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CO2 in stabile Kohlenstoff-Nanofasern umwandeln (c) Zhenhua Xie/Brookhaven National Laboratory und Columbia University; Erwei Huang/Brookhaven National Laboratory
22.01.2024

CO2 in stabile Kohlenstoff-Nanofasern umwandeln

Die elektrokatalytisch-thermokatalytische Mehrfachumwandlung könnte dazu beitragen, die Emissionen eines starken Treibhausgases auszugleichen, indem Kohlenstoff in einem nützlichen Material eingeschlossen wird.

Die elektrokatalytisch-thermokatalytische Mehrfachumwandlung könnte dazu beitragen, die Emissionen eines starken Treibhausgases auszugleichen, indem Kohlenstoff in einem nützlichen Material eingeschlossen wird.

Wissenschaftler des Brookhaven National Laboratory des US-Energieministeriums (DOE) und der Columbia University haben eine Methode entwickelt, um Kohlendioxid (CO2), ein starkes Treibhausgas, in Kohlenstoff-Nanofasern umzuwandeln, Materialien mit einer breiten Palette einzigartiger Eigenschaften und vielen potenziellen langfristigen Einsatzmöglichkeiten. Ihre Strategie beruht auf einem Zusammenspiel von elektrochemischen und thermochemischen Reaktionen, die bei relativ niedrigen Temperaturen und Umgebungsdruck ablaufen. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Nature Catalysis beschreiben, könnte es mit diesem Ansatz gelingen, Kohlenstoff in einer nützlichen festen Form zu binden, um Kohlenstoffemissionen auszugleichen oder sogar negativ zu gestalten.

„Man kann die Kohlenstoff-Nanofasern in Zement einarbeiten, um ihn zu verstärken“, so Jingguang Chen, Professor für Chemieingenieurwesen an der Columbia University mit einer gleichzeitigen Anstellung am Brookhaven Lab, der die Forschungsarbeiten leitete. "Damit wäre der Kohlenstoff für mindestens 50 Jahre, möglicherweise sogar länger, im Beton eingeschlossen. Bis dahin sollte die Welt hauptsächlich auf erneuerbare Energiequellen umgestellt sein, die keinen Kohlenstoff freisetzen.

Als Bonus produziert das Verfahren auch Wasserstoffgas (H2), einen vielversprechenden alternativen Kraftstoff, der bei seiner Verwendung keine Emissionen verursacht.

Bindung oder Umwandlung von Kohlenstoff?
Die Idee, CO2 zu binden oder es in andere Stoffe umzuwandeln, um den Klimawandel zu bekämpfen, ist nicht neu. Aber die einfache Lagerung von CO2-Gas kann zu Lecks führen. Und bei vielen CO2-Umwandlungen werden Chemikalien oder Kraftstoffe auf Kohlenstoffbasis hergestellt, die sofort verwendet werden, wodurch das CO2 wieder in die Atmosphäre gelangt.

„Das Neue an dieser Arbeit ist, dass wir versuchen, CO2 in etwas umzuwandeln, das einen Mehrwert bietet, und zwar in einer festen, sinnvollen Form“, so Chen.

Solch feste Kohlenstoffmaterialien - einschließlich Kohlenstoff-Nanoröhren und Nanofasern mit Abmessungen im Milliardstel-Meter-Bereich - haben viele ansprechende Eigenschaften, darunter Festigkeit sowie thermische und elektrische Leitfähigkeit. Es ist jedoch keine einfache Angelegenheit, Kohlenstoff aus Kohlendioxid zu extrahieren und ihn zu diesen feinen Strukturen zusammenzufügen. Ein direkter, hitzegetriebener Prozess erfordert Temperaturen von über 1.000 Grad Celsius.

„Das ist für die CO2-Reduzierung in großem Maßstab sehr unrealistisch“, sagte Chen. „Im Gegensatz dazu haben wir einen Prozess gefunden, der bei etwa 400 Grad Celsius abläuft, was eine viel praktikablere, industriell erreichbare Temperatur ist.“

Der zweistufige Tandemprozess
Der Trick bestand darin, die Reaktion in mehrere Schritte aufzuteilen und zwei verschiedene Arten von Katalysatoren zu verwenden - Materialien, die es den Molekülen leichter machen, zusammenzukommen und zu reagieren.

„Wenn man die Reaktion in mehrere Teilschritte aufteilt, kann man verschiedene Arten von Energiezufuhr und Katalysatoren in Betracht ziehen, um jeden Teil der Reaktion zum Laufen zu bringen“, so Zhenhua Xie, Forscher am Brookhaven Lab und an der Columbia University, Hauptautor der Studie.

Die Wissenschaftler stellten zunächst fest, dass Kohlenmonoxid (CO) ein viel besseres Ausgangsmaterial als CO2 für die Herstellung von Kohlenstoff-Nanofasern (CNF) ist. Dann machten sie sich auf die Suche nach dem effizientesten Weg, um CO aus CO2 zu erzeugen.

Frühere Arbeiten ihrer Gruppe veranlassten sie, einen handelsüblichen Elektrokatalysator aus Palladium auf Kohlenstoffträgern zu verwenden. Elektrokatalysatoren treiben chemische Reaktionen mit Hilfe eines elektrischen Stroms an. In Gegenwart von fließenden Elektronen und Protonen spaltet der Katalysator sowohl CO2 als auch Wasser (H2O) in CO und H2 auf.

Für den zweiten Schritt wählten die Wissenschaftler einen hitzeaktivierten Thermokatalysator aus einer Eisen-Kobalt-Legierung. Er arbeitet bei Temperaturen um 400 Grad Celsius, also deutlich schonender als es eine direkte Umwandlung von CO2 in CNF erfordern würde. Sie entdeckten außerdem, dass die Zugabe von etwas zusätzlichem metallischem Kobalt die Bildung der Kohlenstoff-Nanofasern stark fördert.

„Durch die Kopplung von Elektrokatalyse und Thermokatalyse können wir mit diesem Tandemverfahren Dinge erreichen, die mit einem der beiden Verfahren allein nicht möglich sind“, so Chen.

Katalysator-Charakterisierung
Um herauszufinden, wie diese Katalysatoren im Detail funktionieren, führten die Wissenschaftler eine Vielzahl von Experimenten durch. Dazu gehörten computergestützte Modellierungsstudien, physikalische und chemische Charakterisierungsstudien an der Nationalen Synchrotronlichtquelle II (NSLS-II) des Brookhaven Labs - unter Verwendung der Quick X-ray Absorption and Scattering (QAS)- und Inner-Shell Spectroscopy (ISS)-Strahlführungen - sowie mikroskopische Aufnahmen in der Elektronenmikroskopie-Anlage des Center for Functional Nanomaterials (CFN) des Labs.

Bei der Modellierung verwendeten die Wissenschaftler Berechnungen der Dichtefunktionaltheorie (DFT), um die atomaren Anordnungen und andere Eigenschaften der Katalysatoren bei der Wechselwirkung mit der aktiven chemischen Umgebung zu analysieren.

"Wir untersuchen die Strukturen, um festzustellen, welches die stabilen Phasen des Katalysators unter den Reaktionsbedingungen sind", erklärte Studienmitautor Ping Liu von der Chemieabteilung in Brookhaven, der diese Berechnungen leitete. "Wir untersuchen die aktiven Stellen und wie sich diese Stellen mit den Reaktionszwischenprodukten verbinden. Indem wir die Barrieren oder Übergangszustände von einem Schritt zum anderen bestimmen, erfahren wir genau, wie der Katalysator während der Reaktion funktioniert."

Röntgenbeugungs- und Röntgenabsorptionsexperimente an der NSLS-II verfolgten, wie sich die Katalysatoren während der Reaktionen physikalisch und chemisch verändern. Die Synchrotron-Röntgenstrahlen zeigten beispielsweise, wie sich das metallische Palladium im Katalysator durch elektrischen Strom in Palladiumhydrid umwandelt, ein Metall, das für die Produktion von H2 und CO in der ersten Reaktionsstufe entscheidend ist.

Für die zweite Stufe „wollten wir wissen, wie die Struktur des Eisen-Kobalt-Systems unter den Reaktionsbedingungen aussieht und wie man den Eisen-Kobalt-Katalysator optimieren kann“, so Xie. Die Röntgenexperimente bestätigten, dass sowohl eine Legierung aus Eisen und Kobalt als auch zusätzliches metallisches Kobalt vorhanden sind und benötigt werden, um CO in Kohlenstoff-Nanofasern umzuwandeln.

„Die beiden arbeiten nacheinander zusammen“, sagte Liu, deren DFT-Berechnungen zur Erklärung des Prozesses beitrugen.

„Unserer Studie zufolge tragen die Kobalt-Eisen-Stellen in der Legierung dazu bei, die C-O-Bindungen des Kohlenmonoxids zu brechen. Dadurch wird atomarer Kohlenstoff verfügbar, der als Quelle für den Aufbau von Kohlenstoff-Nanofasern dient. Das zusätzliche Kobalt erleichtert dann die Bildung der C-C-Bindungen, die die Kohlenstoffatome miteinander verbinden", erklärte sie.

Recyclingfähig, kohlenstoffnegativ
„Die am CFN durchgeführten Analysen mit dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) zeigten die Morphologie, die Kristallstrukturen und die Elementverteilung in den Kohlenstoff-Nanofasern sowohl mit als auch ohne Katalysator“, sagt Sooyeon Hwang, Wissenschaftlerin am CFN und Mitautorin der Studie.

Die Bilder zeigen, dass der Katalysator beim Wachsen der Kohlenstoff-Nanofasern nach oben und von der Oberfläche weggeschoben wird. Das macht es einfach, das katalytische Metall zu recyceln, so Chen.

„Wir verwenden Säure, um das Metall auszulaugen, ohne die Kohlenstoff-Nanofaser zu zerstören, so dass wir die Metalle konzentrieren und recyceln können, um sie erneut als Katalysator zu verwenden“, führte er aus.

Diese einfache Wiederverwertung des Katalysators, die kommerzielle Verfügbarkeit der Katalysatoren und die relativ moderaten Reaktionsbedingungen für die zweite Reaktion tragen nach Ansicht der Forscher zu einer günstigen Bewertung der mit dem Verfahren verbundenen Energie- und sonstigen Kosten bei.

„Für praktische Anwendungen ist beides sehr wichtig - die Analyse des CO2-Fußabdrucks und die Wiederverwertbarkeit des Katalysators“, so Chen. „Unsere technischen Ergebnisse und diese anderen Analysen zeigen, dass diese Tandemstrategie eine Tür für die Dekarbonisierung von CO2 in wertvolle feste Kohlenstoffprodukte bei gleichzeitiger Erzeugung von erneuerbarem H2 öffnet."

Wenn diese Prozesse durch erneuerbare Energie angetrieben werden, wären die Ergebnisse wirklich kohlenstoffnegativ, was neue Möglichkeiten zur CO2-Minderung eröffnet.

Quelle:

Brookhaven National Laboratory
Übersetzung: Textination

offshore windpark Nicholas Doherty, unsplash
17.10.2023

Recyclinglösung für Faserverbundwerkstoffe durch Pyrolyse

Nach 20 bis 30 Jahre haben Windenergieanlagen ihre Lebensdauer erreicht. Anschließend werden sie abgebaut und dem Recyclingverfahren zugeführt. Allerdings ist das Recycling der Faserverbundwerkstoffe, insbesondere aus dickwandigen Rotorblattteilen, bislang unzureichend. Stand der Technik ist die thermische oder mechanische Verwertung. Für einen nachhaltigen und ganzheitlichen Recyclingprozess bündelt ein Forschungskonsortium unter der Leitung des Fraunhofer IFAM ihr Know-how, um die eingesetzten Fasern durch Pyrolyse zurückzugewinnen. Eine anschließende Oberflächenbehandlung und Qualitätsprüfung der Rezyklate ermöglichen die erneute industrielle Anwendung.

Nach 20 bis 30 Jahre haben Windenergieanlagen ihre Lebensdauer erreicht. Anschließend werden sie abgebaut und dem Recyclingverfahren zugeführt. Allerdings ist das Recycling der Faserverbundwerkstoffe, insbesondere aus dickwandigen Rotorblattteilen, bislang unzureichend. Stand der Technik ist die thermische oder mechanische Verwertung. Für einen nachhaltigen und ganzheitlichen Recyclingprozess bündelt ein Forschungskonsortium unter der Leitung des Fraunhofer IFAM ihr Know-how, um die eingesetzten Fasern durch Pyrolyse zurückzugewinnen. Eine anschließende Oberflächenbehandlung und Qualitätsprüfung der Rezyklate ermöglichen die erneute industrielle Anwendung.

Windenergieanlagen lassen sich bereits heute zu sehr großen Teilen sauber recyceln. Bei den Rotorblättern steht das Recycling jedoch erst am Anfang. Aufgrund der Nutzungsdauer von ca. 20 Jahren sind in den kommenden Jahren und Jahrzehnten steigende Rotorblattmengen zu erwarten, die einer möglichst hochwertigen Verwertung zugeführt werden müssen. Im Jahr 2000 wurden beispielsweise ca. 6.000 Windenergieanlagen in Deutschland errichtet, die jetzt einem nachhaltigen Recyclingverfahren zugeführt werden müssen. Insgesamt waren im Jahr 2022 allein in Deutschland etwa 30.000 Windenergieanlagen an Land und auf See mit einer Leistung von 65 Gigawatt im Einsatz. [1]

Da die Windenergie die wichtigste Säule für eine klimaneutrale Stromversorgung ist, hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, den Ausbau bis 2030 mit größeren und moderneren Anlagen weiter zu steigern. Die Offshore-Rotorblätter werden länger, der Anteil an eingesetzten Kohlenstofffasern wird weiter steigen – und somit auch die Abfallmengen. Zudem ist für die Zukunft zu erwarten, dass der bestehende Materialmix in den Rotorblättern zunimmt und zum Recycling genaue Kenntnisse über den Aufbau der Komponenten noch wichtiger werden. Dies unterstreicht die Dringlichkeit, insbesondere für das Recycling der dickwandigen Faserverbundwerkstoffe in den Rotorblättern, nachhaltige Aufbereitungsverfahren zu entwickeln.

 
Ökonomische und ökologische Recyclinglösung für Faserverbundwerkstoffe in Sicht
Rotorblätter der jetzt zum Recycling anstehenden Windenergieanlagen setzen sich mit über 85 Gewichtsprozent aus glas- und kohlefaserverstärkten Duroplasten (GFK/CFK) zusammen. Ein großer Anteil dieser Materialien befindet sich im Flansch- und Wurzelbereich sowie innerhalb der faserverstärkten Gurte als dickwandige Laminate mit Wandstärken von bis zu 150 mm. Die Erforschung des hochwertigen stofflichen Faserrecyclings als Endlosfaser ist nicht zuletzt wegen des Energiebedarfs zur Kohlenstofffaserproduktion von besonderer Bedeutung. Hier setzt das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Projekt »Pyrolyse dickwandiger Faserverbundwerkstoffe als Schlüsselinnovation im Recyclingprozess für Rotorblätter von Windenergieanlagen« – kurz »RE SORT« – an. Ziel des Projektteams ist das vollständige Recycling mittels Pyrolyse.

Voraussetzung für eine hochwertige Verwertung der Faserverbundwerkstoffe ist die Trennung der Fasern von der zumeist duroplastischen Matrix. Die Pyrolyse ist für diesen Prozess zwar ein geeignetes Verfahren, konnte sich aber bislang nicht durchsetzen. Innerhalb des Projekts untersuchen und entwickeln die Projektpartner daher Pyrolysetechnologien, die das Recycling von dickwandigen Faserverbundstrukturen wirtschaftlich ermöglichen und sich von den heute üblichen Verwertungsverfahren für Faserverbundwerkstoffe technisch unterscheiden. Dabei werden sowohl eine quasikontinuierliche Batch- als auch die Mikrowellen-Pyrolyse betrachtet.

Bei der Batch-Pyrolyse, die innerhalb des Vorhabens entwickelt wird, handelt es sich um einen Pyrolyseprozess, in dem die duroplastische Matrix dicker Faserverbundbauteile durch externe Erhitzung in ölige und vor allem gasförmige Kohlenwasserstoffverbindungen langsam zersetzt wird. Bei der Mikrowellenpyrolyse erfolgt die Energiezufuhr durch die Absorption von Mikrowellenstrahlung, sodass es zu einer inneren schnellen Wärmeentwicklung kommt. Die quasikontinuierliche Batch-Pyrolyse als auch die Mikrowellenpyrolyse erlauben die Abscheidung von Pyrolysegasen bzw. – ölen. Die geplante Durchlauf-Mikrowellenpyrolyse ermöglicht zudem den Erhalt und die Wiederverwendung der Fasern in ihrer gesamten Länge.

 
Wie die Kreislaufwirtschaft gelingt – ganzheitliche Verwertung der gewonnenen Recyclingprodukte
In einem nächsten Schritt werden die Oberflächen der zurückgewonnenen Rezyklatfasern mittels atmosphärischer Plasmen und nasschemischer Beschichtungen aufbereitet, um einer erneuten industriellen Anwendung zugeführt werden zu können. Anhand von Festigkeitsuntersuchungen lässt sich schließlich entscheiden, ob die Rezyklatfasern erneut in der Windenergie oder beispielsweise im Automobilbau oder im Sportartikelbereich Einsatz finden.

Die in der Batch- und Mikrowellenpyrolyse gewonnenen Pyrolyseöle und Pyrolysegase werden bezüglich der Nutzbarkeit als Rohstoff für die Polymersynthese (Pyrolyseöle) oder als Energiequelle zur energetischen Nutzung in Blockheizkraftwerken (BHKW) (Pyrolysegase) bewertet.

Sowohl die quasikontinuierliche Batch-Pyrolyse als auch die Durchlauf-Mikrowellenpyrolyse versprechen einen wirtschaftlichen Betrieb und eine maßgebliche Verringerung des ökologischen Fußabdrucks bei der Entsorgung von Windenergieanlagen. Daher stehen die Chancen für eine technische Umsetzung und Verwertung der Projektergebnisse sehr gut, sodass mit diesem Projekt ein entscheidender Beitrag zum Erreichen der Nachhaltigkeits- und Klimaziele der Bundesregierung geleistet werden kann.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM

Ein kurzer Check mit dem Smartphone und der integrierten Spektralanalyse erkennt das Gewebe des Kleidungsstücks. Foto: © Fraunhofer IPMS. Ein kurzer Check mit dem Smartphone und der integrierten Spektralanalyse erkennt das Gewebe des Kleidungsstücks.
10.10.2023

Kleider-Check mit Smartphone, KI und Infrarot-Spektroskopie

Fraunhofer-Forschende haben ein ultrakompaktes Nah-Infrarot-Spektrometer entwickelt, das sich für die Analyse und Bestimmung von Textilien eignet. Durch die Kombination von Bildgebung, speziellen KI-Algorithmen (KI, Künstliche Intelligenz) und Spektroskopie lassen sich auch Mischgewebe zuverlässig erkennen. Die Technologie könnte das Recycling von Altkleidern optimieren und eine sortenreine Trennung von Altkleidern ermöglichen. Eine miniaturisierte Variante des Systems passt sogar in Smartphones. Dadurch könnten sich für Konsumenten zahlreiche neue Anwendungen im Alltag ergeben – vom Kleider-Check beim Shopping bis zur Prüfung auf Plagiate.

Fraunhofer-Forschende haben ein ultrakompaktes Nah-Infrarot-Spektrometer entwickelt, das sich für die Analyse und Bestimmung von Textilien eignet. Durch die Kombination von Bildgebung, speziellen KI-Algorithmen (KI, Künstliche Intelligenz) und Spektroskopie lassen sich auch Mischgewebe zuverlässig erkennen. Die Technologie könnte das Recycling von Altkleidern optimieren und eine sortenreine Trennung von Altkleidern ermöglichen. Eine miniaturisierte Variante des Systems passt sogar in Smartphones. Dadurch könnten sich für Konsumenten zahlreiche neue Anwendungen im Alltag ergeben – vom Kleider-Check beim Shopping bis zur Prüfung auf Plagiate.

