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Foto: pixabay
21.09.2021

Virtuelle Qualitätsprüfung optimiert Produktion von Filtervliesstoffen

Die Vliesstoffproduktion bekam zu Corona-Zeiten in der breiten Öffentlichkeit so viel Aufmerksamkeit wie selten zuvor, denn das technische Textil ist entscheidend für den Infektionsschutz. Die Feinst-Vliesstoffprodukte werden in sogenannten Meltblown-Verfahren hergestellt. Ein abteilungsübergreifendes Team des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern optimiert im Projekt »ProQuIV« die gesamte Produktionskette. Dabei helfen Simulationen die Produktqualität des Filtermaterials trotz Schwankungen in der Herstellung zu garantieren.

Die Vliesstoffproduktion bekam zu Corona-Zeiten in der breiten Öffentlichkeit so viel Aufmerksamkeit wie selten zuvor, denn das technische Textil ist entscheidend für den Infektionsschutz. Die Feinst-Vliesstoffprodukte werden in sogenannten Meltblown-Verfahren hergestellt. Ein abteilungsübergreifendes Team des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern optimiert im Projekt »ProQuIV« die gesamte Produktionskette. Dabei helfen Simulationen die Produktqualität des Filtermaterials trotz Schwankungen in der Herstellung zu garantieren.

Das Kürzel »ProQuIV« steht für »Produktions- und Qualitätsoptimierung von Infektionsschutzkleidung aus Vliesstoffen«. Denn gerade zu Beginn der Covid-19-Krise waren Engpässe bei der Produktion dieser Materialien zu beobachten. Für die Klasse der Meltblown-Vliesstoffe gestaltet sich diese Optimierung der Produktqualität zudem besonders schwierig, weil die Prozesse sehr sensitiv auf Schwankungen und Materialunreinheiten reagieren.

Digitaler Zwilling hat das große Ganze im Blick
»Meltblown« heißt der industrielle Herstellungsprozess, dessen Feinstfaser-Vliesstoffe dafür verantwortlich sind, dass z.B. in Gesichtsmasken die entscheidende Filterfunktion gegeben ist. Dabei wird das geschmolzene Polymer durch Düsen gepresst, und zwar in einen vorwärts strömenden Hochgeschwindigkeitsstrom. Es wird in einer stark turbulenten Luftströmung gedehnt und abgekühlt.

»Der Gesamtprozess der Filtervliesherstellung – von der Polymerschmelze bis zum Filtermedium – stellt in der Simulation eine große Herausforderung dar«, erklärt Dr. Konrad Steiner, Leiter der Abteilung »Strömungs- und Materialsimulation«. »Wir haben im Projekt das große Ganze im Blick und eine komplett durchgängige Bewertungskette als digitalen Zwilling entwickelt. Dabei berücksichtigen wir gleich mehrere Schlüsselkomponenten: Wir simulieren die typischen Produktionsprozesse von Vliesstoffen, die darauf basierende Entstehung der Faserstrukturen und anschließend die Materialeigenschaften – hier insbesondere die Filtereffizienz. Damit lassen sich dann die Einflüsse des Herstellungsprozesses auf die Produkteigenschaften quantitativ bewerten.« In jedem dieser Einzelbereiche gehört das Fraunhofer ITWM mit seinen Expertinnen und Experten international zu den führenden Forschungsgruppen.

