit mit einem Medizintechnikspezialisten entwickelt das SKZ eine innovative Maske, die aus einem reinig- und sterilisierbaren Maskenträger und austauschbaren Filterelementen besteht.

ILK-Tests: Bei „Nase raus“ gelangen 90 Prozent der Partikel in die Umgebung
Der Kampf gegen Corona wird durch die Beiträge der Menschen gewonnen: Von Forschenden in Laboren, von Entwicklern und Herstellern in der Industrie sowie von den Bürgerinnen und Bürgern auf der Straße. Das Institut für Luft- und Kältetechnik (ILK) in Dresden hat vor diesem Hintergrund Untersuchungen zur Durchlässigkeit des Mund-Nasenschutzes (MNS) durchgeführt, und zwar zu   möglichen Beeinträchtigungen beim Atmen durch die Maske ebenso wie zur Schutzfunktion von Alltagsmasken.
Ergebnis: Obwohl die eingesetzten Materialien des Mund-Nasenschutzes rund 95 Prozent der ausgeatmeten Tröpfchen zurückhalten können ist „unter praktischen Gesichtspunkten und Berücksichtigung von Leckagen“ davon auszugehen, dass etwa 50 Prozent bis 70 Prozent der Tröpfchen in den Raum gelangen, so das ILK. Werde die Maske nur unterhalb der Nase getragen, so sei aufgrund des großen Anteils der Nasenatmung sogar davon auszugehen, dass ca. 90 Prozent der abgeatmeten Partikel in den Raum gelangen. Das verdeutlicht die Bedeutung des eng anliegenden und richtig getragenen Mund- und Nasenschutzes. „Hingegen sprechen aus physikalischer Sicht keine Gründe gegen das Tragen einer Maske“, betont ILK-Geschäftsführer Prof. Dr. Uwe Franzke. Die Forschenden untersuchten den CO2-Gehalt in der Atemluft ebenso wie den höheren Aufwand für die Atmung und legten dafür das Überwinden des Druckverlustes als Kriterium zugrunde. „Die Untersuchungen zum Druckverlust zeigten einen geringen, praktisch aber nicht relevanten Anstieg“, erläutert Franzke.

Der komplette ILK-Bericht „Untersuchungen zur Wirkung des Mund- und Nasenschutzes (MNS)“ ist hier abrufbar.

 

Carl Meiser GmbH & Co. KG (c) Carl Meiser GmbH & Co. KG
06.10.2020

Experten im Bereich Antimikrobielle Ausrüstung mittels Beschichtungen: Nopma - Technische Textilien von der Schwäbischen Alb

Die Carl Meiser GmbH & Co. KG - Anfang der 50er Jahre als Wäschehersteller gestartet, hat sich in den letzten 20 Jahren zu einem Spezialisten im Bereich der technischen Textilien weiterentwickelt.
Mit seiner Marke nopma Technische Textilien ist das Unternehmen Entwickler und Produzent textiler Problemlösungen durch Beschichtungen. Schwerpunkte sind nopma antirutsch - Textilien mit antirutsch-Wirkung, nopma adhesion - klebstoffvorbeschichtete Folien, Abstandsgewirke und Substrate zur Kaschierung im Automotive Interieur, nopma ceramics - abrasive resistentere textile Oberflächen und nopma silicones - Silikonbeschichtungen auf textilen Oberflächen.

Textination sprach mit dem Geschäftsführer, Jens Meiser, der 2005 ins Unternehmen eintrat, den Geschäftsbereich neu ausrichtete und zum Service-Dienstleister ausbaute, über seine Pläne und Ziele.

Die Carl Meiser GmbH & Co. KG - Anfang der 50er Jahre als Wäschehersteller gestartet, hat sich in den letzten 20 Jahren zu einem Spezialisten im Bereich der technischen Textilien weiterentwickelt.
Mit seiner Marke nopma Technische Textilien ist das Unternehmen Entwickler und Produzent textiler Problemlösungen durch Beschichtungen. Schwerpunkte sind nopma antirutsch - Textilien mit antirutsch-Wirkung, nopma adhesion - klebstoffvorbeschichtete Folien, Abstandsgewirke und Substrate zur Kaschierung im Automotive Interieur, nopma ceramics - abrasive resistentere textile Oberflächen und nopma silicones - Silikonbeschichtungen auf textilen Oberflächen.

Textination sprach mit dem Geschäftsführer, Jens Meiser, der 2005 ins Unternehmen eintrat, den Geschäftsbereich neu ausrichtete und zum Service-Dienstleister ausbaute, über seine Pläne und Ziele.

1952 gegründet, hat sich die Carl Meiser GmbH & Co.KG von einem Tag- und Nachtwäschehersteller zu einem Innovationstreiber im Bereich technischer Textilen gewandelt, der sich als Spezialist für kunststoffbasierende Beschichtungsverfahren präsentiert. Wenn Sie sich jemandem, der das Unternehmen nicht kennt, in 100 Worten vorstellen müssten: Was hat Sie in diesem Entwicklungsprozess besonders beeinflusst, und was macht Sie unverwechselbar?
Innovation is the new normal – Dies gilt für die Textilindustrie nicht erst seit Sars CoV-2. Unsere Industrie wurde Anfang der 90er Jahre als eine der ersten disruptiert und unterliegt seit jeher ständigem Wandel. Dieser überlebensnotwenige Drang nach Weiterentwicklung prägt uns intensiv und hat es uns ermöglicht, in den letzten Jahren große Innovationssprünge zu machen.

Heute verstehen wir uns als innovativer Entwicklungs- und Produktionsdienstleister mit dem Schwerpunkt der Textilbeschichtung. Wir entwickeln und produzieren fast ausschließlich kundenspezifische Speziallösungen.

Durch die Kombination von Beschichtungen auf Textilien erhalten diese hybriden Wertstoffe ganz neue Eigenschaften.

Sie fertigen ausschließlich am Standort Deutschland. Warum? Sind Sie nie in Versuchung geraten, Niederlassungen in anderen Ländern zu gründen, um beispielsweise von einem niedrigeren Lohnniveau zu profitieren?
Wir beliefern heute von unserem Stammsitz in Süddeutschland globale Lieferketten. Zwar produzieren wir damit in einem Hochlohnland, viel wichtiger für uns sind jedoch Know-How und der Drang unseres Teams, Neues zu schaffen. Globalisierung wird auch zukünftig der Schlüssel zum Erfolg sein. Aus diesem Grund wird es für uns mittel- bis langfristig interessant, auch mit Niederlassungen in Nordamerika und Asien vor Ort zu sein. Noch ist dies jedoch zu früh für uns.

Sie nutzen in Ihrem Unternehmen intensiv KVP- und Kaizen-Techniken. Wie kam es zu einem japanischen Konzept auf der Schwäbischen Alb?
KAIZEN, der Wandel zum Besseren, sind eigentlich deutsche Tugenden. Der Drang, Dinge zu verbessern und zu optimieren, steckt in uns allen. Durch den kontinuierlichen Verbesserungsprozess bleiben wir nicht stehen und entwickeln uns ständig weiter. Und dann ist da noch die persönliche Affinität zu Japan. Ein Blick auf eine andere Kultur öffnet einfach den Horizont. Und wenn man dann noch Parallelitäten in der Arbeitsmethodik erkennt, ist dies umso besser.