Infrarot-Spektrometer sind leistungsstarke Messinstrumente, wenn es darum geht, organische Materialien zerstörungsfrei zu analysieren. Jetzt hat das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS in Dresden ein Spektralanalyse-System entwickelt, das Textilgewebe analysiert und erkennt. Auch Mischgewebe erkennt das System zuverlässig. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen vom Materialcheck beim Kauf über das korrekte Reinigen der Kleidung bis hin zum nachhaltigen und sortenreinen Recycling. Das Spektrometer ist so klein, dass es sich in ein Smartphone integrieren lässt.

Um die nötige Zuverlässigkeit und Präzision bei der Bestimmung von Textilien zu erreichen, setzen die Fraunhofer-Forschenden auf die Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIR). Das System arbeitet mit Wellenlängen zwischen 950 und 1900 Nanometer, also nah am sichtbaren Spektralbereich. Vorteile der Nah-Infrarot-Technik sind die einfache Handhabung und die vielfältigen Einsatzgebiete. »Wir kombinieren NIR-Spektroskopie mit Bildgebung und KI und erreichen so eine höhere Genauigkeit bei der Erkennung und Bewertung von Objekten«, erklärt Dr. Heinrich Grüger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Sensorische Mikromodule am Fraunhofer IPMS.

So funktioniert die Textilanalyse
Im ersten Schritt wird ein Bild des Kleidungsstücks mit einem herkömmlichen Kameramodul aufgenommen. Die KI wählt aus den Bildinformationen des Textilgewebes einen prägnanten Punkt, der vom Spektralanalyse-Modul untersucht werden soll. Das vom Stoff reflektierte Licht wird vom Spektrometer-Modul erfasst. Dort dringt es durch einen Eintrittsspalt, wird mit einem Kollimations-Spiegel in parallele Lichtstrahlen gebracht und über einen Scanner-Spiegel auf ein Gitter gelenkt. Je nach Ein- und Austrittswinkel teilt das Gitter die Lichtstrahlen in verschiedene Wellenlängen auf. Das vom Gitter reflektierte Licht wird über den Scanner-Spiegel auf einen Detektor geleitet, der das Licht als elektrisches Signal erfasst. Dann digitalisiert ein A/D-Wandler (Analog-Digital) die Signale, die schließlich im Signalprozessor ausgewertet werden. Das so entstehende spektrometrische Profil des Textilgewebes verrät durch Abgleich mit einer Referenzdatenbank, um welche Fasern es sich handelt. »Das optische Auflösungsvermögen liegt bei 10 Nanometer. Durch die hohe Auflösung kann das NIR-Spektrometer mithilfe von KI auch Mischgewebe wie etwa Kleidungsstücke aus Polyester und Baumwolle bestimmen«, sagt Grüger. Mit einer Fläche von 10 mal 10 und einer Höhe von 6,5 Millimeter ist das System so kompakt, dass man es problemlos in ein handelsübliches Smartphone integrieren könnte.

Recycling von Altkleidern
Eine wichtige Anwendung für das KI-gesteuerte Spektrometer sieht Grüger vor allem im Recycling. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden 2021 bei den privaten Haushalten in Deutschland rund 176 200 Tonnen Textil- und Bekleidungsabfälle gesammelt. Durch die NIR-Spektroskopie könnte das Recycling optimiert und der Altkleiderberg reduziert werden. Altkleiderverwerter hätten dann die Möglichkeit, Kleidung besser und schneller zu sortieren. Textilien, die noch intakt sind, gehen beispielsweise in den Second-Hand-Handel. Beschädigte Textilien werden sortenrein recycelt und die darin enthaltenen Fasern wie Leinen, Seide, Baumwolle oder Lyocell wiederverwendet. Hoffnungslos verschmutzte Textilwaren würden thermisch verwertet oder beispielsweise zu Dämmmatten verarbeitet. Die Spektroskopie-Technik erledigt das Bestimmen und Sortieren der Textilien genauer und deutlich schneller als ein Mensch.

Wird die NIR-Spektroskopie in ein Smartphone integriert, könnten auch Konsumenten von der Technik des Fraunhofer-Instituts profitieren. Beim Kauf von Kleidern zeigt ein schneller Check mit dem Smartphone, ob der teure Seidenschal auch wirklich aus Seide ist und das exklusive Kleid des Modelabels nicht vielleicht doch ein Plagiat, das sich durch eine andere Gewebemischung verrät. Und sollte einmal das Etikett mit den Reinigungshinweisen nicht mehr lesbar sein, hilft das Smartphone via Textilscanner, das Gewebe zu identifizieren und damit den passenden Waschgang einzustellen.

Lebensmittel-Check und Dermatologie
Für die Forschenden aus dem Fraunhofer IPMS sind auch Anwendungen außerhalb des Textilbereichs denkbar. Mit Spektrometer ausgestattete Smartphones können beim Kauf von Lebensmitteln wie Gemüse und Obst Auskunft über die Qualität geben. Außerdem wäre es denkbar, die Technik für die Untersuchung der Haut einzusetzen. Ein schneller Scan mit dem Handy-Spektrometer könnte besonders trockene oder fettige Stellen identifizieren. Selbst Anwendungen in der medizinischen Diagnose etwa bei der Untersuchung von Stellen auf der Haut, bei denen der Verdacht auf ein Melanom besteht, ließen sich realisieren, hier allerdings mit fachärztlicher Unterstützung.

Bei der Entwicklung kommt dem Fraunhofer-Team jahrzehntelange Erfahrung mit dem Bau von NIR-Spektrometern in MEMS-Technik (Micro-Electro-Mechanical Systems) zugute. »Über die Jahre ist es uns gelungen, die großen Spektroskopie-Geräte aus dem Labor mit MEMS-Technologie so zu verkleinern, dass sie auch für den mobilen Einsatz geeignet sind«, sagt Grüger. Er hatte bereits im Jahr 2000 gemeinsam mit dem heutigen Institutsleiter Prof. Harald Schenk das Scanning-Grating-Spektrometer erfunden, das noch heute als Einstieg in die MEMS-Spektroskopie gilt.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme

Heimtextil Trends 24/25 © SPOTT trends & business for Heimtextil
12.09.2023

Heimtextil Trends 24/25: New Sensitivity

Unter dem Leitthema „New Sensitivity“ steht textile Transformation im Mittelpunkt der Heimtextil Trends 24/25. Drei Ansätze zeigen Wege zu einer sensibleren Welt der Textilien auf: die pflanzenbasierte Herstellung von Textilien, die Unterstützung textiler Kreisläufe durch Technologie und die biotechnologische Verwendung natürlicher Inhaltsstoffe. Darüber hinaus kuratieren die Future Materials regenerative Materialien und Designs.
 
Nachdem im letzten Jahr bereits zirkuläre Lösungen im Fokus lagen, stellen die Heimtextil Trends 24/25 erneut transformative Textilinnovationen in den Mittelpunkt.

Unter dem Leitthema „New Sensitivity“ steht textile Transformation im Mittelpunkt der Heimtextil Trends 24/25. Drei Ansätze zeigen Wege zu einer sensibleren Welt der Textilien auf: die pflanzenbasierte Herstellung von Textilien, die Unterstützung textiler Kreisläufe durch Technologie und die biotechnologische Verwendung natürlicher Inhaltsstoffe. Darüber hinaus kuratieren die Future Materials regenerative Materialien und Designs.
 
Nachdem im letzten Jahr bereits zirkuläre Lösungen im Fokus lagen, stellen die Heimtextil Trends 24/25 erneut transformative Textilinnovationen in den Mittelpunkt.
Unter dem Titel „New Sensitivity“ stehen neben ästhetischen Aspekten Innovationen und Veränderungen in der Zusammensetzung von Textilien im Mittelpunkt. „In diesem Zusammenhang bedeutet Sensibilität, dass bei Entscheidungen oder der Entwicklung eines Produkts Auswirkungen auf die Umwelt von Anfang an berücksichtigt werden. Zu verstehen, wie natürliche Ökosysteme funktionieren, und dem Gleichgewicht den Vorrang zu geben, ist der Schlüssel,“ so Anja Bisgaard Gaede von SPOTT trends & business.

Wie lässt sich die neue Sensibilität in der Lifestyle-Branche konkret umsetzen und was bedeutet eine sensible Herangehensweise für Design und Produkte? Auch der Einsatz von Artificial General Intelligence (AGI) hat das Potenzial, innovative Lösungen in der Textilindustrie zu bieten, birgt aber auch gesellschaftliche Herausforderungen. AGI erfordert eine sensible Herangehensweise, um Komplexität zu reduzieren, Kreativität zu fördern und bisher unentdeckte Lösungen in der Textilwelt und darüber hinaus zu finden.
     
„Mit den Heimtextil Trends 24/25: New Sensitivity ermutigen wir die Textilbranche, sich der Zukunft mit Bedacht und rücksichtsvoll zu nähern. Konkret sehen wir diesen Wandel in drei verschiedenen Strömungen für eine sensiblere Welt der Textilien: biotechnisch, pflanzenbasiert und technologisch,“ so Bisgaard Gaede weiter.

Plant-based: Textilien aus Pflanzen und pflanzlichen Nebenerzeugnissen
Die Fasern von Textilien auf Pflanzenbasis stammen von etwas Gewachsenem und werden nicht synthetisch hergestellt. Der nachhaltige Vorteil von Textilien auf pflanzlicher Basis ist, dass sie natürlichen Ursprungs sind und daher eher für die Rückführung in existierende Ökosysteme wiederverwendet werden können. Sie können in zwei Aspekte unterteilt werden. Der erste ist die Herstellung von Textilien aus Pflanzenkulturen. Neue widerstandsfähige Pflanzen wie Kaktus, Hanf, Abaka (Manilahanf), Seegras und Kautschuk bieten hier neue, nachhaltige Textillösungen. Aufgrund der mechanischen Extraktion können sie trotz Klimaveränderungen wachsen und benötigen bei der Entwicklung weniger Chemikalien. Die zweite Gruppe sind Textilien, die aus pflanzlichen Nebenprodukten hergestellt werden, d. h. aus Rohstoffen wie Bananen, Oliven, Kakis und Hanf, die bei der Produktion übrigbleiben.

Technological: Technologie und technische Lösungen, die Textilien verändern
Technologie kann die Umwandlung von Textilien durch verschiedene Methoden unterstützen: Upcycling und Recycling von Textilien, Textilkonstruktion und Textildesign. Aufgrund der jahrzehntelangen Produktion sind Textilien heute Materialien, die im Überfluss vorhanden sind. Die Entwicklung von Technologien zur Wiederverwertung von Textilabfällen und zum textilen Upcycling erhöht die zirkuläre Nutzung bereits hergestellter Textilien. Darüber hinaus sind auch alte Textilkonstruktionstechniken ein Weg zu nachhaltigen Lösungen. Durch die Verwendung von Stricktechniken für Möbelbezüge wird weniger Textilabfall produziert, demgegenüber können durch die Webtechnik mit wenigen farbigen Garnen optisch mehrere Farben erzeugt werden. Textile Design Thinking befasst sich mit kritischen Themen wie dem Energieverbrauch oder der Haltbarkeit von Naturfasern und verbessert diese durch technologische Weiterentwicklung.

Bio-engineered: entwickelt zur Verbesserung der biologischen Abbaubarkeit
Bei bio-technisch hergestellten Textilien verschmelzen pflanzliche und technische Textilien. Bio-Engineering schlägt eine Brücke zwischen Natur und Technik und verändert die Art und Weise, wie Textilien hergestellt werden. Sie können in zwei Richtungen unterteilt werden: vollständig biotechnisch hergestellte und biologisch abbaubare Textilien. Bei vollständig biotechnologisch hergestellten Textilien werden von der Natur inspirierte Strategien angewandt. Anstatt die Pflanzen anzubauen und daraus Fasern zu extrahieren, werden Proteine und Kohlenhydrate aus Mais, Gras und Rohrzucker oder Bakterien eingesetzt. Die Textilien werden durch einen biomolekularen Prozess hergestellt, bei dem Filamente entstehen, die zu Garnen werden. Der nachhaltige Vorteil von biotechnologisch hergestellten Textilien besteht darin, dass sie einige der gleichen Funktionalitäten wie synthetisch hergestellte Textilien haben können. Da sie jedoch natürlichen Ursprungs sind, können sie biologisch abgebaut werden. „Biodegradable Fibres“ können herkömmlichen Textilien wie Polyester zugesetzt werden und verbessern deren Fähigkeit, sich zu in der Natur vorkommenden Materialien zurückzuverwandeln und sich somit in natürlichen Umgebungen wie Wasser oder Erdboden biologisch abzubauen. Die biologisch verbesserten Textilien werden zwar nicht vollständig, aber bis zu 93 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Textilien biologisch abgebaut.

Heimtextil Trends 24/25: Farben
Ein sensibler Ansatz bei den Färbemethoden kommt in einer dynamischen und gleichzeitig subtilen Farbpalette zum Ausdruck. Sie wird mit natürlichen, aus der Erde stammenden Pigmenten erzeugt, während traditionelle Färbeverfahren durch innovative Biotechnologie auf die nächste Stufe gebracht werden. In dem Bestreben, Farben zu erschaffen, die Emotionen hervorrufen und gleichzeitig Werte beim Umweltschutz respektieren, erzeugen Farbbakterien durch Pigmentwachstum Farbtöne von beeindruckendem Reichtum und großer Tiefe.
               
Zu dieser neuen Sensibilität gehört auch die Akzeptanz natürlicher Farbverläufe, da die Farben mit der Zeit verblassen oder sich in eine neue Farbrichtung verwandeln können. Die Farbtöne der Heimtextil Trends 24/25 wurden von natürlichen Farben inspiriert, die aus Avocadokernen, Algen, lebenden Bakterien, antiken Pigmenten wie Roh Sienna und biotechnisch hergestelltem Indigo und Cochenille stammen. Der hohe Schwarzanteil in den meisten Farben ermöglicht eine breite Anwendung und eine größere Vielfalt an Kombinationen. Die kräftigen, gesättigten Akzente beleben Sinne und Stimmung. Im Gegensatz dazu stehen die erdenden Neutraltöne in verschiedenen Grauabstufungen, Terra und sogar dunklem Violett, die für Ruhe und Gelassenheit sorgen.
     
Future Materials: regeneratives Design
Wie werden regenerative Textilien und Materialien definiert? Regeneratives Design hat sich dem Ziel verschrieben, ganzheitliche kreative Praktiken zu entwickeln, die die Ressourcen wiederherstellen oder erneuern, eine positive Auswirkung auf die Umwelt haben und das Gedeihen von Gemeinschaften fördern. Für die Heimtextil 2024 kuratiert die Design-Zukunftsberatung FranklinTill ein globales Schaufenster hochmoderner Textilien und Materialien, um die Prinzipien des regenerativen Designs zu veranschaulichen und bahnbrechende Designer*innen, Erzeuger*innen und Hersteller*innen zu würdigen, die an der Spitze des regenerativen Designs stehen.
Der Trend Space auf der Heimtextil in Frankfurt vom 9. bis 12. Januar 2023 präsentiert diese Lösungen auf inspirierende Weise. Zusätzlich bieten die Heimtextil Trends Besuchern in Form von Workshops, Vorträgen und weiteren interaktiven Formaten Orientierung und Einblicke in die Zukunft von Wohn- und Objekttextilien.

Quelle:

Heimtextil, Messe Frankfurt

Point of View: Let’s end fast fashion, Prof Minna Halme. Foto: Veera Konsti / Aalto University
18.08.2023

Standpunkt: Schluss mit Fast Fashion!

Sich auf kurzfristige Gewinne zu fokussieren, ist nicht nachhaltig. Was können wir also tun, um in die richtige Richtung zu gehen? In allen Branchen die Widerstandsfähigkeit der Effizienz vorziehen.

Sich auf kurzfristige Gewinne zu fokussieren, ist nicht nachhaltig. Was können wir also tun, um in die richtige Richtung zu gehen? In allen Branchen die Widerstandsfähigkeit der Effizienz vorziehen.

Wir kaufen billige Produkte im Wissen, dass wir sie bald ersetzen müssen. Wir werfen gebrauchte Gegenstände weg, anstatt sie zu reparieren oder wiederzuverwenden. Arbeitgeber planen in Bezug auf finanzielle Quartale, obwohl sie hoffen, längerfristig bedeutend und stabil zu bleiben. Sogar Länder geben der kurzfristigen Wirtschaftsleistung den Vorrang und stellen das Bruttoinlandsprodukt (BIP) über jeden anderen Indikator.
 
Unsere globale Besessenheit von kurzfristiger wirtschaftlicher Effizienz - und die Frage, wie man sie überwinden kann - ist ein großes Rätsel, über das Minna Halme, Professorin für Nachhaltigkeitsmanagement, die meiste Zeit ihrer Karriere nachgedacht hat. Schon als Studentin an der Wirtschaftshochschule war sie irritiert, wie sehr sich ihr Unterricht auf kurzfristige Ziele konzentrierte.

„Es ging darum, mehr zu verkaufen, die Gewinne der Aktionäre zu maximieren, ökologisch zu wachsen - aber nicht wirklich zu fragen: Warum? Was ist der Zweck von all dem?“, so Halme.
„Selbst mir als 20-Jähriger kam das irgendwie seltsam vor.“

„Was versuchen wir hier zu tun? Versuchen wir, eine bessere Wirtschaft für alle oder für die meisten Menschen zu schaffen? Wessen Leben versuchen wir zu verbessern, wenn wir mehr unterschiedlich verpackte Joghurtsorten oder Kleidung verkaufen, die schnell unmodern ist?“

Halme hat ihre Karriere der Untersuchung dieser Fragen gewidmet. Heute ist sie eine Vordenkerin im Bereich innovativer Geschäftspraktiken und wurde unter anderem als Mitglied des finnischen Expertengremiums für nachhaltige Entwicklung und des Gremiums für globale Nachhaltigkeit der Vereinten Nationen anerkannt.

Ihr oberstes Ziel? Pionierarbeit zu leisten, zu forschen und für alternative Denkweisen einzutreten, die Werte wie langfristige wirtschaftliche Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit in den Vordergrund stellen - Alternativen, von denen sie und andere Experten glauben, dass sie allen einen dauerhaften, weitreichenden Nutzen bringen würden.
 
Wie traditionelle Indikatoren versagt haben
Ein Weg, in der unsere Vorliebe für wirtschaftliche Effizienz die Art und Weise prägt, wie wir den allgemeinen Wohlstand oder Status eines Landes messen, ist das BIP. Das ist nicht die Schuld des Erfinders des modernen Konzepts des BIP, der in den 1930er Jahren ausdrücklich davor warnte, es auf diese Weise zu verwenden.

„Das BIP war nie dazu gedacht, uns etwas über das Wohlergehen der Bürger eines Landes zu sagen", sagt Halme. Vor fünfundsiebzig Jahren war es jedoch leicht, beides miteinander zu verwechseln. Viele Länder waren eher bestrebt, ihren Wohlstand unter ihren Bürgern umzuverteilen, und Bevölkerungsumfragen zeigen, dass das BIP bis in die 1970er Jahre häufig mit dem allgemeinen Wohlstand korrelierte.

Doch mit dem Aufkommen eines zunehmend rücksichtsloseren Kapitalismus der freien Marktwirtschaft wurde dies immer weniger der Fall - und die Unzulänglichkeiten des BIP wurden umso deutlicher. „Wir befinden uns in einer Situation, in der die Verteilung des Reichtums mehr und mehr zu denjenigen wandert, die bereits über Kapital verfügen. Diejenigen, die es nicht haben, befinden sich in einer rückläufigen wirtschaftlichen Position", sagt Halme. Tatsächlich besitzen die reichsten 1 % der Weltbevölkerung heute fast die Hälfte des weltweiten Vermögens.