Homogenität des Materials – weniger Wolken am Simulationshimmel
Beim Meltblown-Verfahren liegt ein Schlüsselfaktor auf dem Verhalten der Filamente im turbulenten, heißen und schnellen Luftstrom. Die Fäden werden durch diese Luftströmung stark in ihren Eigenschaften beeinflusst. Die Qualität der Filamente – und damit am Ende der Vliesstoffe –  wird durch viele Faktoren beeinflusst. Was das in der Praxis genauer heißt, weiß Dr. Dietmar Hietel, Leiter der Abteilung »Transportvorgänge«. Sein Team beschäftigt sich am Fraunhofer ITWM schon seit Jahren mit der Simulation von verschiedenen Prozessen rund um Filamente, Fäden und Fasern. »Im Fokus des Projekts steht die sogenannte Wolkigkeit, d.h. die Ungleichmäßigkeit, mit der die Fasern im Vliesstoff verteilt sind«, erklärt Hietel. »Wir gehen der Frage nach: Wie homogen ist der Stoff? Denn die Qualität der Produkte kann stark verbessert werden, wenn wir solche Ungleichmäßigkeiten optimieren. Unsere Simulationen helfen dabei herauszufinden, wie das gelingt.«

Objektive Bewertung der Homogenität der Vliesstoffe
Zur Quantifizierung dieser Wolkigkeit setzen die Forschenden zudem passende Bildanalysetechniken ein. Das Powerspektrum spielt dabei eine besondere Rolle. »Der Wolkigkeitsindex, abgekürzt CLI, beschreibt die Homogenität komplementär zu lokalem Flächengewicht und seiner Varianz,« beschreibt Dr. Katja Schladitz. Sie bringt ihre Expertise in der Bildverarbeitung in das Projekt mit ein. »Unser CLI stellt eine robuste Bewertung der Homogenität sicher und kann somit für verschiedene Materialklassen und Abbildungstechniken als objektives Maß genutzt werden« Die Frequenzen, die in die CLI-Berechnung eingehen, können so gewählt werden, dass der CLI aussagekräftig für das jeweilige Anwendungsgebiet ist.

Filtration: Wie effizient sind die Filter
Bei der Hochskalierung auf Industrieprozesse wie bei der Maskenproduktion fließt zudem die ITWM-Expertise rund um Filter in das Projekt mit ein. Das Team »Filtration und Separation« um Dr. Ralf Kirsch beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem mathematischen Modellieren und Simulieren verschiedenster Trennprozesse.

»Das Besondere an diesem Projekt: Wir berechnen die Effizienz der Filter für unterschiedlich stark ausgeprägte Schwankungen des Faseranteils im Filtervlies«, betont Kirsch. »Dadurch können wir angeben, bis zu welchem Wolkigkeitsgrad die geforderte Filtereffizienz überhaupt erreichbar ist.« Als aktuelles Beispiel hierfür sieht man in der Grafik die Effizienz eines Filtermaterials für N95-Masken in Abhängigkeit von der Inhomogenität des Vliesstoffes.

ITMW-Methoden unterstützen über die ganze Prozesskette hinweg
Digitale Zwillinge und Berechnungen aus dem Hause Fraunhofer ITWM unterstützen in »ProQuIV« die Prozesse ganzheitlich zu überschauen und besser zu verstehen. Die Produktion der technischen Textilien wird damit nicht nur effizienter, sondern die Vliesstoffe lassen sich virtuell entwickeln, ohne dies vorab in einer Versuchsstätte zu realisieren. So können Produktionskapazitäten bei gleichbleibender Qualität gesteigert werden. Gemeinsam mit langjährigen Partnern aus der Industrie kann die Forschung schnell und effizient in der Praxis zum Einsatz kommen.

Simulationen sparen Textil-Unternehmen Experimente, erlauben neue Einblicke, ermöglichen systematische Parametervariationen und lösen Upscaling-Probleme, die sonst zu Fehlinvestitionen beim Übergang von der Laboranlage zur Industrieanlage führen können. Die virtuelle Umsetzung der Vliesstoffproduktion eröffnet aber auch neue Möglichkeiten zur Optimierung auf anderen Ebenen. So können auch akustische dämmende Vliesstoffe oder auch Hygiene-Vliesstoffe hinsichtlich ihrer Produktgüte genau auf die zu erzielende Materialeigenschaften hin optimiert werden – und das unter Berücksichtigung der auftretenden Prozessschwankungen.

