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  Forschende um Bernd Nowack haben die Freisetzung von Nanopartikeln beim Waschen von Polyestertextilien untersucht. Bild: Empa
14.02.2024

Freisetzung von Oligomeren aus Polyester-Textilien

Wenn Nanoplastik keiner ist ... Textilien aus synthetischen Fasern geben beim Waschen Mikro- und Nanoplastik ab. Empa-Forschende konnten nun zeigen, dass ein Teil des vermeintlichen Nanoplastiks gar nicht aus Plastikpartikeln besteht, sondern aus wasserunlöslichen Oligomeren. Welche Auswirkungen sie auf Mensch und Umwelt haben, ist noch kaum erforscht.

Gebrauchsgegenstände aus Kunststoff und Kleider aus Kunstfasern setzen Mikroplastik frei: Partikel unter fünf Millimeter Größe, die unbemerkt in die Umwelt gelangen können. Ein kleiner Teil dieser Partikel befindet sich sogar im Nanometerbereich. Solcher Nanoplastik ist Gegenstand intensiver Forschung, denn aufgrund ihrer geringen Größe können Nanoplastik-Teilchen in den menschlichen Körper aufgenommen werden – über ihre potenzielle Toxizität ist jedoch noch wenig bekannt.

Wenn Nanoplastik keiner ist ... Textilien aus synthetischen Fasern geben beim Waschen Mikro- und Nanoplastik ab. Empa-Forschende konnten nun zeigen, dass ein Teil des vermeintlichen Nanoplastiks gar nicht aus Plastikpartikeln besteht, sondern aus wasserunlöslichen Oligomeren. Welche Auswirkungen sie auf Mensch und Umwelt haben, ist noch kaum erforscht.

Gebrauchsgegenstände aus Kunststoff und Kleider aus Kunstfasern setzen Mikroplastik frei: Partikel unter fünf Millimeter Größe, die unbemerkt in die Umwelt gelangen können. Ein kleiner Teil dieser Partikel befindet sich sogar im Nanometerbereich. Solcher Nanoplastik ist Gegenstand intensiver Forschung, denn aufgrund ihrer geringen Größe können Nanoplastik-Teilchen in den menschlichen Körper aufgenommen werden – über ihre potenzielle Toxizität ist jedoch noch wenig bekannt.

Empa-Forschende aus der Gruppe von Bernd Nowack aus dem Labor „Technologie und Gesellschaft" haben nun gemeinsam mit Kollegen aus China Nanopartikel aus Textilien unter die Lupe genommen. Tong Yang, Erstautor der Studie, hat die Untersuchungen während seines Doktorats an der Empa durchgeführt. Bereits in früheren Studien konnten die Empa-Forscher zeigen, dass beim Waschen von Polyester Mikro- und Nanoplastik freigesetzt wird. Eine genaue Untersuchung der freigesetzten Nanopartikel hat nun ergeben, dass nicht alles, was auf den ersten Blich nach Nanoplastik aussieht, auch tatsächlich Nanoplastik ist.

Zu einem beträchtlichen Teil handelte es sich tatsächlich nicht um Nanoplastik, sondern um Klumpen von sogenannten Oligomeren, also kleinen bis mittelgroßen Moleküle, die eine Zwischenstufe zwischen den langen verketteten Polymeren und ihren Einzelbausteinen, den Monomeren, darstellen. Diese Moleküle sind noch kleiner als Nanoplastik-Partikel. Auch über ihre Toxizität ist kaum etwas bekannt. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden in der Zeitschrift „Nature Water“.

Für die Studie haben die Forschenden zwölf unterschiedliche Polyesterstoffe untersucht, darunter etwa Mikrofaser, Satin und Jersey. Die Stoffproben wurden bis zu vier Mal gewaschen und die dabei freigesetzten Nanopartikel analysiert und charakterisiert. Keine einfache Aufgabe, sagt Bernd Nowack. „Plastik, vor allem Nanoplastik, ist überall, auch an unseren Geräten und Utensilien“, so der Wissenschaftler. „Bei Nanoplastik-Messungen müssen wir dieses 'Hintergrundrauschen' berücksichtigen.“

Großer Anteil löslicher Partikel
Um Nanoplastik von Oligomerklumpen zu unterscheiden, nutzten die Forschenden ein Ethanolbad. Plastikstückchen, egal wie klein, lösen sich darin nicht auf, Ansammlungen von Oligomeren dagegen schon. Der Befund: Rund ein Drittel bis knapp 90 Prozent der beim Waschen freigesetzten Nanopartikel ließen sich in Ethanol auflösen. „Dadurch konnten wir zeigen, dass nicht alles, was im ersten Moment nach Nanoplastik aussieht, auch Nanoplastik ist“, sagt Nowack.

Ob die Freisetzung von „nanopartikulären“ Oligomeren beim Waschen von Textilien negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt hat, ist noch nicht klar. „Bei anderen Kunststoffen haben Studien bereits gezeigt, dass nanopartikuläre Oligomere toxischer sind als Nanoplastik“, sagt Nowack. „Das ist ein Hinweis, dass man das genauer untersuchen sollte.“ Die Forschenden konnten jedoch feststellen, dass die Beschaffenheit des Textils sowie die Schnittmethode – Schere oder Laser – keinen großen Einfluss auf die Menge der freigesetzten Partikel haben.

Auch der Mechanismus der Freisetzung ist noch nicht geklärt – weder für Nanoplastik noch für die Oligomerpartikel. Die erfreuliche Nachricht ist, dass die Menge der freigesetzten Partikel mit wiederholten Waschgängen stark abnimmt. Denkbar wäre, dass die Oligomerpartikel bei der Herstellung des Textils entstehen oder sich durch chemische Prozesse bei der Lagerung von den Fasern abspalten. Auch hierzu sind weitere Studien notwendig.

Nowack und sein Team widmen sich jedoch vorerst wieder größeren Partikeln: In einem nächsten Projekt wollen sie untersuchen, welche Fasern beim Waschen von Textilien aus nachwachsenden Rohstoffen freigesetzt werden und ob diese die Umwelt und die Gesundheit belasten könnten. „Halbsynthetische Textilien wie Viskose oder Lyocell werden als Ersatz für Polyester angepriesen“, sagt Nowack. „Aber wir wissen noch gar nicht, ob sie wirklich besser sind, wenn es um die Freisetzung von Fasern geht.“

 

Quelle:

Empa

DOMOTEX (c) Deutsche Messe AG
30.05.2023

„Die DOMOTEX ist und bleibt das Zuhause der gesamten Branche“

Interview zur Messelandschaft für Bodenbeläge in Deutschland

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie waren in nahezu allen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens spürbar. Insbesondere die Messebranche war stark betroffen, viele Veranstaltungen wurden abgesagt oder verschoben. Mit der Rückkehr zur Normalität stellt sich die Frage, welche Bedeutung Leitmessen in der Post-Corona-Ära haben werden und wie sich der Wettbewerb zwischen verschiedenen Veranstaltern entwickelt. Textination hat für seine Interviewreihe KLARTEXT bei Frau Sonia Wedell-Castellano, Global Director der DOMOTEX Events nachgefragt.

 

Interview zur Messelandschaft für Bodenbeläge in Deutschland

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie waren in nahezu allen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens spürbar. Insbesondere die Messebranche war stark betroffen, viele Veranstaltungen wurden abgesagt oder verschoben. Mit der Rückkehr zur Normalität stellt sich die Frage, welche Bedeutung Leitmessen in der Post-Corona-Ära haben werden und wie sich der Wettbewerb zwischen verschiedenen Veranstaltern entwickelt. Textination hat für seine Interviewreihe KLARTEXT bei Frau Sonia Wedell-Castellano, Global Director der DOMOTEX Events nachgefragt.

 

Nachdem die DOMOTEX pandemiebedingt 2021 und 2022 nicht stattfinden konnte, meldete sich die Messe 2023 mit einer erfolgreichen Veranstaltung wieder zurück. Dennoch hat sich die Zahl der Aussteller im Vergleich zu 2020 nahezu halbiert. Wie schätzen Sie die künftige Bedeutung von Leitmessen ein, nachdem sich die Branche über einen langen Zeitraum mit Onlinemeetings und Reisebeschränkungen arrangieren musste?

Ich denke, man darf nicht vergessen, dass es die erste DOMOTEX seit Ausbruch der Pandemie war, noch dazu während einer Zeit, in der die globale wirtschaftliche Lage eher schwierig ist. Natürlich hat diese Situation bei einigen Unternehmen für Zurückhaltung gesorgt, was eine Teilnahme an der DOMOTEX 2023 betraf, sodass wir noch nicht alle Unternehmen als Aussteller zurück auf der Messe begrüßen konnten. Zusätzlich herrschten zu Jahresbeginn, z.B. in China, noch erhebliche Reisebeschränkungen, die es unseren Ausstellern einfach erschwert haben, an einer Messe im Ausland teilzunehmen. Was unsere Erwartungen für die nächste Veranstaltung betrifft, kann ich sagen, dass viele Unternehmen – auch solche, die dieses Jahr nicht ausgestellt haben – ihr Interesse mitgeteilt haben, auf der DOMOTEX 2024 wieder dabei sein zu wollen.

Wir sind uns sicher, dass Leitmessen und Messen im Allgemeinen auch künftig von großer Bedeutung bleiben werden! Auf digitalen Events kann man vielleicht Bestandskunden pflegen, aber keine Neukunden generieren. Im Mittelpunkt der DOMOTEX stehen Produkte zum Anfassen, steht das haptische Erleben vor Ort. Das kann man nicht in die digitale Welt übertragen. Auch die zufälligen Begegnungen am Stand oder in den Hallen passiert digital nicht. Eine Messe lebt aber von der persönlichen Begegnung, dem persönlichen Austausch. Geschäfte werden zwischen Menschen, nicht zwischen Bildschirmen gemacht. Sowohl Aussteller als auch Besucher*innen haben uns ganz klar gesagt, dass sie die DOMOTEX als Präsenzmesse wollen und brauchen.

 

Der Internationalisierungsgrad der DOMOTEX-Besucher lag in den letzten drei Veranstaltungsjahren vor der Pandemie zwischen 62 und 67 Prozent; 2023 erreichte er sogar 69 Prozent. Würden Sie zustimmen, dass internationale Leitmessen in Deutschland primär nur noch eine Bedeutung für exportorientierte Unternehmen haben? Und was bedeutet das für die Wirtschaftlichkeit von Messen?

Sicherlich sind internationale Leitmessen in Deutschland gerade für exportorientierte Unternehmen besonders interessant, aber eben nicht ausschließlich. An der Wirtschaftlichkeit von Messen ändert das erstmal gar nichts. Wir erwirtschaften unseren Umsatz mit all unseren Ausstellern, unabhängig davon ob diese exportorientiert oder nur am DACH-Raum interessiert sind. Daher liegen uns zufriedene Aussteller sehr am Herzen. Und zufrieden ist ein Austeller dann, wenn er gute Geschäfte bzw. gute Kontakte auf unseren Messen knüpfen kann. Dabei kommt es immer mehr auf die richtige Qualität der Besucher*innen an, weniger auf die Quantität. Alle unsere Aussteller begrüßen internationale Besucher*innen dabei jedenfalls sehr!

 

Für die Messeausgabe 2024 hat die Deutsche Messe mitgeteilt, ihr DOMOTEX-Konzept geändert zu haben und auf jährlich unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen: Carpet & Rugs in den ungeraden und Flooring in den geraden Jahren. Flooring umfasst Holz- und Laminatböden, Parkett, Designböden, elastische Bodenbeläge, Teppichböden, Outdoor-Böden sowie Anwendungs- und Verlegetechnik. Carpet & Rugs steht für handgefertigte Teppiche und Läufer sowie für maschinengewebte Teppiche.

Dennoch sagen Sie, dass insbesondere der Bereich Carpet & Rugs eine jährliche Präsentationsplattform benötigt, während sich der Bereich der Bodenbeläge aufgrund längerer Innovationszyklen alle zwei Jahre eine DOMOTEX als zentrale Plattform der Branche wünsche. Bedeutet das nicht eigentlich, dass die Bodenbeläge nur jedes zweite Jahr in Hannover sind, die Teppiche jedoch weiterhin jährlich in Hannover ausstellen? Könnten Sie das klarstellen?

2024 und in allen geraden Jahren findet die DOMOTEX – Home of Flooring statt: Das ist eine DOMOTEX mit allen Ausstellern, so wie wir sie aus der Vergangenheit kennen. Also von Fischgrätparkett über Outdoorbeläge bis hin zu orientalischen Teppichen und zeitgenössischen Designs – alles, unter einem Dach. In den ungeraden Jahren, also ab 2025, gibt es dann die DOMOTEX – Home of Carpets and Rugs, mit Fokus auf Anbieter abgepasster Teppiche.

Der Hintergrund ist der, dass sich die Industrie mit den Hartbelägen eine DOMOTEX alle zwei Jahre gewünscht hatte. Nach der diesjährigen DOMOTEX haben sich die Anbieter abgepasster Teppiche wiederum klar für eine jährliche Plattform ausgesprochen. Mit unserem neuen Fokusmodell erfüllen wir die Bedürfnisse, die vom Markt an uns herangetragen werden.

 

Die Messe Frankfurt hat für die Heimtextil im kommenden Jahr ein neues Produktsegment ausgerufen – interessanterweise unter dem Namen Carpets & Rugs. Während im geraden Jahr 2024 bei der DOMOTEX die Parole Flooring lautet, bietet die Heimtextil einen alternativen Messeplatz für die Teppiche. Wie beurteilen Sie diese Situation - müssen sich Aussteller nun zwischen Hannover und Frankfurt entscheiden und was bedeutet das für das geteilte Konzept?

Nein, Aussteller aus dem Bereich der Teppiche müssen sich künftig nicht zwischen Hannover und Frankfurt entscheiden – denn die DOMOTEX ist und bleibt das Zuhause der gesamten Branche, auch in den geraden Jahren! Home of Flooring bedeutet bei der DOMOTEX wie vorhin erläutert, dass wir das gesamte Spektrum aus Bodenbelägen und Teppichen darbieten.

Was aber noch wichtiger ist: Wir haben von Ausstellern, aber auch vielen Besucher*innen gespiegelt bekommen, dass sich der Markt keine weitere Aufspaltung wünscht. Durch die vielen (kleinen) Events macht sich die Bodenbelagsbranche nur selbst Konkurrenz. Plakativ ausgedrückt: Wenn auf zehn Veranstaltungen immer nur ein Teil der Aussteller teilnimmt, kann das nicht wirklich funktionieren. Es fehlt die kritische Masse. Eine Messe ist immer nur so gut wie die Teilnehmer*innen und diesen fehlt oftmals die Zeit mehrere Veranstaltungen zu besuchen.     

 

Eine weitere Neuerung für die DOMOTEX ist der Länderfokus. Was versprechen Sie sich davon und warum fiel Ihre Wahl für 2024 auf „Insight Italy“?

Mit unserer neuen Sonderschau möchten wir die Neugier unserer Besucher*innen – vor allem bei Handel, Architekten und Objekteuren – wecken und den internationalen Charakter der DOMOTEX hervorheben. Denn was ist spannender als ein Land intensiv kennenzulernen?  

Das INSIGHT-Konzept stellt daher künftig zu jeder DOMOTEX – Home of Flooring ein anderes Land vor. Auf speziellen Ausstellungsbereichen werden Innovationen und Produkte ausgestellt, Partnerschaften mit Designern und Hochschulen präsentiert und Trends inszeniert. Zusätzlich werden in der Konferenz Einblicke in den jeweiligen Markt und Referenzen aufgezeigt.  
In 2024 starten wir mit Italien, einem sehr designaffinen und kreativen Land, aus dem viele Trends kommen.

 

Die Deutsche Messe will den Standort Hannover für die Leitmesse DOMOTEX stärken und zusätzliche Messen nur noch in Shanghai und in Gaziantep durchführen. Die Carpet Expo wird es in Istanbul nicht geben. Welchen Einfluss hat die sich verändernde Unternehmenslandschaft hinsichtlich Produktionsländern und Märkten für Ihr internationales Konzept?

Zunächst einmal muss man festhalten, dass sich in der Türkei die Unternehmenslandschaft für Teppiche nicht geändert hat. Hier haben sich lediglich die Verbände dazu entschieden, künftig in Istanbul eine Teppichmesse zu veranstalten. Hintergrund ist die anhaltende Visaproblematik für türkische Aussteller in Deutschland sowie die immens hohe Inflation in der Türkei, die eine Auslandsbeteiligung extrem kostspielig für türkische Unternehmen macht. Wir hätten gern gemeinsam mit den türkischen Verbänden eine Teppichmesse in Istanbul organisiert, aber eben nicht um jeden Preis und nicht zu allein ihren Bedingungen. Hannover ist und bleibt die internationale Plattform der DOMOTEX und diesen Standort werden wir weiter stärken.

Wir beobachten darüber hinaus aber natürlich den weltweiten Markt und halten Augen und Ohren stets offen, für alle unsere Marken im Übrigen. Nur so konnte seinerzeit auch eine heute sehr erfolgreiche DOMOTEX asia/Chinafloor in Shanghai entstehen. Das Potenzial war da, wir waren zur rechten Zeit am rechten Ort. Hätten wir die Chance seinerzeit nicht ergriffen, gäbe es nun in Shanghai dennoch eine starke Bodenbelagsmesse – nur eben von einem unserer Wettbewerber und sie hieße heute nicht DOMOTEX.

Vielen Dank an Frau Sonia Wedell-Castellano für den KLARTEXT.

Foto: Lalit Kumar, Unsplash
29.03.2022

Die Chemiefaserindustrie in der Zeitenwende

„Man reißt kein Haus ab, bevor das neue bezugsfertig ist.“

Textination sprach mit dem Geschäftsführer der Industrievereinigung Chemiefaser e.V., Dr. Wilhelm Rauch über seine Einschätzung zur Zeitenwende, der sich die Chemiefaserindustrie aktuell stellen muss. Wo liegen die Risiken und Bedrohungen, was muss sich ändern, um weiterhin ein wettbewerbsfähiger Player auf dem globalen Markt zu bleiben.

„Man reißt kein Haus ab, bevor das neue bezugsfertig ist.“

Textination sprach mit dem Geschäftsführer der Industrievereinigung Chemiefaser e.V., Dr. Wilhelm Rauch über seine Einschätzung zur Zeitenwende, der sich die Chemiefaserindustrie aktuell stellen muss. Wo liegen die Risiken und Bedrohungen, was muss sich ändern, um weiterhin ein wettbewerbsfähiger Player auf dem globalen Markt zu bleiben.

US-Präsident Joe Biden hat seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin im Zusammenhang mit dem Einmarsch in die Ukraine als Kriegsverbrecher bezeichnet. Das höchste Gericht der Vereinten Nationen, der Internationale Gerichtshof in Den Haag, hat angeordnet, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine sofort beenden muss. Wie bewerten Sie persönlich das Verhalten Russlands?
Dr. Rauch:
Mit familiären Wurzeln im Rheinland, Mittel- und Ostdeutschland bin ich in einer Zeit aufgewachsen, wo als Folge der Teilung Europas Familien getrennt und mitten in Deutschland Menschen skrupellos erschossen wurden, die die innerdeutsche Demarkationslinie in Richtung Westen übertreten wollten. Der Fall des Eisernen Vorhangs führte uns seit 1989 in einen Zeitraum, der mehr als 30 Jahre andauerte und uns zumindest in Europa eine Ära des friedlichen Miteinanders der großen Machtblöcke, intensiver Handelsbeziehungen und prosperierender Staaten erleben ließ.

Heute mit ansehen zu müssen, wie seitens Russlands versucht wird, in Europa das Rad der Geschichte mit einer Brutalität zurückzudrehen, welche die jüngste in Europa aufgewachsene Generation bislang glücklicherweise nicht erleben musste, ist mehr als schockierend und ruft schlimmste Erinnerungen an die Zeit des kalten Krieges wach, von der jeder hoffte, sie kehrt niemals wieder. Wenn heute in der Ukraine sogar Anlagen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie beschossen werden, ist eine Dimension erreicht, die man nicht weiter extrapolieren möchte. Neben dem verursachten unsäglichen menschlichen Leid, das wir durch die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen nur ansatzweise mildern können, wird langfristig jegliches Vertrauen in politische Zusagen verspielt, das aber sowohl für eine friedliche Koexistenz als auch für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit essentiell ist. Wir stehen vor einer Neuordnung der Welt, in der man Lieferbeziehungen und Abhängigkeiten mit bzw. von autokratischen Staaten sehr viel sensibler für jeden Einzelfall bewerten muss.

Die wirtschaftlichen Folgen des Russland-Ukraine-Konflikts werden immer deutlicher. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) korrigiert seine Prognose für 2022, sieht aber noch keine Rezession. Mit welchen Erwartungen sehen Sie für die Branche auf das aktuelle Wirtschaftsjahr?
Dr. Rauch:
Die zurückliegenden zwei Jahre der SARS-CoV-2-Pandemie durchlief die Chemiefaserindustrie mit großen Blessuren. Geplante Investitionen wurden zunächst zurückgestellt und dann endgültig aufgegeben. Bis zum Ende des Jahres 2022 werden im Vergleich zum Jahr 2019 drei Chemiefaserproduzenten ihre Tore in Deutschland schließen. In das laufende Jahr startete die Branche sehr hoffnungsvoll, wenngleich die bisherigen Themen wie REACH und vor allem Energiekosten bereits vor dem Russland-Ukraine-Krieg in Schärfe zunahmen. Die wirtschaftlichen Folgen des Krieges werden sich sowohl direkt in Form gestiegener Energiepreise als auch indirekt durch Veränderungen der internationalen Wettbewerbsbedingungen negativ auswirken.

Was bedeuten der Krieg in der Ukraine und die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland für die vorgelagerten Lieferketten der Chemiefaserindustrie?
Dr. Rauch:
Die unmittelbaren vorgelagerten Lieferketten werden von diesem Krieg zunächst kaum beeinträchtigt. Wir müssen aber damit rechnen, dass Lieferketten in anderen Industrien gestört werden. Wenn z. B. bestimmte Rohstoffe oder Erzeugnisse nicht mehr zur Verfügung stehen, kann das angefangen von der Logistik (Mobilität) bis hin zu Komponenten in produktionstechnischen Anlagen spürbar werden. Als Beispiel sei hier die Verfügbarkeit von Kabelbäumen erwähnt werden, die bislang in der Ukraine hergestellt wurden und in vielen elektronischen Bauteilen für die Chemiefaserproduktion unabdingbar sind.

Welche Relevanz haben die Ukraine und Russland als Absatzmärkte für die IVC-Mitgliedsunternehmen?
Dr. Rauch:
Nimmt man das letzte Jahr vor Ausbruch der SARS-CoV-2-Pandemie als Bezugsjahr, so machen die Exporte in die Ukraine und in die Russische Föderation ca. 1,6 % des Gesamtexportes an Chemiefasern aus Deutschland aus. Ein Ausfall dieser Abnahmeländer ist im Mittel verkraftbar, wobei man nicht vergessen darf, dass im Einzelfall - je nach Produktportfolio einer Firma - durchaus spürbare Belastungen auftreten können. Blickt man über den Tellerrand hinaus, so sind nicht nur die direkten Exporte an Chemiefasern in die Kriegsregion von Bedeutung, sondern auch Lieferungen von Erzeugnissen, in denen Chemiefasern verarbeitet werden. Hier gibt es nun unterbrochene Lieferbeziehungen, die Auftragsverluste für die Chemiefaser-branche nach sich ziehen.

Bestimmte Industriezweige sind von den Folgen besonders betroffen - was bedeutet das für die Chemiefaserbranche als Zulieferindustrie?
Dr. Rauch:
Überall dort, wo entlang der nachgeschalteten Wertschöpfungskette Produktionen zurückgefahren werden, in denen Chemiefasern Einsatz fanden, wird man die Auswirkungen mit zeitlichem Versatz spüren. Das betrifft z.B. Lieferungen in den Automobilbereich, wenn dort wegen fehlender aus der Ukraine stammender Komponenten die Neuwagenproduktion stockt.

Wie wirken sich die explodierenden Energiepreise und das Gasembargo bei den Chemiefaserproduzenten im DACH-Gebiet aus?
Dr. Rauch:
Die europäischen Energiekosten lagen bereits vor dem Russland-Ukraine-Krieg auf einem Niveau, das unseren Mitgliedern schwer zusetzte. So stiegen z. B. die europäischen Gaskosten aufgrund der Kriegshandlungen aktuell um das Zehnfache von ca. 12 EUR/MWh auf ca. 120 EUR/MWh, in den USA „nur“ um das Zweieinhalbfache von ca. 8 EUR/MWh auf ca. 18 EUR/MWh. Ähnlich verhält es sich mit den Strompreisen speziell in Deutschland, die ausgehend von einem ohnehin schon hohen Niveau ebenfalls um den Faktor 10 angestiegen sind. Weitere Preissteigerungen in Europa sind nicht ausgeschlossen, sondern eher wahrscheinlich. Vorgenommene moderate Anpassungen der Chemiefaserpreise stellen vor diesem Hintergrund nur den Tropfen auf den heißen Stein dar. Eine Marktentwicklung mit quasi explodierenden Energiekosten kann keine Firma seriös abbilden oder kostendeckend einpreisen.

Was halten Sie als Industrieverband der Chemiefaserindustrie von "Freeze for Peace" bzw. einem Stopp aller russischen Gas- und Rohstoff-Importe?
Dr. Rauch:
Wir haben uns speziell in Deutschland entgegen aller internationalen Warnungen bewusst in eine Abhängigkeit von russischem Gas begeben, indem wir dieses als notwendig für die Brückentechnologie der Stromerzeugung definierten, die wir nach dem Abschalten der kohle– und nuklearbasierten Kraftwerke benötigen, bevor die Verfügbarkeit einer ausreichenden Menge an sog. „grüner“ Energie gesichert ist. Auch wird Gas zu Heizzwecken und als Rohstoff benötigt, nimmt also die Funktion eines Allrounders ein.

Ein boykottbedingter Importstopp hätte nicht nur gravierende negative Folgen für die Chemiefaserbranche, sondern für die gesamte deutsche Industrie und die meisten privaten Haushalten. Wie ich eingangs erwähnte, ist es ein Gebot der Stunde, durch die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge dazu beizutragen, menschliches Leid zu lindern. Damit ist die Krise aber nicht ausgestanden. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Kriegssituation nicht kurzfristig gelöst wird. Zur Bewältigung einer langanhaltenden Krisensituation muss aber unsere Wirtschaftskraft erhalten bleiben, um die anstehenden Herausforderungen stemmen zu können. Ein Importstopp wäre in dieser Hinsicht kontraproduktiv. Nachdem aufgrund der jüngsten Entwicklungen die Gaslieferungen nunmehr mit Rubel bezahlt werden sollen, besteht vielmehr die Gefahr, dass Russland seinerseits die Gaslieferungen stoppt. In ihrer Wirkung unterscheiden sich beide Szenarien nicht. Das Einzige was sicher ist, ist die Tatsache, dass die Verfügbarkeit von russischem Gas für Europa nicht mehr sicher ist. Letztendlich wird durch die russische Forderung der Umstellung des Zahlungsverkehrs auf Rubel, die nicht nur die Aufwertung des Rubels zum Ziel hat, deutlich, dass Russland nicht auf Europa als Abnehmer seines Gases angewiesen ist. Damit liefe ein „Freeze for Peace“ ins Leere. Im fernen Osten sitzt bereits ein potentieller Abnehmer russischen Gases, um es günstig und sicher zu beziehen und der zudem ein großer Wettbewerber der europäischen Chemiefaserindustrie ist: China.

Sind Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar eine gute Ersatzlösung für Gas- und Öl-Lieferungen aus Russland?
Dr. Rauch:
Es geht nicht um die Wertung einer Maßnahme im Sinn von gut oder schlecht, sondern darum, ob sie in dieser speziellen Situation geeignet erscheint, einseitige Abhängigkeiten von einem Aggressor zu vermindern, bevor nachhaltige Lösungen in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Insofern sollte es bei den auf Realisierbarkeit zu prüfenden Maßnahmen zunächst keine ideologischen Barrieren geben. Die nach sicherlich sorgfältiger politischer Prüfung mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar abgeschlossenen Verträge sind Einzelfallentscheidungen und stellen nur einen Mosaikstein unter vielen dar.

Passt der Ausspruch „zuerst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu" - auf die gegenwärtige ökonomische Performance der Branche - oder: wie beurteilen Sie in dieser Beziehung den Einfluss der Corona-Pandemie und den der Kriegssituation?
Dr. Rauch:
Sowohl die SARS-CoV-2-Pandemie als auch der Russland-Ukraine-Krieg sind Ereignisse mit globalem Charakter. Während erstere alle Staaten früher oder später gleichermaßen erfasste, muss die Bewertung der Auswirkungen des Russland- Ukraine-Krieges differenzierter erfolgen. Die Kriegsfolgen treffen vor allem Firmen in Europa, und dort insbesondere die Staaten, die sich - wie vorgehend erwähnt – wie Deutschland in einseitige Abhängigkeiten begeben haben. Das ist keine Besonderheit für die Chemiefaserindustrie. Auch wenn man mit anderen Industriezweigen viele Leidensgenossen hat, verbessert dass die Lage natürlich nicht.

Was wünscht sich die Industrie künftig von den politisch Verantwortlichen in Berlin und Brüssel?
Dr. Rauch: Die Wunschliste lässt sich an wenigen Kernelementen verankern:
Wir benötigen langfristig eine Energie- und Rohstoffversorgung, die nicht auf Abhängigkeiten von wenigen und zudem autokratischen Staaten basiert. Auf dem Weg dorthin sind vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-Krieges bisherige Ausstiegsszenarien aus Kohle- und Kernenergie hinsichtlich ihrer Zeitachse vorurteilsfrei zu überdenken. Oder etwas prägnanter ausgedrückt: Man reißt kein Haus ab, bevor das neue bezugsfertig ist.

Aber auch Energien aus nachwachsenden Rohstoffen müssen zu Preisen angeboten werden, welche die globale Wettbewerbsfähigkeit erlauben. Die chemische Industrie hat hierfür gemäß einer Studie der DECHEMA und FutureCamp einen Preis von 4 ct/kWh ermittelt (inkl. aller Abgaben und Gebühren). Davon sind wir heute meilenweit entfernt.

Die Revision von REACH darf nicht zu weiterer Bürokratie und zu Auflagen führen, die Kapazitäten in den Firmen bindet. Wir benötigen in Europa nicht die Ausgestaltung des i-Tüpfelchens auf der Maslowschen Bedürfnispyramide, sondern müssen Sorge dafür tragen, dass wir die Pyramidenstufen nicht schrittweise nach unten rutschen und das i-Tüpfelchen ohne „i“ in der Luft schwebt.

Die europäische Kommission muss die europäische Industrie und mit ihr die Chemiefaserbranche verstärkt als Problemlöser erkennen. Chemiefasern sind als Erzeugnisse für die Energiewende (Rotorblätter von Wundkraftanlagen), Leichtbau in der Mobilität (Leichtbaukarosserien im Verbundsystem), nachhaltigem Straßenbau (Geotextilien zur Verstärkung der Fahrbahn und Erhöhung deren Lebensdauer), Reduzierung von stahlbewehrtem Beton und damit Zement, Sand sowie Kies (Bewehrung mit hochzugfesten Chemiefasern) und Medizinprodukten (medizinische Masken, Verbandmaterialien, Stents) unerlässlich.

Wir brauchen in Europa wieder mehr Marktwirtschaft und keine kleinteiligen Vorschriften, die immer wieder angepasst werden und zu einem undurchdringbaren Dickicht wuchern.

Bei allen vorgenannten Wünschen an die Politik lassen Sie mich abschließend mit Blick auf die aktuelle Lage noch folgendes erwähnen: 1961 standen sich nach dem Berliner Mauerbau russische und amerikanische Panzer am Checkpoint Charlie in einer Entfernung von weniger als 50 m schussbereit gegenüber.

Ein Jahr später, im Oktober 1962, trafen in der Kubakrise nuklear ausgerüstete amerikanische und russische Marineeinheiten direkt aufeinander. Sowohl John F. Kennedy als auch Nikita S. Chruschtschow – erbitterte Rivalen im Wettstreit der politischen Systeme – waren seinerzeit besonnen genug, die Situation nicht eskalieren zu lassen.

Aktuell wünsche ich von unseren Politikern national, europäisch und transatlantisch unbedingte Entschlossenheit im Auftritt zur Verteidigung unserer freiheitlich demokratischen Werte, aber ich appelliere auch an alle Politiker weltweit, unbedingt einen der grundlegenden Erkenntnisse Albert Einsteins zu beherzigen: “I don’t know what weapons will be used in the Third World War. But I can tell you what they’ll use in the Fourth – rocks!”

Quelle:

Textination

Das Interview führte Ines Chucholowius, CEO Textination GmbH

Foto: Rostyslav Savchyn, Unsplash
22.03.2022

Wieder mehr chinesische Firmenübernahmen in Europa

  • Anstieg von 132 auf 155 Transaktionen – Transaktionswert auf 12,4 Milliarden US-Dollar verachtfacht
  • Zahl der chinesischen Übernahmen in Deutschland steigt von 28 auf 35
  • Großbritannien vor Deutschland beliebtestes Investitionsziel chinesischer Unternehmen

Nach dem pandemiebedingten Einbruch bei den chinesischen Firmenübernahmen in Europa im Jahr 2020 hat sich die Zahl der Transaktionen im Jahr 2021 wieder erhöht: von 132 auf 155. Auch das Transaktionsvolumen stieg: der Wert der Beteiligungen und Übernahmen hat sich von 1,5 auf 12,4 Milliarden US-Dollar mehr als verachtfacht.

  • Anstieg von 132 auf 155 Transaktionen – Transaktionswert auf 12,4 Milliarden US-Dollar verachtfacht
  • Zahl der chinesischen Übernahmen in Deutschland steigt von 28 auf 35
  • Großbritannien vor Deutschland beliebtestes Investitionsziel chinesischer Unternehmen

Nach dem pandemiebedingten Einbruch bei den chinesischen Firmenübernahmen in Europa im Jahr 2020 hat sich die Zahl der Transaktionen im Jahr 2021 wieder erhöht: von 132 auf 155. Auch das Transaktionsvolumen stieg: der Wert der Beteiligungen und Übernahmen hat sich von 1,5 auf 12,4 Milliarden US-Dollar mehr als verachtfacht.

Auch in Deutschland traten chinesische Investoren wieder häufiger in Erscheinung: Nachdem 2020 nur 28 Transaktionen chinesischer Unternehmen gezählt worden waren, gab es 2021 immerhin 35 derartige Beteiligungen oder Übernahmen. Das Investitionsvolumen stieg von 0,4 auf 2,0 Milliarden US-Dollar. Nicht enthalten sind in dieser Summe Risikokapitalinvestitionen in deutsche Startups in Höhe von 1,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021, bei denen chinesische Unternehmen als Teil internationaler Investorengruppen aktiv waren.

Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland und Europa untersucht.

„Chinesische Unternehmen bleiben bei ihren Investitionen in Europa insgesamt noch zurückhaltend“, beobachtet Yi Sun, Partnerin und Leiterin der China Business Services in der Region Europe West bei EY. „Dazu trägt zum einen nach wie vor die Pandemie bei, die auch 2021 noch zu Beeinträchtigungen führte – auch wegen Eindämmungsmaßnahmen wie Reisebeschränkungen, strengen Quarantäne Regeln für Personen, die aus dem Ausland nach China reisen und Lockdowns sowohl in Europa als auch in China selbst. Die meisten chinesischen Unternehmen, die schon im Ausland Firmen übernommen haben, haben sich in den letzten Jahren eher damit beschäftigt, die Restrukturierung in Europa voranzutreiben als weiter zu expandieren – besonders in den Sektoren Automobilzulieferer und Maschinenbau.“

Ebenfalls dämpfend wirkten sich nach Suns Einschätzung die inzwischen hohen Hürden für ausländische Beteiligungen gerade in bestimmten kritischen Branchen sowie die zunehmende Konkurrenz durch kapitalstarke Finanzinvestoren aus. „Die Kaufpreise auf dem M&A-Markt sind zuletzt stark gestiegen – in einigen Fällen wollten die chinesischen Interessenten da nicht mehr mitgehen. Besonders die börsennotierten chinesischen Unternehmen fürchten, mit teuren Zukäufen den eigenen Aktienkurs unter Druck zu setzen“, so Sun. „Zudem besitzen einige der potentiellen Übernahmekandidaten Produktionsstätten oder R&D-Zentren in den USA. In solchen Fällen kann es vorkommen, dass eine Ablehnung durch das Committee on Foreign Investment in the U.S. (CFIUS) befürchtet wird – und potenzielle chinesische Bieter gar nicht erst eingeladen werden.“

Nachlassendes Interesse an Industrieunternehmen
Nach wie vor entfallen auf klassische Industrieunternehmen die meisten Deals – gerade in Deutschland: 12 der 35 Transaktionen in Deutschland und 30 der 155 Transaktionen in Europa fanden im Industrie-Sektor statt.

Allerdings ist deren Zahl rückläufig: 2020 waren europaweit noch 36 Industrietransaktionen gezählt worden. „Nach wie vor besteht bei chinesischen Investoren Interesse an europäischen Automobilzulieferern oder Maschinenbauern – allerdings inzwischen eher in den Subsektoren Elektromobilität, Autonomes Fahren und High Tech-Materialien“, sagt Sun.

Ein deutlich gestiegenes Interesse macht Yi Sun aber an anderer Stelle aus: „Chinesische Private Equity Fonds und Risikokapitalgeber werden immer aktiver. Gerade in Deutschland gab es im vergangenen Jahr einige sehr große Investitionen in Startups, an denen chinesische Investoren maßgeblich beteiligt waren. Neben deutscher Ingenieurskunst ist zunehmend ECommerce-Kompetenz gefragt.“

Auf High Tech/Softwareunternehmen entfielen im vergangenen Jahr europaweit 27 Transaktionen (Vorjahr: 20). „Wir sehen ein gestiegenes Interesse etwa an Spieleentwicklern und Softwareprogrammierern. Gerade der aktivste chinesischer Investor vergangenen Jahr, Tencent, hat sich zuletzt in diesem Segment stark engagiert“, beobachtet Sun.

Gestiegen ist auch die Zahl der Übernahmen und Beteiligungen im Bereich Gesundheit: von 16 auf 26 Transaktionen. „Der Gesundheitssektor – ob Pharma, Biotech oder Medizintechnik – wird zunehmend zu einem der wichtigsten Zielsektoren chinesischer Unternehmen, weil es in diesem Sektor einen großen Nachholbedarf in China gibt, insbesondere bei der Forschung und Entwicklung.“

Großbritannien löst Deutschland als Top-Ziel in Europa ab
Die meisten Transaktionen wurden im vergangenen Jahr in Großbritannien verzeichnet. Mit 36 Übernahmen und Beteiligungen liegt Großbritannien knapp vor Deutschland (35 Transaktionen) und deutlich vor den drittplatzierten Niederlanden (13).

Im Vorjahr war die Reihenfolge an der Spitze noch umgekehrt: 2020 lag Deutschland mit 28 Transaktionen vor Großbritannien mit 21 Deals.

„In dem Maß, wie sich das Interesse chinesischer Investoren weg von klassischen Industrieunternehmen hin zu Technologie-, Software- und Medienunternehmen entwickelt, gewinnt der Zielmarkt Großbritannien an Bedeutung“, sagt Sun. Sie ist allerdings überzeugt, dass Deutschland für chinesische Investoren ein attraktiver Markt bleibt: „Viele chinesische Unternehmen haben gute Erfahrungen mit ihren Investitionen gerade in Deutschland gemacht. Zudem gibt es inzwischen auf vielen Ebenen enge und belastbare Verbindungen zwischen China und Deutschland. Wir werden in den kommenden Monaten weitere chinesische Transaktionen in Deutschland sehen – vor allem, wenn die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft nachlassen“, erwartet Sun.

Die europaweit größte Investition war im vergangenen Jahr der Verkauf der Haushaltsgeräte-Sparte von Philips an die Investmentfirma Hillhouse Capital mit Sitz in Hong Kong für 4,4 Milliarden US-Dollar.

Die zweitgrößte Transaktion war die Übernahme des britischen Entwicklerstudios Sumo Digital durch Tencent für 1,1 Milliarden US-Dollar, gefolgt von der Übernahme des dänischen Kühlcontainer-Herstellers Maersk Container Industry durch China International Marine Containers für ebenfalls 1,1 Milliarden US-Dollar.

Studiendesign:

  • Quellen: EY-Recherche, Thomson ONE, Merger Market, Mitteilungen der Unternehmen bzw. beteiligter Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien.
  • Untersucht wurden Akquisitionen und Beteiligungen, die von Unternehmen mit Hauptsitz in China und Hongkong oder deren Tochterunternehmen ausgingen.
  • Die Zielunternehmen haben ihren Sitz in Europa und sind operativ tätig.
  • Nicht berücksichtigt wurden reine Immobilientransaktionen.
  • In die Analyse wurden auch Transaktionen einbezogen, die zum Stichtag 17.02.2022 noch nicht abgeschlossen waren

Zunehmend beteiligen sich chinesische Investoren auch an Risikokapital-Finanzierungsrunden, zumeist als Teil von Investorengruppen. In diesen Fällen lässt sich häufig nicht feststellen, wie hoch der vom chinesischen Investor bereitgestellte Betrag ist. Daher werden diese Transaktionen zwar bei der Zahl der Transaktionen, nicht aber bei den Gesamtwerten berücksichtigt.

Weitere Informationen:
Ernst & Young Unternehmen China Automotive
Quelle:

Ernst & Young Global Limited (EYG)

Nicolas Meletiou, Pixabay
01.03.2022

Textilien und die Umwelt: die Rolle des Designs in Europas Kreislaufwirtschaft

Aus der Sicht des europäischen Verbrauchs haben Textilien im Durchschnitt die viertgrößten negativen Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel, nach Lebensmitteln, Wohnraum und Mobilität. Eine Umstellung auf ein zirkuläres Produktions- und Verbrauchssystem für Textilien mit längerer Nutzungsdauer und mehr Wiederverwendung und Recycling könnte diese Auswirkungen zusammen mit einer Reduzierung des Gesamtverbrauchs verringern. Eine wichtige Maßnahme ist ein kreislauffähiges Design (Circular Design) von Textilien, um die Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwertbarkeit von Produkten zu verbessern und die Verwendung von Sekundärrohstoffen in neuen Produkten zu gewährleisten.

Aus der Sicht des europäischen Verbrauchs haben Textilien im Durchschnitt die viertgrößten negativen Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel, nach Lebensmitteln, Wohnraum und Mobilität. Eine Umstellung auf ein zirkuläres Produktions- und Verbrauchssystem für Textilien mit längerer Nutzungsdauer und mehr Wiederverwendung und Recycling könnte diese Auswirkungen zusammen mit einer Reduzierung des Gesamtverbrauchs verringern. Eine wichtige Maßnahme ist ein kreislauffähiges Design (Circular Design) von Textilien, um die Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwertbarkeit von Produkten zu verbessern und die Verwendung von Sekundärrohstoffen in neuen Produkten zu gewährleisten.

Kernaussagen
Im Jahr 2019 erzielte der Textil- und Bekleidungssektor der EU einen Umsatz von 162 Mrd. EUR und beschäftigte über 1,5 Millionen Menschen in 160 000 Unternehmen. Wie in vielen anderen Branchen hat die COVID-19-Krise zwischen 2019 und 2020 zu einem Umsatzrückgang von 9 % für Textilien insgesamt und von 17 % für Bekleidung geführt.

  • Im Jahr 2020 hatte der Textilkonsum in Europa im Durchschnitt die vierthöchsten Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel aus einer globalen Lebenszyklusperspektive. Er war der Verbrauchsbereich mit den dritthöchsten Auswirkungen auf Wasser- und Landnutzung und den fünfthöchsten in Bezug auf den Rohstoffverbrauch und die Treibhausgasemissionen.
  • Um die Umweltauswirkungen von Textilien zu verringern, ist eine Umstellung auf zirkuläre Geschäftsmodellen, einschließlich kreislauffähigen Designs (Circular Design), entscheidend. Dazu sind technische, soziale und geschäftsmodellbezogene Innovationen erforderlich, aber auch Verhaltensänderungen und politische Unterstützung.
  • Kreislauffähiges Design (Circular Design) ist ein wichtiger Wegbereiter für den Übergang zu einer nachhaltigen Produktion und einem nachhaltigen Verbrauch von Textilien durch Kreislaufgeschäftsmodellen. Die Entwurfsphase spielt bei jedem der vier Wege zur Verwirklichung einer kreislauffähigen Textilbranche eine entscheidende Rolle: Langlebigkeit und Haltbarkeit, optimierte Ressourcennutzung, Sammlung und Wiederverwendung sowie Recycling und Materialnutzung.

Textilien werden im EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft als eine der wichtigsten Wertschöpfungsketten bezeichnet und in der bevorstehenden EU-Strategie 2022 der Europäischen Kommission für nachhaltige und kreislauffähige Textilien und der EU-Initiative für nachhaltige Produkte behandelt. Dieses Briefing zielt darauf ab, das Verständnis der Umwelt- und Klimaauswirkungen von Textilien aus einer europäischen Perspektive zu verbessern und Gestaltungsprinzipien und Maßnahmen zur Erhöhung der Kreislauffähigkeit von Textilien zu identifizieren. Es stützt sich auf einen Bericht des „European Topic Centre on Circular Economy and Resource Use“ der EUA, der hier (auf Englisch) verfügbar ist.

1. Produktion, Handel und Verbrauch von Textilien
Textilien sind ein wichtiger Wirtschaftszweig in der EU. Im Jahr 2019 erwirtschaftete der Textil- und Bekleidungssektor der EU einen Umsatz von 162 Mrd. EUR und beschäftigte über 1,5 Millionen Menschen in 160.000 Unternehmen. Wie in vielen anderen Branchen ging der Umsatz zwischen 2019 und 2020 aufgrund der Gesundheits- und Wirtschaftskrise COVID-19 bei Textilien insgesamt um 9 % und bei Bekleidung um 17 % zurück (Euratex, 2021).

Verbrauch
Die europäischen Haushalte verbrauchen große Mengen an Textilwaren. Im Jahr 2019 gaben die Europäerinnen und Europäer wie schon 2018 im Durchschnitt 600 EUR für Bekleidung, 150 EUR für Schuhe und 70 EUR für Heimtextilien aus (Köhler et al., 2021; Eurostat, 2021b).

Die Reaktion auf die COVID-19-Pandemie, die mit Maßnahmen zum zu Hause bleiben und der Schließung von Unternehmen sowie Geschäften einherging, führte insgesamt zu einem Rückgang der Textilproduktion und der Nachfrage (Euratex, 2021). Infolgedessen ging der Pro-Kopf-Verbrauch von Bekleidung und Schuhen im Jahr 2020 gegenüber 2019 zurück, während der Verbrauch von Heimtextilien leicht anstieg. Der durchschnittliche Textilverbrauch pro Person belief sich im Jahr 2020 auf 6,0 kg Bekleidung, 6,1 kg Heimtextilien und 2,7 kg Schuhe (siehe Abbildung 1).

Abgesehen von diesem COVID-bedingten Rückgang des Verbrauchs im Jahr 2020 blieb der geschätzte Verbrauch von Bekleidung und Schuhen in den letzten zehn Jahren relativ konstant, mit leichten Schwankungen zwischen den Jahren (siehe Abbildung 2). Gleiches gilt für den Verbrauch von Heimtextilien, mit einem leichten Anstieg im Laufe des Jahrzehnts.

Bei der Berechnung des "geschätzten Verbrauchs" auf der Grundlage von Produktions- und Handelsdaten aus dem Jahr 2020, ausgenommen sind industrielle/technische Textilien und Teppiche, liegt der Gesamttextilverbrauch bei 15 kg pro Person und Jahr, die sich im Durchschnitt wie folgt zusammensetzen:

  • 6,0 kg Bekleidung
  • 6,1 kg Heimtextilien
  • 2,7 kg Schuhe.

2. Umwelt- und Klimaauswirkungen von Textilien
Die Produktion und der Konsum von Textilien haben erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel. Umweltauswirkungen in der Produktionsphase ergeben sich aus dem Anbau und der Produktion von Naturfasern wie Baumwolle, Hanf und Leinen (z. B. Nutzung von Land und Wasser, Düngemittel und Pestizide) und aus der Produktion von Kunstfasern wie Polyester und Elastan (z. B. Energieverbrauch, chemische Ausgangsstoffe) (ETC/WMGE, 2021b). Die Herstellung von Textilien erfordert große Mengen an Energie und Wasser und verwendet eine Vielzahl von Chemikalien in verschiedenen Produktionsprozessen. Vertrieb und Einzelhandel sind für Transportemissionen und Verpackungsabfälle verantwortlich.

Bei der Nutzung und Pflege - Waschen, Trocknen und Bügeln - werden Strom, Wasser und Waschmittel benötigt. Auch Chemikalien und Mikrofasern werden in das Abwasser abgegeben. Gleichzeitig tragen Textilien mit erheblichen Mengen zu Textilabfällen bei. Am Ende ihrer Lebensdauer landen Textilien oft im allgemeinen Abfall und werden verbrannt oder deponiert. Bei der getrennten Sammlung von Textilabfällen werden die Textilien je nach ihrer Qualität und Materialzusammensetzung sortiert und wiederverwendet, recycelt oder entsorgt. Im Jahr 2017 wurde geschätzt, dass weniger als 1 % aller Textilien weltweit zu neuen Produkten recycelt werden (Ellen MacArthur Foundation, 2017).

Um das Ausmaß der Auswirkungen des Textilverbrauchs auf den Rohstoffverbrauch, die Wasser- und Flächennutzung und die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu anderen Verbrauchskategorien zu veranschaulichen, hat die Europäische Umweltagentur ihre Berechnungen der Umwelt- und Klimaauswirkungen des Lebenszyklus in der EU aktualisiert. Verwendet wurden Input-Output-Modelle auf der Grundlage von Daten aus der Exiobase-Datenbank und von Eurostat. Im Einklang mit dem geringeren Textilverbrauchsniveau im Jahr 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie sind die Umweltauswirkungen von 2019 auf 2020 zurückgegangen.

Verwendung von Rohstoffen
Für die Textilproduktion werden große Mengen an Rohstoffen eingesetzt. Für die Herstellung aller von den EU-Haushalten im Jahr 2020 gekauften Bekleidung, Schuhe und Heimtextilien wurden schätzungsweise 175 Millionen Tonnen Primärrohstoffe verwendet, was rund 391 kg pro Person entspricht. Etwa 40 % davon entfallen auf Kleidung, 30 % auf Heimtextilien und 30 % auf Schuhe. Damit sind Textilien die fünftgrößte Verbrauchskategorie in Europa in Bezug auf den Primärrohstoffverbrauch (siehe Abbildung 3).

Zu den Rohstoffen gehören alle Arten von Materialien, die bei der Herstellung von Natur- und Kunstfasern verwendet werden, wie fossile Brennstoffe, Chemikalien und Düngemittel. Dazu gehören auch alle Baumaterialien, Mineralien und Metalle, die für den Bau von Produktionsanlagen verwendet werden. Auch der Transport und der Handel mit den Textilwaren sind eingeschlossen. Nur 20 % dieser Primärrohstoffe werden in Europa hergestellt oder gewonnen, der Rest wird außerhalb Europas gewonnen.

Dies zeigt den globalen Charakter der textilen Wertschöpfungskette und die hohe Ab-hängigkeit des europäischen Verbrauchs von Importen. Dies bedeutet, dass 80 % der durch den europäischen Textilkonsum verursachten Umweltauswirkungen außerhalb Europas stattfinden. So finden beispielsweise der Baumwollanbau, die Faserproduktion und die Bekleidungsherstellung hauptsächlich in Asien statt (ETC/WMGE, 2019).

Wasserverbrauch
Für die Herstellung und Verarbeitung von Textilien werden große Mengen an Wasser benötigt. Bei der Wassernutzung wird zwischen "blauem" Wasser (Oberflächenwasser oder Grundwasser, das bei der Bewässerung, bei industriellen Prozessen oder im Haushalt verbraucht wird oder verdunstet) und "grünem" Wasser (im Boden gespeichertes Regenwasser, das in der Regel zum Anbau von Pflanzen verwendet wird) unterschieden (Hoekstra et al., 2012).
 
Für die Herstellung aller von den EU-Haushalten im Jahr 2020 gekauften Bekleidung, Schuhe und Heimtextilien wurden etwa 4.000 Millionen m³ blaues Wasser benötigt, das sind 9 m³ pro Person, womit der Wasserverbrauch für Textilien an dritter Stelle nach Lebensmitteln sowie Freizeit und Kultur steht (siehe Ab-bildung 4).

Zusätzlich wurden etwa 20.000 Millionen m³ grünes Wasser verwendet, hauptsächlich für die Baumwollproduktion, was 44 m³ pro Person entspricht. Blaues Wasser wird zu etwa gleichem Anteil für die Herstellung von Kleidung (40 %), Schuhen (30 %) sowie Heim- und anderen Textilien (30 %) verwendet. Grünes Wasser wird hauptsächlich für die Herstellung von Kleidung (fast 50 %) und Heimtextilien (30 %) ver-braucht, wobei die Baumwollproduktion den größten Anteil hat.

Der Wasserverbrauch für in Europa verbrauchte Textilien findet größtenteils außerhalb Europas statt. Es wird geschätzt, dass für die Herstellung von 1 kg Baumwolle etwa 10 m³ Wasser benötigt werden, in der Regel außerhalb Europas (Chapagain et al., 2006).

Landnutzung
Die Herstellung von Textilien, insbesondere von Naturtextilien, erfordert große Mengen an Land. Der Flächenverbrauch in der Lieferkette für Textilien, die von europäischen Haushalten im Jahr 2020 gekauft werden, wird auf 180.000 km² geschätzt, das sind 400 m² pro Person. Nur 8 % der verbrauchten Flächen befinden sich in Europa. Über 90 % der Auswirkungen auf die Flächennutzung finden außerhalb Europas statt, hauptsächlich im Zusammenhang mit der (Baumwoll-)Faserproduktion in China und Indien (ETC/WMGE, 2019). Fasern auf Tierbasis, wie Wolle, haben ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf die Landnutzung (Lehmann et al., 2018). Damit ist der Textilsektor der Sektor mit den dritthöchsten Auswirkungen auf die Flächennutzung, nach Nahrungsmitteln und Wohnraum (siehe Abbildung 5). Davon fallen 43 % auf Kleidung, 35 % auf Schuhe (einschließlich Lederschuhen, die aufgrund des Bedarfs an Viehweiden eine hohe Auswirkung auf die Landnutzung haben) und 23 % auf Heim- und andere Textilien.

Treibhausgasemissionen
Die Herstellung und der Verbrauch von Textilien verursachen Treibhausgasemissionen, insbesondere durch die Gewinnung von Ressourcen, die Produktion, das Waschen und Trocknen sowie die Abfallverbrennung. Im Jahr 2020 verursachte die Herstellung von Textilwaren, die in der EU konsumiert wurden, Treibhausgasemissionen von insgesamt 121 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent (CO2e), was 270 kg CO2e pro Person entspricht. Damit sind Textilien der Verbrauchsbereich der Haushalte, der für die fünftgrößten Auswirkungen auf den Klimawandel verantwortlich ist, nach Wohnen, Ernährung, Verkehr und Mobilität sowie Freizeit und Kultur (siehe Abbildung 6). Davon entfallen 50 % auf Kleidung, 30 % auf Haushalts- und andere Textilien und 20 % auf Schuhe. Die Treibhausgasemissionen wirken sich zwar weltweit aus, aber fast 75 % werden außerhalb Europas freigesetzt, vor allem in den wichtigen textilproduzierenden Regionen in Asien (ETC/WMGE, 2019).

Etwa 80 % der gesamten Klimaauswirkungen von Textilien entstehen in der Produktionsphase. Weitere 3 % entstehen im Vertrieb und Einzelhandel, 14 % in der Nutzungsphase (Waschen, Trocknen und Bügeln) und 3 % am Ende des Lebenszyklus (Sammlung, Sortierung, Recycling, Verbrennung und Entsorgung) (ECOS, 2021; Östlund et al., 2020).

Textilien aus Naturfasern, wie z. B. Baumwolle, haben im Allgemeinen die geringsten Klimaauswirkungen. Textilien aus synthetischen Fasern (insbesondere Nylon und Acryl) haben im Allgemeinen eine höhere Klimabelastung, da sie aus fossilen Brennstoffen hergestellt werden und bei der Produktion Energie verbraucht wird (ETC/WMGE, 2021b; Beton et al., 2014).

3. Design als Wegbereiter für zirkuläre Geschäftsmodelle für Textilien
Um die Auswirkungen von Textilien auf die Umwelt und den Klimawandel zu verringern, ist die Umstellung auf zirkuläre Geschäftsmodelle von entscheidender Bedeutung, um Rohstoffe, Energie, Wasser und Landnutzung, Emissionen und Abfall einzusparen (ETC/WMGE, 2019). Die Umsetzung und Skalierung von Kreislaufwirtschaftsmodellen erfordert technische, soziale und geschäftsmodellbezogene Innovationen sowie die Förderung von Politik, Konsum und Bildung (EUA, 2021).

Kreislauffähiges Design ist ein wichtiger Bestandteil von zirkulären Geschäftsmodellen für Textilien. Es kann eine höhere Qualität, eine längere Lebensdauer, eine bessere Nutzung von Materialien und bessere Optionen für Wiederverwendung und Recycling gewährleisten. Während es wichtig ist, das Recycling und die Wiederverwendung von Materialien zu ermöglichen, sollten lebensverlängernde Strategien, wie z. B. Design für Langlebigkeit, einfache Wiederverwendung, Reparatur und Wiederaufbereitung, Vorrang haben. Die Vermeidung der Verwendung gefährlicher Chemikalien und die Begrenzung der Schadstoffemissionen und der Freisetzung von Mikroplastik in allen Phasen des Lebenszyklus sollten in die Produktgestaltung einbezogen werden.

Das Design für Kreislaufwirtschaft ist die jüngste Entwicklung im Design für Nachhaltigkeit. Die Ausweitung eines technischen und produktorientierten Fokus auf Veränderungen auf Systemebene (unter Berück-sichtigung von Produktions- und Verbrauchssystemen) zeigt, dass diese jüngste Entwicklung viel mehr Disziplinen erfordert als das traditionelle technische Design. Das Produktdesign als Bestandteil eines kreislauforientierten Geschäftsmodells hängt vom Verbraucherverhalten und den Richtlinien ab, um sein Potenzial auszuschöpfen und seine Umsetzung zu ermöglichen. Abbildung 7 zeigt die Zusammenhänge zwischen dem Kreislaufwirtschaftsmodell, dem Produktdesign, dem Verbraucherverhalten und den Richtlinien. Sie alle sind notwendig, um den Zyklus zu verlangsamen und zu schließen, damit er kreislauffähig wird.