Vor nunmehr 10 Jahren haben Sie sich neuen Märkten zugewandt: Aviation, Automotive, Protection, Caravan und Möbelbau, um nur einige zu nennen. Einige dieser Segmente sind unter der Covid-19-Pandemie signifikant eingebrochen. Welche Marktentwicklung erwarten Sie mittelfristig und welche Konsequenzen wird das für Ihr Unternehmen haben
Natürlich haben zum Beispiel die Aviation oder Automotive Industrie substanzielle Probleme in oder durch die Covid-19-Pandemie. Ganz ehrlich sind viele dieser Probleme aber auch schon vorher vorhanden gewesen, wurden nur wie durch einen Brandbeschleuniger weiter verschärft. Natürlich treffen uns diese Einbrüche auch ökonomisch hart. Jedoch verfolgen wir langfristige Ziele. Als Mittelständler muss man die Resilienz haben, seinen Weg weiter zu beschreiten. Durch unsere Spezialisierung und durch unseren Branchensplit, den wir jeden Tag vorantreiben, schaffen wir es, uns immer weiter von konjunkturellen Entwicklungen in einzelnen Branchen abzukoppeln. Dies bietet für unsere Kunden den großen Vorteil, einen sehr stabilen Partner mit langfristiger Ausrichtung zu haben.

Für die Zukunft sind wir optimistisch. Die Megatrends Nachhaltigkeit, Digitalisierung und weiterhin Globalisierung werden dazu führen, dass es auch in den oben genannten Brachen, wie in vielen anderen auch, wieder neue Geschäftsmodelle gibt und es zu erneutem Wachstum kommen wird. Unsere Beschichtungen auf Textilien und flexiblen Bahnwaren können dazu eine Vielzahl von Lösungen beisteuern. Wenn Materialien zum Beispiel leichter werden bei identischen Gebrauchseigenschaften oder durch den Einsatz von Biodegradable-Kunststoffen plötzlich biologisch abbaubar sind, ergeben sich viele neue Chancen.

Maßgeschneidert statt Lösungen für Großkunden: Das Thema Individualisierung bis zur Losgröße 1 nimmt heute einen breiten Raum ein. 2015 haben Sie ein großes Entwicklungslabor in Betrieb genommen, in dem Sie verschiedenste Prüftechnologien für Textilien und Kunststoffe vorhalten. Wie stehen Sie zu individuellen Produktlösungen, und in welchen Anwendungsbereichen haben Sie diese erfolgreich umgesetzt?
Prinzipiell kennen wir keine Standards. Wir leben Individualisierung bei geringstmöglichen Losgrößen. In unserem Bereich schaffen wir nicht die Losgröße 1, beginnen aber bereits ab MOQs von 300 lfm bei prozesssicherer Serienfertigung. Wir haben nur sehr wenige fertige Produkte, und vor allem haben wir keine Kollektionen. Unser Entwicklungslabor ist hierzu der Schlüssel. Wir haben die Möglichkeiten, zusammen mit unseren Kunden sehr schlanke Entwicklungsprozesse zu realisieren. Bereits im Labormaßstab können wir innerhalb weniger Stunden neue Produkte entwickeln und prüfen. Die Skalierung in die Fertigung streben wir dann bereits sehr früh an, um Serienergebnisse zu erhalten. Damit bieten wir unseren Kunden eine Geschwindigkeit und Schlagkraft, die ein besonderes Potential für unsere Partner darstellen.

Sie erfassen wichtige Einsatzfaktoren im Produktionsprozess und werten sie in monatlichen Umweltanalysen aus. Welche Faktoren sind dies konkret und inwiefern haben deren Analysen den Produktionsbetrieb bereits verändert? Wie definieren Sie Umweltmanagement für Ihr Unternehmen
Umweltmanagement bedeutet für uns einen ganzheitlichen Ansatz. Prinzipiell betreiben wir Produktionsaggregate und stellen Produkte her, die viele Ressourcen verbrauchen. Durch die hohen Produktionsmengen kumuliert sich dies weiter. Aus diesem Grund ist es für uns selbstverständlich, dass wir unsere Input- und Output-Ströme erfassen, auswerten und davon Maßnahmen ableiten. Dies ist ökonomisch sinnvoll, ist aber auch durch unsere Verantwortung für unser Umfeld geboten. Konkret sind dies energetische Verbrauchswerte, Verbrauchsdaten von Primärchemie, Stromlastspitzen, unser Co2-Fußabdruck, um nur einige wenige zu nennen. Diese Betrachtung hat uns in vielen Bereichen verändert. Heute betreiben wir ein Kraftwerk mit Gas-Brennwerttechnologie, unsere freien Dachflächen sind begrünt oder tragen Photovoltaikmodule, wir bieten unseren Mitarbeitern und Besuchern Elektrotankstellen an, und zuletzt haben wir die gesamte Stromversorgung unserer Fabrik auf umweltfreundliche Wasserkraft umgestellt.

Mit nopma bauen Sie seit mehreren Jahren eine Marke für den Bereich Technische Textilien auf und kommunizieren diese über eine eigene Website parallel zur Carl Meiser GmbH & Co. KG. Wie kam es zu diesem Markennamen und welches Produktportfolio steckt dahinter
Dies ist der Name eines ersten technischen Textilprodukt aus den 1990er Jahren. Es handelte sich um ein mit Punkten beschichtetes Textil. Noppen auf Maschenware. NOPMA. Mein Vater hat diese Marke kreiert.

2016 haben Sie in eine zusätzliche Produktionslinie für nopma-Produkte investiert und direkt eine Serienbelieferung im NAFTA-Raum starten können. Wie bewerten Sie die Marktchancen aktuell für Nordamerika und Mexiko?
Wir sehen weiterhin Chancen in der Globalisierung und damit auch im nordamerikanischen Markt. Durch die Pandemie sind diese Märkte jedoch immer noch schwer getroffen, und es gibt größere Verwerfungen. Wenn sich diese wieder normalisieren, werden auch wir wieder mehr Erfolg vor Ort sehen.

Meiser bietet als Innovationsführer lösungsmittelfreie PU-Klebstoffsysteme als Vorbeschichtungen zur Kaschierung an. Wie beurteilen Sie die Bedeutung solcher Innovationen im Rahmen von REACH?
Diese Innovationen bieten unseren Kunden die Möglichkeit, sich abzukoppeln vom Druck den REACH in manchen Branchen auslöst. Jedoch haben auch wir vereinzelt Produkte, die wir in den letzten Monaten neu entwickeln. Dies beschäftigt uns immer wieder, schafft aber auch Chancen, neue Marktsegmente zu erschließen.

Wie haben Sie die Coronazeit bisher empfunden - als Unternehmen und persönlich? Was möchten Sie auf keinen Fall wieder erleben, was aber vielleicht sogar in den Alltag mitnehmen?
Ich denke, auch diese Zeit hat uns als Gesellschaft, Menschen und selbst als Unternehmer gestärkt. Jede Krise, die man durchlebt, macht einen etwas gelassener für Unvorhergesehenes, aber auch motivierter, seine Ziele zu erreichen. Es gab also aus meiner Sicht durchaus viel Positives an den letzten Monaten. Plötzlich sind zum Beispiel Werkzeuge der Digitalisierung in unserem Alltag akzeptiert, und ich empfinde es schon so, dass man auf den Anderen wieder mehr achtet. Hoffentlich bleibt dies so.