Das Projekt ist Teil des Programms »Fraunhofer versus Corona« der Fraunhofer-Gesellschaft und wurde im April 2021 abgeschlossen. Die Ergebnisse fließen in mehrere Folgeprojekte mit der Vliesstoffindustrie ein.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM

Foto: Pixabay
28.04.2020

Meltblown Productive: Fraunhofer ITWM vs. Corona - Mit Mathematik gegen die Krise

  • Meltblown produktiv – ITWM-Software unterstützt bei Vliesstoffproduktion für Infektionsschutz

Simulationen des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM machen Prozesse bei der Herstellung von Vliesstoffen effizienter. So wird im Rahmen des Anti-Corona-Programms von Fraunhofer die Produktion von Infektionsschutz optimiert.
 
Die Vliesstoffproduktion hat in der breiten Öffentlichkeit zurzeit so viel Aufmerksamkeit wie selten, denn Vlies ist in Zeiten der Corona-Pandemie lebenswichtig für den Infektionsschutz im medizinischen Bereich und auch für den Schutz der Gesamtbevölkerung. Einmal-Bettwäsche in Krankenhäusern, OP-Kittel, Mundschutz, Wundschutzauflagen und Kompressen sind einige Beispiele für Vliesstoffprodukte.

  • Meltblown produktiv – ITWM-Software unterstützt bei Vliesstoffproduktion für Infektionsschutz

Simulationen des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM machen Prozesse bei der Herstellung von Vliesstoffen effizienter. So wird im Rahmen des Anti-Corona-Programms von Fraunhofer die Produktion von Infektionsschutz optimiert.
 
Die Vliesstoffproduktion hat in der breiten Öffentlichkeit zurzeit so viel Aufmerksamkeit wie selten, denn Vlies ist in Zeiten der Corona-Pandemie lebenswichtig für den Infektionsschutz im medizinischen Bereich und auch für den Schutz der Gesamtbevölkerung. Einmal-Bettwäsche in Krankenhäusern, OP-Kittel, Mundschutz, Wundschutzauflagen und Kompressen sind einige Beispiele für Vliesstoffprodukte.

Insbesondere in der Intensiv- und Altenpflege werden aufgrund der besonderen Hygieneanforderungen dazu Einmal-Produkte verwendet, die aus Vliesstoffen gefertigt sind. Momentan sind deutliche Engpässe bei der Produktion dieser Materialien zu beobachten. Für die Klasse der Meltblown-Vliesstoffe gestaltet sich eine Effizienzsteigerung der Produktion jedoch schwierig, weil Meltblown-Prozesse hochsensitiv auf Prozessschwankungen und Materialunreinheiten reagieren.  
 
Vlies ist zwar nicht gleich Vlies, aber allen industriell gefertigten Vliesstoffen verhältnismäßig gleich ist das grobe Prinzip ihrer Produktion: Geschmolzenes Polymer wird durch viele feine Düsen gepresst, in einem Luftstrom stark verstreckt und abgekühlt und so zu den typischen weißen Bahnen abgelegt. »Meltblown« heißt der FeinstfaserProzess, dessen Vliesstoffe dafür verantwortlich sind, dass in Gesichtsmasken die entscheidende Filterfunktion gegeben ist.  
 
Bei der Meltblown-Technologie werden nichtgewebte Stoffe direkt aus Granulat hergestellt. Ein spezielles Spinnverfahren in Kombination mit Hochgeschwindigkeits-Heißluft kommt zum Einsatz, um feinfaserige Vliesstoffe mit unterschiedlichen Strukturen zu produzieren. Die Fäden werden durch die turbulente Luftströmung hochgradig verstreckt. Dabei verwirbeln sie in der Luft, verschlingen sich und fallen mehr oder weniger zufällig auf ein Transportband, wo sie weiter verfestigt werden – ein sehr komplexer Prozess. Weltweit bemühen sich Vliesstoffhersteller, ihre Produktionskapazitäten massiv zu steigern.  
 