Quelle:

Europäische Umweltagentur
Übersetzung durch Textination

(c) Messe Frankfurt GmbH
13.07.2021

Messe Frankfurt strebt 500 Millionen Euro Umsatz in 2022 an

Die Messe Frankfurt ist für einen Restart gerüstet. „Wenn sich die Pandemielage immer weiter verbessert, sind wir zuversichtlich, dass wir in 2022 wieder in allen Bereichen voll durchstarten können. Wir streben einen Umsatz über 500 Millionen Euro an“, sagte Wolfgang Marzin, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Frankfurt, auf der Unternehmenspressekonferenz Ende Juni 2021.

„Unsere Messen, Kongresse und Events sind zentrale Elemente im internationalen Wirtschaftsgefüge und speziell in Frankfurt und der Region wesentliche ökonomische Lebensadern“, hob der Aufsichtsratsvorsitzende der Messe Frankfurt, Oberbürgermeister Peter Feldmann, hervor. „Ich bin fest davon überzeugt, dass es der Messe Frankfurt nach dem Abklingen der Pandemie gelingen wird, an der Spitze der internationalen Messewirtschaft mitzuspielen.“

Die Messe Frankfurt ist für einen Restart gerüstet. „Wenn sich die Pandemielage immer weiter verbessert, sind wir zuversichtlich, dass wir in 2022 wieder in allen Bereichen voll durchstarten können. Wir streben einen Umsatz über 500 Millionen Euro an“, sagte Wolfgang Marzin, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Frankfurt, auf der Unternehmenspressekonferenz Ende Juni 2021.

„Unsere Messen, Kongresse und Events sind zentrale Elemente im internationalen Wirtschaftsgefüge und speziell in Frankfurt und der Region wesentliche ökonomische Lebensadern“, hob der Aufsichtsratsvorsitzende der Messe Frankfurt, Oberbürgermeister Peter Feldmann, hervor. „Ich bin fest davon überzeugt, dass es der Messe Frankfurt nach dem Abklingen der Pandemie gelingen wird, an der Spitze der internationalen Messewirtschaft mitzuspielen.“

Vorausgesetzt, die Pandemielage und die behördlichen Vorgaben lassen es zu, sollen in der zweiten Jahreshälfte auch am Heimatstandort wieder Veranstaltungen organisiert werden. Seit Beginn der Pandemie im März 2020 war es so gut wie nicht möglich, in Deutschland Umsatz zu generieren. Außerhalb Deutschlands konnte die Messe Frankfurt Veranstaltungen nur bedingt realisieren, wie in China. Das jahrzehntelange Wachstum der Unternehmensgruppe wurde damit abrupt ausgebremst. Seitdem steuert die Messe Frankfurt den Konzern liquiditätsorientiert mit einem flexiblen, aber straffen Kostenplan. Betriebsbedingte Kündigungen sind auch weiterhin nicht vorgesehen.

„Trotz strenger Einsparungen dürfen wir Dank des Rückhalts unserer Gesellschafter, der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen, auch in Zeiten wie diesen Chancen ergreifen und antizyklisch investieren. Die finanzielle Absicherung der Messe Frankfurt ist mittels Fremdkapitalaufnahme und mit einem Gesellschafterdarlehen für das laufende Geschäftsjahr und bis weit in das Jahr 2022 gegeben“, sagte Marzin.

Nach Vorlage des finalen Finanzberichts für das Geschäftsjahr 2020 beträgt der Konzernumsatz rund 257 Millionen Euro (2019: rd. 736 Mio. Euro). Mit einem Konzernjahresfehlbetrag in Höhe von rund 122 Millionen Euro ist das Ergebnis weit entfernt von den Konzernjahresüberschüssen der Vorjahre (2019: rd. 50 Mio. Euro). Auch das laufende Geschäftsjahr werde noch zu einem wirtschaftlichen Rückgang bei allen finanziellen Leistungsindikatoren führen.

Trotz erschwerter Bedingungen fanden im abgelaufenen Geschäftsjahr 153 Veranstaltungen statt, darunter 46 Messen und Ausstellungen (2019: 155) mit mehr als 33.000 (2019: 99.246) ausstellenden Unternehmen und 1,2 Millionen Besucher*innen.

„Die zwangsweise vollständige Verlagerung von Veranstaltungen in den digitalen Raum hat die Wichtigkeit von physischen Begegnungen in ihrer Funktion für den Geschäftserfolg verdeutlicht“, resümierte Marzin. Und Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt, ergänzt: „Der digitale Alltag, der Austausch auf Distanz, der uns seit über einem Jahr begleitet, hat bei vielen zu einer gewissen digital Fatigue geführt. In der Gesamtbetrachtung unserer Veranstaltungen werden hybride Events weiterhin einen wichtigen Part spielen und zu einem Mehrwert für die Branchen beitragen.“ Prognosen, wohin der Bedarf an digitalen und hybriden Formaten tatsächlich gehe, seien heute nicht valide zu treffen. „Sie werden eher evolutionärer, aber dauerhafter Natur sein, mit Sprüngen bei der Integration sinnvoller digitaler Elemente. Aspekte von Nachhaltigkeit, wachsendes Umweltbewusstsein und die Erfahrungen im digitalen Austausch werden – wie übrigens bereits in den Jahren vor Corona – zu veränderten Verhaltensweisen führen“, ist Marzin überzeugt.

Für das dritte und vierte Quartal des laufenden Geschäftsjahres plant die Messe Frankfurt Veranstaltungen als digitale, hybride sowie haptische Formate. So fand die Premierenveranstaltung der Frankfurt Fashion Week unter dem Label Frankfurt Fashion Week (FFW) Studio digital statt. „Gemeinsam mit allen Beteiligten mussten wir uns im April für eine rein digitale Veranstaltung entscheiden. Mit einem erwarteten Internationalitätsgrad von 80 Prozent wäre eine physische Veranstaltung aufgrund der weiter volatilen Pandemielage nicht machbar gewesen“, betonte Braun. Die Automechanika Frankfurt Digital Plus wird im September nach dem Prinzip „Plug & Play“ an den Start gehen. „Wir haben ein hybrides Konzept entwickelt, das eine komprimierte physische Ausstellung beinhaltet und gleichzeitig allen Teilnehmern ermöglicht, sich international digital zu präsentieren und zu vernetzen“, erläuterte Braun das Konzept. 2022 soll die Automechanika wieder ihren ursprünglichen Turnus in den geraden Jahren aufnehmen. Erstmals wird die Hypermotion parallel zur Automechanika stattfinden. Mit der Nordstil im Juli in Hamburg geht die erste Präsenzveranstaltung der Messe Frankfurt in Deutschland an den Start.

In Frankfurt setzen für das zweite Halbjahr rund 70 geplante Gastveranstaltungen ebenfalls wichtige Impulse für einen Aufbruch am Heimatstandort, darunter Messen wie beispielsweise Franchise Expo, White Label World Expo, Frankfurter Buchmesse und Food Ingredients & Health Ingredients Europe. „Wir freuen uns über die Vertragsverlängerung mit der DECHEMA“, so Uwe Behm, Geschäftsführer der Messe Frankfurt. Bis mindestens 2027 wird das Frankfurter Messegelände Austragungsort der ACHEMA, Weltforum und Internationale Leitmesse der Prozessindustrie, bleiben. „Die ACHEMA ist ein Beispiel für die Zukunft hochwertiger internationaler Veranstaltungen und die persönliche Begegnung und setzt ein wichtiges Signal für unseren Standort“, betonte Behm.

„Auch in herausfordernden Zeiten investiert die Messe Frankfurt in ihre Zukunft und in den Ausbau ihres Portfolios. Seit 2020 sind weltweit 23 Veranstaltungen neu hinzugekommen. Dazu zählt beispielsweise im laufenden Geschäftsjahr die Cross Border E-Commerce Fair in Shenzhen, die erste ihrer Art in China. Stärker engagieren wird sich die Unternehmensgruppe zudem in Tianjin, in Nordchina. Die Stadt liegt im Zentrum der Circum-Bohai Sea Economic Zone, ist von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung mit der Greater Bay Area und dem Yangtze River Delta vergleichbar und soll ein neuer globaler Messestandort werden“, berichtete Oberbürgermeister Feldmann abschließend.

(c) Neonyt/Messe Frankfurt GmbH
30.03.2021

Circularity und Fashion: Interview zur Business- und Kommunikationsplattform Neonyt

Kreislauf- statt Wegwerfwirtschaft – von Fast Fashion zur Zero-Waste-Philosophie. Die Eckpfeiler der Circular Economy im Modebusiness lauten: Vermeidung von Abfällen und Verschmutzung durch neue Verfahren, kontinuierliche Wiederverwertung von Produkten und Materialien und Regeneration der natürlichen Systeme. Textination sprach mit Olaf Schmidt, Vice President Textiles & Textile Technologies, und Thimo Schwenzfeier, Show Director Neonyt, von der Messe Frankfurt über das Messeformat Neonyt als Business- und Kommunikationsplattform für Circularity & Fashion.
 
Es ist rund 10 Jahre her, dass sich die Messe Frankfurt auf das „nachhaltige“ Fashion-Messeparkett wagte. Zunächst mit der Ethical Fashion Show, dann mit dem Greenshowroom gab es zwei Messeformate in Berlin, die sich dem Thema grüne Mode widmeten. Was hat Sie als Messeveranstalter damals zum Launch eines solchen Spezialformats in Deutschland bewogen?

Kreislauf- statt Wegwerfwirtschaft – von Fast Fashion zur Zero-Waste-Philosophie. Die Eckpfeiler der Circular Economy im Modebusiness lauten: Vermeidung von Abfällen und Verschmutzung durch neue Verfahren, kontinuierliche Wiederverwertung von Produkten und Materialien und Regeneration der natürlichen Systeme. Textination sprach mit Olaf Schmidt, Vice President Textiles & Textile Technologies, und Thimo Schwenzfeier, Show Director Neonyt, von der Messe Frankfurt über das Messeformat Neonyt als Business- und Kommunikationsplattform für Circularity & Fashion.
 
Es ist rund 10 Jahre her, dass sich die Messe Frankfurt auf das „nachhaltige“ Fashion-Messeparkett wagte. Zunächst mit der Ethical Fashion Show, dann mit dem Greenshowroom gab es zwei Messeformate in Berlin, die sich dem Thema grüne Mode widmeten. Was hat Sie als Messeveranstalter damals zum Launch eines solchen Spezialformats in Deutschland bewogen?

Olaf Schmidt: Das Texpertise Network der Messe Frankfurt vereint die international bedeutendsten Textilmessen – auf rund 60 Veranstaltungen weltweit zeigen wir, was die Textil- und Modebranche bewegt. Wir bilden die aktuellen Themen und Trends ab und setzen Impulse für die gesamte textile Wertschöpfungskette. Die Messe Frankfurt hat früh den Bedarf an einer geeigneten Plattform für das Zukunftsthema Nachhaltigkeit erkannt und es war daher naheliegend, unsere Expertise im Bereich Fashion zu erweitern und der Nachfrage aus diesem Segment entgegenzukommen. Dafür haben wir bestehende Formate adaptiert und neu ausgerichtet: Nach dem Start der Ethical Fashion Show in Paris im Jahr 2004 übernahm die Messe Frankfurt France die Veranstaltung im Jahr 2010. Zwei Jahre später gründete die Messe Frankfurt in Deutschland die Ethical Fashion Show Berlin und fand mit dem Umzug des Events in die polarisierende Hauptstadt die richtige Location für die kommenden Jahre. Die Messe Frankfurt legte den dort bereits bestehenden Greenshowroom mit der Ethical Fashion Show zusammen und ab Januar 2015 fanden die beiden Messen in einer gemeinsamer Venue statt. Die Ausrichtung dieser Veranstaltungen war für die Messe Frankfurt der nächste logische Schritt auf unserem Weg in eine nachhaltige Modezukunft – das Konzept ist inzwischen am Markt für Sustainable Fashion etabliert und besitzt ungebrochenes Wachstumspotential. Der Zusammenschluss des Messeduos 2019 unter dem aktuellen Namen Neonyt ermöglichte uns, unseren Aussteller*innen und Besucher*innen eine neue inhaltliche Ausrichtung und einen holistischen Ansatz beim Thema Nachhaltigkeit sowie einen direkteren Zugang zum konventionellen Modemarkt, insbesondere was den Handel angeht. Im Sommer 2021 findet die Neonyt erstmals am neuen Fashion Hotspot Frankfurt im Rahmen der neuen Frankfurt Fashion Week statt.

 
2019 wurden beide Veranstaltungsformate verschmolzen, die neue Messe Neonyt war geboren und aus 1 + 1 wurde was? Welche Komponenten bietet die Neonyt zusätzlich zu den vorherigen Messekonzepten, was ist so „neu-neu“ und wie kamen Sie eigentlich auf den Namen?

Thimo Schwenzfeier: Aus eins plus eins, wie Sie so schön sagen, wurde mit der Neonyt nämlich nicht einfach nur zwei. Aus eins plus ein wurde einzigartig, neoneu, international relevant: Das Messe-Business wurde unter anderem um das internationale Konferenzformat Fashionsustain und einen Showcase ergänzt, um das Thema Nachhaltigkeit schrittweise mit den Themen Technologie, Innovation und Vorstufe zusammenzuführen. Für den nötigen Lifestyle sorgt unser Content Creator-Format Prepeek und den Glamour der Modewelt bringt die Fashionshow. Neonyt vereint die wichtigsten Elemente der internationalen Textil- und Modebranche – Style, Business, Inspiration, Innovation, Wissen, Spaß und Community. Und genau das ist es auch, was Neonyt so „neu-neu“ macht. Progressiv und polarisierend – das Kunstwort Neonyt leitet sich ab vom altgriechischen Wort „neo“ (dt. neu, revolutionär) und dem skandinavischen Wort „nytt“ (dt. neu). „Das erneuerte Neu“ – Neonyt ist unser Synonym für den fundamentalen Transformationsprozess der Textil- und Modebranche, eine Neuinterpretation dessen, was bereits da gewesen ist und unseren Anspruch, nicht stillzustehen und gemeinsam positive Veränderungen voranzutreiben.

 
Für das Neonyt-Messeformat haben Sie sich mit Partnern - beispielsweise für Konferenzkomponenten und im Designbereich - verstärkt.
Welche Expertise bringen diese ein, und worin liegt der Mehrwert für Aussteller und Besucher?

Thimo Schwenzfeier: Wir wissen, mit welchen Zukunftsthemen sich unsere Brands und die Community gerade befassen und schaffen dafür die richtige Plattform – für persönliche Begegnungen und Austausch, für Networking und erfolgreiche Geschäftsabschlüsse. Schlicht gesagt: Wir machen Messen, wir veranstalten Events, wir sorgen für die richtigen Rahmenbindungen, wir connecten Menschen und Business. Die Neonyt bildet somit die globale Schnittstelle zwischen den unterschiedlichen Akteur*innen der Textil- und Modebranche – zwischen Industrie, Handel, Politik, Dienstleistung und Konsum. Und damit ein lebendiger, transparenter und vor allem authentischer Dialog zwischen allen Counterparts entstehen kann, greifen wir natürlich auf das Wissen von Branchenexpert*innen zurück und gehen starke Partnerschaften ein, um Fashion und Sustainability weiter nach vorne zu bringen. Denn nur gemeinsam können wir wirkliche Veränderungen erreichen und garantieren, dass unsere Community mit ausreichend und vor allem der richtigen Information versorgt ist, um eigenbestimmte Entscheidungen treffen zu können.
 

In den letzten Jahren trifft man allerorten in der Modeindustrie auf das Schlagwort Zirkularität – oder vielmehr auf Circularity und Closing the Loop. Ob Stella McCartney, die Ellen MacArthur Foundation, große Handelskonzerne – viele Akteure und Entscheider sind der Ansicht, dass nur in einer Kreislaufwirtschaft und nicht in einem – wie auch immer gearteten – Downcycling die Zukunft für die Modewelt liegt. Wie sieht das die Neonyt?
         
Thimo Schwenzfeier: Richtig, das Konzept der Circular Economy ist kein neues und auch nicht nur auf die Textil- und Modeindustrie begrenzt. Circularity – eigentlich das Nonplusultra für jedes Produkt, jede Indus–trie, für unsere globale Gesellschaft. Das Konzept ist vermeintlich einfach: Alle Materialien und Produkte werden in einem geschlossenen Kreislauf gehalten, die Nutzungsdauer erhöht und am Ende des Produktlebenszyklus wird alles wieder zurückgeführt. Viele nachhaltige Modelabels zeigen bereits, wie’s gemacht wird. Neonyt-Brands sind ganz vorne mit dabei und setzen jetzt schon Praktiken um, die schnellstmöglich zum Standard werden sollten: angefangen bei T-Shirts oder Schuhen aus recycelten Materialien und Rücknahmesysteme für Kollektionsteile über kompostierbare Kleidung, die sich am Ende des Produktlebenszyklus „auflöst“ und in ihre natürlichen Bestandteile zerfällt, bis hin zu Repair-Services und Leasing-Modellen für Denim und Co. – ganzheitlich denken, nachhaltig handeln und zirkulär produzieren, das sind definitiv die Trends der kommenden Modesaisons und mindestens ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Bestandteil der zukünftigen Modewelt.

 
Damit der Gedanke einer Kreislaufwirtschaft erfolgreich implementiert werden kann, bedarf es eines Zusammenspiels von Technologie, Produktion, Design und Vertrieb. Welche Präsentationsoptionen und Kommunikationsformen hält die Neonyt für die verschiedenen Komponenten bereit?  

Thimo Schwenzfeier: Die kombinierte Innovationskraft aus den Bereichen Technologie, Nachhaltigkeit und Digitalisierung ist ein wichtiger Treiber für die aktuellen Entwicklungen in der Textil- und Modebranche – auch beim Thema Circularity. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette verändern sich Prozesse und Produktionsabläufe – die Branche muss sich größtenteils neu erfinden. Die Neonyt zeigt, wie dies nachhaltig erfolgreich funktioniert, mit dem international etablierten Konferenzformat Fashionsustain – mit Spin-offs in China, Europa und den USA –sowie dem ergänzenden Showcase. Diese beiden Formate bieten gemeinsam die ideale Mischung aus Orientierung und Inspiration, um die Branche für die Zukunft zu wappnen. Virtuelle Mode, authentische Marken und textile Wertschöpfungsketten, Wissenschaft und Innovation sowie Retail, Business Models und Impact Investment – bei der Fashionsustain tauschen sich hochkarätige Expert*innen mit einem interessierten Fachpublikum aus und diskutieren den Wandel und neue Lösungen der Textil- und Modebranche. Der Neonyt Showcase vertieft die Themen und Innovationen, die auf der Bühne der Fashionsustain präsentiert und diskutiert werden. Expert*innenwissen on-demand sozusagen: ob Microfactories oder Installationen – Neonyt-Brands aber auch Brands aus dem restlichen Texpertise Network der Messe Frankfurt, wie zum Beispiel Aussteller*innen der Texprocess, bekommen so die Chance, nachhaltige Innovationen, neue Technologien und Materialien, Initiativen, Change-Maker-Kampagnen oder Forschungsprojekte zu präsentieren und in den direkten und praxisnahen Austausch mit der internationalen Cross Sector-Community der Neonyt zu treten.
 

Das letzte Jahr war aufgrund der Pandemie-Situation für Messeunternehmen eine bisher ungesehene Herausforderung. Auch die Neonyt hat es getroffen – und Präsenzveranstaltungen mussten abgesagt werden. Mit einem digitalen Format „Neonyt on Air“ haben Sie versucht, Ausstellern und Besuchern eine alternative Plattform zu bieten. Wie sind Ihre Erfahrungen: Haben der Messefokus und dessen Community vielleicht sogar dazu beigetragen, eine solche virtuelle Veranstaltung einfacher zu platzieren?  

Olaf Schmidt: Corona hat bereits vieles verändert und wird das sicherlich auch weiterhin auf die eine oder andere Art tun. Dennoch wird es weiterhin unsere Aufgabe als Messeveranstalter sein, der Industrie die bestmöglichen Begegnungsplattformen anzubieten, um ihre neuen Produkte weltweit zu präsentieren. Wir sind fest davon überzeugt, dass sich auch in Zukunft Menschen persönlich begegnen möchten, um sich über neue Produkte und Dienstleistungen auszutauschen. Das gilt ganz besonders für den Bereich Textil, in dem Haptik eine ganz entscheidende Rolle spielt. Wir gehen davon aus, dass sich nach der Krise sogar ein gewisser Nachholeffekt einstellt. Denn was die letzten beiden sehr erfolgreichen digitalen Saisons der Neonyt on Air beispielsweise dennoch deutlich gemacht haben: Mode lebt von Persönlichkeiten, von Inszenierung und Inspiration. Da können digitale Formate begleiten, aber keinen vollen Ersatz bieten.
 
Thimo Schwenzfeier: Die digitale Neonyt on Air war bei Weitem kein voller Ersatz für die ausgefallenen physischen Saisons, aber dennoch ein voller Erfolg. Eine Woche lang diskutierten Fashion-, Lifestyle- und Digitalexpert*innen in zahlreichen Keynotes, Interviews und Panel Discussions über mehr Authentizität, Unmittelbarkeit und Transparenz in der Textil- und Modebranche. Mit mehr als 24.000 internationalen Follower*innen auf Instagram generierten wir mit unseren „Presenting Partners“ Grüner Knopf, Hessnatur und Oeko-Tex in nur fünf Tagen rund 50.000 Impressionen und mehr als 4.700 Content-Interaktionen. Diese Zahlen zeigen, dass das Thema Nachhaltigkeit in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und branchenübergreifend diskutiert wird. Ich denke, dass die Polarisierung und vor allem die vorherrschenden Einschränkungen, was Handel und Commerce angehen, sicherlich dazu beigetragen haben, ein erfolgreiches digitales Format abzuhalten. Digitalisierung war in dem Fall wirklich der Booster für die Modeindustrie: Statt den persönlichen Austausch zu ersetzen, hilft sie gerade in der aktuellen Zeit dabei, die Geschäftstätigkeit von Brands aufrecht zu erhalten und auszubauen. Und ganz klar, der Bedarf an Austausch in der Fashion-Branche und die Motivation, gemeinsam einen Wandel einzuleiten, sind weiterhin enorm. Das hat uns Neonyt on Air nochmals deutlich gezeigt. Aber wir freuen uns bereits jetzt auf die nächste physische Ausgabe der Neonyt.
 

Die COVID19-Pandemie hat auch in der Textil- und Bekleidungsbranche deutliche Spuren hinterlassen. Wenn Sie auf ein knappes Jahr „Ausnahmezustand“ zurückblicken – was nehmen Sie an positiven Erfahrungen mit, wo sehen Sie Nachbesserungsbedarf, für welche Unterstützung sind Sie dankbar und wo haben Sie sich allein gelassen gefühlt?  

Olaf Schmidt: Ein Jahr wie kein anderes – das lässt sich über das letzte wohl eindeutig sagen. Die Corona-Pandemie traf alle unvorbereitet, uns als Messeveranstalter, aber natürlich auch unsere Austeller*innen, Besucher*innen und Partner*innen. Vor allem in unmittelbarer Zukunft müssen wir weiterhin damit rechnen, dass Messen zunächst erst einmal nur unter strengeren Sicherheits- und Gesundheitsvorgaben stattfinden können. Die Messe Frankfurt hat hier schnell reagiert und dazu ein umfangreiches Schutz- und Hygienekonzept erarbeitet. Klar war: Wir alle müssen uns umstellen und mit einer neuen Situation umgehen. Und das haben wir bisher gemeinsam super gemeistert, das Teamverständnis untereinander, der enge Kontakt – zwar physisch auf Abstand, aber global vernetzt – zwischen allen Involvierten, lässt mich positiv gestimmt in die Zukunft blicken. Für mich ist eine wichtige Erkenntnis dieser globalen Pandemie, ein Credo schon fast, offen für neue Wege und Chancen zu sein und eher Möglichkeiten zu finden, Dinge zu kombinieren als sie zu trennen: Hybride Lösungen sozusagen.    

Thimo Schwenzfeier: Für die Neonyt gab es gab keinen Masterplan und stellenweise trat auch das Gefühl in den Vordergrund, man müsse jetzt für „das Rad neu erfinden“: Wie funktioniert Zusammenarbeit, wenn persönliche Treffen nicht stattfinden können? Kann digitalisierte Nähe die aktuell auferlegte soziale Distanzierung auffangen und ermöglichen, trotzdem eng zusammenzuarbeiten? Wie können Geschäftsbeziehungen gepflegt werden, während Läden geschlossen haben? Wie können Prioritäten gesetzt werden, wenn erprobte Lösungen und etablierte Jahrespläne ihre Gültigkeit verlieren? Wer bin ich selbst, wer sind ‚die anderen‘ und was macht Gemeinschaft aus? Nie waren Fragen zu unserem Schaffen und Dasein, zu dem, was uns ausmacht und dazu, wer oder was wir sein wollen, relevanter als jetzt gerade. Etwas, das ich aus der aktuellen Zeit mitnehme und das mich trotz schwieriger Umstände weiter positiv nach vorne blicken lässt, ist die Tatsache, dass der Zusammenhalt untereinander und die Solidarität miteinander – privat wie beruflich – enorm an Bedeutung gewonnen haben. Die Krise hat wie eine Lupe bestehende Chancen, aber auch Herausforderungen vergrößert und das Essenzielle in den Fokus gerückt. Ich denke, wenn wir weiterhin versuchen, Dinge bewusster zu erleben und nicht als selbstverständlich ansehen, solidarisch handeln und koopetitiv arbeiten, schaffen wir es gemeinsam, ein „New Normal“ zu definieren und gestärkt aus dieser Krise hervorzukommen.
 

Wie früher in Berlin, so ist die Neonyt aktuell auch in Frankfurt im Umfeld der Fashion Week zusammen mit konventionellen Messe-Angeboten platziert. Können Sie sich vorstellen, dass ein besonderes Veranstaltungskonzept wie die Neonyt in einigen Jahren unnötig sein wird, da sich weltweit in der Bekleidungsindustrie das Circularity-Konzept durchgesetzt hat?

Olaf Schmidt: Klares Nein. Nachhaltigkeit per se ist schon jetzt kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Wichtig ist, am Zahn der Zeit zu bleiben, sich an Trends zu orientieren oder besser noch neue Trends selbst aufzuspüren und sie weiterzuentwickeln. Dinge, Strategien, Konzepte werden sich immer ändern – wenn uns das letzte Jahr eines gezeigt, dann sicherlich das. Es ist mehr als wünschenswert, dass wir alle aus dieser Krise lernen und uns auf die wirklich wichtigen Werte besinnen, auf die Solidarität zwischen Partner*innen, auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Möglicherweise werden genau deshalb Unternehmen, die besonders viel Wert auf Nachhaltigkeit legen, noch stärker aus dieser Krise hervorgehen. Sie können also sicher sein, dass wir als internationaler Leitmesse-Veranstalter für die Textilwirtschaft auch weiterhin auf Nachhaltigkeit setzen und zukunftsorientierte Unternehmen und Lösungen unterstützen werden. Obsolet werden unsere Formate durch die Etablierung und Normalisierung von ganzheitlichen Geschäftspraktiken im Textilsegment dadurch aber nicht. Eine exakte Prognose für die kommenden Dekaden abzugeben, ist aber unmöglich. Über die letzten Monate haben wir selbst alle im persönlichen Alltag oder im Berufsleben gemerkt, wie unsicher und volatil die Zukunft ist. Was jedoch klar ist, ist, dass sich die Modebranche – die Welt allgemein – noch schneller verändern wird als bisher. Und darin liegt dann wiederrum die Chance für Formate wie die Neonyt. Die zehnjährige Geschichte zeigt, in wie vielen Richtungen sich die Neonyt schon weiterentwickelt hat, inhaltliche Fokuspunkte geshiftet sind und sie sich neoneu erfunden hat – das wird auch in Zukunft so bleiben.
 

Herr Schwenzfeier, seit 2018 sind Sie neben Ihrer Aufgabe als Leiter Marketing-Kommunikation der Textilmessen der Messe Frankfurt auch Show Director der Neonyt. Sie haben mit vielen Ausstellern und Besuchern gesprochen – welche Ideen oder Kreationen haben Sie besonders beeindruckt?

Thimo Schwenzfeier: Ich glaube, es sind weniger die einzelnen Innovationen oder Kreationen der Aussteller*innen unserer Messen. Und ich wähle hier bewusst den Plural. Denn in meiner Funktion als Leiter der Marketingkommunikation im Bereich Textiles & Textile Technologies der Messe Frankfurt ist die Neonyt nur eine „meiner“ Veranstaltungen. Ich glaube, es ist mehr die Fülle an modischen, technischen und fachlichen Neuheiten, die Brands, Labels, Unternehmen, Start-Ups und Designer*innen jährlich präsentieren. Aber müsste ich wirklich eine Innovation wählen, dann wären das wohl die veganen „Currywurst“ Sneaker aus rotem Pfeffer und recycelten PET-Flaschen – beim selben Label gibt es auch Schuhe aus Holz, Stein, Kaffee und Pilzen oder mittlerweile sogar Meteoritenteilchen. Es ist beeindruckend, in jeder Saison aufs Neue erleben zu können, wie kreativ die Textil- und Modebranche ist.
 

Neue Wege zu gehen, bedeutet Entscheidungsfreudigkeit, Überwindung von Ängsten – und damit auch Mut zum Scheitern. Nicht jedes Projekt kann gelingen. Über welche unternehmerische Entscheidung der Messe Frankfurt sind Sie im Nachhinein besonders froh, dass sie so getroffen wurde?
 