Die futuristische Rolltreppe „Tube“ der Elbphilharmonie ist ebenso imposant, wie das Gebäude selbst und die längste Rolltreppe Westeuropas. Im August hat ein Kölner Startup UV-Technik eingebaut, die die Handläufe ständig reinhält. Zeitgleich haben Sie eine antivirale Funktionsbeschichtung vorgestellt, die auf alle Textilien in Form von Meterware appliziert werden kann. Wie funktioniert das, und für welche Einsatzzwecke ist die Technik geeignet?
Bereits seit vielen Jahren haben wir uns mit antimikrobiellen Ausrüstungstechniken befasst. Begonnen hat dies bereits mit der Schweinegrippe im Jahr 2009/2010. Damals haben wir mit einem jungen Startup erste Kontakte geknüpft und eine Entwicklung gestartet. Mangels Marktinteresse musste dies jedoch nach einigen Monaten wieder eingestellt werden. Heute sind wir Experten im Bereich „Antimikrobielle Ausrüstungen mittels Beschichtungen“. Auch konnten wir enormes Wissen um das Themenfeld Zulassung und Biozidverordnung aufbauen. Wir können unsere Kunden heute ganzheitlich in diesen Themenfeldern unterstützen. Die Funktion durch hautverträgliche Wirkstoffe aus dem Kosmetikbereich mit einem Vesikelbooster kann Viren und Bakterien innerhalb weniger Minuten abtöten.
Da uns die Pandemie die enorme Wichtigkeit eines neuen Hygieneniveaus aufgezeigt hat, sind die Einsatzzwecke sehr vielfältig und differenziert. Den Einsatz in Persönlicher Schutzausrüstung, Arbeitsmöbeln, Fahrzeugen und zum Beispiel Handschuhen haben wir heute bereits realisiert. Prinzipiell ist jede Anwendung prädestiniert, bei der textile Träger vielen Berührungen durch verschiedene Personen in hoher Frequenz ausgesetzt sind. Hier bieten unsere nopma Produkte ein neues Schutz- und Hygieneniveau.

Neue Wege zu gehen, bedeutet Entscheidungsfreudigkeit, Überwindung von Ängsten - und damit auch Mut zum Scheitern. Nicht jedes Projekt kann gelingen. Über welche unternehmerische Entscheidung sind Sie im Nachhinein besonders froh, sie getroffen zu haben
Wir scheitern immer wieder. Dies gehört dazu. Jedoch ist es noch nie vorgekommen, dass wir nichts gelernt haben. Ein schönes Beispiel ist auch hier die Pandemiesituation. Wir haben im Frühjahr unsere Unternehmerische Verantwortung für unsere Gesellschaft angenommen und als eines von zwei Unternehmen in Baden-Württemberg geschafft, die Zertifizierung für FFP-Schutzmasken zu erlangen. Da wir nicht am damaligen Revolvermarkt teilnehmen wollen, haben wir diese Produkte nur der öffentlichen Hand zu günstigen Vor-Krisenpreisen angeboten. Die Entscheider konnten sich jedoch über Wochen nicht entschließen und haben nicht bestellt. Dies hat unser ganzes Team damals sehr enttäuscht. Heute haben wir dies überwunden und viel Wissen aus dieser Entwicklung mitgenommen.

 

Die Fragen stellte Ines Chucholowius, CEO Textination GmbH

Doppelgreifer-Webmaschine des Fraunhofer WKI mit dem Jacquardaufsatz © Fraunhofer WKI | Melina Ruhr. Doppelgreifer-Webmaschine des Fraunhofer WKI mit dem Jacquardaufsatz
02.06.2020

Fraunhofer WKI: Klimafreundliche Hybridfaserwerkstoffe auf Basis nachwachsender Naturfasern

Durch die am Fraunhofer WKI erzielten neuen Kombinationsmöglichkeiten von biobasierten Hybridfaserwerkstoffen erweitern sich die industriellen Einsatzmöglichkeiten für nachwachsende Rohstoffe – beispielsweise beim Fahrzeugbau, aber auch bei Gebrauchsgegenständen wie Helmen oder Skiern.

Mit der Erhöhung des Flachsfaseranteils in Hybridfaserwerkstoffen auf bis zu 50 Prozent zeigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass es möglich ist, den biogenen Anteil in Verbundwerkstoffen deutlich zu steigern. Das Besondere an den getesteten Verfahren: Die Gewebe können mit Hilfe einer Webmaschine individuell zusammengestellt werden. Auf diese Weise lassen sich in der industriellen Produktion Prozessschritte einsparen, in denen Materialien erst zusammengefügt werden müssten. Über den gesamten Produktionsprozess gesehen, würden so Energie- und CO2-Reduktionen erreicht.

Durch die am Fraunhofer WKI erzielten neuen Kombinationsmöglichkeiten von biobasierten Hybridfaserwerkstoffen erweitern sich die industriellen Einsatzmöglichkeiten für nachwachsende Rohstoffe – beispielsweise beim Fahrzeugbau, aber auch bei Gebrauchsgegenständen wie Helmen oder Skiern.

Mit der Erhöhung des Flachsfaseranteils in Hybridfaserwerkstoffen auf bis zu 50 Prozent zeigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass es möglich ist, den biogenen Anteil in Verbundwerkstoffen deutlich zu steigern. Das Besondere an den getesteten Verfahren: Die Gewebe können mit Hilfe einer Webmaschine individuell zusammengestellt werden. Auf diese Weise lassen sich in der industriellen Produktion Prozessschritte einsparen, in denen Materialien erst zusammengefügt werden müssten. Über den gesamten Produktionsprozess gesehen, würden so Energie- und CO2-Reduktionen erreicht.

Erfolgreich verwebt: Unterschiedliche Hybridgewebe
Angesichts der gestiegenen Anforderungen an den Umwelt- und Klimaschutz suchen Wissenschaft und Industrie in sämtlichen Produktionszweigen nach nachhaltigen Alternativen zu herkömmlichen Materialien. Bei Werkstoffen bietet die Verwendung von Naturfasern eine nachhaltige Lösungsmöglichkeit. Aufgrund ihrer geringen Dichte bei gleichzeitig hoher Stabilität können aus Naturfasern hoch belastbare Leichtbaumaterialien erzeugt werden, die sich gut recyceln lassen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer WKI haben sich im Projekt »ProBio« daher die Frage gestellt, wie der Anteil an Naturfasern in biobasierten Hybridfaserwerkstoffen möglichst weit gesteigert werden kann. Zum Einsatz kam dabei eine Doppelgreifer-Webmaschine mit Jacquardaufsatz, um die biobasierten Hybridfaserwerkstoffe herzustellen.

Ganz gezielt haben sich die Forschenden mit biobasierten Hybridfaserverbundwerkstoffen (Bio-HFW) beschäftigt. Bio-HFW bestehen aus einer Kombination von Fasern auf Cellulosebasis wie Flachsfasern und synthetischen Hochleistungsfasern wie Carbon- oder Glasfasern zur Verstärkung. Bio-HFW können beispielsweise im Fahrzeugbau zum Einsatz kommen. Als Neuheit haben die Forscherinnen und Forscher im Projekt »ProBio« verschiedene Fasermaterialienkombinationen, Verstärkungsfasern und auch Matrixfasern mit Hilfe der Doppelgreifer-Webmaschine ineinander verwebt. Dieses Vorgehen unterscheidet sich von Verfahren, in denen fertige Gewebe übereinandergeschichtet werden.

»Wir haben die vorteilhaften Eigenschaften der Fasermaterialien in einem Verbundwerkstoff so kombiniert, dass wir Schwachstellen einzelner Komponenten ausgleichen konnten und so teilweise auch neue Eigenschaften erzielt haben. Außerdem ist es uns gelungen, den Anteil von biobasierten Fasern auf bis zu 50 Prozent Flachsfasern zu erhöhen, die wir mit 50 Prozent Verstärkungsfasern kombiniert haben«, beschreibt Projektmitarbeiterin Jana Winkelmann das Vorgehen. Die Bio-Hybrid-Textilien aus jeweils 50 Gewichtsprozent Carbon- und Flachsgewebe werden in eine biobasierte Kunststoffmatrix eingesetzt. Der Verbundwerkstoff verfügt über eine Biegefestigkeit, die mehr als doppelt so hoch ist wie die des entsprechenden Verbundwerkstoffs aus flachsbewehrtem Epoxidharz. Diese mechanische Leistungsfähigkeit kann den Einsatzbereich von nachwachsenden Rohstoffen für technische Anwendungen signifikant erweitern.
 