„Einige Regierungen, wie die finnische, berücksichtigen zwar Indikatoren für den ökologischen und sozialen Fortschritt. Aber keiner wird als so wichtig für die Entscheidungsfindung angesehen wie das BIP", sagt Halme - und das BIP gilt auch als Maßstab für den Erfolg einer Regierung. Diese Einstellung versucht Halme durch ihre Arbeit als Beraterin der finnischen Regierung zu Nachhaltigkeitspraktiken sowie durch ihre eigene Forschung zu ändern.

Wo die Industrie versagt hat
Unsere oft ausschließliche Konzentration auf die Ökonomie - und insbesondere darauf, so schnell und effizient wie möglich Gewinne zu erzielen - vermittelt kein klares Bild davon, wie es allen in einer Gesellschaft geht. Schlimmer noch, es hat die Industrie ermutigt, mit einer kurzfristigen Perspektive zu handeln, die zu längerfristigen Problemen führt.
 
Fast Fashion ist ein Beispiel dafür. Gegenwärtig sind die Lieferketten für Bekleidung - wie die der meisten Waren - linear. Die Rohstoffe kommen von einem Standort und werden Schritt für Schritt verarbeitet, in der Regel in verschiedenen Produktionsstätten auf der ganzen Welt, wobei Materialien, Energie und Transportmittel verwendet werden, die „billig“ sind, weil ihre hohen Umweltkosten nicht berücksichtigt werden.

Schließlich werden sie von einem Verbraucher gekauft, der das Produkt vorübergehend trägt, bevor er es wegwirft. Um die Gewinnspannen zu erhöhen, setzt die Branche auf schnell wechselnde Trends. Eine erschreckende Menge dieser Kleidungsstücke landet auf der Mülldeponie - einige davon, bevor sie überhaupt getragen worden sind.

Wie der COVID Lockdown gezeigt haben, ist diese Art linearer Lieferketten nicht belastbar. Und sie sind auch nicht nachhaltig.

Schätzungen zufolge ist die Modebranche derzeit die zweitgrößte Umweltverschmutzungsbranche der Welt und für bis zu 10 % aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Forscher der Aalto-Universität haben festgestellt, dass die Branche jährlich mehr als 92 Millionen Tonnen Deponieabfälle produziert. Bis 2030 wird ein Anstieg auf 134 Millionen Tonnen erwartet.
„Die Verringerung des CO2-Fußabdrucks der Modebranche ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die langfristigen Aussichten der Branche selbst. Mit dieser Art von falschem Effizienzdenken untergräbt man die Grundlage unserer langfristigen Widerstandsfähigkeit sowohl für die Ökologie als auch für die Gesellschaft", sagt Halme.

Um aus dieser Falle herauszukommen, sagen sie und andere Forscher, ist ein kompletter Paradigmenwechsel erforderlich. „Es ist wirklich schwierig, nur an den Rändern zu feilen", sagt sie.
Auf dem Weg zur Resilienz

Mehrere Jahre lang erforschte und studierte Halme die ökologische Effizienz und suchte nach Möglichkeiten, wie Unternehmen mehr Produkte mit weniger Umweltbelastungen herstellen könnten. Doch allmählich wurde ihr klar, dass dies nicht die Antwort ist. Obwohl die Unternehmen durch Innovationen effizientere Produkte und Technologien entwickeln konnten, stieg ihr absoluter Verbrauch an natürlichen Ressourcen weiter an.

„Ich begann zu denken: Wenn nicht Effizienz, was dann?", sagt Halme. Sie erkannte, dass die Lösung in der Resilienz liegt, d. h. in der Förderung von Möglichkeiten, wie Systeme, einschließlich der Umwelt, in der Zukunft fortbestehen und sich sogar regenerieren können, anstatt sie in der Gegenwart weiter zu schädigen.
Die Lösung ist nicht „mehr von allem“, auch nicht von „nachhaltigen“ Materialien. Es ist weniger.

„Die einzige Möglichkeit, Fast Fashion zu verbessern, ist, sie zu beenden“, schreiben Halme und ihre Mitautoren. Das bedeutet, dass Kleidung so gestaltet werden muss, dass sie lange hält, dass Geschäftsmodelle die Wiederverwendung und Reparatur erleichtern und dass dem Upcycling Vorrang eingeräumt wird. Auch die Recyclingsysteme müssen überarbeitet werden, um festzustellen, wann ein Kleidungsstück wirklich ausgedient hat - insbesondere im Hinblick auf synthetische Mischfasern, die schwer zu trennen und abzubauen sind.

Dies würde die derzeitige Konzentration auf kurzfristige Einnahmen über den Haufen werfen. Und, so Halme, dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir bessere Möglichkeiten brauchen, um den Erfolg dieser Branchen zu messen, indem wir Faktoren wie Belastbarkeit und Nachhaltigkeit berücksichtigen - und nicht nur kurzfristige Gewinne.
Und obwohl jeder Einzelne etwas bewirken kann, müssen diese Veränderungen letztlich von der Industrie ausgehen.

„Textilien sind ein gutes Beispiel, denn wenn sie schnell kaputt gehen und man keine Reparaturwerkstatt in der Nähe hat oder wenn die Stoffe von so schlechter Qualität sind, dass es keinen Sinn macht, sie zu reparieren, dann ist das für die meisten Menschen ein zu großer Aufwand“, sagt Halme. Die meisten Lösungen sollten also von der Unternehmensseite kommen. Und das Ziel sollte sein, es den Verbrauchern sowohl modisch als auch einfach zu machen, ökologisch und sozial nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
 
Was ist erforderlich?
Die ultimative Herausforderung, sagt Lauri Saarinen, Assistenzprofessor an der Aalto der Aalto-Universität für Wirtschaftsingenieurwesen, ist die Frage, wie man zu einem nachhaltigeren Modell gelangt und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhält. Aber er glaubt, dass es Möglichkeiten gibt.

„Eine Möglichkeit besteht darin, die Produktion lokal zu halten. Wenn wir mit der kostengünstigen Offshore-Fertigung konkurrieren, indem wir die Dinge vor Ort und in einem geschlossenen Kreislauf herstellen, dann haben wir den doppelten Vorteil, indem wir lokal Arbeitsplätze schaffen und uns in Richtung einer nachhaltigeren Lieferkette bewegen“, sagt Saarinen. Wenn beispielsweise Kleidung näher am Verbraucher produziert würde, wäre es einfacher, Kleidungsstücke zur Reparatur zurückzuschicken oder gebrauchte Artikel zurückzunehmen und weiterzuverkaufen.

Lokale Produktion ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir die Methode, mit der wir den gesellschaftlichen Erfolg messen, neu überdenken müssen. Schließlich scheinen Outsourcing und Offshoring zugunsten einer billigeren Produktion kurzfristig die Kosten zu senken, aber dies geschieht zu Lasten dessen, was nach Ansicht von Halme und anderen Experten wirklich wichtig ist: eine längerfristige wirtschaftliche Tragfähigkeit, Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit. Es ist nicht einfach, zu dieser Art von Denken überzugehen. Dennoch sehen Saarinen und Halme vielversprechende Signale.
 
Für Finnland verweist Halme beispielsweise auf das Start-up-Unternehmen Menddie, das es leicht und bequem macht, Kleidungsstücke zum Reparieren oder Ändern wegzuschicken. Sie hebt auch die Bekleidungs- und Lifestyle-Marke Marimekko hervor, die ihre gebrauchten Kleidungsstücke in einem Online-Secondhand-Shop weiterverkauft, sowie das Label Anna Ruohonen, ein Konzept für Maßanfertigungen und Kunden auf Abruf, bei dem keine überschüssigen Kleidungsstücke entstehen.

Genau diese Art von Projekten findet Halme interessant - und sie hofft, mit ihrer Arbeit sowohl für diese zu werben als auch Pionierarbeit zu leisten.
„Momentan haben diese Veränderungen noch nicht zu einer echten Transformation geführt“, sagt sie. Auf globaler Ebene sind wir noch weit von einem echten Wandel hin zu längerfristiger Resilienz entfernt. Aber das könne sich, wie sie betont, schnell ändern. Schließlich hat sich das in der Vergangenheit auch bereits geändert: „Man muss sich nur ansehen, was uns hierhergebracht hat.“

„Das Streben nach Wirtschaftswachstum wurde in relativ kurzer Zeit - nur über etwa sieben Jahrzehnte - zu einem so dominanten Schwerpunkt“, sagt sie. Der Wandel hin zu einer längerfristigen Resilienz ist durchaus möglich. Wissenschaftler und Entscheidungsträger müssen nur ihr Hauptziel auf langfristige Widerstandsfähigkeit umstellen. Die Kernfrage ist, ob unsere mächtigsten Wirtschaftsakteure klug genug sind, dies zu tun.
 
Im Rahmen ihrer Forschung hat Halme Projekte geleitet, die Pionierarbeit für die Art von Veränderungen leisten, die die Modeindustrie vornehmen könnte. Gemeinsam mit ihrer Aalto-Kollegin Linda Turunen hat sie beispielsweise kürzlich ein Messverfahren entwickelt, mit dem die Modeindustrie die Nachhaltigkeit eines Produkts klassifizieren könnte. Dabei wird gemessen, wie haltbar das Produkt ist, wie leicht es recycelt werden kann und ob bei der Herstellung gefährliche Chemikalien verwendet werden - was den Verbrauchern bei der Kaufentscheidung helfen könnte. Ihre Kollegen haben vor kurzem eine Ausstellung kuratiert, in der gezeigt wurde, was wir in einer nachhaltigen Zukunft tragen könnten, z. B. eine Lederalternative, die aus weggeworfenen Blumenstecklingen hergestellt wird, oder modulare Designs, mit denen ein und dasselbe Kleidungsstück mehrfach verwendet werden kann, indem z. B. ein Rock in ein Hemd verwandelt wird.

Da all dies längerfristiges Denken, Innovation und Investitionen erfordert, ist die Industrie zurückhaltend, diese Veränderungen vorzunehmen, sagt Halme. Eine Möglichkeit, die Industrie zu einem schnelleren Wandel zu bewegen, ist die Regulierung. In der Europäischen Union beispielsweise müssen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern aufgrund einer aktualisierten Reihe von Richtlinien nun über eine Reihe von Faktoren der Unternehmensverantwortung Bericht erstatten, die von den Auswirkungen auf die Umwelt bis zur Behandlung der Mitarbeiter reichen. Diese Vorschriften werden nicht nur dazu beitragen, Verbraucher, Investoren und andere Interessengruppen über die Rolle eines Unternehmens bei globalen Herausforderungen zu informieren. Sie werden auch dazu beitragen, Investitionsrisiken zu bewerten und abzuwägen, ob ein Unternehmen die notwendigen Maßnahmen ergreift, um langfristig finanziell stabil zu sein.

Quelle:

Aalto University, Amanda Ruggeri. Übersetzung Textination

(c) Nadine Glad
18.07.2023

Digitaler Produktpass für transparente Lieferketten und zirkuläre Produkte

Wer beim Kauf eines Produktes Informationen benötigt, ist aktuell oft noch auf Anleitungen in Papierform oder aufwendige Recherchen angewiesen. In einem aktuellen Projekt arbeitet ein Konsortium aus Forschung und Wirtschaftsverbänden jetzt im Auftrag der EU-Kommission an einem einheitlichen digitalen Produktpass. Dieser soll im Rahmen einer EU-Verordnung z.B. über einen QR-Code alle Produktinformationen entlang der Wertschöpfungskette verfügbar und dezentral abrufbar machen.

Wer beim Kauf eines Produktes Informationen benötigt, ist aktuell oft noch auf Anleitungen in Papierform oder aufwendige Recherchen angewiesen. In einem aktuellen Projekt arbeitet ein Konsortium aus Forschung und Wirtschaftsverbänden jetzt im Auftrag der EU-Kommission an einem einheitlichen digitalen Produktpass. Dieser soll im Rahmen einer EU-Verordnung z.B. über einen QR-Code alle Produktinformationen entlang der Wertschöpfungskette verfügbar und dezentral abrufbar machen.

Absolutes Must-have im Reisegepäck ist für die meisten in der Regel ein Personalausweis oder ein Reisepass. Diese sind international anerkannte Dokumente zur Angabe von Daten über die eigene Person. Dieser für uns selbstverständliche Vorgang soll bald auch für Elektronik- und Textilprodukte sowie Batterien Realität werden. Da Handys, Tablets und Co. selbstverständlich keinen haptischen Reisepass bei sich tragen, sollen ihre „persönlichen Daten“ in Zukunft mittels eines digitalen Produktpasses über einen QR-Code oder RFID-Chip an jeder Stelle der Wertschöpfungskette abrufbar sein.

Verbraucher*innen sollen so beim Kauf von Textilien, Elektronikprodukten, aber auch Möbeln und Spielzeug mehr Möglichkeiten erhalten, sich über wichtige Produktinformationen wie die Energieeffizienzklasse, die Herstellungsbedingungen oder die Reparierbarkeit zu informieren, um darauf aufbauend eine versierte und nachhaltige Kaufentscheidung treffen zu können.

Aber auch für andere Beteiligte z.B. bei der Reparatur oder dem Recycling ergeben sich enorme Potenziale: Bisher kann es bei hoch miniaturisierten Elektronikprodukten schwer herauszufinden sein, welche Rohstoffe oder toxischen Bestandteile im Produkt enthalten sind und wie diese voneinander getrennt werden können. Damit diese Informationen immer auch der richtigen Zielgruppe zur Verfügung stehen, sollen nutzungsspezifische Zertifikate den Zugang reglementieren.

Die Gesamtheit der im Produktpass enthaltenen Informationen ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht endgültig geklärt. Im Projekt CIRPASS erarbeitet die Gruppe um Eduard Wagner am Fraunhofer IZM aktuell, welche gesetzliche Informationspflicht bereits existiert und welche weiteren Informationen für den Produktpass interessant sein könnten. Am Ende soll eine Informationsarchitektur aufgebaut werden, in der geklärt wird, welche Informationen für die Beteiligten der Wertschöpfungskette einen Mehrwert haben und mit welchem Aufwand sie bereitgestellt werden können. Ein Reparaturindikator, der angibt, wie gut sich ein Produkt reparieren lässt, ist beispielsweise in Frankreich seit 2021 verpflichtend und kommt für den digitalen, gesamteuropäischen Produktpass ebenfalls in Frage. „Auch die Angabe der Energieeffizienzklasse ist mittlerweile vorgeschrieben. Doch diese Informationen müssen jetzt noch einzeln ermittelt werden, und bei anderen Werten gibt es noch keine europaweite Anzeigepflicht. Hier ein Höchstmaß an Einheitlichkeit zu schaffen, ist ein wichtiges Ziel des Produktpasses.“ sagt Nachhaltigkeitsexperte Eduard Wagner.

Damit 2026 die ersten Produktpässe verfügbar sind, gilt es also, viele Akteur*innen abzuholen und einen Konsens zu den wichtigsten Informationen zu finden. „Im Projekt haben wir 23 Stakeholder-Gruppen identifiziert, für die wir die jeweiligen Bedürfnisse abfragen. Und das für alle drei Sektoren“, erklärt Wagner. „Bei uns sind Materialproduzent*innen, Elektronikhersteller*innen- sowie Reparateur*innen und Recyclingverbände an Bord.“ Die Ergebnisse dieser Konsultationen werden dann an die EU-Kommission weitergegeben und dienen den aktuellen politischen Aktivitäten als Orientierung, welche in Zukunft die gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich des Produktpasses festlegen. Besonders berücksichtigt und gefördert werden sollen hier auch kleinere und mittlere Unternehmen, für die die Bereitstellung zusätzlicher Informationen einen hohen Mehraufwand darstellen kann.

Quelle:

Fraunhofer – Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM

Foto: Unsplash
13.06.2023

Umweltauswirkungen von Textilproduktion und -abfällen

  • Mit „Fast Fashion“ hat die Menge der produzierten und weggeworfenen Kleidungsstücke stark zugenommen.

„Fast Fashion“ ist das ständige Angebot an neuer Mode zu sehr niedrigen Preisen. Um die Auswirkungen auf die Umwelt anzugehen, will die EU Textilabfälle reduzieren und den Lebenszyklus und das Recycling von Textilien verbessern. Dies ist Teil des Plans, bis 2050 eine Kreislaufwirtschaft verwirklichen.

  • Mit „Fast Fashion“ hat die Menge der produzierten und weggeworfenen Kleidungsstücke stark zugenommen.

„Fast Fashion“ ist das ständige Angebot an neuer Mode zu sehr niedrigen Preisen. Um die Auswirkungen auf die Umwelt anzugehen, will die EU Textilabfälle reduzieren und den Lebenszyklus und das Recycling von Textilien verbessern. Dies ist Teil des Plans, bis 2050 eine Kreislaufwirtschaft verwirklichen.

Übermäßiger Verbrauch von natürlichen Ressourcen
Für die Herstellung von Textilien werden große Mengen Wasser sowie Flächen zum Anbau von Baumwolle und anderen Fasern benötigt. Schätzungen zufolge wurden in der weltweiten Textil- und Bekleidungsindustrie im Jahr 2015 79 Milliarden Kubikmeter Wasser verbraucht, während sich der Wasserverbrauch in der gesamten Wirtschaft der EU im Jahr 2017 auf 266 Milliarden Kubikmeter belief. Für die Herstellung eines einzigen Baumwoll-T-Shirts werden schätzungsweise 2.700 Liter Süßwasser benötigt, was der Menge entspricht, die eine Person in 2,5 Jahren trinkt.

Der Textilsektor war im Jahr 2020 die drittgrößte Quelle für Wasserverschmutzung und Flächenverbrauch. In diesem Jahr wurden im Durchschnitt neun Kubikmeter Wasser, 400 Quadratmeter Land und 391 Kilogramm Rohstoffe benötigt, um Kleidung und Schuhe für jeden EU-Bürger herzustellen.

Wasserverschmutzung
Durch die Färbung und Veredelung von Textilien im Rahmen ihrer Herstellung werden schätzungsweise rund 20 Prozent der weltweiten Wasserverschmutzung verursacht.

Etwa 35 Prozent des primären Mikroplastiks, das in die Umwelt gelangt, hat seinen Ursprung im Waschen von synthetischen Textilien. Bei einer einzigen Wäsche von Polyesterkleidung können 700.000 Mikroplastikfasern freigesetzt werden, die in die Nahrungskette gelangen können.

Der größte Teil des Mikroplastiks aus Textilien wird bei den ersten Waschgängen freigesetzt. „Fast Fashion“ basiert auf Massenproduktion, niedrigen Preisen und hohen Verkaufszahlen, was viele erste Waschgänge begünstigt.

Das Waschen synthetischer Produkte hat dazu geführt, dass sich mehr als 14 Millionen Tonnen Mikroplastik auf dem Grund der Ozeane angesammelt haben. Zusätzlich zu diesem globalen Problem hat die durch die Bekleidungsproduktion verursachte Umweltverschmutzung verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, Tiere und Ökosysteme vor Ort, wo die Fabriken angesiedelt sind.

Treibhausgasemissionen
Schätzungen zufolge verursacht die Modebranche 10 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen – mehr als internationale Luftfahrt und Seeschifffahrt zusammen.

Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur wurden durch den Kauf von Textilien in der EU im Jahr 2020 pro Person rund 270 Kilogramm CO₂-Emissionen verursacht. Das bedeutet, dass die in der EU verbrauchten Textilerzeugnisse Treibhausgasemissionen in Höhe von 121 Millionen Tonnen verursachten.