Olaf Schmidt: Eindeutig die Entscheidung, die Neonyt zu gründen. Ein eigenes Messeformat für Mode, Nachhaltigkeit und Innovation zu schaffen und die Freiheiten und den Lifestyle, die dieses Thema mit sich bringen in unser Event zu integrieren. Nach mehr als einer Dekade verabschieden wir uns 2021 zwar vom Standort Berlin, aber nicht von unserer Community und unseren Spirit. Gemeinsam blicken wir zurück auf viele modische Saisons und tolle Locations in der Hauptstadt: angefangen im Hotel Adlon Kempinski über das Ewerk, den Postbahnhof, den Kronprinzenpalais, das Funkhaus und das Kraftwerk bis zur letzten physischen Veranstaltung im Tempelhof. Mit dem Jahreswechsel und im Rahmen der Frankfurt Fashion Week steht für die Neonyt der Umzug in die Metropole am Main ins Haus. In Frankfurt prallen Welten aufeinander: Wolkenkratzer und Gründerzeitvillen. Bausünden und architektonische Meisterwerke. Business und Bürgerlichkeit. Rotlichtmilieu und Luxusmeile. In diesem Spannungsfeld setzt die Frankfurt Fashion Week neue Impulse. Und mitten drin die Neonyt. Die Zeichen stehen auf Neuanfang – ein Restart für die gesamte Fashion-Szene, gemeinsam heben wir Nachhaltigkeit auf das nächste Level – die Fokusthemen Applied Sustainability und Applied Digitisation lassen ein vollkommen neues Fashion Week-Ecosytem in Mainmetropole entstehen.
 

Wenn alles klappt, kann die Neonyt im Juli 2021 erstmals wieder als Face-to-Face-Veranstaltung durchgeführt werden. Wie sehen Ihre Planungen aus? Auf was und wen dürfen sich Besucher freuen? Und welches Backup für ein Worst-Case-Szenario gibt es?

Thimo Schwenzfeier: Natürlich ist es aufgrund der derzeit immer noch angespannten Lage rund um Covid-19 schwierig, verbindliche Aussagen zur nächsten physischen Veranstaltung zu treffen. Derzeit gehen wir aber davon aus, dass sich die Situation in den Sommer hinein entspannt und wir die Neonyt wie geplant und in einem sicheren, positiv gestimmten und nach vorne blickendem Umfeld in unserer Homebase Frankfurt veranstalten können. Die anhaltend volatile Lage macht es für uns alle notwendig, weiterhin mit Einschränkungen bei großen Veranstaltungen zu rechnen. Im Mittelpunkt unserer Planungen für die Neonyt im Sommer 2021 steht daher die Gesund aller – der Aussteller*innen, Besucher*innen, Partner*innen und Mitarbeiter*innen der Neonyt. Die Messe Frankfurt hat ein Konzept erarbeitet, das detaillierte hygienische Maßnahmen umfasst: Hygiene, Abstand und Frischluftzufuhr sind wichtige Faktoren, die wir mit den zuständigen Behörden in Frankfurt und den Verantwortlichen der Frankfurt Fashion Week abstimmen. Die Neonyt-Community bekommt zu gegebener Zeit Hinweise und Empfehlungen für den Messeauftritt und -besuch, die den aktuellen Bestimmungen entsprechen. Über ein konkretes Backup für ein Worst-Case-Szenario haben wir uns noch keine Gedanken gemacht, da wir Stand heute von einem physischen B2B-Event ausgehen – die letzten beiden Saisons haben aber bewiesen, sollte es nicht möglich sein, die Neonyt face-to-face zu veranstalten, dass wir mit der digitalen Neonyt on Air durchaus gut aufgestellt sind und das Format sicherlich noch ein weiteres Mal zur Sommerveranstaltung adaptieren könnten. Wir tauschen uns regelmäßig mit allen Marktteilnehmer*innen aus und versuchen auch von unserer Community mittels Umfragen ein Gefühl zu deren Einschätzungen und Wünschen zu bekommen. Abwarten und Tee trinken, würde man auch sagen – am Ende müssen wir uns auch danach richten, was die aktuelle gesundheitliche Lage erlaubt und welche Entscheidungen seitens Politik getroffen werden.

Das Interview führte Ines Chucholowius,
Geschäftsführerin der Textination GmbH

(c) JUMBO-Textil GmbH & Co. KG. CEO Andreas Kielholz (r.) und Business Development Manager Patrick Kielholz in der hochmodernen Produktionsstätte der JUMBO-Textil GmbH & Co. KG.
23.03.2021

JUMBO-Textil – Innovative Schmaltextilien neu definiert

Ein dynamisches Familienunternehmen als zukunftsorientierter Lösungspartner für Hightech-Elastics
 
Zusammen rund 32 Mrd. € Umsatz erzielen die verschiedenen Sparten der deutschen Textil- und Modeindustrie jährlich. Von den ca. 1.400 Unternehmen ist die weit überwiegende Zahl mittelständisch geprägt.
Speziallösungen Made in Germany sind gefragt. Die Bedeutung technischer Textilien wächst seit Jahren – ebenso wie deren Anteil am Umsatz. Textination sprach mit Andreas und Patrick Kielholz über innovative Produktlösungen, die Bedeutung von Familienunternehmen in der heutigen Zeit, Traditionen und Innovationen, Herausforderungen und den Mut zum Scheitern, Flugzeugbau, die Automobilwirtschaft, Medizintechnik und Taucheranzüge.

Ein dynamisches Familienunternehmen als zukunftsorientierter Lösungspartner für Hightech-Elastics
 
Zusammen rund 32 Mrd. € Umsatz erzielen die verschiedenen Sparten der deutschen Textil- und Modeindustrie jährlich. Von den ca. 1.400 Unternehmen ist die weit überwiegende Zahl mittelständisch geprägt.
Speziallösungen Made in Germany sind gefragt. Die Bedeutung technischer Textilien wächst seit Jahren – ebenso wie deren Anteil am Umsatz. Textination sprach mit Andreas und Patrick Kielholz über innovative Produktlösungen, die Bedeutung von Familienunternehmen in der heutigen Zeit, Traditionen und Innovationen, Herausforderungen und den Mut zum Scheitern, Flugzeugbau, die Automobilwirtschaft, Medizintechnik und Taucheranzüge.


Die Geschichte des heutigen Unternehmens „JUMBO-Textil GmbH & Co. KG“ reicht zurück ins letzte Jahrtausend. 1909 in Wuppertal gegründet, haben Sie die Produktion reiner Meterware für die Wäscheindustrie hinter sich gelassen und sind inzwischen ein gefragter Kompetenzpartner für Hightech-Lösungen bei Schmaltextilien. Auf welche Industrien konzentrieren Sie sich bei der Entwicklung Ihrer technischen Textilien?

Andreas Kielholz: JUMBO-Textil konzentriert sich auf besondere Kompetenzen im Bereich der Schmaltextilien und nicht auf besondere Branchen. Wir produzieren Schmalgewebe, Schmalgeflechte und Gewirke. In diesen drei Feldern spielen wir unsere besonderen Kompetenzen aus: Elastics, Individuallösungen und individuell konfektionierte Bauteile in Verbindung mit nichttextilen Komponenten. Es gibt natürlich eine langjährige intensive Zusammenarbeit beispielsweise mit Kunden aus der Automotive-Branche, so gesehen ist JUMBO-Textil auch ein „Innenraum-Experte“. Das bedeutet aber keine Konzentration auf eine bestimmte Branche. Im Gegenteil: Mit Blick auf Branchen sind wir sehr breit aufgestellt. Es öffnen sich immer wieder neue Felder; zuletzt haben wir mit speziell für Babys und Kleinkinder entwickelten Textilien die Spielzeug-Industrie und mit hautfreundlichen Elastics die Medizintechnik mit schmaltextilen Lösungen versorgt.

 
Stichwort Elastics – wie kam es zu der Spezialisierung?

Patrick Kielholz: Bereits in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts begann die Spezialisierung auf elastische Schmaltextilien. In unserem Eingangsbereich steht eine der ersten Spezial-Flechtmaschinen, die dafür angeschafft wurde. Sie ist etwa 100 Jahre alt. Eine richtungsweisende Entscheidung: Sie hat den Schritt von den Bekleidungstextilien zu den technischen Textilien, der – viele Jahre später – überlebenswichtig wurde, wenn nicht möglich gemacht, dann doch zumindest erheblich vereinfacht.

 
Was zeichnet Elastics aus? Warum ist die Eigenschaft für technische Textilien so wichtig?

Andreas Kielholz: Technische Textilien sind bekanntlich Textilien, die für eine bestimmte technische Funktion entwickelt werden. Sie müssen, wenn man so will, etwas können: eine Last sichern, eine Öffnung abdichten, vor Hitze schützen ... Viele dieser industriellen Funktionen können nur mit elastischen Textilien erfüllt werden – von Einsätzen im Flugzeugbau über Schutzanzüge für Taucher bis zu Textilien in der Medizin. Oft ist es gerade das spezifische, hochpräzise definierte Kraft-Dehn-Verhältnis, das den Einsatz in solch extremen, höchst anspruchsvollen Anwendungen möglich macht. Innovative Fasern werden bei uns an hochmodernen, digital gesteuerten Anlagen gefertigt und veredelt. So erreichen wir bei den Dehneigenschaften höchste Präzision und Sicherheit und produzieren mit Hochleistungsfasern ein textiles Hightech-Produkt für extreme, oft individuell angefragte technische Anforderungen.


Und wie sieht Ihr Produktportfolio für Ihre Kunden insgesamt aus?
          
Patrick Kielholz: Das Spektrum reicht von Webbändern und Gurten über Flechtlitzen, Flechtschläuche und Flechtkordeln bis zu Netzen – in allen Breiten, aus zahlreichen Rohstoffen und mit spezifischen, auch anspruchsvollen Eigenschaften, Besonderheiten, Konfektionierungen. Als Lösungspartner begleiten wir Kunden oft von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt.
Die Bedeutung von Schmaltextilien als Bauteil wächst zusehends. Da sie sehr leicht, sehr leistungsfähig und dabei sehr leise sind, kommen sie immer häufiger als Alternative zu Bauteilen aus anderen Materialien zum Einsatz. Die Anforderungen an die Textilien wachsen mit ihren Aufgaben: Ihre Spezifikationen werden immer präziser, die Toleranzen immer enger. Im Automotive-Bereich und bei Schutzausrüstungen etwa spielen Brandschutzanforderungen eine wichtige Rolle. Wir haben erste Erfolge mit Schmaltextilien, die permanent flammhemmend sind. Aktuell bedienen wir viele Anfragen für Fitnessbänder mit höchst präzise definiertem Kraft-Dehn-Verhältnis. Auch auf die Nachhaltigkeitsfrage antworten wir mit unserem Portfolio: Wir arbeiten immer häufiger an Projekten mit recycelten Materialien oder recycelbaren Produkten. Diese Entwicklung ist eingebettet in eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie, mit der wir uns – auch im Zusammenhang mit der Neubauplanung unseres Schwesterunternehmens vombaur GmbH & Co KG – übergreifend für die gesamte Gruppe beschäftigen.

 
Was hat den Entwicklungsprozess des Unternehmens von rund 110 Jahren besonders beeinflusst? Gab es einschneidende Richtungswechsel oder Entscheidungen?

Andreas Kielholz: In den 70er-Jahren haben wir unser Angebot enorm verbreitert, indem wir technische Schmaltextilien nicht mehr nur für die Bekleidungsindustrie produziert haben, sondern für alle Branchen. Gleichzeitig haben wir uns weiter spezialisiert – auf Elastics. Das ist kein Widerspruch: Wir setzten das um, was wir besonders gut können, das aber für alle Industrien.
In der jüngeren Unternehmensgeschichte haben wir mit unserem Neubau 2016 einen starken Schub gemacht. Es wurden optimale Produktionsbedingungen geschaffen. Mit einer Vielzahl neuer Produktionsanlagen sind wir auf dem neuesten Stand der Technik und hoher Produktionskapazität. Das Umfeld wirkt sich auch auf unser Team aus. Man spürt, hier wird gerne gearbeitet. Anfang 2019 haben wir wieder eine wichtige strategische Weiche gestellt, als wir unsere Kompetenzen mit der vombaur GmbH & Co KG unter dem Dach der Textation Group GmbH & Co. KG gebündelt haben.
 

Die zwei Traditionsunternehmen für anspruchsvolle Hightech-Schmaltextilien bleiben als Unternehmen und Marken eigenständig. Warum haben Sie sich für diesen Schritt entschieden, wie ist die Resonanz des Marktes und was können Sie anderen Produzenten in Sachen Partnerschaften empfehlen?

Andreas Kielholz: Wir haben als Schwesterunternehmen sehr gute Erfahrungen gemacht: Wissenstransfer, Messe-Auftritte, Digitalisierungsworkshops – die Partnerschaft ist in vielfacher Hinsicht fruchtbar. Aber – anders als im echten Leben – konnten wir uns unsere Schwester ja auch aussuchen. Die Partnerunternehmen müssen zusammenpassen. Klar, darauf muss man achten. Sie sollten Gemeinsamkeiten haben, ohne exakt dasselbe zu tun. Denn wenn sie einander zu ähnlich sind, besteht die Gefahr der Konkurrenz, bis hin zur Kannibalisierung einer der Marken.
Unser Konstrukt wird von unseren Marktbegleitern als gute und elegante Lösung wahrgenommen. Wir könnten für den ein oder anderen als Vorbild dienen. Vielleicht erweitern wir unseren Kreis in den nächsten Jahren auch noch. Offen dafür sind wir. Und auch bei den Kunden kommt unser Schritt positiv an. Neben all den anderen positiven Effekten lassen sich auch Nachfolge-Fragen in der Gruppe leichter lösen. Wir zeigen damit Zukunftsperspektive und Sicherheit.
 

In der mittelständischen Textilindustrie wurden und werden Unternehmen von Menschen geprägt – Gründerpersönlichkeiten, Inhaber/innen, Familien, die die textile Tradition und Innovation leben. Welche Eigenschaften sind es Ihrer Meinung nach, die Menschen mitbringen müssen, um in unserer nischenorientierten deutschen Industrie erfolgreich zu sein?

Andreas Kielholz: Erfolgreich und prägend sind Menschen mit Neugier und Zugkraft. Menschen, die gerne Neuland erkunden, zunächst im Denken und dann konsequent in der Umsetzung. Man sollte andere bei diesen Erkundungen begeistern können. Außerdem den Markt genau beobachten und entsprechend agieren, also den Status quo immer wieder hinterfragen. Selbstkritik ist deshalb auch wichtig: Ist unser Weg noch richtig? Erfüllen wir unseren Anspruch? Um als Unternehmen voranzukommen, muss man unermüdlich nicht nur im, sondern auch am Unternehmen arbeiten.     

Patrick Kielholz: Es kommt darauf an, Veränderungen zu erkennen und als Chance zu begreifen, nicht als Bedrohung. Da stimme ich voll zu. Die Idee jedoch, dass es die eine Gründerpersönlichkeit, der eine Inhaber und somit einzelne Personen sind, die ein Unternehmen erfolgreich machen, möchte ich stark in Frage stellen. Wir leben in einer sehr komplexen und schnelllebigen Welt, die von einer einzelnen Person nicht überblickt und begriffen werden kann. Verstehen Sie mich nicht falsch, großartige Ideen können von Einzelpersonen kommen und einem Unternehmen zum Erfolg verhelfen. Aber darauf dürfen wir uns nicht verlassen. Ein Unternehmen muss heute so geführt werden, dass Ideen von divergenten Teams entwickelt werden. Es ist ein Umfeld zu schaffen, das jeder Person die Möglichkeit gibt, etwas zu bewegen. Eine Führungsperson muss es also verstehen, funktionierende Teams zu entwickeln.
 

Herr Kielholz sen., Sie sind geschäftsführender Gesellschafter der JUMBO-Textil GmbH & Co. KG und einer der Geschäftsführer der vombaur GmbH & Co KG. Seit gut zwei Jahren haben Sie Ihren Sohn Patrick als  Business Development Manager von JUMBO-Textil an Ihrer Seite. Wie kam es dazu? Haben Sie Ihren Sohn ermutigt, in Ihre Fußstapfen zu treten?

Andreas Kielholz: Nicht ausdrücklich. Meine Söhne – es gibt noch Kevin, den Bruder von Patrick – hatten in ihrer Kindheit und Jugend viel Freiraum. Es war beiden immer freigestellt, wie sie ihr Leben gestalten wollen. Bei ihrer schulischen Ausbildung und im Studium habe ich versucht, alles vertrauensvoll zu unterstützen. Erziehung hat viel mit vorleben zu tun. Ich hatte immer viel Freude an meinem Tun, auch wenn es nicht immer einfach war. Diese Freude haben die beiden jeden Tag erlebt – und so mag ich sie implizit ermutigt haben.  
Dass Patrick jetzt dabei ist, sehr gute Arbeit leistet und schon viel Verantwortung trägt – darüber freue ich mich natürlich sehr. Er ist für mich ein gutes, vertrauensvolles Korrektiv, denn manches kann er besser als ich. Es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass auch Kevin nach Abschluss seines technischen Studiums zu uns stößt.
 

Sie, Herr Kielholz jun., haben Ihr Studium mit einer Masterarbeit zu Familienunternehmen abgeschlossen. Wie beurteilen Sie die Zukunft von Familienunternehmen in einer globalen Textilindustrie allgemein? Und wo sehen Sie hier JUMBO-Textil?

Patrick Kielholz: Familienunternehmen sind in der Regel Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lange an ihr Unternehmen binden – durch eine familiäre Arbeitsumgebung und eine Unternehmenskultur, die Vertrauen schafft. Dazu gehören unter anderem Werte, die den jüngeren Generationen wichtig sind. Statussymbole verlieren an Bedeutung. So kann ein Arbeitsumfeld geschaffen werden, in dem hoch innovativ und flexibel gearbeitet werden kann – wenn es nicht durch eine zu patriarchalische Struktur verhindert wird. Daran können Familienunternehmen meist noch arbeiten. Wir versuchen, in der Textation Group mit JUMBO-Textil und vombaur ein solches innovationsfreudiges Umfeld zu schaffen und so in Zukunft der beste Lösungspartner für Schmaltextilien zu sein.
 

Sie fertigen ausschließlich am Standort Deutschland. Warum? Sind Sie nie in Versuchung geraten, von einem niedrigeren Lohnniveau in anderen Ländern zu profitieren?

Andreas Kielholz: Wir positionieren uns als hoch qualifizierter Lösungspartner und wollen unseren Kunden exzellente Expertise auf dem Gebiet der Schmaltextilien liefern. Das können wir am besten in einem Land mit sehr guten Aus- und Weiterbildungschancen. Das ist für uns der Standort Deutschland. Natürlich arbeiten wir auch arbeitsteilig mit eng angebundenen Partnern in Osteuropa.
 

Maßgeschneidert statt Lösungen für Großkunden: Das Thema Individualisierung bis zur Losgröße 1 nimmt heute einen breiten Raum ein. Am neuen Standort in Sprockhövel haben Sie erheblich in innovative Produktionstechnik investiert. Wie stehen Sie zu individuellen Produktlösungen, und in welchen Anwendungsbereichen haben Sie diese bereits erfolgreich umgesetzt?
     
Andreas Kielholz: Wir produzieren keine Maßanzüge, sondern Meterware. Losgröße 1 – das hat bei uns eine spezielle Bedeutung: Wir entwickeln im Austausch mit unseren Kunden für ein Projekt – einen Autositz in einem Geländewagen, eine Laufkatze an einem Kran, ein Exoskelett, einen Baby-Greifring, ganz gleich – wir entwickeln also für dieses eine Projekt ein textiles Bauteil. Individuell spezifiziert für die jeweilige konkrete Anwendung und ihre Anforderung – also etwa mit Blick auf Dehnfähigkeit, Temperaturbeständigkeit, Hautfreundlichkeit usw. Alle Eigenschaften des Textils wer-
den individuell konfiguriert. Und dann wird es in der erforderlichen Menge produziert. Das ist durchaus eine maßgeschneiderte Lösung. Wenn also das Kundenprojekt der Maßanzug ist, dann ist „Individualisierung bis zur Losgröße 1“ bei uns Tagesgeschäft. Denn das ist es, was wir tun.
 

Was braucht es für solche Lösungen?

Patrick Kielholz: Ein enger Austausch ist für solche Individuallösungen wichtig, aber auch genaues Branchenwissen und Kenntnis der jeweils geltenden Normen. Manche Kunden unterstützen wir bis zur Produktanmeldung und Beratung in Sachen Technische Lieferbedingungen und Dokumentation. Know-how und Erfahrung gehen für Individuallösungen über textiltechnisches Fachwissen weit hinaus. Entscheidende Basis ist dabei, das Produkt des Kunden, den Herstellungsprozess und seinen Anwendungszweck zu verstehen. Wir wollen eine vollständige Lösung bieten, die dem jeweiligen Kundenunternehmen den größten Nutzen liefert. Das beginnt mit der Auswahl des Rohmaterials und endet mit der Nutzung durch die Endverbraucher.


Neue Wege zu gehen, bedeutet Entscheidungsfreudigkeit, Überwindung von Ängsten – und damit auch Mut zum Scheitern. Nicht jedes Projekt kann gelingen. Über welche unternehmerische Entscheidung sind Sie im Nachhinein besonders froh, sie getroffen zu haben?

Andreas Kielholz: Die mutigen Entscheidungen zum Neubau von JUMBO-Textil, der unternehmerische Zusammenschluss mit vombaur und der auch hier geplante Neubau zählen dazu – und: meinen Sohn mit ins Executive Board eingebunden zu haben. Er bringt eine neue, andere Perspektive mit ins Unternehmen, die uns enorm bereichert. Außerdem macht es mir einfach Freude. Wer sieht schon täglich seine erwachsenen Kinder?

Patrick Kielholz: Ja, das brauchte Mut zum Scheitern. (lacht) Im Ernst: Nicht jedes Ergebnis einer Entscheidung lässt sich so fix datieren wie die Inbetriebnahme unseres Neubaus. In manchen Prozessen stecken wir gerade mittendrin. Die Digitalisierung etwa haben wir früh begonnen, abgeschlossen wird sie ganz sicher nie sein. Sie hat unendlich viele Facetten – von der Materialwirtschaft über die Produktentwicklung, die Qualitätssicherung bis zu den internen und externen Prozessen. Ein unglaublich dynamisches Thema, das sich ständig weiterentwickelt und neue Verbesserungspotenziale eröffnet. Da braucht es kluge Menschen, die im Team die Themen voranbringen wollen, sonst hinkt man hinterher, statt voranzuschreiten. Das Gleiche gilt in Sachen Nachhaltigkeit – auch ein Thema, das nicht wie so oft als ungewolltes Übel, sondern als Chance betrachtet werden muss.

Andreas Kielholz: Das ist der springende Punkt: Es kommt darauf an, als Unternehmen durch solche Mega-Themen nicht getrieben zu werden, sondern die Entwicklung selbst aktiv voranzutreiben.
 

Welche Bedeutung spielt der Nachhaltigkeitsgedanke bei unternehmerischen Entscheidungen? Welche Zertifizierungen nutzen Sie und wo gehen Sie über gesetzliche Vorgaben hinaus?

Andreas Kielholz: Unser Qualitätsmanagementsystem ist nach der IATF 16949:2016 zertifiziert, eine von der Automotive-Industrie entwickelte Erweiterung der ISO 9001. Außerdem wurden wir mit der Formel Q Fähigkeit nach der kundenspezifischen Zertifizierung der VW Group mit einem Ergebnis von 95 % ausgezeichnet. Im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit sind wir zertifiziert nach der Umweltschutzmanagement-Norm ISO 14001:2015. Zahlreiche unserer Produkte erfüllen das OEKO-TEX® Zertifikat Produktklasse I. Darüber hinaus stehen wir ausdrücklich zu dem Anspruch, Menschenrechte, Arbeits-, Sozial- und Ökologiestandards in den wirtschaftlichen Wertschöpfungsprozessen durchzusetzen, wie sie im Code of Conduct der deutschen Textil- und Modeindustrie formuliert sind.

Patrick Kielholz: Auch hier übrigens zeigt sich ein Spezifikum von Familienunternehmen. Die Ansprüche an das Unternehmen und die Werte, für die es steht, sind sehr viel stärker persönliche Ansprüche. Die Menschen müssen und möchten sich auch als Person an diesen Ansprüchen messen lassen. Sie können und wollen sich nicht in der Anonymität von Aktiengesellschaften wegducken. Ein Familienunternehmer ist mit den Stakeholdern seines Unternehmens auch persönlich verbunden und hat deshalb ein stärkeres Interesse, soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu verfolgen.


Wie sehen Sie die Bestrebungen anderer Staaten, beispielweise Chinas, sich dem Thema Nachhaltigkeit zunehmend zu widmen? Wird damit künftig ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal im Vergleich Europa – Asien entfallen?

Andreas Kielholz: Das Thema Nachhaltigkeit ist noch nicht an seinem Peak angekommen, sprich: Die Nachfrage wird auch hier weiter steigen. China wird stärker, aber auch Europa arbeitet daran, seine Vorreiterrolle nicht zu verlieren. Die verstärkte Nachfrage und der Wettbewerb werden uns allen nutzen, insbesondere den agilen Unternehmen.
 

Die COVID19-Pandemie hat auch in der Textil- und Bekleidungsbranche deutliche Spuren hinterlassen. Wenn Sie auf ein knappes Jahr „Ausnahmezustand“ zurückblicken – was nehmen Sie an positiven Erfahrungen mit, wo sehen Sie Nachbesserungsbedarf, für welche Unterstützung sind Sie dankbar und wo haben Sie sich allein gelassen gefühlt?

Andreas Kielholz: Dadurch, dass wir uns den Anforderungen früh gestellt haben und – dank unseres zeitnahen, vielschichtigen Controllings – immer wissen, wo wir stehen, konnten wir schnell anpassen. So sind wir weitgehend gut durch die Krise gekommen. Die neu entwickelten Arbeitsformen – mobiles Arbeiten und Video-Konferenzen, teilweise auch inhouse – werden ergänzend Bestand haben. Auch in der Digitalisierung und in den neuen Medien sind wir deutlich weitergekommen.

     
Wenn Sie jemandem, der JUMBO-Textil nicht kennt, abschließend Ihr Unternehmen in 100 Wörtern vorstellen müssten: Was würden Sie sagen? Was macht Sie unverwechselbar?

Patrick Kielholz: JUMBO-Textil ist Lösungspartner – im Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns stehen immer unsere Kunden. Für sie und ihre Projekte entwickeln und fertigen wir anspruchsvolle technische Schmaltextilien: präzise, passgenau und Made in Germany.

Andreas Kielholz: So viele Wörter brauche ich gar nicht: Höchste Qualitätsstandards, intensive Kundenbeziehung, Zuverlässigkeit und einzigartige Elastics-Expertise.

Patrick Kielholz: Das waren acht. (lacht)

Das Interview führte Ines Chucholowius,
Geschäftsführerin der Textination GmbH

 

09.03.2021

Functional Textiles Shanghai by PERFORMANCE DAYS feiert Premiere in China

Die Design & Development GmbH Textile Consult, Gründer und Veranstalter der PERFORMANCE DAYS in München, blickt voller Hoffnung ins neue Jahr. Zusammen mit Reed Exhibitions findet die Messe als Functional Fabric Fair by PERFORMANCE DAYS bereits in New York City und Portland statt, und die Expansion geht weiter. In Kooperation mit Tengda Exhibition wurde der Grundstein für eine neue Messe für Funktionstextilien in Shanghai gelegt. Am 28. und 29. September 2021 findet im renommierten Shanghaimart Exhibition Center die Premiere der FUNCTIONAL TEXTILES SHANGHAI by PERFORMANCE DAYS statt und bietet ausreichend Raum für die Trends von morgen, abgebildet von mehr als 100 Ausstellern.

Die Design & Development GmbH Textile Consult, Gründer und Veranstalter der PERFORMANCE DAYS in München, blickt voller Hoffnung ins neue Jahr. Zusammen mit Reed Exhibitions findet die Messe als Functional Fabric Fair by PERFORMANCE DAYS bereits in New York City und Portland statt, und die Expansion geht weiter. In Kooperation mit Tengda Exhibition wurde der Grundstein für eine neue Messe für Funktionstextilien in Shanghai gelegt. Am 28. und 29. September 2021 findet im renommierten Shanghaimart Exhibition Center die Premiere der FUNCTIONAL TEXTILES SHANGHAI by PERFORMANCE DAYS statt und bietet ausreichend Raum für die Trends von morgen, abgebildet von mehr als 100 Ausstellern.

Optimistisch und voller Zuversicht erwartet das Team der PERFORMANCE DAYS den Launch der neuen Messe für Funktionstextilien - der FUNCTIONAL TEXTILES SHANGHAI by PERFORMANCE DAYS - in Shanghai. China zählt zu den am schnellsten wachsenden und wichtigsten Zukunftsmärkten weltweit. Insbesondere, wenn es um das Thema Funktionsbekleidung geht, zeigt sich das Reich der Mitte innovativ, zukunftsweisend und seit kurzem auch zunehmend nachhaltig.

In der Sportswear ist ein großes Wachstum an lokalen Brands zu verzeichnen. Diese Entwicklung schlägt sich auch in der Tätigkeit der Garn- und Stoffproduzenten nieder. Besonders stolz sei man dabei auf die Kooperation mit Tengda Exhibition, die dafür bekannt sind, professionelle Dienstleistungen für Hersteller und Handelsunternehmen aus den Bereichen Textil, Fasern und anderen Bekleidungssegmenten bereit zu stellen. Das Angebot reicht von Messen bis hin zu Sourcing Events in China, Japan, Spanien, Großbritannien und der Türkei.