Mit der Webmaschine haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfolgreich innovative Leichtbau-Verbundmaterialien mit komplexen anwendungsspezifischen Gewebestrukturen und integrierten Funktionen kombiniert. Verstärkungsfasern wie Carbon- und Naturfasern sowie mehrlagige Gewebe und dreidimensionale Strukturen können in einem Arbeitsschritt miteinander verwebt werden. Das bietet für die industrielle Produktion Vorteile, denn auf diese Weise können Produktionsschritte eingespart werden, in denen Materialien erst zusammengefügt werden müssten. »Es ist uns gelungen, beispielsweise leitfähige Garne oder Drähte als Sensoren oder Leiterbahnen direkt im Webprozess einzusetzen und so Gewebe mit integrierten Funktionen herzustellen. Die Einführung von synthetischen Fasern als Schussfaden ermöglicht also die Herstellung von Bio-Hybrid-Verbundwerkstoffen mit isotropen mechanischen Eigenschaften«, erläutert Winkelmann.

Die Webtechnik macht es möglich, neue Produkte mit einem großen Anteil an biobasierten Komponenten im Pilotmaßstab zu erzeugen. Mit dem Projekt »ProBio« demonstriert das Fraunhofer WKI die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten von Natur- und Verstärkungsfasern und zeigt Möglichkeiten für den Einsatz im Fahrzeugbau auf, aber auch für Gebrauchsgegenstände wie zum Beispiel Helme oder Skier. Die Resultate wurden im Rahmen der 4. Internationalen Konferenz zu Naturfasern (ICNF) in Porto im Juli 2019 vorgestellt. Das Projekt »ProBio«, mit einer Laufzeit vom 1. Juli 2014 bis zum 30. Juni 2019, wurde vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) gefördert.

Zum Hintergrund
Nachhaltigkeit durch Nutzung nachwachsender Rohstoffe steht seit über 70 Jahren im Fokus des Fraunhofer WKI. Das Institut mit Standorten in Braunschweig, Hannover und Wolfsburg ist spezialisiert auf Verfahrenstechnik, Naturfaser-Verbundkunststoffe, Holz- und Emissionsschutz, Qualitätssicherung von Holzprodukten, Werkstoff- und Produktprüfungen, Recyclingverfahren sowie den Einsatz von organischen Baustoffen und Holz im Bau. Nahezu alle Verfahren und Werkstoffe, die aus der Forschungstätigkeit hervorgehen, werden industriell genutzt.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Holzforschung WKI

(c) Koelnmesse GmbH
21.05.2019

INTERZUM 2019: TRENDS UND NEUHEITEN FÜR DIE LEBENSWELTEN VON MORGEN

Alle zwei Jahre zeigt die interzum wegweisende Innovationen für die Gestaltung der Lebensräume von morgen. Das weltweit größte Event der Zulieferbranche bietet vom 21. bis zum 24. Mai 2019 wieder einen Blick auf neueste Entwicklungen und zukunftsweisende Trends für das Wohnen und Einrichten. Internationale Aussteller präsentieren neue Materialien und Funktionen, die in den kommenden Jahren einen maßgeblichen Einfluss auf den Möbel- und Innenausbau haben werden. In den drei Messe-Segmenten „Materials & Nature“, „Function & Components“ sowie „Textile & Machinery“ stehen innovative Oberflächen ebenso im Fokus wie nachhaltige Werkstoffe oder neue Technologien. Auch globale Megatrends wie Digitalisierung, Individualisierung, Mobilität oder Urbanisierung spiegeln sich in den Präsentationen der ausstellenden Unternehmen. Ein Blick auf Trends und Neuheiten der kommenden interzum.

Alle zwei Jahre zeigt die interzum wegweisende Innovationen für die Gestaltung der Lebensräume von morgen. Das weltweit größte Event der Zulieferbranche bietet vom 21. bis zum 24. Mai 2019 wieder einen Blick auf neueste Entwicklungen und zukunftsweisende Trends für das Wohnen und Einrichten. Internationale Aussteller präsentieren neue Materialien und Funktionen, die in den kommenden Jahren einen maßgeblichen Einfluss auf den Möbel- und Innenausbau haben werden. In den drei Messe-Segmenten „Materials & Nature“, „Function & Components“ sowie „Textile & Machinery“ stehen innovative Oberflächen ebenso im Fokus wie nachhaltige Werkstoffe oder neue Technologien. Auch globale Megatrends wie Digitalisierung, Individualisierung, Mobilität oder Urbanisierung spiegeln sich in den Präsentationen der ausstellenden Unternehmen. Ein Blick auf Trends und Neuheiten der kommenden interzum.

Technik und Emotion: die Vielfalt von Oberflächen
Materialität und damit auch Oberflächen gewinnen zunehmend an Bedeutung – das zeigt sich auch auf der diesjährigen interzum. Viele Konsumenten verlangen heute nach einer ansprechenden und individualisierten Wohnumgebung, die sich auch so anfühlt. Mit attraktiven Oberflächen können Möbelhersteller daher im Markt punkten. Designtrends werden dabei sowohl von technischen Entwicklungen als auch von emotionalen Anmutungen bestimmt. Ob supermatt, hochglänzend oder ganz individuell – die Vielfalt an neuen Dekoren und Oberflächen, die auf der interzum vorgestellt werden, ist nahezu grenzenlos. Möglich machen das neue oder wiederentdeckte Materialien und Kombinationen sowie innovative Herstellungsverfahren. Der Digitaldruck ermöglicht einzigartige Dessins, während Soft-Touch oder Anti-Fingerprint-Effekte eine dauerhaft gute Haptik und Optik versprechen. Aussteller in diesem Segment zeigen nicht nur eine große Designvielfalt, sondern auch vielfältige funktionale Features.

Natürliche Reproduktionen: Optik gleich Haptik
Bei beschichteten Oberflächen bleiben Reproduktionen von Materialien besonders beliebt. So ist zum Beispiel die Nachbildung unterschiedlichster Hölzer ein ungebrochener Trend, der sich heute vielfältig ausprägt. „Wir sehen zurzeit, dass Trends in unterschiedliche Richtungen gehen“, konstatiert Klaus Monhoff, Leiter Dekor- und Designmanagement der Egger Gruppe. Der aktuellen Nachfrage nach markanten und rustikalen Hölzern begegnet der Hersteller mit einer neuen Synchronporen-Oberfläche in Altholz-Optik. Besonders großflächige Holzdekore nimmt das auf Sieb- und Digitaldruck spezialisierte Unternehmen Stainer zur interzum 2019 in sein Programm. Die sechs mal zwei Meter großen Platten mit der Optik verschiedener Laubhölzer eignen sich für Wände und Böden. Im Bereich digitaler Reproduktionen wächst außerdem der Einfluss von matten Oberflächen im Metallic-Look. Die Viscora®-Folie Supermatt metallic coloured des österreichischen Ausstellers Hueck Folien ist hierfür ebenso ein Beispiel wie eine neue Oberfläche von Egger, die haptisch und optisch fein gebürstetem Metall nachempfunden ist.

Besonders im Fokus: umweltfreundliche Materialien und Bauteile
Das Thema Nachhaltigkeit bleibt als globaler Megatrend eine aktuelle und zukünftige Herausforderung für die Einrichtungsbranche. Bezogen auf das Wohnen möchten Konsumenten heute ihre eigenen vier Wände möglichst schadstoffarm gestalten und gleichzeitig ihren ökologischen Fußabdruck optimieren. Umweltverträgliche Materialien und Möbelbauteile stehen daher bei zahlreichen Ausstellern der kommenden interzum besonders im Fokus. So stellt zum Beispiel der Holzverarbeiter Swiss Krono mit „BE.YOND“ die weltweit erste biobasierte Spanplatte vor, die höchste Anforderungen an die Raumluftqualität erfüllt. Insbesondere im Leicht- und Möbelbau spielt der regenerative und CO2-neutrale Wertstoff Holz eine tragende Rolle. Die Leichtbauplatte „aerowood®“, die das Sperrholzwerk Schweitzer aus Österreich in Köln präsentiert, ist ressourcenschonend, besonders leicht und frei formatierbar. Unter dem Motto „Nature is here“ präsentiert auch Proadec mit einer neuen Kantananleimung ein äußerst umweltfreundliches Produkt auf der Messe. Ein weiteres Thema sind biobasierte Kunststoffe wie zum Beispiel bei den Beschlägen des schwedischen Austellers Ackurat oder einer Produktneuheit des Unternehmens Oskar Lehmann, das unter anderem Kabelführungen für Schreibtische produziert. Dass Nachhaltigkeit sehr kreativ sein kann, zeigt der österreichische Hersteller Organoid an seinem Stand: Natürliche Oberflächen aus Heu oder Moos werden mit wiederverwerteten Zirkonia Schmucksteinen von Swarovski zum Glitzern gebracht.

Variable Lösungen: Individualisierung wird zum Standard
Wie ein roter Faden zieht sich auch der Megatrend Individualisierung durch die Präsentationen der kommenden interzum. Der Wunsch nach möglichst individuellen Lösungen verändert nachhaltig die Ansprüche an das Leben und Wohnen. Viele Aussteller zeigen daher Neuheiten, mit denen die Einrichtung an persönliche Anforderungen angepasst werden kann. Gestalterische Freiheit verspricht zum Beispiel die neue Kollektion „Innovus“ des portugiesischen Holzwerkstoffherstellers Sonae Arauco. Mit fünf neuen Oberflächen und rund 100 neuen Dekoren bietet sie zahlreiche Kombinations- und Einsatzmöglichkeiten. Ähnlich vielseitig ist auch die Marino-Kollektion von ServiCanto aus Spanien, mit der sich verschiedene Arten von Oberflächen kombinieren lassen. Eine individuelle Interpretation klassischer Holzoberflächen zeichnet die Neuheit des italienischen Herstellers Alpi aus. Bei der Furnier-Kollektion „Gamperana Triplex“, die in Zusammenarbeit mit dem Designer Martino Gamper entstand, sind die Furnierblätter nicht einzeln, sondern in Dreiergruppen angeordnet, was originelle Kompositionen ermöglicht. Praveedh Décor aus dem indischen Mumbai setzt dagegen auf eine Erweiterung des Farbspektrums von Acrylplatten: Das neue Produkt „OpuLux Fantasy“ kann nach Kundenwünschen mehrfarbig gestaltet werden.

Neue Offenheit: Verbindung von Wohnwelten
Schon seit einiger Zeit löst sich die Trennung zwischen verschiedenen Wohnbereichen immer weiter auf. Die Übergänge werden fließend und das hat Auswirkungen auf Systeme, Beschläge und Licht. Viele Aussteller der interzum 2019 beschäftigen sich daher mit flexibel einsetzbaren Gestaltungselementen, die eine durchgängige Wohnarchitektur ermöglichen. So bietet zum Beispiel das neue System „Schüco Openstyle“ die Möglichkeit, Räume je nach Anforderung und Wohnsituation flexibel zu verbinden oder auch zu unterteilen. Mit dem Messemotto „OpenUp“ proklamiert auch der Stauraumspezialist Vauth-Sagel eine neue Offenheit und präsentiert auf der Messe erstmals Lösungen für alle Bereiche des Wohnens. Ähnlich flexibel gibt sich der Hersteller von Funktionsbeschlägen Hettich: „Wir vereinfachen Vielfalt“, betont Uwe Kreidel, Geschäftsführer des Unternehmens, das auf der Messe unter anderem multifunktionale Neuheiten für unterschiedliche Wohnsituationen vorstellt.

Die Kunst des Weglassens: Komponenten werden unsichtbarer
Während Möbel flexibler und multifunktionaler werden, steigt gleichzeitig der Anspruch an das Design der technischen Lösungen. „Grundsätzlich gilt bei uns, dass ein Bewegungs-System das Gesamtdesign des Möbels aufwerten muss“, sagt Albert Trebo, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb von Grass aus Österreich. Vor diesem Hintergrund spielt die Miniaturisierung von Beschlagtechnik und von Komponenten wie Steuerung oder Licht weiterhin eine große Rolle. Kesseböhmer zeigt auf der interzum einen neuen Klappenbeschlag, der sich in Größe, Design und Funktion deutlich von bisher marktüblichen Lösungen unterscheidet. Auch der Hersteller von Lichtsystemen Hera setzt maßgeblich auf die Verkleinerung von Leuchten, damit diese fast unsichtbar in Möbel integriert werden können. Eine ganz neue Produktkategorie möchte das Herforder Start-Up Ambigence auf der diesjährigen interzum präsentieren, Das Prinzip: Möbelseite und Beschlag werden nicht länger als zwei getrennte Komponenten betrachtet, sondern zur Einheit. „Das Möbel wird von einschränkenden Beschlägen befreit, indem der Raum innerhalb einer Möbelplatte für die Integration von Funktionen genutzt wird“, so Norbert Poppenborg, Director Marketing & Business Development.

Micro Living: Mehr Komfort für wenig Raum
Ein weiteres globales Thema, das viele Aussteller der kommenden interzum beschäftigt, ist die zunehmende Urbanisierung. Mehr und mehr Menschen zieht es in die Städte und vor allem in den Metropolen wird der Wohnraum immer knapper und teurer. Diese Entwicklung erfordert eine optimale Ausnutzung vorhandener Flächen und Komponenten für mehr Raum pro Quadratmeter. Aktuelle Beispiele sind clevere Stauraumlösungen wie „urban smart kitchen“ von Kesseböhmer „Bei der Kollektion geht es darum, mit intelligenter und smarter Beschlagtechnik Stauraum auf kleinen Grundrissen optimal auszunutzen und Übersicht und komfortablen Zugriff auf den Inhalt zu schaffen, optional auch per Sprachsteuerung“, so Geschäftsführer Burkhard Schreiber. Das Entwicklungspotenzial knapper werdender Räume wird auf der Messe zudem mit einer eigenen Sonderfläche beleuchtet: Verschiedene Aussteller zeigen auf der Piazza „Tiny Spaces - Living in compact homes" neue Konzepte und Lösungen. Die Stararchitektin Yasemine Mahmoudieh wird außerdem ihre Erfahrungen in Bezug auf künftige Anforderungen an Tiny Spaces am interzum-Dienstag in einem Vortrag interessierten Zuhörern vorstellen.