Digitaler Zwilling optimiert Meltblown-Prozess     
Hier kommt die Software des ITWM ins Spiel. »Mit unserem Fiber Dynamics Simulation Tool FIDYST werden die Bewegungen der Fasern, ihr Fallen und die Ausrichtung, mit der sie auf einem Transportband landen, vorausgesagt. Je nach Prozesseinstellungen entstehen spezifische Turbulenzen und damit Vliesqualitäten, die sich in Struktur, Faserdichte und Festigkeit unterscheiden«, erklärt Dr. Walter Arne vom Fraunhofer ITWM. Er beschäftigt sich am Institut schon seit Jahren mit der Simulation von verschiedenen Prozessen rund um Fäden, Fasern und Filamente.

Die Methodik ist gut übertragbar auf Meltblown-Prozesse. Bei diesen liegt eine der Besonderheiten auf der Simulation der Filamentverstreckung im turbulenten Luftstrom – wie die Verstreckung verläuft, die Dynamik der Filamente und die Durchmesserverteilung. Das sind alles komplexe Aspekte, die mit einbezogen werden müssen, aber auch das Strömungsfeld oder die Temperaturverteilung. Die Simulationen der Forschenden am Fraunhofer ITWM ermöglichen dann einen qualitativen und quantitativen Einblick in die Faserentstehung in solchen Meltblown-Prozessen – weltweit einzigartig in dieser Form, wenn es um die Abbildung eines turbulenten Spinnprozesses (Meltblown) geht.

Vliesstoffhersteller profitieren von Simulation
Was heißt das für die Industrie? Die Produktion von technischen Textilien kann so nicht nur deutlich effizienter werden, sondern die Vliesstoffe lassen sich entwickeln, ohne dies vorab in einer Versuchsstätte zu realisieren. Denn die Simulationen helfen, die Prozesse anhand eines digitalen Zwillings zu prognostizieren und dann zu optimieren. So können Produktionskapazitäten bei gleichbleibender Produktqualität gesteigert werden. Simulationen sparen Experimente, erlauben neue Einblicke, ermöglichen systematische Parametervariationen und lösen Upscaling-Probleme, die zu Fehlinvestitionen beim Übergang von der Laboranlage zur Industrieanlage führen können.

Mit langjähriger Expertise einen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten
»Exemplarisch wollen wir dies im Projekt an einer typischen Meltblown-Anlage demonstrieren – hierzu stehen wir mit Partnerunternehmen in Kontakt«, so Dr. Dietmar Hietel, Abteilungsleiter »Transportvorgänge« am Fraunhofer ITWM. »Im Rahmen des Anti-Corona-Programms von Fraunhofer wollen wir so mit unserer gewachsenen Expertise und unserem Netzwerk einen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten«, berichtet Hietel. In seiner Abteilung am Fraunhofer ITWM wird die Forschung im Bereich der technischen Textilien seit rund 20 Jahren verfolgt. Das Projekt ist aufgrund der aktuellen Relevanz nicht nur schnell gestartet, sondern auch mit der Umsetzung und Ergebnissen soll es jetzt schnell gehen: Die Laufzeit ist vom 15.04.2020 bis 14.08.2020 angesetzt. Das Kickoff-Meeting fand am 17.04.2020 per Videokonferenz statt.
 
Das Projekt »Meltblown produktiv« und die Ergebnisse sind sicher interessant für Vliesstoffproduzenten. Die Produktion vieler Massenprodukte wurde in den vergangenen Jahrzehnten vielfach nach Asien ausgelagert; die in Deutschland und Europa verbliebenen Vliesstoffhersteller fokussieren sich eher auf hochwertige technische Textilien. Mittel- und längerfristig sind dies auch wissenschaftliche Vorarbeiten, falls Produktionskapazitäten in Deutschland und Europa durch neue Anlagen ausgebaut werden. Denn eine Lehre aus der Krise wird auch sein, die Abhängigkeit von Produzenten in Asien insbesondere als Vorsorge für Krisenszenarien einzudämmen.

Quelle:

Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM