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17.11.2020

KfW: 20 Mio. EUR für von der Corona-Pandemie betroffene TextilarbeiterInnen

  • Schnelle Hilfe für mehr als 200.000 Betroffene

Viele hunderttausend TextilarbeiterInnen in Bangladesch sind durch den Ausbruch der Corona-Pandemie von einem Abrutschen in die Armut bedroht. Denn rund die Hälfte der vier bis fünf Millionen im Sektor Beschäftigten sind Schätzungen der EU zufolge seit dem Frühjahr 2020 entweder entlassen oder freigestellt worden – teils ohne soziale Sicherung als Rückhalt. Um die drastischen wirtschaftlichen Folgen abzumildern widmet die EU ihre bestehende Sektorbudgethilfe für Bangladesch nun um. Daher sollen ab sofort rund 90 Mio. EUR in ein neues Regierungsprogramm fließen, das Lohnersatzleistungen für freigestellte Beschäftigte im Textilsektor – dazu zählen auch die Leder- und die Schuhindustrie – finanziert, oder entlassenen Beschäftigten zumindest eine kurzfristige Überbrückung zahlt. Die deutsche Finanzielle Zusammenarbeit (FZ) stockt diese EU-Gelder jetzt um 20 Mio. EUR Euro auf.

  • Schnelle Hilfe für mehr als 200.000 Betroffene

Viele hunderttausend TextilarbeiterInnen in Bangladesch sind durch den Ausbruch der Corona-Pandemie von einem Abrutschen in die Armut bedroht. Denn rund die Hälfte der vier bis fünf Millionen im Sektor Beschäftigten sind Schätzungen der EU zufolge seit dem Frühjahr 2020 entweder entlassen oder freigestellt worden – teils ohne soziale Sicherung als Rückhalt. Um die drastischen wirtschaftlichen Folgen abzumildern widmet die EU ihre bestehende Sektorbudgethilfe für Bangladesch nun um. Daher sollen ab sofort rund 90 Mio. EUR in ein neues Regierungsprogramm fließen, das Lohnersatzleistungen für freigestellte Beschäftigte im Textilsektor – dazu zählen auch die Leder- und die Schuhindustrie – finanziert, oder entlassenen Beschäftigten zumindest eine kurzfristige Überbrückung zahlt. Die deutsche Finanzielle Zusammenarbeit (FZ) stockt diese EU-Gelder jetzt um 20 Mio. EUR Euro auf.

„Die Textilbranche“, so KfW-Büroleiter Anirban Kundu, „ist das Rückgrat der Wirtschaft in Bangladesch. Allein der Exportanteil der Textilindustrie an der Wirtschaft beträgt 86 %, das Handelsvolumen insgesamt rund 40 Mrd. USD. Wenn es ihr schlecht geht, geht es dem ganzen Land schlecht.“

Die Corona-Pandemie sorgt daher für enorme Turbulenzen im Sektor. Viele Aufträge wurden storniert und bereits produzierte Waren häufig nicht abgenommen. „Auch wenn sich die Situation mittlerweile etwas entspannt hat“, berichtet Kundu weiter, „bleibt die Lage kritisch – nicht zuletzt wegen des gestiegenen Preisdrucks oder weil Aufträge nicht den vorherigen Umfang erreicht haben.“ Die Folge: Die Betroffenen geraten in eine existenzbedrohende Notlage. Freigestellte Beschäftige erhalten teilweise nur in den ersten 45 Tagen Lohnersatzleistungen. Entlassene, die vorher nicht für einen gewissen Mindestzeitraum angestellt waren, bekommen gar keine Unterstützung.

Selbst wenn die Produktion wieder anläuft – weiterhin viele freigestellte Beschäftigte
Die Regierung Bangladeschs hat im April 2020 vier Konjunkturpakete in Höhe von insgesamt rund 7,3 Mrd. EUR auf den Weg gebracht, um die Folgen von COVID-19 auf die Wirtschaft abzufedern. Mit der nun kurzfristig aufgelegten Nothilfe stockt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die bestehende Sektorbudgethilfe der EU in Höhe von 93 Mio. EUR um bis zu 20 Mio. EUR auf. Dieser Zuschuss in den Landeshaushalt 2020 ermöglicht es nicht nur, nachträglich Lohnersatzzahlungen für freigestellte Textilarbeiterinnen und -arbeiter zu finanzieren, sondern unterstützt auch diejenigen zumindest kurzfristig, die eine Entlassung besonders hart trifft: Zum Beispiel Mütter, die nach der Geburt eines Kindes keine Leistungen erhalten, oder jene Frauen und Männer, die weniger als ein Jahr lang in einem Unternehmen beschäftigt waren.