Produktion von Matratzen: Effizienz für mehr Schlafkomfort
Auch in der Matratzenwelt wächst die Vielfalt. Materialien werden immer innovativer und perfekter verarbeitet. Die Qualitätsführer der Branche müssen sich daher gut aufstellen. Viele Aussteller der interzum setzen daher auf eine möglichst effiziente Produktion und neue Verfahren, die für mehr Schlafkomfort sorgen. Schreiner Machine Service (SMS) vertritt auf dem europäischen Markt verschiedene Maschinenhersteller und kündigt für die Messe eine Weltneuheit zur Herstellung von Federkernen an. Kunden können damit innovative Matratzen fertigen und gleichzeitig Kosten in der Produktion sparen. Auf deren Optimierung setzt auch der Spezialist für automatisierte Nählösungen Brother, der unter anderem das Modell BAS-370H vorstellen wird. Bei großen Nähflächen spart der freiprogrammierbare Nähfeldautomat Platz in der Produktion und ermöglicht ein schnelles Nähen. In eine ähnliche Richtung bewegt sich das spanische Unternehmen Visdeltex mit einem neuen System für die automatische und schnelle Polsterung von Bett- und Boxspring-Tops.

interzum 2019: Plattform für neue Ideen
Gerade die Zulieferindustrie hat in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, wie Innovationen den Markt und gleichzeitig die Ansprüche an die Lebensumgebung verändern. Mit den Neuheiten der kommenden interzum entscheidet sich unter anderem, welche Materialen, Oberflächen und Technologien die Gestaltung künftiger Einrichtungswelten bestimmen. Auf die neuesten Ideen und Lösungen der Aussteller darf man also gespannt sein.

Preisverleihung Deutscher Zukunftspreis 2016 © Ansgar Pudenz / Dt. Zukunftspreis
13.12.2016

DRESDNER CARBONBETONFORSCHER GEWINNEN DEUTSCHEN ZUKUNFTSPREIS

  • Bundespräsident Joachim Gauck übergibt Preis für Technik und Innovation

Die Dresdner Professoren Manfred Curbach, Chokri Cherif und Peter Offermann sind die Gewinner des Deutschen Zukunftspreises 2016. Bundespräsident Joachim Gauck überreichte den mit 250.000 Euro dotierten Preis am 30. November in Berlin. Das Forscherteam gehörte zu den drei Finalisten und konnte sich erfolgreich gegen seine Mitbewerber durchsetzen. „Zum ersten Mal in der Geschichte der Preisverleihung wurde ein Team aus dem Bereich des Bauwesens ausgezeichnet. Das zeigt uns, wie wichtig unsere Forschungen und unser Ansinnen sind, den so dringend notwendigen Paradigmenwechsel im Bauwesen herbeizuführen, hin zu mehr Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit“, so Manfred Curbach, Direktor des Institutes für Massivbau der TU Dresden und Sprecher des Gewinnerteams.

  • Bundespräsident Joachim Gauck übergibt Preis für Technik und Innovation

Die Dresdner Professoren Manfred Curbach, Chokri Cherif und Peter Offermann sind die Gewinner des Deutschen Zukunftspreises 2016. Bundespräsident Joachim Gauck überreichte den mit 250.000 Euro dotierten Preis am 30. November in Berlin. Das Forscherteam gehörte zu den drei Finalisten und konnte sich erfolgreich gegen seine Mitbewerber durchsetzen. „Zum ersten Mal in der Geschichte der Preisverleihung wurde ein Team aus dem Bereich des Bauwesens ausgezeichnet. Das zeigt uns, wie wichtig unsere Forschungen und unser Ansinnen sind, den so dringend notwendigen Paradigmenwechsel im Bauwesen herbeizuführen, hin zu mehr Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit“, so Manfred Curbach, Direktor des Institutes für Massivbau der TU Dresden und Sprecher des Gewinnerteams.

Der Deutsche Zukunftspreis des Bundespräsidenten gehört zu den wichtigsten Wissenschaftspreisen in Deutschland. Den Rektor der TU Dresden, Prof. Hans Müller-Steinhagen, freut es besonders: „Gratulation! Das ist ein großartiger Erfolg für die drei Professoren, für die TU Dresden und auch für den Wissenschaftsstandort Dresden. Damit gelingt es Wissenschaftlern unserer Universität nach 2011 bereits zum zweiten Mal, beginnend mit der Idee und der Grundlagenforschung bis hin zur Markteinführung, die Entstehung zukunftsweisender Innovation nachvollziehbar zu machen und so die hochkarätige Jury des Deutschen Zukunftspreises zu überzeugen.“ 

Die drei Forscher der TU Dresden entwickelten einen neuen Verbundwerkstoff, der statt einer Stahlbewehrung auf den Einsatz von Carbon setzt. Carbon ist viermal leichter und sechsmal tragfähiger als Stahl. Das Potenzial des innovativen Verbundwerkstoffes ist immens. Im Gegensatz zu Stahlbeton ist Carbonbeton widerstandsfähiger und gleichzeitig beständiger, da er nicht rostet. Bauteile und Bauwerke können dünner konstruiert werden, wodurch wertvolle Ressourcen, wie Wasser und Sand, gespart werden. Das Material lässt zudem filigrane Formen und vielfältige Einsatzbereiche zu. Beim Einsatz von Carbonbeton sind mehr als 50 % Materialeinsparung möglich. Damit geht auch die Reduzierung des Energieverbrauchs und des CO2-Ausstoßes einher. Der Entwicklungsfortschritt liegt auch im Detail. Bauteile aus Carbonbeton ermöglichen eine Kombination mit Zusatzfunktionen, wie Dämmen, Heizen oder Überwachen von Gebäuden.

Nicht nur im Bereich des Neubaus kann Carbonbeton eingesetzt werden. Das Material eignet sich auch hervorragend für die Verstärkung bestehender Bauwerke. Die Lebensdauer von Gebäuden, Brücken und Masten kann durch Auftragen einer dünnen Schicht Carbonbeton deutlich erhöht werden. Schon seit 2006 werden deutschland- sowie weltweit alte Bauwerke, wie ein Kaufhaus in Prag oder auch riesige Silos, wie die Zuckersilos in Uelzen, mit diesen Verfahren verstärkt. Der Baustoff Carbonbeton stellt also nicht nur eine Innovation für den Standort Dresden dar, sondern wird weltweit immer wichtiger. 

Die Bedeutung der Carbonbeton-Technologie erkannte auch das Bundeministerium für Bildung und Forschung und fördert den 2014 gegründeten Verein C³ – Carbon Concrete Composite e. V. mit bis zu 43 Millionen Euro. Der C³ e. V. ist ein interdisziplinäres Netzwerk aus mehr als 150 Partnern aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden, die gemeinsam die Einführung des Materials auf dem Markt vorantreiben.

EuroShop 2017 © Messe Duesseldorf / ctillmann
18.10.2016

EUROSHOP 2017 – „SCHAUFENSTERFIGUREN: ECHTE STIMMUNGSMACHER!“

  • Visuelles Marketing wird angesichts der E-Commerce-Konkurrenz für den stationären Handel wichtiger
  • Display Mannequins stehen dabei im Fokus
  • Emotionalität ist entscheidend
  • Auch Individualität und Flexibilität sind gefragt
  • Der Trend geht zu semi-abstrakten Figuren, wobei es regionale und Genre-Unterschiede gibt
  • Customized-Anteil steigt
  • Nachhaltigkeit bleibt nachhaltig Thema

 Die EuroShop zählt zu den Messen, die stets auch optisch reich an Highlights sind. Besonderen Hochgenuss bietet dabei naturgemäß die Visual Merchandising Halle, Ausstellungsort der Display Mannequins und Store Window Decorations. Im März 2017 ist es die Halle 11 des Düsseldorfer Messegeländes (statt bisher der Halle 4), die sich in eine POS-Erlebniswelt verwandeln wird. Viel Aufmerksamkeit dürfte ihr gewiss sein.