Textilabfälle auf Deponien
Auch die Art und Weise, wie sich die Menschen nicht mehr erwünschter Kleidung entledigen, hat sich geändert: Die Kleidungsstücke werden heute eher weggeworfen als gespendet. Weniger als die Hälfte der Altkleider wird zur Wiederverwendung oder zum Recycling gesammelt, und nur ein Prozent wird zu neuer Kleidung recycelt, da Technologien, die das Recycling von Kleidung zu neuen Fasern ermöglichen würden, erst jetzt aufkommen.

Zwischen 2000 und 2015 hat sich die Bekleidungsproduktion verdoppelt, während die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Kleidungsstücks gesunken ist.

Die Europäer kaufen jedes Jahr fast 26 Kilogramm Textilien und werfen etwa elf Kilogramm davon weg. Altkleider können in Länder außerhalb der EU exportiert werden, werden aber größtenteils (87 Prozent) verbrannt oder landet auf Deponien.

Ausschlaggebend für den Anstieg des Verbrauchs ist das Aufkommen von „Fast Fashion“, das zum Teil durch die sozialen Medien und die Industrie vorangetrieben wird, die Modetrends schneller als in der Vergangenheit an mehr Verbraucher weitergibt.

Zu den neuen Strategien zur Bewältigung dieses Problems gehören die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle für den Verleih von Kleidung, die Gestaltung von Produkten, die die Wiederverwendung und das Recycling erleichtern (Kreislaufmode), die Überzeugung der Verbraucher, weniger Kleidung von besserer Qualität zu kaufen („Slow Fashion“) und die allgemeine Lenkung des Verbraucherverhaltens in Richtung nachhaltigerer Optionen.

Die EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien
Im Rahmen des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft stellte die Europäische Kommission im März 2022 eine neue Strategie vor, um Textilien haltbarer, reparierbarer, wiederverwendbar und recycelbar zu machen, gegen „Fast Fashion“ vorzugehen und Innovationen innerhalb des Sektors zu fördern.

Die neue Strategie umfasst neue Ökodesign-Anforderungen für Textilien, klarere Informationen, einen digitalen Produktpass und eine Aufforderung an die Unternehmen, Verantwortung zu übernehmen und Maßnahmen zu ergreifen, um ihren ökologischen Fußabdruck zu minimieren.

Am 1. Juni 2023 legten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments Vorschläge für strengere EU-Maßnahmen zur Eindämmung der übermäßigen Produktion und des Verbrauchs von Textilien vor. In dem Bericht des Parlaments wird gefordert, dass bei der Herstellung von Textilien die Menschen-, Sozial- und Arbeitsrechte sowie der Umwelt- und Tierschutz beachtet werden müssen.

Bestehende EU-Maßnahmen für Textilabfälle
Gemäß der Abfallrichtlinie, die vom Europäischen Parlament im Jahr 2018 angenommen wurde, müssen die EU-Mitgliedstaaten Textilabfälle ab 2025 getrennt sammeln. Die neue Strategie der Kommission umfasst auch Maßnahmen gegen gefährliche Chemikalien und zur Unterstützung der Verbraucher bei der Wahl nachhaltiger Textilien. Zudem werden Hersteller dazu aufgefordert, die Verantwortung für ihre Produkte entlang der Wertschöpfungskette zu übernehmen, auch wenn diese zu Abfall werden.

Mit dem EU-Umweltzeichen, das Hersteller, die ökologische Kriterien beachten, verwenden können, werden ein begrenzter Schadstoffeinsatz und geringere Wasser- und Luftverschmutzung sichergestellt.

Die EU hat auch Maßnahmen eingeführt, um die Umweltauswirkungen von Textilabfällen zu mindern. Mit dem Programm Horizont 2020 wird das Projekt RESYNTEX zur Anwendung von chemischem Recycling gefördert, das ein kreislauforientiertes Geschäftsmodell für die Textilindustrie sein könnte.

Ein nachhaltigeres Modell der Textilproduktion hat auch das Potenzial, die Wirtschaft anzukurbeln. „Europa befindet sich in einer beispiellosen Gesundheits- und Wirtschaftskrise, die zeigt, wie instabil die globalen Lieferketten sind“, sagte der federführende Europaabgeordnete Huitema. „Die Förderung neuer innovativer Geschäftsmodelle wiederum wird neues Wirtschaftswachstum und neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen, die Europa für den Aufbau benötigt.“

Quelle:

Europäisches Parlament

Abtrennen von Mikroplastik Foto: H & M Foundation
22.05.2023

Schallwellen filtern Mikroplastik aus Abwässern

Die vom Hong Kong Research Institute of Textiles and Apparel (HKRITA) mit Unterstützung der H&M Foundation entwickelte Technologie kann mithilfe von Schallwellen Mikroplastik aus dem Abwasser herausfiltern. Acousweep ist eine Plug-and-Play- Anwendung. Sie lässt sich leicht transportieren und an jede Abwasseranlage anschließen. Wenn die Technologie im industriellen Maßstab eingesetzt wird, wird sie einen erheblichen Einfluss auf den nachhaltigen Fußabdruck der Modeindustrie haben.
 

Die vom Hong Kong Research Institute of Textiles and Apparel (HKRITA) mit Unterstützung der H&M Foundation entwickelte Technologie kann mithilfe von Schallwellen Mikroplastik aus dem Abwasser herausfiltern. Acousweep ist eine Plug-and-Play- Anwendung. Sie lässt sich leicht transportieren und an jede Abwasseranlage anschließen. Wenn die Technologie im industriellen Maßstab eingesetzt wird, wird sie einen erheblichen Einfluss auf den nachhaltigen Fußabdruck der Modeindustrie haben.
 
Die Verschmutzung durch Mikroplastik ist ein weltweites Problem und stellt eine Gefahr für Ökosysteme, Tiere und Menschen dar. Mikroplastik stammt aus einer Vielzahl von Quellen, u. a. aus größerem Plastikmüll, der sich in immer kleinere Teile auflöst, oder aus Mikroperlen in Gesundheits- und Kosmetikprodukten oder Reinigungsmitteln wie Zahnpasta. Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur stammt die Hauptquelle der Verschmutzung der Ozeane durch Mikroplastik, etwa 16 % bis 35 % weltweit, aus synthetischen Textilien.

Professorin Christine Loh, leitende Entwicklungsstrategin am Institute for the Environment, The Hong Kong University of Science and Technology, teilt die Ansicht, dass diese Technologie großes Potenzial hat.
Mikroplastik sind nach der Definition des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und der Europäischen Union (EU) in der Regel winzige Kunststoffteile oder -partikel mit einem Durchmesser von weniger als 5 mm. Die neue Technologie kann Mikroplastikfasern mit einer Länge von mehr als 20 μm trennen, was 250-mal kleiner ist als die typische Größe. Im Gegensatz zu bestehenden Filtrationsverfahren ermöglicht das System eine kontinuierliche Wasseraufbereitung und eine einfache Sammlung von Mikroplastikfasern dank seiner akustischen Technik der Manipulation.

Acousweep nutzt schwingende akustische Wellen in einer speziell geformten Kammer, um Mikroplastikfasern physikalisch aufzufangen und effektiv vom Abwasser zu trennen. Der gesamte Prozess beruht auf einer rein physikalischen Sammlung und Trennung. Es werden keine chemischen, lösungsmittelhaltigen oder biologischen Zusatzstoffe benötigt. Das separierte Mikroplastik tropft in einen Sammeltank zur weiteren Behandlung, z. B. zum Recycling.

Das bestehende Aufbereitungssystem im Labormaßstab hat eine Kapazität von ca. 100 Litern Wasser pro Stunde und kann auf industrielle Anlagengrößen hochskaliert werden. Das System kann in einem Container mit einer Verarbeitungskapazität von 5.000 bis zu 10.000 Litern Wasser pro Stunde installiert werden. Es ist leicht transportabel und ermöglicht den Anschluss an bestehende Abwasserauslässe von Kläranlagen.
 
Verfahren zur Abtrennung von Mikroplastikfasern:

  1. An einem Ende der Kammer befindet sich ein Wandler, der eine schwingende Schallwelle mit Ultraschall-Frequenzen erzeugt. Am anderen Ende befindet sich ein Reflektor, von dem die Schallwellen reflektiert werden und stehende Wellen bilden.
  2. Wenn stehende Wellen auf die Teilchen in einer Flüssigkeit einwirken, werden die Teilchen durch akustische Strahlungswirkung festgehalten.
  3. Die stehenden Wellen übertragen dann die eingeschlossenen Partikel auf die Reflektorseite; danach konzentrieren sich die Partikel an der Spitze des Reflektors.
  4. An der Spitze befindet sich ein Nadelventil, das von einem sensorischen System gesteuert wird, das dort die Konzentration der Mikroplastikfasern überwacht. Wenn die Konzentration ausreichend hoch ist, öffnet das Sensorsystem das Nadelventil und lässt die Mikroplastikfasern in einen Auffangbehälter tropfen.
  5. Der Sammelbehälter kann mit einer hohen Temperatur betrieben werden, um das Wasser zu entfernen, so dass die Fasern agglomerieren und eine große Masse bilden, die bei einer anschließenden Aufbereitung leicht behandelt werden kann.

Die grüne Technologie hat in Hongkong gerade einen großen Sprung nach vorn gemacht. Acousweep wird der Bekleidungsindustrie und anderen Branchen helfen, eine äußerst schädliche Form der Verschmutzung zu stoppen. HKRITA hat eine neue Technik zur Beseitigung von Mikroplastik mit Hilfe eines schallwellenbasierten Systems entwickelt, das verhindert, dass es ins Meer gelangt und von Meeresbewohnern aufgenommen wird, die in der Nahrungskette sogar vom Menschen verschluckt werden können. Acousweep hat das Zeug dazu, die Industrie zu revolutionieren.
Professorin Christine Loh, leitende Entwicklungsstrategin am Umwelt-Institut der Universität für Wissenschaft und Technologie in Hongkong

 

Quelle:

The Hong Kong Research Institute of Textiles and Apparel (HKRITA); H & M Foundation

(c) Fraunhofer WKI
19.04.2023

Nachhaltige Naturfaserbewehrung für Textilbetonbauteile

Textilbetonteile mit einer nachhaltigen Naturfaserbewehrung haben ein ausreichendes Verbund- und Zugtragverhalten für den Einsatz im Bau. Das konnten Forschende des Fraunhofer WKI gemeinsam mit der Hochschule Biberach und dem Industriepartner FABRINO nachweisen. Damit könnten künftig Textilbetonbauteile mit Naturfaserbewehrung herkömmlich bewehrte Betonbauteile ersetzen und die Umweltbilanz im Bauwesen verbessern.

Textilbetonteile mit einer nachhaltigen Naturfaserbewehrung haben ein ausreichendes Verbund- und Zugtragverhalten für den Einsatz im Bau. Das konnten Forschende des Fraunhofer WKI gemeinsam mit der Hochschule Biberach und dem Industriepartner FABRINO nachweisen. Damit könnten künftig Textilbetonbauteile mit Naturfaserbewehrung herkömmlich bewehrte Betonbauteile ersetzen und die Umweltbilanz im Bauwesen verbessern.

Nichtmetallische Bewehrungen von Betonkörpern werden derzeit häufig aus unterschiedlichen, synthetisch erzeugten Fasern hergestellt – zum Beispiel aus Glas- oder Carbonfasern. Eine ökologische Alternative zu den synthetischen Fasern stellen Flachs- oder andere Naturfasern dar. Diese sind vielerorts verfügbar und nachhaltiger, unter anderem aufgrund ihrer nachwachsenden Rohstoffbasis, den Vorteilen im Recycling und dem geringeren Energiebedarf in der Herstellung. Hier setzten die Forschenden des Fraunhofer WKI und der Hochschule Biberach gemeinsam mit einem Industriepartner an. Ihr Ziel war, nachzuweisen, dass sich Bewehrungen aus Textilfasern für den Einsatz im Bau ebenso eignen wie synthetische Fasern.

»Wir haben am Fraunhofer WKI mit einer Webmaschine Drehergewebe aus Flachsfasergarn hergestellt. Um die Nachhaltigkeit zu erhöhen, haben wir eine Behandlung der Flachsgarne zur Verbesserung der Zugfestigkeit, Dauerhaftigkeit und Verbundhaftung erprobt, die im Vergleich zu petrobasierten Behandlungen ökologisch vorteilhafter ist«, erläutert Jana Winkelmann, Projektleiterin am Fraunhofer WKI. Im Beschichtungsverfahren konnte ein gängiges petrobasiertes Epoxidharz erfolgreich durch eine zum Teil biobasierte Tränkung ersetzt werden. Ein großer Anteil (56 Prozent) der molekularen Struktur des verwendeten Epoxidharzes besteht aus Kohlenwasserstoffen pflanzlichen Ursprungs und kann somit die CO2-Bilanz verbessern.

Textile Bewehrungen haben grundsätzlich eine Reihe von Vorteilen. So weisen sie eine deutlich reduzierte Korrodierbarkeit bei gleicher oder höherer Zugfestigkeit als Stahl auf, so dass das notwendige Nennmaß der Betonüberdeckung reduziert werden kann. Dies führt bei gleicher Tragfähigkeit häufig zu geringeren erforderlichen Querschnitten. Bisher wurde das Tragverhalten von textilen Bewehrungen aus Naturfasern in Betonbauteilen allerdings noch nicht systematisch untersucht.

An der Hochschule Biberach testeten die Forschenden das Verbund- und Zugtragverhalten sowie das einachsige Biegetragverhalten von Betonbauteilen mit textiler Bewehrung aus Flachsfasern. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass sich die naturfaserbasierten Textilbetonbauteile mit einer biobasierten Tränkung grundsätzlich eignen. Die Eignung zeigte sich sowohl durch eine signifikante Erhöhung der Bruchlast im Vergleich zu unbewehrten und unterbewehrten Betonbauteilen als auch durch fein verteilte Rissbilder. Die Kurven der Spannungs¬Dehnungs¬Diagramme konnten in drei für bewehrte Dehnkörper typische Bereiche unterteilt werden (Zustand I – ungerissen, Zustand IIa – Erstrissbildung und Zustand IIb – abgeschlossenes Rissbild). Die Abgrenzung der Bereiche ist mit zunehmendem Bewehrungsgrad deutlicher.

Insgesamt tragen regional oder europaweit verfügbare, nachwachsende Naturfasern und eine zum Teil biobasierte Beschichtung zu einer Verbesserung des CO2-Fußabdrucks der Bauindustrie bei. Damit eröffnet sich für die energie- und rohstoffintensive Bauindustrie eine weitere Möglichkeit, zunehmend strengere Umwelt- und Nachhaltigkeitsanforderungen zu erfüllen. »Textilbetone ermöglichen leichtere und schlankere Konstruktionen und bieten daher architektonische Spielräume. An den zahlreichen Einsatzmöglichkeiten von naturfaserbewehrten Textilbetonen möchten wir gern weiterforschen«, sagt Christina Haxter, Mitarbeiterin am Fraunhofer WKI.

Das Projekt, mit einer Laufzeit vom 9. Dezember 2020 bis zum 31. Dezember 2022, wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt DBU gefördert.

Quelle:

Fraunhofer WKI

(c) nova-Institut GmbH
14.03.2023

Bakterien statt Bäume, Textil- und Agrarabfälle

Zum dritten Mal verlieh das nova-Institut im Rahmen der „Cellulose Fibres Conference 2023“ in Köln, 8. bis 9. März 2023, den Preis „Cellulose Fibre Innovation of the Year“.  

Die jährlich stattfindende Konferenz ist Treffpunkt der globalen Cellulosefaser-Industrie. 42 Referierende aus zwölf Ländern zeigten das Innovationspotenzial von Cellulosefasern auf und präsentierten die neuesten Markteinblicke und Trends vor mehr als 220 Teilnehmenden aus 30 Ländern.

Führende internationale Expertinnen und Experten stellten neue Technologien für das Recycling Cellulose-reicher Rohstoffe und innovative Praktiken der Kreislaufwirtschaft in den Bereichen Textilien, Verpackung und Hygiene vor, die unter aktiver Publikumsbeteiligung in sieben Podiumsdiskussionen erörtert wurden.    

Zum dritten Mal verlieh das nova-Institut im Rahmen der „Cellulose Fibres Conference 2023“ in Köln, 8. bis 9. März 2023, den Preis „Cellulose Fibre Innovation of the Year“.  

Die jährlich stattfindende Konferenz ist Treffpunkt der globalen Cellulosefaser-Industrie. 42 Referierende aus zwölf Ländern zeigten das Innovationspotenzial von Cellulosefasern auf und präsentierten die neuesten Markteinblicke und Trends vor mehr als 220 Teilnehmenden aus 30 Ländern.

Führende internationale Expertinnen und Experten stellten neue Technologien für das Recycling Cellulose-reicher Rohstoffe und innovative Praktiken der Kreislaufwirtschaft in den Bereichen Textilien, Verpackung und Hygiene vor, die unter aktiver Publikumsbeteiligung in sieben Podiumsdiskussionen erörtert wurden.    

Im Vorfeld der Konferenz hatte der Konferenzbeirat sechs bemerkenswerte Innovationen nominiert. Die Gewinner wurden am ersten Veranstaltungstag in einem Kopf-an-Kopf-Rennen im Rahmen eines Live-Votings durch das Konferenzpublikum gewählt.

Die Zusammenarbeit zwischen Nanollose (AU) und Birla Cellulose (IN) mit baumfreiem Lyocell aus bakterieller Cellulose namens Nullarbor™ wurde die siegreiche Cellulosefaser-Innovation 2023, gefolgt von Renewcell (SE) Cellulosefasern aus 100 % Textilabfällen, und Vybrana – die neue Generation von Bananenfasern von Gencrest Bio Products (IN) belegt den dritten Platz.    

Sieger: Nullarbor™ – Nanollose und Birla Cellulose (AU/IN)
Im Jahr 2020 begannen Nanollose und Birla Cellulose eine Reise zur Entwicklung und Vermarktung von baumfreiem Lyocell aus bakterieller Cellulose, genannt Nullarbor™. Der Name leitet sich vom lateinischen „nulla arbor“ ab, was „keine Bäume“ bedeutet. Erste Laborforschungen auf beiden Seiten führten zu einer gemeinsamen Patentanmeldung „Herstellung von hochfesten Lyocellfasern aus bakterieller Cellulose“.  

Nullarbor ist deutlich fester als Lyocell aus holzbasiertem Zellstoff; selbst die Zugabe geringer Mengen von Bakteriencellulose zu Holz-
zellstoff erhöht die Faserzähigkeit. Im Jahr 2022 wurde die erste Pilotcharge von 260 kg mit einem Anteil von 20 % Bakterienzellstoff hergestellt. Mit dieser Faser wurden mehrere hochwertige Stoffe und Kleidungsstücke hergestellt. Die Zusammenarbeit zwischen Nanollose und Birla Cellulose konzentriert sich nun auf eine Erhöhung der Produktionsmenge und des Anteils an bakterieller Zellulose in der Faser.

Zweiter Platz: Circulose® – Macht Mode rund – Renewcell (SE)
Circulose® von Renewcell ist ein Markenzellstoff, der zu 100 % aus Textilabfällen wie Altkleidern und Produktionsabfällen gewonnen wird. Es handelt sich um ein einzigartiges Material für Mode, das zu 100 % recycelt, wiederverwertbar, biologisch abbaubar und von gleichwertiger Qualität wie Neuware ist. Es wird von Faserherstellern zur Herstellung von Stapelfasern oder Filamenten wie Viskose, Lyocell, Modal, Acetat oder anderen Arten von cellulosischen Chemiefasern verwendet. Im Jahr 2022 eröffnete Renewcell in Sundsvall, Schweden, die weltweit erste Anlage für das chemische Recycling von Textilien zu Textilien – Renewcell 1. Die Anlage wird eine jährliche Kapazität von 120.000 Tonnen erreichen.