Ab November sollen sie – zunächst für maximal ein Vierteljahr, eventuell darüber hinaus – monatlich umgerechnet rund 30 EUR erhalten. Um sicherzustellen, dass dieses Geld sein Ziel erreicht, wird es über entsprechende Plattformen der Regierung elektronisch auf die Bankkonten der Betroffenen überwiesen. Die maßgeblichen Exportverbände im Textilsektor liefern dazu monatlich aktuelle Zahlen der freigestellten oder entlassenen Beschäftigten.

„Zuschuss ist keine Entbindung der Arbeitgeber von ihren Pflichten“
Etwa 215.000 Arbeiterinnen und Arbeit kommen direkt in den Genuss der Zahlungen allein durch den deutschen Beitrag, indirekt profitieren davon aber fast viermal so viele: Nicht nur die Familienangehörigen, sondern auch die Gemeinden, in denen die Textilarbeiterinnen und -arbeiter leben, darüber hinaus auch Transportunternehmen, Straßenhandel und andere lokale Dienstleister. Ohne diese schnelle Unterstützung und dem Wiederanlaufen der Produktion ist für die ohnehin kleine und fragile Volkswirtschaft Bangladeschs mit nachhaltigen wirtschaftlichen Schäden zu rechnen. Doch Anirban Kundu stellt auch klar: „Es ist damit keinesfalls beabsichtigt, die Arbeitgeber von ihren gesetzlichen Verpflichtungen zu Lohnfortzahlung zu entbinden. Vielmehr geht es darum, dass die Soforthilfe Freigestellte erreicht, die keine gesetzlichen Lohnfortzahlungen mehr beziehen, um ihre Existenznot damit zumindest etwas aufzufangen.“

Weitere Informationen:
Textilbranche Covid-19 Bangladesch KFW
Quelle:

KfW

Foto: Jakob Jost GmbH
25.08.2020

Steffen Jost: „Wir müssen schneller werden, besser werden in den Sortimenten und strategischer vorgehen.“

Interview mit Steffen Jost, Präsident des BTE e.V. und Geschäftsführer der Jakob Jost GmbH
 
Am 31. Juli diesen Jahres meldete der Handelsverband Deutschland - HDE e.V. begleitend zu den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten aktuellen Umsatzzahlen: „Viele Bekleidungshändler nach wie vor in Existenzgefahr.“ Eine HDE-Umfrage unter 500 Händlern zeigte, dass rund zwei Drittel der befragten Nicht-Lebensmittelhändler in der laufenden Woche mindestens 75 Prozent des Umsatzes der Vergleichswoche des Vorjahres erreichen. Hauptgrund dafür seien die langsam ansteigenden Kundenfrequenzen.

Interview mit Steffen Jost, Präsident des BTE e.V. und Geschäftsführer der Jakob Jost GmbH
 
Am 31. Juli diesen Jahres meldete der Handelsverband Deutschland - HDE e.V. begleitend zu den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten aktuellen Umsatzzahlen: „Viele Bekleidungshändler nach wie vor in Existenzgefahr.“ Eine HDE-Umfrage unter 500 Händlern zeigte, dass rund zwei Drittel der befragten Nicht-Lebensmittelhändler in der laufenden Woche mindestens 75 Prozent des Umsatzes der Vergleichswoche des Vorjahres erreichen. Hauptgrund dafür seien die langsam ansteigenden Kundenfrequenzen.