Die Premiere der FUNCTIONAL TEXTILES SHANGHAI by PERFORMANCE DAYS wird am 28. und 29. September 2021 im Shanghaimart Exhibition Center stattfinden. Auch hier hat man sich gezielt für das einflussreiche internationale Fachmesse- und Handelszentrum entschieden. Momentan haben fast 1.000 Unternehmen aus mehr als 20 Ländern und Regionen ihre Büros und Showrooms vor Ort eingerichtet. Die meisten von ihnen renommierte Branchenkenner aus der Textil- und Stoffindustrie.

Qualitativ, informativ & innovativ: Shanghai-Messe orientiert sich am Look & Feel der PERFORMANCE DAYS
Das Veranstaltungsteam der FUNCTIONAL TEXTILES SHANGHAI by PERFORMANCE DAYS wird das etablierte Konzept der PERFORMANCE DAYS aus München nach Shanghai übertragen. So steuert die Messe in China nicht nur im Look & Feel ein ähnliches Konzept, sondern vor allem denselben Qualitätsanspruch an. Auf einer Fläche von 5.300 Quadratmetern finden mehr als 100 chinesische und internationale Hersteller ausreichend Platz. Damit möchten die Messeorganisatoren den Fachbesuchern bereits im Vorfeld ein ausgewogenes Sortiment an Top-Marken aus dem Funktionstextilienbereich garantieren.

Im Fokus der Messe stehen die neuesten Trends und Innovationen aus der Welt der Textilien, Garne, Membrantechnologien und Accessoires für funktionelle Sport-bekleidung, Arbeits-, Performance- und Lifestylewear. Die Nachfrage ist dementsprechend groß, so haben bisher Top-Hersteller, wie u.a. Huayue, Jibo und Romrol ebenso wie bekannte Marken, darunter Anta, Decathlon, Descente, Eral, Fila Hotwind Kappa, Peace Bird, Peak, Semir, Skechers, Uniqulo, Zuczug und 361° ihre Teilnahme zugesagt.

Wie von der Messe in München gewohnt, wird es ein informatives Rahmenprogramm mit spannenden Expert Talks und Diskussionsrunden zu nachhaltigen und branchenrelevanten Themen geben. Das Herzstück der Messe, das PERFORMANCE FORUM, rundet das Angebot ab. So werden vor Ort kuratierte Materialien der Aussteller auf einer speziell ausgewiesenen Plattform gezeigt. Dazu der Messechef Marco Weichert: „Wir freuen uns sehr, das neue Jahr mit derart inspirierenden, neuen Projekten starten zu können. Der Launch der FUNCTIONAL TEXTILES SHANGHAI by PERFORMANCE DAYS im September folgt langjährigen Beobachtungen des Asiatischen Markts und dessen zunehmender Nachfrage nach kuratierten und qualitativ hochwertigen, nachhaltigen Angeboten. Besonders freut uns auch die Partnerschaft mit der Tengda Exhibition, einem echten Profi auf diesem Gebiet. Wir sind absolut überzeugt, dass das Konzept der PERFORMANCE DAYS, das wir in Shanghai übernehmen werden, bei den Fachbesuchern und Ausstellern vor Ort sehr gut ankommen wird.“

Noel Tian, Managing Director, Tengda Exhibition unterstreicht: „Der Markt für Funktionsbekleidung in China wächst so rasant, die Brands hier brauchen eine professionelle, fokussierte und qualitativ hochwertige Messe für funktionelle Textilien – eine Messe wie PERFORMANCE DAYS. Wir sind sehr gespannt auf den Launch der FUNCTIONAL TEXTILES SHANGHAI by PERFORMANCE DAYS mit der wir 100% das Konzept von PERFORMANCE DAYS übernehmen werden in diesem besonderes Jahr 2021. Die Partnerschaft mit der Design & Development GmbH Textile Consult und deren weltbekannter Messe ist uns eine große Ehre.“

FUNCTIONAL TEXTILES SHANGHAI by PERFORMANCE DAYS
28.-29. September 2021
Shanghaimart Exhibition Center No.99 Xingyi Road,Chang Ning District,Shanghai China
Kontakt:
info@functionaltextilesshanghai.com oder +86-21-60493344.

Quelle:

PERFORMANCE DAYS functional fabric fair

(c) Schweizerische Textilfachschule STF
23.02.2021

Sustainability Management in Textiles - Interview mit Sonja Amport, Direktorin der STF

Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, Homeoffice: Das Coronavirus hat unseren Alltag auf den Kopf gestellt und das öffentliche Leben nahezu auf Null reduziert. Durch die Auswirkungen der Pandemie hat sich der bestehende Handlungsdruck zur Erreichung der Sustainable Development Goals noch weiter erhöht. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Themenkomplexe Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Digitalisierung im Bewusstsein von Industrie und Konsumenten an Boden gewinnen. Neue Managementqualitäten sind gefordert.

Textination sprach mit Sonja Amport, der Direktorin der Schweizerischen Textilfachschule über den neuen Ausbildungsgang Sustainability Management in Textiles. Nach Stationen in der Industrie und im Verbandswesen bringt die Betriebsökonomin mit Master im International Management ihr Wissen aus Textil, Bildung, Betriebswirtschaft sowie Marketing und Sales mit Elan und Herzblut seit 2015 bei der STF ein.

Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, Homeoffice: Das Coronavirus hat unseren Alltag auf den Kopf gestellt und das öffentliche Leben nahezu auf Null reduziert. Durch die Auswirkungen der Pandemie hat sich der bestehende Handlungsdruck zur Erreichung der Sustainable Development Goals noch weiter erhöht. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Themenkomplexe Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Digitalisierung im Bewusstsein von Industrie und Konsumenten an Boden gewinnen. Neue Managementqualitäten sind gefordert.

Textination sprach mit Sonja Amport, der Direktorin der Schweizerischen Textilfachschule über den neuen Ausbildungsgang Sustainability Management in Textiles. Nach Stationen in der Industrie und im Verbandswesen bringt die Betriebsökonomin mit Master im International Management ihr Wissen aus Textil, Bildung, Betriebswirtschaft sowie Marketing und Sales mit Elan und Herzblut seit 2015 bei der STF ein.

Die Geschichte der STF Schweizerische Textilfachschule hat 1881 begonnen. In diesem Jahr wurden Pablo Picasso geboren und Billy the Kid erschossen. Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach erlebten ihre Uraufführung und Thomas Alva Edison baute das erste Elektrizitätswerk der Welt. Am Stuttgarter Marktplatz öffnete das Warenhaus Breuninger und in Wismar das erste Geschäft von Rudolph Karstadt.
Was führte in dieser Zeit parallel zur Gründung der STF und welchen Werten fühlen Sie sich bis heute verpflichtet?

1881 blühte die Textilindustrie in der Schweiz. Unternehmen im Bereich Spinnerei, Weberei, Veredlung und weitere keimten auf. Jedoch fehlten ausgebildete Fachkräfte, welche die Maschinen hätten bedienen oder reparieren können. So kam es, dass die Unternehmen sich zusammentaten und die Schweizerische Textilfachschule gründeten. Ein Ort zur Aus- und Weiterbildung von Fachkräften für die Schweizer Textil- und Bekleidungsindustrie. Aus diesem Grund ist die STF auch heute noch genossenschaftlich organisiert. Entsprechend fühlen wir uns den Werten Kompetenz, Kundenorientierung, Innovation, Inspiration und Passion bis heute verpflichtet.

Wenn Sie jemandem, der die Schweizerische Textilfachschule nicht kennt, Ihre Bildungseinrichtung in 100 Worten vorstellen müssten: Wie definiert sich die Schule heute und auf welche Betätigungsfelder konzentriert sie sich?
Die STF Schweizerische Textilfachschule steht für eine nachhaltige Bildungskompetenz rund um den gesamten Lebenszyklus eines Textil-, Fashion oder Lifestyleproduktes. Mit dem «STF-LAB» positioniert sich die STF als Bildungsdienstleisterin mit drei Businessfeldern. Das Kernfeld ist die «Education», wo die STF zahlreiche Aus- und Weiterbildungen, von der Grundbildung über Bachelordiplome bis hin zum Master-Abschluss anbietet. Im «Incubator & Makerspace» (STF Studio) liegt der Hauptfokus auf der geteilten Infrastruktur, gegenseitiger Inspiration und damit dem gemeinsamen Vorwärtskommen. Im dritten Businessfeld dem «ThinkTank & Consulting» steht die Schule als Denkfabrik zur Verfügung, Fachexperten können «gemietet» werden und es wird Management auf Zeit angeboten.

Stichwort lebenslanges Lernen: Welche Weiterbildungsangebote hält die STF für die Textil- und Bekleidungsindustrie auch nach einem erfolgreichen Studienabschluss bereit?
Welche Branchenbereiche und welche Länder haben Sie im Fokus?

Einerseits bieten wir der Textil- und Bekleidungsindustrie und dem Handel vielseitige informelle Modulkurse, in welchen man sich innerhalb von 45 Lektionen einen guten Überblick zu einem speziellen Fachthema bilden kann. Beispiele dafür sind: Welding & Bonding, Smart & Functional Textiles, Start-up in Fashion oder das Steiger Stitch Modul, bei welchem man lernt, eigene Strickdesigns zu programmieren und diese anschließend an der STF an einer „Shared Machine“ ausstricken kann. Auch bieten wir jeweils zweiwöchige Intensiv-Sommerkurse an, wie beispielsweise in Sustainable Fashion Design. In der formalen Bildung kann ich unseren Master in Product Management Fashion & Textile in Deutsch oder unsere beiden CAS in Sustainability Management in Textiles empfehlen. Einmal mit Präsenzunterricht in deutscher Sprache und einmal per E-Learning in englischer Sprache. Derzeit fokussieren wir unsere Angebote auf die DACH-Region. Unsere Internationalisierungsstrategie wurde wegen Covid-19 jäh gestoppt. Dabei hatten wir mit englischen Masterangeboten insbesondere die Märkte Indien und China im Fokus. Wir stellen uns nun mit englischsprachigen Angeboten strategisch neu auf und starten ab 2022 wieder mit der Vermarktung. Das Ziel sind flexible, modulare Masterangebote mit einem hohen E-Learning-Anteil, so dass die Kosten moderat bleiben und das Reisen reduziert stattfinden kann.

Nachhaltigkeit – oder Sustainability – hat sich von einem Buzzword zu einer Selbstverständlichkeit gewandelt: Die jüngste OTTO Trendstudie sagt sogar, nachhaltiger Konsum ist im Mainstream der Gesellschaft angekommen. Was bedeutet das für die Textil- und Bekleidungsindustrie? Sind die Unternehmen personalseitig so aufgestellt, dass sie diesen Themenkomplex professionell in ihrem Leistungsportfolio verankert haben?
Die Schweizer Unternehmen haben erkannt, dass sie gegenüber den Mitbewerbern im Ausland nur eine Chance haben, wenn sie innovationsfähig sind, konsequent in einer Nische agieren und sich durch eine nachhaltige Produktion abheben können. Die Nachhaltigkeit ist somit ein absolut zentraler USP. In diesem Sinne beschäftigen sich viele Firmen damit und entsenden ihre Mitarbeitenden natürlich auch zu uns in die Weiterbildung.

Die STF bietet - im deutschsprachigen Raum bisher einzigartig - eine international anerkannte Weiterbildung im Bereich des textilen Sustainability Managements als Certificate of Advanced Studies CAS an.
Welche Teilbereiche von Design, Produktion, Prozessoptimierung bis zur Vermarktung bildet das Zertifikat ab?

Die STF bietet das international anerkannt Fachhoch-schulzertifikat in Zusammenarbeit mit SUPSI, der Scuola Universitaria Professionale della Svizzera Italiana im Tessin, an.

Im Studiengang betrachten wir aus ganzheitlicher Sicht und rund um die gesamte Wertschöpfungskette eines Textils, d.h. vom Design über die Produktion bis hin zur Vermarktung, die globalen Herausforderungen, wo Nachhaltigkeit als multilaterales Lösungskonzept fungiert. Zudem werden das normative und strategische Management der Nachhaltigkeit, Themen rund um die soziale Verantwortung sowie Initiativen und Standards für den Textilbereich beleuchtet. Ein wichtiger Bestandteil des CAS bilden Rohstoffe und Produkte, d.h. nebst nachhaltigen Fasern auch Stoffe oder der Einsatz von chemischen Mitteln. Nicht zuletzt werden auch Aspekte rund um Biodiversität, Animal Welfare, das Marketing, Labeling sowie mögliche Zukunftsszenarien und Best Practice Beispiele beleuchtet.

Für wen könnte das CAS Sustainability Management in Textiles spannend sein und warum? Welchen Push kann das Zertifikat im Berufsleben bewirken?
Das CAS ist einerseits für Führungspersonen interessant, die sich generell Gedanken über die strategische Ausrichtung eines Unternehmens machen, wie auch für Fach-Mitarbeitende in Design, Produktentwicklung, Einkauf, Verkauf oder im Qualitätsmanagement, wenn diese die Operationalisierung der Nachhaltigkeitsstrategie verantworten. Und selbstverständlich begrüßen wir jederzeit gerne junge Designer/innen mit eigenen Labels, die neue, nachhaltige Wege gehen und sich von anderen dadurch abheben möchten. Der Push im Berufsleben hängt stark mit der eigenen Persönlichkeit zusammen. Bisher haben jedoch alle Absolvierenden den Besuch der Weiterbildung als äußerst fruchtbar für den eigenen Karriereweg empfunden.

Wie steht es um die formalen Aspekte des CAS? Gibt es beispielsweise Auswahlkriterien, bis wann muss man sich anmelden, wie sieht der Stundenplan aus, auf welche Kosten müssen sich Interessenten einstellen?
Wir starten jeweils Ende August mit den Bildungsgängen. Eine frühzeitige Anmeldung, möglichst bis Mitte Mai, ist zu empfehlen, um sich einen Platz zu sichern. Im Präsenzlehrgang finden 120 Lektionen in Zürich und im Tessin statt, und es ist mit Kosten von CHF 5‘900.-, inkl. Lehrmittel und Prüfungsgebühren, zu rechnen. Im E-Learning-Kurs, mit einigen wenigen Präsenztagen vor Ort, werden die Inhalte synchron per MS-Teams durch i.d.R. dieselben Dozenten vermittelt. Hier beträgt der Studienpreis CHF 5‘600.-.

In diesen Kosten sind die persönlichen Auslagen sowie die Reise- und Übernachtungskosten noch nicht inkludiert. Interessierte entnehmen die Facts & Figures unserer Homepage:
(www.stf.ch/kurse/cas oder www.stf.ch/kurse/cas-online)

Die COVID19-Pandemie hat uns die Grenzen der Mobilität deutlich aufgezeigt. Wie haben Sie als Bildungseinrichtung darauf reagiert?
Die physischen Grenzen kann man mit E-Learning leicht überwinden. Unter anderem ein Grund, weshalb unser Unterricht während der gesamten Pandemie-Zeit ganz normal weiterlief. Für die Zeit nach Covid-19 planen wir, nebst Präsenz-Studienmodulen, auch weitere reine Online-Seminare, wie unseren CAS-Online. Diese werden vermehrt auch in englischer Sprache angeboten werden. Derzeit testen wir zudem mögliche Formen des hybriden Unterrichts. Dies bedeutet, während die einen vor Ort in Zürich beschult werden, können Personen mit langem Anfahrtsweg, wie z.B. aus der DACH-Region, dem Unterricht virtuell und live aus der Ferne beiwohnen.

Das letzte Jahr hat in der Textil- und Bekleidungsbranche deutliche Spuren hinterlassen. Wenn Sie auf ein Jahr „Ausnahmezustand“ zurückblicken – was nehmen Sie an positiven Erfahrungen mit, wo sehen Sie Nachbesserungsbedarf?
Es war definitiv ein Jahr des Ausnahmezustands! Positiv zu werten ist, dass wir an der STF bereit waren und ab Tag eins des Lockdowns online unterrichten konnten. Die Lernenden, Studierenden und mein Team zeig-ten alle größtes Verständnis und höchste Flexibilität. Doch als Institut im Textil-, Fashion- und Lifestyle-Bereich lebt der Unterricht auch von Anschauungsmaterialien. Die Garne und Stoffe fühlen und riechen zu können sowie über die Erfahrungen und das Erlebte persönlich zu diskutieren, sind wichtige Lernerfahrungen. Es ist definitiv eine Herausforderung, solche zentralen Lernelemente online umzusetzen. Alles in allem hat uns Covid-19 als Institution, rund um das Thema Digitalisierung, um gefühlte zwei Jahre nach vorne katapultiert. Dankbar wäre ich nun allerdings, wenn wir baldmöglichst zu einer Normalität zurückfinden könnten und zu einem Alltag mit „weniger Distanz“.

Neue Wege zu gehen, bedeutet Entscheidungsfreudigkeit, Überwindung von Ängsten - und damit auch Mut zum Scheitern. Nicht jedes Projekt kann gelingen. Über welche Entscheidung, die Sie für das Profil der STF getroffen haben, sind Sie im Nachhinein besonders froh?
Ich bin stolz sagen zu dürfen, dass die meisten in Angriff genommenen Projekte gelingen. Es gibt fast immer einen Weg. Manchmal muss man während dem Voranschreiten einfach etwas die Richtung anpassen, um ans Ziel zu gelangen. Eine wegweisende Neuerung war sicherlich die Modularisierung (fast) aller Studiengänge. Studierende haben so die Möglichkeit, von einer vielseitigen Wahlmöglichkeit zu profitieren und sich ihr eigenes Curriculum zusammenzustellen.

Eine zweite Entscheidung, über die ich dankbar bin, war, dass wir als kleines Institut bereits sehr früh sehr viel in den Ausbau unserer digitalen Fähigkeiten und in die Infrastruktur investiert haben. Das kommt uns nun zu Gute. Mit sehr gut ausgebildeten Dozierenden und einer Lernplattform, einer VM-Plattform und mo-dernster 3D-Software in verschiedenen Themenbereichen, zählen wir uns europaweit zu einem Vorreiter in Sachen E-Learning und Digitalisierung. Fähigkeiten, die zudem auch auf das Thema Nachhaltigkeit einzahlen.

Das Interview führte Ines Chucholowius, Geschäftsführerin der Textination GmbH

 

Weitere Informationen:

(c) Messe Frankfurt Exhibition GmbH
22.12.2020

Decade of Action: Texpertise Network startet weitere Maßnahmen zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele

Seit 2019 arbeitet das Texpertise Network der Messe Frankfurt mit der Conscious Fashion Campaign und dem United Nations Office for Partnerships, um die Nachhaltigen Entwicklungsziele auf alle 58 Textilveranstaltungen des Netzwerks weltweit zu bringen. Zahlreiche Maßnahmen wurden bereits umgesetzt. Weitere stehen unmittelbar an.

Kurz vor Beginn der Corona-Krise hat der UN-Generalsekretär Antonio Gutérrez die sogenannte „UN Decade of Action“ ausgerufen. Der Weltgemeinschaft bleiben ab 2020 noch zehn Jahre, um die insgesamt 17 Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) zu erreichen, der sich die UN-Mitgliedsstaaten mit der Agenda 2030 verpflichtet haben. Im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit der Conscious Fashion Campaign und dem United Nations Office for Partnerships lanciert das Texpertise Network der Messe Frankfurt noch im Dezember weitere Maßnahmen und unterstützt die Umsetzung der SDGs in der Mode- und Textilindustrie damit weiter.

Seit 2019 arbeitet das Texpertise Network der Messe Frankfurt mit der Conscious Fashion Campaign und dem United Nations Office for Partnerships, um die Nachhaltigen Entwicklungsziele auf alle 58 Textilveranstaltungen des Netzwerks weltweit zu bringen. Zahlreiche Maßnahmen wurden bereits umgesetzt. Weitere stehen unmittelbar an.

Kurz vor Beginn der Corona-Krise hat der UN-Generalsekretär Antonio Gutérrez die sogenannte „UN Decade of Action“ ausgerufen. Der Weltgemeinschaft bleiben ab 2020 noch zehn Jahre, um die insgesamt 17 Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) zu erreichen, der sich die UN-Mitgliedsstaaten mit der Agenda 2030 verpflichtet haben. Im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit der Conscious Fashion Campaign und dem United Nations Office for Partnerships lanciert das Texpertise Network der Messe Frankfurt noch im Dezember weitere Maßnahmen und unterstützt die Umsetzung der SDGs in der Mode- und Textilindustrie damit weiter.

Virtueller Event „Discover the SDGs“
Vom 1. bis 30. Dezember 2020 beteiligt sich das Texpertise Network an dem virtuellen Lern- und Messeevent „Discover the SDGs“, das von der Conscious Fashion Campaign und dem United Nations Office for Partnerships ins Leben gerufen wurde. Ziel des Events ist es, Wissen und Engagement innerhalb der Modeindustrie zu stärken, mit dem die Umsetzung der SDGs und die UN Decade of Action unterstützt werden. Bestandteil des Events sind eine virtuelle und interaktive Ausstellung zu den 17 Zielen sowie On-demand-Diskussionen mit Branchenvertretern sowie Vertretern und Advocates der Vereinten Nationen, darunter auch Detlef Braun, Geschäftsführer, und Thimo Schwenzfeier, Director Marketing Communications Textiles and Textile Technologies bei der Messe Frankfurt, ebenso wie von Kering, Lenzing, Allbirds, PVH, Vogue Business, CFDA, dem British Fashion Council, Collina Strada und der Swarovski Foundation.

„Jetzt ist die entscheidende Zeit, um Partnerschaften voranzutreiben, die die größten Herausforderungen der Menschheit adressieren – von der Beseitigung von Armut, Hunger und Ungleichheit bis zur Umkehrung des Klimawandels sowie zu nachhaltigeren Konsumgewohnheiten und Produktionsprozessen“, sagt Annemarie Hou, Acting Executive Director des United Nations Office for Partnerships. „Die Modeindustrie ist ein wichtiger Verbündeter für die Vereinten Nationen in dieser Dekade, um die Nachhaltigen Entwicklungsziele bis 2030 zu erreichen.“

Conscious Fashion Campaign wird Presenting Partner der Frankfurt Fashion Week
Gemeinsam die Modebranche verbessern: Die Frankfurt Fashion Week positioniert sich als Gastgeber für die Zukunft der Mode und treibt die Transformation hin zu einer zukunftsorientierten, nachhaltigeren Fashion- und Textilbranche aktiv voran. In Frankfurt am Main werden vom 5. bis 9. Juli 2021 alle Entscheiderinnen und Entscheider zusammenkommen, die diesen Wandel mitgestalten wollen. Dafür ist den Initiatoren der Frankfurt Fashion Week – der Messe Frankfurt und der Premium Group – ein echter Coup gelungen: Die Conscious Fashion Campaign, in Zusammenarbeit mit dem United Nations Office for Partnerships, wird Presenting Partner. Die Messe Frankfurt baut hierbei auf die bestehende Zusammenarbeit mit dem UNOP auf. Die SDGs werden bis 2023 Voraussetzung für Aussteller. Der Frankfurt Fashion SDG Summit by CFC wird zur internationalen Leitkonferenz für Nachhaltigkeit in der Modewelt.

Ausbau der internen Nachhaltigkeitskommunikation
17 Ziele, 58 Textilevents weltweit, rund 600.000 Besucher und 23.000 Aussteller im Jahr 2019: Das Texpertise Network der Messe Frankfurt bietet mit seinen weltweiten Textilevents eine einzigartige Reichweite für die Unterstützung der SDGs, auch während der Corona-Pandemie. Eine wichtige Rolle spielen dabei die beteiligten Tochtergesellschaften, Sales Partner und Partner der Messe Frankfurt im Ausland, die die entsprechenden Veranstaltungen organisieren. Um deren Wissen und weiteres Engagement rund um die Nachhaltigen Entwicklungsziele aktiv zu erweitern, veranstaltet das Texpertise Network mehrere Online-Seminare unter anderem für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Argentinien, Äthiopien, China, Hongkong, Indien, Japan, Russland, Südafrika und den USA und baut damit auch die interne Nachhaltigkeitskommunikation aus.

SDG Actions bis heute
Seit der Bekanntgabe der erweiterten Zusammenarbeit des Texpertise Network der Messe Frankfurt mit der Conscious Fashion Campaign und dem United Nations Office for Partnerships im UN-Hauptquartier in New York im Dezember 2019, haben die internationalen Textilveranstaltungen der Messe Frankfurt zahlreiche Maßnahmen zur Unterstützung der SDGs umgesetzt.

Allein auf den Textilveranstaltungen der Messe Frankfurt in Deutschland kam Einiges zusammen: Die letzten physischen und digitalen Ausgaben der Heimtextil, führende Fachmesse für Wohn- und Objekttextilien, und der Neonyt, Globaler Hub für Mode, Nachhaltigkeit und Innovation, boten beispielsweise Panel Talks, Pressekonferenzen und Videobotschaften unter anderem mit der Conscious Fashion Campaign und dem United Nations Office for Partnerships. Eine SDG Lounge im Green Village der Heimtextil und Selfie-Walls mit den SDGs animierten Aussteller, Besucher und Influencer, sich mit den 17 Zielen auseinanderzusetzen und diese auf ihren Kanälen in den sozialen Netzwerken zu teilen. Für die Kanäle der Neonyt und Heimtextil wurden Podcasts produziert; und die Neonyt rief unter anderem die Influencer-Challenge „Let’s wear the goals!“ aus.

Auch international wurde bereits viel erreicht: So organisierte die Neonyt bereits im März 2019 einen Showcase mit ausgewählten Brands der Neonyt anlässlich der Gründung der „UN Alliance for Sustainable Fashion“ in Nairobi. Die Techtextil India startete zu ihrer Ausgabe 2019 Techtextil NEXT, Indiens ersten Hackathon zu technischen Textilien und Nachhaltigkeit. Mit dabei waren unter anderem Shrikar Dhole, Gründer und Geschäftsführer der SDG Foundation und Niharika Gautam, die sich für die Erreichung der SDGs in der Modeindustrie einsetzt und die Modesektion der All Ladies League Delhi mitleitet. Zur Heimtextil Russia 2020 Digital Edition konnte Vladimir Kuznetsov, Leiter des UN Information Centre (UNIC) in Moskau für eine Grußbotschaft gewonnen werden. Die digitale Ausgabe der Texworld USA (jetzt Texworld New York City) und Apparel Sourcing USA im Sommer 2020 bot unter anderem einen Talk mit der Conscious Fashion Campaign und unterstützte die Produktion eines Podcasts mit Claire Kells vom UN Global Compact.

Mit den bisherigen SDG Actions erreichte das Messe Frankfurt Texpertise Network bislang schätzungsweise rund 146.000 Besucher, rund 170.000 Follower der Social Media-Kanäle und rund 65.000 Newsletter-Abonnenten der teilnehmenden Veranstaltungen im In- und Ausland. Hinzu kommen die insgesamt rund 2,5 Millionen Follower der Influencer, die in die Aktionen eingebunden waren.

Intertextile 1 (c) Messe Frankfurt / Intertextile Shanghai Apparel Fabrics
15.09.2020

Intertextile Apparel: Digitale Lösungen verbinden Lieferanten und Käufer

Die Veranstalter der Intertextile Shanghai Apparel Fabrics sind entschlossen, digitale Lösungen zu nutzen und so Aussteller und Besucher zu unterstützen, die weder an der Frühjahrsausgabe der Intertextile in Shanghai im März, noch an der kommenden Herbstausgabe vom 23. - 25. September teilnehmen konnten und können. Zu der in diesem Monat stattfindenden Messe werden rund 3.400 Aussteller aus mehr als 20 Ländern und Regionen erwartet. Mit der mobilen Intertextile-App, einer Online-Business-Matching-Plattform mit verschiedenen Zusatzfunktionen, nutzt die Intertextile weiterhin ihr vielfältiges Netzwerk in der Textilindustrie, um bei der Adressierung von Beschaffungsbedarf und der Entwicklung neuer Geschäftschancen zu helfen.

Die Veranstalter der Intertextile Shanghai Apparel Fabrics sind entschlossen, digitale Lösungen zu nutzen und so Aussteller und Besucher zu unterstützen, die weder an der Frühjahrsausgabe der Intertextile in Shanghai im März, noch an der kommenden Herbstausgabe vom 23. - 25. September teilnehmen konnten und können. Zu der in diesem Monat stattfindenden Messe werden rund 3.400 Aussteller aus mehr als 20 Ländern und Regionen erwartet. Mit der mobilen Intertextile-App, einer Online-Business-Matching-Plattform mit verschiedenen Zusatzfunktionen, nutzt die Intertextile weiterhin ihr vielfältiges Netzwerk in der Textilindustrie, um bei der Adressierung von Beschaffungsbedarf und der Entwicklung neuer Geschäftschancen zu helfen.

"Um uns auf die Herbstausgabe der Intertextile vorzubereiten, haben wir in engem Kontakt mit Ausstellern und Besuchern aus Übersee gestanden. Uns ist bewusst, dass einige im September möglicherweise nicht nach China reisen werden können. Wir verstehen, dass in diesen Zeiten alternative Lösungen notwendig sind, um unseren Ausstellern und Besuchern dabei zu helfen, die durch den Ausbruch von COVID-19 verursachten Hemmnisse zu überwinden. Deshalb haben wir die derzeit verfügbaren Online-Tools und -Dienste evaluiert und nach neuen Wegen gesucht, um die Branche digital zu verbinden ", sagte Wendy Wen, Senior General Manager der Messe Frankfurt (HK) Ltd.