  • Visuelles Marketing wird angesichts der E-Commerce-Konkurrenz für den stationären Handel wichtiger
  • Display Mannequins stehen dabei im Fokus
  • Emotionalität ist entscheidend
  • Auch Individualität und Flexibilität sind gefragt
  • Der Trend geht zu semi-abstrakten Figuren, wobei es regionale und Genre-Unterschiede gibt
  • Customized-Anteil steigt
  • Nachhaltigkeit bleibt nachhaltig Thema

 Die EuroShop zählt zu den Messen, die stets auch optisch reich an Highlights sind. Besonderen Hochgenuss bietet dabei naturgemäß die Visual Merchandising Halle, Ausstellungsort der Display Mannequins und Store Window Decorations. Im März 2017 ist es die Halle 11 des Düsseldorfer Messegeländes (statt bisher der Halle 4), die sich in eine POS-Erlebniswelt verwandeln wird. Viel Aufmerksamkeit dürfte ihr gewiss sein. Denn angesichts der E-Commerce-Konkurrenz werden das visuelle Marketing und daraus resultierend ein emotionaler, individueller Auftritt für stationäre Einzelhändler immer wichtiger. „Das Bedürfnis der Konsumenten nach Emotionen wird das übergeordnete Thema der EuroShop werden“, ist nicht nur Andreas Gesswein überzeugt, CEO des Unternehmens Genesis Display aus Auetal.

Display Mannequins haben besonderes Potenzial, Stimmungen zu erzeugen. Nicht ohne Grund stellte der Düsseldorfer Gestalter für visuelles Marketing Domagoj Mrsic sie bei einer seiner Inszenierungen einst als „Superheroes“ dar, als Superman und Wonder Woman, Batman und Catwoman, Spiderman und Spiderwoman. Gut gemacht, sind Figuren in gewisser Weise wirklich Helden. Mit ihrem Aussehen, ihrer Haltung, Gestik und Mimik sind sie in der Lage, Schaufenstern und Instore-Dekorationen Leben einzuhauchen, als verkaufsförderndes Stimulans zu wirken oder zumindest Sympathie, Interesse und Neugier zu wecken. Wenn sie nicht gerade kopflos und abstrakt sind, geben sie Handelshäusern und Marken Profil und Gesicht. Mit der Macht ihrer Pose vermögen sie es Stellung zu beziehen, welche Zielgruppe angesprochen, welcher Modegrad und welches Preislevel bedient werden sollen. Zudem können sie, gerade wenn sie in Gruppen auftreten, dem Betrachter Geschichten erzählen. Unvergessen die Figurenserie „Ugly’s“ des niederländischen Anbieters Hans Boodt, die humorvoll Männer aus dem wahren Leben nachahmte, statt „Jungs“ mit wohlgeformten Waschbrettbäuchen abzubilden. Ein langer Schmächtiger war ebenso dabei wie ein kleiner Untersetzter, gekleidet in Liebestöter-Unterwäsche. „Die neue Generation der Mannequins wird mehr über die Marke aussagen. Sie wird dazu beitragen, mehr über die wesentlichen Werte der Brand zu kommunizieren und sie vom Wettbewerb abzusetzen“, sagt Jean-Marc Mesguich, CEO von Window France mit Sitz in Carros.

Das Angebotsspektrum der Figurenbranche ist breit: Neben Top-Model-Doubles umfasst es Plus-Size-Beautys, Europäer, Afrikaner und Asiaten, besagte Superheroes und lustige Normalos. Küssende Paare sind ebenso dabei wie Sumo-Ringer. Nach dem Motto „bloß nicht tierisch ernst“ kamen die Anbieter längst auch auf den Hund oder die Katze. Und sogar auf das Chamäleon, denn so manche Figur entpuppt sich als Verwandlungskünstler. „Cameleon“ zum Beispiel ist ein patentiertes Konzept von Window France: Hunderte von Augen und Lippen stehen zur Wahl, Wimpern lassen sich ankleben, Perücken auf- und absetzen, das Make-up variieren oder dank Magneten gleich das ganze Gesicht. Einem permanent neuen POS-Auftritt steht damit nichts im Wege. Dazu gesellen sich eine im Markt inzwischen riesige Farb- und Materialvielfalt: Oberflächen aus Samt und Gummi sind ebenso zu haben wie Metallic-Lackierungen oder Beton- und Kupfer-Optiken.

Angesichts dessen, was in den letzten Jahren alles präsentiert wurde, fragt man sich, was jetzt noch Neues kommen kann. Wobei das Gros von Modehandel und Markenindustrie schon die vorhandenen Möglichkeiten zuletzt nicht annähernd ausreizte. In den vergangenen Jahren wurden vor allem abstrakte Figuren nachgefragt. „Sie sind vielseitig einsetzbar und einfach zu handhaben, da zum Beispiel keine Perücken und kein Make-up gestylt werden müssen“, kennt Andreas Gesswein (Genesis Display) die Gründe und ergänzt: „Leichter zu kopieren sind sie allerdings auch und damit in jedem Preissegment erhältlich.“ In der Praxis geht Effizienz mitunter erkennbar vor Emotion. „Doch wenn Stores sich in ihrer Darstellung nicht unterscheiden, reizt es auch nicht, sie zu betreten“, macht Jean-Marc Mesguich deutlich (Window France). Und zur EuroShop 2017? Window France jedenfalls wird weit mehr als „aufregende Variationen des abstrakten Themas bereithalten“.

Es wird wieder Gesicht gezeigt

Fakt ist: Wie die Mode, die sie zur Schau tragen, unterliegen Display Figuren Trends. Ausgelöst durch den Wunsch nach mehr Differenzierung und Ausdruck nehmen die Branchenvertreter inzwischen eine Entwicklung hin zu semi-abstrakten Figuren wahr. „Es wird zumindest wieder ein Gesicht angedeutet. Die Figuren sind weniger neutral. Es wird erkennbar: Man möchte wieder ein Statement setzen und sich bekennen. Die Entwicklung geht hin zu mehr Profil und einer klareren Zielgruppenansprache“, berichtet Cornel Klugmann, Country-Manager der D-A-CH-Region bei Hans Boodt aus dem niederländischen Zwijndrecht. Monica Ceruti, zuständig für PR & Communication bei Almax aus Mariano Comense/Italien, stimmt zu: „Zwar ist die Nachfrage nach abstrakten Figuren nach wie vor hoch, doch die Tendenz geht eindeutig in Richtung stärkerer realistischer Züge. Dazu gehören Details wie die Applikation von Wimpern oder Perücken. Auch dynamische Posen werden wieder populärer.“ Andreas Gesswein (Genesis Display) bemerkt: „Insbesondere in der Luxusbranche ist eine verstärkte Nachfrage nach realistischeren Figuren mit Gesicht und emotionalem Ausdruck zu verzeichnen, wodurch sich die Marken wieder von der Masse abheben wollen.“ Ein Trend, den Jean-Marc Mesguich bestätigt: „Die Haute-Couture-Marken haben die Eierköpfe längst verbannt und gegen etwas ausgetauscht, das mehr Wirkung hat und dafür sorgt, dass die Menschen über die Brand sprechen.“ Er fügt hinzu: „Die zunehmende Entwicklung, Mode online anzusehen pusht den Einzelhandel und die Marken, attraktivere Fenster zu gestalten und ihre Displays regelmäßiger auszutauschen.“