Bei 27 Prozent der Händler sei die Lage allerdings nach wie vor sehr ernst: Sie sehen ihre unternehmerische Existenz aufgrund der Coronakrise bedroht. Den meisten Handelsunternehmen werde es nicht gelingen, in den letzten Monaten aufgelaufene Umsatzverluste aufzuholen. Dementsprechend kalkulierten zwei Drittel der Nicht-Lebensmittelhändler auch im zweiten Halbjahr mit einem Umsatzminus. Viele Bekleidungshändler durchlebten nach wie vor schwere Zeiten.
 
Textination sprach darüber mit Steffen Jost, langjähriger Präsident des BTE Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels e.V., Inhaber und Geschäftsführer der Jakob Jost GmbH. Das 1892 gegründete Familienunternehmen betreibt fünf Bekleidungshäuser in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg im mittleren bis gehobenen Preissegment mit mehr als 300 Mitarbeitern und einer Verkaufsfläche von rund 20.900 qm.

Wie haben Sie die Coronazeit bisher empfunden – gerne als Unternehmen und persönlich? Was möchten Sie auf keinen Fall wieder erleben, was aber vielleicht sogar in den Alltag mitnehmen?
Die Coronazeit war für das Unternehmen und die Mitarbeiter eine herausfordernde Zeit. Man erlebt sehr deutlich, welche Mitarbeiter sich loyal und mit Engagement den Herausforderungen stellen und welche nicht. Erschreckend ist das Auftreten von Maskenverweigerern unter den Kunden, die für sich in Anspruch nehmen, ohne Maske im Handel einkaufen zu können und für sich eine Freiheit fordern und gleichzeitig damit die Opferbereitschaft der Mitarbeiter voraussetzen. Der Ton, die Unverschämtheiten als auch die Aggressivität sind erschreckend, es handelt sich hierbei häufig um Egoismus pur. Mit Freiheit ist hier immer nur die eigene gemeint.   

Was bedeutet die Pandemie bisher wirtschaftlich für Ihr eigenes Unternehmen, wie schätzen Sie die Konsequenzen für die gesamte Branche ein?
Die wirtschaftlichen Auswirkungen insbesondere im Bereich Rentabilität sind immens. Nachdem es die gesamte Branche trifft und damit auch viele Unternehmen, die ohne eine solide Eigenkapital-Basis in die Krise hineingegangen sind, ist eine große Bereinigung zu befürchten. Insbesondere deshalb, weil auch noch nicht abzusehen ist, wie lange die Krise noch dauern wird.
 
Zu welchen Anpassungen oder Neuerungen haben Sie sich für Ihr Sortiment veranlasst gesehen?
Durch die Krise bedingt sind Anlass- und elegante Bekleidung eher rückläufig, sportive Bekleidung im Durchschnitt etwas erfolgreicher, so dass hier vermehrt Schwerpunkte gelegt werden. Der stationäre Handel als auch die Industrie haben große Probleme, trotzdem gibt es mit vielen Lieferanten nach intensivem Austausch akzeptable Lösungen. Einige wenige Lieferanten versuchen ausschließlich ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Dies wird natürlich entsprechende Konsequenzen für die Zusammenarbeit haben.

Wie sehen Sie künftig auf Lieferanten, welche Erfahrungen haben Sie gemacht und werden Sie für Ihre Beschaffungspolitik Konsequenzen ziehen?
Die gute Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie ist wesentlich für den wirtschaftlichen Erfolg. Ist diese Basis nicht gegeben (sie hat durch Corona erheblich gelitten), vermutet man auch, dass die wirtschaftlichen Erfolge der Zukunft schlechter werden. Eine ertragsorientierte Unternehmensführung muss dies entsprechend in der Beschaffungspolitik konsequent berücksichtigen.
          
Welche Initiativen oder Instrumente auf wirtschaftspolitischer Ebene haben Sie für die Branche begrüßt, welche Kritik haben Sie anzubringen?
Das Kurzarbeitergeld als auch die KfW-Kredite sind für viele Unternehmen, auch für unseres, wesentliche Bausteine zur Unternehmenssicherung. Der Handel ist zum ersten Mal bei Kurzarbeit dabei. Kritisch sehen wir die mangelnde Bereitschaft der Politik, die Maskenpflicht durchzusetzen und Verstöße dagegen entsprechend zu ahnden. Dies wird auf den Handel und andere Wirtschaftsbereiche abgewälzt mit entsprechenden Problemen in der Kundenbeziehung.
Die Überbrückungshilfen waren für viele kleine Unternehmen eine große Hilfe, mittelgroße Unternehmen konnten davon leider nicht partizipieren. Mit Sicherheit hat Corona die Strukturprozesse und Entwicklungen im Handel massiv beschleunigt, wobei die einseitige Betrachtung des Online-Vertriebs, wie zurzeit festzustellen ist, sicher zu kurz greift. Es geht auch um die Fähigkeit, in Normalzeiten rentable Umsätze zu generieren um Unternehmenssubstanz zu bilden und darüber hinaus auch die nötigen Investitionen zu finanzieren.

Hat die Coronazeit auch positiv gewirkt, indem die Branche ohnehin erforderliche Neuerungen vorgezogen hat?
Dies mag in dem einen oder anderen Fall durchaus der Fall sein. Insbesondere Unternehmen, die digital noch nicht ausreichend aufgestellt waren, mussten hier vielleicht schnell agieren. In der Breite allerdings sind Krisenzeiten selten auch große Investitionszeiten.

Welche Bedürfnisse muss der stationäre Einzelhandel künftig erfüllen, welche Leistungen anbieten, um eine stabile Zukunft zu haben?
Der Handel muss mehr sein als ein Ort, wo Ware in größerer Anzahl bevorratet wird. Dies kann das Internet in viel größerem Umfang. Ein echter Service am Kunden wird eine zunehmende Rolle spielen als auch die Aufenthaltsdauer und Gestaltungsqualität der Handelsflächen. Gleichzeitig gilt es, die digitalen Möglichkeiten optimal auszuschöpfen. Darüber hinaus gilt es die Sortimente so zu kuratieren, dass dem jeweiligen Anspruch der Kunden ein Sortiment gegenübergestellt wird, das seinen Vorstellungen entspricht. Im Grunde ist das die ureigenste Aufgabe des Einkaufs schon seit Jahrzehnten.    

Welche Initiativen oder Ansätze durch oder für Ihre Branche wünschen Sie sich als Unter-stützung für eine solche Zukunft?
Die Zusammenarbeit von Industrie und Multilabel-Handel muss unbedingt intensiver werden und, vor allen Dingen, schneller. Bisher werden die Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung im gegenseitigen Informationsfluss viel zu wenig ausgenutzt und die entsprechenden Konsequenzen daraus nicht gezogen. Des Weiteren sind die Beschaffungszeiten zu reduzieren. Die Order- und Liefertermine sind deutlich später zu legen, auch bei der Order die Möglichkeit der digitalen Welt zu nutzen, um die großen systemischen Vorteile des vertikalen Handels etwas auszugleichen und damit auch die Abschriften- und Retourenquoten deutlich zu senken.

Bisher waren die großen Themen Globalisierung, Nachhaltigkeit / Klimawandel / Umweltschutz, Digitalisierung, Arbeitsmarktsituation … ?
Wie sind diese großen Themen vor dem Hintergrund der Covid-19 Pandemie zu bewerten?

An den großen Themen wird sich auch durch Covid 19 nichts Gravierendes ändern, sie werden uns erhalten bleiben. Eventuell kann die negative Arbeitsmarktsituation, die zu befürchten ist, diese etwas in den Hintergrund drängen, denn wenn existenzielle Nöte zu lösen sind, hat man für die anderen Probleme, aus der Erfahrung heraus, deutlich weniger Aufmerksamkeit.
 
Was sind die Lehren für den textilen Einzelhandel hinsichtlich dieser Ziele für die Zeit nach Corona?
Die langen Vorlaufzeiten zwischen Bestellung und Lieferung müssen endlich verkürzt werden. Wir müssen schneller werden, besser werden in den Sortimenten und strategischer vorgehen. Wir dürfen nicht durch die Vorgaben einzelner Lieferanten die eigenen Interessen und die Gesamtstrategie eines Unternehmens aus den Augen verlieren.
Das strategische Ziel kann nur heißen, dauerhaft rentable Umsätze anzustreben und dafür alle nötigen Maßnahmen konsequent umzusetzen.

Das Interview führte Ines Chucholowius,
Geschäftsführerin der Textination GmbH