Dritter Platz: Vybrana – Die Bananenfaser der neuen Generation – Gencrest Bio Products (IN)
Vybrana ist eine nachhaltige, aus Agrarabfällen gewonnene Cellulosefaser von Gencrest. Die Rohfasern werden aus dem Stamm der Banane am Ende des Lebenszyklus der Pflanze extrahiert. Die Biomasseabfälle werden anschließend mit der von Gencrest Bio Products patentierten Fiberzyme-Technologie behandelt. Mithilfe von Cocktail-Enzymformulierungen werden hierbei der hohe Ligningehalt und andere Verunreinigungen entfernt und die Faserfibrillierung unterstützt. Das firmeneigene Kotonisierung liefert feine, spinnbare Zellulosestapelfasern, die sich zum Mischen mit anderen Stapelfasern eignen und auf allen herkömmlichen Spinnsystemen zu Garnen für nachhaltige Bekleidung versponnen werden können. Vybrana wird ohne den Einsatz schädlicher Chemikalien und mit minimalem Wasserverbrauch in einem abfallfreien Verfahren hergestellt, bei dem die Restbiomasse in die Bio-Stimulanzien Agrosatva und bio-basiertem Dünger sowie organischen Dünger umgewandelt werden.

Die nächste Cellulose Fibres Conference findet am 13. und 14. März 2024 statt.

Quelle:

nova-Institut GmbH / Textination

Foto unsplash
21.02.2023

Konsortium für enzymatisches Textilrecycling gewinnt neue Unterstützer

"Gemeinsame Vision einer echten Kreislaufwirtschaft für die Textilindustrie"

Der US-amerikanische Modekonzern PVH hat sich dem von Carbios, On, Patagonia, PUMA und Salomon gegründeten Faser-zu-Faser-Konsortium angeschlossen. Ziel ist es, die Weiterentwicklung des Biorecyclingverfahrens von Carbios im industriellen Maßstab zu unterstützen und so neue globale Standards für Textilrecyclingtechnologien zu setzen. Zu PVH gehören Marken wie Calvin Klein und Tommy Hilfiger. In der von der PVH Corp. unterzeichneten Vereinbarung verpflichtet sich das Unternehmen, durch seine Mitwirkung im Konsortium den Übergang der Textilindustrie zu einer Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen.

"Gemeinsame Vision einer echten Kreislaufwirtschaft für die Textilindustrie"

Der US-amerikanische Modekonzern PVH hat sich dem von Carbios, On, Patagonia, PUMA und Salomon gegründeten Faser-zu-Faser-Konsortium angeschlossen. Ziel ist es, die Weiterentwicklung des Biorecyclingverfahrens von Carbios im industriellen Maßstab zu unterstützen und so neue globale Standards für Textilrecyclingtechnologien zu setzen. Zu PVH gehören Marken wie Calvin Klein und Tommy Hilfiger. In der von der PVH Corp. unterzeichneten Vereinbarung verpflichtet sich das Unternehmen, durch seine Mitwirkung im Konsortium den Übergang der Textilindustrie zu einer Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen.

Carbios arbeitet mit On, Patagonia, PUMA, PVH Corp. und Salomon daran, seine biologische Recyclingtechnologie an deren Produkten zu testen und zu verbessern. Ziel ist es, im Sinne der Nachhaltigkeitsverpflichtungen den Nachweis zu erbringen, dass durch dieses Verfahren der Kreislauf von Faser zu Faser im industriellen Maßstab geschlossen wird.

Das auf zwei Jahre ausgelegte Kooperationsprojekt soll nicht nur das biologische Recycling von Polyesterartikeln in industriellem Maßstab ermöglichen, sondern auch gründliche Sortier- und Zerlegetechnologien für komplexe Textilabfälle entwickeln. Die bestehenden Mitglieder stimmten einstimmig für den Beitritt der PVH Corp. zum Konsortium und erklärten, das gemeinsame Ziel sei es, die Entwicklung praktikabler Lösungen zu unterstützen, die den Beitrag der Modeindustrie zum Klimawandel adressieren.
 
Carbios hat eine Technologie entwickelt, bei der hochselektive Enzyme zum Einsatz kommen, die gemischte Ausgangsmaterialien recyceln können und so die aufwändige Sortierung reduzieren, die bei den derzeitigen thermomechanischen Recyclingverfahren erforderlich ist. Bei Textilien aus Mischfasern wirkt das patentierte Enzym ausschließlich auf das darin enthaltene PET-Polyester. Mit diesem innovativen Verfahren wird recyceltes PET (r-PET) erzeugt, das in seiner Qualität dem von neuem PET entspricht und zur Herstellung neuer Textilfasern verwendet werden kann
 
Behandlung von Textilabfällen und Recycling
Weltweit werden derzeit nur 13 % der Textilabfälle recycelt, und zwar hauptsächlich für minderwertige Anwendungen wie Polsterung, Isolierung oder Lumpen. Die restlichen 87 % sind für die Deponierung oder Verbrennung bestimmt. Um an der Verbesserung der Textilrecyclingtechnologien zu arbeiten, werden die Mitglieder des Konsortiums Ausgangsmaterial in Form von Bekleidung, Unterwäsche, Schuhen und Sportbekleidung liefern. 2023 wird in der Demonstrationsanlage von Carbios eine neue Anlage für PET-Textilabfälle in Betrieb genommen, insbesondere im Rahmen des von der Europäischen Union kofinanzierten Projekts "LIFE Cycle of PET".  Dies geschieht im Vorgriff auf künftige Vorschriften, wie die getrennte Sammlung von Textilabfällen, die in Europa ab dem 1. Januar 2025 verbindlich vorgeschrieben ist.

Von Faser zu Faser: Kreislauffähigkeit von Textilien
Zur Herstellung von Fasern und Stoffen ist die Textilindustrie heute weitgehend auf nicht erneuerbare Ressourcen angewiesen, zum Teil greift sie auf recycelte PET-Flaschen für recycelte Polyesterfasern zurück. Diese Ressource wird jedoch knapp werden, da PET-Flaschen ausschließlich für die Herstellung neuer Flaschen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie verwendet werden. In einer Kreislaufwirtschaft werden die zur Herstellung von Textilien verwendeten Materialien aus recycelten oder erneuerbaren Rohstoffen gewonnen, die durch regenerative Verfahren hergestellt werden. Die Mitglieder des Konsortiums liefern nicht nur Rohstoffe für die Demonstrationsanlage, sondern wollen auch neue Produkte aus r-PET-Fasern herstellen, die mit dem Biorecycling-Verfahren des Unternehmens produziert werden.
 
"Die Partnerschaft mit Carbios und seinen Konsortiumsmitgliedern zeigt unser kontinuierliches Engagement für die Aufnahme von mehr Kreislaufmaterialien in unsere Kollektionen", so Esther Verburg, EVP, Sustainable Business and Innovation, Tommy Hilfiger Global und PVH Europe. "Wir freuen uns, die Entwicklung der enzymatischen Recyclingtechnologie von Carbios zu unterstützen und neue Lösungen zu nutzen, die uns dabei helfen können, die Mode nachhaltig voranzutreiben."

Weitere Informationen:
Carbios Textilrecycling Enzyme
Quelle:

Carbios / Textination

Bild: Marcin Szczepanski/Lead Multimedia Storyteller, University of Michigan College of Engineering
15.02.2023

Der neue Schmetterlingseffekt: Wendepunkt für das Recyceln von Kleidung?

Photonische Fasern nach dem Vorbild von Schmetterlingsflügeln ermöglichen unsichtbare, unauslöschliche Sortieretiketten.

Weniger als 15 % der 92 Millionen Tonnen Kleidung und anderer Textilien, die jährlich weggeworfen werden, werden recycelt - zum Teil, weil sie so schwer zu sortieren sind. Eingewebte Etiketten aus preiswerten photonischen Fasern, die von einem Team unter der Leitung der University of Michigan entwickelt wurden, könnten dies ändern.

„Es ist wie ein Strichcode, der direkt in den Stoff eines Kleidungsstücks eingewebt ist“, sagt Max Shtein, Professor an der University of Michigan für Materialwissenschaft und Technik und korrespondierender Autor der Studie in Advanced Materials Technologies. „Wir können die photonischen Eigenschaften der Fasern so anpassen, dass sie für das bloße Auge sichtbar sind, nur unter Nahinfrarotlicht lesbar sind oder eine beliebige Kombination.“

Photonische Fasern nach dem Vorbild von Schmetterlingsflügeln ermöglichen unsichtbare, unauslöschliche Sortieretiketten.

Weniger als 15 % der 92 Millionen Tonnen Kleidung und anderer Textilien, die jährlich weggeworfen werden, werden recycelt - zum Teil, weil sie so schwer zu sortieren sind. Eingewebte Etiketten aus preiswerten photonischen Fasern, die von einem Team unter der Leitung der University of Michigan entwickelt wurden, könnten dies ändern.

„Es ist wie ein Strichcode, der direkt in den Stoff eines Kleidungsstücks eingewebt ist“, sagt Max Shtein, Professor an der University of Michigan für Materialwissenschaft und Technik und korrespondierender Autor der Studie in Advanced Materials Technologies. „Wir können die photonischen Eigenschaften der Fasern so anpassen, dass sie für das bloße Auge sichtbar sind, nur unter Nahinfrarotlicht lesbar sind oder eine beliebige Kombination.“

Herkömmliche Etiketten überleben oft nicht bis zum Ende der Lebensdauer eines Kleidungsstücks - sie können abgeschnitten oder gewaschen werden, bis sie unleserlich sind, und die Informationen ohne Etiketten können sich abnutzen. Das Recycling könnte effektiver sein, wenn ein Etikett in den Stoff eingewebt würde, unsichtbar, bis es gelesen werden muss. Genau das könnte die neue Faser leisten.

Recycler verwenden bereits Nahinfrarot-Sortiersysteme, die verschiedene Materialien anhand ihrer natürlich vorkommenden optischen Signaturen identifizieren - PET-Kunststoff in einer Wasserflasche beispielsweise sieht unter Nahinfrarotlicht anders aus als der HDPE-Kunststoff in einer Milchverpackung. Auch verschiedene Stoffe haben unterschiedliche optische Signaturen, aber Brian Iezzi, Postdoktorand in Shteins Labor und Hauptautor der Studie, erklärt, dass diese Signaturen für Recycler nur von begrenztem Nutzen sind, da Mischgewebe weit verbreitet sind.

„Für ein wirklich kreislauforientiertes Recyclingsystem ist es wichtig, die genaue Zusammensetzung eines Stoffes zu kennen - ein Baumwoll-Recycler möchte nicht für ein Kleidungsstück zahlen, das zu 70 % aus Polyester besteht“, so Iezzi. „Natürliche optische Signaturen können dieses Maß an Präzision nicht bieten, aber unsere photonischen Fasern können es.“

Das Team hat die Technologie entwickelt, indem es das photonische Fachwissen von Iezzi und Shtein, das normalerweise bei Produkten wie Displays, Solarzellen und optischen Filtern zum Einsatz kommt, mit der fortschrittlichen Textilexpertise des Lincoln Labs des MIT kombiniert hat. Das Labor arbeitete daran, die photonischen Eigenschaften in ein Verfahren einzubringen, das mit einer großtechnischen Produktion kompatibel ist.

Sie lösten diese Aufgabe, indem sie mit einer Preform begannen - einem Kunststoffrohstoff, der aus Dutzenden von sich abwechselnden Schichten besteht. In diesem Fall verwendeten sie Acryl und Polycarbonat. Während jede einzelne Schicht durchsichtig ist, wird das Licht durch die Kombination zweier Materialien gebeugt und gebrochen, so dass optische Effekte entstehen, die wie Farben aussehen können. Es ist das gleiche grundlegende Phänomen, das Schmetterlingsflügeln ihren Schimmer verleiht.

Die Preform wird erhitzt und dann mechanisch - ähnlich wie Toffee - zu einem haardünnen Faserstrang gezogen. Das Herstellungsverfahren unterscheidet sich zwar von der Extrusionstechnik, mit der herkömmliche synthetische Fasern wie Polyester hergestellt werden, doch können damit dieselben kilometerlangen Faserstränge produziert werden. Diese Stränge können dann mit denselben Geräten verarbeitet werden, die bereits von Textilherstellern verwendet werden.

Durch Anpassung der Materialmischung und der Geschwindigkeit, mit der die Vorform gezogen wird, haben die Forscher die Faser so eingestellt, dass sie die gewünschten optischen Eigenschaften aufweist und recycelbar ist. Obwohl die photonische Faser teurer ist als herkömmliche Textilien, schätzen die Forscher, dass sie nur zu einem geringen Anstieg der Kosten für die Endprodukte führen wird.

„Die photonischen Fasern müssen nur einen kleinen Prozentsatz ausmachen - gerade einmal 1 % des fertigen Kleidungsstücks“, so Iezzi. „Das könnte die Kosten des Endprodukts um etwa 25 Cent erhöhen - ähnlich wie die Kosten für die uns allen bekannten Pflegeetiketten.“

Shtein ist überzeugt, dass die photonische Kennzeichnung nicht nur das Recycling erleichtern, sondern auch dazu verwendet werden könnte, Verbrauchern mitzuteilen, wo und wie die Waren hergestellt wurden, und sogar die Echtheit von Markenprodukten zu überprüfen. Dies könnte eine Option sein, Kunden einen wichtigen Mehrwert zu bieten.

„Wenn elektronische Geräte wie Mobiltelefone immer ausgereifter werden, könnten sie möglicherweise in der Lage sein, diese Art von photonischer Kennzeichnung zu lesen“, so Shtein. „Ich könnte mir also eine Zukunft vorstellen, in der eingewebte Etiketten sowohl für Verbraucher als auch für Recycler ein nützliches Merkmal sind.“

Das Team hat Patentschutz beantragt und prüft derzeit Möglichkeiten, die Technologie zu vermarkten.

Die Forschung wurde von der National Science Foundation und dem Under Secretary of Defense for Research and Engineering unterstützt.

Quelle:

Gabe Cherry, College of Engineering, University of Michigan / Textination

(c) Continuum
24.01.2023

… und sie können doch recycelt werden: Windturbinenblätter

Das dänische Unternehmen Continuum Group ApS mit Tochtergesellschaften in Dänemark (Continuum Aps) und Großbritannien (Continuum Composite Transformation (UK) Limited) will ausgedienten Windkraftflügeln und Verbundwerkstoffen einen neuen Zweck geben und verhindern, dass sie in den Müll wandern. Zielsetzung ist, die durch die derzeitigen Abfallströme in die Atmosphäre abgegebenen CO2-Mengen zu reduzieren und so einen Beitrag zu den europäischen Net Zero-Bemühungen zu leisten.

Continuum stellt nach eigenen Angaben sicher, dass alle Windturbinenblätter zu 100 % recycelbar sind, und plant, in ganz Europa Recyclingfabriken im industriellen Maßstab zu errichten.

Net Zero ist in aller Munde, 2030 rückt näher, über die Erzeugung erneuerbarer Energie durch Windenergie, die Millionen von europäischen Haushalten mit Strom versorgen soll ist omnipräsent in den Nachrichten – doch was passiert, wenn Turbinenblätter das Ende ihrer Lebensdauer erreichen?

Das dänische Unternehmen Continuum Group ApS mit Tochtergesellschaften in Dänemark (Continuum Aps) und Großbritannien (Continuum Composite Transformation (UK) Limited) will ausgedienten Windkraftflügeln und Verbundwerkstoffen einen neuen Zweck geben und verhindern, dass sie in den Müll wandern. Zielsetzung ist, die durch die derzeitigen Abfallströme in die Atmosphäre abgegebenen CO2-Mengen zu reduzieren und so einen Beitrag zu den europäischen Net Zero-Bemühungen zu leisten.

Continuum stellt nach eigenen Angaben sicher, dass alle Windturbinenblätter zu 100 % recycelbar sind, und plant, in ganz Europa Recyclingfabriken im industriellen Maßstab zu errichten.

Net Zero ist in aller Munde, 2030 rückt näher, über die Erzeugung erneuerbarer Energie durch Windenergie, die Millionen von europäischen Haushalten mit Strom versorgen soll ist omnipräsent in den Nachrichten – doch was passiert, wenn Turbinenblätter das Ende ihrer Lebensdauer erreichen?

Aktuell lautet die allgemeine Antwort, sie zu deponieren oder zu Zement zu verarbeiten, was beides nicht umweltfreundlich ist. Viele Länder in Europa streben ab 2025 ein Deponieverbot an, so dass diese Möglichkeit in naher Zukunft entfallen dürfte.

Eine Alternative bietet Continuum an: Wenn das Ende des ersten Lebenszyklus der Turbinenblätter erreicht ist, recycelt das Unternehmen sie zu neuen, hochleistungsfähigen Verbundplatten für das Baugewerbe und verwandte Branchen. Die Vision der Dänen: Die Abkehr von der derzeitigen Deponierung und die drastische Reduzierung der CO2-Emissionen, die bei der Verbrennung und Weiterverarbeitung in Zementfabriken entstehen. 100 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2050 sollen durch deren mechanische Verbundstoff-Recyclingtechnologie und Produktionsstätten im industriellen Maßstab eingespart werden.  

Die Technologie sei erprobt, patentiert und einsatzbereit, so Reinhard Kessing, Mitbegründer und CTO der Continuum Group ApS. Kessing hat über 20 Jahre Forschungs- und Entwicklungsarbeit in diesem Bereich geleistet und die Rückgewinnung von Rohstoffen aus Windflügeln und anderen Verbundwerkstoffprodukten sowie die Umwandlung dieser Materialien in neue, leistungsstarke Plattenprodukte vorangetrieben.

Durch die Zusammenarbeit mit Partnern deckt Continuum kostengünstig die gesamte Logistik und alle Prozesse ab. Dies reicht von der Sammlung der ausgedienten Flügel über die Rückgewinnung der reinen, sauberen Rohstoffe bis hin zur Wiederaufbereitung all dieser Materialien zu hochwertigen, hochleistungsfähigen, unendlich recycelbaren Verbundplatten für die Bauindustrie oder die Herstellung vieler Alltagsprodukte wie Fassaden, Industrietüren und Küchenarbeitsplatten. Die Platten bestehen zu 92 % aus recyceltem Blattmaterial und sollen die Leistung vieler Konkurrenzprodukte deutlich übertreffen.

Nicolas Derrien: Vorstandsvorsitzender der Continuum Group ApS sagte: „Wir brauchen Lösungen für die umweltfreundliche Entsorgung von Windturbinenblättern, wir brauchen sie jetzt, und wir brauchen sie schnell! Als Gesellschaft konzentrieren wir uns zu Recht auf die Erzeugung erneuerbarer Energien, aber die Frage, was mit den Rotorblättern von Windkraftanlagen nach der Produktion geschehen soll, wurde bisher nicht effektiv angegangen. Wir ändern das, indem wir eine Recyclinglösung für die Flügel und ein Bauprodukt anbieten, das die meisten anderen existierenden Baumaterialien übertrifft, unendlich oft recycelbar ist und den geringsten Kohlenstoff-Fußabdruck seiner Klasse aufweist."

Martin Dronfield, Chief Commercial Officer der Continuum Group ApS und Geschäftsführer von Continuum Composite Transformation (UK) Ltd, fügt hinzu: "Wir brauchen Windenergiebetreiber und -entwickler in ganz Europa, die einen Schritt zurücktreten und mit uns zusammenarbeiten, um die Herausforderung des großen Ganzen zu lösen. Continuum bietet ihnen einen Service, der nicht nur ihrem Unternehmen eine vollständige und nachhaltige Kreislaufwirtschaft ermöglicht, sondern auch zum Schutz unseres Planeten beiträgt.