"Unsere digitalen Lösungen werden allen Szenarien gerecht - Lieferanten und Einkäufer aus dem In- und Ausland, die seit dem Ausbleiben der Frühjahrsausgabe von Intertextile bestrebt waren, miteinander in Kontakt zu treten, und dies gleichzeitig als Werbemöglichkeit oder Geschäfts- und Networking-Angebote vor der Herbst-Ausgabe nutzen. Dies wird einen nahtlosen Informationsaustausch für internationale Online- und Offline-Geschäfte vor, während und nach der Messe ermöglichen, um die Erholung der Branche wirklich zu unterstützen ", so Frau Wen weiter.

Maximierung der Bekanntheit und der Geschäftsmöglichkeiten von Marken:
Mit den digitalen Lösungen der Intertextile erhalten Aussteller Zugriff auf deren wertvolle Datenbank - mehr als 100.000 Käufer aus über 100 Ländern und Regionen. Um inländische Käufer zu erreichen, können Aussteller die mobile Intertextile-App herunterladen und selbst Produktinformationen und Fotos hochladen. Sie können mit Käufern interagieren indem sie ihre jüngsten Unternehmensneuigkeiten, Entwicklungen und Verkaufsförderungsmaßnahmen teilen.
Die Aussteller haben außerdem Zugriff auf die Kontakte der Käufer, sodass sie über die integrierte Messenger-Funktion der App Online- oder Vor-Ort-Meetings im Voraus planen können. Die mobile App enthält Informationen zur Messe wie beispielsweise Updates zu Karten, Verkehr und Rahmenprogrammen, was sie zu einem All-in-One-Tool für Aussteller macht, die Komfort auf der Messe und gleichzeitig zusätzliche Aufmerksamkeit bevorzugen, die nicht auf die dreitägige Ausstellungsdauer beschränkt ist.

Als besondere Maßnahme als Reaktion auf COVID-19 erweitert die Intertextile ihr Angebot für Aussteller und Besucher, auf deren Online-Business-Matching-Plattform Connect PLUS zugreifen zu können. Diese wird normalerweise nur zur Planung von Geschäftstreffen vor Ort vor der Messe verwendet. Connect PLUS ist jetzt verfügbar für Online-Business-Matching vor und nach der Messe. Basierend auf datengesteuerten intelligenten Empfehlungen können Aussteller Käuferprofile aus Übersee aus der Intertextile-Datenbank abrufen und proaktiv Verbindungsanfragen senden. Mit Instant Messaging- und Videoanruffunktionen eignet sich die Plattform für Aussteller, um Käufer aus Übersee zu kontaktieren, die nicht an der Intertextile teilnehmen können. Dies ist auch ein perfektes Instrument für das Business-Matching nach der Veranstaltung und zur Steigerung der Sourcing-Effizienz. Aussteller können darüber hinaus Sponsoren-Pakete nutzen, um auf der Plattform zu werben und so ihre Bekanntheit steigern.

Weitere Informationen zu den digitalen Lösungen der Intertextile finden Sie online: https://intertextile-shanghai-apparel-fabrics-autumn.hk.messefrankfurt.com/shanghai/en/Online_Platforms.html

Online-Inhalte für Teilnehmer aus Übersee
Das Team der Intertextile bereitet eine verstärkte Weitergabe von Inhalten vor der Veranstaltung in Form von Webinaren vor, die als "Textile e-Dialogue" -Serie bezeichnet werden. Durch die Bewerbung von Aussteller-Webinaren vor der Veranstaltung über Newsletter und die Website der Messe, wird dies dem Online-Publikum ermöglichen, um sich über die neuesten Branchennachrichten zu informieren und gleichzeitig mit den Ausstellern über Fragen und Antworten zu interagieren.

Während der Messe werden Rahmenprogramme wie Produktpräsentationen für Käufer vor Ort und das Online-Publikum live übertragen, die wiederum in Echtzeit Fragen stellen und Antworten bekommen können. Die Präsentationen werden aufgezeichnet und zum Anzeigen und Teilen auf Social-Media-Plattformen zur Verfügung gestellt, so dass Aussteller und Käufer aus Übersee und aus verschiedenen Zeitzonen die Highlights der Messe nach Belieben kennenlernen können.

Intertextile Shanghai Apparel Fabrics - Die Herbstausgabe 2020 findet vom 23. bis 25. September gleichzeitig mit der Yarn Expo Autumn, der CHIC und der PH Value im Nationalen Ausstellungs- und Kongresszentrum (Shanghai) statt. Die Messe wird von der Messe Frankfurt (HK) Ltd., dem Sub-Council of Textile Industry, CCPIT, und dem China Textile Information Center gemeinsam organisiert.

 

Textildruckerei Heinrich Mayer GmbH, Michael Steidle (c) Textildruckerei Heinrich Mayer GmbH
21.07.2020

„COVID-19 - Wir hätten mehr als edle Ritter auftreten dürfen und sollen." Michael Steidle, Textildruckerei Heinrich Mayer GmbH

  • Interview mit Michael Steidle, Geschäftsführer Textildruckerei Heinrich Mayer GmbH

Zumindest Europa scheint nach Wochen des Lockdown während der Corona-Pandemie wieder vorsichtig aufatmen zu können. Die Textilwirtschaft, eine Industrie, die als eine der ersten Globalisierung seit vielen Jahren lebt, steht vor der Herausforderung, ihren Platz in der neuen Normalität zu behaupten und schnellstmöglich an die frühere Leistungsfähigkeit anzuknüpfen.
Textination sprach mit drei Unternehmensvertretern entlang der textilen Kette über persönliche und betriebliche Erfahrungen.

  • Interview mit Michael Steidle, Geschäftsführer Textildruckerei Heinrich Mayer GmbH

Zumindest Europa scheint nach Wochen des Lockdown während der Corona-Pandemie wieder vorsichtig aufatmen zu können. Die Textilwirtschaft, eine Industrie, die als eine der ersten Globalisierung seit vielen Jahren lebt, steht vor der Herausforderung, ihren Platz in der neuen Normalität zu behaupten und schnellstmöglich an die frühere Leistungsfähigkeit anzuknüpfen.
Textination sprach mit drei Unternehmensvertretern entlang der textilen Kette über persönliche und betriebliche Erfahrungen.

Den vorläufigen Schlusspunkt setzt nach Wolfgang Müller, Vertriebs- und Serviceleiter beim Textilmaschinenbauer Mayer & Cie. GmbH & Co. KG und Andreas Merkel, Geschäftsführer der Gebr. Otto Baumwollfeinzwirnerei GmbH & Co. KG, Michael Steidle, Geschäftsführer der Textildruckerei Heinrich Mayer GmbH. Das Familienunternehmen auf der Schwäbischen Alb ist führend in der textilen Druckveredelung, im Sieb-, Rouleaux-, Rotations-, Sublimations- und Flockdruck sowie in der 3D-Beschichtung. Es setzt diese Kompetenzen zunehmend im Bereich technischer Textilien ein.

Wie haben Sie die Coronazeit bisher empfunden - als Unternehmen und persönlich?
Was möchten Sie auf keinen Fall wieder erleben, was aber vielleicht sogar in den Alltag mitnehmen?

Die Coronazeit hat uns heftig getroffen. Anfang April hat es sich manchmal angefühlt, als würde in den nächsten 24 Stunden das Licht ausgehen. In Zahlen steht da ein Umsatzrückgang von 30 Prozent.
Und das geht ja nicht nur uns so, diese Krise zieht unheimlich weite Kreise. In meiner Arbeit bei der IHK habe ich mit vielen Unternehmen in der Region zu tun. Auch Branchen, die einem spontan nicht einfallen würden, spüren die Effekte. Das geht bis zum Recycling-Unternehmen. Schließlich fällt auch weniger Gewerbemüll an, wenn die Unternehmen in Kurzarbeit sind.
Im persönlichen Bereich kann man mit der Krise umgehen, Handhygiene, Niesetikette, das alles kann man lernen. Wobei wir den zwischenmenschlichen Kontakt vermissen. Wir haben eine Tochter im Teenager-Alter; gerade den jungen Leuten fehlt es, dass sie mit Gleichaltrigen unterwegs sein können.

 
Was bedeutete die Pandemie wirtschaftlich bisher für Ihr Unternehmen?
Wie gesagt, die Coronazeit hat uns einen deutlichen Umsatzrückgang gebracht. Das heißt, wir überlegen zweimal, bevor wir Geld ausgeben. Zum Jahresanfang sind wir in unser neues, großzügiges Firmengebäude umgezogen. Da sind noch einige kleinere Investitionen zu tätigen. Bisher schieben wir die auf, bis sich die Situation wieder beruhigt hat. Und so geht das vielen. Das Wirtschaftsgeflecht ist durch den Lockdown extrem aus dem Ruder geraten.
Kurzarbeit haben wir beantragt, die läuft seit drei Monaten. Allerdings muss man sehen, wie lange das sinnvoll ist. Unsere Kunden hatten ja auch Umsatzeinbrüche, die sie erst wieder aufholen müssen.

 
Zu welchen Anpassungen oder Neuerungen haben Sie sich für Ihr Produktportfolio durch die Pandemie veranlasst gesehen?
Die Maskenproduktion war im April und Mai ein ganz starkes Thema, das Telefon hat quasi dauergeklingelt. Damit konnten wir viele Aufträge, die anderweitig weggefallen sind, kompensieren.
Wir haben schnell reagiert, nicht nur Masken klassisch bedruckt, sondern Beschichtungen für medizinische Gesichtsmasken und Schutzkleidung entwickelt. Die Beschichtungen, die wir anbieten, sind antibakteriell und verfügen über den Lotuseffekt. Der führt zur Tröpfchenbildung der Aerosole. Im Eilverfahren haben wir diese Innovationen prüfen und zertifizieren lassen.
Unsere Maschinen haben wir ad hoc umgebaut, so dass wir statt Farbe innovative Beschichtungen aufbringen konnten. Das war sogar für bereits konfektionierte Masken möglich.
Diese Fähigkeit schnell zu reagieren, die sehe ich generell als eine unserer großen Stärken. Wir sind ein kleines Unternehmen, so dass der Weg von der Idee bis zur Umsetzung nie weit ist. Erkennen wir einen Trend, eine Chance in unserer Branche, gehen wir mit uns Gericht: Haben wir Ressourcen, die man einsetzen oder anpassen könnte, um rasch eine solide, verkaufsfähige Lösung anzubieten? Das bezieht sich auf Know-how, Ideen, Maschinen und, bei größeren Projekten, auch Partner. Da haben wir erfahrungsgemäß einerseits die nötige Fantasie, andererseits aber auch einen ziemlich realistischen Blick auf uns selbst. Wenn wir die Frage mit „Ja“ beantworten können, legen wir los, und zwar zackig. Einen Versuch können wir abends bewerten und am nächsten Tag daran weiterarbeiten. Da braucht es vorher keine Besprechung mit fünf Mann.
 

Wie sehen Sie künftig auf globale Lieferketten, und werden Sie für Ihre Beschaffungspolitik Konsequenzen ziehen?
Um globale Lieferketten kommen wir nicht herum, das wird weiter so bleiben. Kurzfristig mag man sich auf die regionale Beschaffung besinnen, soweit das überhaupt noch möglich ist. Viele Dinge sind einfach nicht mehr verfügbar und die Entwicklung über die letzten 30 Jahre kann man nicht zurückdrehen. Nehmen wir Pigmentfarbe: Die kommt aus Indien und China, sonst gibt es die nicht mehr. Die Preise kann in Europa niemand halten. Und ja, das bedeutet auch, dass die Produktion von systemrelevanten Produkten nicht mehr gewährleistet werden könnte.

          
Wie schätzen Sie die Bedeutung von Partnerschaften innerhalb der Industrie künftig ein? Hat COVID-19 Potential, die Entstehung neuer Kooperationen für Ihr Segment zu fördern oder sind sie bereits entstanden?
Bestehende Partnerschaften sind wichtig. Für alle muss es weitergehen, unterbrochene Projekte müssen fortgeführt werden, und zwar mit bestehenden Partnern.
Wichtig finde ich, Partnerschaften auf Augenhöhe zu pflegen. Klar, jetzt muss jeder erst mal schauen, wie er selbst über die Runden kommt. Es wird sich aber zeigen, wer langfristig loyal und kaufmännisch ehrbar arbeitet.
Mir ist es persönlich wichtig, zu meinem Wort zu stehen. Erst vor ein paar Tagen habe ich mit einer Studentin gesprochen, der wir im Februar ihren Praktikumsplatz und eine entsprechende Bezahlung zugesagt haben. Diese junge Frau kann ihr Praktikum bei uns antreten; bei der Bezahlung musste ich ihr aber ehrlich sagen, dass wir darüber nochmal sprechen müssen. Das war zum Glück kein Problem. Wichtig ist der Studentin, dass sie das geforderte Praktikum überhaupt absolvieren kann. Das ist gar nicht so einfach, da die meisten Betriebe gerade niemand aufnehmen. Auch das ist nachvollziehbar, aber wir werden die gut ausgebildeten Leute bald wieder brauchen, soviel ist sicher!

 
Welche Initiativen oder Ansätze für Ihre Branche würden Sie für die nahe Zukunft begrüßen?
Mir wäre sehr an einer positiven und umfassenden Darstellung gelegen, was an Wertschöpfung in Deutschland noch da ist. Eine Initiative, die zeigt, dass die Textilbranche eine wichtige Industrie ist, mit vielen Betrieben, die seit Generationen in Familienhand sind, vielfach mit einer jungen, dynamischen Geschäftsführung und hochwertigen Produkten. Das hat keiner so richtig auf dem Schirm. Gerade heute waren zwei Designerinnen eines Unternehmens hier aus der Nähe bei uns. Sie waren überrascht, welche Leistungen wir im Bereich der technischen Textilien mittlerweile anbieten, das war ihnen gar nicht bewusst.
Die Textilindustrie hat sich lange Zeit selbst kleingeredet, das muss aufhören. Natürlich haben wir keine Wertschöpfung mehr wie ein Maschinenbau. Aber jetzt, in der Coronakrise, wäre die Gelegenheit gewesen, dringend benötigte Lobbyarbeit zu leisten.


Was wünschen Sie sich als Teil der deutschen Textilindustrie? Finden Sie, dass der Stellenwert der deutschen Textilindustrie sich in Folge der Pandemie geändert hat, insbesondere hinsichtlich der öffentlichen Beschaffung?
Nein, nur ganz kurzfristig. Während der Krise hat man alles genommen, Hauptsache, das gefragte Produkt, also Masken und Schutzkleidung, war überhaupt verfügbar. Jetzt ist der alte Kreislauf wieder erreicht: Ich habe ein bestimmtes Budget, wo bekomme ich am meisten dafür. Das ist frustrierend, denn die Bereitschaft seitens der Betriebe war hoch, sich dieser Herausforderung zu stellen. Auch wir haben die Entwicklung vorangetrieben, unsere Beschichtungen für Masken im Eilverfahren zertifizieren lassen. Andere haben ihre ganze Produktion umgestellt, um die Nachfrage zu bedienen, unter erheblichen Kosten. Da ist keiner Millionär geworden.
Ich denke, hier hätte sich die Textilbranche besser verkaufen können. Wir alle hätten mehr als edle Ritter auftreten dürfen und sollen. Im Eifer des Gefechts ist das leider untergangen.


Bisher waren die großen Themen Globalisierung, Nachhaltigkeit / Klimawandel / Umweltschutz, Digitalisierung, Arbeitsmarktsituation …? Wo stehen sie heute, und wie sind diese großen Themen vor dem Hintergrund der Covid-19 Pandemie zu bewerten?
Wir tragen dem Thema Nachhaltigkeit mit unseren Zertifizierungen Rechnung, mit GOTS und ISO 9001. Die Digitalisierung funktioniert bei uns auf die Schnelle nicht, das wird Jahre dauern, bis wir Prozesse digitalisieren können. Klar, in der Verwaltung arbeiten wir jetzt vermehrt mit Web-Meetings und Video-Konferenzen, aber mir ist der persönliche Kontakt wichtig. Ich halte regelmäßig Fachvorträge; mein nächster wird an der FH Zürich sein und ich hoffe sehr, dass der stattfinden kann. Ich bin einfach ein Typ für den direkten Austausch.
Die Arbeitsmarktsituation hängt von der Pandemie ab, wie die sich weiter entwickelt. Auf jeden Fall bleibt es schwierig, junge Leute für Textilberufe zu begeistern. Wenn ich einen Handyladen aufmache, brauche ich keinen Tag, bis ich meine Mitarbeiter beieinander habe. Wenn wir uns auf einer Ausbildungsmesse präsentieren, sind wir froh, wenn wir eine Handvoll guter Gespräche führen.
Dabei ist eine Ausbildung so wertvoll. Jemand, der eine hat, wird immer einen anderen Stellenwert haben als ein Ungelernter, selbst wenn er irgendwann in einem ganz anderen Bereich arbeitet. Das duale Ausbildungssystem ist für mich absolut unantastbar, denn von dieser Wirtschaftsleistung leben wir. Wir haben nichts anderes als unser Wissen. Und wir müssen uns immer weiterentwickeln, denn nur das hohe Niveau gibt den nötigen Ertrag.


Was sind die Lehren hinsichtlich dieser Ziele für die Zeit nach Corona?
Innovation, Innovation, Innovation. Man darf nicht stehenbleiben. Keiner weiß, wie es weiter geht. Aber ich muss in drei Jahren von dem leben, was ich heute entwickle, so wie ich heute von dem lebe, was ich vor drei Jahren entwickelt habe. Jetzt, in Zeiten von Corona, ist es ungleich schwerer, sich darauf zu besinnen, doch es hilft nichts: Ich kann nicht wie die Maus vor dem Loch sitzen bleiben, und warten, ob die Schlange kommt oder nicht.

Das Interview führte Ines Chucholowius, Geschäftsführerin der Textination GmbH

07.07.2020

Mayer & Cie.: „COVID-19 - Herausforderung ohne Blaupause“

Interview mit Wolfgang Müller, Vertriebs- und Serviceleiter bei Mayer & Cie. GmbH & Co. KG
 
Zumindest Europa scheint nach Wochen des Lockdown während der Corona-Pandemie wieder vorsichtig aufatmen zu können. Die Textilwirtschaft, eine Industrie, die als eine der ersten Globalisierung seit vielen Jahren lebt, steht vor der Herausforderung, ihren Platz in der neuen Normalität zu behaupten und schnellstmöglich an die frühere Leistungsfähigkeit anzuknüpfen.

Textination sprach mit drei Unternehmensvertretern entlang der textilen Kette über persönliche und betriebliche Erfahrungen.

Interview mit Wolfgang Müller, Vertriebs- und Serviceleiter bei Mayer & Cie. GmbH & Co. KG
 
Zumindest Europa scheint nach Wochen des Lockdown während der Corona-Pandemie wieder vorsichtig aufatmen zu können. Die Textilwirtschaft, eine Industrie, die als eine der ersten Globalisierung seit vielen Jahren lebt, steht vor der Herausforderung, ihren Platz in der neuen Normalität zu behaupten und schnellstmöglich an die frühere Leistungsfähigkeit anzuknüpfen.

Textination sprach mit drei Unternehmensvertretern entlang der textilen Kette über persönliche und betriebliche Erfahrungen.

Den Auftakt in der dreiteiligen Reihe übernimmt Wolfgang Müller, Vertriebs- und Serviceleiter bei Mayer & Cie. GmbH & Co. KG. Der 1905 gegründete Weltmarktführer für Rundstrickmaschinen im baden-württembergischen Albstadt beschäftigt weltweit rund 400 Mitarbeiter und umfasst heute ein internationales Netzwerk von mehr als 80 Verkaufs- und Servicevertretungen.

Wie haben Sie die Coronazeit bisher empfunden - als Unternehmen und persönlich?
Was möchten Sie auf keinen Fall wieder erleben, was aber vielleicht sogar in den Alltag mitnehmen?

Die Coronazeit ist eine Herausforderung ohne Blaupause. Weil es keine Wirtschaftskrise im bisher bekannten Sinne ist, haben wir keine bewährten Lösungen, mit denen wir auf die Situation reagieren könnten. Trotzdem, und das ist meine ganz persönliche Überzeugung, gibt es nie nur eine Kehrseite, auch wenn sich diese Pandemiesituation natürlich denkbar schlecht auf den Auftragseingang auswirkt.
Zu den positiven Aspekten gehört, dass wir gezwungen sind, uns mit Themen zu befassen, die wir sonst in die Zukunft verschoben hätten. Web-Meetings und virtuelle Messen anstatt um die halbe Welt zu reisen. Die gewonnene Zeit können wir zur Prozessoptimierung nutzen.
Persönlich hatte ich zu Beginn des Lockdown mehr Zeit für mich selbst und auch einige Stunden mehr Schlaf als sonst. Dieser positive Nebeneffekt jedoch ist bereits wieder Vergangenheit.    
          
Was bedeutete die Pandemie wirtschaftlich bisher für Ihr Unternehmen?
Lassen Sich mich kurz ausholen: Der Handelsstreit zwischen den USA und China sowie viele kleinere, lokale Konflikte haben dafür gesorgt, dass sich der Textilmaschinenmarkt seit 2018 einer – verständlicherweise – sehr zurückhaltenden Kundschaft gegenübersah. Nach dieser längeren Durststrecke konnten wir seit Anfang 2020 wieder eine steigende Investitionsneigung beobachten, die Corona natürlich jäh unterbrochen hat. Die Pandemie traf uns also zum Zeitpunkt einer Erholung der Branche. Mittlerweile können wir zwar wieder einen konstanten Auftragseingang verzeichnen, allerdings auf einem niedrigeren Niveau als nötig, um unsere Produktion voll auszulasten. Nach den Sommerferien werden wir in Kurzarbeit gehen, bis sich die Situation wieder normalisiert hat.
 
Zu welchen Anpassungen oder Neuerungen haben Sie sich für Ihr Produktportfolio durch die Pandemie veranlasst gesehen?
Kontakt- und Reisestopps haben uns nicht nur gezeigt, wie nützlich Video-Konferenzen sind, sondern uns aufs deutlichste vor Augen geführt, wie wichtig digitale Lösungen sind – und dass wir intensiv daran arbeiten müssen. Bereits vor Ausbruch von Corona haben wir in diesen Bereich viel Arbeit und Wissen investiert, so dass wir auf der ITMA 2019 knitlink vorstellen konnten.
Teil von knitlink ist ein Webshop für Ersatzteile sowie unser neuer Serviceansatz. Mittels einem Ticketsystem, das wir über unser CRM-System aufbauen, und digitalen Maßnahmen in der Serviceunterstützung können wir unseren Kunden schneller und günstiger zur Seite stehen als bisher. Außerdem wird unser Kunde mit knitlink in Zukunft die Betriebsdaten seiner Mayer-Rundstrickmaschine erfassen und auslesen können.

Wie sehen Sie künftig auf globale Lieferketten, und werden Sie für Ihre Beschaffungspolitik Konsequenzen ziehen?
Wir als Lieferant konnten bereits zu Beginn der Coronakrise im März beobachten, dass der Wunsch nach kurzen Lieferketten seitens der Bekleidungshersteller zu mehr Bestellungen aus europanahen Ländern führt. Auch jetzt, wo sich die Lage hoffentlich zu beruhigen scheint, können wir diesen Trend weiter beobachten.
Was unsere eigene Lieferkette anbelangt, so hatten wir während der gesamten Lockdown-Phase erfreulich wenige Probleme und keinerlei Ausfälle.
 
Wie schätzen Sie die Bedeutung von Partnerschaften innerhalb der Industrie künftig ein?
Hat COVID-19 Potential, die Entstehung neuer Kooperationen für Ihr Segment zu fördern oder sind sie bereits entstanden?

Kooperationen können eine große Bereicherung darstellen! Seit gut eineinhalb Jahren arbeiten wir mit einem Amsterdamer Design-Studio zusammen. Unser Partner Byborre entwickelt nicht nur eigene Designs, sondern begleitet Sportartikel- und Bekleidungshersteller Schritt für Schritt bei der Entwicklung von deren Textilien.
Der Kunde nutzt dazu seine eigenen Partner und Lieferanten, während Byborre die nötigen Maschinen und Parameter zur Herstellung der gewünschten Stoffe liefert.
Eigentlich könnte man Byborre als eine Art „`Übersetzer“ bezeichnen. Unser Partner dolmetscht zwischen uns als Maschinenbauer und denjenigen, die am Ende die Stoffe, die auf unseren Maschinen hergestellt werden, verwenden.    
Wir als Techniker wissen natürlich, was unsere Maschinen leisten können. Gemeinsam mit Byborre kitzeln wir neue Designs und Anwendungen heraus.
Abgesehen davon arbeiten wir in verschiedenen Gremien zusammen, beispielsweise im Marketing- und Messeausschuss des VDMA.
Das sind jedoch keine Kooperationen, die sich speziell wegen oder in Folge von Covid-19 ergeben hat. Von einer solchen können wir nicht berichten.

Welche Initiativen oder Ansätze für Ihre Branche würden Sie für die nahe Zukunft begrüßen?
Positiv zu erwähnen sind die Angebote seitens der Landesregierung zur Unterstützung bei Digitalisierungsprojekten, die wir alle vorantreiben müssen.
Wünschenswert wäre auch die Stärkung der regionalen Produktion. Allerdings fehlt mir selbst die Fantasie, wie sich das, außer für hochwertige oder Nischenprodukte, realisieren lassen könnte.

Was wünschen Sie sich als Teil der deutschen Textilindustrie?
Finden Sie, dass der Stellenwert der deutschen Textilindustrie sich in Folge der Pandemie geändert hat, insbesondere hinsichtlich der öffentlichen Beschaffung?

Obwohl wir als Textilmaschinenbauer das Wort „Textil“ im Namen tragen, liegt unsere Heimat im zweiten Teil des Wortes, nämlich im Maschinenbau. Dessen Stellenwert in Deutschland ist bekanntermaßen hoch.
Die Stellung der Textilindustrie hat sich, so meine Wahrnehmung von außen, nicht verändert. Anfang April, als händeringend Masken gesucht wurden, waren zwar viele gute Vorsätze da. Deutschen Herstellern, die dann eine eigene Maskenproduktion aufbauen wollten, wurden jedoch langfristige Zusagen seitens der Regierung verwehrt. Da hat natürlich dann auch keiner investiert. Wahrscheinlich wird also alles beim Alten bleiben: Der Preis regiert und das Hauen und Stechen geht weiter.

Bisher waren die großen Themen Globalisierung, Nachhaltigkeit / Klimawandel / Umweltschutz, Digitalisierung, Arbeitsmarktsituation …?
Wo stehen sie heute, und wie sind diese großen Themen vor dem Hintergrund der Covid-19 Pandemie zu bewerten?

Das alles dominierende Thema ist aktuell Covid-19, dem wird ja alles untergeordnet. Gleichzeitig wirkt es auch wie ein Brennglas: Nehmen wir prekäre Arbeitsverhältnisse, so haben die hohen Infektionszahlen in Schlachtbetrieben dazu geführt, dass keiner mehr wegschauen kann. Auch in Sachen Umweltschutz schafft Covid-19 Fakten. Kaum einer fliegt, gearbeitet wird von zuhause und eingekauft wird auch weniger. Das führt zu weniger Emissionen. Für den Planeten ist die darniederliegende Weltwirtschaft ein Segen. Auch Deutschland schafft voraussichtlich seine Klimaziele für 2020; ohne Corona hätten wir diese Latte gerissen. Was die Globalisierung anbelangt, macht die zumindest Pause und trifft auf regionale Herstellung.
Wie lange das alles so bleibt, muss sich natürlich zeigen. Offensichtlich ist aber, dass wir enorm beweglich sind, wenn wir denn müssen.
 
Was sind die Lehren hinsichtlich dieser Ziele für die Zeit nach Corona?
„Eine Zeit nach Corona“ wird es so ja wohl gar nicht geben, das Virus werden wir nicht mehr loswerden. Wir müssen lernen, damit umzugehen.
Das Virus, oder besser gesagt, die Einschränkungen die wir dadurch erfahren, haben uns kreativ werden lassen. Wir mussten bestehende Prozesse anders bearbeiten – privat wie beruflich. Damit meine ich so alltägliche Dinge wie das Einkaufen ebenso wie Web-Meetings oder das Homeoffice, das es in unserem Unternehmen flächendeckend bisher nicht gab. Dadurch sind wir durchaus effizienter geworden.
Eine weitere Erkenntnis gilt für uns als Mittelständler genauso wie für die Politik. Wir haben die Möglichkeit, die Krise zu meistern und womöglich gar an ihr zu wachsen. Aber nur deshalb, weil wir in guten Zeiten sinnvoll investiert und vor allem solide gewirtschaftet haben.

Das Interview führte Ines Chucholowius, Geschäftsführerin der Textination GmbH

Weitere Informationen:
Mayer & Cie Rundstrickmaschinen
Quelle:

Textination GmbH

TÜV Rheinland testet Corona-Schutzmaterialien und Arbeitsschutzprojekte (c) TÜV Rheinland
26.05.2020

TÜV Rheinland testet Corona-Schutzmaterialien und Arbeitsschutzprojekte

Seit dem Ausbruch der weltweiten Corona- Pandemie sind die Herstellung und der Handel mit geeigneten Schutzmaterialien wie Atemschutzmasken zu einem Hochrisikobereich für alle Beteiligten geworden.

„Die Qualität und Sicherheit der angebotenen Schutzmaterialien ist aktuell nicht nur erheblichen Schwankungen ausgesetzt, sondern immer häufiger stammen Waren aus zweifelhaften Quellen, sind hygienisch hoch bedenklich, teilweise völlig unbrauchbar“, erklärt Dipl.-Ing. Ralf Scheller, Mit-glied des Vorstands der TÜV Rheinland AG. „Wir stehen weltweit im direkten Kontakt zu Regierungen, Ministerien, kommunalen Behörden oder Unternehmen aus dem Gesundheitssektor und er-fahren immer häufiger von Fällen und Vorkommnissen, in denen Lieferketten schlicht kollabieren und überteuerte Waren nicht ankommen.“

Seit dem Ausbruch der weltweiten Corona- Pandemie sind die Herstellung und der Handel mit geeigneten Schutzmaterialien wie Atemschutzmasken zu einem Hochrisikobereich für alle Beteiligten geworden.

„Die Qualität und Sicherheit der angebotenen Schutzmaterialien ist aktuell nicht nur erheblichen Schwankungen ausgesetzt, sondern immer häufiger stammen Waren aus zweifelhaften Quellen, sind hygienisch hoch bedenklich, teilweise völlig unbrauchbar“, erklärt Dipl.-Ing. Ralf Scheller, Mit-glied des Vorstands der TÜV Rheinland AG. „Wir stehen weltweit im direkten Kontakt zu Regierungen, Ministerien, kommunalen Behörden oder Unternehmen aus dem Gesundheitssektor und er-fahren immer häufiger von Fällen und Vorkommnissen, in denen Lieferketten schlicht kollabieren und überteuerte Waren nicht ankommen.“

Teilweise steckt dahinter kriminelles Treiben, wenn bespielweise Zertifikate gefälscht oder Waren mehrfach verkauft werden. Die Experten von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) bei TÜV Rheinland werden daher immer häufiger zu Einsätzen vor Ort in den Herstellungsländern gerufen. Sie testen die Schutzmaterialien in ihrem weltweiten Labor-Netzwerk direkt vor Ort, überprüfen Dokumente oder überwachen den Transport der Waren vom Hersteller bis zum Kunden.

Unterstützung und Begleitung von multinationalen Hilfsprojekten
„Seit Beginn der Pandemie unterstützen wir viele multinationale Hilfsprojekte und engagieren uns selbst wie im Kreis Heinsberg, wo wir 9.000 FFP3-Schutzmasken für den intensiv-medizinischen Bereich gespendet haben“, erklärt Scheller. „Auch unsere Kolleginnen und Kollegen in China haben kürzlich durch qualitätssichernde Maßnahmen in der Lieferkette eine Hilfssendung von mehreren Millionen Schutzmasken, Schutzbekleidung und Hand-schuhen sowie vieler Beatmungsgeräte unterstützt, die von einem privaten Spender nach Großbritannien verschickt wurde.“

Bei persönlicher Schutzausrüstung stehen für TÜV Rheinland die Sicherheit und Qualität im Vordergrund. Umso wichtiger ist es, dass Sicherheitskleidung die entsprechenden Anforderungen er-füllen, sodass ihre Schutzfunktion sichergestellt werden kann.

„Unsere Experten führen alle relevanten Prüfungen und Zertifizierungen an persönlichen Schutz-ausrüstungen gemäß PSA Verordnung 2016/425 durch. Durch die langjährige und aktive Gremienarbeit im Bereich PSA sind wir nah am Marktgeschehen und besitzen ein umfangreiches Know-how“, weiß Dr.-Ing. Kristina Fuhrmann, Abteilungsleiterin Textil und PSA bei TÜV Rheinland. „Die so gewonnene Fachexpertise fließt in unsere tägliche Arbeit mit ein und spiegelt sich in umfangreichen Dienstleistungen wider.“ So werden beispielsweise sogenannte „Community Masken“ zahlreichen chemischen und physikalischen Prüfungen nach einer eigenen Prüfgrundlage (2PFG S 0193/04.20) unterzogen und können zusätzlich mit einem TÜV Rheinland-Prüfzeichen (Schad-stoffgeprüft) versehen werden. Community Masken werden überwiegend aus textilen Stoffen gefertigt und dienen als Barriere. Medizinische Masken sowie OP-Masken können hingegen über TÜV Rheinland Greater China getestet beziehungsweise kontrolliert werden. „Unsere Dienstleistungen erstrecken sich auf viele Arten von Schutzkleidung“, so Fuhrmann. Hinzu kommt der große Bereich an Medizinprodukten, wie beispielsweise Beatmungsgeräte.

TÜV Rheinland begleitet auch Arbeitsschutzprojekte in Corona-Zeiten
Geschäfte, Möbelhäuser und Elektromärkte dürfen wieder öffnen, Betriebe nehmen die Produktion wie-der auf – für sie alle gilt: Der Infektionsschutz für die Beschäftigten muss erhöhten Ansprüchen genügen und der normale Arbeits- und Gesundheitsschutz weiterhin erfüllt werden. Den Rahmen für die erweiterten Schutzmaßnahmen steckt der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des Bundesarbeitsministeriums ab. Arbeitgeber sind verpflichtet, für ihr Unternehmen geeignete Maßnahmen festzulegen, umzusetzen und die Kontrolle zu überwachen. Dabei sind die Lösungen so individuell wie die Unternehmen: Gilt es in einem Produktionsbetrieb die Schichtpläne zu entzerren und den Kontakt der Mitarbeitenden zu minimieren, stellen sich in einem Verkaufshaus andere Herausforderungen: Wie können beispielsweise die Kundenströme geleitet werden, um den Mindestabstand zu wahren? Wie werden Kundenberaterinnen und -berater, Kassiererinnen oder Kassierer und Lieferanten geschützt?

„Unsere Experten haben für den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales einen detaillierten Leitfaden entwickelt, um Unter-nehmen bei der aufwändigen Implementierung der strengen Auflagen zu beraten und zu unterstützen“, erklärt Dipl.-Ing. Norbert Wieneke, Geschäftsfeldleiter Betriebliches Gesundheitsmanagement, Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit bei TÜV Rheinland. Die Vorgaben des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards umfassen persönliche, organisatorische und bauliche Hygienemaßnahmen sowie die dazugehörigen Unterweisungen. Sie gehen mit Angeboten für die betriebsärztliche und psychologische Beratung der Mitarbeitenden sowie von Risikogruppen einher und noch deutlich dar-über hinaus. Es liegt in der Verantwortung des Arbeitgebers, Corona-Verdachtsfälle unter Mitarbeitenden zu identifizieren und im Falle einer erkannten Infektion eine Routine zur Pandemievorsorge im Unternehmen zu etablieren. Um dieser umfassenden Aufgabenstellung gerecht zu werden, sind Fachkenntnisse von Arbeitsmedizinerinnen und -medizinern, Fachkräften für Arbeitssicherheit, Betriebspsychologinnen und -psychologen sowie Gesundheitsexperten notwendig. In den interdisziplinären Teams von TÜV Rheinland arbeiten diese Fachleute bereits erfolgreich zusammen und setzen branchenübergreifende Projekte für ihre Kunden um.

Quelle:

TÜV Rheinland

Foto: Pixabay
07.04.2020

Naturtextilbranche reagiert mit Kreativität und Zusammenarbeit auf Corona

Während gerade überall zu lesen ist, dass die Modebranche kurz vor dem Kollaps steht und Finanzmittel von der Regierung fordert, arbeiten viele Textil- und Lederunternehmen mit ethischem Hintergrund aktiv und gemeinsam an kreativen Lösungen, um nicht schließen zu müssen.
Es zeigt sich gerade jetzt, dass kleinere Nachhaltigkeitspioniere einige Vorteile gegenüber den Handelsriesen und großen Brands haben. Flexibilität, ein starkes Band zwischen Lieferanten und Kunden sowie Glaubwürdigkeit zahlen sich jetzt aus.

Während gerade überall zu lesen ist, dass die Modebranche kurz vor dem Kollaps steht und Finanzmittel von der Regierung fordert, arbeiten viele Textil- und Lederunternehmen mit ethischem Hintergrund aktiv und gemeinsam an kreativen Lösungen, um nicht schließen zu müssen.
Es zeigt sich gerade jetzt, dass kleinere Nachhaltigkeitspioniere einige Vorteile gegenüber den Handelsriesen und großen Brands haben. Flexibilität, ein starkes Band zwischen Lieferanten und Kunden sowie Glaubwürdigkeit zahlen sich jetzt aus.

Beweglichkeit ist Trumpf
Die prekäre wirtschaftliche Situation im stationären Einzelhandel zwingt Unternehmen dazu, neue und kreative Wege einzuschlagen. Eine enge und emphatische Kundenbindung sowie die Flexibilität kleinerer Ladner ebnet diesen Weg. Und die Ideen und Maßnahmen sind vielfältig. Einige leiten ihre Waren auf den Online-Handel um, bieten einen Lieferservice an.  Life-Videos aus den Läden, die die Ware präsentieren und erklären oder Mitmachaktionen für Verbraucher sind weitere Beispiele. Auch Hersteller bzw. Brands denken um. Beispielsweise stellen einige Unternehmen Gesichtsmasken her, die den Umsatzrückgang etwas abfedern, andere legen kurzfristig den Produktionsschwerpunkt auf Basic-Produkte, die sich gut online vermarkten lassen.
 
Lieferkettensicherheit
Die Leder- und Textilindustrie hat derzeit nicht nur das Problem wegbrechender Umsätze. Die fragilen globalen Märkte, die für große Konzerne Rohstoffe und Dienstleistungen liefern, werden momentan zur Bedrohung. Wenn in China und Bangladesch die Wirtschaft stillsteht, kommt der deutsche Modemarkt kurzfristig nicht mehr ausreichend an Ware heran. Die Unternehmen, die in Deutschland oder in anderen wirtschaftlich stabilen Ländern produzieren, sind jetzt im Vorteil.  Einige der Unternehmen, die Rohware aus dem Ausland beziehen, ordern diese jetzt schon für den nächsten Produktionszyklus, einerseits um dem Lieferanten eine gewisse Sicherheit zu geben, anderseits um gerüstet zu sein für die Zeiten nach Corona.

Gemeinschaftsgedanke
Eine ethische Geschäftspraxis bedeutet nicht nur ökologisches und sozialverantwortliches Handeln in Bezug auf die Lieferketten. Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Empathie sind jetzt ebenso wichtig, wenn die Modeindustrie sich nicht in Preisdumping und knallhartem Konkurrenzkampf verlieren will. In der Presse ist die Rede von Milliardenstornos, Corona-Schnäppchen und Konkursen. Dass es auch anders geht, zeigen viele IVN Mitlieder. Lieferanten berichten uns, dass sie von sich aus Bestellungen bis Ende April zurückhalten, um dem Handel finanziell Luft zu lassen, Händler halten in der Regel zumindest Rücksprache mit ihren Lieferanten, wenn sie nicht in der Lage sind, eine komplette Order abzurufen. Händler mit Onlineshops nehmen spontan Ware von befreundeten Brands mit auf, auch wenn die Produkte nicht ins firmeneigene Portfolio passen. Brands bewerben in den sozialen Medien die Absatzkanäle ihrer Kunden, Bestellungen werden gebündelt. Man spricht miteinander – der Kunde mit dem Lieferanten, aber auch Mitbewerber mit Mitbewerber.

Slow Fashion
Die konventionelle Mode unterliegt extrem schnellen Zyklen – „Fast Fashion“ ist das Stichwort. Abgemildert folgt die Modeindustrie zumindest den jahreszeitlichen Saisons. Momentan hängt die Frühjahrskollektion in den Läden und lässt sich im Juni nicht mehr verkaufen. Das ist auch bei nachhaltiger Mode nicht anders. Allerdings sind die Modetrends weniger ausgeprägt, so dass man die aktuelle Ware auch im kommenden Frühjahr noch tragen kann. Der nachhaltige Konsument misst dem Modeaspekt etwas weniger Bedeutung zu und Grüne Mode ist zwar modisch aber tendenziell auch zeitloser, als konventionelle.

Die Stimmung
Natürlich sind jetzt auch die Unternehmen aus der Naturmodeszene gezwungen, ihre Betriebskosten zu senken, wenn sie überleben wollen. Das bedeutet Kurzarbeit, wenn die Situation noch länger anhält sicher auch Entlassungen. Und natürlich sind auch alle Nischenmarktteilnehmer zutiefst besorgt. Aber mit wem auch immer wir bisher gesprochen haben, wir hören Geschichten zu Chancen, Dankbarkeit und Betriebsamkeit.

Einige sehen eine Chance im unfreiwilligen Innehalten – dem Klimaschutz beispielsweise ist diese Zwangspause durchaus zuträglich. Es besteht auch ganz konkret die Chance, den Modezyklus jetzt einen Monat nach hinten zu verschieben und so wieder an die realen Gegebenheiten anzupassen.

Dankbar sind viele IVN Mitglieder beispielsweise darüber, dass sie ihren Sitz in Deutschland haben. Das Gesundheitssystem ist derzeit zumindest noch stabil und die schwarze Null befähigt unsere Regierung einen Rettungsschirm aufzuspannen. Dankbar sind auch viele über die Verbundenheit und das Vertrauen, das ihnen entgegengebracht wird. Vom Endverbraucher über den Geschäftspartner bis hin zum Vermieter, der lieber eine Mietforderung reduziert oder aussetzt, als einen langjährigen Mieter zu verlieren.

Die Stimmung ist zwar angeschlagen, aber noch nicht im Keller. Es bleibt zu hoffen, dass alle bald wieder ihre Wirtschaftstätigkeiten im normalen Rahmen aufnehmen können und die Privilegien und Vorteile, die nachhaltige Modebranche genießt ausreicht, damit alle möglichst unbeschadet durch diese Krise kommen.

Weitere Informationen:
nachhaltige Mode Naturtextilwirtschaft
Quelle:

Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft e.V.

INVENTING TECHNOLOGIES NO ONE CAN COPY… I.S.T © I.S.T Corporation
03.03.2020

INVENTING TECHNOLOGIES NO ONE CAN COPY… I.S.T

NEUE HIGH-TECH FASERN UND GARNE FÜR DEN SPORT- UND FREIZEITMARKT

Mit seiner Messepremiere auf der diesjährigen ISPO Munich Ende Januar ist einem Newcomer im Sportswear- und Outdoormarkt ein vielbeachteter Auftritt gelungen: Das japanische Unternehmen I.S.T Corporation stellte mit umfangreicher Augmented-Reality-Technik seine neue High-Tech-Faser und eine einzigartige Spinntechnologie erstmals in Europa vor. In der Sportindustrie ist I.S.T nur wenigen bekannt, obwohl es in den letzten Saisons bereits erste Kooperationen mit namhaften Herstellern wie beispielsweise Patagonia gegeben hat.

NEUE HIGH-TECH FASERN UND GARNE FÜR DEN SPORT- UND FREIZEITMARKT

Mit seiner Messepremiere auf der diesjährigen ISPO Munich Ende Januar ist einem Newcomer im Sportswear- und Outdoormarkt ein vielbeachteter Auftritt gelungen: Das japanische Unternehmen I.S.T Corporation stellte mit umfangreicher Augmented-Reality-Technik seine neue High-Tech-Faser und eine einzigartige Spinntechnologie erstmals in Europa vor. In der Sportindustrie ist I.S.T nur wenigen bekannt, obwohl es in den letzten Saisons bereits erste Kooperationen mit namhaften Herstellern wie beispielsweise Patagonia gegeben hat.

Den Fragen von Textination stellte sich die Geschäftsführerin, Toshiko “Toko” Sakane. Sie leitet das von ihrem Vater gegründete Unternehmen seit November 2016. Nach ihrem Bachelor in Soziologie / Humanwissenschaften arbeitete sie im Büro des Abgeordnetenhauses des japanischen Parlaments sowie des ehemaligen japanischen Ministers für Gesundheit und Soziales. Später war sie Geschäftsführerin der im Jahr 2000 gegründeten I.S.T Corporation mit Sitz in Parlin, New Jersey, USA, einem Hersteller spezieller hochtemperaturbeständiger Harzmaterialien.
               
I.S.T ist ein japanisches Unternehmen mit einer vergleichsweise jungen Geschichte. 1983 ursprünglich als F&E-Company gegründet, sind Sie inzwischen ebenso in den USA und in China zu Hause. Wenn Sie sich jemandem, der das Unternehmen nicht kennt, in 100 Worten vorstellen müssten: Was macht Sie einzigartig?
Der I.S.T-Konzern ist ein forschungs- und entwicklungsorientiertes japanisches Unternehmen für Werkstoffe, das sich über den Anspruch definiert, „Technologien zu erfinden, die niemand nachahmen kann“. Was uns in unserer Kompetenz einzigartig macht, sind die unternehmenseigene Entwicklung von Materialien, von Produktionsmethoden und fortschrittlicher Produktionstechnologien. Durch diese Komplettlösungsstrategie oder den End-to-End-Lösungsansatz können wir verschiedene Vorteile erzielen, darunter die Entwicklung komplett originärer Produkte, die Sicherstellung der besten Qualitätskontrollen und vor allem die Entdeckung neuer Innovationen.
I.S.T setzt sich dafür ein, ständig neue Technologien zu entwickeln, damit diese dazu beitragen können, das Leben der Menschen eindeutig zu bereichern.
 
Ihr Slogan lautet: “make the impossible possible”. In welchen Märkten und von welchen Branchen fühlen Sie sich besonders herausgefordert? Und mit welchen Produktinnovationen für die Textilindustrie glauben Sie am meisten bewegen zu können?
Der Schwerpunkt von I.S.T liegt auf der Sportartikel- und Bekleidungsindustrie, da die in dieser Branche verwendeten Materialien nach einem breiten Spektrum von Funktionen verlangen, die wahrscheinlich unter extremen Bedingungen eingesetzt werden. Wir finden es sowohl herausfordernd als auch aufregend, unsere fortschrittlichen Innovationen anzubieten. Bezogen auf die Textilindustrie glauben wir, dass unsere KARL KARL™-Spinntechnologie eine neue großartige Lösung für winteraktive Funktionswäsche darstellt, da sie alle gewünschten Funktionen bietet, wie z. B. Wärme, geringes Gewicht und einfache Pflege.

Eine zentrale Leitlinie des Unternehmens ist das Motto „Inventing technologies no-one can copy“. Patentschutz und eine konsequente Markenpolitik zeichnen Ihre Aktivitäten im Markt aus. Doch Patente können auslaufen und Marken kopiert werden, was macht Sie unkopierbar?
Ein Patent oder eine Marke kann kopiert werden. Was es jedoch unmöglich macht, uns zu kopieren, ist, dass unsere Kerntechnologien in unseren integrierten Prozess der Materialentwicklung, der internen Produktionsmethoden und der Weiterentwicklung der Produktionstechnologien eingebettet sind. Unsere KARL KARL™-Technologie ist beispielsweise eine Spinntechnologie, die mehrere Funktionen in einem Garn vereint anbietet oder auch auf alle Arten von Garnen und Hybridgarnen angewendet werden kann.
Es gibt einige andere Unternehmen, die behaupten, ihre Garne hätten eine ähnliche Funktion wie die unsrigen, aber dies sind immer nur einzelne Funktionen, die zudem einen spezifischen Garntyp verlangen. Darin liegt der grundlegende und bedeutende Unterschied zwischen unseren Technologien und jenen der Wettbewerber. Andere Unternehmen können möglicherweise eine einzelne Funktion von uns kopieren, aber es wird niemals dasselbe sein wie unsere Produkte, die das Ergebnis unserer integrierten Innovationen auf verschiedensten Ebenen sind.
          
Zunächst darauf ausgerichtet, Technologien zu verkaufen, sind Sie inzwischen selbst ein bedeutender Faserproduzent. Darüber hinaus haben Sie in den letzten 15 Jahren - beispielsweise im Woll-Markt - durch Übernahmen in Japan und China ihr Portfolio erweitert. Wo sehen Sie I.S.T als Player im Textilsektor 2030?
So wie Sie ein GORE-TEX-Etikett an der Oberbekleidung sehen, würde ich gerne von I.S.T produzierte Marken auf jeder Sport- und Modekleidung sehen, und wissen, dass die Leute das sofort als Zeichen modernster Funktionsmaterialien erkennen.

Auf der ISPO Munich 2020 waren Sie im Januar diesen Jahres erstmals als Aussteller präsent, um die High-Tech-Faser IMIDETEX® und neue KARL KARL™ Garne der Sportartikel- und Outdoorindustrie vorzustellen. Was ist an diesen beiden Produkten so besonders, und was macht sie für den Einsatz in diesen Märkten so geeignet?  
IMIDETEX®, das aus 100% Polyimidharz hergestellt und üblicherweise im Weltraum eingesetzt wird, weist verschiedene vorteilhafte Eigenschaften auf, die andere existierende Superfasern nicht bieten konnten, einschließlich einer hohen UV- und Hitzebeständigkeit, geringer Wasseraufnahme und hoher Zugfestigkeit.
Beispiele möglicher Anwendungen für den Outdoor-Markt wie bei Verbundwerkstoffen sind widerstandsfähige und langlebige Golf- und Tennisschläger, die den Aufprall auf den Spieler minimieren, oder ein Fahrrad, das in der Lage ist, Stöße, ausgelöst durch Bodenunebenheiten während eines langen und wettbewerbsorientierten Rennens, zu absorbieren.
Im textilen Bereich kann es als unglaublich haltbares Segel verwendet werden, das auch gleißender Sonne standhält. Schließlich kann aus IMIDETEX®-Garn ein leichtes, aber superstarkes Seil hergestellt werden, dem Menschen ihr Leben anvertrauen können. IMIDETEX® bietet unter extremen Naturbedingungen hervorragende Eigenschaften.

KARL KARL™ ist die patentierte Spinntechnologie, die einen Kernfaden mit einem anderen Faden multipliziert. Durch die Ausdehnung der Garnstruktur selbst, werden Leichtigkeit und Wärme erreicht, so dass zwei scheinbar gegensätzliche Merkmale nebeneinander existieren. Diese Technologie kann auf Wolle, Baumwolle, Seide, Polyester, Nylon und andere angewendet werden. Außerdem gibt es unzählige Möglichkeiten, neue Garne zu entwickeln, indem verschiedene charakteristische Garne kombiniert werden.
Diese Materialien von I.S.T sind konkurrenzlos und bieten unendliche Möglichkeiten für komplexere Designs in der Sportmode-Szene.

Chemiefasern haben es in einer Welt, in der aktuell besonders großer Wert auf Natur und natürliche Materialien gelegt wird, nicht immer einfach. Auf Ihrer Website postulieren Sie, I.S.T trage durch Chemie dazu bei, den Lebensstil der Menschen auf der ganzen Welt zu verbessern. Auf welche Argumente können Sie diese Aussage stützen?
Unser brandneues Produkt, Faux-Fur, das mit der KARL KARL™-Technologie hergestellt wird, ist ein gutes Beispiel für unseren Beitrag, das Gleichgewicht zwischen natürlich und synthetisch zu bewahren.
Echtes Fell ist zwar modisch, aber heutzutage ein Symbol für Tiermisshandlung. Um die Natur zu schützen, bietet unser KARL KARL™ Kunstpelz eine Alternative für die Mode und verhindert gleichzeitig, dass der Ozean durch die Verwendung von Mikrofasern verschmutzt wird.

Auf welchen gesellschaftlich relevanten Themenfeldern sehen Sie in den nächsten 5 Jahren besonders großen Innovations- und Handlungsbedarf? Wie ist Ihre Einschätzung, dass Ihr Unternehmen mit seinen Produkten dafür Lösungen anbieten können wird?
Wir glauben, dass Leichtgewichtigkeit ein wichtiger Schlüsselfaktor für ein besseres Leben und für den Planeten ist, weil sie ermöglicht, Energie zu sparen und den Nutzeffekt zu steigern.
Als ersten Schritt bringen wir unsere Leichtgewichts-Technologien wie IMIDETEX®-Verbundwerkstoffe und die KARL KARL™-Technologie in Sportartikel und -bekleidung ein, um unseren aktiven Lebensstil zu unterstützen, bevor wir diese Technologien auf alle anderen Märkte ausweiten, die davon profitieren können.
 
Für Nachhaltigkeit gibt es die verschiedensten Definitionen. Kunden erwarten unter diesem Begriff alles – von Klimaschutz bis Ökologie, von vor Ort-Produktion in der Region bis zum Ausschluss von Kinderarbeit usw. Was tun Sie, um diesen Begriff für Ihr Unternehmen mit Leben zu füllen und auf welche Aktivitäten und Zertifizierungen setzen Sie?
I.S.T nimmt dieses Thema in jeder Hinsicht ernst. Wir erforschen und entwickeln konsequent Technologien und Materialien, die unseren Planeten und das Leben der Menschen unterstützen, und bringen nachhaltige Methoden und Materialien in unsere Prozesse ein. Gleiches gilt für das Einbringen nachhaltiger Methoden und Materialien in unsere Produktionsprozesse. So entwickeln wir beispielsweise ein Garn aus Zellulose, das aus gebrauchten Papieren und ohne schädliche Chemikalien für den Menschen hergestellt wird. Außerdem haben wir in eine hochmoderne Produktionsanlage mit geringen Emissionen investiert, um Polyimid-Materialien herzustellen.
Was Wolle betrifft, sind wir nach dem RWS (Responsible Wool Standard) zertifizierte Garnspinner und verwenden RWS-zertifizierte Wollfasern. Bei Polyester verwenden wir GRS (Global Recycled Standard) zertifiziertes Recycling-Polyester und bei Baumwolle organische Baumwollfasern. Darüber hinaus legt unser Unternehmen Wert darauf, Materialien zu produzieren, die ewig halten, und keine Abfälle und/oder Materialien für den einmaligen Gebrauch zu produzieren.
          
Woher erhalten Sie Ihre Inspirationen, an bestimmten Technologien oder Produkten zu forschen? Welche Aufträge oder Anfragen aus der textilen Lieferkette spielen dabei eine entscheidende Rolle?
Sie mögen denken, dass unser Leben bereits mit Dingen gefüllt ist und es nichts gibt, was wir auf dieser Welt nicht bekommen können. Und ja, wir haben alles. Es gibt jedoch einige Funktionen, die Sie sich zusätzlich zu diesen Dingen wünschen.
Die ursprüngliche Idee bei der Entwicklung der KARL KARL™-Technologie war, dass wir Funktionen wie Leichtigkeit, Wärme, Schnelltrocknung und Pflegeleichtigkeit, wie sie Kunstfasern haben, auch für Naturfasern wie Wolle und Baumwolle verfügbar machen wollten, da Naturfasern ganz offensichtlich deutlich positiver für Mensch und Erde sind als Fasern auf Erdölbasis.
Wir glauben an unsere Unternehmensmissionen und halten sie aufrecht: „Entwickle und fertige Produkte, die noch niemand zuvor ausprobiert hat“ und „Kümmere dich um Produkte mit hohem Mehrwert“. Unsere Inspirationen für Forschung und Entwicklung stammen aus unserer Überzeugung, „einen Wunsch in die Realität umzusetzen“. Wir lassen uns nicht von anderen inspirieren. Unsere Innovationen inspirieren Kunden und den Markt.
 
Neue Wege zu gehen, bedeutet Entscheidungsfreudigkeit, Überwindung von Ängsten - und damit auch Mut zum Scheitern. Nicht jedes Projekt kann gelingen. Über welche unternehmerische Entscheidung sind Sie im Nachhinein besonders froh, sie getroffen zu haben?
Tatsächlich gibt es für uns keine fehlgeschlagenen Projekte, weil wir nie aufgeben, bis jedes einzelne Projekt erfolgreich ist.
Durch die Fortsetzung unserer ursprünglichen Unternehmensmissionen „Entwickle und fertige Produkte, die noch niemand zuvor ausprobiert hat“ und „Sich Schwierigkeiten stellen“, die mein Vater, der Gründer von I.S.T, vor fast vierzig Jahren aufgestellt hat, haben I.S.T-Mitglieder, einschließlich mir, die Freude gelernt, Probleme zu überwinden und den Sieg zu spüren.
Als ich das Geschäft übernahm, habe ich mir zum Ziel gesetzt, „auf den globalen Markt vorzudringen, um die Welt mit unseren Technologien zu inspirieren“.
Aufgrund der kürzlich getroffenen Entscheidung, in den Markt für Sportartikel und Bekleidung einzusteigen und der sehr positiven Rückmeldungen auf der ISPO München 2020, freue ich mich sehr, einen Schritt nach vorne in Richtung dieses Ziels gemacht haben.


Das Interview führte Ines Chucholowius, CEO Textination GmbH

TECHNISCHE TEXTILIEN VERGRÖßERN KONTINUIERLICH ANTEIL AN GESAMTER EU-TEXTILPRODUKTION Foto: Gerd Altmann, Pixabay
26.11.2019

TECHNISCHE TEXTILIEN VERGRÖßERN KONTINUIERLICH ANTEIL AN GESAMTER EU-TEXTILPRODUKTION

  • Der europäische Textil- und Bekleidungssektor konsolidiert 2018 seine zufriedenstellende Entwicklung

Die Textil- und Bekleidungsindustrie in der EU hat das Jahr 2018 mit einer Konsolidierung der positiven Kennzahlen der letzten 5 Jahre abgeschlossen. Erste von Eurostat veröffentlichte Daten, die von EURATEX um eigene Berechnungen und Schätzungen ergänzt wurden, zeigen einen Gesamtumsatz der Branche von 178 Mrd. EUR, was einen minimalen Anstieg gegenüber dem Vorjahreswert von 177,6 Mrd. EUR bedeutet, der jedoch deutlich über dem Wert von 163,8 Mrd. EUR aus dem Jahr 2013 lag. Die Investitionssumme in Höhe von 5,0 Mrd. € hat sich wie in allen vergangenen Jahren seit 2013 erneut leicht erhöht.
 

  • Der europäische Textil- und Bekleidungssektor konsolidiert 2018 seine zufriedenstellende Entwicklung

Die Textil- und Bekleidungsindustrie in der EU hat das Jahr 2018 mit einer Konsolidierung der positiven Kennzahlen der letzten 5 Jahre abgeschlossen. Erste von Eurostat veröffentlichte Daten, die von EURATEX um eigene Berechnungen und Schätzungen ergänzt wurden, zeigen einen Gesamtumsatz der Branche von 178 Mrd. EUR, was einen minimalen Anstieg gegenüber dem Vorjahreswert von 177,6 Mrd. EUR bedeutet, der jedoch deutlich über dem Wert von 163,8 Mrd. EUR aus dem Jahr 2013 lag. Die Investitionssumme in Höhe von 5,0 Mrd. € hat sich wie in allen vergangenen Jahren seit 2013 erneut leicht erhöht.
 
Die Beschäftigtenzahl in Höhe von 1,66 Millionen verzeichnete einen kleinen Rückgang im Vergleich zu 2017, blieb jedoch in den letzten 5 Jahren im Wesentlichen unverändert - eine bemerkenswerte Leistung für einen Sektor, der weiterhin seine Arbeitseffizienz ausbaut. Infolgedessen stieg der durchschnittliche Umsatz pro Mitarbeiter von 97.000 € im Jahr 2013 auf 107.000 € im Jahr 2018. In den letzten 10 Jahren sind Umsatz und Wertschöpfung pro Mitarbeiter um über 30% gestiegen.

Ein besonderer Lichtblick ist erneut der Export, der gegenüber dem Vorjahr um 7% zulegte und erstmals 50 Mrd. € erreichte. Die Exporte der Branche in außereuropäische Länder, die heute 28% des Jahresumsatzes ausmachen und vor 10 Jahren noch bei unter 20% lagen, sind der deutlichste Beweis für die zunehmende globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Textil- und Bekleidungsunternehmen.
Sowohl in einkommensstarken Ländern wie den Vereinigten Staaten (der größte Exportmarkt innerhalb der außereuropäischen Länder mit 6 Mrd. €), der Schweiz, Japan oder Kanada als auch in Schwellenländern wie China und Hongkong (kombinierte Exporte über 6,7 Mrd. EUR), Russland, der Türkei und dem Nahen Osten sind europäische Qualitätstextilien und Premium-Modeprodukte zunehmend gefragt,.

Die europäischen Exporte profitieren von einem schnelleren Wirtschaftswachstum in vielen außereuropäischen Märkten, aber auch von einem besseren Marktzugang als Ergebnis erfolgreicher EU-Handelsverhandlungen mit Ländern wie Südkorea, Kanada oder Japan.

Seit 2015 hat das Exportwachstum das Importwachstum leicht übertroffen, was bedeutet, dass sich das EU-Handelsbilanzdefizit von rund 65 Mrd. EUR nicht mehr vergrößert. Statt eines absoluten Importwachstums haben sich in den letzten Jahren deutliche Veränderungen in den wichtigsten Importländern ergeben. Während China die bei weitem wichtigste Importquelle bleibt, gewannen Niedriglohnländer wie Bangladesch, Kambodscha, Myanmar und Vietnam relativ an Bedeutung, insbesondere für Bekleidung.

Technische Textilien sind unbestritten eine Erfolgsgeschichte der europäischen Industrie. Genaue Zahlen für diesen Teil der Industrie sind schwierig zu berechnen, da viele Garne und Gewebe sowohl für technische als auch für konventionelle Anwendungen verwendet werden können. Nationale Statistiken erscheinen nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung oder bleiben für kleinere EU-Länder unveröffentlicht. Für 2016 schätzt EURATEX, dass der Umsatz der EU-Industrie mit technischen Textilien (einschließlich Garnen, Geweben und Vliesstoffen, jedoch ohne konfektionierte Artikel) rund 24 Mrd. EUR oder 27% des gesamten Umsatzes der Textilindustrie erreicht hat. Im Laufe der Jahre ist dieser Prozentsatz stetig gestiegen und wird dies voraussichtlich auch in Zukunft weiterhin tun.

Italien und Deutschland sind die größten europäischen Hersteller technischer Textilien. Sie produzieren jährlich technische Textilien im Wert von jeweils über 4,5 Mrd. EUR. Der höchste Anteil technischer Textilien am nationalen Textilumsatz ist in skandinavischen Ländern wie Schweden und Finnland sowie in mitteleuropäischen Ländern wie Deutschland, der Tschechischen Republik oder Slowenien zu verzeichnen. Das schnellste Wachstum bei technischen Textilien in den letzten 10 Jahren wurde von Polen erzielt, gefolgt von Belgien, Österreich und Portugal. Dies zeigt deutlich, dass technische Textilien europaweit an Bedeutung gewinnen.

Die Arbeitsproduktivität der Branche ist im Bereich technischer Textilien viel höher. Der Umsatz pro Mitarbeiter liegt bei 215.000 € und ist damit mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt der Textil- und Bekleidungsindustrie. EURATEX‘ Innovation & Skills Direktor, Lutz Walter betonte in diesem Zusammenhang, wie wichtig „Innovation und Fachwissen der Mitarbeiter sind, um die starke Position der EU-Industrie im Bereich technischer Textilien zu erreichen und zu verteidigen“.

Im internationalen Handel sind sowohl die Exporte als auch die Importe von technischen Textilien im Laufe der Jahre kontinuierlich gewachsen, wobei die Handelsbilanz in Euro nahezu Null betrug. Bei der Betrachtung der Produktkategorien wird jedoch deutlich, dass die Handelsbilanz Europas bei Produkten mit höherer Wertschöpfung wie medizinischen Textilien, hochtechnischen Fertiggeweben und Vliesstoffen massiv positiv ist, jedoch negativ wird in Kategorien wie Taschen, Säcken und Planen oder Reinigungstücher.    

Die USA sind erneut Europas größter Kunde für technische Textilien, gefolgt von China, das in den letzten Jahren ein sehr schnelles Wachstum verzeichnete.

 

Weitere Informationen:
Euratex Technische Textilien
Quelle:

EURATEX

Foto: Vlad-Vasnetsov, PIXABAY
01.10.2019

MESSEMARKT KANADA

Wirtschaft
Mit einem durchschnittlichen BIP-Wachstum von 2% in 2018 und 2019 ist Kanada als zehntgrößte Volkswirtschaft der Erde eine Prüfung wert, ob es als Absatzmarkt oder für eine Investition in Betracht kommt. Insbesondere der Dienstleistungssektor, das verarbeitende Gewerbe, Energie und Rohstoffe sowie die Landwirtschaft prägen die kanadische Wirtschaft. Als Wirtschaftszentren Kanadas gelten Vancouver, Montreal, Toronto bzw. die Provinzen Ontario und Quebec. Dabei sollten die zum Teil enormen Distanzen zwischen den Regionen nicht unterschätzt werden.

Wirtschaft
Mit einem durchschnittlichen BIP-Wachstum von 2% in 2018 und 2019 ist Kanada als zehntgrößte Volkswirtschaft der Erde eine Prüfung wert, ob es als Absatzmarkt oder für eine Investition in Betracht kommt. Insbesondere der Dienstleistungssektor, das verarbeitende Gewerbe, Energie und Rohstoffe sowie die Landwirtschaft prägen die kanadische Wirtschaft. Als Wirtschaftszentren Kanadas gelten Vancouver, Montreal, Toronto bzw. die Provinzen Ontario und Quebec. Dabei sollten die zum Teil enormen Distanzen zwischen den Regionen nicht unterschätzt werden.

Ein in 2017 in Kraft getretenes innerkanadisches Freihandelsabkommen trägt dazu bei, Handelshemmnisse zwischen den Provinzen Kanadas abzubauen. Des Weiteren soll ein Investitionsplan für Infrastruktur bis 2028 Investitionen seitens der Regierung von rund 120 Mrd. Euro ermöglichen. Mit seiner nationalen Klimastrategie und der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens verfolgt Kanada außerdem eine ambitionierte Klimapolitik. Mehr als die Hälfte der Elektrizität wird bereits über erneuerbare Energien gewonnen und das, obwohl das Land die drittgrößten Energie- und Rohstoffreserven aufweisen kann.

Kanada ist durch seine Exportabhängigkeit in viele Handelsabkommen eingebunden (ca. ein Dutzend bilaterale Freihandelsabkommen). Das seit 1994 bestehende Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) mit Kanada und Mexiko wird voraussichtlich am 1. Januar 2020 durch das U.S.-Mexiko-Canada Agreement (USMCA) erneuert. Mit der EU, dem zweitwichtigsten Handelspartner Kanadas, ist das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) seit dem 21. September 2017 vorläufig in Kraft getreten. Zudem hat Kanada Anfang 2018 das Comprehensive and Progressive Trans Pacific Partnership Agreement (CPTPP) unterzeichnet. Daneben gibt es u. a. Handelsabkommen mit den EFTA-Staaten, Südkorea und der Ukraine.

Kfz und –Teile, Erdöl sowie Rohstoffe (außer Brennstoffe) machen mehr als ein Drittel der Gesamtausfuhren Kanadas aus. Die USA sind das Hauptabnehmerland kanadischer Güter mit 75,9% Anteil an den Ausfuhren. Mehrheitlich nach Kanada eingeführt werden Kfz und –Teile, Maschinen und chemische Erzeugnisse. Die Hauptlieferländer Kanadas in 2017 waren die USA (51,3%) und China (12,6%), gefolgt von Mexiko (6,3%) und Deutschland (3,2%). Deutschland exportiert vor allem Kfz und –Teile und Maschinen nach Kanada und importiert Rohstoffe.

Wirtschaftsdaten 2017/2018 (Schätzungen/Prognosen)
BIP 1.820 Mrd. USD (2019)
Einwohner 37,1 Mio. (2018)
Exporte nach Deutschland 4,4 Mrd. Euro
Importe aus Deutschland 9,7 Mrd. Euro

Quelle: GTAI, AHK, AA

Messewirtschaft
Die engen wirtschaftlichen Beziehungen mit den USA spiegeln sich auch in der Messewirtschaft wider. Für kanadische Aussteller und Besucher macht es für die Anreise zeitlich und logistisch keinen großen Unterschied, ob eine Messe im Nachbarland oder in Kanada stattfindet. Daher nutzen viele die Gelegenheit, sich an den internationalen Messen in den USA zu beteiligen. Einige kanadische Messen jedoch gehören zu den führenden Messen der jeweiligen Branche in Nordamerika bzw. weltweit. Dazu zählen zum Beispiel die GPS - Global Petroleum Show (Öl und Gaswirtschaft) und die Buildings Show (Bauwirtschaft), aber auch die Messen PDAC (Rohstoffe) und Canada’s Farm Progress Show (Landwirtschaft). Eine Teilnahme für Aussteller und Besucher aus den USA, aber auch aus der ganzen Welt ist bei diesen Messen unverzichtbar. Neben den internationalen Messen gibt es diverse regionale Messen, die vor allem von lokalen Unternehmen der bestimmten Branchen genutzt werden.
 
Ähnlich wie in den USA ist es in Kanada üblich, dass Messen von Branchenfachverbänden bzw. in Zusammenarbeit mit einem Messeveranstalter organisiert werden. Es ist auch in Kanada sinnvoll, zunächst das Interesse an den eigenen Produkten auf einer Messe zu testen und sich in einem zweiten Schritt für eine Niederlassung oder einen Vertriebspartner zu entscheiden. Kanadische Messebesucher sind zugänglich und locker, welches die erste Gesprächsaufnahme erleichtert. Der Standbau ist zumeist weniger aufwendig als in Deutschland und die Flächen sind kompakter.
 
Seit Mitte der 1970er Jahre vertritt der Verband Canadian Association of Exposition Management (CAEM) die Interessen der kanadischen Messewirtschaft. Die Mitglieder sind Organisationen oder Personen, die Fachmessen, Verbraucherausstellungen oder ähnliche Veranstaltungen organisieren. Anbieter messebezogener Dienstleistungen können assoziierte Mitglieder werden. Der Verband stellt seinen Mitgliedern u. a. Best-Practice-Richtlinien für Gesundheit und Sicherheit zur Verfügung. Als Partner des US-amerikanischen Messeverbandes International Association of Exhibitions and Events (IAEE) bietet CAEM außerdem auf die kanadische Messewirtschaft zugeschnittene Kurse im Rahmen der Certified in Exhibition Management (CEM) an.
 
Messen und Veranstalter 
Im Durchschnitt listet der AUMA in der Messedatenbank jährlich rund 40 Messen in Kanada. Die Mehrheit der Veranstaltungen findet in Toronto statt, gefolgt von Montreal, Vancouver und Calgary. 

Organisiert werden die meisten Messen, wie auch in den USA, von Branchenverbänden. Messen und deren Begleitprogramm sind eine der Hauptleistungen für deren Mitglieder, aber auch Haupteinnahmequelle der Verbände. Mit dem Schwerpunkt Metallbe- und -verarbeitung organisiert die Society of Manufacturing Engineers u. a. die Messe Fabtech Canada. Die überwiegende Mehrheit der Veranstalter führt lediglich eine Messe im Jahr durch. Das Canadian Institute of Mining, Metallurgy & Petroleum (CIM), zum Beispiel, veranstaltet jährlich an wechselnden Orten die CIM Annual Convention (Bergbau). Die Society of Petroleum Engineers organisiert die Messe ATCE – Annual Technical Conference and Exhibition (Petrochemie) und das Woodworking Network führt die WMS – Woodworking Machinery & Supply Expo (Holzverarbeitung) durch.
 
Daneben gibt es gewinnorientierte Messeveranstalter, die in Kanada verschiedene Messen veranstalten. Das britische Unternehmen Informa PLC, zum Beispiel, ist seit 2010 durch die Übernahme der Messe Fan Expo Canada im kanadischen Markt aktiv und hat das Portfolio über die Jahre u. a. mit dem Erwerb der Firma MMPI Canada stetig ausgebaut. Ebenfalls verschiedene Messen in Kanada organisiert dmg events, zum Beispiel die Messe GPS – Global Petroleum Show & Conference. Im Bereich Nahrungs- und Genussmittel organisiert der französische Veranstalter COMEXPOSIUM die Fachmesse SIAL Canada. Die Aktivitäten der Messe Frankfurt GmbH und Deutsche Messe AG auf dem kanadischen Markt werden im Abschnitt „Deutsche Veranstalter“ näher erläutert.

Jahr Messen in Kanada*
2020 41
2019 46
2018 44
2017 43
2016 39
2015 41

* In AUMA-Messedatenbank gelistet

Deutsche Veranstalter
Die Messe Frankfurt GmbH ist seit 2005 in Kanada tätig. Zum Portfolio gehören zurzeit zwei Messen, die jährlich parallel stattfindenden Messen Waste & Recycling Expo Canada und Municipal Equipment Expo.

Seit 2014 ist die Deutsche Messe AG über die Tochtergesellschaft Hannover Fairs mit der Messe CanWEA (Windenergie) in Kanada vertreten. Zusammen mit der Canadian Wind Energy Association wurde die Messe bisher im jährlichen Turnus veranstaltet. In einer weiteren Kooperation mit dem Solarindustrieverband (Canadian Solar Industries Association) wurde bis 2019 die Messe Solar Canada durchgeführt. Beide Messen werden ab 2020 zusammengelegt und als Electricity Transformation Canada fortgesetzt. Zusätzlich wird alle zwei Jahre in Zusammenarbeit mit Newcom Business Media die Messe Truck World veranstaltet.

Kontakte
AHK Kanada
Deutsch-Kanadische Industrie- und Handelskammer  Canadian German Chamber of Industry and Commerce Inc.  
480 University Avenue
Suite 1500
Toronto, Ontario M5G 1V2
Telefon: +1 416 598 33 55
Telefax: +1 416 598 18 40
E-Mail: Info.toronto@germanchamber.ca 
Webseite: http://kanada.ahk.de
 
CAEM Canadian Association of Exposition Management
E-Mail: info@caem.ca
Webseite: https://caem.ca/
 
Germany Trade & Invest (GTAI)
E-Mail: info@gtai.de  
Webseite: www.gtai.de
 
Auswärtiges Amt
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Postadresse:
P.O. Box 379, Postal Station „A“ Ottawa, Ontario  K1N 8V4
Telefon: +1 613-232-1101
Telefax: +1 613-780-1527
Webseite: https://canada.diplo.de/ca-de
 
AUMA
Christine Zander  
Referentin Globale Märkte
Regionen: Nordamerika, Lateinamerika, Subsahara-Afrika, Südostasien, Australien; Abstimmen von Auslandsmessebeteiligungen, EU-Fragen
Telefon: +49 30 24000-125
Telefax: +49 30 24000-320
E-Mail: c.zander@auma.de

 

China Gerd Altmann, Bild auf Pixabay
17.09.2019

MESSEMARKT CHINA

Die VR China hat seit Ende der 1970er Jahre ein bisher beispielloses Wirtschaftswachstum mit durchschnittlich zweistelligen Wachstumsraten erlebt. In den letzten 10 Jahren hat sich das Land zum Exportweltmeister entwickelt und hält fast genauso lange die Stellung als zweitgrößte Volkswirtschaft nach den USA. Einhergehend mit dem Wirtschaftsboom sieht sich das moderne China großen Herausforderungen gestellt, die sich u. a. in den stark gestiegenen Löhnen, massiven Umweltproblemen und Überkapazitäten in zahlreichen Industriesektoren äußern.
 

Die VR China hat seit Ende der 1970er Jahre ein bisher beispielloses Wirtschaftswachstum mit durchschnittlich zweistelligen Wachstumsraten erlebt. In den letzten 10 Jahren hat sich das Land zum Exportweltmeister entwickelt und hält fast genauso lange die Stellung als zweitgrößte Volkswirtschaft nach den USA. Einhergehend mit dem Wirtschaftsboom sieht sich das moderne China großen Herausforderungen gestellt, die sich u. a. in den stark gestiegenen Löhnen, massiven Umweltproblemen und Überkapazitäten in zahlreichen Industriesektoren äußern.
 
Anders als zu Beginn der Öffnungspolitik vor mehr als 40 Jahren, wo gezielt ausländische Investoren mit entsprechender Technologie und passendem Know-how angesprochen wurden, verfolgt China heute eine Strategie, die den Binnenmarkt stärken soll. Mithilfe des in 2015 verabschiedeten Erlasses „Made in China 2025“ soll das Reich der Mitte bis 2045 in drei Zehnjahresprogrammen zu den führenden Industrienationen aufsteigen. Dabei setzt die Regierung auf Förderung von Innovationen, Steigerung der Produktionseffizienz, Optimierung der Industriestruktur und „grüne“ Fertigung. Als besonders förderungswürdig werden Schlüsselbranchen wie Robotik, Medizintechnik, Elektromobilität und moderne Agrartechnologie definiert. Einen großen Stellenwert hat zudem die Entwicklung von Industrie 4.0.

Wirtschaftsdaten 2018/2019* (Schätzungen und Prognosen)
BIP      14.217 Mrd. USD*
Einwohner      1.395,4 Mrd.
Exporte     2.487,4 Mrd. USD
Exporte nach Deutschland 106,3 Mrd. EUR
Importe 2.135,6 Mrd. USD
Importe aus Deutschland 93,1 Mrd. EUR 

    Quelle: GTAI, Auswärtiges Amt     

Chinas Regionen haben sich unterschiedlich schnell entwickelt. Die wirtschaftlich starken Gegenden in der Ost- und Südostküste des Landes erwirtschaften zwar etwa die Hälfte des jährlichen BIP, jedoch ziehen die Gegenden in Zentral- und Westchina dynamisch nach. Mit der „Go-West“Politik arbeitet die chinesische Regierung seit der Jahrtausendwende verstärkt an der Förderung und Entwicklung der westlichen Regionen, wozu u. a. die Steigerung der Attraktivität der betroffenen Regionen für ausländische Investitionen und Unternehmensansiedlungen gehören.  

Ein weiteres ambitioniertes Projekt ist auf Jahrzehnte angelegt: die „One Belt and One Road“ - Initiative, d. h. die Wiederbelebung der „Seidenstraße“, die mehr als 60 Staaten in Asien und Europa über Land und Wasser verbinden soll. Geplant und schon umgesetzt werden Milliardeninvestitionen in den Bau von Häfen, Eisenbahnstrecken und Telekommunikationseinrichtungen. Chancen für deutsche Unternehmen bestehen vor allem für Anbieter von Spezialausrüstungen in der Bahn-, Schiff-, Hafen- und Luftfahrttechnik. Zudem sind Dienstleistungen deutscher Berater- und Projektierungsfirmen sehr gefragt.  
 
Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen haben sich in den letzten Jahrzehnten sehr gut entwickelt. Anfang 2014 wurde in Berlin die erste chinesische Handelskammer (CHKD) in Europa gegründet, um die Intensivierung der Handelsbeziehungen zu fördern. Seit 2011 führen Deutschland und China regelmäßige Regierungskonsultationen durch, die umfassende strategische Partnerschaften beinhalten.  

2018 beliefen sich die deutschen Exporte nach China auf 93 Mrd. Euro. Die Importe aus China umfassen heute Waren im Wert von mehr als 100 Mrd. Euro. Mit einem Handelsvolumen von ca. 200 Mrd. Euro in 2018 ist Deutschland mit großem Abstand der wichtigste europäische Handelspartner Chinas. Die VR China ist für Deutschland wiederum der bedeutendste Handelspartner in Asien und drittwichtigster weltweit. Nach China werden vor allem Maschinen, Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugteile, Elektrotechnik und chemische Erzeugnisse geliefert. In China sind etwa 5.200 deutsche Unternehmen ansässig; ca. 900 chinesische Unternehmen haben sich in Deutschland niedergelassen.  
          
Messewirtschaft
In China ist zwar eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums zu verzeichnen, jedoch bleibt der Messemarkt der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt weiterhin auf Wachstumskurs. Investitionen in Milliardenhöhe in Infrastruktur, Wohnungsbau, Klima- und Umweltschutz verbunden mit dem Neu- und Ausbau von Messegeländen bewirkten, dass sich China zum wichtigsten Messeplatz Asiens entwickelt hat und diese Position unbestritten behauptet. Insbesondere in den Städten wie Peking und Shanghai ist die Professionalität der Messeveranstalter hoch, vor allem wegen der zahlreichen internationalen Kooperationen.  
 
Nach wie vor prägen die Messen in Peking, Shanghai und Guangzhou die chinesische Messelandschaft. Peking als wichtiger Messestandort wird aufgrund seiner Nähe zu politischen Entscheidungsträgern und dem umfangreichen Ausbau der Infrastruktur geprägt. In Shanghai finden mehrheitlich die wichtigsten Fachmessen statt und die Konzentration an internationalen Veranstaltern ist groß.  

Die verstärkte Umorientierung der chinesischen Wirtschaft auf den Binnenmarkt beeinflusst auch die weitere Entwicklung der chinesischen Messelandschaft, denn die Messewirtschaft wendet sich verstärkt dem Dienstleistungswesen, der Digitalisierung, Automatisierung, Gesundheit, Bildung und hochwertigem Konsum zu.  

Großen Einfluss auf die chinesische Messewirtschaft hat auch das Projekt der „neuen Seidenstraße“: So führen chinesische Veranstalter verstärkt Messen und Messebeteiligungen in den Ländern durch, die über die Seidenstraße miteinander verbunden werden sollen. 2018 setzten 76 Messeveranstalter Beteiligungen an 718 Messen in 33 Ländern um, eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um rund 14%. Die meisten Messen waren als Mehrbranchen- und Maschinenbaumessen klassifiziert. Mit einer Steigerung um 19% zum Vorjahr wurde die Mehrheit der messebezogenen Projekte in Russland realisiert.

Land Anzahl der Messen Aussteller aus China
Russland 132 3.870
Indien 89 3.129
Vereinigte Arabische Emirate 82 3.906
Türkei 30 1.728
Thailand 47 1.641

Seit 2015 verfolgt der chinesische Staatsrat die Strategie, die heimische Messeindustrie bis zum Jahr 2020 internationaler und transparenter zu gestalten. So soll die Zulassung von neuen Messen allmählich dezentralisiert und die Zuständigkeit den Provinzen übertragen werden. Eine spürbare Professionalisierung der Messen außerhalb der traditionellen Messestandorte Peking, Shanghai und Guangzhou ist erkennbar. Zudem hat sich China zum größten eCommerce-Markt der Welt entwickelt, d. h. online-Plattformen werden als Vertriebskanäle für Produkte genutzt. Diese Entwicklung erfasst auch verstärkt das Marketinginstrument Messen, da traditionelle Messeaspekte virtualisiert werden.  
 
Hauptproblem der chinesischen Messewirtschaft bleibt die große Unübersichtlichkeit des chinesischen Messemarktes mit seinen vielen und von der Qualität her sehr unterschiedlichen Messeangeboten. Hinzu kommt, dass im Zuge der „Go West“ – Strategie der chinesischen Regierung zur Förderung und Entwicklung der westlichen Regionen eine Vielzahl an Messegeländen entstanden, die sich aufgrund ihrer geringen Auslastung oft nicht rentieren. So sollen 2018 in China etwa 9,83 Mio. m2 Ausstellungsfläche verteilt über 164 Messegelände zur Verfügung gestanden haben. Bei mehr als der Hälfte der Messegelände betrug die Nutzungsrate unter 10%. Der Konkurrenzkampf der Messestandorte um Messethemen und somit Aussteller und Besucher führt zu thematischen und terminlichen Überschneidungen. Ausreichende Informationen bzw. unabhängig erhobene Daten zu Flächenauslastung, Aussteller- und Besucherzahlen sind wenig verfügbar und erschweren die richtige Messeauswahl für alle Beteiligten.  

Messestädte und Messegelände
In China sind in den letzten 10 Jahren viele große Messegelände entstanden. 2018 wurden 164 Messegelände mit einer Hallenflächenkapazität von 9,83 Mio. m² gezählt. Das waren 11 Messegelände bzw. 480.000 m² mehr als 2017. Shanghai ist der wichtigste Messeplatz des Landes - hier befinden sich zwei der größten Messeplätze.

Die 10 größten Messegelände in China (über 100.000 m²)
Gelände      Bruttohallenfläche in m²
National Exh. & Conv. Ctr (NECC), Shanghai 400.000
China Import & Export Fair Complex, Guangzhou 338.000
Kunming Dianchi Intern. Conv. & Exh. Centre 300.000
Western China International Expo City, Chengdu 205.000
Chongqing International Expo Centre 200.000
Shanghai New International Expo Centre (SNIEC) 200.000
Wuhan International Expo Centre 150.000
Nanchang Greenland International Expo Center 140.000
Xiamen International Conference & Exhibition Center 140.000
GD Modern International Exhibition Center, Houjie 130.000

Zusätzliche Messegelände wurden in den letzten Jahren z. B. in den Provinzen Shandong und Guangdong gebaut. Mit einer überdachten Ausstellungsfläche von 1,54 Mio. m² verteilt über 21 Messegelände nimmt die südliche Provinz Guangdong eine Spitzenposition in China ein.

Deutsches Engagement
Im Ländervergleich nimmt die VR China den ersten Platz ein, was Eigenveranstaltungen deutscher Messeveranstalter im Ausland betrifft. Die Konzepte dieser Eigenveranstaltungen orientieren sich an den Standards führender internationaler Messen in Deutschland. Nahezu alle großen deutschen Messeveranstalter sind in China aktiv. Der mit Abstand attraktivste Markt ist die Wirtschaftsmetropole Shanghai.
 
Außerhalb der führenden Messestädte Shanghai, Peking und Guangzhou sind die deutschen Veranstalter u. a. in Chengdu, Changsha, Foshan, Nanjing, Shenzhen, Wuhan, Qingdao und Xian aktiv.  

Jahr Anzahl GTQ** China (ohne Hongkong) Shanghai
2019* 324 86 51
2018 321 88 51
2017 300 83 50
2016 296 84 49
2015 295 84 49

* vorläufig
**Eigenveranstaltungen deutscher Messeveranstalter bewirbt der AUMA mit dem Label „German Trade Fair Quality Abroad“ (GTQ).  
Quelle: AUMA-Datenbank
 
Auslandsmesseprogramm (AMP)
In der VR China können sich deutsche Unternehmen auf zahlreichen gut etablierten Fachmessen unter der Dachmarke „made in Germany“ innerhalb des Auslandsmesseprogramms (AMP) präsentieren. Die Messebeteiligungen in Form von German Pavilions decken einen Großteil im Investitionsgüterbereich ab, wie z. B. Maschinenbau, Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen, Automobilzulieferindustrie, Sanitär, Heizung, Klima, Landwirtschaftstechnik, Gesundheitswirtschaft bis zu Chemie- und Umwelttechnik. Aber auch Möbel-, Mode- und Konsumgütermessen sind seit vielen Jahren wichtiger Bestandteil im AMP. China ist der wichtigste Messeplatz für deutsche Unternehmen innerhalb des AMP, wobei Shanghai mit Abstand der bedeutendste Messeplatz bleibt.

Kontakte
Delegation of German Industry and Commerce Beijing
E-Mail: info@bj.china.ahk.de 
Homepage: http://www.china.ahk.de

Delegation of German Industry and Commerce Shanghai
E-Mail: office@sh.china.ahk.de  
Homepage: http://www.china.ahk.de

Delegation of German Industry and Commerce Guangzhou
E-Mail: info@gz.china.ahk.de  
Homepage: http://www.china.ahk.de

Botschaft der Bundesrepublik Deutschland
E-Mail: embassy@peki.diplo.de  
Homepage: http://www.peking.diplo.de

AUMA e.V.
Natalja Winges
Referentin
Regionen: Osteuropa, Zentral- und Ostasien
Tel.: +49 30 24 000 124 Fax: +49 30 24 000 320
E-Mail: n.winges@auma.de

Weitere Informationen:
China Messe
Quelle:

AUMA Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V.