Die Zeit der konturlosen „Eierköppe“ scheint also vorbei. Und darüber hinaus? „Die Anmutung wird wertiger. Weiß und Grau lösen dunklere Töne ab, glossy ersetzt matt und es sind anspruchsvolle Looks mit mehr Ausstrahlung gefragt“, so Cornel Klugmann (Hans Boodt). Monica Ceruti (Almax) sieht überdies viel Potenzial für „handhandcrafted Looks“. Dazu gehören Büsten mit oder ohne Arme, bei denen die Materialien zwischen den einzelnen Bestandteilen, wie Podest, Torso oder Kopf, variieren und Holz- sowie metallische Oberflächen den Ton angeben. Sabrina Ciofi aus dem Design Office von La Rosa aus Palazzolo Milanese/Italien fasst die „großen Zukunftsthemen“ so zusammen: „Gefragt sind hohe Produktqualität, richtiger Preis, maximaler Kundenservice und hohe Produkt-Flexibilität beziehungsweise Vielseitigkeit.“ Eine Aussage, die länderübergreifend Gültigkeit haben dürfte. Ansonsten sagt sie trotz aller Globalisierung: „Es gibt so viele Trends, wie es Märkte gibt.“ Monica Ceruti (Almax) konkretisiert: „In Europa und den USA sind die Unterschiede nicht gravierend. Im Mittleren Osten hingegen sind aus religiösen und kulturellen Gründen zum Beispiel weiterhin Figuren ohne realistische Züge gefragt, das gilt insbesondere für die weiblichen Display Mannequins.“

Individueller wird günstiger

Generell steigt der Anteil der Customized Figuren, berichten die Produzenten. Diese Display Mannequins werden ganz nach Kundenwunsch individuell gestaltet und exklusiv gefertigt. Auf diese Weise können sich Handelsunternehmen und Marken sichtbar vom Wettbewerb differenzieren und konsequent ihrer CI folgen. Bei Hans Boodt zum Beispiel liegt der Customized-Anteil, so heißt es, bei mittlerweile 75 Prozent. Und er dürfte dank kostensenkender Prozessoptimierung weiter steigen. Die Niederländer haben, ebenso wie auch Window France,  die 3D-Drucktechnologie für sich und ihre Kunden entdeckt. Wurden Prototypen bis dato aufwändig von Bildhauern aus Ton modelliert, so werden diese nun zeit- und kostensparend „gedruckt“. „Das Verfahren ist zugleich noch detailgetreuer und lebensechter als zuvor“, ist Cornel Klugmann (Hans Boodt) begeistert. Grafikdesigner kreieren am Bildschirm die gewünschten Figuren, variabel lassen sich dabei die Details konfigurieren, dann werden die Dateien an den Drucker übergeben, der sie 1:1 in die Tat umsetzt. „Wir können deutlich schneller auf Trends reagieren und letztlich auch mehr neue Kollektionen pro Jahr kreieren“, fügt Klugmann weitere Vorteile an. Jean-Marc Mesguich (Window France) ergänzt: „Dank 3D können wir Mannequins kreieren, die wirklich präzise mit dem Image jeder einzelnen Marke korrespondieren, um zugleich perfekt im Gleichklang mit dem Publikum zu sein. Das ist eine bedeutende Evolution in der Rolle, die Figuren spielen.“

Neben der Prozessoptimierung bleibt Nachhaltigkeit nachhaltig wichtig für die Branche. „Die Modebranche ist inzwischen sehr sensibilisiert, was dieses Thema angeht und es ist wichtig, dass auch ihre Zulieferer entsprechende Kriterien einhalten“, ist Monica Ceruti (Almax) über zeugt. Ähnlich sehen es die anderen befragten Marktteilnehmer. Aus Sicht von La Rosa, deren Mannequins ausnahmslos in Italien designt und produziert werden, ist Nachhaltigkeit ein Qualitäts-Bestandteil. Die Italiener haben nach eigenen Angaben den gesamten Lebenszyklus ihrer Figuren analysiert, um den ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Nahezu die Hälfte des Polystyrols, das sie zur Produktion einsetzen, sei inzwischen recycelt, wodurch u.a. in erheblichem Umfang Rohöl und Kohlendioxid-Emissionen eingespart würden. La Rosa nimmt seine Produkte zudem nach dem Gebrauch zurück und führt sie dem Materialkreislauf wieder zu. Der Produktionsbetrieb arbeite zudem zum Beispiel mit einem CO2-Abscheider, die Kühltürme nutzen Brauchwasser, Energie liefert der eigene Photovoltaik-Park. Andreas Gesswein (Genesis Display) betont ebenfalls die Bedeutung der Thematik: „Unsere Kunden bauen auf Vertrauen, Ehrlichkeit und partnerschaftliche Zusammenarbeit. Da gehört es sich, bei der Nachhaltigkeit Nachweise zu erbringen und nicht nur die Werbetexte von anderen abzuschreiben. In Zusammenarbeit mit Dupont Tate and Lyle BioProducts haben wir den Anteil an Biomasse in unseren Figuren in den letzten Jahren noch weiter erhöht, genauso wie wir alle Materialien, Verpackungen und Transportwege ständig auf Nachhaltigkeit prüfen, verbessern und ausbauen.“ Einen interessanten Weg beschreitet auch Hans Boodt. Das Unternehmen prüft aktuell, ob sich nicht auch Ocean Plastic, also der Plastikmüll der Weltmeere, als Produktionsrohstoff einsetzen lässt.

Die EuroShop als Zukunftschance

Der Markt der Display Figuren ist und bleibt kräftig in Bewegung – auf Angebots- und Nachfrageseite. „Es gibt die Kunden, die ihre Figuren günstig über das Internet beziehen und jene, die an Top-Qualität, professioneller Beratung und ganzheitlichen Visual-Merchandising-Konzepten interessiert sind“, erläutern Andreas Gesswein (Genesis Display) und Cornel Klugmann (Hans Boodt). Wem sie mehr Erfolg zutrauen, dürfte klar sein. Andreas Gesswein: „Die Herausforderungen sind enorm. Gerade das Jahr 2016 hat dem Modehandel sehr viel abverlangt, auch in Asien und den USA. Die Unternehmen stehen vor einem veränderten Markt und Käuferverhalten. Die EuroShop 2017 wird daher vielleicht eine der wichtigsten seit ihrer Gründung sein.“ Jean-Marc Mesguich, (Window France) betont: „Ich denke, dass es elementar wichtig ist, auf der EuroShop präsent zu sein. Für beide: Aussteller und Kunden. Beiden Parteien bietet die Plattform eine verlässliche Möglichkeit, Sichtweisen auszutauschen und sie unterstützt dabei, gemeinsam den Weg vorwärts zu beschreiten. Wir sind aktuell an einem Wendepunkt im Markt, daher bekommt dies für jeden von uns einen nochmals höheren Stellenwert.“ Auch Cornel Klugmann legt den Vertretern des Handels einen Messebesuch nahe: „Unsere Innovationskraft ist die Chance für die Zukunft.“
 
Die EuroShop 2017 ist für Fachbesucher von Sonntag, 05. März 2017, bis Donnerstag, 09. März 2017, täglich von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Die Tageskarte kostet 70,- Euro (50,-- Euro im Online-Vorverkauf (e-Ticket),  die 2-Tageskarte 90,-- Euro (70,-- Euro im OVV) und die Dauerkarte 150,-- Euro (130,-- Euro im OVV). Die Eintrittskarten beinhalten die kostenlose Hin- und Rückfahrt zur EuroShop mit VRR-Verkehrsmitteln (Verkehrsverbund-Rhein-Ruhr).