Jeder Continuum-Industriestandort in Europa wird mindestens 36.000 Tonnen Turbinenschaufeln am Ende ihrer Lebensdauer pro Jahr recyceln können und als hochwertiges, unbegrenzt recycelbares Produkt bis 2024/25 wieder in die Kreislaufwirtschaft einspeisen.

Durch eine Investition von Climentum Capital und einen Zuschuss der britischen "Offshore Wind Growth Partnership" plant Continuum, die erste von sechs Fabriken in Esbjerg bis Ende 2024 in Betrieb zu nehmen und eine zweite Fabrik in Großbritannien direkt danach zu errichten. Anschließend sollen bis 2030 vier weitere in Frankreich, Deutschland, Spanien und der Türkei entstehen.

Als Teil des eigenen Versprechens, umweltfreundliches Verhalten zu fördern, hat Continuum seine Produktionsstätten so konzipiert, dass sie ausschließlich mit 100 % grüner Energie betrieben werden und keine Kohlenstoffemissionen verursachen, d. h. keine Emissionen in die Luft, keine Abfallstoffe in den Boden und keine Verbrennung von Kohlenstoff.

Quelle:

Continuum / Textination

04.01.2023

Kreislaufwirtschaft: Es könnte alles so einfach sein... oder auch nicht

Interview mit Henning Wehland & Robert Kapferer, Circularity Germany

Ich bin von Natur aus ein sehr neugieriger Typ. Deshalb hatte ich mich in diesem Jahr bei einer bekannten Münsteraner Hotdog-Station als Aushilfe angeboten, um auf die Personalnot in der Gastronomie aufmerksam zu machen. Darüber schrieb ich einen Artikel auf LinkedIn, auf den wiederum Ines Chucholowius reagierte.
Aus ihrem Profil konnte ich entnehmen, dass sie als Unternehmensberaterin im Bereich der Textilindustrie tätig ist. Nicht ganz ernst gemeint, bot sie mir eine Stelle in ihrem Büro an. Auf Knopfdruck sprang mein Kopfkino an: Textilindustrie, spannend! Merchandising, Kontakte in die Industrie, Kooperationen und ich ließ mich auf einen kurzen Chat ein, an dessen Ende wir telefonierten und uns auf ein Gespräch verabredeten.

Interview mit Henning Wehland & Robert Kapferer, Circularity Germany

Ich bin von Natur aus ein sehr neugieriger Typ. Deshalb hatte ich mich in diesem Jahr bei einer bekannten Münsteraner Hotdog-Station als Aushilfe angeboten, um auf die Personalnot in der Gastronomie aufmerksam zu machen. Darüber schrieb ich einen Artikel auf LinkedIn, auf den wiederum Ines Chucholowius reagierte.
Aus ihrem Profil konnte ich entnehmen, dass sie als Unternehmensberaterin im Bereich der Textilindustrie tätig ist. Nicht ganz ernst gemeint, bot sie mir eine Stelle in ihrem Büro an. Auf Knopfdruck sprang mein Kopfkino an: Textilindustrie, spannend! Merchandising, Kontakte in die Industrie, Kooperationen und ich ließ mich auf einen kurzen Chat ein, an dessen Ende wir telefonierten und uns auf ein Gespräch verabredeten.

Sie erzählte mir von ihrer Internetseite TEXTINATION.de. Und schon waren wir drin in einem spannenden, hitzigen Austausch über Wahrnehmung und Wahrheit der Textilbranche. Ohne Weiteres zu verabreden, ließen wir es dabei und ich ging mit einem Batzen neuer Informationen über einen spannenden Bereich nach Hause. Unser Dialog über Social Media ging weiter und schließlich bot Ines mir an, mit Unterstützung von TEXTINATION.de meine „Die-Sendung-mit-der-Maus-Neugierde“ zu stillen. Ich könne einen Blog auf der Seite schreiben, über Menschen, Produkte, Dienstleister, Produzenten, Startups oder Trends, die mich interessieren, um so mein Halbwissen über die Textilindustrie zu ergänzen. Das erste Ergebnis dieser Zusammenarbeit liegt hier vor.

Vorne textiler Abfall rein … hinten neues T-Shirt raus
Während unseres Austauschs und einem langen Brainstorming kitzelten immer wieder bestimmte Begriffe meine Aufmerksamkeit:
Kreislaufwirtschaft, Circular Economy, Recycling, Wertstoffkreisläufe. Auch wenn es viele verschiedene Definitionen gibt und einige sogar zwischen Kreislaufwirtschaft und Circular Economy unterscheiden: ersteres von der Abfallseite gedacht, Abfall, der als Sekundärrohstoff wieder in die Produktion einfließt, Circular Economy, die die Abfälle bereits in der Produktion vermeidet, besteht allgemeiner Konsens eigentlich nur darüber, dass es sich bei der Kreislaufwirtschaft um einen Kreislauf handelt, in dem Abfälle als Quelle für etwas Neues verwendet werden.

Klingt für mich beides nach sinnvollen Ergänzungen für alle Bereiche der produzierenden Güterwirtschaft. Ines stellte mir Robert Kapferer vor: Er betreibt ein Startup namens Circularity Germany in Hamburg. Seine 2021 gegründete Firma, die aus Robert und einem weiteren Partner besteht, ist ein Ableger der in Holland ansässigen Firma Circularity B.V. Deren Gründer Han Hamers, studierter Kinderpsychologe, aus der Textilfärbeindustrie kommend, hatte vor fünf Jahren die Idee für eine Produktionsstätte, die ausnahmslos aus textilen Produktionsabfällen und Alttextilien neues Garn spinnt und es zu T-, Polo- und Sweatshirts verarbeitet.

Ob das funktioniert und wenn ja, wie, das wollte ich herausfinden, und Ines und ich haben uns mit Robert zu einem 90-minütigen Onlinegespräch getroffen.

Robert, von Haus aus Wirtschaftsingenieur, kommt aus dem wenig nachhaltigen Handel mit Arbeitskleidung. Er hat 11 Jahre als Geschäftsführer für die AVECO Material und Service GmbH gearbeitet, wo er für die Arbeitskleidung von mehr als 50.000 Mitarbeitern zuständig war.
Eingangs unseres Gesprächs betont er, dass ein Moment im Januar 2021 sein Leben verändert habe und er sich von da an mit Haut und Haaren dem Thema Kreislaufwirtschaft widmen wollte. Damals lernte er Han Hamers kennen, der ihn dazu inspirierte, Circularity Germany zu gründen. Seine Begeisterung und Leidenschaft für das Thema klingen glaubwürdig, und er beginnt, die Unterschiede zwischen chemischer und mechanischer Recyclingmethode zu beschreiben. Zusammengefasst werden beim mechanischen Verfahren des Schredderns und des anschließenden Spinnens die Fasern verkürzt und insbesondere im Wiederholungsfall deren Eigenschaften für die Weiterverarbeitung eingeschränkt. Der Vorteil liegt vor allem in dem vergleichsweise unkomplizierten, schnellen und kostengünstigeren Verfahren. Bei der chemischen Variante bleibt zwar chemischer Abfall zurück, aber die verarbeiteten Materialien werden wieder so in ihre Grundbausteine zerlegt, dass sie fast alle Eigenschaften wie ein sogenannter jungfräulicher (virgin) Rohstoff haben. Circularity steht für das mechanische Verfahren.

Und dann fällt der Satz, der unsere ganze Aufmerksamkeit bekommt: „Wir haben eine Spinntechnologie so stark weiterentwickelt, dass sie ausschließlich auf abfallbasierten Rohstoffen aufsetzt.“
Dieser Satz fällt fast nicht auf, weil Robert noch – durchaus spannend – darüber berichtet, dass sie eine Produktions- und Fertigungsstätte aufbauen, wo vom Strickgarn bis zum relativ feinen Faden alles gesponnen werden kann, um diesen dann zu Stoff weiterzuverarbeiten. Und hier fragen Ines und ich intensiv nach: Wesentliche Voraussetzungen, die eine industrielle Fertigung benötig, scheinen noch ungelöst, notwendige Prozesse noch in der Planung zu sein. Beispielweise die Frage, ob mit Pre- oder Post-Consumer-Abfällen gearbeitet wird. Pre-Consumer-Abfälle sind Schnittabfälle aus der Produktion von Kleidungsstücken, das entspricht etwa 10% des insgesamt verarbeiteten Materials. Post-Consumer-Abfälle kennen wir als Altkleider.

Solange noch in Indien produziert wird, nutzt Circularity hauptsächlich Pre-Consumer Abfälle. Diese kommen ausschließlich aus den umliegenden Nähfabriken aus der Region Tirupur im Süden von Indien. Beim Einsatz von Alttextilien, die es in Deutschland in großen Mengen gibt (laut einer Studie werden 28-40% aller hergestellten Kleidungsstücke ungetragen weggeworfen), produziert Circularity Mischgarne aus Baumwolle und Polyester. Reine Baumwollgarne bietet das Unternehmen nicht an.

Textilien werden in unterschiedlichem Ausmaß mit Chemikalien behandelt – insbesondere Arbeitsbekleidung kommt ohne sie nicht aus. Die Tatsache, dass auch Han Hamers gerade die textilen Altbestände der niederländischen Armee auffängt, um sie renewed wieder in den Konsumkreislauf einzubringen, beruhigt deshalb nicht. Denn Militärbekleidung muss mit allerlei Zusätzen ausgerüstet werden.

Deshalb frage ich nun nach, wie er bei einem Konsumenten wie mir, mit gesundem Halbwissen über Maskendeals und Greenwashing, die Zweifel ausräumen kann, dass einer gut gemeinten Vision ein dunkles Erwachen folgt. Diese Sorge kann nach dem Gespräch noch nicht ausgeräumt werden.

Wir beschränken uns auf das, was geplant ist: Robert hat den Traum, den globalisierten Prozess der Textilherstellung umzukehren. Er will die Entkopplung von Baumwollanbau und weit entfernter Produktion wie z.B. in Asien mit anschließender Verschiffung fertig konfektionierter Ware nach Europa. Vorhandene Altkleider und/oder Schnittabfälle sollen künftig vor Ort gesammelt, recycelt und lokal zu neuen Textilien verarbeitet werden.

Ich nehme ihm diesen Traum ab. Allerdings bleiben einige meiner Fragen zur Nachhaltigkeit offen – deshalb habe ich meine Zweifel, ob die Idee aktuell leistungs- und konkurrenzfähig ist.
Woran liegt das? Zum einen ist es meiner Meinung nach immer schwierig, notwendige Pionierarbeit zu leisten. Vor allem, wenn mir am Stammtisch die schlauen Kommentare um die Ohren fliegen, dass große Firmen ja schon intensiv an dem Prinzip Kreislaufwirtschaft arbeiten. Doch manchmal bleibt außer dem Begriff Kreislaufwirtschaft und einem unbestimmten Commitment dazu nicht viel übrig.

Circularity schreibt sich auf die Fahne, eine Technologie zu entwickeln, die ausschließlich auf Abfällen aufbaut. Das Gespräch macht deutlich, dass darin auch enthalten ist, dass die Produktion umweltverträglicher ist und Transportwege wegfallen, was die Umwelt weiter entlastet. Wenn alle Vorrausetzungen für die Umsetzung dieses Traums geschaffen sind und ein qualitativ, wie preislich konkurrenzfähiges Produkt auf den Markt gebracht werden kann, dann muss der Konsument entscheiden. Hier hätte man dann das glaubwürdige Argument der Nachhaltigkeit und eines sozial-, wie umwelttechnisch fairen Verfahrens. Um die PR müsste Circularity sich dann keine Sorgen machen.

Man muss der Sache Zeit und vor allem Aufmerksamkeit geben. Aber vielleicht sollte die Industrie sich genau hier und jetzt engagieren und in solche Startups investieren und dafür sorgen, dass Probleme aus dem Weg geräumt werden, denn eines ist uns in diesem Gespräch klargeworden:
Es könnte alles so einfach sein. Kreislaufwirtschaft ist machbar, aber der Weg dorthin noch kostspielig und steinig. Deshalb wünschen wir Robert und seinem Team viel Erfolg und vor allem Durchhaltevermögen. Danke für das Gespräch.

Kurz und knapp: das Profil des Unternehmens im beigefügten Factsheet zum Download.

 

 

Foto: Pim Top for FranklinTill
29.11.2022

Heimtextil Trends 23/24: Textiles Matter

Die Heimtextil Trend Preview 23/24 präsentierte im Herbst richtungsweisende Designkonzepte und Inspirationen für die textile Einrichtungsbranche. Mit „Textiles Matter“ will die Heimtextil 2023 Maßstäbe für die zukunftsorientierte und nachhaltige textile Einrichtung von morgen setzen. Dabei steht Kreislaufwirtschaft im Mittelpunkt. Marta Giralt Dunjó von der Zukunftsforschungsagentur FranklinTill (Großbritannien) stellte die Design-Prognose 23/24 vor. Auf der Heimtextil, vom 10. bis 13. Januar 2023 in Frankfurt am Main, werden die Neuheiten im Trend Space Impulse inszeniert.

Der Trend Council der Heimtextil, bestehend aus dem Studio FranklinTill (London), dem Stijlinstituut Amsterdam und der dänischen Agentur SPOTT Trends & Business, analysierte die Zukunft für den nationalen und internationalen Markt. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft stehen dabei so stark wie nie zuvor im Fokus.

Die Heimtextil Trend Preview 23/24 präsentierte im Herbst richtungsweisende Designkonzepte und Inspirationen für die textile Einrichtungsbranche. Mit „Textiles Matter“ will die Heimtextil 2023 Maßstäbe für die zukunftsorientierte und nachhaltige textile Einrichtung von morgen setzen. Dabei steht Kreislaufwirtschaft im Mittelpunkt. Marta Giralt Dunjó von der Zukunftsforschungsagentur FranklinTill (Großbritannien) stellte die Design-Prognose 23/24 vor. Auf der Heimtextil, vom 10. bis 13. Januar 2023 in Frankfurt am Main, werden die Neuheiten im Trend Space Impulse inszeniert.

Der Trend Council der Heimtextil, bestehend aus dem Studio FranklinTill (London), dem Stijlinstituut Amsterdam und der dänischen Agentur SPOTT Trends & Business, analysierte die Zukunft für den nationalen und internationalen Markt. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft stehen dabei so stark wie nie zuvor im Fokus.

Textiles Matter: Verantwortung tragen
Textilien sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. So vielfältig die Ansprüche der Nutzer*innen sind, so vielfältige sind auch die Einsatzzwecke der Materialien und ihre Herstellung. Dies stellt die internationale Industrie vor eine große Herausforderung. Die Textilindustrie bezieht ihre Rohstoffe aus einer Vielzahl von Quellen und nutzt zahlreiche Verfahren zur Herstellung der Vielfalt ihrer Produkten. Dies bietet großes Potenzial für eine nachhaltige Weiterentwicklung der Branche. Die Heimtextil Trends zeigen Möglichkeiten auf, dieses Potenzial zu nutzen und nachhaltige Entwicklung zu fördern. Unter dem Motto „Textiles Matter“ werden Ansätze der Kreislaufwirtschaft vorgestellt, die dem Markt Impulse für eine nachhaltige Entwicklung liefern.

"In Anbetracht des ökologischen Notstands, in dem wir uns derzeit befinden, steht die Textilindustrie in der Verantwortung, ihre Prozesse zu überprüfen und zum Besseren zu verändern. Aus diesem Grund verfolgen wir bei dieser Ausgabe der Heimtextil Trends einen materialorientierten Ansatz und konzentrieren uns auf die Beschaffung, das Design und die Nachhaltigkeit von Materialien. Textiles Matter zeigt das Potenzial der Kreislaufwirtschaft auf und würdigt Designinitiativen, die schön, relevant und vor allem nachhaltig sind", erklärt Marta Giralt Dunjó von FranklinTill.

Wandel durch Kreislaufwirtschaft
Die nachhaltigen und zukunftsweisenden Trends werden im Trend Space der Heimtextil, vom 10. bis 13. Januar 2023 in Frankfurt, systemisch inszeniert und bilden das Herzstück der Fachmesse. Für Besucher*innen aus aller Welt bieten die Trends eine Orientierung und ermöglichen den Blick in die Zukunft der Wohn- und Objekttextilien. Auf der Messe geht es um Ideen und Lösungsansätze der textilen Kreislaufwirtschaft: Wie werden Textilien nachhaltig produziert? Welche Möglichkeiten der Wiederverwertung gibt es? Wie sieht optimales Recycling textiler Produkte aus? Im Rahmen der Kreislaufwirtschaft werden Materialien immer wieder einem Nutzungskreislauf hinzugefügt. Somit verringert sich auf der einen Seite der Bedarf an neuen Rohstoffen und auf der anderen Seite die Produktion von Abfall. Anorganische Materialien wie Nylon, Polyester, Kunststoffe oder Metalle können im technischen Kreislauf ohne Qualitätsverlust recycelt und wiederverwendet werden. Organische Materialien wie Leinen oder Bast werden im biologischen Kreislauf wieder in die Natur zurückgeführt. Die vier Trend-Themen „Make and Remake“, „Continuous“, „From Earth“ und „Nature Engineered“ leiten sich daraus ab.

Make and Remake
Gebrauchte Materialien, Altbestände oder Stoffreste erhalten ein neues Leben. Dabei rückt die Ästhetik des Reparierens in den Fokus und wird als gezieltes Designelement des recycelten Produkts eingesetzt. Mit hellen und fröhlichen Farben und Techniken wie Überdrucken, Überfärben, Bricolage, Collage oder Patchwork entstehen neue und kreative Produkte. Überlagerte Farbmuster und Grafiken führen zu gewagten und maximalistischen, zugleich bewussten Designs.

Continuous
Das Trend-Thema Continuous beschreibt geschlossene Kreisläufe, in denen Materialien immer wieder zu neuen, abfallfreien Produkten recycelt werden. Vermeintliche Abfallstoffe werden getrennt und zu neuen Fasern, Verbundwerkstoffen und Textilien wiederaufbereitet. Synthetische sowie zellulosehaltige Garne werden somit abfallfrei produziert. Dank technisch fortgeschrittener Rückgewinnungsverfahren behalten die Materialien ihre ursprüngliche Qualität und Ästhetik. Zweckmäßigkeit, Minimalismus und Langlebigkeit bestimmen das Design der Continuous Produkte.

From Earth
Hier stehen die Natürlichkeit und der Einklang mit der Natur der organischen Materialien im Mittelpunkt. Natürliche Färbungen vermitteln Wärme und Weichheit. Unvollkommene Texturen, Abnutzungen und Unregelmäßigkeiten präsentieren eine ökologische und erdverbundene Ästhetik. Erdige und botanische Farbtöne, natürliche Variationen und haptischer Reichtum dominieren den Bereich From Earth. Unbearbeitete und rohe Oberflächen sowie ungebleichte Textilien, natürliche Farbstoffe betonen die Materialien in ihrem ursprünglichen Zustand.

Nature Engineered
Natürlichkeit wird neu interpretiert. Nature Engineered wertet organische Materialien wie Bast, Hanf, Leinen und Nesseln mit mechanischen Mitteln auf und perfektioniert diese. Modernste Techniken bereiten natürliche Textilien zu anspruchsvollen und intelligenten Produkten auf. Klare Linien und Formen, kombiniert mit weichen Beige- und Brauntönen kennzeichnen dieses Thema.

Weitere Informationen:
Heimtextil Trends FranklinTill
Quelle:

Heimtextil, Messe Frankfurt

Foto Pixabay
16.11.2022

Grüne Chemie verwandelt Gesichtsmasken in Ethernet-Kabel

Wissenschaftler der Universität Swansea haben Pionierarbeit geleistet und ein Verfahren entwickelt, bei dem der in weggeworfenen Gesichtsmasken enthaltene Kohlenstoff in hochwertige einwandige Kohlenstoff-Nanoröhren (CNT) umgewandelt wird, die anschließend zur Herstellung von Ethernet-Kabeln mit Breitbandqualität verwendet werden.
 
Die Studie, die in der Fachzeitschrift Carbon Letters veröffentlicht wurde, beschreibt, wie diese neue grüne Chemie eingesetzt werden könnte, um Materialien, die sonst weggeworfen würden, wiederzuverwerten und in hochwertige Materialien für konkreten Einsatzzwecke umzuwandeln. Die mit dieser Technik hergestellten CNT haben das Potenzial, nicht nur in Ethernet-Kabeln verwendet zu werden, sondern auch bei der Herstellung von leichten Batterien, die in Elektroautos und Drohnen zum Einsatz kommen.

Wissenschaftler der Universität Swansea haben Pionierarbeit geleistet und ein Verfahren entwickelt, bei dem der in weggeworfenen Gesichtsmasken enthaltene Kohlenstoff in hochwertige einwandige Kohlenstoff-Nanoröhren (CNT) umgewandelt wird, die anschließend zur Herstellung von Ethernet-Kabeln mit Breitbandqualität verwendet werden.
 
Die Studie, die in der Fachzeitschrift Carbon Letters veröffentlicht wurde, beschreibt, wie diese neue grüne Chemie eingesetzt werden könnte, um Materialien, die sonst weggeworfen würden, wiederzuverwerten und in hochwertige Materialien für konkreten Einsatzzwecke umzuwandeln. Die mit dieser Technik hergestellten CNT haben das Potenzial, nicht nur in Ethernet-Kabeln verwendet zu werden, sondern auch bei der Herstellung von leichten Batterien, die in Elektroautos und Drohnen zum Einsatz kommen.

Professor Alvin Orbaek White vom Forschungsinstitut für Energiesicherheit (ESRI) der Universität Swansea:
„Einweg-Gesichtsmasken sind eine wirkliche Katastrophe für das Recyclingsystem, da sie riesige Mengen an Plastikmüll erzeugen - ein Großteil davon landet in unseren Ozeanen. Im Rahmen der Studie haben wir festgestellt, dass der Kohlenstoff im Inneren der Gesichtsmaske als ziemlich gutes Ausgangsmaterial für die Herstellung hochwertiger Materialien wie CNTs verwendet werden kann.“

„CNTs sind sehr begehrt, weil sie herausragende physikalische Eigenschaften besitzen und in der industriellen Herstellung sehr viel teurer sind. Mit dieser Studie haben wir also gezeigt, dass wir sehr hochwertige Materialien herstellen können, indem wir CNTs aus eigentlich wertlosen Gesichtsmaskenabfällen verarbeiten.“

Das Team untersuchte ebenfalls die mit diesem Verfahren verbundenen Energiekosten und kam zu dem Schluss, dass die Technik nicht nur im Hinblick auf den Ressourcenverbrauch umweltfreundlich ist, sondern auch in Bezug auf die Erzeugung eines Produktwert im Gegensatz zur Abfallerzeugung. Darüber hinaus war das mit den CNTs hergestellte Ethernet-Kabel von guter Qualität und entsprach den Übertragungsgeschwindigkeiten der Kategorie 5, wobei es die in den meisten Ländern, einschließlich des Vereinigten Königreichs, für das Breitband-Internet festgelegten Richtwerte leicht übertraf.

Professor Orbaek White:
„Die Verwendung von CNT-Folien in Batterien anstelle von Metallfolien hat geringere Auswirkungen auf die Umwelt, da die Verwendung von Kohlenstoff die Notwendigkeit von Bergbau- und Förderaktivitäten ausgleicht. Diese Arbeit ist von entscheidender Bedeutung, da sie nicht nur zu einer Kreislaufwirtschaft beiträgt, sondern auch skalierbar und für die industrielle Verarbeitung geeignet ist und im Kern eine grüne Chemie darstellt.“

Quelle:

Swansea University

Foto: Performance Days
18.10.2022

Eco Award & Performance Award für innovative Winterstoffe 24/25

  • Jury vergibt zwei Awards für herausragende Stoff-Innovationen

Die nächsten PERFORMANCE DAYS finden vom 3. bis 4. November 2022 im MOC Ordercenter in München statt. Besucher können die Veranstaltung auch digital verfolgen. Dank der neuen Plattform The Loop stehen Interessenten ganzjährig online alle wichtigen Informationen, aktuelle Trends, die neuen Materialinnovationen und erweiterte Tools zur Verfügung. Im Fokus des kuratierten PERFORMANCE FORUMs stehen auch im Winter die Gewinner der beiden Awards. In diesem Jahr vergab die Jury neben einem PERFORMANCE AWARD auch einen ECO PERFORMANCE AWARD.
 
Nachhaltig & innovativ: die Award-Gewinner der Saison Winter 2024/25
Im Rahmen der Winterausgabe der PERFORMANCE DAYS werden in den einzelnen Kategorien die Stoff-Highlights plus Accessoire-Trends für die Wintersaison 2024/25 im PERFORMANCE FORUM gezeigt.

  • Jury vergibt zwei Awards für herausragende Stoff-Innovationen

Die nächsten PERFORMANCE DAYS finden vom 3. bis 4. November 2022 im MOC Ordercenter in München statt. Besucher können die Veranstaltung auch digital verfolgen. Dank der neuen Plattform The Loop stehen Interessenten ganzjährig online alle wichtigen Informationen, aktuelle Trends, die neuen Materialinnovationen und erweiterte Tools zur Verfügung. Im Fokus des kuratierten PERFORMANCE FORUMs stehen auch im Winter die Gewinner der beiden Awards. In diesem Jahr vergab die Jury neben einem PERFORMANCE AWARD auch einen ECO PERFORMANCE AWARD.
 
Nachhaltig & innovativ: die Award-Gewinner der Saison Winter 2024/25
Im Rahmen der Winterausgabe der PERFORMANCE DAYS werden in den einzelnen Kategorien die Stoff-Highlights plus Accessoire-Trends für die Wintersaison 2024/25 im PERFORMANCE FORUM gezeigt.
Besonders auffällig war in diesem Jahr einerseits der hohe Innovations- und Qualitätsgrad vieler eingereichter Stoffe, anderseits, nicht zuletzt aufgrund des diesjährigen Focus Topics, die nachhaltige Komponente. „Wir wollen es unseren Besuchern ermöglichen, die beste Entscheidung in punkto Materialauswahl zu treffen, auch in Bezug auf CO2-Neutralität und am Ende auch in puncto textiler Kreislauffähigkeit,“ so Marco Weichert, CEO PERFORMANCE DAYS.  
 
Der Weg zur CO2-Neutralität bleibt dennoch ein weiter. Generell setzen Hersteller, wenn möglich, vermehrt auf den Einsatz von Naturfasern, wie Tencel™ oder andere Pflanzenfasern – die meisten von ihnen weisen auch bei der Herstellung eine niedrige CO2-Bilanz auf. Das Thema Recycling zeigt viele neue Facetten und weist spannende Strömungen auf. Das Portfolio reicht vom Recycling von marinem Abfall, wie u.a. alte Bojen, Plastikmüll oder Fischernetzen, bis hin zum Wiederverwerten von Abfällen aus der Automobil- und Computerbranche, wie u.a. alte Autoreifen oder Computerchips. Natürliche Färbemethoden gewinnen zudem immer mehr an Bedeutung, ebenso wie das Zurückführen von Stoffen in den textilen Kreislauf.

Im Marketplace haben Besucher die Möglichkeit, über 19.000 Produkte der Aussteller zu sichten, darunter auch die Stoff-Highlights der einzelnen Kategorien des PERFORMANCE FORUMs. Um dem Besucher die Stoffe in Haptik, Design und Struktur so realitätsgetreu wie möglich digital präsentieren zu können, wurde das PERFORMANCE FORUM mit neuartiger 3D-Technik ausgestattet, darunter innovative Tools wie 3D Bilder, Videoanimationen und U3MA Dateien zum Download.

Auch für die Wintersaison 2024/25 hat die Jury zwei Awards für herausragende Stoffe vergeben – so präsentiert sich neben dem PERFORMANCE AWARD WINNER, der an Long Advance Int. Co Ltd. geht, auch ein ECO PERFORMANCE AWARD WINNER, der an Pontetorto Spa vergeben wurde.

ECO AWARD WINNER geht an „9203M“ von Pontetorto Spa: High-Performance trotz maximaler Nachhaltigkeit
Der Stoff ist eine Mischung aus 23 % Hanf, 69 % recyceltem Polyester und 9 % recyceltem Elasthan. Zudem weist das Material bei der Herstellung einen geringen CO2 -Fußabdruck auf und setzt auf eine geringe Ausschüttung an Mikroplastik in die Umwelt. „9203M“ gehört zur Tecnostretch-Bio-Reihe von Pontetorto, der einen hervorragenden 4-Wege-Stretch mit bester Elastizität vorweist. Zudem garantiert er schnelles Trocknen und optimale Atmungsaktivität. Das Polyestergarn wird durch mechanisches Recycling von Plastikflaschen hergestellt. Hanf, die wasserabweisendste unter den Naturfasern, ermöglicht ein schnelles Trocknen und bietet optimalen Komfort. Hanf gilt als extrem nachhaltige Naturfaser, da sie von einer antibakteriellen Pflanze stammt, die während ihres Wachstums keine Pestizide oder chemischen Düngemittel benötigt und zudem extrem wenig Wasser zum Wachstum verbraucht.

PERFORMANCE AWARD für “LPD22015-Y4E” von Long Advanced Int. Co. Ltd.: Perfektes Recycling für optimale Performance
Der Mono-Componenten 2 Lagen Stoff ist eine Mischung aus 45 % Polyester mechanical stretch und 55 % recyceltem Polyester aus recycleten Textilien, laminiert mit einer PET Membran und einem Gewicht von 147 Gramm. Das Besondere am „LPD 22015-Y4E“ ist das Wiederverwerten von Stoffresten und Schnittabfällen. Müll wird damit wieder in den textilen Kreislauf zurückgeführt, um neues Garn zu spinnen. Hersteller müssen in Zukunft darauf achten, dass Stoff recycelt werden kann. Das Produzieren von Müll wird damit um 30% reduziert im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren. Zudem lobte die Jury den Griff und die außergewöhnliche Optik des Materials.  

Das gesamte PERFORMANCE FORUM inklusive der beiden Awards kann am 26. und 27. Oktober live in Portland, Oregon auf der Messe gesichtet werden und am 3. und 4. November in München auf der PERFORMANCE DAYS Messe. Ab sofort sind alle innovativen Materialien auch online im Marketplace des PERFORMANCE DAYS Loop zu finden mit der Möglichkeit, direkt beim Aussteller kostenfreie Samples zu bestellen.

Foto: Pixabay
19.07.2022

Die Zukunft der Mode: Revolution zwischen Fast und Slow Fashion

Die Modebranche wird massiv vom gesellschaftlichen Wertewandel beeinflusst. Welche Trends zu beobachten sind und in welche Richtung sich die Fashion-Zukunft entwickelt – ein Auszug aus dem Retail Report 20231 von Theresa Schleicher.

Die Modebranche wird massiv vom gesellschaftlichen Wertewandel beeinflusst. Welche Trends zu beobachten sind und in welche Richtung sich die Fashion-Zukunft entwickelt – ein Auszug aus dem Retail Report 20231 von Theresa Schleicher.

Die Modeindustrie wurde durch die globale Gesundheitspandemie ausgebremst und durch die Maßnahmen infolge des Ukraine-Kriegs weiter in Mitleidenschaft gezogen: Fragile Lieferketten, erhöhte Transport- und Energiekosten sowie steigende Preise setzen der globalisierten Modebranche zu. Diejenigen, die am schnellsten unterwegs waren, erwischt es am härtesten. Fast Fashion nach dem Prinzip „immer schneller, immer günstiger, immer mehr“ – seit Jahren auf der Überholspur – erlebt nun einen Crash ohnegleichen. Dabei wäre das System Fashion auch ohne diese folgenreichen Ereignisse an seine Grenzen gestoßen. Was sich noch hätte evolutionär entwickeln können, wird jetzt revolutioniert. Jetzt und in Zukunft wird es besonders für Marken und Handelsunternehmen schwierig, die kein scharfes Profil haben oder die bei dem Versuch, Massenware zu immer noch günstigeren Preisen anzubieten als die Konkurrenz, viele Kunden verloren haben.

Neues Wert-Paradigma in der Gesellschaft – auch bei Mode
Während sich Modehändler und Fashion Brands auf die Expansion ins Netz fokussieren und spätestens seit der Coronapandemie den Fuß aufs Gaspedal setzen, findet parallel in der Gesellschaft ein Wertewandel statt. Denn viele Verhaltensweisen, die über Monate eingeübt, erprobt und gelebt wurden bzw. werden mussten, werden auch künftig unser Konsumverhalten und unsere Lebensstile prägen. Die Verunsicherung in der Gesellschaft sowie eine schrumpfende Wirtschaft und steigende Verbraucherpreise in Folge des Ukrainekriegs werden weiter zu dieser Verschiebung der Werte beitragen.

Das alte Paradigma war „vor allem von pragmatischen Faktoren wie Preis, Quantität, Sicherheit und Convenience geprägt, das Konsumverhalten orientierte sich also überwiegend an relativ simplen Kosten-Nutzen-Rechnungen.“ Das neue Wert-Paradigma werde hingegen stärker von „weichen Faktoren“ beeinflusst. So wird die Qualität eines Produkts ganzheitlicher definiert. Es gehe neben dem Preis eben auch „um ökologische, […] ethische und soziale Aspekte. Um positive oder negative Erfahrungen, die man mit Produzentinnen gemacht hat, und um die Visionen, die diese mit ihren Unternehmen verfolgen“. Dieses neue Wert-Paradigma zwingt vor allem die großen Filialisten zu einem Umdenken. Sie müssen ihre Geschäftsmodelle in Richtung Nachhaltigkeit, Transparenz und Verantwortung weiterentwickeln – und Haltung zeigen. Der Einfluss des Megatrends Neo-Ökologie in Kombination mit dem Push in Richtung Sinnökonomie mischt die Karten in der Modebranche neu.

Wichtigster Treiber für das veränderte Konsumverhalten ist der Klimaschutz, der immer mehr Menschen auch persönlich wichtiger wird, weil sie die Auswirkungen des Klimawandels selbst im Alltag spüren. Der Übergang zu einer nachhaltigen, biobasierten und zirkulären Wirtschaft geht dabei mit grundlegenden Veränderungen im technischen, wirtschaftlichen und sozialen Umfeld einher.

Circular Fashion als Chance für Fast Fashion
Die Entwicklung der Modebranche – vor allem der Fast-Fashion- Industrie – hin zu einer kreislauforientierteren Wirtschaft ist kein kurzfristiger, sondern einer der langfristigsten und zugleich zukunftsweisendsten Trends im Handel überhaupt.
 
Bereits vor der Pandemie legte ein größer werdender Teil der Konsumierenden Wert auf nachhaltig produzierte Kleidung, statt immer die neuesten Trends zu shoppen. Ein Reset ist nötig, doch die Modeindustrie steht vor einer schwierigen Frage: Wie kann sie auf die Nachfrage nach neuen Trends reagieren, ohne ihre Verantwortung für die Umwelt zu vernachlässigen?

Die Lösung, wie Emissionen vermindert sowie Rohstoffe und Ressourcen geschont werden können, scheint auf der Hand zu liegen: weniger produzieren. Für die Herstellung eines T-Shirts werden im Schnitt 2.700 Liter Wasser benötigt – so viel Trinkwasser würde einer Person zweieinhalb Jahre lang reichen. In Europa kauft im Durchschnitt jede Person pro Jahr 26 Kilogramm Textilien – und entsorgt elf Kilogramm. Davon werden wiederum fast 90 Prozent verbrannt oder landen auf Deponien. Überproduktion, prekäre Arbeitsbedingungen bei der Herstellung und die Verwendung nicht nachhaltiger Materialien sind die großen Probleme der Fast-Fashion-Industrie. Es ist an der Zeit, Fast Fashion zu verlangsamen.

Mode-Recycling by Design & Recycling as a Service
Ein erster Schritt, Mode und Textilien länger im Kreislauf zu halten, ist ein sachgemäßes Recycling der Materialien. Dafür muss künftig Recycling schon beim Design mitgedacht werden – und das nicht nur bei nachhaltig produzierter Mode, sondern vor allem auch bei Fast Fashion. Hierfür entwickelte etwa die H&M Group den Circulator: Das digitale Bewertungstool führt die Designerin oder den Designer durch Materialien, Komponenten und Designstrategien, die für das Produkt je nach Zweck am besten geeignet sind, und bewertet diese hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen, Haltbarkeit und Recyclingfähigkeit.

Aber vor allem immer mehr junge Unternehmen spezialisieren sich darauf, Recycling für Textilien als Serviceleistung anzubieten. Sie arbeiten direkt mit Modehändlern oder Fashion Brands zusammen, um die bestmögliche Wiederverwertung, das Wieder-in-den-Kreislauf-Bringen oder sogar ein Upcycling zu ermöglichen. Bisher hat es sich für große Textilunternehmen nicht gelohnt, in eigene Recyclingsysteme zu investieren. Doch Recycling as a Service ist ein Zukunftsmarkt, der von innovativen Start-ups wie beispielsweise Resortecs angeführt wird, die bisherige Hürden in unserem Recyclingsystem angehen. In Zukunft werden immer mehr neue Dienstleister rund um Retouren und Recycling aufpoppen und Fashion-Retailern helfen, ihre Materialkreisläufe nachhaltiger auszurichten.

Secondhand erobert den Fast-Fashion-Markt
Eine andere Art, die Lebensdauer von Kleidungsstücken zu verlängern, ist die Weitergabe an neue Nutzerinnen und Nutzer. Wir erleben den Siegeszug von Vintage, Retro und Co. – schicke Secondhandshops und -ketten wie Resales und Humana sprießen überall aus dem Boden. Auch das Renaming von Secondhand hin zu Pre-owned oder pre-loved verdeutlicht die gestiegene Wertschätzung getragener Kleidung. Der Trend zu Secondhand lohnt sich auch wirtschaftlich für Unternehmen: Die Anzahl von Plattformen, deren Businessmodell sich um den Wiederverkauf von Kleidung dreht, steigt und Secondhand-Mode kommt in der Mitte der Gesellschaft an. Das Luxussegment und vor allem Vintage-Mode sind preisstabil, da die Verfügbarkeit dieser Einzelstücke endlich ist. Fast Fashion dagegen ist ausreichend vorhanden und besonders für preissensible Kunden und Kundinnen interessant, da Secondhand als eine der nachhaltigsten Formen des Konsums gilt – somit Mode mit gutem Gewissen geshoppt werden kann – und in der Regel sogar günstiger als Neuware angeboten wird. Der Secondhand-Markt wird sich weiter professionalisieren und gesellschaftsfähiger werden. In Folge wird auch die Fast-Fashion-Industrie gezwungen sein, höherwertige Kleidung zu produzieren, um überhaupt Teil des zirkulären Systems werden bzw. bleiben zu können.

Slow Fashion gewinnt dank Technologie an Fahrt
Die Entwicklung und Orientierung von Fast Fashion in Richtung zirkulärer Prozesse verändert auch die nachhaltige Mode. In Zukunft können Fast Fashion und Slow Fashion voneinander lernen, um ihre Potenziale voll auszuschöpfen: Fast Fashion wird nachhaltiger, während Slow Fashion den Fokus auf schnellere Verfügbarkeit und Lieferung legt und die Customer Experience so angenehm wie möglich gestaltet. Fast und Slow Fashion sind nicht mehr zwingende Gegensätze –
denn auch die nachhaltige Modebewegung kann von technologischen Neuerungen, die vor allem von den Fashion-Plattformen etabliert werden, profitieren und Slow Fashion auf eine neue Stufe heben.

Zugleich ist Sustainable Luxury eine neue Form des Luxuskonsums – vor allem im Bereich der Designermode wird Nachhaltigkeit zum alles entscheidenden Kriterium. Nachhaltigkeit als Distinktionsmittel für wahren Luxus und Nachhaltigkeit als Grundvoraussetzung für eine funktionierende Fashion-Industrie nähern sich immer mehr an. Hier findet der Übergang zwischen einer Verlangsamung von Fast Fashion und einer Beschleunigung von Slow Fashion statt.

Trend Sustainable Luxury
Luxus definiert sich immer weniger über das Objekt und dessen Besitz und wird immer mehr zum Ausdruck des eigenen Lebensstils und der Werthaltung. Das Premium- und Luxusverständnis der Konsumentinnen und Konsumenten hat sich – nicht zuletzt getrieben durch den Megatrend Neo-Ökologie – gewandelt. Künftig geht es nicht mehr nur darum, etwas möglichst Teures und Protziges zu besitzen. Was als Rebellion gegen einen achtlosen Konsum von Luxusmarken begann, die zwar High-End-Produkte versprechen, aber dabei unfaire und umweltschädliche Herstellungsbedingungen in Kauf nehmen, hat sich mehr und mehr als Werthaltung durchgesetzt. Luxusartikel haben keinen geringeren Anspruch, als die Welt zu verbessern.

Nachhaltige und ethische Produkte und Dienstleistungen aus innovativen Materialien, die die Kraft haben, Probleme zu lösen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Zugleich wandelt sich diese höchst ethisch und moralisch aufgeladene Form der Nachhaltigkeit zum Distinktionsmittel: Denn die Materialien sind so neu, die Herstellungsprozesse noch so experimentell, dass die Produkte einzigartig und häufig nur in geringsten Mengen oder auf Bestellung verfügbar sind. Und diese exklusive Nachhaltigkeit hat natürlich auch ihren Preis. Denn wer als Unternehmen eine Mission verfolgt, dem geht es nicht um schlichte Kostenreduktion – erst recht nicht auf Kosten anderer oder der Umwelt. Statt Leder und Pelz besteht Luxusmode inzwischen aus Orangen, Ananas, Hanf, Kakteen: Es gibt immer mehr neue, innovative und nachhaltige Materialien, aus denen einzigartige Kleidungsstücke und Accessoires hergestellt werden können.

Predictive, Pre-Order & Made-to-Order
Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und der Auswertung von Big Data kann der Bedarf an Mode besser vorausgesagt werden. Fast-Fashion-Leader wie Shein zeichnen sich durch eine agile Produktion aus, die von KI-Algorithmen zur Trendvorhersage unterstützt wird, welche mit Daten aus TikTok und anderen Social-Media-Diensten gespeist werden. Damit könnten in Zukunft Überproduktion und unverkäufliche Ware nachhaltig vermindert werden. So kritisch die Praktiken von Shein gesehen werden müssen, bietet die Automatisierung der Prozesse dennoch auch immense Chancen für eine nachhaltigere Modeindustrie, indem die Herstellung erst dann startet, wenn Waren auch nachgefragt werden.

Die Unterstützung durch KI im Designprozess kann dazu genutzt werden, nachhaltigere Mode zu produzieren – und diese schneller verfügbar zu machen. In einer kommenden Avatar-Economy und in der Welt virtueller Influencer und Influencerinnen kann möglicherweise sogar auf einen Teil der Produktion verzichtet werden: Mode bleibt virtuell – und damit ressourcenschonender. Digitale Mode wird mit dem Aufbau des Metaversums zunehmend an Bedeutung gewinnen.

5 Key Takeaways zur Zukunft der Mode

  1. Die aktuelle Krise in der Modeindustrie ist eine Chance, sich stärker in Richtung Circular Fashion zu entwickeln. Vor allem das neue Wert-Paradigma in der Gesellschaft, Qualität ganzheitlicher zu verstehen und achtsamer zu konsumieren, sorgt für einen Schub in Richtung fairere, ökologischere und sozialere Mode. Fast Fashion und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus.
  2. Erste Ansätze, Fast Fashion länger im Kreislauf zu halten oder sie in diesen zurückzuführen, gibt es bereits. Eine wichtige Entwicklung ist es, das Recycling bzw. die Weiternutzung bereits beim Design- und Herstellungsprozess – Recycling by Design genannt – zu berücksichtigen. Hinzu kommt eine wachsende Anzahl an Start-ups, die sich auf das optimierte Recycling von Textilien spezialisieren und mit großen Fashion-Playern kooperieren.
  3. Vor allem der boomende Online-Handel für gebrauchte Mode, oft als Pre-Loved- oder Pre-Owned-Kategorie kommuniziert, macht Secondhand für den Mainstream salonfähig. Diese Mode mit einer Geschichte und der Aura von Einzigartigkeit stellt eine ebenfalls kostengünstige, aber nachhaltigere Alternative zu Fast Fashion dar.
  4. Doch auch Slow Fashion wandelt sich, vor allem durch die Dominanz neuer Technologien. So kann auch Slow Fashion von Prozessen profitieren, die sich gerade im Online-Fashion-Markt manifestieren, wie schnelle Delivery- oder Pre-Order-Services. Slow Fashion wird damit convenient, besser und schneller verfügbar. Den nachhaltig orientierten Modebegeisterten wird es leichter gemacht, auch nach ihren Werten und Haltungen zu konsumieren.
  5. Der Trend zu Sustainable Luxury setzt sich weiter fort: Nachhaltigkeit als Distinktionsmittel für eine neue Form des Luxus ermöglicht im Luxusmodemarkt alternative Herstellungsprozesse und innovative Materialien. Diese werden von einer Avantgarde zur Schau getragen und, wenn sie sich bewähren, von Fast Fashion adaptiert.

1 https://onlineshop.zukunftsinstitut.de/shop/retail-report-2023/

Quelle:

Retail Report 2023 | Theresa Schleicher, Janine Seitz | Juni 2022

31.05.2022

OEKO-TEX® Gemeinschaft feiert 30. Geburtstag

Die internationale OEKO-TEX® Gemeinschaft, die aus insgesamt 17 unabhängigen Forschungs- und Prüfinstituten in Europa und Japan besteht, wird 2022 dreißig. Als eines der Gründungsmitglieder nahm OETI dies zum Anlass, mit OEKO-TEX® Expertin Helene Melnitzky – Abteilungsleiterin des Geschäftsbereiches Ökologie bei OETI – über die Rolle der OEKO-TEX® Gemeinschaft, Marktentwicklungen und OEKO-TEX® Zertifizierungen und Labels zu sprechen.

Die internationale OEKO-TEX® Gemeinschaft, die aus insgesamt 17 unabhängigen Forschungs- und Prüfinstituten in Europa und Japan besteht, wird 2022 dreißig. Als eines der Gründungsmitglieder nahm OETI dies zum Anlass, mit OEKO-TEX® Expertin Helene Melnitzky – Abteilungsleiterin des Geschäftsbereiches Ökologie bei OETI – über die Rolle der OEKO-TEX® Gemeinschaft, Marktentwicklungen und OEKO-TEX® Zertifizierungen und Labels zu sprechen.

Die internationale OEKO-TEX® Gemeinschaft feiert in diesem Jahr ihren dreißigsten Geburtstag. Welche Rolle hat sie bisher beim Thema Produktsicherheit von textilen- und Lederprodukten eingenommen?
Helene Melnitzky:
Im Bereich Produktsicherheit1 hat OEKO-TEX® in den letzten drei Jahrzehnten bewirkt, dass gewisse Schadstoffeinträge, die wir vor 30 Jahren teilweise in Textilien in großen Mengen gefunden haben, nicht mehr existent sind. Wir als OEKO-TEX® Gemeinschaft waren außerdem die ersten, die gewisse Schwermetalle limitiert haben. Gesetzliche Bestimmungen sind dem nachgefolgt. Wir haben verbotene Farbstoffe schon geprüft, bevor es überhaupt eine EU-Verordnung gegeben hat. Selbstverständlich prüfen wir jetzt nach der EU-Verordnung, aber diesbezüglich ist OEKO-TEX® ein klarer Vorreiter.

Neben der Produktsicherheit arbeitet die OEKO-TEX® schon seit 30 Jahren an den Themen „umweltfreundliche und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellte Textilprodukte“ und seit fünf Jahren auch im Bereich der „Lederprodukte“ und mit STeP by OEKO-TEX® seit 2013 an der „Zertifizierung von umweltfreundlichen Betriebsstätten“. Wir bereiten also seit dreißig Jahren den Markt auf. Dabei schaffen wir immer neue Dinge - wie beispielsweise aktuell den Impact Calculator, den STeP zertifizierte Betriebe nun auf freiwilliger Basis Tool nutzen können, um damit ihren CO2 und Wasserfußabdruck zu berechnen. Ab Herbst 2022 gibt es die neue Zertifizierung für Marken und Einzelhändler: RESPONSIBLE BUSINESS by OEKO-TEX®.

Welche Vorteile bringt das den Kund*innen von OEKO-TEX®?
Helene Melnitzky:
Die Kund*innen können diese Berechnungen für die externe Kommunikation verwenden, um auf ihren Produkten oder auf der Webpage zu zeigen, dass ihre Produkte einen geringeren Fußabdruck haben als andere Mitbewerber. Das heißt, bezieht der Kunde alles sehr regional, wird er einen geringeren Fußabdruck haben als eine Firma, die ihre Produkte aus verschiedenen Ländern bezieht. In Zukunft muss es ja so sein, dass der Wasser- und CO2-Fußabdruck am Produkt zu sehen ist, dann kann der Konsument entscheiden, ob er Produkt A oder B kaufen möchte.

Wie wird der Aspekt der fairen Arbeitsbedingungen berücksichtigt?
Helene Melnitzky:
Auch dieses Thema gewinnt seit zehn Jahren immer mehr an Bedeutung. Es gibt mittlerweile genug Druck auf Brands und Einzelhändler, damit die Arbeitsbedingungen vor Ort verbessert werden. Diesen Bereich decken wir im Rahmen der STeP Zertifizierung2 mit dem Modul „soziale Verantwortung“ ab. Der Vorteil für unsere Kund*innen liegt dann darin, dass sie in weiterer Folge mit dem MADE IN GREEN Label darstellen können, wie sie im sozialen Modul abgeschnitten haben.

Was bedeutet Transparenz mit MADE IN GREEN by OEKO-TEX®?
Helene Melnitzky:
Alles, was am Produkt steht, ist transparent. Das MADE IN GREEN by OEKO-TEX® Label ist ein nachverfolgbares Produktlabel für alle Arten von Textilien und Lederartikel, die in umweltfreundlichen Betrieben und an sicheren und sozialverträglichen Arbeitsplätzen produziert wurden. Zudem gibt das MADE IN GREEN Label Konsument*innen die Gewissheit, dass das Textil- oder Lederprodukt aus schadstoffgeprüften Materialien besteht. Um zu gewährleisten, dass die mit dem MADE IN GREEN Label ausgezeichneten Textil- oder Lederprodukte mit umweltfreundlichen Prozessen unter sozialverträglichen Arbeitsbedingungen hergestellt wurden, müssen Konfektionen und Nassproduktionsstätten nach STeP by OEKO-TEX® zertifiziert sein.

Seit einem Jahr kann man im Rahmen der STANDARD 100 Zertifizierung auch recycelte Materialien zertifizieren lassen und in Form eines Anhängeetikett kommunizieren, dass das Produkt zu einem bestimmten Anteil3 aus recycelten Materialien besteht. Auf welche Anforderung des Marktes wird damit geantwortet?
Helene Melnitzky
: Es wird immer mehr gefordert, dass zumindest ein Teil des Produkts aus recyceltem Material hergestellt werden muss. Dies entsteht einerseits aus Druck, weil Rohmaterialien knapp und teuer sind und andererseits freiwillig, um die Verbraucher*innen über Recycling im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu informieren.

Wie blicken Sie auf die nächsten Jahre?
Helene Melnitzky:
Textil- und Lederprodukte umweltfreundlicher und fair zu produzieren und dabei die Wertschöpfungskette transparent darzustellen, ist eine globale Herausforderung, die nicht nur neue ökologische Standards setzt, sondern langfristig auch wichtige ökonomische und soziale Aspekte beinhaltet. Es geht darum, ein größeres Bewusstsein für diese Wechselwirkungen und ein gemeinsames Verständnis für Umweltthemen zu schaffen – bei den Produzenten und natürlich bei den Endverbraucher*innen. Klar erkennbar ist, dass die Nachfrage nach Produkten, die zertifiziert und rückverfolgbar sind, bei den Konsument*innen immer größer wird. Dass spiegelt sich im Kaufverhalten und somit bei der Produktion wider. Trotzdem gibt es noch viel zu tun.

 

1 STANDARD 100 by OEKO-TEX® und LEATHER STANDARD by OEKO-TEX®
2 Die STeP Zertifizierung umfasst die Module Chemikalienmanagement, Umweltleistung, Umweltmanagement, Qualitätsmanagement, Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit und eben auch soziale Verantwortung
3 Das Produkt muss dabei mindestens einen Recycling-Anteil von über 20 Prozent enthalten.

(c) MAI Carbon
24.05.2022

Vom Abfall zum Sekundärrohstoff – Nassvliese aus recycelten Carbonfasern

MAI Scrap SeRO | From Scrap to Secondary Ressources – Highly Orientated Wet-Laid-Nonwovens from CFRP-Waste

Das Projekt »Scrap SeRO« ist als internationales Verbundvorhaben im Themengebiet »Recycling von Carbonfasern« angesiedelt.

Als technisches Projektziel ist die Demonstration einer durchgehenden Prozessroute zur Verarbeitung von pyrolytisch recycelten Carbonfasern (rCF) in leistungsfähigen Second-Life-Bauteilstrukturen definiert. Neben der technologischen Ebene steht insbesondere der internationale Transfer-Charakter im Fokus des Projekts, im Sinne einer Cross-Cluster Initiative zwischen Spitzencluster MAI Carbon (Deutschland) und CVC (Südkorea).    

MAI Scrap SeRO | From Scrap to Secondary Ressources – Highly Orientated Wet-Laid-Nonwovens from CFRP-Waste

Das Projekt »Scrap SeRO« ist als internationales Verbundvorhaben im Themengebiet »Recycling von Carbonfasern« angesiedelt.

Als technisches Projektziel ist die Demonstration einer durchgehenden Prozessroute zur Verarbeitung von pyrolytisch recycelten Carbonfasern (rCF) in leistungsfähigen Second-Life-Bauteilstrukturen definiert. Neben der technologischen Ebene steht insbesondere der internationale Transfer-Charakter im Fokus des Projekts, im Sinne einer Cross-Cluster Initiative zwischen Spitzencluster MAI Carbon (Deutschland) und CVC (Südkorea).    

Durch eine direkte Zusammenarbeit marktführender Unternehmen und Forschungseinrichtungen der teilnehmenden Cluster-Mitglieder erfolgt die technische Projektbearbeitung im Kontext der global geprägten Herausforderung des Recyclings, sowie der Notwendigkeit zu erhöhter Ressourceneffizienz, mit Bezug auf den wirtschaftsstrategischen Werkstoff Carbonfasern.

Effiziente Verarbeitung von recycelten Carbonfasern
Die technologische Prozessroute innerhalb des Projektes verläuft entlang der industriellen Nassvliestechnologie, die mit der klassischen Papierherstellung vergleichbar ist. Diese ermöglicht eine robuste Herstellung von hochqualitativen rCF-Vliesstoffen, die sich u.a. durch besonders hohe Homogenität und Kennwertstabilität auszeichnen.

Besonderer Entwicklungsfokus liegt auf einer spezifischen Prozessführung, welche die Erzeugung einer Orientierung der Einzelfaserfilamente im Vlieswerkstoff erlaubt.

Die gegebene Faservorzugsrichtung der diskontinuierlichen Faserstruktur eröffnet neben einer lastpfadgerechten Mechanik zusätzlich starke Synergieeffekte in Bezug auf erhöhte Packungsdichten, d.h. Faservolumengehalte, sowie ein deutlich optimiertes Verarbeitungsverhalten in Bezug auf Imprägnierung, Umformung und Konsolidierung.

Die innovativen Nassvliesstoffe werden im Folgenden unter Einsatz großserienfähiger Imprägnierverfahren jeweils zu duromeren sowie thermoplastischen Halbzeugen, d.h. Prepregs bzw. Organoblechen, weiterverarbeitet. Durch einen Slitting-Zwischenschritt werden hieraus rCF-Tapes hergestellt. Mittels automatisiertem Fibre-Placement können somit lastpfadoptimierte Preforms abgelegt werden, die abschließend zu komplexen Demonstrator-Bauteilen konsolidiert werden.

Die Prozesskette wird an entscheidenden Schnittstellen von innovativer zerstörungsfreier Messtechnik überwacht und durch umfangreiche Charakterisierungsmethodik ergänzt.

Explizit für die Verarbeitung von pyrolytisch recycelten Carbonfasern, die beispielsweise aus End-of-Life-Abfällen oder PrePreg-Verschnittresten zurückgewonnen wurden, ergeben sich für die hier dargestellte Gesamt-Prozessroute vollkommen neue Potentiale mit signifikantem Mehrwert gegenüber dem aktuellen Stand der Technik.

Internationaler Transfer
Die grundlegend global ausgerichtete Herausforderung des Recyclings bzw. das Bestreben nach gesteigerter Nachhaltigkeit wird stark durch nationale Verwertungsstrategien infolge länderspezifischer Rahmenbedingungen beeinflusst. Die globalisierte Handlungsweise von Unternehmen im Umgang mit hochvolumigen Materialströmen stellt zusätzliche Anforderungen an eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Nur auf Basis und unter Beachtung der jeweiligen Richtlinien und Strukturfaktoren kann eine vernetzte Lösung entstehen.

Im Falle des Hochleistungswerkstoffes Carbonfaser besteht ein besonders hoher technischer Anspruch für eine ökologisch wie ökonomisch tragfähige Recyclingwirtschaft. Gleichzeitig eröffnet die spezifische Marktgröße bereits interessante Skalierungseffekte und Potentiale zur Marktdurchdringung.

Das Projekt ScrapSeRO verbindet dabei zwei der weltweit führenden Spitzencluster im Bereich Carbon Composites aus den Ländern Südkorea und Deutschland auf Basis einer Cross-Cluster Initiative. Im Rahmen dieses ersten aussichtsreichen Technologieprojekts soll dabei der Grundstein für eine zukünftige Zusammenarbeit entstehen, die ein effektives Recycling von Carbonfasern unterstützt.
 
Das Projekt leistet hierbei einen wichtigen Beitrag zur Schließung des Stoffkreislaufs für Carbonfasern und ebnet damit den Weg für einen erneuten Einsatz im Rahmen weiterer Lebenszyklen dieses hochwertigen und energieintensiven Werkstoffs.

Info »Scrap SeRO«

  • Laufzeit: 05/2019 – 10/2022
  • Förderung: BMBF
  • Fördersumme: 2.557.000 €

Konsortium:

  • Fraunhofer Institut für Gießerei-,
  • Composites- und Verarbeitungstechnik IGCV
  • ELG Carbon Fibre
  • J.M. Voith SE & Co. KG
  • Neenah Gessner
  • SURAGUS GmbH
  • LAMILUX Composites GmbH
  • Covestro Deutschland AG
  • BA Composites GmbH
  • SGL Carbon
  • ELG Carbon Fibre
  • Procotex
  • Gen2Carbon
  • KCarbon
  • Hyundai
  • Sangmyung University
  • TERA Engineering
Quelle:

Fraunhofer Institut für Gießerei-, Composites- und Verarbeitungstechnik IGCV